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Husserl Erfahrung Und Urteil

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  • EDMUND HUSSERL / ERFAHRUNG UND URTEIL

  • EDMUND HUSSERL

    ERFAHRUNGUND

    URTEILUNTERSUCHUNGEN ZURGENEALOGIE DER LOGIK

    AUSGEARBEITET UND HERAUSGEGEBEN

    VON

    LUDWIG LANDGREBE

    (di

    ACADEMIA / VERLAGSBUCHHANDLUNG PRAG

    1 939

  • Copyright 1939 by Academie Verlagsbuchhandlung, Er.sg

    Druck- und Verlagshaus Karl Prochaska Gesellschaft in. b. Teeollen-West

  • VORWORT DES HERAUSGEBERS

    Die Bearbeitung und Verffentlichung des vorliegen-den Werkes grndet sich auf einen Auftrag EdmundHusserls, der bis zuletzt das Fortschreiten der Arbeit mit-verfolgte. Es war ihm nicht mehr vergnnt, selbst noch dasGeleitwort voranzuschicken und die Drucklegung zuerleben. Die Aufgabe, das zur Einfhrung Ntige zusagen, fllt daher dem Herausgeber zu.

    Husserl hatte sich in der Formalen und transzen-dentalen Logik" (1929) das Ziel gestellt, nicht nur deninneren Sinn, die Gliederung und Zusammengehrigkeitall dessen nachzuweisen, was bis auf unsere Tage anlogischen Problemen im weitesten Umfange behandeltwurde, sondern zugleich die Notwendigkeit einer ph-nomenologischen Durchleuchtung der gesamten logi-schen Problematik darzutun. Ein Hauptstck der ana-lytisch-deskriptiven Untersuchungen, die dem Ziele einersolchen phnomenologischen Begrndung der Logik die-nen, wird hier vorgelegt. Die Formale und transzenden-tale Logik" war gedacht als die allgemeine und prinzi-pielle Einleitung zu diesen konkreten (bereits damals ent-worfenen) Einzelanalysen; seit dem Erscheinen jenes Wer-kes ist jedoch ein so langer Zeitraum verstrichen, da sienicht mehr einfach als seine Fortsetzung und Durchfh-rung auftreten knnen. Das um so weniger, als die Fort-schritte, die Husserl seitdem in seinen systematischen Be-

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  • sinnun gen gemacht hatte, vieles von den Ergebnissen je-nes Buches in neuem Lichte erscheinen lassen. Die vorlie-gende Schrift mute daher die Gestalt eines in sich seih-stndigen Werkes erhalten. Zu diesem Zwecke wurde ihreine ausfhrliche Einleitung vorangestellt; sie dient einer-seits der Rckbeziehung des Sinnes der ganzen Analysenauf die letzte Entwicklungsphase des Husserlschen Den-kens, von deren Ergebnissen manches Wichtige in seinerletzten Schrift Die Krisis der europischen Wissenschaf-ten und die transzendentale Phnomenologie" (Philoso-phia, Bd. I., 1936) verffentlicht wurde, andererseits derZusammenfassung derjenigen Grundgedanken der Forma-len und transzendentalen Logik", die fr das Verstndnisdes Ansatzes der Einzelanalysen magebend sind.

    Es ist selbstverstndlich, da mit einer solchen Wieder-holung einiger Gesichtspunkte der Formalen und trans-zendentalen Logik" im Rahmen der Einleitung nicht derAnspruch gemacht werden kann, in Krze die Prinzipien-fragen der phnomenologischen Logik noch einmal ber-zeugend zu beantworten. Eine wirklich durchschlagendeEinfhrung in ihre Eigenart und ihren Sinn bedarf derAusfhrlichkeit jenes Buches, dessen Studium durch einekurze Zusammenfassung nicht ersetzt werden kann. Diediesbezglichen Teile der Einleitung dienen mehr einemkurzen Hinweis und werden daher, wie auch anders in ihr,dem mit der Phnomenologie noch weniger vertrauten Le-ser manche Schwierigkeiten bereiten. Fr ihn wird es sichempfehlen, bei der ersten Lektre ber diese hinwegzulesenund sogleich zu den ohne weiteres fr sich verstndlichenEinzelanalysen berzugehen. Erst nach dem Studium desganzenWerkes mge er auf die Einleitung nochmals zurck-greifen und dabei zugleich die Formale und transzenden-tale Logik" heranziehen. Als Durchfhrung eines wesent-lichen Teiles des in der Logik abgesteckten Programmeswird die vorliegende Schrift zugleich zu deren besseremVerstndnis dienen, wie andererseits der tiefere Sinn der

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  • hier durchgefhrten Einzelanalysen sich erst bei Hinzu-ziehung der Logik" erschlieen kann.

    Um den Charakter des vorliegenden Werkes zu ver-stehen, bedarf es eines Hinweises auf seine En t s te-h u ngs ges chic h te. Angesichts des stndig wachsendenBestandes an Entwrfen und Forschungsmanuskripten be-schftigte Husserl in den beiden letzten Jahrzehnten sei-nes Lebens in steigendem Mae das Problem, in der Zu-sammenarbeit mit Schlern und Mitarbeitern neuartigeWege zur literarischen Auswertung des Ertrages seinerForschungen zu finden, dessen Flle zu bewltigen erallein sich nicht imstande sah. So wurde ich 1928 vonHusserl damals sein Assistent beauftragt, die zumProblembereich der transzendentalen Logik gehrigenManuskripte zusammenzustellen, aus dem Stenogrammabzuschreiben und den Versuch ihrer einheitlichen syste-matischen Anordnung zu machen. Den Leitfaden und dieGrundgedanken dafr enthielt eine vierstndige Vor-lesung ber Genetische Logik", die Husserl seit demW. S. 19191.20 des ftern in Freiburg gehalten hatte. Siewurde der Ausarbeitung zugrunde gelegt und zu ihrer Er-gnzung eine Gruppe lterer Manuskripte aus den Jah-ren 1910-1914, sowie Teile aus anderen Vorlesungender 2oer Jahre hinzugezogen. Der so zustande gekommeneEntwurf sollte die Grundlage fr eine Publikation bilden,deren letzte Redaktion Husserl sich selbst vorbehaltenhatte. Dazu kam es aber nicht: aus einer kleinen Ab-handlung ber den Sinn der transzendental-logischenProblematik, die ich dieser Ausarbeitung als Einleitungvorangestellt hatte, erwuchs Husserl im Bestreben sie zuergnzen unter der Hand, in wenigen Monaten des Win-ters 1928129 niedergeschrieben, die Formale und trans-zendentale Logik". Sie erschien zunchst fr sich undlosgelst von der Ausarbeitung, zu der sie den Auftakt

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  • bilden sollte, und deren Einleitung sozusagen ihre Keim-zelle gebildet hatte.

