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Zukunft Anpassung an Technik Infos Hochspannung Vorsicht! Lebensgefahr EVOLUTION Zu viel Technik stoppt die Entwicklung der Menschen, warnt Karl Olsberg in "Schöpfung außer Kontrolle" VON ANNETTE JENSEN Der Mensch ist keineswegs die Krone der Schöpfung, sondern lediglich ein Zwischenstadium auf einem Zweig der Evolution. Und ausgerechnet die moderne Technik wird ihn bald zurück in den Bewusstseinszustand der Steinzeit katapultieren - denn damals wie morgen versteht der Mensch seine unmittelbare Umwelt nicht mehr. Das Buch "Schöpfung außer Kontrolle" von Karl Olsberg ist thesenstark und streitbar. Der Autor, der über künstliche Intelligenz promoviert hat, ist keineswegs ein Maschinenstürmer oder Technikfeind, wie er mehrfach betont. Vielmehr will er beschreiben, wo wir vier Milliarden Jahre nach Entstehung der Erde angekommen sind und wie es auf unserem Planeten weitergehen könnte. Auch wenn Olsberg gelegentlich etwas holzschnittartig wird und den roten Faden gerne mal verliert, ist sein Buch diskussionswürdig. Rein rechnerisch Dreh- und Angelpunkt der Beschreibung ist die Evolution, wobei der Autor einen stark erweiterten Begriff davon hat und sie als eine Art personalisierten Antreiber der Entwicklung darstellt. Nicht nur anorganische Strukturen in der Ursuppe zählt er dazu, sondern auch Maschinen, Bücher und Städte. Für Olsberg ist die Evolution eine "mathematische Zwangsläufigkeit": Sobald sich Strukturen reproduzieren, entstehen immer auch Abweichungen. Wenn die nicht gleich von der Umwelt zerstört werden, verändern sie ihrerseits die Umwelt und schaffen so die Grundlagen für weitere Neuerungen - in immer schnellerem Tempo. Während die Kopiervorgänge in der Biologie durch Gene erledigt werden, kamen mit der Höherentwicklung der Hirne auch sogenannte Meme hinzu. Dazu gehören Melodien, die Art, Töpfe zu machen, sich zu kleiden, oder auch Ideen und Gedanken - kurzum Kultur. Gene und Meme treiben die Evolution voran, die Menschen haben nur die Rolle von Helfershelfern, die diesen Prozess beschleunigen. Zwar initiieren wir die Neuerungen, aber ähnlich wie Goethes Zauberlehrling können wir die von uns in die Welt gesetzten Strukturen längst nicht mehr beherrschen und überschauen. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren die Gegenstände an einem typischen Büroarbeitsplatz für durchschnittlich intelligente Menschen in ihrer Funktionsweise verständlich: mechanische Schreibmaschine, Stempel, Büro, Postausgangskorb. Heute dagegen wissen häufig nicht einmal mehr die EDV-Abteilungen, wie die PCs in ihren Büros wirklich funktionieren. Zunehmend überlassen Softwareentwickler Maschinen die Suche nach Lösungen und geben nur noch vor, wie das Ergebnis aussehen soll; die Wege dahin kennt oft kein Mensch mehr. Immer mehr Entscheidungen werden von Maschinen getroffen - sei es an der Börse oder beim Landen eines Flugzeugs. Welche Werbung ein Internetportal an wen adressiert, schlussfolgert der Computer aus bisherigen Bestellungen oder Seitennutzungen. Eine vielfache Vernetzung steigert nicht nur die Rechenleistungen enorm, sie schafft auch Strukturen wie neuronale

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Zukunft Anpassung an Technik Infos

Hochspannung Vorsicht! Lebensgefahr

EVOLUTION Zu viel Technik stoppt die Entwicklung der Menschen, warnt Karl Olsberg in "Schöpfung

außer Kontrolle"

VON ANNETTE JENSEN

Der Mensch ist keineswegs die Krone der Schöpfung, sondern lediglich ein Zwischenstadium

auf einem Zweig der Evolution. Und ausgerechnet die moderne Technik wird ihn bald zurück

in den Bewusstseinszustand der Steinzeit katapultieren - denn damals wie morgen versteht der

Mensch seine unmittelbare Umwelt nicht mehr.

Das Buch "Schöpfung außer Kontrolle" von Karl Olsberg ist thesenstark und streitbar. Der

Autor, der über künstliche Intelligenz promoviert hat, ist keineswegs ein Maschinenstürmer

oder Technikfeind, wie er mehrfach betont. Vielmehr will er beschreiben, wo wir vier

Milliarden Jahre nach Entstehung der Erde angekommen sind und wie es auf unserem

Planeten weitergehen könnte. Auch wenn Olsberg gelegentlich etwas holzschnittartig wird

und den roten Faden gerne mal verliert, ist sein Buch diskussionswürdig.

