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Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie Häufigkeit des Crystal-Konsums und Zahl der Abhängigen - Was passiert, wenn es keine epidemiologischen Daten gibt? Andreas Böhm Referat 41: Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik, Gesundheitsziele, Gesundheitsberichterstattung, Psychiatrie Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) Brandenburg, Potsdam Fachtagung Crystal, Senftenberg, 17.10.2015

Häufigkeit des Crystal-Konsums und Zahl der Abhängigen ... · Fragen der Epidemiologie • Wieviele Menschen aus welchen Bevölkerungsgruppen konsumieren Crystal in welcher Art

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  • Ministerium für Arbeit,

    Soziales, Gesundheit ,

    Frauen und Familie

    Häufigkeit des Crystal-Konsums und Zahl der Abhängigen - Was passiert, wenn es keine

    epidemiologischen Daten gibt?

    Andreas Böhm

    Referat 41: Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik, Gesundheitsziele, Gesundheitsberichterstattung, PsychiatrieMinisterium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF)

    Brandenburg, Potsdam

    Fachtagung Crystal, Senftenberg, 17.10.2015

  • Inhalt

    • Suchtprobleme im Land Brandenburg• Epidemiologie Amphetamine / Crystal

    – In Europa, Deutschland– In Brandenburg

    • Prävention • Schaden durch „Prävention“ vermeiden• Fazit

    MASGF 2

  • Suchtprobleme im Land Brandenburg

    MASGF 3

  • Kriterien zur Bewertung von Gesundheitsproblemen / Suchtkrankheiten*

    • Verbreitung von Konsum und Abhängigkeit• Sterblichkeit und Krankheitslast• Volkswirtschaftliche Aspekte• Ethische, soziale und rechtliche Aspekte• Chancengleichheit• (Be-) Handlungsmöglichkeiten: Maßnahmen und Akteure• Präventionsmöglichkeiten• Priorität aus Sicht der Bevölkerung / Experten / Me dien

    MASGF 4

    * Nach: Gesundheitsziele.de (2012). ÜberarbeiteterKriterienkatalog zur Auswahl von Gesundheitszielen

  • Tabak : mehr als 3.000 vorzeitige Todesfälle

    Alkohol : mehr als 2.000 vorzeitige Todesfälle

    MASGF 5

    Suchtproblematik im Land Brandenburg– Todesfälle im Jahr*

    * nach: Drogen- und Suchtbericht 2015 der Bundesregierung

  • Suchtproblematik im Land Brandenburg– der Trend

    • Der Tabak- und der Alkoholkonsum geht bei Erwachsenen in den letzten Jahren zurück (ähnlich im bundesweiten Trend)

    • Bei den Jugendlichen ist der Tabakkonsum stark reduziert, ebenso der Alkoholkonsum, einschließlich Häufigkeit des Rauschtrinkens

    • Beim Cannabiskonsum gibt es eine Stagnation auf niedrigem Niveau

    MASGF 6

    Landessuchtkonferenz. Suchtmonitoring Land Brandenburg 2014

  • MASGF 7

    Epidemiologie Amphetamine / Crystal

  • Fragen der Epidemiologie

    • Wieviele Menschen aus welchen Bevölkerungsgruppen konsumieren Crystal in welcher Art und wie häufig?

    • Wieviele Menschen aus welchen Bevölkerungsgruppen sind von Crystal abhängig ?

    • Wie haben sich Konsum und Abhängigkeit in den letzten Jahren entwickelt und welcher Trend wird bis heute sichtbar?

    • Anzahl und Entwicklung der Todesfälle durch die Substanz?

    MASGF 8

  • Europäischer Drogenbericht 2015

    • In Europa haben ca. 1 % in der Altersgruppe 15 – 34 Jahre in den letzten 12 Monaten Amphetamine konsumiert

    • Slowakei und Tschechische Republik: Problematischer Konsum von Methamphetamin bei ca. 0,2 % bis 0,5% im Alter 15 bis 64 Jahren

    • 7% der Patienten, die wegen illegaler Drogen eine Behandlung beginnen, geben Amphetamine als Primärdroge an

    MASGF 9

    Europäischer Drogenbericht 2015http://www.dbdd.de/

  • Amphetamin-Konsumenten, die Behandlung beginnen

    MASGF 10

    Europäischer Drogenbericht 2015http://www.dbdd.de/

  • Amphetaminkonsumenten, die Behandlung beginnen

    MASGF 11

    Europäischer Drogenbericht 2015http://www.dbdd.de/

  • Brandenburger Studie: Nachfrage nach Beratung wegen Amphetaminen

    Ziel der Befragung:• Anzahl von Beratungsfällen und Entwicklung der Nachfrage

    nach Beratung über Amphetamin / Methamphetamin in 2014 und 2015

    • Regionale Verteilung der Nachfrage und Identifizierung besonders betroffener Regionen

    • Verhältnis der Nachfrage Amphetamin / Methamphetamin zu anderen Substanzen.