    Dieser neuartigen Durchleuchtung des Gesamtzusam-menhangs der logischen Problematik mute eine neuerli-che berarbeitung des von mir zusammengestellten Ent-wurfes Rechnung tragen, wobei nicht nur der Gehalt sei-ner Einzelanalysen durch Rckbeziehung auf die bereitserschienene Formale und transzendentale Logik" v er-tie f t, sondern zugleich auch inhaltlich erweitertwurde. Dieser zweite, 1929130 abgefate Entwurf dervorliegenden Schrift kam in folgender Weise zustande:zugrunde lag der erste (bereits vor Niederschrift der For-malen und transzendentalen Logik" hergestellte) Ent-wurf, der von Husserl selbst mit Randbemerkungen undergnzenden Zustzen versehen worden war. Sie mutenzunchst bercksichtigt und dann noch weitere ergn-zende Manuskripte zumeist aus den Jahren 5959-1920 hinzugezogen werden. Meine Aufgabe war es dabei,aus diesem Material unter Bezugnahme auf die in derFormalen und transzendentalen Logik" festgelegten prin-zipiellen Grundlinien einen einheitlichen, systematisch zu-sammenhngenden Text herzustellen. Da die Unterlagendafr von ganz verschiedener Beschaffenheit waren einerseits der bereits von Husserl selbst revidierte ersteEntwurf, andererseits die neu hinzugezogenen Manu-skripte aus verschiedenen Zeiten und von verschiedenerBeschaffenheit, teils blo kurze, fragmentarisch skizzierteAnalysen enthaltend, teils in sich geschlossene, aber ohneausdrcklichen Hinblick auf einen bergeordneten Zu-sammenhang hingeschriebene Einzelstudien muten sievon mir nicht nur stilistisch und terminologisch aneinan-der angeglichen und mglichst auf das gleiche Niveaugebracht werden; es muten auch die fehlenden berlei-tungen dazu geschrieben, die Gliederung in Kapitel undParagraphen samt den zugehrigen berschriften eingefgtwerden; ja vielfach, wo die Analysen in den Manuskripten

    VI II

  • nur skizzenhaft angedeutet, eventuell berhaupt lckenhaftwaren, mute das Fehlende ergnzt werden. Das geschahin der Weise, da meine Eingriffe und Hinzufgungenmit Husserl vorher mndlich errtert wurden, so daauch dort, wo sich der Text nicht direkt auf den Wort-laut der Manuskripte sttzen konnte, doch in ihm nichtsenthalten war, was sich nicht wenigstens auf Husserlsmndliche uerungen und seine Billigung sttzen konnte.Auch dieser zweite (1930 abgeschlossene) Entwurf desvorliegenden Werkes wurde dann von Husserl selbst mitAnmerkungen versehen, in der Absicht, baldigst ihm dieendgltige Fassung fr den Druck zu verleihen. Anderedringende Arbeiten kamen ihm dazwischen und lieenschlielich das Vorhaben aus seinem Gesichtskreis ver-schwinden.

    Erst 1935 wurde es durch die Untersttzung des Pra-ger philosophischen Cercles mglich, erneut darauf zu-rckzukommen. Husserl erteilte mir nunmehr unter Ver-zicht auf eine eigenhndige Fertigstellung die Vollmacht,unter eigener Verantwortung die letzte Hand an denText zu legen. Dabei waren nicht nur die Anmerkungenzu bercksichtigen, die Husserl selbst zu dem zweitenEntwurf gemacht hatte; auch die Anordnung des Ganzenwurde gestrafft und noch durchsichtiger gestaltet. Neuhinzugefgt wurden ferner die Partien ber Urteilsmoda-litten ein Problemzusammenhang, der zwar auch inder erwhnten Vorlesung ber Genetische Logik behan-delt, aber nicht in die frheren Entwrfe aufgenommenworden war. Vor allem aber wurde jetzt erst die Ein-leitung entworfen mit ihrer Darstellung des Gesamtsinnesder Untersuchungen. Sie ist teils freie Wiedergabe vonGedanken aus Husserls letzter verffentlichter SchriftDie Krisis. .", und aus der Formalen und transzen-dentalen Logik", teils sttzt sie sich auf mndliche Er-rterungen mit Husserl und teils auf Manuskripte aus denJahren 1929-1934. Auch der Entwurf dieser Einleitung

    Ix

  • wurde mit Husserl selbst noch durchgesprochen und vonihm in seinem wesentlichen Gehalt und Gedankenganggebilligt.

    In Anbetracht der komplizierten Entstehungsgeschichtedieser Schrift, ihrer mehrfachen und vielschichtigen ber-arbeitung, drfte es selbstverstndlich sein, da ihr Textnicht an dem Mastab philologischer Akribie gemessenwerden kann. Es wre technisch vllig unmglich, in ihmzu scheiden, was Wortlaut der zugrundeliegenden (aus-nahmslos stenographierten) Originalmanuskripte, wasWiedergabe mndlicher uerungen Husserls und was(freilich von ihm gebilligte) Hinzufgung des Bearbeitersist. Auf die Frage, ob unter diesen Umstnden die Schriftberhaupt als ein Husserlsches Originalwerk zu geltenhat, kann nur erwidert werden, da sie als im Ganzenvon Husserl selbst autorisierte Ausarbeitunganzusehen ist. Das sagt, sie ist Ergebnis einer Zu-sammenarbeit gnzlich eigener Art, die ungefhrso charakterisiert werden kann, da der Gedanken-gehalt, sozusagen das Rohmaterial, zur Gnze vonHusserl selbst stammt nichts ist darin, was einfachvom Bearbeiter hinzugefgt wre oder schon seine Inter-pretation der Phnomenologie in sich schlsse daaber fr die literarische Fassung der Bearbeiter dieVerantwortung trgt.

    Die Anregung zu dem Titel Erfahrung und Urteil"entstammt der Aufschrift auf einem Manuskript von1929, das Grundfragen der phnomenologischen Logikbehandelt.

    Eine Sonderstellung nehmen die beiden am Schlu an-gefgten Beilagen ein. Bei ihnen handelt es sich um deneinfachen, nur stilistisch gegltteten Abdruck von Ori-ginalmanuskripten, die in sich geschlossene Betrachtungenenthalten und daher nicht ohne Opferung wesentlicherTeile ihres Gehaltes in den brigen Text htten eingear-beitet werden knnen. Sie wollen nicht als bloe An-X

  • hngsel, sondern als wesentliche Ergnzungen zuden betreffenden Teilen des Textes genommen sein. DieI. Beilage stammt aus den Jahren 1919 oder 1920, die II.ist ein Paragraph aus dem Entwurf zur Neugestaltung derVI. Logischen Untersuchung von 1913, der nicht zumAbschlu und zur Verffentlichung kam.

    Schlielich sei allen denen der wrmste Dank aus-gesprochen, die zum Zustandekommen dieser Verffent-lichung beigetragen haben: der Notgemeinschaft derDeutschenWissenschaft,die I928-1930 durch ihreBeihilfe meine Teilnahme an den Arbeiten Husserls er-mglichte, dem Prager philosophischen Cercleund der Rockefellerstiftung, deren Untersttzungder endgltige Abschlu und die Drucklegung zu ver-danken ist. Herrn Dr. Eugen Fink, Freiburg i. B., binich fr seine Beratung bei der letzten Fassung des Textesund insbesondere bei der Gestaltung der Einleitung aufshchste verpflichtet.