Rein rechnerisch

Dreh- und Angelpunkt der Beschreibung ist die Evolution, wobei der Autor einen stark

erweiterten Begriff davon hat und sie als eine Art personalisierten Antreiber der Entwicklung

darstellt. Nicht nur anorganische Strukturen in der Ursuppe zählt er dazu, sondern auch

Maschinen, Bücher und Städte. Für Olsberg ist die Evolution eine "mathematische

Zwangsläufigkeit": Sobald sich Strukturen reproduzieren, entstehen immer auch

Abweichungen. Wenn die nicht gleich von der Umwelt zerstört werden, verändern sie

ihrerseits die Umwelt und schaffen so die Grundlagen für weitere Neuerungen - in immer

schnellerem Tempo.

Während die Kopiervorgänge in der Biologie durch Gene erledigt werden, kamen mit der

Höherentwicklung der Hirne auch sogenannte Meme hinzu. Dazu gehören Melodien, die Art,

Töpfe zu machen, sich zu kleiden, oder auch Ideen und Gedanken - kurzum Kultur. Gene und

Meme treiben die Evolution voran, die Menschen haben nur die Rolle von Helfershelfern, die

diesen Prozess beschleunigen. Zwar initiieren wir die Neuerungen, aber ähnlich wie Goethes

Zauberlehrling können wir die von uns in die Welt gesetzten Strukturen längst nicht mehr

beherrschen und überschauen.

Noch vor wenigen Jahrzehnten waren die Gegenstände an einem typischen Büroarbeitsplatz

für durchschnittlich intelligente Menschen in ihrer Funktionsweise verständlich: mechanische

Schreibmaschine, Stempel, Büro, Postausgangskorb. Heute dagegen wissen häufig nicht

einmal mehr die EDV-Abteilungen, wie die PCs in ihren Büros wirklich funktionieren.

Zunehmend überlassen Softwareentwickler Maschinen die Suche nach Lösungen und geben

nur noch vor, wie das Ergebnis aussehen soll; die Wege dahin kennt oft kein Mensch mehr.

Immer mehr Entscheidungen werden von Maschinen getroffen - sei es an der Börse oder beim

Landen eines Flugzeugs. Welche Werbung ein Internetportal an wen adressiert, schlussfolgert

der Computer aus bisherigen Bestellungen oder Seitennutzungen. Eine vielfache Vernetzung

steigert nicht nur die Rechenleistungen enorm, sie schafft auch Strukturen wie neuronale

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Netze: Suchmaschinen können inzwischen auch semantische Zusammenhänge herstellen, und

der Chat-Roboter Elbot (www.elbot.de) wurde schon von vielen für einen echten Menschen

gehalten.

Schneller virtueller

"Wir beherrschen die Dinge, die wir geschaffen haben, nur zum Teil. Sie beherrschen uns in

mindestens ebenso großem Maße", so Olsberg. Entstanden ist eine Symbiose: Die Maschinen

brauchen die Menschen für die Energie- und Rohstoffversorgung, umgekehrt sind wir aber

auch in vielfältiger Form von ihnen abhängig, was Nahrungsmittelherstellung, Transport oder

Informationsbeschaffung angeht.

Auch viele Sehnsüchte und Süchte bedienen die Maschinen, wie die Nutzer von

Computerspielen belegen. Nicht nur in "second life" findet eine zunehmende Vermischung

von virtuellen Räumen und realem Geld statt. Auch technische Konstruktionen werden heute

meist virtuell getestet, bevor sie in der Realität gebaut werden. Was früher Monate benötigte,

ist heute mit wenigen Mausklicks zu erledigen: Die Geschwindigkeit der Entwicklungen

nimmt enorm zu. "In wenigen Jahrzehnten wird es praktisch nichts mehr geben, was

Maschinen nicht besser können als wir - außer, wie ein Mensch zu sein." Dagegen werden wir

der Welt ähnlich ausgeliefert gegenüberstehen wie ein Steinzeitmensch: Der wusste zwar, was

er tun musste, wenn es regnete, aber warum und wie das Wasser vom Himmel kam, verstand

er nicht.

Dass die wachsende Komplexität für Menschen sehr gefährlich ist, belegen Finanzkrise und

Klimawandel. Für Natur und Evolution dagegen ist das alles auf längere Sicht kein Problem:

Sollte unsere Kultur oder gar unsere Lebensgrundlage zusammenbrechen, werden andere

Wesen schnell die Lücke schließen. Etwas oberlehrerhaft rät Olsberg am Schluss, unsere

Arroganz abzulegen, mehr Fahrrad zu fahren, weniger fernzusehen und uns über die

Herstellungsbedingungen von Produkten mehr Gedanken zu machen.

