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56 BILANZ 02/2012 Trends Nachhaltigkeit Foto: Ludwig Weh / Keystone Sonnenfinsternis Überkapazitäten und politische Unsicherheiten beuteln die Solarindustrie – auch die Schweizer Zulieferer. Viele Firmen werden die Marktbereinigung nicht überleben. BERNHARD RAOS TEXT

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56 BILANZ 02/2012

Trends Nachhaltigkeit

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SonnenfinsternisÜberkapazitäten und politische Unsicherheiten beutelndie Solarindustrie – auch die Schweizer Zulieferer. Viele Firmen werdendie Marktbereinigung nicht überleben.BERNHARD RAOS TEXT

02/2012 BILANZ 57

Warten auf den Sonnen-aufgang: europäischeSolarindustrie.

Ende 2011 war die solareWelt nach aussen inbester Ordnung. Dievier Schweizer Bundes-rätinnen wurden mitdem europäischen So-larpreis ausgezeichnet.

Als Anerkennung dafür, dass die Landes-regierung nach der Katastrophe in Japanden Atomausstieg proklamierte. EinSteilpass für die Solarindustrie, die poli-tisch gehätschelt und in vielen Staatenmassiv subventioniert wird.

Doch der Sonnenenergiebranche istnicht zum Feiern zumute. Sie steht voreiner schmerzhaften Restrukturierung.«Das Ungleichgewicht zwischen Angebotund Nachfrage ist zu gross», weiss Mat-thias Fawer, Analyst bei der Bank Sarasinund Autor einer aktuellen Solarindust-riestudie. Konkret: Einem weltweitenjährlichen Absatzpotenzial von 21 Giga-watt (GW) standen Ende 2011 rund 50GW an Produktionskapazität für Solar-module gegenüber.

Pleitewelle. Der Verdrängungskampf istgnadenlos. Den Takt geben die grossenAnbieter aus China mit einem Marktan-teil von über 50 Prozent vor. «Dort sind dieModulpreise im letzten Jahr bis zu 45 Pro-zent eingebrochen», sagt Werner Buch-holz vom Solarzulieferer Meyer Burger.Davon ist das Unternehmen direkt betrof-fen. Das zugekaufte deutsche Tochterun-ternehmen Roth & Rau rutschte 2011 indie roten Zahlen, und am Standort inThun musste die Serienproduktion fürDrahtsägen zeitweilig eingestellt werden.Buchholz will sich auf keine Prognosenfür 2012 festlegen: «Dies ist wegen der ak-tuell zusätzlich erschwerten fiskalpoliti-schen Herausforderungen nicht möglich.»

So genügte jüngst die Forderung einerchinesischen Behörde nach mehr Son-nenstrom im Reich der Mitte, um dieMeyer-Burger-Aktie Anfang Jahr um über20 Prozent steigen zu lassen – nachdemsich deren Kurs 2011 halbiert hatte. «Dieseabrupten Ausschläge widerspiegeln diestarke Abhängigkeit der Solarindustrievon der Stimmung in Politik und Öffent-lichkeit sowie das aktuelle Ungleichge-wicht zwischen Produktionskapazitätenund Nachfrage», meint Analyst Fawer. Inseiner Studie hat er den globalen Fotovol-taik-Index PPVX mit dem MSCI Worldübers letzte Jahr verglichen: Nach demNuklearunfall in Japan lag der PPVX

kurzfristig um 20 Prozent über dem MSCI,verlor dann aber bis Ende Jahr rund 61Prozent – gegenüber einem Minus vonzwei Prozent der weltweiten Börse.

Für Fawer ist eine Marktbereinigungin der Solarbranche unvermeidlich: «Vorallem in Deutschland werden nur wenigeFirmen überleben.» Erste prominenteOpfer gab es letztes Jahr. Die börsenko-tierte Solar Millennium musste im De-zember die Insolvenz anmelden, kurzzuvor hatte es Solon getroffen – nacheinem Jahresverlust von über 200 Millio-nen Franken. CSG Solar war bereits MitteJahr pleite. Allein in Deutschland gingenrund 20 000 Arbeitsplätze in der Solarin-dustrie verloren. Und in den USA traf esmit dem kalifornischen UnternehmenSolyndra ein ehemaliges Aushängeschildder Branche. Dies, obwohl die Firma vonder US-Regierung vor der Insolvenz nocheinen Kredit über 500 Millionen Dollarerhalten hatte.

Klar ist: Solarenergie ist eine Zukunfts-branche, doch sie steckt in einem Zwi-schentief, muss sich neu sortieren. Nichtalle werden den Stress überleben. Gutaufgestellt sind Unternehmen, «die inter-national breit positioniert sind und meh-rere Produktionsschritte abdecken», sagtFawer. Nach einer schwierigen Über-gangsphase – vor allem in Europa – wür-den die globalen Installationen vonFotovoltaikanlagen bis 2015 um durch-schnittlich 18 Prozent pro Jahr wachsen.Als gut positioniert sieht Fawer bei denFotovoltaikanbietern Suntech Power,Trina Solar und Yingli Solar aus China,First Solar und SunPower aus den USAund die deutsche SolarWorld.