    Ludwig Landgrebe

    XI

  • INHALTEINLEITUNG. SINN UND UMGRENZUNG

    DER UNTERSUCHUNG5 x. Das prdikative Urteil als zentrales Thema

    in der Genealogie der Logik5 2. Die traditionelle Bestimmung und Vorzugs-

    stellung des prdikativen Urteils und ihre Pro-bleme 4

    5 3. Die Doppelseitigkeit der logischen Thematik.Das Evidenzproblem als Ausgangspunkt dersubjektiv gerichteten Fragestellungen und seineberspringung in der Tradition 7

    5 4. Die Stufen des Evidenzproblems: gegenstnd-liche Evidenz als Vorbedingung mglichenevidenten Urteilens ix

    5 5. Der Rckgang von der Urteilsevidenz aufgegenstndliche Evidenz.a) Bloes Urteilen als intentionale Modifika-

    tion evidenten Urteilens 14

    b) Mittelbare und unmittelbare Evidenzenund die Notwendigkeit des Rckgangs aufdie schlicht unmittelbaren Erkenntnisse 17

    c) Die unmittelbaren, letzten" Urteile be-zogen auf Individuen als letzte Gegen-stnde-worber (letzte Substrate) 18

    5 6. Erfahrung als Evidenz individueller Gegen-stnde. Theorie der vorprdikativen Erfah-

    XII

  • rung als erstes Stck der genetischen Urteils-theorie 21

    7. Welt als universaler Glaubensboden fr jedeErfahrung einzelner Gegenstnde vorgegeben

    235 8. Die Horizontstruktur der Erfahrung; typische

    Vorbekanntheit jedes einzelnen Gegenstandesder Erfahrung 26

    5 9. Die Welt als Horizont aller mglichen Urteils-substrate. Der dadurch bedingte Charakterder traditionellen Logik als Weltlogik 36

    5 to. Der Rckgang auf die Evidenz der Erfahrungals Rckgang auf die Lebenswelt. Abbau derdie Lebenswelt verhllenden Idealisierungen 38

    5 I. Die Ursprungsklrung des Urteils und Genea-logie der Logik im Gesamtzusammenhang dertranszendentalen, phnomenologisch-konstitu-tiven Problematik 45

    5 12. Der Ansatz der Einzelanalysen. Die Unter-scheidung schlichter und fundierter Erfahrun-gen und die Notwendigkeit des Rckgangs aufdie schlichtesten Erfahrungen 5

    5 13. Der allgemeine Begriff des Urteils und desGegenstandes. Urteil als Feststellung 59

    5 14. Die Notwendigkeit des Ausgangs der Analy-sen von der ueren Wahrnehmung und demWahrnehmungsurteil und die Begrenzung derUntersuchung 66

    I. ABSCHNITT. DIE VOR PRDIKATIVE (RE-ZEPTIVE) ERFAHRUNG

    I.Kapitel. Die allgemeinen Strukturen der Rezep-tivitt.

    5 15. bergang zur Analyse der ueren Wahr-nehmung 73

    XIII

  • S 16. Das Feld passiver Vorgegebenheiten und seineassoziative Struktur 74

    S 17. Affektion und Ichzuwendung. Rezeptivitt alsniederste Stufe ichlicher Aktivitt 79

    5 18. Aufmerksamkeit als Ichtendenz 845 19. Die erfahrende Ichtendenz als Interesse" am

    Erfahrenen und ihre Auswirkung im Tun"des Ich 86

    S 20. Engerer und weiterer Begriff von Interesse

    915 21. Die Hemmung der Tendenzen und der Ur-

    sprung der Modalisierungen der Gewiheit 93a) Der Ursprung der Negation

    94b) Das Zweifels- und Mglichkeitsbewutsein 99c) Problematische Mglichkeit und offene

    Mglichkeit 105d) Der Doppelsinn der Rede von Modalisie-

    rung 109

    II. Kapitel. Schlichte Erfassung und Explikation22. Die Stufen der betrachtenden Wahrnehmung

    als Thema der weiteren Analysen 112S 23. Die schlichte Erfassung und Betrachtung.

    a) Die Wahrnehmung als immanent-zeitlicheEinheit Das Noch-im-Griff-behalten alsPassivitt in der Aktivitt des Erfassens ii6

    b) Verschiedene Weisen des Im-Griff-behal-tens und dessen Unterschied gegenber derRetention I20

    5 24. Das explizierende Betrachten und die explika-tive Synthesis.

    a) Die explikative Synthesis als Ursprungsortder Kategorien Substrat" und Bestim-mung" und die Aufgabe ihrer Analyse 124

    b) Explikative Deckung als besondere Weisevon Synthesis der berschiebung

    128

    XIV

  • 5 29.

    c) Das Im-Griff-behalten bei der Explikationgegenber dem Im-Griff-behalten bei schlich-ter Erfassung 130

    d) Explikation und Mehrheitserfassung 134

    5 2 5. Der habituelle Niederschlag der Explikation.Das Sich-einprgen 136

    5 26. Die Explikation als Verdeutlichung des hori-zontmig Antizipierten und ihr Unterschiedgegenber der analytischen Verdeutlichung

    1395 27. Ursprngliche und nicht-ursprngliche Voll-

    zugsweisen der Explikation. Explikation inder Antizipation und in der Erinnerung

    1435 28. Die mehrschichtige Explikation und die Rela-

    tivierung des Unterschiedes von Substrat undBestimmung 147Absolute Substrate und absolute Bestimmun-genen und der dreifache Sinn dieser Unter-scheidung 15iSelbstndige und unselbstndige Bestimmun-gen. Der Begriff des Ganzen i 6oDie Erfassung von Stcken und von unselb-stndigen Momenten 163Die unselbstndigen Momente als Verbindun-gen und als Eigenschaften.a) Mittelbare und unmittelbare Eigenschaften 167b) Der prgnante Begriff der Eigenschaft und

    ihr Unterschied gegenber der Verbindung 168

    III. Kapitel. Die Beziehungserfassung und ihre Grund-lagen in der Passivitt

    5 33. Horizontbewutsein und beziehendes Betrach-ten 171

    5 34. Allgemeine Charakteristik des beziehenden Be-trachtens.

    XV

  • a) Kollektives Zusammennehmen und be-ziehendes Betrachten 174

    b) Die Urnkehrbarkeit des beziehenden Be-trachtens und das fundamenturn relatio-nis" 177

    c) Beziehen und Explizieren 178

    S 35. Frage nach dem Wesen der Beziehung begrn-denden Einheit 179

    36. Die passive (zeitliche) Einheit der Wahr-nehmung 18 I

    5 38. Notwendiger Zusammenhang der intentio-nalen Gegenstnde aller Wahrnehmungen undpositionalen Vergegenwrtigungen eines Ichund einer Ichgemeinschaft auf Grund der Zeitals der Form der Sinnlichkeit r88

    39. bergang zur Quasi-positionalitt. Die Zu-sammenhangslosigkeit der Phantasieanschau-ungen 195

    5 40, Zeiteinheit und Zusammenhang in der Phan-tasie durch Zusammenschlu der Phantasienzur Einheit einer Phantasiewelt. Individuationnur innerhalb der Welt wirklicher Erfahrungmglich 200

    5 41. Das Problem der Mglichkeit anschaulicherEinheit zwischen Wahrnehmungs- und Phan-tasiegegenstnden eines Ich 203

