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2) Gemeinde lebt gaben- und nicht auf- gabenorientiert. In der Gemeinde entdecken Menschen ihre von Gott geschenkten Talente. Dort kön- nen sie ihre Gaben entfalten und zum Lob „Wo der rechtschaffene Glaube ist, da lässt der Geist dich nicht ruhen. Du brichst heraus, wirst ein Priester und lehrst andere Leute auch“ Martin Luther Gottes und zum Dienst an andern einbringen. So wird die Vielfalt des Leibes Christi erlebt und sichtbar. Vision: Es gibt in Ihrer Gemeinde ein Team, das dafür verantwortlich ist, dass jeder seine Gaben entdecken, fördern und entspre- chend einsetzen kann. Konkret: Werden in Ihrer Gemeinde die Menschen den Aufgaben oder die Aufgaben den Menschen angepasst? 3) Gottesdienste: Gott in unserer Mitte feiern. Nicht der Pfarrer „hält“ einen Gottes- dienst, sondern die Gemeinde gestaltet ihn. Viele sind daran beteiligt. Im Gottesdienst lädt Gott uns ein, fordert uns heraus, ermu- tigt und tröstet. Musik , Sprache, Form und Uhrzeit sind auf das Leben unterschiedlicher Menschen abgestimmt. Deshalb wird es eine Vielfalt von Gottesdienstformen geben. Vision: Liturgie, Gebete, Musik, Predigt- Teile – viele Elemente eines Gottesdienstes werden von befähigten Gemeindegliedern übernommen. Pfarrer oder Pfarrerin schult und begleitet das Team und verantwortet den Gottesdienst. Unterschiedliche Gottesdienste in der Region entstehen. „Stell dir vor es ist Gottesdienst – und jeder bringt was ein“ frei nach 1. Kor. 14, 26 Konkret: Welche Persone(n), welcher Musikgeschmack und welche Sprache sind in Ihrem Gottesdienst vorherrschend? 4) Der Kirchengemeinderat leitet die Gemeinde und beteiligt sie. Die Gemeinde wird von gewählten Mitglie- dern geleitet. Diese werden dafür motiviert und qualiziert und tragen zusammen mit Pfarrer oder Pfarrerin Leitungsverantwortung. Bei regelmäßigen Gemeindeversammlungen und Mitarbeiterkonferenzen können alle mit- entscheiden. Der Kirchengemeinderat ist für den Zielndungsprozess und die Gemeinde- entwicklung verantwortlich. Vision: Jede Gemeinde entwickelt ein Leit- bild oder Leitziele. Der Kirchengemeinderat delegiert so viele Bereiche an Personen oder Gremien, dass er frei ist für das „Eigentliche“ und sich um Gemeindeentwicklung kümmern kann. „Als wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsre Anstrengungen“ Mark Twain Konkret: Womit beschäftigt sich Ihr Kir- chengemeinderat? Gibt es in Ihrer Gemeinde eine Gemeindever- sammlung? Welche Ziele hat ihre Gemeinde? 5) Pfarrer/innen begleiten geistlich und beraten theologisch Die Gabenvielfalt einer Gemeinde braucht ein moderierendes, geistlich begleitendes und theologisch reektierendes Amt. Pfar- rerinnen und Pfarrer helfen in erster Linie dabei mit, dass Gemeinde als Leib Christ Wirklichkeit wird. Dafür werden sie von der Gemeinde freigestellt. Sie müssen nicht mehr für alles zuständig sein. Die Gemeinde wählt ihre Pfarrerinnen oder Pfarrer frei und direkt. „Die Formel der Zukunft lautet: die Pfarrer für die Mitarbeitenden – die Mitarbeitenden für die Gemeinde“ Klaus Douglass Vision: Pfarrer und Pfarrerin haben Zeit für ihr Kerngeschäft: geistlich-theologische Leitung und Begleitung. Gemeinsam mit dem Kirchengemeinderat leiten sie die Gemeinde und verantworten die Gemeindeentwicklung. Sie haben Zeit für Seelsorge, unterstützen Menschen in ihrer Glaubensentwicklung, gestalten Gottesdienste mit einem Team und entwickeln neue Formen. Sie sind für das, was sie tun, der Gemeinde verantwortlich. Sie leiten vor allem „durch das Wort“ und haben so viel Stimmrecht wie andere Haupt- amtliche. Konkret: Was halten Sie davon, dass die Gemeinde ohne Vorauswahl des Ober- kirchenrats in Zukunft ihre Pfarrer frei und direkt wählen kann? 6) Gemeindenahe Diakonie gewinnt Raum Christus macht Mut uns selbst zu verges- sen und uns von innen nach außen zu wen- den. Gemeinde sieht dabei nicht nur die ak- tuelle Not und Bedürftigkeit vieler Menschen Zum besseren Verständnis des Impuls- papiers Damit es für alle kirchlich Interessierten – und nicht nur für Theologen – verständ- lich ist, haben wir