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Hogrefe Verlag Programmbereich Psychologie · dass wir in den Therapie Sitzungen nicht auf einen umfassenden Leitfaden und nicht auf SchrittfürSchrittTechniken zurückgreifen können

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Hogrefe VerlagProgrammbereich Psychologie

Wissenschaftlicher Beirat:Prof. Dr. Guy Bodenmann, ZürichProf. Dr. Dieter Frey, MünchenProf. Dr. Lutz Jäncke, ZürichProf. Dr. Franz Petermann, BremenProf. Dr. Astrid Schütz, BambergProf. Dr. Markus Wirtz, Freiburg i. Br.

Waadt/Martz/Gloster (Hrsg.)Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT)

© 2015 by Hogrefe Verlag, BernDieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.

Aus: Michael Waadt; Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment- Therapie (ACT). 1. Auflage.

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Aus: Michael Waadt; Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment- Therapie (ACT). 1. Auflage.

Hogrefe Verlag

Michael WaadtJan MartzAndrew Gloster(Hrsg.)

Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment- Therapie (ACT)Ein Fallbuch

© 2015 by Hogrefe Verlag, BernDieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden.

Aus: Michael Waadt; Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment- Therapie (ACT). 1. Auflage.

Programmleitung: Dr. Susanne LauriLektorat: Edeltraud Schönfeldt, BerlinHerstellung: Adrian SusinUmschlaggestaltung: Meta Design, BerlinDruckvorstufe: punktgenau GmbH, BühlDruck und buchbinderische Verarbeitung: AZ Druck und Datentechnik, KemptenPrinted in Germany

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d­nb.de abrufbar.

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich ge­schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber­rechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfil­mungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen oder Warenbe­

zeichnungen in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen­Markenschutz­Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.

Anregungen und Zuschriften bitte an:Hogrefe VerlagLektorat PsychologieLänggass­Strasse 76CH­3000 Bern 9Tel: 0041 (0)31 300 4500Fax: 0041 (0)31 300 [email protected]

1. Auflage 2015© 2015 by Hogrefe Verlag, Bern(E­Book­ISBN [PDF] 978­3­456­95558­2)(E­Book­ISBN [EPUB] 978­3­456­75558­8)ISBN 978­3­456­85558­5

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Inhaltsübersicht

ACT kommt in Fahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Geleitwort von Rainer F. Sonntag

Das ACT-Modell in der Praxis – von Fall zu Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Vorwort von Steven C. Hayes

1 Nützliche Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Andrew T. Gloster, Jan Martz und Michael Waadt

2 Der Dämon, der mich liebte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 ACT bei Suchtproblemen Norbert Schneider

3 Was heißt hier Liebe?! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 ACT für eine erfüllte Partnerschaft Beate Ebert

4 Zu Hause ist dort, wo unsere tiefsten Ängste wegfallen können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

ACT in der Begleitung Angehöriger von Menschen mit neuro­kognitiven Störungen

Claudia Droßel und Claudia McCausland

5 Springen lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 ACT bei einer Panik­ und Zwangsstörung Hedwig Schmidinger, Rainer F. Sonntag und Andrew T. Gloster

6 Der Mann, der vor seinen Gedanken davonlief . . . . . . . . . . . . . 161 ACT bei Zwangsgedanken Joachim Romeis

7 Auf dem Elefanten zum Herzen reiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 ACT mit der «Matrix» Jan Martz und Patrizia Hofer

8 Eine Träne auf dem Weg in die Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 ACT und der Einbezug von kreativen Arbeitsweisen in die Behand­

lung einer Patientin mit chronischem Schmerz und Depression Herbert Assaloni

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6 Inhaltsübersicht

9 Der Stahlhelm des Sozialisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 ACT im Konsiliardienst bei Patienten mit körperlichen

Erkrankungen Ronald Burian

10 Leistung garantiert Liebe! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 ACT (nicht nur) zum Abschied von einer Beziehung Hagen Böser

11 Die sanfte Revolution einer Lehrerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 ACT bei chronifizierter Panikstörung und Phobie Claus Rüegg