    5 42. Die Mglichkeit der Herstellung eines an-schaulichen Zusammenhangs zwischen allen ineinem Bewutseinsstrom konstituierten Gegen-stndlichkeiten durch Assoziation.a) Die zeitliche Einheit aller Erlebnisse eines

    Ich 204b) Die doppelte Funktion der Assoziation fr

    den Zusammenhang des positionalen Be-wutseins 207

    XVI

  • c) Die anschauliche Einigung von Wahr-nehmungs- und Phantasieanschauungen aufGrund der Assoziation und der weitesteBegriff von Einheit der Anschauung 211

    5 43. Verbindungs- und Vergleichungsbeziehungen.a) Die Vergleichungsbeziehungen als reine We-

    sensbeziehungen (Ideenrelationen") 254b) Die Konstitution der wichtigsten Verbin-

    dungsbeziehungen (Wirklichkeitsbeziehun-gen) 216

    c) Engere und weitere Begriffe von Einheitder Anschauung 220

    d) Die formale Einheitsbildung als Grundlageder formalen Relationen 222

    5 44. Analyse der vergleichenden Betrachtung.Gleichheit und hnlichkeit 223

    45 Totale und partiale hnlichkeit (hnlichkeitin bezug auf ...) 227

    46. Beziehungsbestimmungen und Kontrastbestim-mungen (absolute Eindrcke") 229

    II. ABSCHNITT. DAS PRDIKATIVE DEN-KEN UND DIE VERSTANDESGEGENSTND-

    LICHKEITENi. Kapitel. Die allgemeinen Strukturen der Prdikationund die Genesis der wichtigsten kategorialen Formen 47. Das Erkenntnisinteresse und seine Auswirkung

    in den pr.ditkativen Leistungen 231 48. Das erkennende Handeln parallelisiert mit

    dem praktischen Handeln 23549. Der Sinn der Stufenscheidung der objektivie-

    renden Leistungen. berleitung zu den kon-stitutiven Analysen 239

    so. Die Grundstruktur der Prdikation.

    XVII

  • a) Die Zweigliedrigkeit des prdikativen Pro-zesses

    242b) Die doppelte Formenbildung in der Prdi-

    kation 247c) Das Urteil als Urzelle des thematischen

    Zusammenhangs prdikativer Bestimmungund der Sinn seiner Selbstndigkeit 250

    S 51. Die der einfach fortschreitenden Explikationentsprechenden Urteilsformen.a) Das fortlaufende Bestimmen 2 55b) Die Bestimmung in der Form des und so

    weiter" 257c) Das identifizierend anknpfende Bestim-

    men 259

    52. "Ist"-Urteil und Hat"-Urteil.a) Der Explikation nach selbstndigen Teilen

    entspricht die Form des Hat"-Urteils 261b) Die Substantivierung unselbstndiger Be-

    stimmungen und die Umwandlung des Ist"-Urteils in ein Hat"-Urteil 263

    5 5 3. Das Urteilen auf Grund der beziehenden Be-trachtung. Absolute und relative Adjektivitt 265

    5 54. Der Sinn der Unterscheidung von bestimmen-dem und beziehendem Urteilen 267

    5 55. Der Ursprung der Attribution aus der un-gleichmigen Verteilung des Interesses aufdie Bestimmungen.a) Die Gliederung in Haupt- und Nebensatz 270b) Die attributive Form als Modifikation der

    Satzform 272c) Die attributive Anknpfung auf der Be-

    stimmungseite 275

    XVIII

  • 56. Konstitution von logischem Sinn als Ergebnisder prdikativen Leistungen fr den Substrat-gegenstand 276

    57. Der Ursprung des Identittsurteils 280

    II. Kapitel. Die Verstandesgegenstndlichkeiten und ihrUrsprung aus den prdikativen Leistungen

    58. bergang zu einer neuen Stufe prdikativerLeistungen. Die Vorkonstitution des Sach-verhaltes als kategorialer Gegenstndlichkeitund sein Entnehmen" durch Substantivierung 282

    59. Schlicht gebbare Gegenstnde als Quellen"von Sachlagen. Sachlage und Sachverhalt 2 85

    6o. Unterscheidung von Sachverhalt und vollemUrteilssatz 288

    61. Die Menge als weiteres Beispiel einer Verstan-desgegenstndlichkeit; ihre Konstitution in er-zeugender Spontaneitt 292

    62. Verstandesgegenstndlichkeiten als Quellenvon Sachlagen und Sachverhalten; Unterschei-dung von syntaktischen und nicht-syntak-tischen Verbindungen und Relationen 296

    63. Der Unterschied der Konstitution von Ver-standesgegenstndlichkeiten und Gegenstndender Rezeptivitt 299

    64. Die Irrealitt der Verstandesgegenstndlich-keiten und ihre Zeitlichkeit.a) Die immanente Zeit als Gegebenheitsform

    aller Gegenstndlichkeiten berhaupt 303b) Die Zeitlichkeit der realen Gegenstndlich-

    keiten. Gegebenheitszeit und objektive(Natur-)Zeit 305

    c) Die Zeitform der irrealen Gegenstndlich-keiten als Allzeitlichkeit 309

    XIX

  • d) Die Irrealitt der Verstandesgegenstnd-lichkeiten bedeutet nicht Gattungsallge-meinheit 314

    6. Die Unterscheidung von realen und irrealenGegenstndlichkeiten in ihrer umfassenden Be-deutung. Die Verstandesgegenstndlichkeitender Region der Sinngegenstndlichkeiten (Ver-meintheiten) zugehrig 317

    III. Kapitel. Der Ursprung der Modalitten des Urteils

    66. Einleitung. Die Modalitten des prdikativenUrteils als Modi der Ich-Entscheidung (akti-ven Stellungnahme) 3255 67. Die Leermodifikationen des Urteils als Mo-tive fr Modalisierung 3 2 9a) Die in den Antizipationen der Erfahrung

    begrndeten tecrmodifikationen und Mo-dalisierungen 33 1

    b) Die aus der Sedimentierung ursprnglichgebildeter Urteile entspringenden Leermo-difikationen 334

    5. 68. Der Ursprung der Urteilsstellungnahmen ausder Kritik der leeren Vermeinungen. Kritikauf Bewhrung (Adquation) gerichtet 339

    5 69. Urteilsvermeintes als solches und wahrer Sach-verhalt. Inwiefern der Sachverhalt eine Sinn-g-egenstndlichkeit ist 143

    5 70. Die Evidenz der Gegebenheit der Sachver-halte analog der Evidenz der zugrundeliegen-den Substratgegenstndlichkeiten 345

    5 7r. Die Urteilsstellungnahmen als Anerkennungoder Verwerfung. Anerkennung als Aneig-nung und ihre Bedeutung fr das Streben nachSelbsterhaltung 347

    XX

  • 72. Das Problem der Qualitt" des Urteils; dasnegative Urteil keine Grundform

    73. Existenzialurteil und Wahrheitsurteil als Ur-teilsstellungnahmen hherer Stufe mit modifi-ziertem Urteilssubjekt

    5 74. Unterscheidung der Existenzialprdikationenvon den Wirklichkeitsprdikationen.a) Der Ursprung der Wirklichkeitsprdika-

    tionb) Existenzialprdikationen auf Sinne, Wirk-

    lichkeitsprdikationen auf Stze als Sub-jekte gerichtet

    5 75. Wirklichkeitsprdikationen und Existenzial-prdikationen keine bestimmenden Prdika-tionen

    76. bergang zu den Modalitten im engerenSinne. Zweifel und Vermutung als aktiveStellungnahmen

    5 77. Die Modi der Gewiheit und der Begriff derberzeugung. Reine und unreine, prsump-tive und apodiktische Gewiheit

    78. Frage und Antwort. Fragen als Streben nachUrteilsentscheidung

    79. Die Unterscheidung von schlichten Fragen undRechtfertigungsfragen

    III. ABSCHNITT. DIE KONSTITUTION DERALLGEMEINGEGENSTNDLICHKEITENUND DIE FORMEN DES BERHAUPT-

    URTEILENS5 80. Der Gang der Betrachtungen 381I. Kapitel. Die Konstitution der empirischen Allge-

    meinheiten. 81. Die ursprngliche Konstitution des Allge-

    meinen.