bewusst auf theologische Begriffe und Begründungen weitgehend verzichtet. Übergemeindliche Einrichtungen kommen kaum vor, weil der Fokus auf der Orts- und Lebensweltgemeinde liegt. Nur da, wo es um Unterstützung und Ermöglichung solcher Gemeinden geht, werden gesamt- kirchliche Strukturen ins Spiel gebracht. Zehn Themenbereiche, die uns wichtig sind, werden durch eine These beschrieben. Unter dem Stichwort „Vision“ wird dann ein Bild skizziert, das die Umsetzung dieser These in einer beispielhaften Situation der „Gemeinde der Zukunft“ zeigt. Schließlich runden Fragen unter der Überschrift „Kon- kret“ den Themenbereich ab. Sie sind auf die derzeitige Ist-Situation der Gemeinde ausge- richtet. 1) Gemeinde ist gastfreundlich und einladend. Gott hat Sehnsucht nach den Menschen. Davon ist die Gemeinde ergriffen. Sie bietet Lebensraum und Heimat, nicht nur einen Ver- anstaltungskalender. Ohne alles offen zu las- sen ist sie offen für alle. Volkskirche kann sie sich erst dann nennen, wenn sich in ihr auch Fremde willkommen fühlen. Sie wirbt aktiv um Distanzierte und lädt sie zum Glauben an Jesus Christus ein. „Unsere Tür ist offen, unser Herz noch mehr“ Spruch an der Eingangstür eines Klosters Vision: Ein neuzugezogenes Gemeinde- glied wird eingeladen, kommt zum ersten Mal in den Gottesdienst oder eine Gemeinde- Veranstaltung, wird persönlich wahrgenom- men, versteht die Sprache, kommt mit seiner Lebenserfahrung vor und kann Beziehungen zu anderen aufbauen. Konkret: Wie viele Ihrer Veranstaltungen sind auf Insider ausgerichtet? Wo und wie können Neue in Ihrer Gemeinde das Geheim- nis des Glaubens entdecken? kfm-Impulspapier zur Gemeinde von morgen Gemeinde – nahe bei Gott und den Menschen „Kirche für morgen“ versteht sich als Initiative zur Reform der Evangelischen Lan- deskirche in Württemberg und damit in der Linie des reformatorischen Grudsatzes „ecclesia semper reformanda“: Die vorndliche Kirche muss sich immer wieder reformieren lassen vom Evangelium her. In welche Richtung die Reformen heute in den Gemeinden gehen sollten, will dieses Impulspapier deutlich machen. Die äußere Gestalt und Struktur der Ge- meinde am Ort ist hier Thema. Angesprochen werden Gottesdienst- und Gemeinde-Formen, Leitung und Beteiligung in den Gemeinden. Wie relevant sind diese Fragen? Ist nicht der Inhalt, der lebendige Kern der Gemeinde viel wichtiger? Dazu zwei Thesen vorab: 1. Der Inhalt ist wichtiger als die Form. Im Kern geht es beim Thema „Gemein- de“ immer um den lebendigen Christus, den Herrn der Gemeinde. „Er, Christus, ist das Haupt. Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt“ (Epheser 4,15f). Deshalb steht im Zentrum des Lebens der Gemeinde und aller Veränderungsprozesse nicht zuerst Aktivismus und Aktion, sondern die abgrundtiefe Liebe und Sehnsucht Gottes zu uns Menschen. Gott wünscht sich nichts sehnlicher, als dass wir auf seine Liebe ant- worten. „Das größte Problem der Kirche ist nicht die äußere Form, sondern der fehlen- de Funke“(Klaus Douglass). Vorrang haben deshalb immer Formen und Räume christli- cher Spiritualität in der Gemeinde, in denen Menschen zusammenkommen um die Nähe Gottes zu suchen, um auf ihn zu hören und sich von ihm beschenken zu lassen. 2. Formen können den Inhalt zerstören. In diese Richtung zielt das Jesuswort: „Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der Wein die Schläuche, und der Wein ist verloren und die Schläuche auch; sondern man soll neuen Wein in neue Schläu- che füllen“ (Markus 2,22). Jede äußere Form muss dem Inhalt die- nen. Die besten Inhalte gehen verloren, wenn nicht entsprechende äußere Formen („Schläuche“) bereit stehen. Geistliche Erneuerung und zukunftsfähige Strukturen sind aufeinander bezogen und bedingen sich wechselseitig. Alle Strukturen und Formen müssen aus dem Hören auf das biblische Wort erwachsen und gleichzeitig den Heraus- forderungen der Zeit gewachsen sein. Sind sie nahe bei Gott und nahe bei den Men- schen angesiedelt, können sie dazu beitra- gen, dass Gott zu den Menschen kommt und die Kirche vom Wirken des Heiligen Geistes her Gestalt gewinnt.

