64
«Hörst Du mich?» Das Abenteuer Telekommunikation

Hörst du mich?

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Lehrmittel Infos zur Geschichte der Telekommunikation

Citation preview

Page 1: Hörst du mich?

«Hörst Du mich?»Das Abenteuer Telekommunikation

Page 2: Hörst du mich?

Samuel Finley Breese Morse Guglielmo Marconi

Page 3: Hörst du mich?

«Kinderspielzeug!» urteilten die Leute, als der DeutschePhilipp Reis um 1861 einen selbst erfundenen Apparat prä-sentierte, der Musik und Sprache über Drähte schickenkonnte. Das Telefon ein Kinderspielzeug?

Die Geschichte des Telegrafen, des Telefons und desRadios ist spannend und nimmt immer wieder überra-schende Wendungen. Sie war in den ersten hundert Jah-ren geprägt von Erfindern und Tüftlern, die fast immer alsEinzelkämpfer ihre Visionen verfolgten. Später wurde esklar, dass mit den bahnbrechenden Erfindungen der Pio-niere eine ganze Menge Geld zu verdienen war und damiterwachte das Interesse der Industrie. In Europa und denUSA entstanden Industrieunternehmen, die Forschern,Physikern und Ingenieuren Entwicklungslabors zur Verfü-gung stellten und so den Fortschritt vorantrieben.

Diese kleine Broschüre vermittelt einen Rückblick auf dieEntwicklung der Telekommunikation. Ohne den Anspruch,jeden Namen zu nennen, der in dieser Geschichte eineRolle gespielt hat. Dafür mit Bewunderung für den Pionier-geist, der immer wieder kluge Köpfe dazu beflügelt,Neuland zu erobern. Gestern, heute und morgen.

Carl Ferdinand Braun

Vorwort

Page 4: Hörst du mich?

Impressum

HerausgeberSwisscom AG, Schulen ans Internet,Bern

Gestaltungwww.atelierrichner.ch

DruckBenteli Hallwag Druck AG, Bern

BilderKontrast, Atelier für Fotografie,Schönbühl (Titelseite, S. 6, 22 und 44)Museum für Kommunikation, Bern

Die Bilder sind urheberrechtlichgeschützt. Nachdruck nur mit aus-drücklicher Genehmigung desMuseums für Kommunikation, Bern. Das Copyright für die Abbildungenkonnte nicht in allen Fällen ermitteltwerden. Urheberansprüche sind anSwisscom AG, Schulen ans Internetzu richten.

© Swisscom AG, Auflage 2 – 2005 (Erstauflage 1 – 2001)

Page 5: Hörst du mich?

Die Geschichte der Telegrafie 6Von Schreihälsen, Buschtrommeln und Signalfackeln 8Die grossen Zeiten der optischen Telegrafie 9Die Telegrafie gerät unter Strom 12Die Telekommunikation wird zum Allgemeingut 17Die Telegrafie in der Schweiz 20

Die Geschichte des Telefons 22Die Erfindung des Telefons 24Die Überwindung der Distanz 29Das Telefon wird praxistauglich 31Die Mehrfachtelefonie wird Realität 32Die Automatisierung der Telefonie 33Die Erfindung der drahtlosen Nachrichten-übermittlung 35Das Telefon erobert die Schweiz 38Mobiltelefonie in der Schweiz 41Die Geschichte des Internets 42

Die Geschichte des Radios 44Die Ursprünge der Radiotechnik 46Die Vision vom Radio wird Realität 49Im Äther gehts ab 52Der Transistor kommt 55Die Schweiz auf Empfang 57

Inhalt

Page 6: Hörst du mich?

Signale aus einer anderen Zeit.

Page 7: Hörst du mich?

Mit diesem gewaltigen Horn soll Alexander der Grosse seineKrieger zusammengerufen haben

Wie schlägt man der Distanz

ein Schnippchen?

Oder: Die Telegrafie als Ursprung

der modernen Telekommuni-

kation.

Telegraph (auch:) Telegraf;

von griechisch «tele» = «fern,

weit», «gràphein» = «ritzen, ein-

ritzen, schreiben»

Schon in längst vergangenen Zeiten war esein Bedürfnis der Menschen, über längereEntfernungen miteinander kommunizierenzu können. Nicht selten aus kriegerischenund politischen Gründen. Es galt, Freundeund Verbündete vor nahenden Feinden zuwarnen, Nachrichten von Siegen undNiederlagen zu verbreiten oder Anweisungenaus den Hauptstädten in die Provinzenhinaus zu tragen. Dass es dabei möglichstschnell gehen sollte, versteht sich von selbst.

Die Geschichte der Telegrafie

7

Page 8: Hörst du mich?

8

Von Mund zu Ohr zu Mund zu Ohr zu Mund zu Ohr…Warnrufe sind so alt wie die Menschheit. Sie sind die Vor-läufer der Rufposten, die bei Persern und Römern für dieNachrichtenübermittlung eingesetzt wurden. Das gingso: Die Posten standen in Rufweite voneinander entferntund gaben eine Meldung vom einen zum anderen weiter.Dies über grosse Distanzen hinweg. Rekordhalter warenwohl die Römer, die mit dem Rufpostensystem eine Mel-dung innerhalb eines Tages über eine Distanz von 240 kmweitergeben konnten. Im Laufe der Jahrhunderte, von derAntike bis zur Neuzeit, waren es dann Meldeläufer undMeldereiter, Meldehunde und Brieftauben, die Nachrich-ten in mündlicher oder schriftlicher Form überbrachten.

Feuer und Flamme für heisse NewsNeben Rufsignalen spielten für die Nachrichtenübertra-gung seit je auch optische Signale eine wichtige Rolle.Zum Beispiel benutzten die alten Perser, Griechen, Kartha-ger und Römer raffinierte Feuersignalsysteme wie dieFackeltelegrafie. Das heisst, sie übermittelten Signaledurch ein- oder mehrmaliges Heben und Senken eineroder mehrerer Fackeln. Die Fackelposten waren in Sicht-weite voneinander aufgestellt und gaben die Signale vomeinen zum anderen weiter. So war es möglich, Meldungenüber Hunderte von Kilometern hinweg zu übermitteln.

Die Idee mit den Fackelsignalen war schlau und sie hatteZukunft. Denn es handelte sich um den Ursprung deroptischen Telegrafie, an der im 17. Jahrhundert weitergetüftelt wurde und die gegen Ende des 18. Jahrhundertsin Frankreich ihre Blütezeit erleben sollte.

> Das Wichtigste in Kürze

Vom Meldereiter zur optischen Telegrafie

500 v. Chr. Die Angaren, beritte-ne Königsboten der Perser, beför-dern mittels Stafetten Nachrich-ten innerhalb einer Woche übereine Distanz von 2529 km.

490 v. Chr. Ein Meldeläufer über-bringt die Nachricht vom Siegder Athener über die Perser aufdem Schlachtfeld von Marathon.

Um 450 v. Chr. Der griechischeGeschichtsschreiber Herodotberichtet von Feuerzeichen mittelsFackeltelegrafie. Es handelte sichwohl um den Ursprung der opti-schen Telegrafie.

Von Schreihälsen, Buschtrommeln undSignalfackeln

Telegrafie

Der Alpsegen, um 1870Fackeltelegrafie, 336 v. Chr.

Page 9: Hörst du mich?

Seltsame Experimente im ParkEs war ein schöner Tag im Jahre 1690, als der französischePhysiker Guillaume Amontons im gepflegten Pariser ParkJardin de Luxembourg in aller Öffentlichkeit Experimentemit optischer Telegrafie durchführte. Er postierte in denberühmten Gartenanlagen in grösseren Abständen eineReihe von Gehilfen, die mit Fernrohren ausgerüstetwaren und einander beobachteten. Plötzlich übermittelteeiner dem anderen – wahrscheinlich mittels Armbewe-gungen – ein Zeichen, das dieser wiederum an den nächstfolgenden weitergab. Zeichen für Zeichen setzte sich soeine Nachricht zusammen. Das Übertragungsprinzip wurdeSemaphor genannt (von griechisch «sema» = Zeichen,«phoros» = «tragend»). Semaphor heisst auch die Flag-gensprache der Seeleute, mit der noch heute Meldungenvon Schiff zu Schiff weiter gegeben werden.

Die zappelnden Balken von ChappeIm Laufe des 18. Jahrhunderts pröbelten verschiedene Ge-lehrte an optischen Telegrafensystemen. Eines gelangteschliesslich zu einer gewissen Bedeutung: Der aus einerAstronomen- und Ingenieursfamilie stammende Franzose

Die grossen Zeiten der optischen Telegrafie

9

Null Bock auf Telegrafie.

Noch im Jahre 1816 liess die

englische Admiralität verlauten:

«Telegraphen, welcher

Beschaffenheit auch immer,

sind überhaupt unnütz.»

Balkentelegraf

Page 10: Hörst du mich?

10

Claude Chappe erfand im Jahre 1791 den Balkentelegra-fen. Das System bestand aus einer Reihe von Steintürmen,die etwa 5 bis 10 km voneinander entfernt gebaut wurden.Jeder Turm trug ein T-förmiges Balkengerüst mit beid-seitig angebrachten, beweglichen Signalbalken. Mit ver-schiedenen Winkelpositionen der beiden Balken konntedas ganze Alphabet gebildet werden. Nachdem Chappeam 12. Juli 1793 zum Geschäftsführer der französischenTelegrafenlinien ernannt worden war, baute er die ersteTelegrafenturm-Linie mit 16 Zwischenstationen zwischenParis und Lille über eine Strecke von 230 km.

Der Sonnenschreiber von GaussClaude Chappe fand ein tragisches Ende. Er nahm sich1805 das Leben, als er erfuhr, dass seine Erfindung vonanderen Ingenieuren kopiert oder durch andere Systemekonkurrenziert wurde. Ob er von der Arbeit des GöttingerMathematikers Carl Friedrich Gauss gewusst hatte, istallerdings nicht bekannt. Dieser entwickelte ein Gerät, mit dem mittels eines Spiegels Sonnenlicht gebündelt und in

Claude Chappe

Zeichenempfänger, 1833

Telegrafie

Page 11: Hörst du mich?

Form von Lichtsignalen über mehrere Kilometer hinwegweiter gegeben werden konnte. Sinnigerweise nannte derGelehrte seine Erfindung «Heliograf», ein Begriff, der sichaus dem Griechischen ableitet und soviel bedeutet wie«Sonnenschreiber».

Vielleicht würden wir uns über weite Distanzen heute nochmittels Balken und Spiegel verständigen, wenn nicht eineEntdeckung dazwischen gekommen wäre, die die Weltveränderte: Die Nutzbarmachung der Elektrizität.

Carl Friedrich Gauss und Georges-Louis Le Sage

> Das Wichtigste in Kürze

Balken und Sonnenlicht alsVermittler von Signalen

ca. 1000 v. Chr. Die alten Ägypter experimentieren mitElektrizität. Im Geschichts-museum von Kairo sind seltsameSteine zu sehen, die von heutigen Wissenschaftlern alsBatterien bezeichnet werden.

1690 Der französische PhysikerGuillaume Amontons führt inParis Experimente mit optischerTelegrafie durch.

1774 Der Genfer Mathematik-professor Georges-Louis LeSage erfindet eine elektrischeApparatur zur Übertragung vonNachrichten.

1791 Der Franzose ClaudeChappe erfindet den Balken-oder Flügeltelegrafen.

1793/94 Chappe baut die ersteTelegrafenlinie mit Balkentele-grafen zwischen Paris und Lille.

1820 Der deutsche MathematikerCarl Friedrich Gauss aus Göttin-gen erfindet den Heliografen.

11

Page 12: Hörst du mich?

12

Ein Elektroschock mit FolgenWann genau die Elektrizität entdeckt wurde, lässt sichnicht genau bestimmen. In Form von Blitzen erschrecktesie wohl schon Höhlenbewohner und Pfahlbauer. Über-liefert ist, dass Gelehrte bereits anfangs des 17. Jahrhun-derts mit Reibungselektrizität experimentierten. So richtigpopulär wurde die Elektrizität sozusagen schockartig im18. Jahrhundert: Im Jahre 1746 arbeitete der holländischePhysiker Pieter van Musschenbroek mit einer sogenann-ten Leidener Flasche, einer Art primitivem Kondensator,als er plötzlich von einem starken Elektroschock getroffenwurde. «Eine schreckliche Erfahrung», notierte er mit zit-ternder Hand in seinen Schriften, aber die Entdeckungder Kräfte des elektrischen Stromes erwies sich als Schrittin eine neue Zeit.