Karl Olsberg: "Schöpfung außer Kontrolle. Wie die Technik uns benutzt". Aufbau Verlag, Berlin 2010.

340 S., 19,95 Euro

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Wir werden der Welt ähnlich ausgeliefert gegenüberstehen wie ein Steinzeitmensch

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=pb&dig=2010%2F05%2F15%2Fa0040&cHash=7

5b990f013

Samstag, 15.05.2010

20.02.2010

Technisierung: Maschinen außer Kontrolle

Um den Überblick über die zunehmende Technisierung des Alltags zu behalten, braucht der

Mensch Maschinen. Ist es umgekehrt genauso? Der Autor Karl Olsberg fragt sich, ob

Maschinen bald ohne Menschen auskommen und die Entwicklung der Technik den gleichen

Regeln wie die Evolution folgt. Provokanter Lesestoff.

von Hans Schürmann

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Hat der Mensch seine technologischen Schöpfungen noch unter Kontrolle? Quelle: ap

DÜSSELDORF. Schöne neue Welt? Computer und Mikroelektronik verändern unser Leben

mit einer so großen Geschwindigkeit, dass es einem schwindelig wird. Seit mehr als zehn

Jahren entsteht das größte Rechnernetz aller Zeiten, das Internet. Es speichert gigantische

Mengen an Informationen, stellt unzählige Dienste bereit – und wird größer und größer.

Längst sind wir auf Schritt und Tritt von dem Datennetz umhüllt: Das mobile Internet weist

uns per Handy den Weg zur nächsten Tankstelle oder zum Bankautomaten. Es zeigt uns, ob

Freunde oder Bekannte in der Nähe sind, mit denen wir uns kurz auf einen Kaffee treffen

könnten.

Die Welt wird mit der zunehmenden Technisierung aber nicht nur einfacher, sondern auch

komplexer. Programme, die auf den Computern laufen – egal, ob auf dem PC oder auf dem

mobilen Computer in der Jackentasche –, sind inzwischen so kompliziert, dass selbst

Experten sie nicht mehr durchschauen. Um den Überblick zu behalten, brauchen sie

Unterstützung – durch Computer.

Uralte Ängste

Das weckt uralte Ängste. Hat der Mensch nicht nur den Überblick, sondern sogar die

Kontrolle über die Entwicklung der Technik verloren? Kommen Maschinen bald ohne

Menschen aus? Diese Fragen stellt sich der Science-Fiction-Autor und Unternehmensberater

Karl Olsberg. In seinem Buch „Schöpfung außer Kontrolle“, das Ende nächster Woche in die

Buchhandlungen kommt, sucht er nach einer Erklärung, wie die technologische Entwicklung

funktioniert – und ob der Mensch jemals einen Einfluss darauf hatte, welche Innovationen

sich durchsetzen.

In seinem Thriller „Das System“ hatte Olsberg mit viel Fantasie eine Horrorvision von der

technisierten Welt entworfen, jetzt warnt der Vater von drei Söhnen vor Selbstüberschätzung

und Naivität im Umgang mit den Annehmlichkeiten dieser technisierten Welt. Können wir

dem vermeintlich unabwendbaren Schicksal entgehen?

Es ist nicht leicht, eine Antwort zu finden. Olsberg stellt eine These auf, die in den nächsten

Jahren zu heftigen Diskussionen führen wird: Seiner Meinung nach gehorcht die

technologische Entwicklung den gleichen Regeln wie die Entwicklung der Zellen und

Lebewesen – die Evolution. Reproduktion, Mutation und Selektion sorgen dafür, dass sich

immer perfektere technische Systeme durchsetzen.

Als biologische Wesen unterliegen auch wir Menschen den Kräften der Evolution. Doch es

dauert viele Jahrtausende, bis sich durch Reproduktion, Mutation und Selektion neue

Eigenschaften in unserer Spezies entwickeln und durchsetzen können. Bei den Maschinen

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geht das viel schneller. Sie verändern sich innerhalb weniger Jahre gravierend. Der Grund

dafür liegt darin, dass die technologische Entwicklung eine Dynamik erreicht hat, die den

technologischen Prozess immer weiter beschleunigt.