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2) Gemeinde lebt gaben- und nicht auf-gabenorientiert.

In der Gemeinde entdecken Menschen ihre von Gott geschenkten Talente. Dort kön-nen sie ihre Gaben entfalten und zum Lob

„Wo der rechtschaffene Glaube ist, da lässt der Geist dich nicht ruhen. Du

brichst heraus, wirst ein Priester und lehrst andere Leute auch“

Martin Luther

Gottes und zum Dienst an andern einbringen. So wird die Vielfalt des Leibes Christi erlebt und sichtbar.

Vision: Es gibt in Ihrer Gemeinde ein Team, das dafür verantwortlich ist, dass jeder seine Gaben entdecken, fördern und entspre-chend einsetzen kann.Konkret: Werden in Ihrer Gemeinde die Menschen den Aufgaben oder die Aufgaben den Menschen angepasst?

3) Gottesdienste: Gott in unserer Mitte feiern.

Nicht der Pfarrer „hält“ einen Gottes-dienst, sondern die Gemeinde gestaltet ihn. Viele sind daran beteiligt. Im Gottesdienst lädt Gott uns ein, fordert uns heraus, ermu-tigt und tröstet. Musik , Sprache, Form und Uhrzeit sind auf das Leben unterschiedlicher Menschen abgestimmt. Deshalb wird es eine Vielfalt von Gottesdienstformen geben. Vision: Liturgie, Gebete, Musik, Predigt-Teile – viele Elemente eines Gottesdienstes werden von befähigten Gemeindegliedern übernommen. Pfarrer oder Pfarrerin schult und begleitet das Team und verantwortet den Gottesdienst. Unterschiedliche Gottesdienste in der Region entstehen.

„Stell dir vor es ist Gottesdienst – und jeder bringt was ein“

frei nach 1. Kor. 14, 26

Konkret: Welche Persone(n), welcher Musikgeschmack und welche Sprache sind in Ihrem Gottesdienst vorherrschend?

4) Der Kirchengemeinderat leitet die Gemeinde und beteiligt sie.

Die Gemeinde wird von gewählten Mitglie-dern geleitet. Diese werden dafür motiviert und qualifi ziert und tragen zusammen mit Pfarrer oder Pfarrerin Leitungsverantwortung. Bei regelmäßigen Gemeindeversammlungen und Mitarbeiterkonferenzen können alle mit-entscheiden. Der Kirchengemeinderat ist für den Zielfi ndungsprozess und die Gemeinde-entwicklung verantwortlich.