Die Magie der MagnetnadelGenau genommen war der Münchner Professor SamuelThomas von Sömmering der Erste, der einen Telegrafenmittels Elektrizität zum Funktionieren brachte. VonSömmerings Telegraf war ein raffiniertes elektrochemi-sches System mit 35 Drähten – für jeden Buchstaben undjede Zahl einen – und mit einem Säurebehälter auf derEmpfangsseite, wo die Buchstaben und Zeichen durch

Die Telegrafie gerät unter StromTelegrafie

Samuel Thomas von Sömmering und Hans Christian Oersted

Batterie aus Leydener Flaschen

Page 13: Hörst du mich?

Bläschen angezeigt wurden. Die Apparatur war beeindru-ckend, aber es war ihr keine Zukunft beschieden. Die fürdie Entwicklung der elektrischen Telegrafie bahnbrechen-de Idee kam 1820 vom dänischen Physiker Hans ChristianOersted: Er hielt eine Magnetnadel unter den Strom füh-renden Draht einer elektrochemischen Batterie und konn-te beobachten, wie die Nadel sofort abgelenkt wurde.Damit hatte er den Elektromagnetismus entdeckt.

«Mickelmann kommt!»Die elektrische Energie beflügelte die grossen Geister derWissenschaft. Spannung lag in der Luft. Fast gleichzeitignahmen verschiedene Forscher und Tüftler Oertsteds Entdeckung des Magnetnadeleffektes auf und machtensie für die Telegrafie nutzbar. So baute der in russischenDiensten stehende Offizier Schilling von Cannstadt imJahre 1832 einen Nadeltelegrafen, bei dem an bestimm-ten Nadelausschlägen die Ziffern 1 bis 10 zugeordnetwaren.

13

Von Sömmerings elektrochemischer Telegraf, 1884

Fünfnadeltelegraph, 1836

Page 14: Hörst du mich?

14

Auch der Göttinger Physiker Carl Friedrich Gauss – derselbe Mann, der den Heliografen erfand – blieb nichtuntätig. Gemeinsam mit seinem Kollegen Wilhelm Weberentwickelte er die erste brauchbare elektrische Telegrafen-anlage. Für den Test verbanden die beiden Forscher dieSternwarte Göttingen mit dem über 1,5 km entferntenphysikalischen Kabinett. Die Leitung bestand einesteilsaus Kupfer und andernteils aus Eisendraht. Es war wohldie erste Freileitung der Welt. Mit einer Geschwindigkeitvon 9 Buchstaben pro Minute übermittelten Gauss undWeber das erste Telegramm. «Mickelmann kommt!» lau-tete die Botschaft, für welche die Magnetnadel 40 Malausschlagen musste.

Ein Kunstmaler tickt richtigWarum gerade Mickelmann? Wahrscheinlich entsprangder Name lediglich einer spontanen Eingebung der erstenTelegrafisten. Jedenfalls hatte er für die weitere Entwick-lung der Telekommunikation keinerlei Bedeutung. Ganzim Gegensatz zu einem Mann, der aus dem Land vonMicky Maus stammte und bis heute fast ebensolcheBerühmtheit geniesst: Samuel Finley Breese Morse. Morsewar Kunstmaler und Erfinder. Er malte Porträts undromantische Landschaftsbilder. Und er war ein leiden-schaftlicher Bastler. Ab 1833 stellte er Versuche mit einemelektromagnetischen Schreibtelegrafen an, den er 1837patentieren liess. Das System war ein kurios aussehender

Telegrafie

Samuel Finley Breese Morse

Schilling von Cannstadt

Page 15: Hörst du mich?

Apparat, für den er eine seiner Malerstaffeleien geopferthatte. Es bestand aus einem Taster als Sendestation, dermit einem Empfangsapparat verbunden war. Per Tasten-druck wurde ein Stromkreis geschlossen und geöffnet.Auf der Empfängerseite drückte ein seitlich pendelnderSchreibstift gegen einen sich kontinuierlich bewegendenPapierstreifen. Auf diesem wurde die Botschaft in Formeiner ununterbrochenen Linie ähnlich einem EKG (Elek-trodiagramm) sichtbar.

Mit Punkten und Strichen ist alles gesagtEs vergingen sieben lange Jahre bis Morses ErfindungAnerkennung fand. In den Jahren 1843/44 errichtete erdie erste Telegrafenleitung über eine längere Distanz vonWashington (District of Columbia) nach Baltimore (Mary-land). Die Länge der Leitung betrug rund 40 Meilen, wasetwa 50 km entspricht. Mit einem bereits etwas aus-

15

> Das Wichtigste in Kürze

Viele kluge Köpfe schaffen Neues.Morse schafft den Durchbruch.

1809 Der deutsche GelehrteSamuel Thomas von Sömmeringerfindet einen Telegrafen, dessenFunktion auf der chemischen Wir-kung des elektrischen Stromesberuht.

1820 Der Däne Hans ChristianOersted entdeckt die Beeinflus-sung der Magnetnadel durch denelektrischen Strom. Das Zeitalterder elektromagnetischen Tele-grafie beginnt.

1832 Der deutsche Offizier undWissenschaftler Schilling vonCannstadt erfindet den erstenbrauchbaren Nadeltelegrafen.

Der erste Morse -Telegraf, 1837

Punkt Punkt Strich

Schreibtelegraf von Morse

Page 16: Hörst du mich?

gereifteren Schreibtelegrafen übermittelte Morse am 24. Mai 1844 die Botschaft «What hath God wrought?»,was bedeutet «Was Grosses hat Gott gemacht?». AlsCode verwendete er das von ihm erfundene, berühmteMorse-Alphabet, mit dem man mit Kombinationen vonPunkten und Strichen sämtliche Buchstaben und Satz-zeichen darstellen kann. Das Morsealphabet wird heutenoch im Amateur- und Schiffsfunk benutzt und eignetsich ideal für die Verständigung mittels selbst gebauterTelegrafen mit Leuchtdioden, Lämpchen oder Summern.

16

1833 Die deutschen PhysikerCarl Friedrich Gauss undWilhelm Weber bauen inGöttingen die erste vollwertigeTelegrafenanlage, die längereÜbertragungsdistanzen bewältigt.

1833 Der Amerikaner SamuelFinley Breese Morse machterste Versuche mit einem Schreib-telegrafen.

1837 Der Engländer WilliamCooke meldet das Patent füreinen fünfdrahtigen elektrischenTelegrafen an.

1837 Morse schafft den Durch-bruch. Er lässt seinen Schreibtele-grafen patentieren.

1843 Morse schenkt der Weltdas berühmte Morsealphabet,das in veränderter Form heutenoch verwendet wird.

24. Mai 1844 Morse übermitteltdas erste Telegramm über dievon ihm errichtete, rund 50 kmlange Telegrafenlinie zwischenWashington und Baltimore.

Telegrafie

24. Mai 1844: Morse übermittelt das erste Telegramm über eine längereDistanz

Carl Friedrich Gauss (links),Wilhelm Eduard Weber (rechts)

Page 17: Hörst du mich?

Die Telegrafie erobert die WeltIn der Gründerzeit der elektrischen Telegrafie waren eseinzelne grosse Köpfe, die mit ihren Erfindungen Meilen-steine setzten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertswar es dann zunehmend die Industrie, die die Entwick-lung vorantrieb. Die Telegrafenapparate wurden verfeinert,die Übermittlungsqualität über lange Distanzen durch denEinbau von Relais-Stationen wurde ständig weiter verbes-sert und überall in der Welt wurden Telegrafenleitungenverlegt. Sie wurden nicht nur über Land gezogen, sondernauch in den Weltmeeren versenkt. Zum Beispiel liefertensich um 1870 drei verschiedene Firmen einen harten Kon-kurrenzkampf, um eine über 10 000 km lange Telegrafen-leitung zwischen London und Kalkutta zu erstellen. Alledrei Leitungen wurden schliesslich in Betrieb genommen.

Die Telekommunikation wird zum Allgemeingut

17

Kabelverlegung im Persischen Golf (links) und im Atlantik (rechts)

Reliefschreiber von Morse mitFederantrieb

Page 18: Hörst du mich?

18

Die guten alten Telegrafen lassen sich nichtunterkriegenDas Telefon war schon längst erfunden (siehe auch Seite24) und begann dem Telegrafen allmählich Konkurrenz zumachen. Dennoch vermochte sich die Telegrafie als wich-tigste Technik für die Nachrichtenübermittlung über sehrgrosse Distanzen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zubehaupten. Höhepunkte in der Entwicklung waren bei-spielsweise der Wechselstrom-Telegraf mit sechs Fre-quenzen und die im Jahre 1927 durch Siemens & Halskelancierten zwölffachen Tonfrequenztelegrafen. Bereitsein Jahr später wurde die erste Fernschreibmaschine inBetrieb genommen.

Löcher noch und nochMit der Zeit entstand unter dem Namen Telexnetz einweltumspannendes öffentliches Fernschreibnetz, das biszur Erfindung des Internets gegen Ende des 20. Jahrhun-derts das wichtigste System für die schriftliche Nach-richtenübermittlung bleiben sollte. Die damals modernenTelexgeräte verfügten wie Schreibmaschinen über Tasta-

> Das Wichtigste in Kürze

Rund um den Erdball wird tele-grafiert.

1850 Zwischen Paris und Londonwird eine Telegrafenverbindungin Betrieb genommen. Im Ärmel-kanal wird das erste Untersee-kabel verlegt.

1855 Der britische IngenieurDavid Edward Hughes erfindetden ersten Typendrucktelegrafen.Erstmals konnten Telegramme in Normalschrift gesendet undempfangen werden.

1866 Via Unterseekabel, dasdurch den amerikanischen Kauf-mann und Ingenieur Cyrus W.Field finanziert und verlegtwurde, wird erstmals einTelegramm über den Atlantikgeschickt.

Typendrucktelegraf von David Edward Hughes, um 1855

Werner von Siemens

Cyrus W. Field

Telegrafie

Page 19: Hörst du mich?

turen, über welche die Texte eingegeben werden konn-ten. Diese wurden in codierter Form auf Lochstreifenübertragen, die als Nachrichtenträger und Impulsgeberdienten. Der Lochstreifen ratterte durch die Maschine desSenders und am anderen Ende der Leitung wurde auf derEmpfangsstation die Nachricht in Klartext ausgedruckt.

Es geht auch ohne DrahtAb dem Jahre 1894 war die Nachrichtenübermittlungnicht mehr an Leitungen gebunden. Als erstem Men-schen gelang es dem Italiener Guglielmo Marconi mitHilfe elektrischer Wellen ohne Drähte eine Nachricht zuübermitteln (siehe auch Seite 35). Er läutete damit dasZeitalter der drahtlosen Übermittlung von Signalen einund schuf die Voraussetzungen für die drahtloseTelegrafie, die drahtlose Telefonie und das Radio.

1869/70 Zwischen London und Kalkutta wird eine über10 000 km lange Telegrafenlei-tung in Betrieb genommen.

1874 Der junge Thomas AlvaEdison entwickelt den Quadru-plex-Telegrafen. Dank dem Multi-plex-Verfahren können in beidenRichtungen gleichzeitig je zweiTelegramme übermittelt werden.

1886/88 Der Deutsche PhysikerHeinrich Hertz entdeckt das Ge-heimnis der elektromagnetischenWelle.

1895 Dem Italiener GuglielmoMarconi gelingt es, Signaledrahtlos zu übermitteln.

1927 Die Firma Siemens & Halskebringt den 12-fachen Tonfre-quenztelegrafen auf den Markt.

1929 Der deutsche IngenieurRobert Hell erfindet den Hell-Schreiber. Dieser funktioniert aufSenderseite wie ein Drucktele-graf und auf Empfängerseite wieein Bildtelegraf.

Ab 1934 Es bilden sich weltweitFernschreibnetze für die Abwick-lung von Telegrammdiensten undden Nachrichtenverkehr von Priva-ten und Behörden. Das bedeu-tendste Netz ist das Telexnetz,an welches nahezu alle Länderder Erde angeschlossen sind.

Ab ca. 1975 Das Telefax wird zueiner wichtigen Ergänzung desTelefons. Mit der Telefaxtechniklassen sich Schriftstücke, Grafikenund Bilder originalgetreu überdas Telefonnetz übermitteln.

19

Telexgerät mit Lochstreifen,um 1960

Page 20: Hörst du mich?

20

Die Schweiz findet den AnschlussDie moderne Schweiz, als Bundesstaat im Jahre 1848gegründet, war noch nicht einmal zwei Jahre alt, als sichder frischgebackene, siebenköpfige Bundesrat mit derTelegrafie zu befassen hatte. Am 7. Januar 1850 wies dieBerner Regierung die Landesväter auf die Erfindung desTelegrafen hin und empfahl dessen Einführung in derSchweiz. Die Landesregierung hatte ein offenes Ohr: Am1. November 1851 gab sie den Startschuss für den Bauvon Telegrafenleitungen zwischen Rheineck und Genfsowie zwischen Basel und Chiasso.