    352

    354

    359

    361

    363

    365

    368

    371

    375

    XXI

  • a) Die asso7iative Synthesis des Gleichen mitdem Gleichen als Grund der Abhebung desAllgemeinen

    b) Das Allgemeine konstituiert in erzeugenderSpontaneitt. Individualurteil und gene-relles Urteil

    c) Teilhabe an der Identitt des Allgemeinenund bloe Gleichheit

    5 82. Die empirischen Allgemeinheiten und ihr Um-fang. Die Idealitt des Begriffs

    5 83. Die empirisch typische Allgemeinheit und ihrepassive Vorkonstitution.a) Die Gewinnung der empirischen Begriffe

    aus der Typik der natrlichen Erfahrungs-apperzeption

    b) Wesentliche und auerwesentliche Typen.Wissenschaftliche Erfahrung fiihrt zurHera.usstellung der wesentlichen Typen

    84. Stufen der Allgemeinheit.a) Die konkrete Allgemeinheit als Allgemeines

    der Wiederholung vllig gleicher Indivi-duen. Selbstndige und abstrakte, substan-tivische und adjektivische Allgemeinheiten

    b) Die hherstufigen Allgemeinheiten als AH-gemeinheiten auf Grund bloer Ahnlich-keit

    5 85. Sachhaltige und formale Allgemeinheiten

    385

    388

    39 2

    394

    3 98

    402

    403

    404407

    II. Kapitel. Die Gewinnung der reinen Allgemein-heiten durch die Methode der Wesenserschauung

    5 86. Zuflligkeit der empirischen Allgemeinheitenund apriorische Notwendigkeit 4095 87. Die Methode der Wesenserschauung.a) Freie Variation als Grundlage der Wesens-

    erschauung 410

    XXII

  • b) Die Beliebigkeitsgestalt des Prozesses derVariantenbildung 412

    c) Das Im-Griff-behalten der ganzen Varia-tionsmannigfaltigkeit als Grundlage derWesenserschauung 4 1 3

    d) Das Verhltnis der Wesenserschauung zurErfahrung von Individuellem. Der Irrtumder Abstraktionslehre 4 1 4

    e) Kongruenz und Differenz in der berschie-benden Deckung der Variationsmannigfal-tigkeiten 4 18

    f) Variation und Vernderung 4 1 95 88. Der Sinn der Rede von der Erschauung" der

    Allgemeinheiten 4 21 89. Die Notwendigkeit einer ausdrcklichen Aus-

    schaltung aller Seinssetzungen zwecks Gewin-nung der reinen Allgemeinheit 422

    5 90. Reine Allgemeinheit und apriorische Notwen-digkeit 426

    5, 91. Der Umfang der reinen Allgemeinheiten.a) Die Allheit des reinen Begriffsumfangs

    bietet keine individuelle Differenzierung 42 9b) Mglichkeitsdifferenzierung und Wirklich-

    keitsdifferenzierung 43 05 92. Der Stufenbau der reinen Allgemeinheiten und

    die Gewinnung der obersten konkreten Gat-tungen (Regionen) durch Variation von Ideen 43 2

    5 93. Die Schwierigkeiten der Gewinnung konkreteroberster Gattungen, gezeigt an der Gewinnungder Region Ding".a) Die Methode der Herstellung des zu vari-

    ierenden Exempels 437b) Das Problem der Gewinnung der vollen

    Konkretion. Abstrakte und konkrete We-sensbetrachtung 44 1

    XXIII

  • III. Kapitel. Die Urteile im Modus des berhaupt94. Obergang zur Betrachtung der Oberhaupt-

    Modifikationen des Urteilens als der hchstenStufe spontaner Leistungen 4435 95. Der Ursprung der Oberhaupt-Modifikationaus dem Gleichgltigwerden der individuellenDiesheiten 444

    5 96. Das partikulre Urteil.a) Das partikulre Urteil als Inexistenzial-

    urteil. Partikularitt und Zahlbegriff 446h) Das partikulre Urteil als Modifikation

    des bestimmten Urteils 448c) Partikulre Phantasieurteile als apriorische

    Existenzialurteile 4495 97. Das universelle Urteil.a) Der Ursprung des universellen Oberhaupt

    aus der partikulren Modifikation 451b) Das Allheitsurteil 454c) Die Gewinnung apriorischer Notwendig-

    keiten im universellen Phantasieurteil 454 98. Zusammenfassung 458

    Beilage I.Das Erfassen eines Inhaltes als Tatsache"und der Ursprung der Individualitt. Zeit-modi und Urteilsmodi 460

    Beilage ILDie Evidenz der Wahrscheinlichkeitsbehaup-tung. Kritik der Humeschen Auffassung

    472

    XXIV

  • EINLEITUNG

    SINN UND UMGRENZUNGDER UNTERSUCHUNG

    5 i. Das prdikative Urteil als zentralesThema in der Genealogie der Logik.

    Die folgenden Untersuchungen gelten einem Ur-sprungsproblem. Mit der Ursprungsklrung des pr-dikativen Urteils wollen sie einen Beitrag zur Genea-logie der Logik berhaupt liefern. Die Mglich-keit und Notwendigkeit eines solchen Vorhabens undder Sinn der Ursprungsfragen, die hier zu stellen sind,bedrfen vor allem der Errterung. In dieser Ursprungs-klrung, die weder ein Problem der Geschichte der Lo-gik" im blichen Sinne noch ein solches der genetischenPsychologie zum Thema hat, soll das Wesen des aufseinen Ursprung befragten Gebildes aufgehellt werden.Eine Wesensklrung des prdikativen Urteils auf demWege der Erforschung seines Ursprungs ist also dieAufgabe.