Geteilter Markt. Und die Schweiz? 2011wurden Fotovoltaikanlagen mit 85 Mega-watt (MW) neu installiert, das sind mehrals doppelt so viel wie 2010 (37 MW). Eswar für Hausbesitzer noch nie so günstig,Solarstromanlagen zu montieren. Davonprofitierten in erster Linie Hunderte Ins-tallateure, die Solarmodule dank hartemFranken günstig beschaffen konnten.Hier brummt das Geschäft; viele Instal-lateure haben zu wenig Fachkräfte («So-larteure»), um alle Aufträge abzuwickeln.

In der Schweiz gibt es keine grossenHersteller für Solarmodule und Solarzel-len, aber bedeutende Zulieferer. Und diesind von den aktuellen Verwerfungenebenfalls betroffen. So, wie bereits er-wähnt, die Firma Meyer Burger, in der 4Quelle: Bank Sarasin. © BILANZ-Grafik

indexiert, Prozent

13. 1. 201231. 12. 2010

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Eine Schere

Solaraktien(PPVX)

MSCI Welt

Nach dem Reaktorunfall inJapan legte der PPVX-Solarindexzu, ab April begann er zusinken und liegt heute deutlichunter dem MSCI-Börsenindex.

BILANZ: Wird die Energiewendeüberhaupt umgesetzt?Roland Dörig: Das müssen Sie diePolitiker in Bern fragen. Fakt ist:Der Ausstieg aus der Kernenergiebedeutet den Einstieg in die kon-ventionelle thermische Energie,das heisst in Gas. Vor dieser Ent-scheidung standen wir bereits inden sechziger Jahren.

Inwiefern?Damals hiess die Frage: Energie-versorgung mit oder ohne CO2? DieAntwort darauf: ohne CO2 – undmit Kernenergie.

Wäre heute die Antwort: ohne COund mit Solarenergie?Heute nicht. Wir müssen realis-tisch bleiben. Es geht um den Er-satz von 40 Prozent der nationalenStromproduktion. Wir brauchenleistungsfähige Grosskraftwerkeals Brückentechnologie, um dieEnergielücke der Zukunft zu fül-len. Dabei gilt es zu berücksichti-gen: das schrittweise Abstellenunserer Kernkraftwerke und dasAuslaufen der Importverträge mitFrankreich. Als Kompensation imgrossen Stil sehe ich in der

Schweiz nur Gaskraftwerke. Son-nen- und Windstrom aus nationa-ler Produktion können nur eineergänzende Rolle spielen.

Sind Sie nicht zu pessimistisch?Mit dem Kernenergieausstieg fälltsubstanziell Bandenergie weg. So-larstrom vermag diesen Wegfallnicht zu kompensieren. Klar ist,dass wir sämtliche Technologienweiterverfolgen müssen und keineOption aus der Hand geben dür-fen, damit wir in einer energeti-schen Zukunft ohne CO2 lebenkönnen. Es gibt auch in der Ener-gieversorgung keinen Free Lunch.

Weshalb taugt Solarstrom in Zu-kunft noch zu wenig?Ein Problem liegt in den nationalgeprägten Förderungen. Deutsch-land hat – staatlich gefördert –weltweit die mit Abstand grösstenSonnenstrom-Kapazitäten aufge-baut, die Sonne scheint im Südenallerdings länger und häufiger. DieFördermechanismen der Staatenmüssten in einem paneuropäi-schen System die Anreize für In-vestitionen so koordinieren, dassdort investiert wird, wo der grössteNutzen entspringt. Das heisst beierneuerbaren Energiequellen:Sonnenstrom von dort, wo dieSonne scheint, Windstrom vondort, wo der Wind bläst.

Sie setzen auf Gaskraft?Zumindest als Brückentechnolo-gie. Aber auch hier zeigen sichgravierende Stolpersteine auf demWeg zum Energiemix der Zukunft:Kein Mensch investiert heute inein neues Gaskombi-Kraftwerk,weil schlicht die Rentabilität nichtgegeben ist. BAR

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Trends Nachhaltigkeit

solaren Wertschöpfungskette in denBereichen Wafer, Zellen und Module

tätig. Zwar kündigte die Unternehmens-gruppe für 2011 erstmals die Umsatzmil-liarde an, doch die Erträge sind unterDruck. Seine Zahlen wird das kotierteUnternehmen im März präsentieren.

Analyst Fawer traut dem Technologie-führer zu, die Durststrecke zu überste-hen: «Wenn der Markt dreht, wird MeyerBurger rasch profitieren.» Gut unterwegssei auch die Firma Sputnik Engineeringmit Hauptsitz in Biel, die Solarwechsel-richter vertreibt und in dieser Nischeebenfalls einen technologischen Vor-sprung hat. 98 Prozent der Produktionwerden exportiert.