Rekordleistung: Über 8 Millionen Telegramme ineinem JahrAls Projektleiter für die Erstellung der ersten Telegrafen-leitungen engagierte der Bundesrat einen namhaftenPhysiker, der schon einige Jahre zuvor als Telegrafen-spezialist von sich reden gemacht hatte: den MünchnerCarl August Steinheil. Der Mann machte seinen Job gut.Am 5. Dezember 1852, ein knappes Jahr nach der Verab-schiedung des Telegrafengesetzes, nahm das SchweizerTelegrafenleitungsnetz mit 27 Telegrafenbüros den Betriebauf und liess die ersten Telegramme durch die Drähte tic-ken. Im Jahre 1869 wurde der von David Edward Hugheserfundene Typendrucktelegraf eingeführt und 1875 gab esin der Schweiz bereits über 1000 Telegrafenbüros.

Die Telegrafie fand Anklang. Man schätzt, dass in derSchweiz zwischen 1870 und 1900 jedes Jahr rund 1,7 Mil-lionen Telegramme vermittelt wurden. 1914 waren es gutdoppelt so viele und im Jahre 1919 erreichte die Zahl derin der Schweiz aufgegebenen Telegramme den nie wie-der erreichten Spitzenwert von 8109 461. Danach ging

> Das Wichtigste in Kürze

Ein junges Land begeistert sichfür die Telegrafie.

1847 Zwischen Luzern und Sar-nen besteht eine mit demBalkentelegrafen von Chappebetriebene telegrafischeVerbindung.

12. September 1848 Die Schweizerhält eine neue Verfassung undwird zum Bundesstaat.

24. Dezember 1851 Das Bundes-gesetz für die Erstellung des elek-trischen Telegrafen tritt in Kraft.

15. Juli 1852 In der Schweiz wirdzwischen Zürich und St. Gallender Bau der ersten Telegrafen-linie in Angriff genommen.

Die Telegrafie in der SchweizTelegrafie

Die Börse boomt.

Erst die Telegrafie machte es

möglich, sich in kürzester Zeit

über die Kursentwicklungen

an den Börsen in aller Welt zu

informieren.

Page 21: Hörst du mich?

der Telegrammverkehr kontinuierlich zurück. Der Sieges-zug des Telefons und anderer Medien war nicht mehraufzuhalten und die Telegrafie wurde nach und nach ver-drängt.

Das Ende einer Epoche und ein neuer AnfangDas wohl letzte Kapitel der Fernschreibetechnik in derSchweiz begann mit der Einführung der Fernschreib-maschine und des Telexnetzes im Jahre 1934. GrössereFirmen schafften sich eigene Fernschreibapparate an undnutzten die Vorteile der modernen Telegrafietechnik umZeit zu sparen und die Effizienz zu steigern. Gegen Endeder Achtziger Jahre erreichte die Zahl der Telexabonnen-ten in der Schweiz einen Höchststand. Dann kam dasTelefax und etwas später das Internet. Mit dem Netz derNetze begann ein neues Kapitel in der Geschichte derTelekommunikation. Seither sind die Urformen der Tele-kommunikation nur noch Geschichte.

30. November 1852 Die schwei-zerische «Direktion der Telegra-phenverwaltung» gibt die«Eröffnung des Telegraphen fürden Verkehr im Innern derSchweiz» per 5. Dezember 1852bekannt.

1854 Im Vierwaldstättersee wirddas erste Schweizer Untersee-kabel verlegt. Es verbindetSpyssenegg mit Stansstaad.

1919 Die Zahl der aufgegebenenTelegramme in der Schweizerreicht den Spitzenwert von 8109461.

1934 In der Schweiz entsteht einfeinmaschiges Telexnetz, dasbis zur Einführung des Internetsintensiv für den geschäftlichenNachrichtenverkehr genutzt wird.

1999 Das Telegramm gibt seinenAbschied. Der Telegrammdienstin der Schweiz wird eingestellt.Telefon, Mobiltelefonie, SMS-Dienste und Internet haben dasTelegramm überflüssig gemacht.

21

Carl August Steinheil

FernschreibstationBasel, 1939

Telegrafenamt Zürich, 1955

Page 22: Hörst du mich?

Das grosse Hallo.

Page 23: Hörst du mich?

Wie lassen sich Laute in elektrische Signaleumwandeln? Das war die Schlüsselfrage,mit der sich findige Tüftler in der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts beschäftigten.Die Nutzung der Elektrizität erlebtedamals eine Blütezeit und brachte laufendneue technische Errungenschaften hervor.Strahlendstes Beispiel für den Erfindergeistder Elektro-Pioniere: Die erste brauchbareGlühlampe, die in jener Zeit das Licht derWelt erblickte.

Die Geschichte des Telefons

23

Wer hat eigentlich

das Telefon erfunden?

Oder: Die fixe Idee von der elek-

trifizierten Sprache.

Telephon; von griechisch

«tele» = «fern, weit», «phoné» =

«Stimme».

Kabellegung Wengernalp –Jungfraujoch, 1957

Page 24: Hörst du mich?

24

Die Erfindung des Telefons

Charles Bourseul

Der Trick mit den SchwingungenEtwa zur gleichen Zeit hatte der französische Telegrafen-beamte Charles Bourseul eine Erleuchtung: Wenn manganz nah an einer beweglichen Platte sprechen würde, dieso biegsam sein müsste, dass keine der durch die Spracheverursachten Schwingungen verloren gehen konnte, wenn

Funktionsprinzip der elektrischenSprachübertragung

die Platte ausserdem im Rhythmus der Schwingungen dieVerbindung mit einer Batterie herstellen und unterbre-chen würde, dann müsste eine entfernte Platte die glei-chen Schwingungen ausführen. Der Gedankengang klingtkompliziert. Wenn es gelingt, ihn nachzuvollziehen, ist ergenial. Bourseul hatte das Prinzip der elektrischen Sprach-übertragung entdeckt.

Der legendäre GurkensalatEs ist nicht überliefert, ob der kluge Telegrafist seine The-orie in konkrete Modelle umsetzte. Sicher ist jedoch, dassanderenorts bereits ein Praktiker am Werk war. OhneKenntnisse von Bourseuls Überlegungen bastelte derDeutsche Philipp Reis einen Apparat, der vom technischen

Telefon

Page 25: Hörst du mich?

Prinzip her dem Telefon schon sehr nahe kam.1861 gelanges ihm, via Drahtverbindung eine gesprochene Botschaftüber Rufweite hinaus zu übermitteln. «Das Pferd frisstkeinen Gurkensalat», klang es krächzend und nahezu un-verständlich aus dem geheimnisvollen Kasten am Endeder Leitung. Dies war nun also die erste ferngesprocheneNachricht. So einfältig der Satz klingen mag, so intelli-gent war die Technik, die ihn übertrug. Leider hatte dieWelt noch kein Gehör für die epochale Erfindung. EineSpielerei, meinten Reis’ Zeitgenossen, ohne Bedeutungfür die Menschheit, eigentlich überflüssig. Sie sollten sichgewaltig irren.

Die Amerikaner übernehmenZehn Jahre gingen vorbei. Niemand schien sich für PhilippReis und seine Erfindung zu interessieren. Offenbar reich-te die Vorstellungskraft der Menschen nicht aus, um dengewaltigen Nutzen des Telefons auch nur zu erahnen.Zum Glück gab es Ausnahmen. In den USA beschäftigtensich gleich zwei Männer mit der Idee der Sprachübertra-

25

Philipp Reis

Der Telefonapparat von Philipp Reis: Die Geberstation mit dem Sprechtrichternannte er «Telephonohr». Als «Trommelfell»verwendete er eine Wursthaut

Page 26: Hörst du mich?

26

gung: Der eine war der in Boston lebende Taubstummen-lehrer Alexander Graham Bell, der das Reissche Telefonweiter entwickeln und vereinfachen wollte. Der anderehiess Elisha Grey, lebte in Chicago und beschäftigte sichmit der Konstruktion eines «harmonischen Telegrafen».

Durchbruch im TreppenhausBell machte einen Gedankensprung, der Philipp Reis nichtgelungen war: Er kehrte die Wirkungsweise der Geber-station um und machte daraus eine identische Empfänger-station. Die beiden Stationen sahen also völlig gleich ausund waren durch Drähte miteinander verbunden. ZumSprechen hielt man sie an den Mund, zum Zuhören ansOhr. Die Dinger sahen schon recht handlich aus, und siehatten gegenüber dem Vorläufer von Reis einen entschei-denden Vorteil: Sie funktionierten schon ganz anständig.Zumindest auf die kurze Distanz zwischen wenigen Stock-werken. Am 10. März 1876 fand die Hauptprobe statt:«Mr. Watson», sprach Alexander Graham Bell im Erdge-schoss mit sonorer Stimme in die Muschel, «please comehere, I want you!». Der Gehilfe im Dachgeschoss ver-nahm die Stimme seines Herrn und sauste die Treppenhinunter.

Telefon

Elisha Grey bei einem Telefon-experiment an der Badewanne

Alexander Graham Bell: Sein Telefonapparat mit Wandlerdiente wechselweise als Mikro-fon und Hörer

Page 27: Hörst du mich?

Im Endspurt zum PatentamtDerweil war Mr. Grey in Chicago nicht untätig geblieben:Er baute einen Apparat, der viel Ähnlichkeit mit demReis-Telefon aufwies und meldete diesen unter Erwäh-nung von «Gesprächen mit entfernten Personen» flugsbeim Patentamt an. Doch Bell war ihm ganz knapp zuvor-gekommen. Nur zwei Stunden vorher war seine Anmel-dung für ein Telefonpatent beim Amt eingetroffen. Greyhatte das Nachsehen.

27

Das Telefon macht Musik.

Mit der Übermittlung von Musik-

veranstaltungen versuchten die

Pioniere das Telefon populär

zu machen.

An seinem 29. Geburtstag im Jahre 1876 erhielt Alexan-der Graham Bell das Patent für sein Telefon. Es war eineinträgliches Geburtstagsgeschenk. Denn es handelte sichmit grosser Wahrscheinlichkeit um das wertvollste Patent,das in den USA je erteilt wurde. Kaum war er im Besitzedes Patentes, begann Alexander Graham Bell mit derVermarktung seiner Erfindung. Zusammen mit seinemSchwiegervater gründete er im Jahre 1879 eine Gesell-schaft zur Einführung des Telefons, die heute noch zuden weltweit führenden Unternehmen für Telekommuni-kation gehört.

Schema Telefon

Page 28: Hörst du mich?

28

Die Geburtsstunde des modernen TelefonsAlexander Graham Bell war nicht der Einzige, der denweltweiten Siegeszug des Telefons ermöglichte. Der briti-sche Ingenieur David Edward Hughes trug ganz entschei-dend zur Verbesserung des Telefons bei: Im Jahre 1878entwickelte er präzis zum richtigen Zeitpunkt das Kohle-körnermikrofon. Damit schuf er die technischen Voraus-setzungen für den Einsatz des Telefons über grosse Dis-tanzen.

Hughes ordnete hinter der Membran eine Kammer an,die er mit Kohlegranulat füllte. Die Membran würde durchden auftretenden Schall in Schwingungen versetzt undauf diese Weise das Granulat mehr oder minder zusam-mendrücken. Der elektrische Widerstand würde sich da-durch verändern und im Rhythmus der Schallwellen einenGleichstrom steuern. Hughes’ Rechnung ging auf. DieErfindung des Mikrofons ermöglichte die Trennung vonHör- und Sprechmuschel und damit war der Vorläufer desmodernen Telefons geboren.

> Das Wichtigste in Kürze

Das Telefon hat viele Väter.

1854 Der Franzose CharlesBourseul publiziert die Theorieder Sprachübertragung mittelsElektrizität.

1861 Der Deutsche Philipp Reisbaut den ersten primitiven Tele-fonapparat zusammen.

14. Februar 1876 Der gebürtigeSchotte Alexander Graham Bellmeldet seinen Telefonapparatbeim Patentamt an.

14. Februar 1876 Der elektro-technisch versierte Elisha Greyaus Chicago meldet seinen «harmonischen Telegraphen»beim Patentamt an. Er kommtzwei Stunden zu spät.

1878 Der britische IngenieurDavid Edward Hughes erfindetdas empfindliche Kohlekörner-mikrofon.

Telefon

David Edward Hughes

Kohlemikrofon

Page 29: Hörst du mich?