    Wenn durch sie das Problem der Genealogie derLogik berhaupt gefrdert werden kann, so hat dasseinen Grund darin, da im Zentrum der form a-1 en Logik, so wie sie historisch geworden ist, derBegriff des prdikativen Urteils, der Apophan.-sis steht. Sie ist in ihrem Kerne apophantische Logik,Lehre vom Urteil und seinen Formen". Da sie ihrem

    Husserl, Erfahrung und Urteil

  • ursprnglichsten Sinne nach nicht nur das ist, sondernda in einer voll ausgebauten formalen Logik, die dannals formale rnathesis universalis die formale Mathematikin sich einbegreift, der formalen Apophantik gegenber-steht die formale Ontologie, die Lehre vorn Etwas ber-haupt und seinen Abwandlungsformen, von Begriffenalso wie Gegenstand, Eigenschaft, Relation, Vielheitu. dgl., und da in der traditionellen logischen Proble-matik immer schon Fragen aus beiden Gebieten behan-delt wurden, das sei hier nur erwhnt; die schwierigenProbleme, die das Verhltnis von formaler Apophantikund formaler Ontologie betreffen, ihre korrelative Zu-sammengehrigkeit, ja innere Einheit, angesichts derenihre Trennung sich als blo vorlufige, gar nicht aufUnterschieden der Gebiete, sondern blo der Ein-stellungen beruhende erweist, knnen hier nichtnoch einmal behandelt werden. 1) Nur so viel sei gesagt,da alle die kategorialen Formen, die das Thema derformalen Ontologie bilden, den Gegenstnden im Urtei-len zuwachsen; schon der Leerbegriff etwas berhaupt",in dem Gegenstnde berhaupt logisch gedacht werden,tritt nirgends sonst als im Urteil auf,') und ebenso ist esmit seinen Abwandlungsformen: So gut Eigenschaft eineim Urteil zunchst unselbstndig auftretende Form be-zeichnet, die nominalisiert" die Substratform Eigenschaftergibt, so tritt im pluralen Urteilen der Plural auf, dernominalisiere, zum Gegenstand im ausgezeichnetenSinne umgestaltet dem des Substrates, des Gegen-standes-worber` die Menge ergibt."3) Das gleichewre fr alle anderen Begriffe, die in der formalen On-tologie auftreten, zu zeigen. Mit Rcksicht darauf kn-

    1) Vgl. dazu E. Husserl, Formale und transzendentale Logik,Halle (Saale) 1929 (im folgenden kurz zitiert als Logik"),I. Absch., 4. und 5. Kap.

    8) a. a. 0., S. 98.8)

    2

  • nen wir sagen, da der Lehre vom Urteil nicht nur aushistorischen, sondern auch aus sachlichen Grnden einezentrale Stellung in der gesamten formal-logischen Pro-blematik zukommt.

    Mit dieser Feststellung soll nicht einer Wesens-bestimmung dessen vorgegriffen werden, was im weite-sten und umfassendsten Sinne unter Logik" und lo-gisch" zu verstehen ist. Vielmehr kann dieser umfas-sende Wesensbegriff erst das Endergebnis der phno-menologischen Aufklrung und Ursprungserforschungdes Logischen sein, wie sie in der Formalen und trans-szendentalen Logik" begonnen und hinsichtlich ihrerprinzipiellen Fragen errtert und in der vorliegendenUntersuchung in einem Stck durchgefhrt wird. Diephnomenologische Ursprungserhellung des Logischenentdeckt, da der Bereich des Logischen viel grer istals der, den die traditionelle Logik bisher behandelt hat,und sie entdeckt zugleich die -verborgenen Wesens-grnde, denen diese Einengung entstammt eben in-dem sie vor allem auf die Ursprnge des Logischen"im traditionellen Sinne zurckgeht. Dabei findet sienicht nur, da logische Leistung schon vorliegt inSchichten, in denen sie von der Tradition nicht gesehenwurde, und da die traditionelle logische Problematikerst in einem verhltnismig hohen Stockwerk einsetzt,sondern vielmehr, da gerade in jenen Unterschichtendie verborgenen Voraussetzungen zu finden sind, aufGrund deren erst Sinn und Recht der hherstufigen.Evidenzen des Logikers letztlich verstndlich werden.Erst dadurch wird eine Auseinandersetzung mit der ge-samten logischen Tradition mglich und als weiteresFernziel der phnomenologischen Aufklrung der Logik die Gewinnung jenes umfassenden Begriffs von Logikund Logos. Kann so der Bereich des Logischen nicht imvoraus abgesteckt werden, so bedarf doch seine phno-menologische Aufklrung eines Vor b egrif fs von ihm,

    1. 3

  • der ihr berhaupt erst die Richtung weist. Dieser Vor-begriff kann nicht willkrlich gewhlt werden, sondernist eben der traditionell vorgegebene Begriff vonLogik und logisch".') Und in seinem Zentrum steht dieProblematik des prdikativen Urteils.

    5 2. Die traditionelle Bestimmung und Vor-zugsstellung des prdikativen Urteils und

    ihre Probleme.Urteil, Apophansis im Sinne der Tradition ist selbst

    noch ein Titel, der vielerlei in sich schliet. So bedarfes vor allem einer genaueren Bestimmung diesesunseres Themas und eines Blickes darauf, was es anProblemen in sich schliet, die ihm aus der Traditionher vorgezeichnet sind ( 2). Dann erst knnen wirschrittweise versuchen, eine Charakteristik der hier ein-zuschlagenden, vorweg als genetisch bezeichneten Me-thode zu gewinnen (, 3ff.).

    Durch die ganze Tradition hindurch ziehen sich dieUnterscheidungen der mannigfaltigsten Formen" von Ur-teilen, und was das Urteil" selbst ist, ist in der verschieden-sten Weise zu fixieren versucht worden. Was aber vonAnfang an, von der Aristotelischen Stiftung unserer logi-schenTradition an feststeht, ist dies, da fr das prdika-tive Urteil ganz allgemein charakteristisch ist eine Zwe i-glied

    r i g ke it: ein Zugrundeliegendes" (6noxs(pevov),worber ausgesagt wird, und das, was von ihm ausge-sagt wird: xxvi-ropodp.svov ; nach anderer Richtung, hin-sichtlich seiner sprachlichen Form unterschieden als 6vey.aund fri,p.m. Jeder Aussagesatz mu aus diesen beidenGliedern bestehen!) Darin liegt: jedes Urteilen setztvoraus, da ein Gegenstand vorliegt, uns vorgegeben,

    1) Zur Sinnesklrung der logischen Tradition vgL Logik,Einleitung, 5 zi und I. Absch., A.

    2) Vgl. Aristoteles, De interpr., 16a 19 und 17a 9.

    4

  • worber ausgesagt wird. Hiermit ist sozusagen ein Ur-modell vorgegeben, das wir als Urteil auf seinen Ur-sprung zu befragen haben. Wir mssen hier ganz offenlassen, ob wir es dabei wirklich mit dem ursprnglich-sten logischen Gebilde zu tun haben. Nur die Ursprungs-erhellung dieses traditionell als Urteil bestimmten Ge-bildes kann die Antwort auf diese sowie auf alle wei-teren Fragen geben, die damit zusammenhngen: in-wiefern ist das prdikative Urteil das bevorzugte undzentrale Thema der Logik, so da sie in ihrem Kernenotwendig apophantische Logik, Urteilslehre ist? Fer-ner: was ist die Art der Verknpfung dieser beidenGlieder, die immer schon im Urteil unterschieden wur-den, inwiefern ist das Urteil Synthesis und Diairesis ineins? ein Problem, das stndig eine Verlegenheit derLogiker bildete und bis heute nicht befriedigend ge-lst ist. Was ist es, was im Urteil verbunden" undgetrennt" wird? Weiters: welche der vielfltigen tradi-tionell unterschiedenen Urteilsformen ist die ursprng-lichste, d. h. diejenige, die als unterste und alle anderenfundierende vorausgesetzt und wesensnotwendig als vor-liegend gedacht werden mu, damit sich auf sie andere,hherstufige" Formen aufbauen knnen? Gibt es eineUrform oder mehrere gleichberechtigt nebeneinander-stehende, und wenn es nur eine gibt, in welcherWeise lassen sich alle anderen auf sie als dieursprnglichste zurckfhren? Z. B. sind bejahendesund verneinendes Urteil zwei gleichberechtigte, gleich-ursprnglich nebeneinanderstehende Grundformen oderhat eine von beiden den Vorzug?