12 Die Frau, die sich niemals ärgern und niemals weinen wollte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

ACT bei einem Fall von chronischen Spannungskopfschmerzen und reaktiver Depression im Rahmen einer vollstationären psychosomatischen Behandlung

Matias Valente

13 Die Werte-Regenerierung eines Investmentbankers . . . . . . . . 335 ACT bei schweren depressiven Episoden Mirjam Tanner

14 Der Mann, der alles festhalten wollte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 ACT bei chronischen Schmerzen Marianne Lüking

15 Gefangen in den eigenen Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 ACT in der Beratung von Führungskräften Michael Waadt

Links und Tools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411

Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

Liste der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416

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ACT kommt in Fahrt

Geleitwort von Rainer F. Sonntag, Gründungsvorstand der DGKV

ACT kommt in Fahrt. Auch im deutschsprachigen Raum. Das ist kein Wunder, weil die Unzulänglichkeiten des störungsorientierten und patho­logisierenden Denkens immer sichtbarer werden. Das zentrale Ziel der ACT ist die Erweiterung wertebezogener Handlungsmöglichkeiten; es steht im Gegensatz zur Fokussierung auf psychopathologische Symptome und Störungen. ACT­Therapeuten interessieren sich mehr für Möglichkeiten als für Einschränkungen. Meistens ist dabei – aber eben auf indirektem Wege – auch eine deutliche Reduktion von Symptomen zu verzeichnen. Und damit kann man nicht tricksen. Die instrumentelle Anwendung von Flexibilität und Wertorientierung – um letztlich doch wieder Symptome zu reduzieren – führt in einen Selbstwiderspruch.

Mittlerweile gibt es eine ganze Flut von Übersetzungen englischsprachi­ger ACT­Bücher. Was aber selbst in dieser Flut fehlt, ist ein Buch mit kon­kreten Beispielen, die zeigen, wie und in welcher Breite ACT in der Praxis angewandt wird. Umso mehr freue ich mich, dass neben den einführenden Titeln von Matthias Wengenroth (2013) und Georg Eifert (2011) sowie dem Band von Michael Waadt und Jens Acker (2012) zum Thema Burnout nun gerade ein solches Buch aus der Feder deutschsprachiger Autoren er­scheint.

Die lebendigen Kapitelüberschriften machen nicht nur neugierig, son­dern zeigen auch, dass es sich hier um eine Sammlung sehr praxisorientier­ter Darstellungen handelt. Fallbücher – oder vielleicht besser Beispielbü­cher, wenn wir die Menschen, mit denen hier gearbeitet wurde, nicht zu «Fällen» machen wollen – spielen in der Fachliteratur eine wichtige Rolle. Sie illustrieren das Vorgehen, ob im Rahmen von Therapie oder von Trai­ning, in lebensnaher und anschaulicher Weise und ergänzen damit die trotz aller Einschübe von konkreten Behandlungsbeispielen und Gespräch­sausschnitten eher abstrakten allgemeinverständlichen Einführungen, Lehrbücher und sonstigen wissenschaftlichen Publikationen. Das Buch ist nicht als wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit gedacht. Das ist Aufgabe methodisch strenger Veröffentlichungen, die ausführlich auf wis­senschaftliche Messmethoden, dafür jedoch weniger auf die Einzelheiten des Vorgehens eingehen. Hier geht es genau anders herum um die Details der praktischen Arbeit, in denen letztendlich auch der Teufel steckt, der für

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8 Arbeiten mit der Akzeptanz­ und Commitment­ Therapie (ACT)

messbare Erfolge verantwortlich ist. Ein weiteres dickes Plus des vorliegen­den Buches ist, dass die Kapitel aus der Feder sehr unterschiedlicher Auto­ren stammen, die in sehr unterschiedlichen Settings arbeiten. Denn gerade dies unterstreicht bildhaft sowohl die Flexibilität als auch die Personenbe­zogenheit der ACT.