Die leidige Geschichte mit der langen LeitungNoch war das Telefon ein ziemlich unhandliches Ding, dasgerade dazu taugte, dass zwei Menschen über eine ge-wisse Entfernung miteinander reden konnten. Von Sprech-und Bedienungskomfort keine Spur. Und vor allem warda immer noch das Problem der Distanz. Die Sprachqua-lität war keineswegs konstant und sie nahm mit zuneh-mender Entfernung ab. Dafür gab es verschiedene Ursa-chen. Eine davon war die Leitung, die als Widerstandwirkt. Eine weitere Störquelle waren Stromverluste durchAbleitung wie sie beispielsweise dort entstehen, wo dieLeitung an Isolatoren befestigt ist. Ein weiteres Mal warErfindergeist gefragt.

Die Überwindung der Distanz

29

Telefonleitungen in New York um 1885

Kabellegung in Zürich, 1894

Page 30: Hörst du mich?

30

Eine raffinierte SpuleDie Telefonpioniere sahen sich vor zwei Fragen gestellt:Wie lässt sich einerseits der Widerstand einer Leitung ver-ringern, und wie kann anderseits der Strom während derÜbertragung verstärkt werden? Die erste Antwort fandim Jahre 1900 der serbische Physikprofessor Michael Pupinmit der Induktionsspule, die zu Ehren des Erfinders auchPupinspule genannt wird. Das raffinierte Ding wird alle1830 Meter in die Kabelleitungen eingeschaltet und wirktder Dämpfung des Kabels entgegen. Bei einem 2 mmdicken Kupferkabel erweiterte sich die Übertragungsdis-tanz auf 200 km. Dabei sollte es nicht bleiben.

> Das Wichtigste in Kürze

Die Physiker lassen nicht locker.

1900 Der serbische Physikpro-fessor Michael Pupin erfindetdie Induktionsspule. Die Sprech-distanz erweitert sich auf 70 bis 100 Kilometer.

1906 Der Amerikaner Lee deForest erfindet die Elektronen-röhre für die Verstärkung derSprachfrequenzen (siehe auchSeite 50).

Telefon

Selbstinduktionsspulen zur Verminderung derSprachdämpfung in Telefonleitungen

Michael Pupin

Pupintopf, 1890

Page 31: Hörst du mich?

Das Telefon: Unding oder Geniestreich?Die Erfindung des Telefons wurde in der Öffentlichkeiteher kritisch aufgenommen und von vielen sogar ver-dammt. Echo fanden die Telefonpioniere vor allem in derGeschäftswelt. Zu den ersten Nutzergruppen des Telefonszählten Bankiers, Börsenmakler, Hersteller von Telegrafenund Telefonen, Zeitungsredaktoren, Ärzte und Rechts-anwälte. Bis 1910 in den USA und bis in die 30er Jahre inEuropa hatte das Telefon im privaten Bereich wenig Be-deutung. Es wurde genutzt wie bis anhin der Telegraf:Für kurze Meldungen, für die Aufgabe von Bestellungenoder für Hilferufe in Notfällen. Von Plaudereien am Tele-fon keine Rede. Noch galt zwischenmenschliche Kommu-nikation als Vorgang, der physische Nähe erforderte.Dennoch war der Siegeszug des Telefons nicht mehr auf-zuhalten. Bereits im Jahre 1900 erreichte die Zahl derTelefonapparate in den USA die 2,2-Millionen-Marke.

Die Urgrossmutter

der Satellitenschüsseln.

Bells Photophon aus dem Jahre

1880 übertrug Sprache mittels

Lichtsignalen.

Das Telefon wird praxistauglich

31

Page 32: Hörst du mich?

32

Wie viel darf Telefonieren kosten?Telefonleitungen sind teuer. Um das Telefonieren mög-lichst billig zu machen, mussten also Wege gefundenwerden, um mehrere Gespräche gleichzeitig über eineeinzige Leitung zu führen.

Ein erster Schritt war die Idee Phantomleitung: Durch Ein-schalten von Übertragerspulen an den Enden zweier ge-wöhnlicher Leitungen wird eine künstliche dritte Leitunggebildet. Über die beiden Stammleitungen können somitgleichzeitig drei Gespräche geführt werden.

Ein weiterer Entwicklungsschritt war die Trägerfrequenz-telefonie: Hier wird ein Frequenzkanal geschaffen, derweiteren Frequenzbändern Platz bietet. Über diese kön-nen 24 und mehr Gespräche gleichzeitig übertragen wer-den. Seit ca.1950 gibt es das Breitband- oder Koaxialkabel:Es überträgt Wechselströme bis zu 4 Millionen Hertz undbietet damit ein Frequenzspektrum für bis zu 600 Sprech-kanäle.

In den ersten Jahrzehnten der Telefonie waren Phan-tomleitung und Trägerfrequenztelefonie wichtige Voraus-setzungen für die Verbreitung des Telefons. Heute sinddiese Technologien überholt. Der Einzug des Glasfaserka-bels und die Digitalisierung der Information gegen Endedes 20. Jahrhunderts haben die Welt der Telekommuni-kation schlagartig verändert.

> Das Wichtigste in Kürze

Leitungen, die es in sich haben.

Um 1910 Mit der Entwicklungder Phantomleitung ist es mög-lich, über zwei Leitungengleichzeitig drei Gespräche zu übertragen.

Um 1920 Mit der Trägerfre-quenztelefonie wird dieMehrfachtelefonie Realität.

1950 Das Breitband- oderKoaxialkabel erlaubt die gleich-zeitige Übermittlung von bis zu600 Gesprächen.

Die Mehrfachtelefonie wird RealitätTelefon

Ansicht Koaxialkabel

Page 33: Hörst du mich?

Die Damen am SchrankDer Spass am Telefon kommt natürlich erst so richtig auf,wenn jeder Mensch nach Belieben mit jedem anderentelefonieren kann. Die Telefonzentrale machts möglich. Ab1878 entstanden an vielen Orten in den USA und Europasogenannte Handzentralen. In einer Handzentrale bedien-ten mehrere junge Damen – die Arbeit in der Zentrale warein typischer Frauenberuf – je einen Umschaltschrank füreine gewisse Anzahl Teilnehmer. Für Verbindungen vonTeilnehmern, die an verschiedene Schränke angeschlossenwaren, schrien sich die Frauen gegenseitig die entspre-chenden Nummern zu. Natürlich war das auf die Länge einunhaltbarer Zustand. Abhilfe schaffte der Multipelschrank,der über eine Vorrichtung verfügte, um die Teilnehmerauch von Schrank zu Schrank miteinander zu verbinden.In einer grossen Handzentrale bediente eine Telefonistinbis maximal 10 000 Anschlüsse. So viele nämlich, wie siemit ausgestreckten Armen erreichen konnte. Die Frauenhatten also nach einem langen Arbeitstag wohl kaummehr das Bedürfnis nach einem Fitnessprogramm.

Das Fräulein vom Amt gibt seinen AbschiedWo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Auch die zu-verlässigsten Telefonistinnen waren davor nicht gefeit. Darüber ärgerte sich der amerikanische Geschäftsmann

Die Automatisierung der Telefonie

33

Handzentrale in Genf, 1883

Hebdrehwähler von A. B. Strowger

Page 34: Hörst du mich?

34

Almon B. Strowger. Aufgrund einer in der Zentrale falschgeschalteten Verbindung hatte er einen Auftrag verloren.Das soll nicht noch einmal vorkommen, sagte er sich, undmachte sich ans Werk. Handwerklich begabt wie er war,begann er mit der Entwicklung einer Einrichtung, mit derman unabhängig von menschlicher Unterstützung Verbin-dungen herstellen konnte. Das Ergebnis seiner Anstren-gungen war ein Hebdrehwähler. Flugs meldete er diesenim Jahre 1889 zum Patent an, das er zwei Jahre späterauch erhielt.

Der heisse DrehDer Strowgersche Hebdrehwähler wurde zum Herzstückder automatischen Telefonzentralen, welche die rührigenTelefonistinnen mit der Zeit überflüssig machen sollten.Das Funktionsprinzip war raffiniert: Mit dem Abnehmendes Telefonhörers wurde der Gleichstrom eingeschaltet.Ein im Hörer übertragenes Freizeichen zeigte die Betriebs-bereitschaft des Apparates an. Nach dem Drehen derWählscheibe wurden beim Zurücklaufen der ScheibeStromimpulse erzeugt. Diese betätigten die Wähleinrich-tung in der Telefonzentrale. Entsprechend der AnzahlStromimpulse stellte Strowgers Hebdrehwähler die Ver-bindung her. War die Leitung des Angerufenen besetzt,wurde die Verbindung zu einem Tonerzeuger geschaltet,der das Besetztzeichen übermittelte. War die Leitung frei,setzte ein Wechselstrom von 25 Hertz das Läutwerk desApparates in Betrieb, während im Hörer des Anrufers dasFreizeichen ertönte.

> Das Wichtigste in Kürze

Auf die richtige Verbindungkommt es an.

1878 In New Haven, Connecticut,wird mit 21 Teilnehmern dieerste manuelle Telefonzentraleeingerichtet.

1889 Almon B. Strowger meldetseinen Hebdrehwähler für die au-tomatische Herstellung von Tele-fonverbindungen zum Patent an.

3. November 1892 Die ersteautomatische Telefonzentraleder Welt nimmt in La Porte,Indiana, den Betrieb auf. Vonden 80 vorhandenen Anschlüs-sen waren 55 belegt.

1908 In Hildesheim (D) entstehtdie erste automatische Telefon-zentrale Europas.

Telefon

Telefonwähler, wahr-scheinlich aus der Patentschriftvon A.B. Strowger, 1881

Handzentrale in Kreuzlingen, um 1907

Page 35: Hörst du mich?

Physikalische Experimente als KinderspielWährend im Jahre 1874 Alexander Graham Bell im fernenAmerika am ersten Fernsprechapparat bastelte, kam inder Nähe von Bologna ein Junge zur Welt, der einmal ganzgross herauskommen sollte. Er hiess Guglielmo Marconiund war anders als andere Kinder. Gewöhnliches Spiel-zeug interessierte ihn wenig. Statt dessen kaufte er mitseinem Taschengeld Drähte, Gläser, Stecker, Steckdosenund andere Dinge, schloss sich damit in sein Zimmer einund baute sonderbare Apparate.

Die Erfindung der drahtlosenNachrichtenübermittlung

35

Guglielmo Marconi

Der kühne Ritt auf der coolen WelleKaum zwanzigjährig befasste sich Guglielmo Marconi in-tensiv mit den Entdeckungen des deutschen PhysikersHeinrich Rudolf Hertz. Dieser hatte nachgewiesen, dasssich die Elektrizität in Wellen ausbreitet und dass die

Sendeantenne

EmpfangsantenneMikrofon

Radiostudio

Sender Empfänger

Funktionsprinzip der drahtlosen Übermittlung

Der heisse Draht im kalten

Krieg. Mitten im atomaren

Wettrüsten wären Missverständ-

nisse fatal gewesen. Ab 1963

konnten die Präsidenten der USA

und der damaligen Sowjetunion

über eine direkte Fernschreib-

leitung (fälschlicherweise «Rotes

Telefon» genannt) miteinander

kommunizieren.

Page 36: Hörst du mich?

36

Geschwindigkeit dieser Wellen messbar ist. Im weiterenbewies Hertz, dass es sich bei Elektrizität um Materie inunsichtbaren Mengen handelt. Der junge Marconi mach-te die Hertzschen Erkenntnisse für die Praxis nutzbar.Noch in seinem Elternhaus baute er aus einem Metallringund zwei in einem winzigen Abstand nebeneinander posi-tionierten Kugeln einen Apparat, mit dem es ihm gelang,elektromagnetische Schwingungen zu erzeugen und diesewieder aufzufangen. Damit hatte er das Prinzip der draht-losen Übertragung erfunden.

«Evviva l’Italia!»Die erste praktische Anwendung dieser weltbewegendenErfindung fand in Anwesenheit der Mutter in den Privat-gemächern der Marconis statt: Guglielmo drückte aufeine Taste, und im Nebenzimmer läutete eine Glocke. DieMutter staunte. Der Vater blieb skeptisch. Noch hatte erdie Genialität seines Sohnes nicht erkannt. Das ändertesich allerdings, als Guglielmo mittels eines selbstgebau-ten Telegrafensenders und -empfängers seinem BruderAlfons über einen Hügel hinweg Morsezeichen übermit-telte. «Evviva l’Italia», lautete die Botschaft, die der Bruderentzifferte, doch in Italien verhallte sie ungehört. Es wa-ren die Engländer, die Marconi ermutigten, einen Versuchüber eine grössere Entfernung zu machen.

Das Telefon geht in die LuftIm Jahre 1899 gelang das Experiment: Marconi telegra-fierte die erste drahtlose Nachricht über eine Distanz von300 Kilometern von Frankreich nach England. Jetzt woll-te er es endgültig wissen. Seine Herausforderung war der

> Das Wichtigste in Kürze

Signale aus dem Äther.