    MASGF 12

    Böhm, Hardeling & Leydecker (2015). Die Nachfrage nach Beratung über Amphetamin - ein Indikator für die Belastung durch Crystal

  • Beratungsfälle insgesamt und Beratungsfälle Amphetamine

    MASGF 13

    Böhm, Hardeling & Leydecker (2015). Die Nachfrage nach Beratung über Amphetamin - ein Indikator für die Belastung durch Crystal

  • MASGF 14

    Prävention

  • Prävention: Basiswissen - Risikofaktoren

    Sozial- und umweltbezogen :• Substanzgebrauch durch Eltern/Geschwister• gestörte Eltern-Kind-Beziehung/geringe Bindung• Scheidung der Eltern/familiäre Konflikte• psychische Störungen der Eltern• Substanzgebrauch durch Freunden / Peers• sozialer Kontext: Verfügbarkeit von Drogen, Gesetze und Normen

    Personbezogen :• genetische Disposition• geringes Selbstwertgefühl• Mangel an Problemlösefähigkeiten• emotionale Labilität, Impulsivität• geringe Frustrationstoleranz• frühes Einstiegsalter in Substanzkonsum

    • Einstellungen und Lebensstil: Nonkonformität, Rebellion, Hedonismus

    MASGF 15

    Droge

    Person

    Umfeld

  • Prävention: Basiswissen - SchutzfaktorenSozial- und umweltbezogen : • gutes Verhältnis zu den Eltern (Vertrauen, Unterstützung in schwierigen Situationen), • Freundschaften zu Gleichaltrigen (Vertrauen, emotionale Unterstützung, positive Modelle), • geringe Belastungen / Stress durch die schulische Umwelt (gutes Schul- und Klassenklima,

    vertrauensvolle und mitmenschliche Beziehungen zu den Lehrern)

    Personbezogen :• hohes Maß an Selbstwertgefühl („sich so annehmen, wie man ist“)• hohes Maß an Eigenaktivität („sich selbst beschäftigen können“)• realistische Selbsteinschätzung („positive Seiten und Grenzen erkennen“)• Verfügbarkeit eines flexiblen Bewältigungsrepertoires (Stress- und Alltagssituationen)• gute Beziehungs- und Konfliktfähigkeit

    MASGF 16

  • Suchtprävention: Ziele

    • Nichteinstieg in Konsum• Verhinderung

    – frühzeitigen Beginns– übermäßigen Konsums– negativer Folgen– Abhängigkeit– dauernder Risikokonsum– Straffälligkeit

    MASGF 17

    Je nach:

    • Eigenschaften der Substanz• Suchtproblematik• Zielgruppen• Zeit• Akzeptanz / Legalität

  • Strategien der Prävention

    • Universell : an die Gesamtbevölkerung, sinnvoll bei großer Verbreitung - Tabak, Alkohol

    • Selektiv : an Risikogruppen vor Auftreten der Störung

    • Indiziert : an Personen mit Risikoverhalten (Substanzkonsum) vor Störungsbeginn

    MASGF 18

  • Prävention durch Information – begrenzter Nutzen

    • Wenn eine Droge nur begrenzt verbreitet ist, wecken ausführliche Informationen das Interesse

    • Die Glaubwürdigkeit von Institutionen wird ausgehöhlt durch:– Übertreibungen, einseitige und unrealistische Beschreibungen:

    „Die Droge überrollt das Land Brandenburg“, „Eine Generation geht verloren“

    – Beliebige, aber hohe Zahlen: „10.000 Drogensüchtige“, „jede 5. Gebärende abhängig“

    – Kranke Menschen als Zombies darstellen: „Faces of Meth“

    MASGF 19

  • MASGF 20

    Schaden durch „Prävention“ vermeiden

  • MASGF 21

    Wie das Gerücht mit den 10.000 in die Welt gesetzt wurde:

    „...Insider sprechen, dass der Süden Brandenburgs etwa 10.000 Drogensüchtige..."

    rbb:Beispiele für potentiell schädliche Information aus Sicht der Suchtprävention

  • MASGF 22

    Lausitzer Rundschau:Beispiele für potentiell schädliche Information aus Sicht der Suchtprävention

  • MASGF 23

    rbb:Beispiele für potentiell schädliche Information aus Sicht der Suchtprävention

    Aus dem Skript:

    Klartext: „Sehen Ihre Patienten auch so aus?“

    Karsten Wolff, Klinikum Niederlausitz: „Nein, die sehen nicht so aus. Ich kann nur davor warnen, diese Bilder für Deutschland als typische Crystal-Konsumenten anzusehen. … In der Regel sehen Sie dem Crystal-Patienten nicht seinen Crystal-Konsum an.“

  • 24

    Fazit

  • Crystal – Sinnvolle Prävention

    • Wirksame Prävention braucht einen langen Atem und wirkt auch gegen Tabak und Alkohol

    • Sachliche Informationen für die Akteure im Gesundheits-und Sozialwesen (Gesundheitsberufe, Sozialarbeit, Polizei etc.)

    • Keine Dämonisierung der Droge und der Konsumenten• Gezielte Präventionsmaßnahmen für:

    – Altersgruppen– Regionen– Milieus / Settings

    MASGF 25

  • Fazit

    • Crystal in Südbrandenburg ist eine Herausforderung

    • Bitte nicht Tabak und Alkohol vernachlässigen. Dadurch sterben jedes Jahr tausende Menschen in Brandenburg

    • Schaden durch „Aufklärung“ vermeiden

    MASGF 26

  • Dr. Andreas Böhm

    Referat 41 Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik, Gesundheitsziele, Gesundheitsberichterstattung, PsychiatrieMinisterium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF)- Abteilung Gesundheit -Henning-von-Tresckow-Str. 2-13, 14467 PotsdamTel: 0331 / 866 – 5411E-Mail: [email protected]

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