Was in diesem Band noch nicht vorkommt, sind neuere Entwicklungen, ACT auch auf der überindividuellen sozialen oder gar politischen Ebene anzuwenden. Dies hat in der Verhaltensanalyse durchaus Tradition (z. B. Mattaini & Thyer, 1996), bekommt jedoch gegenwärtig durch die Verbin­dung von Verhaltensanalyse, ACT und Evolutionswissenschaften ganz neu­en Schwung (Biglan, 1995, 2015; Wilson, Hayes, Biglan & Embry, 2014). Für die Zukunft ist zu hoffen, dass in Deutschland auch diese Möglichkei­ten intensiv ausgelotet werden. Denn viele soziale Konflikte haben etwas mit starren Selbstbildern zu tun, die nicht selten sowohl durch Gruppenzu­gehörigkeiten als auch durch unmittelbare, negative Erfahrungen geprägt sind. Außerdem hängen die Akzeptanz des eigenen Erlebens und die Em­pathiebereitschaft eng zusammen (Vilardaga, Estévez, Levin & Hayes, 2012). Empathisch mitzufühlen, wenn andere leiden, scheint dann beson­ders schwer zu fallen, wenn man schon den eigenen schmerzlichen Gefüh­len ablehnend gegenübersteht – und das gilt nicht zuletzt auch für uns Therapeutinnen und Therapeuten.

Ich wünsche diesem Buch den Erfolg, den es verdient, und hoffe, dass es Leserinnen und Lesern hilft, die ACT praktisch anzuwenden.

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Aus: Michael Waadt; Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment- Therapie (ACT). 1. Auflage.

ACT kommt in Fahrt 9

Literatur

Biglan, A. (1995). Changing cultural practices: A contextualist framework for intervention re-search. Reno, NV: Context Press.

Biglan, A. (2015). The Nurture Effect: How the Science of Human Behavior Can Improve Our Lives and Our World. Oakland, CA: New Harbinger.

Eifert, G. (2011). Akzeptanz- und Commitment-Therapie. Göttingen: Hogrefe.Mattaini, M. A., & Thyer, B. A. (Hrsg.) (1996). Finding solutions to social problems: Behavioral

strategies for change. Washington, DC: American Psychological Association.Vilardaga, R., Estévez, A., Levin, M. E., & Hayes, S. C. (2012). Deictic relational responding,

empathy and experiential avoidance as predictors of social anhedonia: Further contribu­tions from relational frame theory. The Psychological Record, 62, 409–432.

Waadt, M., & Acker, J. (2013). Burnout: Mit Akzeptanz und Achtsamkeit den Teufelskreis durchbrechen. Bern: Verlag Hans Huber.

Wengenroth, M. (2013). Das Leben annehmen: So hilft die Akzeptanz- und Commitmentthera-pie (ACT) (2. Auflage). Bern: Verlag Hans Huber.

Wilson, D. S., Hayes, S. C., Biglan, A., & Embry, D .D. (2014). Evolving the future: toward a science of intentional change. Behavioral and Brain Sciences, 37, 395–416.

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Das ACT-Modell in der Praxis – von Fall zu Fall

Vorwort von Steven C. Hayes, University of Nevada

ACT ist keine Sammlung von Techniken. ACT ist kein Behandlungsproto­koll. ACT ist ein Modell, wie evidenzbasierte therapeutische Arbeit funkti­oniert, eingebettet in eine Theorie von Sprache und Kognition, die selbst wieder Teil einer umfassenden Theorie der Verhaltenswissenschaft ist. ACT ist ein Modell der psychischen Flexibilität, das aus evidenzbasierten Prozes­sen und Verfahren besteht, nicht aus Paketlösungen für Syndrome.

Dieser Umstand potenziert die Möglichkeiten der Behandelnden, denn er erlaubt ihnen, ihre besten Ideen einzubringen und ihren eigenen Weg in der Anwendung des ACT­Modells zu finden, einen Weg, der zu ihrem ganz eigenen Setting, zu ihrem Hintergrund, ihren Klienten und ihren Präferen­zen passt. Für diejenigen, die erst anfangen, so zu arbeiten, mag das zu­nächst abschreckend sein. Denn ACT als ein Modell zu betrachten heißt, dass wir in den Therapie­Sitzungen nicht auf einen umfassenden Leitfaden und nicht auf Schritt­für­Schritt­Techniken zurückgreifen können. Wenn es prinzipiell viele sinnvolle Vorgehensweisen gibt, so sind die richtigen Schritte nur für denjenigen klar, der ein Gefühl für das Modell und Erfah­rung in seiner Anwendung hat.