1873 Der britische PhysikerJames Clerk Maxwell entwickeltdie Theorie der elektromagneti-schen Felder.

1878 Dem Briten David EdwardHughes gelingt die erste draht-lose Übertragung mittels einesFunkensenders. Den Funkensen-dern dieser Zeit verdanken späte-re Erfindungen wie das Funktele-fon oder der Rundfunk ihrenNamen.

1886 bis 1888 Der DeutschePhysiker Heinrich Rudolf Hertzerzeugt im Labor elektromagne-tische Wellen und erbringtgleichzeitig den Nachweis fürderen Existenz. Hertz bestätigtdamit die Maxwellsche Theorie.

Telefon

Heinrich Hertz

Page 37: Hörst du mich?

atlantische Ozean. In St.John, an der Steilküste Neufund-lands, baute er ein riesiges Gerüst auf, das als Sender undEmpfänger diente. Am 12. Dezember 1901 sollte die erstedrahtlose Nachricht von England zum amerikanischenKontinent übermittelt werden. Es war ein stürmischerWintertag. Regen und Schnee peitschten an das Eisen-gerüst. Marconi lauschte mit dem Hörer am Ohr aufSignale. Vorerst vergeblich. Erst als er auf dem Gerüsteinen Drachen befestigte, der die Antenne verlängerte,vernahm er die Botschaft: «tak», «tak», «tak». Ein S ausEuropa. Ein S für Sieg. Genau genommen waren die Zei-chen aus Europa «nur» eine Telegrafen-Nachricht. Diesnimmt dem einzigartigen Erfolg aber nichts von seinemGlanz. Denn das technische Funktionsprinzip der drahtlo-sen Übermittlung blieb für Telefonie und Radio dasselbe.

37

1901: Drahtlos über den AtlantikMarconis Meisterstück

Edouard Branly

1890 Der Franzose EdouardBranly präsentiert einen Eisen-feilspäneverstärker und erfindetspäter das Funktelefon.

1895 Der italienische Kauf-mannssohn Guglielmo Marconibaut einen Apparat, mit demelektromagnetische Wellen auf-gefangen werden können.

1899 Marconi übermittelt erst-mals eine drahtlose Nachrichtüber eine Entfernung von 300Kilometern von Frankreich nachEngland.

12. Dezember 1901 Die drahtloseNachrichtenübermittlung überden Atlantik glückt. Marconiempfängt in St. John, Neufund-land, Signale aus England.

1915 Zwischen dem Eiffelturmund einem Anschluss in Arling-ton, USA, findet erstmals eindrahtloses Telefongespräch statt.

Page 38: Hörst du mich?

38

Eine Privatinitiative mit FolgenNur vier Jahre nachdem Alexander Graham Bell das Pa-tent für das Telefon angemeldet hatte, wurde auch in derSchweiz das Telefonzeitalter eingeläutet. Am 2. Oktober1880 eröffnete eine private Gesellschaft in Zürich daserste Telefonnetz. Bei Jahresende leisteten sich 144 Teil-nehmende den Luxus eines Telefonanschlusses, der für150 Franken zu haben war. Für diesen für damalige Ver-hältnisse stolzen Betrag durfte im ersten Betriebsmonatvon 7 Uhr bis 21 Uhr telefoniert werden. Dann wurde dieZentrale geschlossen, denn die Fräuleins in der Zentralebrauchten ihren Schönheitsschlaf. Doch die Nachtruhedauerte nicht lange. Bereits ab 6. November war die Zen-trale durchgehend bedient.

Der Bund greift einDie private Zürcher Telefongesellschaft operierte mit demSegen des Bundes, der ihr mittels Bundesratsbeschlusseine Konzession erteilt hatte. Der Staat blieb jedoch sel-ber nicht untätig und errichtete in eigener Regie dieersten eidgenössischen Stadtnetze in Basel, Bern, Genf

Väterchen Staat hält die

Hand über den Apparat.

In der Schweiz galt das Staats-

monopol für den Vertrieb von

Telefonapparaten und anderen

Endgeräten über 100 Jahre.

Das Telefon erobert die SchweizTelefon

Eine öffentliche Telefon-sprechstelle im Zürcher Zigarren-geschäft Schrämli, 1890

Plakatsäule und Telefonzelle zugleich

Page 39: Hörst du mich?

und Lausanne. In dieser Zeit wurde auf politischer Ebeneheftig darüber diskutiert, ob das Telefon Sache von Priva-ten oder Sache des Staates sein sollte. Der Monopol-gedanke setzte sich schliesslich durch. 1880 entschlosssich der Bundesrat, keine weiteren Konzessionen mehr zuerteilen und kaufte per 1. Januar 1886 das Zürcher Privat-netz kurzerhand auf. In vielen Städten und Orten ent-standen nun weitere Städte- und Ortsnetze. Mit ihnentauchten im Ortsbild die ersten «öffentlichen Sprech-stationen» auf, wo alle, die das nötige Kleingeld besas-sen, telefonieren konnten. Im Jahre 1891 gab es in derSchweiz 101 Telefonnetze, an welche rund 11000 Abon-nenten mit 12700 Telefonstationen angeschlossen waren.Die gesamte Drahtlänge betrug 21400 Kilometer.

Finale am GotthardDie ersten Netze in der Schweiz waren zuerst kleineEinzelnetze, die erst im Laufe der Zeit zu grösseren Netzenzusammenwuchsen. Der erste Schritt zu einem grossflä-chigen Netz wurde im Jahre 1883 mit der Erstellung einerVerbindung zwischen den Städten Zürich und Winterthurgemacht. Ab 1886 wurde dann der Zusammenschluss derSchweizer Ortsnetze systematisch voran getrieben und1892 waren nahezu alle Netze in der Schweiz miteinan-der verbunden. Die letzte wichtige Fernleitung wurdeEnde 1900 durch die Röhre des Gotthardtunnels verlegt.Damit war auch das Tessin an das mittlerweile zum lan-desweiten Festnetz zusammen gewachsene Schweizer Te-lefonnetz angeschlossen.

> Das Wichtigste in Kürze

Telefonitis made in Switzerland.

1877 Die Schweizerische Telegra-phendirektion führt zwischenBundeshaus und Hauptpost inBern die ersten Telefonversuchein der Schweiz durch.

6. Januar 1878 Michele Patocchi,Adjunkt der TelegrafeninspektionBellinzona, führt via Telegrafen-leitung mit dem TelegrafenamtMailand das erste Auslandge-spräch aus der Schweiz.

18. Februar 1878 Der Bunderlässt allgemeine «Normen überdie Erstellung von Konzessionen».Das Staatsmonopol zeichnetsich auch für das Telefon ab.

1880 Eine Privatgesellschaftnimmt in der Stadt Zürich daserste Telefonnetz in der Schweizin Betrieb.

1. Februar 1883 Die erste Fernlei-tung der Schweiz verbindet dieStädte Zürich und Winterthur.

1885 Der Bundesrat beschliesst,dass der Bund den Bau und denBetrieb von Telefonnetzen über-nehmen soll. Das Zürcher Netzwird an den Bund verkauft.

1918 In Zürich wird die ersteTelefonzentrale mit halbauto-matischer Vermittlung desOrtsverkehrs in Betrieb genom-men.

39

Michele Patocchi

Page 40: Hörst du mich?

40

Die ganze Welt in ReichweiteEs dauerte nicht lange, bis die ersten Telefonleitungenzwischen der Schweiz und dem Ausland erstellt wurden.Erste Tastversuche über die Grenzen wurden in grenzna-hen Gebieten mit lokalen Verbindungen gemacht. Dannfolgten Verbindungen mit weiteren europäischen Ländernund bald konnte man über den Atlantik hinweg auch mitMenschen in den USA, Kanada, Kuba und Mexiko telefo-nieren. Am 10. Juli 1940 übernahm die KurzwellenstationSchwarzenburg der damaligen PTT (Schweizerische Post-,Telegrafen- und Telefonbetriebe) den Telefonverkehr mitden USA und später auch mit Japan und Argentinien. Ab dem Jahre 1956 kauften sich die PTT mit zahlreichenStromkreisen in Tiefsee-Telefonkabel ein. Neun Jahre spä-ter wagte sich die Schweizer Telefonie in den Weltraumund setzte für die weltweite Sprachübertragung fortanauf Satellitenverbindungen und Glasfaserkabel.

20. April 1924 In Genf wird dieerste vollautomatische Telefon-zentrale der Schweiz eröffnet.

1927 Die Automatisierung desFernverkehrs beginnt. Die 900bestehenden Ortsnetze werdenneu gruppiert und in 52 Netz-gruppen aufgeteilt.

1930 Der Telefonverkehr zwi-schen Bern und Biel wird auto-matisiert. Erstmals können in derSchweiz selbstgewählte Tele-fongespräche geführt werden.

1959 Das schweizerischeTelefonnetz ist voll automatisiert.Das ist eine Pionierleistung: DieSchweiz ist das erste Land derWelt, das den gesamten Inland-Telefonverkehr mit über einerMillion Teilnehmenden automa-tisch abwickelt.

1974 In Leuk im Kanton Walliswird eine Satellitenboden-station für die Abwicklung desÜbersee-Telefonverkehrs erstellt.

1979 Die internationale Selbst-wahl aus der Schweiz ist mit 86Ländern aller fünf Kontinentemöglich.

1980 Alle Haushaltungen inder Schweiz verfügen über einenTelefonapparat.

1983 In der Schweiz werden dieersten Glasfaserkabel verlegt.

1998 Die Telefonie wird aus denPTT-Betrieben ausgegliedert undprivatisiert. Das Telekommuni-kationsunternehmen Swisscomentsteht. Weitere privateTelekom-Anbieter treten auf denMarkt.

Telefon

Satelliten-Bodenstation

Satellit im Weltraum

Page 41: Hörst du mich?

Alles ist in BewegungMobil telefonieren ist keine neue Idee. Mit der Entwick-lung der drahtlosen Nachrichtenübertragung entstandenschon Mitte des letzten Jahrhunderts die ersten Funktele-fone. Das waren allerdings grosse, schwere und schwierigzu bedienende Kästen, die zum Einbau in Autos bestimmtwaren. 1958 führten die PTT-Betriebe in der Schweiz den«Autoruf» ein und jeder Autorufteilnehmer erhielt seineAutorufnummer. Zwischen 1978 und 1980 entstand danndas automatische Nationale Autotelefonnetz «Natel».

Mit der laufenden technischen Verbesserung der Ultra-kurzwellen-Übertragung wurden die Funktelefone immerkleiner und die Empfangsmöglichkeiten immer besser. ImJahre 1987 wurde das analoge Natel-C-Netz eröffnet, das8 Jahre später bereits 320 000 Teilnehmer zählte. Dochdas war erst der Anfang: Schon 1993 begann der Aufbaudes digitalen Mobilnetzes Natel D, das auf dem interna-tionalen Standard für digitale Funknetze, GSM (GlobalSystem for Mobile Communications), beruht. 2001 konnteder erste Anruf via UMTS (Universal Mobile Telecommuni-cations System), der dritten Generation der Mobilnetzegetätigt werden. Mit der UMTS-Technologie ist eine Viel-falt von neuen Möglichkeiten für die Nutzung der Mobil-telefonie geschaffen worden: Ortsunabhängiges mobilesArbeiten und Surfen auf dem Internet, aber auch Fern-sehen auf dem Handy und Videotelefonie.

Mobiltelefonie in der Schweiz

41

Altes Funktelefon imKofferraum

Page 42: Hörst du mich?

42

Die Erfindung des CyberspaceAnfangs der 90er Jahre lösten sich die Grenzen zwischenTelekommunikation und Informatik auf. Aus der Ver-schmelzung dieser zwei Technologien ging das WorldWide Web hervor. Damit war das Kommunikationszeit-alter geboren.

Die Story des Internets begann aber schon 1969 im US-Verteidigungsministerium. Um die Übermittlungssystemevor feindlichen Eingriffen zu schützen, entwarf man einvernetztes System, in dem eine Information verschiedeneMöglichkeiten hatte, ihren Weg zum Ziel zu suchen. Esspielte nun keine Rolle mehr, wenn ein Teil des Netzeszerstört wurde. Die Erfinder nannten das System Arpanet;die Grundlage zum Netz der Netze war damit geschaffen.

Nach den Militärs waren es Professoren und Studenten,die sich von der schlauen Idee überzeugen liessen. DieUniversity of California richtete einen ersten Vermittlungs-knoten ein, der mehrere Hochschulen miteinander ver-band. Im Jahre 1971 existierten bereits 15 solcher Vermitt-lungsknoten und 23 Hostrechner. Im Jahre 1982 tauchteerstmals der Begriff Internet auf, der zum Schlüsselbegriffdes modernen Kommunikationszeitalters werden sollte.1992 gab es weltweit schon eine Million Internet-Hosts.