Vision: Jede Gemeinde entwickelt ein Leit-bild oder Leitziele. Der Kirchengemeinderat

delegiert so viele Bereiche an Personen oder Gremien, dass er frei ist für das „Eigentliche“ und sich um Gemeindeentwicklung kümmern kann.

„Als wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsre

Anstrengungen“ Mark Twain

Konkret: Womit beschäftigt sich Ihr Kir-chengemeinderat? Gibt es in Ihrer Gemeinde eine Gemeindever-sammlung? Welche Ziele hat ihre Gemeinde?

5) Pfarrer/innen begleiten geistlich und beraten theologisch

Die Gabenvielfalt einer Gemeinde braucht ein moderierendes, geistlich begleitendes und theologisch refl ektierendes Amt. Pfar-rerinnen und Pfarrer helfen in erster Linie dabei mit, dass Gemeinde als Leib Christ Wirklichkeit wird. Dafür werden sie von der Gemeinde freigestellt. Sie müssen nicht mehr für alles zuständig sein. Die Gemeinde wählt ihre Pfarrerinnen oder Pfarrer frei und direkt.

„Die Formel der Zukunft lautet: die Pfarrer für die Mitarbeitenden – die

Mitarbeitenden für die Gemeinde“Klaus Douglass

Vision: Pfarrer und Pfarrerin haben Zeit für ihr Kerngeschäft: geistlich-theologische Leitung und Begleitung. Gemeinsam mit dem Kirchengemeinderat leiten sie die Gemeinde und verantworten die Gemeindeentwicklung. Sie haben Zeit für Seelsorge, unterstützen Menschen in ihrer Glaubensentwicklung, gestalten Gottesdienste mit einem Team und entwickeln neue Formen. Sie sind für das, was sie tun, der Gemeinde verantwortlich. Sie leiten vor allem „durch das Wort“ und haben so viel Stimmrecht wie andere Haupt-amtliche.

Konkret: Was halten Sie davon, dass die Gemeinde ohne Vorauswahl des Ober-kirchenrats in Zukunft ihre Pfarrer frei und direkt wählen kann?

6) Gemeindenahe Diakonie gewinnt Raum

Christus macht Mut uns selbst zu verges-sen und uns von innen nach außen zu wen-den. Gemeinde sieht dabei nicht nur die ak-tuelle Not und Bedürftigkeit vieler Menschen

Zum besseren Verständnis des Impuls-papiers

Damit es für alle kirchlich Interessierten – und nicht nur für Theologen – verständ-lich ist, haben wir bewusst auf theologische Begriffe und Begründungen weitgehend verzichtet. Übergemeindliche Einrichtungen kommen kaum vor, weil der Fokus auf der Orts- und Lebensweltgemeinde liegt. Nur da, wo es um Unterstützung und Ermöglichung solcher Gemeinden geht, werden gesamt-kirchliche Strukturen ins Spiel gebracht.

Zehn Themenbereiche, die uns wichtig sind, werden durch eine These beschrieben. Unter dem Stichwort „Vision“ wird dann ein Bild skizziert, das die Umsetzung dieser These in einer beispielhaften Situation der „Gemeinde der Zukunft“ zeigt. Schließlich runden Fragen unter der Überschrift „Kon-kret“ den Themenbereich ab. Sie sind auf die derzeitige Ist-Situation der Gemeinde ausge-richtet.

1) Gemeinde ist gastfreundlich und einladend.

Gott hat Sehnsucht nach den Menschen. Davon ist die Gemeinde ergriffen. Sie bietet Lebensraum und Heimat, nicht nur einen Ver-anstaltungskalender. Ohne alles offen zu las-sen ist sie offen für alle. Volkskirche kann sie sich erst dann nennen, wenn sich in ihr auch Fremde willkommen fühlen. Sie wirbt aktiv um Distanzierte und lädt sie zum Glauben an Jesus Christus ein.