Natürlich kann ein Buch diese Aufgabe nicht vollständig lösen, aber der vorliegende Band bringt die Anwender ein gewaltiges Stück weiter. Mit den einzelnen Kapiteln, die von führenden Vertretern der deutschsprachigen ACT­Community verfasst wurden, dient dieses Buch als Leitfaden, indem es ACT im Kontext konkreter Fälle beschreibt. Das ist eine großartige Idee und, soweit ich weiß, in der ACT­Literatur weltweit bisher einmalig. Die Fälle sind reich an Details, die den Therapeuten dabei helfen werden, ein Gefühl für das Modell und ein Verständnis für die Arbeit mit ihm zu bekommen.

Die Liste der beschriebenen Fälle und Problemstellungen ist beeindru­ckend. Manche davon – wie Depression, Angst oder Zwangsstörung – hätte man sicherlich in so einer Fallsammlung erwartet; andere dagegen sind vermutlich etwas überraschender: Pflege, Paare, die Auseinandersetzung mit dem Lebensende oder Schwierigkeiten am Arbeitsplatz. Es ist gerade diese Bandbreite im Spektrum der Anwendungen, die eine wichtige Bot­schaft enthält: ACT ist ein Ansatz, der in allen Bereichen verwendet werden kann, in die der menschliche Geist vordringt. Und ich denke, wenn Sie sich im Detail mit den einzelnen Kapiteln beschäftigen, werden Sie in dieser

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12 Arbeiten mit der Akzeptanz­ und Commitment­ Therapie (ACT)

Bandbreite noch etwas entdecken, was für die Arbeit mit dem ACT­Modell wesentlich ist: Nicht die Klienten werden an die Behandlung angepasst, sondern die Behandlung an die Klienten.

Das transdiagnostische ACT­Modell der psychischen Flexibilität besitzt einen gewaltigen Geltungsbereich, und das aus einem einfachen Grund. Praktisch jedes menschliche Problem beinhaltet sowohl direkte als auch relationale Lernprozesse (mit Bezug zu Sprache und Kognition). Erstere sind mehr als eine halbe Milliarde Jahre alt. Letztere sind 200­ bis 5 000­mal jünger. Wir als Spezies hatten einfach noch nicht genügend Zeit, uns anzu­passen.

Fast jedes psychologische Problem findet sich an dieser Schnittstelle, und das gilt auch für die Prozesse der psychischen Flexibilität: Akzeptanz beinhaltet eine Haltung der Offenheit und Neugier darüber, was Konditio­nierung in die Gegenwart einbringt. Defusion bedeutet uns, dasselbe zu tun mit dem, was Sprache und Kognition in die Gegenwart einbringen. Flexible Aufmerksamkeit auf das Jetzt ist nur möglich, wenn der Standard­modus der verbalen Problemlösung immer wieder außer Kraft gesetzt wird durch ältere Formen, mit der Wirklichkeit in Kontakt zu sein. Ein Selbst­ Verständnis, in dem das Gefühl dafür lebendig ist, dass wir die Perspektive für unsere Wahrnehmung und unser Handeln setzen, ermöglicht es uns, uns von unseren konstruierten Selbst­Geschichten zu befreien. Werte hel­fen uns dabei, die Qualität und Bedeutung unserer Handlungen selbst zu bestimmen, und Engagement, umfassende Muster wertvoller Handlungen zu entwickeln und dabei Sinn und Zweck in unsere alltägliche Handlungen einfließen zu lassen.

Es ist eine kleine Menge von Kernprozessen, doch wie dieses Buch deut­lich macht, zeigen erfahrene ACT­Therapeuten eine enorme Kreativität in deren Anwendung. Es ist so viel kraftvoller, innerhalb evidenzbasierter Prozesse zu arbeiten anstatt nur evidenzbasierten Verfahrensweisen zu fol­gen – auch wenn es anfänglich vielleicht ein bisschen Angst macht. Können und Sensibilität kommen, indem Sie Gespür und Vertrautheit mit den viel­fältigen Anwendungsmöglichkeiten entwickeln.