In diesem denkwürdigen Jahr erfand der britische Wis-senschaftler Tim Berners-Lee das World Wide Web. Dabeihandelt es sich um eine Web-Software, die zwei Funk-tionen ermöglicht, die für die Surferinnen und Surfer vonheute selbstverständlich sind: Die multimediale Darstel-lung von Informationen und deren Verknüpfung durchLinks. Dank dem World Wide Web und dem Internet-protokoll TCP/IP sprachen nun alle Computer der Weltdie gleiche Sprache.

Die Geschichte des InternetsTelefon

Page 43: Hörst du mich?

Mit der zunehmenden Breitbandigkeit der Internetan-schlüsse ergeben sich von Jahr zu Jahr eine Vielzahl neuerNutzungsmöglichkeiten: Musik, Fernsehen und Videokönnen über das Netz übertragen werden. Die Voice overIP-Technologie (VoIP) ermöglicht es direkt über dasInternet zu telefonieren. Während VoIP zuerst vor alleminnerhalb von Unternehmen genutzt wurde, entdeckennun aber auch immer mehr Privatanwender die Vorteileder Internettelefonie.

Die neuen Kommunikationsformen haben tief greifendegesellschaftliche Auswirkungen: Sie verändern Privat- undArbeitsleben der Menschen – die Welt wird immer mehrzu einem Dorf. Noch hat aber erst ein kleiner Teil derWeltbevölkerung Zugang zu den neuen Technologien.Dies zu ändern ist eine grosse Herausforderung. Aber eslohnt sich sie anzunehmen, denn der Nutzen des Inter-nets für jeden einzelnen Nutzer steigt, je mehr MenschenZugang zum Netz haben. Das Potential des Internets istnoch lange nicht ausgeschöpft. Wir stehen erst am An-fang.

43

Tim Berners-Lee erfand das World Wide Web

Page 44: Hörst du mich?

Ätherpioniere und Wellensurfer.

Page 45: Hörst du mich?

Die Entwicklungsgeschichten von Telegraf,Telefon und Radio sind eng miteinanderverflochten. Das kommt nicht von unge-fähr. Hinter den drei bahnbrechendenErfindungen der Telekommunikation (undnatürlich auch der vierten, dem Fernsehen)steht im Prinzip die selbe Idee:Die Übertragung von Signalen über weiteDistanzen. So ist es weiter nicht erstaun-lich, dass es zum Teil die gleichen Physikerund Erfinder waren, die Telegrafie-,Telefon- und Radiogeschichte geschriebenhaben: Der Deutsche Heinrich Hertz, derItaliener Guglielmo Marconi, der RusseAlexander Stepanowitsch Popow, derAmerikaner Thomas Alva Edison und vieleandere.

45

Die Geschichte des Radios

Radiopioniere: Heinrich Hertz, Guglielmo Marconi,Alexander S. Popow, Thomas A. Edison

Wie lernten die Töne fliegen?

Oder: Wie das Radio die Welt ein

bisschen kleiner machte.

Radio; Kurzform von engl.

«Radiotelegraphy» = Übermitt-

lung von Nachrichten durch

Ausstrahlung elektromagneti-

scher Wellen.

Page 46: Hörst du mich?

Erste Empfängerstation, die aufdem Prinzip der elektromag-netischen Wellen funktionierte, von A. S. Popow, 1895

46

Radiotelegrafie, Radiotelefonie, Radio ... Was wurde da eigentlich ausgetüftelt?Die grossen Erfinder der drahtlosen Nachrichtenübermitt-lung setzten sich nicht hin und sagten sich: «So, jetzt er-finde ich das Radio!». Vielmehr wollten sie einfach malversuchen, ein Signal von einem Ausgangspunkt drahtloszu einem entfernten Zielpunkt zu schicken: Zuerst einGeräusch, ein kaum hörbares Ticken, später ein Wort undschliesslich einen kurzen Satz. Die Geschichte des Radiosist in ihren Anfängen identisch mit der Geschichte derdrahtlosen Telegrafie (Radiotelegrafie) und der drahtlosenTelefonie (Radiotelefonie). So ist es kein Wunder, dassman immer wieder auf alte Bekannte trifft.

Die Ballon-Antenne des Herrn PopowDer Ursprung der Radiotechnik geht auf das Jahr 1895zurück: Unter der südlichen Sonne Italiens übermittelteGuglielmo Marconi die erste drahtlose Nachricht (sieheauch Seite 35). Etwa zur gleichen Zeit liess ein anderergenialer Kopf im fernen St. Petersburg einen seltsamenBallon in den stahlblauen Himmel steigen. Es war derRusse Alexander Stepanowitsch Popow, der in der dama-ligen Hauptstadt Russlands seinen «Gewitterankündiger»vorstellte. Dabei handelte es sich um ein Gerät für dieRegistrierung der atmosphärischen Entladungen bei Ge-wittern. Für den Empfang der elektromagnetischen Wel-

Die Ursprünge der RadiotechnikRadio

Alexander Stepanowitsch Popow

Page 47: Hörst du mich?

Teure Basteleien.

Schon im Jahre 1920 gaben

Radiobastler über 2 Millionen

Dollars für Radioteile aus.

len benutzte Popow als Antenne einen Draht, den er aneinem Ballon befestigt hatte. Der kluge Russe darf also alsErfinder der Radioantenne betrachtet werden. Zwei Jahrespäter gelang es ihm, mittels einer Sende- und Empfangs-einrichtung drahtlos Signale zwischen zwei 5 km vonei-nander entfernten Schiffen zu übermitteln.

Marconi holt die Antenne auf den Boden zurückMittlerweile war der italienische Kollege bereits einenSchritt weiter. Guglielmo Marconi versah Popows Anten-ne mit einer Erdung und entdeckte auch die Bedeutungder Sendeantenne. Damit schuf er eine wichtige Voraus-setzung für die sichere und störungsfreie Nachrichten-übermittlung ohne Draht.

Wenn zwei dasselbe tun, kommt nicht unbedingt dasselbeheraus. Im Gegensatz zu Marconi fand Popow für dieFortführung seiner Experimente keine finanzielle Unter-stützung. Auch Marconi stiess auf Widerstand, denn dieItaliener standen seinen Ideen eher kritisch gegenüber. Sosetzte er sich kurzerhand nach London ab, wo er seineStudien fortführen konnte. Bereits im Juni 1896 konnte erseine Erfindung der drahtlosen Nachrichtenübermittlungin England patentieren lassen und im Dezember des glei-chen Jahres erhielt er das Patent für die USA.

Mit Volldampf gegen gedämpfte WellenMit elektromagnetischen Wellen ist es so eine Sache. Siewerden – ähnlich wie Lichtstrahlen – mit zunehmenderDistanz immer schwächer und verändern sich. Diese Ab-schwächung nennt man Dämpfung. Der Kampf gegendiese Dämpfung brachte viele kluge Physikerköpfe zumRauchen, denn diese brannten darauf, diesen Schwach-punkt zu überwinden. Warum? Ganz einfach: Die um dieWende des 19. und 20. Jahrhunderts verfügbaren Radio-

47

Engadin Press Radio-|funkstation

Carl Ferdinand Braun

Page 48: Hörst du mich?

48

telegrafiesender – also die drahtlosen Telegrafen – ver-mochten lediglich einfache Signale zu übertragen. ZumBeispiel die Striche und Punkte des Morsealphabetes. DieÜbertragung der menschlichen Sprache war mit diesengedämpften Wellen schlicht nicht möglich. Es war alsoVerstärkung angesagt.

Einen ersten Schritt machte der deutsche Physiker CarlFerdinand Braun bereits im Jahre 1898: Er nahm den Mar-coni-Sender und fügte in diesem Apparat einen geschlos-senen Schwingkreis ein. Auf diese Weise brachte er esfertig, die unerwünschte Dämpfung zu reduzieren. Oderbesser: Die gedämpften Wellen zu verstärken.

Einem schlauen Dänen geht ein Licht aufBrauns Idee war gut, aber sie bildete erst den Anfangeiner ganzen Reihe weiterer Erfindungen, die das Dämp-fungsproblem lösen sollten. Einen Höhepunkt bildete derLichtbogensender, den der dänische Physiker WoldemarPoulsen in den Jahren 1902 bis 1904 konstruierte. Mit sei-nem Apparat gelang es ihm, ungedämpfte Hochfrequenz-schwingungen zu erzeugen. Damit konnten nun erstmalsgesprochene Worte drahtlos übermittelt werden.

> Das Wichtigste in Kürze

Das Radio muss erst mal tickenlernen.

1895 Der russische PhysikerAlexander StepanowitschPopow erfindet die Antenne.Sein italienischer KollegeGuglielmo Marconi überträgterstmals Signale ohne Draht.

1885/96 Guglielmo Marconimacht Experimente mit geerde-ten Sende- und Empfangsanten-nen. Die Erdung vermindertÜbertragungsstörungen.

1898 Der deutsche Physiker Carl Ferdinand Braun baut inden Marconi-Sender einengeschlossenen Schwingkreis ein.Ein erster Schritt zur Lösung desDämpfungsproblems ist getan.

1902 bis 1904 Der dänischePhysiker Woldemar Poulsenerfindet den Lichtbogensender.

Radio Stark und schwach gedämpfteWellen

Funktionsprinzip Lichtbogen-sender

Woldemar Poulsen

Page 49: Hörst du mich?

Ein TraumRückblende ins Jahr 1876, Brentford, Kanada: Ein zehn-jähriger Junge sitzt im Labor eines Mannes, der einenseltsamen sprechenden Apparat vorstellt. Der Junge heisstReginald Aubrey Fessenden, der Wortführer ist ein gewis-ser Alexander Graham Bell, der soeben das Telefon erfun-den hat (siehe auch Seite 26). Ein paar Tage später startetBell das erste Ferngespräch über eine Distanz von 113 kmzwischen Paris (Ontario) und Toronto. Mit einer Draht-verbindung, wohlvermerkt. Der kleine Reginald verfolgtdie erfolgreichen Experimente Bells neugierig und ge-spannt und hat einen Traum: Was mittels Drähten möglichist, müsste doch auch ohne diese möglich sein.

Wenige Leute teilten die visionäre Meinung des mittler-weile herangewachsenen Kanadiers. Selbst der grosseThomas Alva Edison war skeptisch. Eines Tages fragteFessenden sein berühmtes Vorbild, ob er die drahtloseÜbertragung der Sprache für möglich hielte. «Fezzie», ant-wortete Edison dem jungen Kollegen, «wie hoch schätztdu die Chance ein, dass der Mensch dereinst in der Lagesein wird, über den Mond zu springen? Ich denke, deineIdee ist ebenso utopisch.»

Weihnachten 1906: Keine stille NachtFür dieses eine Mal lag Edison falsch. Fessenden gelang es,den Poulsen-Sender weiter zu verbessern und der tücki-schen Dämpfung den Garaus zu machen. Im Dezember1906 war es soweit: Am Weihnachtstag dieses denkwür-digen Jahres überraschte der junge Physiker die Welt miteinem ganz besonderen Geschenk: Der ersten Radiosen-dung. Über den Äther sprach er ein paar Worte und liesses sich nicht nehmen, mit seiner Violine die Menschheitmit dem Weihnachtslied «Stille Nacht, heilige Nacht» zubeglücken.

Die Vision vom Radio wird Realität

49

Kleiner als eine Streichholz-

schachtel.

Im Jahre 1969 wurde unter dem

Namen «Asrad Orion» das kleinste

Radio der Welt vorgestellt.

Page 50: Hörst du mich?

50

Die grösste Röhre aller ZeitenDer Lichtbogensender war eine grossartige Erfindung unddennoch lediglich ein Etappenziel in der Geschichte desRadios. Denn während Poulsen und Fessenden mit derLichtbogentechnik erste Gehversuche machten, dachtenPhysikerkollegen in aller Welt wie Thomas Alva Edison,der Deutsche Philipp Lenard, der Engländer John AmbroseFleming oder der Österreicher Robert von Lieben über an-dere Möglichkeiten der Steuerung und Verstärkung elek-tronischer Wellen nach. Der Amerikaner Lee de Forest,Erfinder der Elektronenröhre (siehe auch Seite 30), machteschliesslich im Jahre 1906 die entscheidende Entdeckung:Er verbesserte seine Erfindung, indem es ihm gelang, denVerstärkereffekt der Röhre weiter zu steigern.

Die sogenannte Triode von de Forest und später auch dieweiter entwickelten Elektronenröhren haben zwei Funk-tionen, die für die drahtlose Signalübermittlung von zen-traler Bedeutung sind: Einerseits vermögen sie die elektri-

Radio

Lee de Forest

Einsatz der Elektronenröhreals Sender

Page 51: Hörst du mich?

sche Wechselspannung massiv zu verstärken, anderseitssind sie auch ausgezeichnete Schwingungserzeuger. DurchAnkoppelung eines offenen Schwingungskreises – alsoeiner Antenne – lassen sich die Schwingungen in denfreien Raum abstrahlen. Diese Schwingungen sind völligungedämpft und somit ideal für die Übertragung von Spra-che und Musik.