„Unsere Tür ist offen, unser Herz noch mehr“

Spruch an der Eingangstür eines Klosters

Vision: Ein neuzugezogenes Gemeinde-glied wird eingeladen, kommt zum ersten Mal in den Gottesdienst oder eine Gemeinde-Veranstaltung, wird persönlich wahrgenom-men, versteht die Sprache, kommt mit seiner Lebenserfahrung vor und kann Beziehungen zu anderen aufbauen.

Konkret: Wie viele Ihrer Veranstaltungen sind auf Insider ausgerichtet? Wo und wie können Neue in Ihrer Gemeinde das Geheim-nis des Glaubens entdecken?

kfm-Impulspapier zur Gemeinde von morgen

Gemeinde – nahe bei Gott und den Menschen„Kirche für morgen“ versteht sich als Initiative zur Reform der Evangelischen Lan-

deskirche in Württemberg und damit in der Linie des reformatorischen Grudsatzes

„ecclesia semper reformanda“: Die vorfi ndliche Kirche muss sich immer wieder

reformieren lassen vom Evangelium her. In welche Richtung die Reformen heute in

den Gemeinden gehen sollten, will dieses Impulspapier deutlich machen.

Die äußere Gestalt und Struktur der Ge-meinde am Ort ist hier Thema. Angesprochen werden Gottesdienst- und Gemeinde-Formen, Leitung und Beteiligung in den Gemeinden. Wie relevant sind diese Fragen? Ist nicht der Inhalt, der lebendige Kern der Gemeinde viel wichtiger? Dazu zwei Thesen vorab:

1. Der Inhalt ist wichtiger als die Form. Im Kern geht es beim Thema „Gemein-

de“ immer um den lebendigen Christus, den Herrn der Gemeinde.„Er, Christus, ist das Haupt. Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt“ (Epheser 4,15f).

Deshalb steht im Zentrum des Lebens der Gemeinde und aller Veränderungsprozesse nicht zuerst Aktivismus und Aktion, sondern die abgrundtiefe Liebe und Sehnsucht Gottes zu uns Menschen. Gott wünscht sich nichts sehnlicher, als dass wir auf seine Liebe ant-worten. „Das größte Problem der Kirche ist nicht die äußere Form, sondern der fehlen-de Funke“(Klaus Douglass). Vorrang haben deshalb immer Formen und Räume christli-cher Spiritualität in der Gemeinde, in denen Menschen zusammenkommen um die Nähe Gottes zu suchen, um auf ihn zu hören und sich von ihm beschenken zu lassen.

2. Formen können den Inhalt zerstören.In diese Richtung zielt das Jesuswort:

„Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der Wein die Schläuche, und der Wein ist verloren und die Schläuche auch; sondern man soll neuen Wein in neue Schläu-che füllen“ (Markus 2,22).

Jede äußere Form muss dem Inhalt die-nen. Die besten Inhalte gehen verloren, wenn nicht entsprechende äußere Formen („Schläuche“) bereit stehen. Geistliche Erneuerung und zukunftsfähige Strukturen sind aufeinander bezogen und bedingen sich wechselseitig. Alle Strukturen und Formen müssen aus dem Hören auf das biblische Wort erwachsen und gleichzeitig den Heraus-forderungen der Zeit gewachsen sein. Sind sie nahe bei Gott und nahe bei den Men-schen angesiedelt, können sie dazu beitra-gen, dass Gott zu den Menschen kommt und die Kirche vom Wirken des Heiligen Geistes her Gestalt gewinnt.

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in ihrem Umfeld, sondern auch ihr brachlie-gendes Potenzial. Sie praktiziert gemeinde-nahe Diakonie und ermöglicht Integration, konkrete Hilfe, Wertschätzung und Beteili-gung. Wo professionelle Hilfe notwendig ist wird sie mit der Gemeinde vernetzt.

„Wer bei Gott eintaucht, taucht bei den Armen auf“

Paul M. Zulehner

Vision: Die Gemeinde bietet z. B. Raum für ein Engagement aller, die aus dem nor-malen Arbeitsprozess ausgeschlossen sind. Sie gründet einen eigenen Sozialfond oder ermöglicht eine Vesperkirche und sie koope-riert mit diakonischen Einrichtungen vor Ort.