Und genau dabei wird dieses Buch Ihnen helfen.

im Frühling 2015

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1 Nützliche Perspektiven

Andrew T. Gloster, Jan Martz und Michael Waadt

Nichts in diesem Buch ist WAHR – und doch könnte es äußerst nützlich sein.

Diese Aussage ist Programm. Sie deutet auf einen philosophischen Stand­punkt hin, zeigt gleichzeitig eine Technik auf, ist eine Reverenz an die em­pirische Wissenschaft und erinnert uns daran, bescheiden zu sein. In die­sem Einführungskapitel möchten wir darlegen, wie wir mit dieser einfachen Aussage zu nutzbringenden Therapieentscheidungen gelangen können. Dazu wollen wir zunächst die wichtigsten Begriffe definieren, die in der ACT verwendet werden, um so einen einheitlichen Sprachgebrauch zu ge­währleisten. Anschließend arbeiten wir einige der Grundlagen heraus, auf denen die ACT basiert, und formulieren schließlich die von uns angestreb­ten Ziele und Festlegungen, die uns als Herausgeber dieses Buches geleitet haben.

Was ist ACT?

Die Akzeptanz­ und Commitment­Therapie ist ein Behandlungsansatz, der in der Tradition des radikalen Behaviorismus steht. Sie ist transdiag­nostisch, das heißt, sie orientiert sich nicht an den syndromalen Kategori­en, die der ICD10 oder dem DSM IV zugrunde liegen, sondern an der funktionalen Verhaltensanalyse.1 Die zentrale Prämisse ist, dass seelisches Leiden nicht per se pathologisch ist, sondern aus ganz normalen psychi­schen Prozessen entsteht, und zwar insbesondere aus solchen, die mit der Sprache2 zu tun haben (Hayes, Strosahl & Wilson, 2012). Auch wenn wir

1 Auch wenn die ACT ein grundsätzlich transdiagnostischer Ansatz ist, wurde ihre Wirksam­keit inzwischen doch in über 100 RCTs überprüft, die entsprechend den klassischen Diag­nosesystemen durchgeführt wurden (RCT –Randomized Controlled Study). Dabei hat sie sich bei so unterschiedlichen Krankheitsbildern und Problemen wie Depressionen, Angst­störungen, Zwangserkrankungen, chronischen Schmerzen, psychotischen Erkrankungen, Suchterkrankungen, Raucherentwöhnung, Trichotillomanie, Epilepsie, Diabetes, Stigma und Burnout sowie Problemen am Arbeitsplatz als erfolgreich erwiesen.

2 Sprache ist hier in einem sehr umfassenden Sinn zu verstehen. Gemeint ist grundsätzlich das formale Operieren mit Symbolen.

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14 Arbeiten mit der Akzeptanz­ und Commitment­ Therapie (ACT)

uns dessen nicht bewusst sind: Die Sprache strukturiert unsere Welt, sie interagiert mit unseren unmittelbaren Erfahrungen, überdeckt sie teilwei­se, und je mehr sie das tut, umso mehr schränkt sie unsere Verhaltensflexi­bilität ein. Dementsprechend ist das übergeordnete Ziel der ACT, diesen verhängnisvollen Kreislauf zu durchbrechen und die psychische Flexibilität zu erhöhen, die für ein werteorientiertes Leben unter ständig wechselnden inneren und äußeren Bedingungen erforderlich ist.

Als eine umfassende Darstellung der ACT empfehlen wir dem Leser das aktuelle Standardwerk von Steven Hayes, Kirk D. Strosahl und Kelly G. Wilson (2012), an dem wir uns auch bei der folgenden Definition der zen­tralen Begriffe orientieren (siehe auch Gloster & Waadt, 2014, Dorsch Psy­chologisches Lexikon).