Angefangen hat dies mit der Entwicklung der Computer. Die Rechengeschwindigkeit

verdoppelte sich etwa alle zwei Jahre. Erstaunlich daran ist, dass dieser Zusammenhang nicht

erst gilt, seit der Intel-Gründer Gordon Moore in den sechziger Jahren des vorigen

Jahrhunderts sein berühmtes „Moore’- sches Gesetz“ formulierte, sondern schon viel länger:

Schon seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts, als die ersten mechanischen Rechner gebaut

wurden, lässt sich eine Verdoppelung der Leistung alle zwei Jahre erkennen.

Inzwischen bieten die schnellsten Computer eine unvorstellbare Rechenleistung. Im Sommer

2008 durchbrach ein Supercomputer mit dem Spitznamen „Roadrunner“ zum ersten Mal die

Schallgrenze der Rechengeschwindigkeit von einem Petaflop pro Sekunde. Das entspricht

einer Billiarde – einer Milliarde Millionen – Rechenschritten pro Sekunde. Wenn das

Moore’sche Gesetz auch noch die nächsten 40 Jahre gilt, dann wird der schnellste Computer

im Jahr 2050 etwa eine Million mal so schnell wie der „Roadrunner“, was einer

Rechenleistung von einer Trilliarde Rechenschritten pro Sekunde entspricht. Ein solcher

Computer wäre um ein Vielfaches leistungsfähiger als ein menschliches Gehirn.

Was fängt die Menschheit mit einer solchen Maschine an? Das Gleiche, was sie bislang damit

gemacht hat. Die gigantische Rechenleistung wird ihr helfen, neue Technologien noch schneller und

noch perfekter zu gestalten. Aufhalten können wir den Trend nicht. Als der Computer Hal in Stanley

Kubricks Film „Odyssee im Weltraum“ verrückt spielte, konnte der Astronaut Bowman das künstliche

Gehirn, das sich in einem Raum im Zentrum des Raumschiffs befand, einfach schrittweise abschalten.

Mit dem Internet, das aus einem weltweiten Netz von mehreren Millionen Rechnern besteht, ginge

das schon heute nicht mehr.

Die Welt wird in 50 Jahren nicht schlechter sein

Dennoch haben die Menschen eine Chance. Sie können technologische Entwicklungen

steuern, die mit Hilfe der Computer möglich sein werden: durch Selektion. Wenn das Prinzip

der Evolution auch für die Entwicklung neuer Technologien gilt, wie Olsberg annimmt, dann

werden auch künftig nur Innovationen eine Chance haben, die von den Menschen gewollt

sind. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Nutzung der Kernkraft zur Energiegewinnung.

Als die Menschen in Deutschland entschieden, dass ihnen diese Technik zu gefährlich ist,

hatten Kernkraftwerke hierzulande keine Chance mehr.

Er glaube nicht, dass die Welt in 50 Jahren schlechter sein werde als heute, sagt Olsberg

gegenüber dem Handelsblatt. „Es kommt allein darauf an, was wir daraus machen und welche

Entwicklungen wir zulassen“, so der Autor. Er habe keine Angst vor denkenden Computern,

aber Angst vor Leuten, die glaubten, dass sie keinen Einfluss auf die Technologien hätten.

Technologieängste

Genforschung: Autoren spielen mit den Technologieängsten der Menschen. Ein Beispiel:

Ken Follett mit seinem Roman „Der dritte Zwilling“.

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Nanotechnik: Der Roman „Prey“ (Die Beute) von Michael Crichton basiert auf einem

Artikel des amerikanischen Softwareentwicklers Bill Joy, in dem er vor sich reproduzierenden

winzigen Maschinen warnt.

© 2010 ECONOMY.ONE GmbH - ein Unternehmen der Verlagsgruppe Handelsblatt

GmbH & Co. KG

http://karlolsberg.twoday.net/topics/Der+Duft/

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Zehn Thesen

zur Evolution der Technik

von Karl Olsberg

Die folgenden Thesen sollen zu einer offenen Diskussion über die technische Entwicklung

anregen. Auch, wenn einige Thesen zunächst pessimistisch und kritisch klingen mögen, ist

dies kein Manifest gegen den Fortschritt! Die Thesen sollen keine Zukunftsängste schüren,

sondern lediglich das Bewusstsein für die Wahlmöglichkeiten, die jeder Einzelne von uns hat,

schärfen:

These 1: Evolution ist Mathematik

These 2: Evolution treibt den technischen Fortschritt

These 3: Technik und Mensch brauchen einander

These 4: Der Fortschritt beschleunigt sich selbst

These 5: Das symbiotische Gleichgewicht ist labil

These 6: Der technische Fortschritt ist „egoistisch“

These 7: Wir geben Maschinen immer mehr Kontrolle

These 8: Wir verstehen die Welt immer weniger

These 9: Die technische Evolution ist nicht kontrollierbar

These 10: Wir haben die Wahl!