    Auf diese Fragen fhrt die traditionelle Bestimmungdes Urteils. Darber hinaus bleiben freilich noch andereFragen offen, die auf unserem Wege der Ursprungs-erhellung des traditionell als Urteil Vorgegebenen nichtohne weiteres beantwortet werden knnen, sondern de-ren Beantwortung schon Sache einer Auseinandersetzung

    S

  • mit der gesamten Tradition wre, die ber den Rahmendieser Untersuchung hinausginge. Gleichwohl seieneinige der Probleme, um die es sich hier handelt, ange-deutet. Seit Aristoteles gilt es als feststehend, da dasGrundschema des Urteils das kopulative Urteil, dasauf die Grundform S ist p zu bringende, ist. Jedes Ur-teil anderer Zusammensetzung, z. B. die Form des Verbal-satzes kann nach dieser Auffassung ohne Anderung deslogischen Sinnes in die der kopulativen Verknpfungumgewandelt werden: z. B. der Mensch geht" ist lo-gisch gleichwertig mit der Mensch ist gehend". Dasist" steht als Teil des Pipai in dem immer die Zeitmitbezeichnet ist", darin dem Verbum gleich.z) Es be-darf also einer genauen Einsicht in das, was in dieserkopulativen Verknpfung vor sich geht, welcher ArtWesen und Ursprung des kopulativen prdikativen Ur-teils ist, bevor zu dieser Frage Stellung genommen wer-den kann, ob tatschlich diese Umwandelbarkeit zuRecht besteht und der Unterschied ein bloer Unter-schied der sprachlichen Form ist, der auf keinen Unter-schied logischer Sinnesleistung verweist. Sollte aberletzteres doch der Fall sein, so entstnde das Problem,wie sich die beiden Formen, der kopulative Satz einer-seits und der Verbalsatz andererseits, zu einander ver-halten: sind es gleichursprngliche Sinnesleistungen, oderist eine, und welche von beiden, die ursprnglichere?Stellt also wirklich im Sinne der Tradition die kopu-lative Form S ist p das Grundschema des Urteils dar?Ferner wre die Frage nach der Ursprnglichkeit diesesSchemas dann auch im Hinblick auf die Tatsache auf-zurollen, da in ihm mit Selbstverstndlichkeit das Sub-jekt in der Form der III. Person eingesetzt ist. Darinliegt die Voraussetzung beschlossen, da die I. und II.Person, das Urteil in der Form des ich bin ...", du

    1 ) Vgl. De interpr., a. a. 0. und 2,Il) 9.

    6

  • bist" keine logische Sinnesleisiung zum Ausdruck bringt,die von der im bevorzugten Grundschema es ist ..."ausgedrckten abwiche eine Voraussetzung, die aucherst der Prfung bedrfte und die Frage nach der Ur-sprnglichkeit des traditionellen Grundschemas S ist pwieder in neuem Lichte zeigen wrde.

    3. Die Doppelseitigkeit der logischen The-matik. Das Evidenzproblem als Ausgangs-punkt der subjektiv gerichteten Fragestel-lungen und seine "Gberspringung in der

    Tradition.Das Urteil, an das sich alle diese Fragen knpfen,

    ist dem Logiker zunchst vorgegeben in seiner sprach-lichen Ausformung als Aussagesatz und d. i. als eineArt objektives Gebilde, als etwas, das er wie -anderesSeiendes auf seine Formen und Beziehungsweisen hinuntersuchen kann. Erkenntnis mit ihren logischen"Verfahrungsweisen hat schon immer ihr Werk getan,wenn wir uns logisch besinnen; wir haben schon immerUrteile gefllt, Begriffe gebildet, Schlsse gezogen, die nununser Erkenntnisbesitz sind, als solcher uns vorgegeben.Das heit, das Interesse, das der anfangende Logiker andiesen Gebilden hat, ist nicht bloes Interesse an irgend-welchen Gebilden von bestimmter Form, sondern In-teresse an Gebilden, die den Anspruch machen, Nieder-schlag von Erkenntnissen zu sein. Die Urteile, die erauf ihre Formen hin untersucht, treten auf als prten-dierte Erkenntnisse. Darin liegt: vor aller logischen Be-sinnung ist schon das Wissen um den Unterschied vonUrteilen, die wirkliche Erkenntnis sind, denen Wahr-heit zukommt, und solchen, die blo vermeinte, bloprtendierte Erkenntnis sind. Vor aller logischen Be-sinnung wissen wir schon um die Unterschiede des -kah-ren Urteils von dem Zunchst vermeintlich wahren und

    7

  • nachher sich eventuell als falsch herausstellenden, desrichtigen Schlusses vom Fehlschlu usw.

    Ist nun der Logiker wirklich auf eine Logik im um-fassenden und ernstlichen Sinne gerichtet, so geht dahersein Interesse auf die Gesetze der Formbildung der Ur-teile die Prinzipien und-Regeln der formalen Logik nicht als auf bloe Spielregeln, sondern als auf solche, de-nen die Formbildung gengen mu, soll durch sie Er-kenntnis berhaupt mglich werden. 1) Sie gelten fr Ur-teile rein ihrer Form nach, ganz abgesehen von dem mate-rialen Gehalt dessen, was als Urteilsgegenstand, Urteils-substrat in die leere Form eingesetzt wird. So schlieensie in sich sozusagen blo negative Bedingungenmglicher Wahrheit; ein Urteilen, das gegen sieverstt, kann zu seinem Ergebnis niemals -Wahrheit,bezw., subjektiv gesprochen. Evidenz haben; es kannkein evidentes Urteilen sein. Aber andererseits mu es,auch wenn es den Anforderungen dieser Gesetze gengt,damit noch nicht sein Ziel, die Wahrheit erreichen.Diese Einsicht zwingt zu der Frage danach, was ber dieformalen Bedingungen mglicher Wahrheit hinaus nochhinzukommen mu, soll eine Erkenntnisttigkeit ihrZiel erreichen. Diese weiteren Bedingungen liegen aufder subjektiven Seite und betreffen die subjektivenCharaktere der Einsichtigkeit, der Evidenzund die subjektiven Bedingungen ihrer Er-zielung. Durch die Tatsache, da Urteile als prten-dierte Erkenntnisse auftreten, da aber vieles von dem,was sich als Erkenntnis ausgibt, sich nachher als Tu-schung erweist, und durch die daraus folgende Notwen-digkeit der Kritik der Urteile auf ihre Wahrheit hin istalso der Logik von vornherein eine, freilich von derTradition nie in ihrem tieferen Sinne durchschaute

    1) Zum Unterschied der Wahrheitslogik von einer bloenAnalytik der Spielregeln vgl. Logik, 5 33, S. S6 ff.