Ein Massenmedium entstehtDie geniale Röhre von Mr. de Forest sorgte dafür, dassfortan ohne Draht rund um die Welt telegrafiert und tele-foniert werden konnte. Für das Radio, auch Rundspruchgenannt, bedeutete sie den absoluten Durchbruch. Denndie Elektronenröhre machte es möglich, Empfangsgerätezu bauen, die nicht mehr länger Experimentierobjekte vonPhysikern waren, sondern Apparate für jedermann. EinMassenmedium war geboren.

Ein Mittel gegen Knistern und KnasternIn den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts war es allerdingsnoch nicht ganz soweit. Noch war der Radioempfang mitstörenden Nebengeräuschen verbunden, die knistertenund knasterten und den mit Kopfhörern bewehrten Lau-schern wahrscheinlich ziemlich auf die Nerven gingen.Abhilfe schaffte die Rückkoppelung, die im Jahre 1913 inDeutschland, Grossbritannien und Amerika zum Patentangemeldet wurde. Bei der Rückkoppelung, auch Feed-back genannt, wird ein Teil des Ausgangssignals eines Ver-stärkers an dessen Eingang zurückgeführt. Dies bewirkteinerseits eine Verminderung der Dämpfung und ande-rerseits eine Verstärkung der Schwingungen. Was sich sokompliziert anhört, hat einen verblüffenden Effekt: Miteinfachen Röhren-Empfängern hatte man nun einen rechtanständigen Fernempfang.

> Das Wichtigste in Kürze

Weihnachtslieder und reineKlänge.

1906 Der Kanadier ReginaldAubrey Fessenden veranstaltetam Weihnachtstag mit einemverbesserten Poulsen-Lichtton-sender die erste Radiosendung.

1912 Dem Erfinder der Elektro-nenröhre, Lee de Forest, gelingteine entscheidende Verbesserungseines «Kindes». Seine Röhre,Audion genannt, wird zum stärks-ten Stück seiner Zeit.

1913 Die Rückkoppelung füreinen störungsfreien Empfangwird in Deutschland, Grossbri-tannien und England zum Patentangemeldet.

51

Einröhren-Radioempfänger, um 1925

Page 52: Hörst du mich?

52

«Good morning world!»In den Gründerjahren gehörte das Radio den Militärs.Doch kaum war der Krieg zu Ende, begann der Siegeszugdes Radios bei einer breiteren Bevölkerung.

Um 1920 nahm in den USA als erste RundfunkstationRadio Pittsburgh (US-Staat Pennsylvania) den Sendebe-trieb auf. 1920 bis 1922 waren dann die Jahre der Grün-dungen wichtiger Radiosender in den Niederlanden, inGrossbritannien, Frankreich und Russland. Die Stationenbedienten ihre Zuhörerschaft mit Informationen und Mu-sik. Bereits im Jahre 1923 feierte das Radio seine Weltpre-miere als Unterhaltungsmedium: Am 29. Oktober wurdeim VOX-Haus in Berlin der deutsche «Unterhaltungsrund-funk» ins Leben gerufen.

Der Bastelkasten dreht aufEs versteht sich von selbst, dass die Radios von damalsmit den Hightech-Anlagen und Ghetto-Blastern von heutenicht zu vergleichen sind. Die Empfangsstationen der20er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren geheimnisvolleKästen mit unzähligen Schaltern, Knöpfen und Drähten,oft überragt von fantastischen Antennenkonstruktionen.Von den Zuhörern war zuerst einmal technisches Ver-ständnis gefordert. Denn die Ur-Apparate der Anfangs-zeit waren nicht betriebsbereit verfügbar, sondern muss-ten von den Käufern selber zusammengebaut werden.

Im Äther gehts abRadio

Radioempfänger mit separatem Lautsprecher, um 1925

Radioempfänger mit Laut-sprecher, um 1926

Radioempfänger «Majestic», um 1935

«Gebissradio», um 1950

Mehrkreisempfänger mit Rahmenantenne, um 1925

Page 53: Hörst du mich?

Zum Anhören der Sendungen waren sie – wie die Funker– auf Kopfhörer angewiesen. Im Jahre 1926 tauchten danndie ersten Radioempfänger mit Lautsprecher auf.

Da nun in vielen besiedelten Teilen der Welt immer mehrRadiosender entstanden, war es nur eine Frage der Zeit,bis sie sich gegenseitig in die Quere kamen. Der Empfangdes gewünschten Senders wurde von anderen Sendernüberlagert und gestört. Dieses Problem wurde mit derErfindung des Mehrkreis-Empfängers gelöst, mit dem dieSender beim Empfang besser getrennt werden konnten.

Auf die Wellenlänge kommt es anMit der Verbreitung des Radios wurde das Sendernetzimmer dichter. Schon 1930 war in vielen Gebieten eineDichte erreicht, dass im damals genutzten Mittelwellen-bereich für neue Sender kein Platz mehr war. Ein Aus-weichen auf kürzere Wellen wurde unumgänglich. ZumLeidwesen der damaligen Radiofans ergaben sich darausneue technische Probleme, denn die Empfänger warennicht in der Lage, kürzere Wellen befriedigend zu verar-beiten. Die Lösung bestand im Überlagerungsprinzip, dasR.A. Fessenden bereits 1901 entdeckt hatte. Noch wäh-rend des ersten Weltkrieges wurden die ersten Überlage-rungsempfänger entwickelt, die als Superhetempfänger –oder kurz Super – allgemeine Verbreitung fanden.

53

Page 54: Hörst du mich?

54

Kurz, aber ohoMit den Wellenlängen war es so eine Sache. Die meistenFunk- und Radiostationen arbeiteten im Mittel- und Lang-wellenbereich, weil sie damit vermeintlich die grösserenReichweiten erzielten. Tatsächlich gibt es eine physikali-sche Gesetzmässigkeit, die aussagt: Je grösser die Wel-lenlänge, desto eher kann die Welle der Erdkrümmungfolgen, um so grösser also die Reichweite. Bei Mittel-wellen beträgt diese wenige hundert Kilometer, bei Lang-wellen einige Tausend. So fiel es den professionellen Funk-und Radiostationen nicht schwer, den Kurzwellenbereichden Amateurfunkern zu überlassen. In den USA war die-sen Funkenthusiasten sogar vorgeschrieben, ihre Funk-apparate unterhalb von einer Wellenlänge von 200 m zubetreiben, damit sie den öffentlichen Funkverkehr nichtstören konnten.

Die Funker gaben sich mit den kurzen Wellen zufriedenund machten eine unglaubliche Entdeckung: Sie empfin-gen Signale von Kollegen aus anderen Kontinenten. Wiewar das möglich? Kurzwellen haben es in sich: Ihre direk-te Reichweite ist zwar sehr gering, sie werden jedoch voneiner elektrisch leitenden Schicht in der Ionosphäre wieauch vom Erdboden reflektiert, so dass sie in einer ArtZickzack-Bahn rund um den Erdball gesendet werden kön-nen.

> Das Wichtigste in Kürze

In aller Welt bricht die Sende-zeit an.

1920 In den USA geht als ersteRundfunkstation Radio Pitts-burgh auf Sendung.

1920 bis 1922 In vielen europäi-schen Ländern werden Radio-sender gegründet.

1923 Aus dem VOX-Haus inBerlin wird die erste Unterhal-tungssendung ausgestrahlt.

Um 1930 Das im Jahr 1901 vonR.A. Fessenden entdeckte Überlagerungsprinzip setzt sichals taugliche Methode für denKurzwellenempfang durch.

Radio

Kurzwellen-Reflektion

Page 55: Hörst du mich?

Die weltbekannte Röhre bekommt KonkurrenzBis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war die Elektronen-röhre das zentrale Bauelement in den Geräten der draht-losen und drahtgebundenen Nachrichtentechnik. Das ge-niale Teil hatte aber auch einige Nachteile. Zum Beispielbrauchte es jede Menge Energie, es erhitzte sich, war me-chanisch empfindlich und seine Herstellung technischaufwändig. So überrascht es nicht, dass Ingenieure undPhysiker über Bauelemente nachdachten, welche die Elek-tronenröhre ersetzen konnten.

Wunderding TransistorGanz intensiv beschäftigte sich ab 1947 eine Forschungs-gruppe in den Bell-Laboratorien in den USA mit dieserIdee. Dem Team gehörten die späteren Nobelpreisträgerfür Physik, John H. Bardeen, Walter H. Brattain und WilliamB. Shockley, an. Die drei Cracks erfanden ein Halbleiter-bauelement, das elektrische Schwingungen verstärkte.Das Kind wurde auf den Namen Transistor getauft undmarkierte einen weiteren entscheidenden Wendepunkt inder Geschichte der Technik.

Der Transistor kommt

55

Die Erfinder des Transistors: Hinten: John H. Bardeen, Mitte: Walter H. Brattain, vorn: William B. Shockley

Page 56: Hörst du mich?

56

1947 wurde erstmals ein Telefongespräch mittels einesTransistors verstärkt. Ein Jahr später wurde der erste Mit-telwellen-Radioempfänger präsentiert, der anstelle vonElektronenröhren mit einem Transistor ausgerüstet war.

Der Winzling mit Power setzt sich durchEs dauerte nur wenige Jahre, bis Transistoren in grossenSerien hergestellt werden konnten und als es soweit war,setzte eine riesige Nachfrage ein, die lawinenartig an-wuchs. Bereits im Jahre 1963 überstieg die weltweite Pro-duktion von Transistoren die Einmilliardengrenze und vonnun an geriet die Elektronenröhre ins Hintertreffen.

Der Transistor veränderte nicht nur das technische Innen-leben des Radios, sondern auch seine äussere Erschei-nung. Plötzlich war es möglich geworden, kleinere Radioszu bauen und sie in elegant gestylte Gehäuse zu verpa-cken. Dank dem niedrigen Energieverbrauch von Tran-sistoren konnten Radios nun auch mit Batterien betriebenund überall hin mitgenommen werden. Damit wurde dasRadio definitiv auch zum Medium für junge Leute.

> Das Wichtigste in Kürze

Der Triumphzug der Halbleiter-technik.

1947 Die drei Physiker John H.Bardeen, Walter H. Brattainund William B. Shockley erfin-den den Transistor, der noch imgleichen Jahr erstmals einTelefongespräch verstärkt.

1948 Der erste Mittelwellen-empfänger mit Transistorerblickt das Licht der Welt.

1963 Die weltweite Jahrespro-duktion von Transistoren über-schreitet die Einmilliardengrenze.

Radio

2-Transistor Empfänger(60er Jahre)

Page 57: Hörst du mich?

Auf Flugplätzen geht das Schweizer Radio an den Start Auch die Schweiz stand in der Pionierzeit des Radios nichtzurück. Erste radiotelegrafische Versuche machte die Ar-mee bereits im Jahre 1905, doch erst nach dem 1. Welt-krieg ging das Radio in der Schweiz richtig an den Start,und zwar auf dem Champ-de-l’Air in Lausanne und demGenfer Flugplatz Genève-Cointrin. Warum gerade hier?Ganz einfach: Die Schweizer Radiopioniere, die sich inRadioklubs zusammengeschlossen hatten, fanden auf denFlugplätzen fixfertige Funkanlagen vor, die sie in Flugver-kehrspausen (das gab es damals noch) zum Ausstrahlenvon Musikprogrammen und Wetterprognosen benutzten.Die Bewilligung zu diesen ersten Sendeversuchen in Genfund Lausanne und etwas später auch in Zürich-Klotenerteilte am 10. Januar 1923 die Obertelegraphendirektionin Bern.

Volksmusik vom HönggerbergDen ersten, ausschliesslich für den Radiobetrieb vorgese-henen Sender baute die neu gebildete Radiogenossen-schaft in Zürich auf dem Hönggerberg. Am 23. August1923 konnte es losgehen: Zum ersten Mal sendete in derSchweiz eine Rundfunkstation ein festes Radioprogramm

Die Schweiz auf Empfang

57

Der RadiosenderHönggerberg, 1924

Page 58: Hörst du mich?

58

mit Musik und Informationen. Das Beispiel machte Schule:In den folgenden Jahren wurden auch in Bern, Lausanneund Basel Radiogenossenschaften gegründet, die eigeneSendestationen in Betrieb nahmen. Sicher hätten sich dieRadiogenossenschaften in der Schweiz munter weiter ver-breitet, wenn da nicht ein kleines Problem gewesen wäre:Das liebe Geld.

