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Huffington

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Page 1: Huffington

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Wer Karriere machen will, braucht viel Ruhe und einen Platz für ein Mittags-Nickerchen. Sagt die Millionärin Arianna Huffington

„FRAueN, ScHlAFt eucH HocH“

Die Frau von der Post: Arianna Huffington, Medien-Unternehmerin

4.9.2014 97

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Frau Huffington, ist die Narbe von Ihrem Sturz noch zu sehen? Ja, wenn ich die Haare

aus der Stirn nehme. Die Wunde wurde mit fünf Stichen genäht. Ganz knapp über dem rechten Auge.Was war passiert?Ich bin morgens zu Hause in meinem Büro kollabiert. Ich fiel mit dem Kopf auf die Kante des Schreibtischs. Mein Jochbein war auch gebrochen. Das war der Preis, den ich für meinen Erfolg bezahlen musste.Wie meinen Sie das?Ich lag in einer Blutlache, weil ich mich für meinen Erfolg in den Burnout gestürzt hatte. Es war der Notruf meines Körpers.Gab es vorher keine Warnzeichen?Nein. Ich spürte nicht mehr, wie es war, nicht müde zu sein. Ein Dauerzustand. Ich kenne viele, denen es ähnlich ging. Ihre Mutter war Putzfrau in Athen und verkaufte den Familienschmuck, damit Sie auf die Universität gehen konnten. Heute sind Sie eine der erfolgreichsten Unternehmerinnen in den USA. Hätten Sie auch so viel erreicht, wenn Sie mehr Rücksicht auf sich genommen hätten?Wer Erfolg haben will, muss sich nicht in einen Burnout stürzen. Es gibt viele wis-senschaftliche Beweise dafür. Wenn wir gut schlafen, rechtzeitig Erholungspausen machen, sind wir stärker und effektiver in unserer Arbeit. Sonst scheitern wir. Wie viele erfolgreiche Frauen und Männer.An wen denken Sie da?An Hillary Clinton, die vor lauter Erschöp-fung und Stress zusammenbrach und so schwer stürzte, dass sie sich ein Schädel-Hirn-Trauma zuzog. Wir nehmen diese Geschichten schulterzuckend hin, als Teil des modernen Lebens. Aber warum akzep-tieren wir das?

Weil viele glauben, dass das für den Erfolg nötig sei. Aber das ist eine falsche Sicht. Erfolg ist mehr als Geld und Macht.Sagt die Millionärin Huffington.Zugegeben, für mich galt das auch lange. Heute aber hat Erfolg für mich eine dritte Komponente. Sie setzt sich zusammen aus Wohlbefinden, aus der Fähigkeit, die Wunder des Lebens zu bestaunen. Und aus Großzügigkeit anderen gegenüber.Was hat sich bei Ihnen seit dem Kollaps konkret geändert?Ich schlafe jetzt acht Stunden und schlep-pe mich nicht mehr durch den Tag. Ich neh-me mir Zeit für Meditation und Yoga. Erst dann gehe ich arbeiten. Und abends, bevor ich heimkomme oder noch Termine habe, mache ich einen Work-out. Woher nehmen Sie die Zeit? Ich schaffe sie mir. Wenn wir müde und fertig sind, machen wir Fehler. Dann ver-schwenden wir Zeit, das wieder auszubü-geln. Wenn ich ausgeschlafen bin, bin ich effektiver und kreativer. Früher habe ich häufig überreagiert. Heute bin ich ruhiger. Wie gelingt Ihnen das?Weil ich auch den Weg genießen kann, der zu einem Ziel führt. Es ist ein Fehler, erst durchzuschnaufen, wenn man den Gipfel erreicht hat. Jeder Schritt zählt. Ich habe viele sehr reiche, sehr erfolgreiche Freun-de, die nie zufrieden sein werden. Aber von Geld und Macht werden sie nie genug haben, es wird immer jemanden geben, der mehr hat als sie. Dieser Stress wirkt zerstörerisch.Sind Männer und Frauen dafür gleich anfällig? Studien zeigen, dass Frauen in stressigen Jobs häufiger Herzerkrankungen und Dia-betes haben als Männer. Wir Frauen kön-nen es uns nicht leisten, diesen selbstzer-störerischen Weg weiterzugehen. Warum ist das so?Wir Frauen sind viel härter im Urteil über uns selbst, als Männer es sind. Uns fällt es

schwerer, Stress einfach auszublenden. Männer treffen sich zu einem Football-Spiel und haben danach alles vergessen. Frauen hören oft eine innere Stimme, die sie an ihren Fähigkeiten zweifeln lässt. Kennen Sie die?Früher hatte ich das ständig. Heute nenne ich es meinen „kleinen nervigen Mit- bewohner“. Er hat noch immer gelegent- liche Gastauftritte.Durch die große Glasscheibe in Ihrem Büro blicken Sie auf Ihre Angestellten, auf ein paar Hundert junge Frauen und Männer. Wie helfen Sie denen im Alltag?Wir haben Räume, in die kann sich jeder Angestellte für eine halbe Stunde zum Mittagsschlaf zurückziehen.Werden die Schlafräume immer nur zum Schlafen genutzt?(Lacht) Kürzlich sah ich auch einen Mann und eine Frau gemeinsam herauskommen. Kein Problem. Gehen Sie auch in die Schlafräume?Nein, ich will den wertvollen Platz nicht besetzen. Aber ich liege oft auf dem Sofa hier in meinem Büro und schlafe. Ihre Mitarbeiter können Ihnen dabei durch die Scheibe zuschauen?Früher habe ich die Vorhänge geschlossen, heute lasse ich sie offen. Soll doch jeder wissen, dass ich mich ausruhe.Wenn ein Mann sich zum Nickerchen zurückzieht, lästern dann seine Kolle-gen: Was für ein Weichei?