Was bedeutet das für uns? Sind diese Thesen plausibel, oder lassen sich Gegenargumente

anführen? Welche Konsequenzen sollten wir ziehen?

Diskutieren Sie mit: Hier geht's zum TenTheses.com Diskussionsforum!

Die 10 Thesen als PDF (Kopieren und Weiterleiten ausdrücklich erlaubt)

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Die meisten Menschen glauben, Evolution sei ein biologischer Prozess. Doch in Wahrheit

basiert das Evolutionsprinzip auf einem simplen mathematischen Zusammenhang. Es sind nur

drei Voraussetzungen notwendig, damit Evolution stattfindet:

Reproduktion: Etwas wird kopiert. Mutation: Die Kopien sind nicht exakt gleich dem Original. Selektion: Abhängig davon, welche Eigenschaften die Kopien haben, werden einige weiter

kopiert, andere nicht.

Wenn diese drei Voraussetzungen gegeben sind, dann folgt daraus zwingend, dass die

Häufigkeit bestimmter, für die Selektion günstiger Eigenschaften im Zeitablauf zunimmt – es

gibt also eine Entwicklung der Eigenschaften in eine bestimmte Richtung. Diesen

Zusammenhang nennt man Evolution. Er gilt immer, wenn Reproduktion, Mutation und

Selektion wirken, und zwar unabhängig davon, was reproduziert wird und auf welche Weise

das geschieht. Evolution muss also auch auf nichtbiologische Prozesse wirken, bei denen die

genannten Voraussetzungen gegeben sind. Aus dieser Erkenntnis hat Richard Dawkins die

Theorie der Meme formuliert. Meme sind quasi die Gene unserer Kultur: Gedanken, Ideen,

Konstruktionspläne, Kunstwerke, Witze, Lügen, Vorurteile. Wie Organismen ihre Gene

weiter geben, werden Meme von Mensch zu Mensch übertragen, dabei mutiert und die

erfolgreichen Varianten selektiert.

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Technischer Fortschritt basiert auf der Reproduktion, Mutation und Selektion von Memen:

Ideen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Konstruktionspläne, Arbeits-anweisungen und so

weiter werden weiter gegeben, verändert und im Markt getestet. Also muss auch hier das

Evolutionsprinzip wirken. Man kann gegen diese These einwenden, technischer Fortschritt sei

im Unterschied zur biologischen Evolution zielgerichtet. Doch unzählige Beispiele belegen,

dass dies nur sehr eingeschränkt der Fall ist: Die meisten großen Produkterfolge haben sich

aus mehr oder weniger zufälligen Ideen entwickelt und wurden oft für einen völlig anderen

Zweck vorgesehen als den, der sie erfolgreich gemacht hat. Als zum Beispiel Konrad Zuse

den Computer erfand, hatte er sicher nicht die Idee, dass eines Tages Jugendliche damit Jagd

auf Orks und Außerirdische machen würden!

Praktisch alle Produkte und Erfindungen sind nur möglich, weil jemand anderes zuvor eine

andere Erfindung gemacht hat – für einen völlig anderen Zweck. Der Prozess des Erfindens

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selbst ist ebenfalls stark von Zufällen abhängig, beispielsweise von den Erfahrungen und der

Persönlichkeitsstruktur des Erfinders. Außerdem ist auch die Selektion von Erfindungen ein

Prozess von Versuch und Irrtum: Erfinder wissen nicht genau im Voraus, ob und wie ihr

Produkt am Markt ankommt, und dies hängt längst nicht nur von den Produkteigenschaften

ab, sondern beispielsweise auch von Marketing und Konkurrenzaktivitäten. Es gibt zweifellos

Unterschiede zwischen der Evolution der Gene und der der Meme, aber diese Unterschiede

sind nicht prinzipieller Natur. In beiden Fällen wirkt dasselbe universelle mathematische

Prinzip, dem wir unsere Existenz verdanken: die Evolution.

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Wenn man von einigen Ausnahmen wie genmanipulierten Bakterien oder Computerviren

absieht, können sich die Produkte der technischen Evolution (noch) nicht ohne menschliche

Hilfe fortpflanzen. Sie „benutzen“ uns quasi als Vermehrungshelfer. Andererseits könnten wir

Menschen ohne die Hilfe der Technik nicht überleben. Wir brauchen also die Technik ebenso,

wie die Technik uns braucht. Wenn in der Natur zwei Lebensformen derart aufeinander

angewiesen sind, spricht man von Symbiose.