Tatsächlich war und ist Radiomachen eine kostspieligeAngelegenheit und werbefinanziertes Radio war nochlange kein Thema. Die finanziellen Probleme zwangen dieRadiogenossenschaften, zusammen zu spannen, was zurGründung der Schweizerischen Rundfunkgesellschaft SRGführte. Diese erhielt am 26. Februar 1931 vom damaligenEidgenössischen Post- und Eisenbahn-Departement dieausschliessliche Sendekonzession für Rundspruchsenderin der Schweiz. Von da ab trat die SRG als Programmge-stalterin auf, während die PTT-Betriebe den Auftrag zumBau und Unterhalt von Sendeanlagen erhielten.

Die grosse Zeit der Schweizer LandessenderMit je einem starken Mittelwellensender für die drei grös-seren Sprachregionen der Schweiz – Landessender ge-nannt – machte das staatliche Radio in der Schweiz imJahre 1931 den Schritt vom regionalen zum überregiona-len Medium. Der Landessender Sottens für die französi-sche Schweiz nahm am 23. April seinen Betrieb auf, derLandessender Beromünster für die Deutschschweiz am11. Juni desselben Jahres. Am 28. Oktober 1933 kam derLandessender Monte Ceneri hinzu, der das Tessin versor-gen sollte.

Radiosendungen aus der LeitungDie Schweiz ist aufgrund ihrer Topografie nicht geradeein ideales Radioland. Die vielen Berge stehen der Aus-breitung der Radiowellen im Wege und in unzähligen

Radio

Der Landessender Beromünster

Page 59: Hörst du mich?

Tälern der Berggebiete war es früher schwierig bis unmög-lich, Radiosendungen zu empfangen. Dem musste abge-holfen werden. Die PTT-Betriebe lösten das Problem, in-dem sie schon ab dem Jahre 1931 als Ergänzung zur draht-losen Radioversorgung die Möglichkeit schuf, Sendungenüber das Telefonnetz zu verbreiten. Die Dienstleistungwurde Telefonrundspruch genannt. Sie hatte in ihrer bes-ten Zeit über 400 000 Abonnenten in der ganzen Schweizund verbreitete bis zu sechs Programme.

Wellenchaos und Übersee-RadioWem gehören eigentlich die Radiowellen? Allen und nie-mandem. Und da sich Radiowellen nicht um Landes-grenzen kümmern, musste die Zuteilung und Nutzunginternational geregelt werden. Noch im Jahre 1933 fanddie erste europäische Wellenkonferenz statt, doch essollte nicht dabei bleiben. In den folgenden Jahrzehntenmussten immer wieder solche Konferenzen durchgeführtwerden, da es stets Länder gab, die sich benachteiligtfühlten oder solche, die sich nicht an die Vereinbarungenhielten.

Als sich dann in den 30er-Jahren der zweite grosse Kriegdes Jahrhunderts abzeichnete, entstand das Bedürfnis,dieim Ausland und besonders in Übersee lebenden Schweizermit Nachrichten aus der Schweiz zu versorgen. Dies warnur mittels Kurzwellen möglich (siehe auch Seite 54). Abdem Jahre 1935 konnten über den Kurzwellensender desVölkerbundes – das war eine Vorläuferorganisation derheutigen UNO – in Prangins bei Genf spezielle Sendun-gen für Schweizer im entfernten Ausland ausgestrahltwerden. Drei Jahre später wurde in Schwarzenburg eineigenes Kurzwellensendezentrum für Sendungen nachÜbersee errichtet. Dieser Kurzwellensender konnte nebender Übermittlung von Radioprogrammen auch für diedrahtlose Telefonie genutzt werden.

59

KurzwellensenderSchwarzenburg, 1939

Telefonrundspruch-Apparat

Page 60: Hörst du mich?

60

Revolution auf UKW: Das Lokalradio kehrt zurückDas Gerangel um Mittelwellenlängen oder Mittelwellen-frequenzen veranlasste die Radioleute in der Schweiz,sich mit den Möglichkeiten der Rundfunkübertragungmittels ultrakurzen Wellen zu beschäftigen. Nach verschie-denen Versuchen mit der aus den USA stammendenUKW-Technik entstand – immer noch unter der Regie derPTT-Betriebe – zwischen 1950 und ca. 1973 ein Netz vonUKW-Sendern, das eine 99,5%-ige Abdeckung gewähr-leistete.

Ultrakurzwellen bieten eine gute Sendequalität, habenaber den Nachteil der geringen Reichweite. Sie eignensich somit ideal für Radiosender mit lokalem Senderadius.Die UKW-Technik zeichnet sich jedoch noch durch eineweitere Besonderheit aus: Man kann mit relativ handlicherund im Vergleich zu Mittelwellen-Sendeanlagen kosten-günstiger Ausrüstung einen Radiosender betreiben. DieserVorteil stieg dem Schweizer Medienprofi Roger Schawinskiin die Nase: Er wollte als Privatmann Radio machen. Daswar in der Schweiz allerdings verboten, denn der Staatbesass das Radiomonopol.

Das Ende des Staatsmonopols in der SchweizIm Jahre 1981 baute Roger Schawinski auf dem PizzoGroppera nahe Como – unmittelbar an der SchweizerGrenze – den damals stärksten UKW-Sender Europas aufund strahlte aus 3000 Metern Höhe die ersten Privat-radiosendungen in den Grossraum Zürich. Der Piraten-streich schlug hohe Wellen und brachte schliesslich dasStaatsmonopol zu Fall: Im Jahre 1982 machte der Bundden Weg frei für das Privatradio in der Schweiz. Heutegibt es in der Schweiz neben den öffentlich-rechtlichenSendern der «SRG SSR idée suisse» 40 bis 50 privateLokalradiostationen, von denen jede ihr spezielles Ziel-publikum hat.

Hellseher. Der britische Mathe-

matiker Arthur C. Clark schlug im

Jahre 1942 vor, Radiosignale via

Satelliten zu übertragen. Das war

15 Jahre bevor die Sowjets den

ersten künstlichen Satelliten der

Welt, «Sputnik I», ins All schossen.

Die verrückte Radioantenne.

Die «Newark Sunday Call»

installierte 1929 im Automobil

eines ihrer Reporter einen

Radiosender. Die Sendeantenne

war um Pfosten gewickelt, die

auf der vorderen und hinteren

Stossstange des Wagens mon-

tiert waren.

Radio

Roger Schawinski auf dem Pizzo Groppera

Page 61: Hörst du mich?

Unsterbliches RadioNach einem guten Jahrhundert bewegter Geschichte istdas Radio so jung wie eh und je. Zwar geriet es in derGründerzeit des Fernsehens etwas in den Hintergrunddes Interesses. Entgegen den Voraussagen mancher skep-tischer Medienpropheten vermochte das Fernsehen dasRadio aber nicht zu verdrängen. Im Gegenteil: Radio hö-ren ist in wie nie zuvor. Mit dem Internetboom ist jetztgar das Radio hören während der Arbeit am PC möglich.

Radio im InternetzeitalterNeben den klassischen Radiostationen entstanden in den90ern Internet-Broadcaster, die ihr Programm nur perMedia Stream über das Netz verbreiteten. 1995 veranstal-tete das damals neu gegründete Info-Radio Berlin-Brandenburg gemeinsam mit der Technischen UniversitätBerlin den Streaming-Dienst Info-Radio on Demand.

Ein ähnliches Projekt führte der Südwestdeutsche Rund-funk (SWF) durch: Hier wurde ein Teil des SWF-Sende-archivs digitalisiert. Mitte 1995 lagen bereits über 190 000Stunden Wort- und Musikbeiträge vor.

Die Medienöffentlichkeit wurde auf Streaming Media um1998 aufmerksam, in der Blütezeit der New Economyalso. Es setzte eine Art automatischen Zugzwangs ein;beispielsweise begannen zahlreiche Hörfunksender, Teileihrer Programme einfach deshalb zu streamen, weil esandere auch taten.

61

> Das Wichtigste in Kürze

Wellenreiten in der Schweiz.

1905 Die schweizerische Armeemacht erste Versuche mit Radio-telegrafie.

1923 Mit den Funkanlagen aufden Flugplätzen Genf, Lausanneund später auch Zürich Klotensenden Radioklubs in den Flugpausen einfache Radiopro-gramme.

23. August 1923 Auf demHönggerberg in Zürich wird dieerste Schweizer Sendeanlagefür Radiozwecke gebaut. In ver-schiedenen Schweizer Städtenwerden Radiogenossenschaftengegründet, die lokale Programmeausstrahlen.

26. Februar 1931 Die lokalenRadiogenossenschaften schlies-sen sich zur SchweizerischenRundfunkgesellschaft SRGzusammen. Diese erhält dieKonzession für die Rundfunksen-der in der Schweiz. Die schwei-zerischen PTT-Betriebe werdenmit dem Bau der Sendeanlagenbeauftragt.

Page 62: Hörst du mich?

62

Ende 2002, also Mitten in der Krise der kommerziellenInternet-Nutzung, startete America Online das exklusiveRadioprogramm Broadband Radio@AOL für seine Breit-band-Kunden.

Als Internetradio bezeichnet man ein InternetbasiertesAngebot an Radiosendungen. Die Übertragung erfolgti.d.R. als Streaming Audio. Als Internet-Broadcaster be-zeichnet man einen Internet-Sender, der entweder nur imInternet sendet oder zumindest seine Erstverwertung imInternet durchführt und Teile des Programms dann späteran andere Stationen verkauft.

Internet-Broadcasting unterscheidet sich von konventio-nellen Sendern vor allem durch die im Vergleich zu her-kömmlichen Stationen geringere Hörerzahl. Ein Beispielsind Universitätssender, die ihre Programme über dasInternet bereitstellen. In diesen Fällen wird der BegriffWebradio auch synonym für den Anbieter oder das Pro-gramm verwendet. Solche kleinen, manchmal auch nurvon Privatpersonen betriebenen Webradios bewegen sichoft in einer rechtlichen Grauzone. Insbesondere verfügensie oft nicht über die notwendigen Rechte, um urheber-rechtlich geschützte Musik zu senden.

1931/32 Die LandessenderSottens (Westschweiz), Bero-münster (Deutschschweiz) undMonte Ceneri (Tessin) nehmenden Betrieb auf.

1931 Mit der Einrichtung desTelefonrundspruches könnenRadiosendungen auch störungs-frei über das Telefonnetzempfangen werden.

1938/40 In Schwarzenburgwird ein Kurzwellensendezen-trum errichtet und in Betriebgenommen.

1950 bis 1973 In der Schweizentsteht ein flächendeckendesNetz von UKW-Sendern.

1982 Das Staatsmonopol fürden Betrieb von Radiostationenwird abgeschafft. Auch in derSchweiz hält das PrivatradioEinzug.

Page 63: Hörst du mich?

Die Initiative «Schulen ans Internet»von Swisscom bringt die SchweizerSchulen kostenlos ans Internet. Zusätz-lich zu diesem Engagement im Bereichder Infrastruktur bietet Swisscom den Schulen auf dem Internetportalwww.swisscom.com/schule Hilfsmittel-und Unterrichtsmaterialien an. DieseBroschüre «Hörst Du mich?» ist einesdieser Angebote.

Sie wurde erstmals im Jahr 2001 von der Schuldokumentation heraus-gegeben und erscheint jetzt, leichtangepasst und grafisch neu als Zweit-ausgabe.

Für mehr Informationen undBestellungenSwisscom AG, Schulen ans Internet,School Services, 3050 Bern E-Mail: [email protected]

Internet: www.swisscom.com/schule

«Hörst Du mich?»Das Abenteuer Telekommunikation

Vernetzt lernen mit «Hörst Du mich?»Die Broschüre «Hörst Du mich?» ist Bestandteil einesmedienübergreifenden Lern-Sets. Dazu gehören nebstder Broschüre eine E-Lesson mit fünf Lernmodulen,Arbeitsblättern (pdf) sowie ein Kommentar für dieLehrperson. Das Lern-Set richtet sich primär an Schülerder Sekundarstufe I; einzelne Lernsequenzen sind aberauch für die 5. und 6. Klasse geeignet. Mehr Infos aufwww.swisscom.com/schule.

Page 64: Hörst du mich?

Luca Russo, 10,löst seine Mathematikaufgaben online.Nach A wie Anschluss sagt Swisscom jetzt auch B wie Bildungsangebote: In den vier Jahrenseit Beginn der Bundesinitiative «Schulen im Netz» (PPP-SiN) hat Swisscom rund 80% derSchweizer Schulen ans Internet angeschlossen. Zusätzlich haben die Schulen kostenlosen Zugriff auf das Online-Archiv der Schweizer Zeitungen sowie auf lehrplanbasierte Aufgabenzu den Fächern Mathematik und Deutsch. Alle Angebote von A bis Z finden Sie unterwww.swisscom.com/schule.

Klug wird, wer bei Swisscom surft.