Sie arbeitete, bis sie umfiel: Arianna Huffington, heute 64 Jahre alt

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Arianna Huffington wuchs in Athen in ein-fachen Verhältnissen auf. Später studierte sie in England. 1990 wurde sie Amerikane-rin. Ihr Buch „Die weibliche Frau“, eine Abrechnung mit dem Feminismus, machte sie als streitbare Auto-rin bekannt. 1986 heiratete sie den Öl-milliardär Michael

Huffington. Aus der Ehe, die 1997 geschie-den wurde, hat sie zwei Töchter. Arianna Huffington versuchte sich in Kalifornien als Politikerin. 2005 gründete sie die „Huffington Post“ und wurde 2011 von „Time“ in die Liste der „100 einfluss- reichsten Personen der Welt“ gewählt.

Zur Person

Natürlich gibt es Kerle, die noch immer die-sen Macho-Blick auf die Arbeitswelt haben und die sagen: „Ich schlafe, wenn ich tot bin“ – all diesen Quatsch. Doch das kommt in Verruf. Ich will das beschleunigen.Warum ist Ihnen das so wichtig?Schauen Sie sich die Arbeitswelt heute an. Wir brauchen mehr kreative Köpfe. Darin liegt die Zukunft der Arbeit. Nicht darin, dass wir stupide Stunden kloppen. Für die simplen Jobs setzen wir mehr und mehr Roboter ein. Was raten Sie besonders Frauen?Schlaft euch nach oben! Und zwar im Sin-ne des Wortes. Ich habe hier ein Kissen, auf dem genau dieser Spruch steht. Hat mir ein Mitarbeiter geschenkt. Im Ernst, sagen Sie das auch einer allein-erziehenden Mutter mit zwei Jobs und zwei Kindern?Je schwieriger die Lebensumstände sind, desto wichtiger ist es, dass man auf sich achtet. Denn das ist es, was uns wider-standsfähig macht. Schlafen – die neue Frauenbewegung?Es ist die dritte feministische Revolution. Die erste war, als die Frauen das Wahlrecht erkämpften. Die zweite, als wir Zugang zu allen Berufen bekamen. Die dritte ist, die Arbeitswelt zu verändern. Und nicht nur für Frauen. Die Jungs werden uns noch mal wirklich, wirklich dankbar sein.Viele Frauen, die es bis in die Vorstände von großen Unternehmen geschafft

haben, ziehen sich schnell wieder zurück. Haben Sie eine Erklärung? Weil diese Frauen sich bewusst entschei-den, kein Leben mit Burnout zu führen. Wer kann es ihnen übelnehmen?Können Frauen beides haben? Karriere und Kinder?Ich bin ja auch Mutter. Und ich habe bei-des. Wir sollten aber den Blick nicht auf Job und Kinder verengen.Sie haben zwei Töchter – und sind ge-schieden. Können in einer Partnerschaft beide Karriere machen? Oder muss einer zurückstecken?Das geht nur, wenn wir unsere Vorstellung von Familie erweitern. Ich halte das Mo-dell Mutter-Vater-Kind für überholt. Ich hatte das Glück, dass meine Mutter bei mir lebte und mir half, meine Kinder großzuziehen. Aber Kinder können auch bei Freunden glücklich sein. Wir sollten uns mehr als Stämme denn als Familie verstehen. Wir haben so viele alte Leute in Seniorenheimen, die keine Aufga be mehr haben. Warum bringen wir sie nicht zurück, anstatt sie Bingo spielen zu lassen? Waren Sie selbst immer eine gute Mut-ter? Was würden Ihre Töchter antworten?Meine Töchter antworten auf diese Frage so: „Egal, was sonst noch in unserem Le-ben passierte, wir haben immer gewusst, dass wir bei Mutter an erster Stelle stehen.“ Das ist heute noch immer so.Sie kämpften mit großen Problemen. Ihre Tochter Christina litt unter Mager-sucht und war kokainsüchtig.Der 4. März 2012 war mein schmerzvolls-ter Tag. Meine Tochter, die kurz vor dem Abschluss an der Uni in Yale stand, rief mich an und sagte: „Mami, ich bekomme keine Luft mehr.“ Eine Überdosis. Ich fuhr sofort zu ihr ins Krankenhaus.Ihre Tochter schrieb später in der „Huf-fington Post“ in einem Blog über ihre Kokainsucht. Sie nahm die Droge sieben Jahre lang. Heute ist sie clean.Es war eines der härtesten Dinge über-haupt. Ihre Reha dauert schon mehr als zwei Jahre. Da erkannte ich: Es gibt so viel mehr im Leben. Mussten Sie erst so alt und so reich wer-den, um das zu verstehen?Ich glaube, man kann immer etwas ändern. Egal, wo wir stehen. Man muss dazu bereit sein. Ich war es endgültig, als ich mir den Kopf an meinem Schreibtisch anschlug. Es ist aber nur Zufall, dass ich jetzt schon so alt bin. Es geht mir einfach darum, zu sagen: Beginnt die Reise. 2

Interview: Alexandra Kraft und Norbert Höfler

„Die Neuerfindung des Erfolgs“ erscheint am 22. 9. im Riemann Verlag, 19,99 Euro

Im Newsroom der „Huffington Post“: „Citizen Huff“ wird die mächtige Journalistin auch genannt

„Wer müde ist, macht Fehler

und muss diese wieder

ausbügeln“

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