Symbiosen sind in der Biologie allgegenwärtig. Genau genommen sind alle höheren

Lebewesen selbst symbiotische Lebensgemeinschaften: Ein Mensch beispielsweise besteht

aus Billionen Zellen, die jede für sich lebendig sind, aber nur in der Gemeinschaft überleben

können. In unserem Inneren bieten wir über 200 verschiedenen fremden Spezies Lebensraum

– Darmbakterien etwa, ohne die unser Stoffwechsel nicht funktionieren würde. Wir könnten

die Technik, die wir täglich benutzen, als eine Erweiterung des Biotops Mensch ansehen.

Umgekehrt sind wir Teil des größeren Biotops „Stadt“ - einer symbiotischen

Lebensgemeinschaft des Menschen mit vielen technischen Produkten. (Interessanterweise ist

es schwierig, eine Definition für den Begriff „Lebewesen“ zu finden, die alle bekannten und

vorstellbaren Lebensformen einschließt, Städte aber nicht: Sie haben z.B. eine

selbststabilisierende Struktur, einen Stoffwechsel, tauschen Energie und Informationen mit

der Umwelt aus, wachsen und pflanzen sich fort.)

Mensch und Technik sind also bis auf Weiteres aufeinander angewiesen, so wie etwa Bienen

und Blumen aufeinander angewiesen sind.

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Die Mechanismen von Reproduktion, Mutation und Selektion unterliegen ebenfalls der

Evolution. So, wie sich die Entwicklung des Lebens auf der Erde mehrfach beschleunigt hat

(z.B. durch die „Erfindung“ der Mehrzelligkeit, der Sexualität und des Sozialverhaltens), so

beschleunigt sich auch der technische Fortschritt selbst. Immer bessere Technik ermöglicht es

uns, noch schneller immer bessere Technik zu entwickeln. Das Internet beispielsweise hilft

uns, Wissen effizienter zu verarbeiten, was auch der rapiden Weiterentwicklung des Internets

zugute kommt. Ray Kurzweil nennt dies das „Gesetz des steigenden Ertragszuwachses“. Es

äußert sich z.B. in der Tatsache, dass sich die Leistung von Rechenmaschinen schon seit über

100 Jahren etwa alle 2 Jahre verdoppelt. Es mag Grenzen für diese Beschleunigung geben,

aber diese sind zumindest im Augenblick nicht zu erkennen.

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Symbiosen in der Natur sind Zweckgemeinschaften, doch sie sind nicht frei von Konflikten:

Jeder Symbiont möchte möglichst viel profitieren und möglichst wenig selbst hergeben, denn

eine Spezies, die erfolgreich „schmarotzen“ kann, benötigt für ihre Verbreitung weniger

Energie und breitet sich schneller aus. Daher gibt es in der Natur oft einen „Rüstungswettlauf“

zwischen Symbiosepartnern. Beispielsweise „lernen“ Blumen, ihre Blüten so auszubilden,

dass sie für Bienen besonders attraktiv sind – unabhängig davon, ob sie viel Nektar zu bieten

haben. Andererseits lernen Bienen, die Blüten verschiedener Spezies noch besser zu

erkennen, um Blumen mit viel Nektar von weniger ergiebigen zu unterscheiden. Solange sich

beide Spezies ungefähr gleich schnell entwickeln, ist dieser Mechanismus im Gleichgewicht

und die Symbiose intakt. Was aber wäre, wenn Blumen ihre Blüten viel schneller anpassen

könnten als die Bienen ihre Sinne? Dann könnten die Bienen bald nicht mehr zwischen

ergiebigen und nektarlosen Blüten unterscheiden. Dies könnte sowohl Bienen als auch Nektar

gebende Blumen in Bedrängnis bringen.

Wir haben gesehen, dass sich die technische Entwicklung selbst beschleunigt, während wir

Menschen uns genetisch nur sehr langsam verändern. Wenn sich aber Technik wesentlich

schneller entwickelt als wir, kann das dazu führen, dass wir ins Hintertreffen geraten, unser

Symbiosepartner also irgendwann zum Parasiten wird, gegen den wir uns kaum noch wehren

können. Wenn zum Beispiel virtuelle Welten immer attraktiver für uns werden, dann

vergessen wir vielleicht eines Tages unsere eigenen Bedürfnisse und werden mehr und mehr

ein willenloser Teil der Technik – wir schlucken quasi freiwillig die blaue Pille aus dem Film

„Die Matrix“. Das bedeutet nicht, dass virtuelle Welten etwas Schlechtes sind, sondern nur,

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dass wir ihre Verlockungen immer auch vor dem Hintergrund ihres eigenen evolutionären

Drangs zu wachsen und sich zu vervielfältigen verstehen sollten.