Behandlungsprinzipien

In der ACT wird überwiegend mit erlebnisorientierten Techniken, Meta­phern, natürlichen Paradoxien und einer intensiven therapeutischen Bezie­hungsgestaltung gearbeitet. Die therapeutische Arbeit konzentriert sich auf sechs Kernprozesse, die man sowohl als Kontexte der Behandlung (die Haltung des Therapeuten betreffend) als auch als Methoden (die der The­rapeut anwendet) und als Fertigkeiten (die Patient und Therapeut lernen und einüben) auffassen kann. Sie sind nicht als kategorial abtrennbare, ei­genständige Einheiten zu verstehen, sondern als Facetten eines ganzheitli­chen Geschehens. An dieser Stelle sei auch betont, dass die verwendeten Begrifflichkeiten absichtlich mit einer gewissen Unschärfe behaftet sind. Denn es handelt sich dabei um den Versuch, grundlegende Konzepte, die sich auf einer basalen wissenschaftlichen Ebene technisch eindeutig defi­nieren lassen, in eine weniger genaue, bildhaftere und breiter zugängliche Sprache zu übersetzen (middle-level-terms).

Die sechs Kernprozesse der ACT sind:

Akzeptanz bedeutet das bewusste Annehmen einer absichtsvoll offenen, empfänglichen, flexiblen und nichturteilenden Haltung gegenüber dem Erleben im gegenwärtigen Augenblick.

Defusion: In unserer von Sprache geprägten Welt tendieren verbale Ereignis­se dazu, starke Reizkontrolle über die Reaktion auszuüben und dabei ande­re kontextuelle Variablen zu dominieren oder sogar auszuschließen. Defu­

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1 Nützliche Perspektiven 15

sion bezeichnet den Prozess, durch den ACT den Einfluss verbaler Ereignisse untergräbt.

Gewahrsein des gegenwärtigen Augenblicks ist die Fertigkeit, sich konzent­riert, bewusst und flexibel auf das einzulassen, was jetzt gegenwärtig ist. Für dieses fortlaufende Bewusstsein des Augenblicks wird in der ACT­Lite­ratur häufig auch der Begriff «Selbst­als­Prozess» verwendet.

Selbst-als-Kontext: Beim Selbst­als­Kontext geht es um das Erleben des Ichs als Fluchtpunkt der eigenen Wahrnehmung, eine Fertigkeit, die in der kindlichen Entwicklung erst nach und nach ausgebildet wird: durch deikti­sche Bezugnahme, also durch die Unterscheidung von hier versus dort, jetzt versus dann, du versus ich. Ist sie unzureichend entwickelt, führt dies unter anderem zu einem starren Festhalten an Selbstkonzepten und Rol­lenbildern, zu eingeschränkter Akzeptanz und einem Mangel an Empathie sich selbst und anderen gegenüber.

Werte: In der ACT sind Werte das Ergebnis einer freien Wahl dessen, was im Leben bedeutsam sein soll. Im Unterschied zu Zielen kann man Werte nicht erreichen; sie drücken vielmehr eine Haltung aus, die dem Handeln Sinn und Bedeutung gibt.

Engagiertes Handeln bezeichnet den Prozess, in dem die gewählten Werte verwirklicht werden. Dieser Prozess ist selbstverstärkend und führt zur Entwicklung immer umfassenderer Handlungsmuster.

Fallkonzeptionalisierung

Mit diesen sechs Kernprozessen lässt sich sowohl ein Modell der Psychopa­thologie als auch ein Modell der seelischen Gesundheit3 erstellen. Im Zent­rum steht jeweils die psychische Flexibilität.

3 Es ist uns bewusst, dass wir uns mit den Begriffen «Psychopathologie» und «seelische Ge­sundheit» auf ein schwieriges Terrain begeben, sowohl grundsätzlich als auch speziell in Bezug auf die ACT, in der es ja niemals um krank oder gesund, sondern immer nur um die Funktionalität in Bezug auf definierte Ziele geht. Streng genommen ist das bei Begriffen wie «Depression» oder «Angststörung» genauso. Trotzdem haben wir uns entschlossen, diese Begriffe nicht aus diesem Buch zu verbannen, sondern im Sinne unseres Ziels, die Prinzi­pien der ACT zu vermitteln, Brücken zu bauen zum syndromalen Denken, das in unserer psychotherapeutischen Tradition allgegenwärtig ist. Wir bitten die Leserin und den Leser, uns dies nicht als impliziten Widerspruch anzukreiden.

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