Konkret: Welche Möglichkeiten bieten sich bei Ihnen an? Kennen Sie z. B. die Fähig-keiten der jungen Senioren und Arbeitslosen in Ihrer Gemeinde? Wo werden sie gebraucht und können sich einbringen?

7) Finanzielles Eigen-Engagement wird gefördert.

Die Gemeinde der Zukunft bekommt eine Zuweisung aus Kirchensteuermitteln, über die sie selbst verfügen kann – auch in Perso-nalangelegenheiten. Sie entwickelt als zweite Säule daneben die selbstständige Beschaf-fung von Finanzen. Die Landeskirche würdigt dies, indem sie jeden selbst aufgebrachten Euro durch einen Euro aus Kirchensteuermit-teln unterstützt ( KfM-Impulspapier Finan-zen).

„Ergänzende Finanzierungssysteme sind zu etablieren... Die Einnahmen

aus zusätzlich eingeworbenen Mitteln sollten im Jahr 2030 20% aller Mittel

ausmachen“ „Kirche der Freiheit“ – EKD-Impulspapier 2006

Vision: Ein Teil der Gehälter aller Haupt-amtlichen (incl. Pfarrer/in) wird durch die Gemeinde selbst aufgebracht. Die Gemein-de entscheidet, welche Arbeit ehrenamtlich oder hauptamtlich gemacht wird. Sie fi ndet aus dem Strudel der Einsparungen heraus. Ein Kreislauf der Entdeckung brachliegender Ressourcen beginnt.

Konkret: Sind Sie bereit, in Ihrer Gemein-de Fördervereine zu gründen und Anstellun-gen zu ermöglichen, die (teilweise) durch Spenden fi nanziert sind und so Ihren Teil zur Lösung der Finanznöte beizutragen?

8) Parochie- und Lebensweltsgemeinden sind gleichberechtigt

Im städtischen Bereich wird es neben den Ortsgemeinden verschiedene Lebenswelt- und Netzwerk-Gemeinden geben. Jugendliche fi nden Heimat in Jugendgemeinden ( KfM-Impulspapier „Jugendkirche“). In ländlichen

Gebieten besteht die Herausforderung darin, diese Vielfalt in einer Gemeinde oder einem Distrikt zu ermöglichen. Auch Ortsgemeinden (Parochien) entwickeln ein spezielles Profi l.

Alle Gemeindeglieder wählen frei „ihre“ Gemeinde –ob Parochial- oder Lebensweltge-meinde – und entscheiden damit, wohin ihre Kirchensteuer fl ießt. Nicht weniger,

„Im Jahr 2030 gibt es verschiedene, in gleicher Weise legitime

Gemeindeformen...Das Verhältnis von Netzwerk- und Profi lgemeinden zu Orts-

und Parochialgemeinden sollte dann 50 : 50 sein.“

„Kirche der Freiheit – EKD-Impulspapier 2006

sondern mehr profi lierte und überschaubare Gemeinden sind notwendig um nahe bei den Menschen zu sein. Gemeindegründung in der Landeskirche wird gefördert. Auch charisma-tisch geprägte Gruppen haben Raum in unse-rer Kirche ( KfM-Impulspapier „Ein Leib. Ein Geist. Ein Glaube.“).

Vision: Bestehende Gemeinden entwi-ckeln Profi le und Schwerpunkte und konzen-trieren sich auf verschiedene Zielgruppen (z. B. Familien, Singles, Migranten – ähnlich den Studierenden-Gemeinden). Neu gegrün-dete Lebenswelt-Gemeinden erreichen bisher Distanzierte mit dem Evangelium in unter-schiedlichen Gemeindeformen.

Konkret: Welches Profi l, welches Poten-tial, welche Hauptzielgruppe hat Ihre Ge-meinde? Wo sind „weiße Flecken“ in Ihrer Umgebung? In welchen Lebenswelten und Zielgruppen ist Kirche nicht oder wenig prä-sent?