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In seinem Buch „The Selfish Gene“ hat Richard Dawkins gezeigt, dass die Gene die

eigentlichen Objekte der Evolution sind. Sie können nur dann erfolgreich sein, wenn sie es

schaffen, ihre Umwelt und den Körper, in dem sie existieren, so zu manipulieren, dass sie

selbst weiter verbreitet werden. Somit müssen sie „egoistisch“ sein – alles, was nicht ihrer

eigenen Verbreitung dient, begünstigt konkurrierende Gene und führt zu einem evolutionären

Nachteil. Auch altruistisches Verhalten ist durch diesen „Egoismus“ der Gene erklärbar.

Wenn aber Evolution von Natur aus „egoistisch“ ist, muss dies auch für den technischen

Fortschritt gelten. Nicht solche Ideen und Produkte setzen sich durch, die „gut“ für uns sind,

sondern diejenigen, die uns am erfolgreichsten dazu bringen, sie weiter zu verbreiten. Dazu

bedienen sie sich der Lockmittel, auf die wir am besten reagieren – sie versprechen uns

Schönheit, Macht und Geld. Das erklärt, warum die Evolution der Meme nicht nur

wissenschaftliche Erkenntnisse, philosophische Weisheiten und neue medizinische

Heilverfahren hervor bringt, sondern auch neuen Aberglauben, Vorurteile, Atombomben,

Biowaffen und Umweltzerstörung.

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Immer mehr Bereiche unseres Lebens werden automatisiert. „Automatisierung“ bedeutet

nichts anderes, als dass anstelle eines Menschen eine Maschine Entscheidungen trifft.

Meistens sind die Entscheidungen der Maschinen richtig, und wir hätten sie ebenso getroffen.

Manchmal sind es Fehlentscheidungen, wie beispielsweise die Überweisung von über 300

Millionen Euro auf ein Konto der Pleite gegangenen Investmentbank Lehman Brothers durch

einen Computer der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Insgesamt aber sind Maschinen in der

Regel zuverlässiger als Menschen. Doch gerade, weil sie weniger Fehler machen, nimmt der

Druck, Maschinen entscheiden zu lassen, zu. Schon heute wird beispielsweise mehr als die

Hälfte des gesamten Handelsvolumens an den internationalen Börsen von Maschinen

kontrolliert, die innerhalb von Mikrosekunden Kauf- und Verkaufsorders geben, ohne dass ein

Mensch dabei eingreift. Diese Handelsmaschinen sind erfolgreich und werden deshalb von

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der technischen Evolution selektiert – auch wenn dadurch das Risiko chaotischer

Marktschwankungen, wie etwa während der Finanzkrise, steigt. Maschinen müssen nicht

„denken“ können, um unser Leben zu beherrschen – sie müssen nur effektiver sein als wir.

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Während Normalbürger in den Siebzigerjahren noch relativ genau wussten, wie eine

Schreibmaschine oder ein Telefon funktionierten, sind heute selbst viele Fachleute mit der

Komplexität eines Handys oder eines Laptops überfordert. Wenn etwas nicht funktioniert,

hilft eigentlich nur noch die Suche nach einem „Update“. Moderne Software kann nur noch

mit Hilfe von komplexer Software entwickelt werden, und dabei wird immer mehr Code

automatisch erzeugt. All dies führt dazu, dass wir die Welt um uns herum immer weniger

verstehen. Das Jahr-2000-Problem hat uns vor Augen geführt, dass wir uns längst auf

Systeme verlassen, deren Komplexität niemand mehr durchdringt. Denn die Fachleute waren

sich damals höchst uneins, wie groß das Problem tatsächlich war. Das eigentliche Jahr-2000-

Problem war also, dass wir nicht wussten, ob wir eins hatten! Seit damals hat sich die

Komplexität unserer vernetzten Computersysteme noch einmal vervielfacht, und sie wächst

weiter exponentiell. Die Finanzkrise des Jahres 2008 war maßgeblich auf die

undurchschaubare Komplexität vieler Finanzprodukte zurückzuführen, die nur durch

vernetzte Computersysteme möglich wurden. Wir werden uns wohl in Zukunft auf immer

mehr solcher Überraschungen einstellen müssen – positiver wie negativer, im persönlichen

Umfeld ebenso wie auf nationaler und internationaler Ebene.