Gewagte Projekte. Als eher wagemutigstufen Experten die beiden Projekte fürzwei neue Schweizer Solarmodulfabri-ken ein: Genesis Solartec plant in Raron,Solar Industries will in Langenthal abdem Sommer produzieren. Um vonSkaleneffekten zu profitieren, sind beideFabriken zu klein. Eine lukrative Nische

böten bahnbrechende Technologien.Diesen Beweis müssen die beidenerst erbringen.

Bedingt optimistisch gibt sich Fawerfür die Solarsparte von OC Oerlikon, woder Bestellungseingang in den erstenneun Monaten 2011 um 100 MillionenFranken abgenommen und sich damitmehr als halbiert hat: «Irgendwann mussdie Solarsparte ins Fliegen kommen. Esist wohl die letzte Chance.» Bereits ma-chen Gerüchte die Runde, die Solar-sparte werde nach China verkauft, nach-dem OC Oerlikon vor Monatsfrist einestrategische Partnerschaft mit der chine-sischen Gesellschaft für erneuerbareEnergien (CRES) annonciert hat.

Solar

«Es gibt keinenFree Lunch»Roland Dörig, Partner der Beratungsfirma derEnergiewirtschaft The Advisory House, forderteine paneuropäische Energiepolitik.

«Sämtliche Technikenverfolgen»: RolandDörig.

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Der Verdrängungs-kampf istgnadenlos.Den Taktgibt China an.

Dabei hatte man jahrelang die Solar-Arie gesungen und so Aktienfantasienbefeuert. Bisher aber hat die Vekselberg-Firma im Sonnenstromgeschäft nichtsverdient. Endlich Gewinne erhofft sichOC Oerlikon nun von der neuen Genera-tion ihrer Solarpanel-Fertigungsanlage,die billiger und effizienter produzierensoll als das Vorgängermodell. OC Oerli-kon setzt auf die Dünnschichttechnolo-gie, die im Vergleich zur Siliziumtechno-logie bisher einen tieferen Wirkungsgradausgewiesen hat. Der globale Marktan-teil des Dünnschichtsegments ist dennauch gemäss Sarasin-Studie seit 2009um 5 Prozentpunkte auf noch 13 Prozentzurückgegangen. Auch hier ist dieMarktbereinigung im Gang. Seit 2010 hatein Drittel der Hersteller von Dünn-schichtmodulen aufgegeben.

Eine deutlich nachlassende Nachfrageim zweiten Halbjahr 2011 bei ihren Ste-ckerverbindungen, Kabeln und Boxen fürSolarmodule meldet auch Huber + Suh-ner, Hersteller von Systemen der Verbin-dungstechnik. Der Gruppenumsatz glitt

um fünf Prozent auf 758 Millionen Fran-ken zurück. Das Solargeschäft galt bisherals Wachstumstreiber und trug 2010 gut15 Prozent zum Umsatz bei. Firmenspre-cher Axel Rienitz sieht 2012 als «Jahr dergrossen Konsolidierung», ohne sich näherfestzulegen.

Volatile Politik. Zu schaffen machen derSonnenenergiebranche nicht nur dieÜberkapazitäten und ein ruinöser Preis-kampf, sondern auch die Förderpolitik.Während die Schweiz die Subventionenan Produzenten von Sonnenstrom be-grenzt hat, rührte das solare VorzeigelandDeutschland bei den Einspeisevergütun-gen mit der grossen Kelle an. 2011 wurdeim Nachbarland gut ein Drittel der welt-weiten Fotovoltaik-Kapazitäten installiert.

Solarstrom dürfte zwar die Preisparitätzum Endverbrauchertarif rascher errei-chen als angenommen und keine Stüt-zung mehr benötigen, doch die Subventi-onslasten seit Einführung im Jahr 2000haben bereits die Grenze von 100 Milliar-den Euro überschritten. Jede neue Anlage

hat Anspruch auf 20 Jahre Förderung, be-lastet alle deutschen Stromverbraucheralso noch lange. Sie bezahlen einenÖkostromzuschlag auf jede Kilowatt-stunde. Das ist energiepolitisch so gewollt.

Weil die Sonne nicht immer so scheint,wie es die Stromkonsumenten benötigen,führt dies zu Verteilproblemen und Über-lastungen in den Stromnetzen. Die Be-treiber müssen damit klarkommen, dassZehntausende Fotovoltaik-Besitzer malStrom einspeisen, mal abzapfen. Esbraucht Reservekapazitäten für sonnen-arme Phasen. Nun diskutiert auch diedeutsche Regierung darüber, die Solar-förderung über den weiteren Ausbau zudeckeln – statt 7500 Megawatt wie 2011sollen es dieses Jahr nur noch 1000Megawatt sein.

Im klammen Sonnenland Spanien hatdie rigorose Deckelung die Fotovoltaik-Investitionen marginalisiert. Das sindkeine Frohbotschaften für die Solarin-dustrie. Der europäische Solarpreis 2012wird wohl nicht mehr an eine Landes-regierung gehen.

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