9) Kirche ist gelebte und erlebte Gemeinschaft unterschiedlich profi lier-ter Gemeinden

„Unsere parochiale Kirchenstruktur bedarf der Ergänzung durch

netzwerk-orientierte Gemeinschafts- und Gemeindeformen, die wir in

kirchendistanzierte Netzwerke hineinpfl anzen (in Lebensräumen

wie Schulen, altersorientiert in Jugendkirchen oder in entstehende

Beziehungsnetze)“

Michael Herbst vor der Synode der Ev. Kirche in Württemberg 2005Christus als Haupt der Ge-meinde schafft Einheit in der Vielfalt. Kir-chenleitung auf Bezirks- und Landesebene setzt nicht auf „Hierarchie“ (wörtlich: heilige Herrschaft), sondern ist vor allem Vernet-zungsagentur.

Sie vernetzt die unterschiedlich profi -lierten Gemeinden und fördert die Einheit. Jede Gemeinde mit eigenem Profi l sieht sich als ein Teil des Leibes Christi und weiß,

dass sie andere Gemeinden lebensnotwen-dig braucht. Vielfältige Frömmigkeitsstile, Glaubens- und Lebensformen werden nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung empfunden.

Vision: Die Jugendgemeinde übernimmt den Einkaufsdienst für Ältere. Ältere über-nehmen Babysitterdienste bei jungen Famili-en und sind Mentoren in Jugendgemeinden. Hauskreise sorgen für das Kirchencafé. An Festtagen werden große Vernetzungsgottes-dienste in der Stadthalle gefeiert. Gemein-same diakonische Projekte verbinden über die Generationen und Milieus hinweg ebenso wie Workcamps, Talkshows und Gemeinde-feste. Gemeinden sind auf Leitungsebene vernetzt und planen miteinander, wer welche Zielgruppe anspricht im Bezirk oder in der Stadt. Sie entwickeln eine gemeinsame Reich Gottes-Vision für ihren Distrikt.

Konkret: Was wissen Sie von Ihrer Nach-bargemeinde? Wo können Sie etwas lassen, weil es die andere Gemeinde besser macht?

10) Gemeinde setzt Zeichen im weltwei-ten Horizont

Gemeinde prägt als „Stadt auf dem Berg“ ihr Umfeld auch gesellschafts-politisch. Sie setzt Zeichen des kommenden Reich Gottes kommunal vor Ort, aber auch weltweit. Sie tut dies weniger durch Appelle als durch Mo-delle. Sie praktiziert in aktiver Partnerschaft ein Geben und Nehmen mit Christen aus jun-gen Kirchen und aus dem nicht-westlichen Kulturkreis.

„Die Kirche hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft

wie mit ihrer Ordnung... zu bezeugen, dass sie allein Eigentum Jesu Christi ist“

Barmer Theologische Erklärung – These 3

Vision: Die Gemeinde bringt sich in die Gestaltung z. B. der Schulen am Ort mit ein und arbeitet gemeinwesenorientiert. Durch die Partnerschaft vor Ort mit Christen anderer Sprache und Nation nimmt sie Impulse le-bendiger Spiritualität dankbar auf und ist im Kampf für weltweite Gerechtigkeit engagiert. Auch Gemeinden im ländlichen Raum leben intensiv Partnerschaften mit Gemeinden aus andern Kulturkreisen.

Kirche „gleicht sich nicht dieser Welt an“ in Ordnungs- Tarif- und Sozialfragen. Sie geht neue Wege in aktuellen politischen und öko-logischen Herausforderungen. Durch gelun-gene Modelle wird sie politisch wirksam. Sie will „mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehor-sam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ord-nung“ Christus und sein kommendes Reich bezeugen (Barmer Bekenntnis – These 3).

Konkret: Welche kommunalen Einrichtun-gen liegen in ihrem Gemeindebezirk und wie gestalten Sie die Beziehung zu ihnen? Wel-che Kontakte bestehen zu Christen anderer Sprache und Nation vor Ort und weltweit?

Und jetzt?