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Aus den vorstehenden Thesen folgt, dass der technische Fortschritt ein schon allein aufgrund

seiner Geschwindigkeit und Komplexität unberechenbarer und somit auch unkontrollierbarer

Prozess ist. Er vollzieht sich nicht in Richtung einer immer „besseren“ Welt, sondern besetzt

alle verfügbaren und neu entstehenden Marktlücken. Welche Konsequenzen dies langfristig

hat, spielt bei der kurzfristigen Selektion der Märkte meist nur eine geringe Rolle. Wir können

also nicht darauf hoffen, diese Entwicklung „im Griff“ zu haben.

Unkontrollierbarkeit bedeutet jedoch nicht, dass die Technik automatisch zu einer negativen

Entwicklung führt. Technik ist nicht „böse“. Maschinen konkurrieren nicht direkt mit uns um

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knappe Ressourcen. Sie benötigen Energie und Rohstoffe, um zu wachsen und sich zu

vermehren; wir beziehen beides aus unserer Nahrung, mit der Maschinen nichts anfangen

können. Ein Verdrängungswettbewerb Mensch gegen Technik ist also nicht zu erwarten. Wir

können mit den Maschinen auf lange Zeit in einer für beide Seiten nützlichen Symbiose leben.

Bill Joy hat bereits im Jahr 2000 darauf hin gewiesen, dass „die Zukunft uns nicht braucht“.

Aber das heißt nicht, dass wir keine Zukunft haben. Wir müssen uns lediglich von der naiven

und überheblichen Vorstellung verabschieden, mit immer mehr Technik unsere Welt immer

besser unter Kontrolle zu bekommen.

Zum Diskussionsforum über These 9

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Wir können die technische Entwicklung nicht kontrollieren, aber wir sind ihr auch nicht

hilflos ausgeliefert: Wir haben die Macht der Selektion – die Freiheit der Wahl! Wir

entscheiden, welche Meme wir weiter verbreiten, welche Technologien wir zulassen, welche

Produkte wir kaufen und wie wir sie nutzen. Wir entscheiden, ob wir allen Verlockungen der

Technik kritiklos hinterher laufen, ob wir alles automatisieren, was man automatisieren kann,

ob wir uns in eine „schöne neue Welt“ locken lassen, in der Maschinen uns jeden Wunsch von

den Augen ablesen, bis wir vergessen haben, was wir eigentlich wollen. Wir entscheiden,

welche Politiker wir wählen, welche Firmen unser Geld bekommen, um ihre Produkte weiter

zu verbreiten. Damit beeinflussen wir die Evolution der Technik, auch wenn wir sie nicht

vollständig kontrollieren können. Jeder von uns hat die Wahl – und wir sollten sie nutzen!

Alles, was sie können, lernen Maschinen von uns. Sie befolgen Regeln, die wir ihnen geben

oder die sie sich von uns abgeschaut haben. Sollten Maschinen jemals eine Moral besitzen,

wird sie sich an der unseren orientieren. Schon jetzt ist zum Beispiel das Internet nicht nur ein

Abbild unseres Wissens, sondern auch unserer Abgründe. Es gibt darin nicht nur einen freien

Austausch von Ideen, sondern auch Bespitzelung, Betrug, Terroraufrufe und

Kinderpornographie. Seien wir besser vorsichtig, was wir Maschinen beibringen!

Die technische Evolution ist weder positiv noch negativ, weder gut noch böse. Sie hat uns

nicht nur Atombomben und Computerviren gebracht, sondern auch großartige Fortschritte in

der Medizin und freien Meinungsaustausch im Internet. Sie schafft neue Risiken, bietet uns

aber auch viele neue Chancen für ein besseres, erfülltes Leben. Wenn wir uns von unserer

Kontroll-Illusion verabschieden und unsere Macht der Selektion klug nutzen, dann liegt eine

aufregende Zukunft vor uns! Voraussetzung dafür ist, dass wir uns unserer

Wahlmöglichkeiten bewusst werden. Das ist der Zweck dieser zehn Thesen.

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Geboren 1960. Unternehmensberater, Gründer zweier Internet-Firmen, ausgezeichnet unter

anderem mit dem „eConomy-Award“ für das beste Start up des Jahres 2000, Schriftsteller,

Vater von drei Söhnen und überzeugter Optimist, der hofft, das Jahr 2050 zu erleben, um

selbst zu sehen, ob Computer dann tatsächlich eine Million mal schneller sind als heute und

„denken“ können. Karl Olsberg lebt mit seiner Familie in Hamburg.

In seinem Buch „Schöpfung außer Kontrolle - Wie die Technik uns benutzt“, 2010 im

Aufbau-Verlag erschienen, werden die hier aufgeführten Thesen ausführlich erläutert und

ergänzt. Mehr zum Thema gibt es auch auf Karl Olsbergs Blog.

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TenTheses.com by Karl Olsberg

Technische Realisierung: Konstantin von Wendt