Die Thesen und Impulse sind kein ferti-ges Konzept und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sind keine Landkar-te, aber Hinweisschilder, die in die Richtung einer zukunftsfähigen Kirche weisen. Die Thesen sollen Gespräche in den Gemeinden in Gang bringen und zu konkreten Schritten ermutigen. Alle Veränderungen dienen der Vi-sion, in der heutigen Welt als Gemeinde Jesu Christi nahe bei den Menschen zu sein.

Leitungskreis von Kirche für morgen, 4.10.2006Martin Allmendinger, Diakon, Denkendorf. Barbara Hering, Sozialpädagogin, Herrenberg. Tabea Hieber, Diakonin, Markgröningen. Michael Josupeit, Lektor, Herrenberg. Reinhold Krebs, Landesreferent, Herrenberg. Markus Munzinger, Gemeindediakon, Dettingen/Erms. Martin Mielke, Steuerberater, Balingen. Jens Plinke, Pfarrer für Hauskreisarbeit, Gomaringen. Martin Schmid, Gemeindediakon, Reutlingen. Gisela Schneider, Dipl. Ing., Leonberg. Angela Schwarz, Jugendreferentin, Weissach. Friedemann Stöffl er. Studiendirektor, Tübingen. Stefan Taut, Pfarrer, Reichenbach.

Unterstützt von:Karl-Martin Beck, Prokurist, Gomaringen. Günter Belz, Rehabilitationstechniker Markgröningen. Matthias Böhler, Orgelbauer, z. Zt. Ruda, Schweden. Athina Christmann, ebay-Powerseller, Altenriet. Els Dieterich, Pfarrerin, Haigerloch. Manfred Geywitz, Unternehmer, Illingen. Adelheid Graf, Familienfrau, Bietigheim-Bissingen. Pina Gräber-Haag, Sozialarbeiterin und Familienfrau, Heilbronn. Manfred Graf, Diplom-Ingenieur, Bietigheim-Bissingen. Gesine Gruhler, Theologin, Walddorfhäslach. Markus Haag, Vikar, Heilbronn. Brigitte Häcker, Familienfrau, Öhringen. Siegfried Häußler, Pfarrer, Hohengehren. Torsten Hebel, Bundesreferent für Jugend, Berlin. Christian Hermann, Krankenpfl eger, Rutesheim. Ralph Hermann, Gemeindepfarrer, Abstatt. Wolfgang Herre, Informatiker, Bönnigheim. Annette Herrmann, Vermessungsingenieurin, Pfullingen. Sabine Hettinger, Fortbildungsreferentin, Tübingen. Andreas Hiller, Pfarrer, Lichtenwald. Dr. Thomas Hoffmann-Dieterich, Haigerloch. Heinrich Hoh, Wirtschaftsingenieur, Ammerbuch. Dr. Frauke Junghans, SMD-Reisesekretärin, Ammerbuch. Kurt Käser, Lehrer, Reutlingen. Andreas Kammer, Dozent, z. Z. Lubango, Angola. Miriam Kerschbaum, Studentin, Kirchheim/Teck. Prof. Dr. Jörg Knoblauch, Unternehmer, Giengen. Silke Linckh Sonderschullehrerin, Gaildorf. Werner Lindner, Industriekaufmann, Winnenden. Matthias Lübke, Berechnugsingenieur, Leonberg. Kathrin Messner, Repetentin Ev. Stift, Tübingen. Katrin Müller, Sozialdiakonin, Stuttgart. Heike Rabens, Lehrerin, Gestaltpädagogin, Tübingen. Volker Rabens, Dozent, Theologe, Tübingen. Guntram Rixecker, Jugendreferent, Waiblingen. Karlfriedrich Schaller, Pfarrer, Tübingen. Jens Schnabel, Pfarrer, Kusterdingen-Mähringen. Christoph Schneider, Student, Mannheim. Cyrill Schwarz, Jugendreferent, Weissach. Johannes Stahl, Pfarrer, Eschenbach. Marc Stippich, Pfarrer, Grunbach. Andreas Taut, Pfarrer, Holzmaden. Andreas Weiss, Diplomjurist, Tübingen. Dr. Axel Wiemer, Dozent, Pfarrer, Schwäbisch Gmünd. Prof. DDr. Paul M. Zulehner, Wien.