    8

  • Doppelseitigkeit ihrer Problematik vorge-zeichnet: einerseits die Frage nach den Formbildungenund ihren Gesetzlichkeiten, andererseits die nach densubjektiven Bedingungen der Erreichung der Evidenz.Hier kommt das Urteilen als subjektive Ttigkeit inFrage und die subjektiven Vorgnge, in denen sich dieGebilde in ihrem Auftreten bald als evidente, bald alsnicht evidente ausweisen. Der Blick ist damit gelenktauf das Urteilen als eine Leistung des Bewutseins, inder die Gebilde mit all ihrem Anspruch, Ausdruck vonErkenntnissen zu sein, entspringen ein Problem-bereich, den die traditionelle Logik keineswegs, wie esntig gewesen wre, in das Zentrum ihrer Betrachtun-gen gestellt hat, sondern den sie der Psychologie ber-lassen zu knnen glaubte. Dadurch scheint es von derTradition her vorgezeichnet, da eine auf das Urteilenund Logisches berhaupt bezogene Ursprungsfrage kei-nen anderen Sinn haben kann als den einer subjektivenRckfrage im Stile genetischer Psychologie. Wenn wires nun ablehnen, unsere genetische Problemstellung alspsychologische kennzeichnen zu lassen, ja sie ausdrck-lich einer psychologischen Ursprungsfrage im blichenSinne entgegensetzen, so bedarf das also einer besonde-ren Rechtfertigung, die zugleich die Eigenheit der hierdurchzufhrenden Ursprungsanalysen hervortreten las-sen wird.

    Vorgreifend ist hierzu einstweilen nur folgendes zusagen. Eine genetische Urteilspsychologie des blichenSinnes ist von unserem Vorhaben einer phnomenolo-gischen Ursprungsklrung des Urteils und dann voneiner phnomenologischen Genealogie der Logik ber-haupt dadurch von vornherein geschieden, da die Pro-bleme der Evidenz, die doch den naturgemen Aus-gangspunkt jeder subjektiven Rckfrage in bezug auflogische Gebilde abgeben, von der Tradition niemalsernstlich berhaupt als Probleme verstanden und aufge-

    9

  • griffen wurden. Von vornherein glaubte man zu wissen,was Evidenz ist, an einem Ideal absoluter, apodiktischgewisser Erkenntnis glaubte man jede Erkenntnis messenzu knnen, und kam nicht auf den Gedanken, da die-ses Ideal der Erkenntnis und damit auch die Erkennt-nisse des Logikers selbst, die doch diese Apodiktizittfr sich in Anspruch nehmen, ihrerseits erst einer Recht-fertigung und Ursprungsbegrndung bedrfen knnten.So galten die psychologischen Bemhungen nie derEvidenz selbst, weder der des geradehin Urteilenden,noch der auf die Formgesetzlichkeiten des Urteilens be-zglichen (apodiktischen) Evidenz des Logikers; sie stell-ten Evidenz nicht als Problem in Frage, sondern bezogensich nur auf die Herbeifhrung der Evidenz, dieVermeidung des Irrtums durch Klarheit und Deutlich-keit des Denkens usw., womit vielfach die Logik zu einerpsychologistisch bestimmten Technologie des richtigenDenkens gestempelt wurde. Es wird zu zeigen sein, wiees kein bloer Zufall ist, da jede subjektive Rckfragein solche Bahnen- geleitet wurde, wie vielmehr aus tieflie-genden Grnden im Horizont der psychologischen Pro-blematik prinzipiell die eigentlichen und echten Pro-bleme der Evidenz gar nicht auftreten konnten.

    Dazu werden wir zunchst versuchen, uns von derArt dieser Probleme ein Bild zu machen (55 5, 6), umerst dann im Rckblick uns ber die Eigenart der beiihrer Lsung zu befolgenden Methode und ihre Trag-weite Rechenschaft abzulegen (55 7-10) und darber,was sie von einer psychologischen genetischen Methodeprinzipiell unterscheidet, sowie ber die Grnde, warumsich eine solche jener Probleme nicht bemchtigenkonnte ( x t).

    I 0

  • 4. Die Stufen des Evidenzproblems. Gegen-stndliche Evidenz als Vorbedingung mg-

    lichen evidenten Urteilens.

    Das urteilende Tun kommt bei unserer subjektivenRckfrage in Betracht als ein solches, das im Dienste desStrebens nach Erkenntnis steht. Erkenntnis wovon? Ganzallgemein gesprochen, Erkenntnis dessen was ist, des Seien-den. Soll sich auf Seiendes das Streben nach Erkenntnisrichten, das Streben von ihm auszusagen, urteilend, wases ist und wie es ist, so mu Seiendes schon vorge-geben sein. Und da Urteilen eines Zugrundeliegenden"bedarf, worber es urteilt, eines Gegenstandes-worber, so mu Seiendes so vorgegeben sein, da esGegenstand eines Urteilens werden kann. Wo immerUrteilsttigkeit, wo immer Denkttigkeit jeder Art, aus-drcklich oder nicht, ins Spiel tritt, mssen schonGegenstnde vorstellig sein, leer vorstellig oder anschau-lich selbstgegeben; alles Denken setzt vorgegebeneGegenstnde voraus. Soll es aber als urteilende Ttig-keit wirklich zu seinem Ziele, zur Erkenntnisfhren, das heit, sollen die Urteile evidenteUrteile sein, so gengt es nicht, da irgendwieirgendwelche Gegenstnde vorgegeben sind, und dasich das Urteilen auf sie richtet, dabei blo den Regelnund Prinzipien gengend, die in Hinsicht auf seineForm durch die Logik vorgezeichnet sind. Vielmehrstellt das Gelingen der Erkenntnisleistung auch seineAnforderungen an die Weise der Vorgegebenheit derGegenstnde selbst in inhaltlich er Beziehung. Siemssen ihrerseits so vorgegeben sein, da ihre Gegeben-heit von sich aus Erkenntnis und das heit evidentesUrteilen mglich macht. Sie mssen selbst evident, alssie selbst gegeben sein.

    Die Rede von Evidenz, evidenter Gegebenheit, be-sagt hier also nichts anderes als Sei b stgeg eb enheit,

  • die Art und Weise wie ein Gegenstand in seiner Gege-benheit bewutseinsmig als selbst da", leibhaft da"gekennzeichnet sein kann im Gegensatz zu seinerbloen Vergegenwrtigung, der leeren, blo indizieren-den Vorstellung von ihm. Z. B. ein Gegenstand derueren Wahrnehmung ist evident gegeben, als erselbst", eben in der wirklichen Wahrnehmung imGegensatz zur bloen Vergegenwrtigung von ihm, dererinnernden, phantasierenden usw. Als evident be-zeichnen wir somit jederlei Bewutsein, das hin-sichtlich seines Gegenstandes als ihn selbstgebendes charakterisiert ist, ohne Frage danach,ob diese Selbstgebung adquat ist oder nicht. Da-mit weichen wir von dem blichen Gebrauche desWortes Evidenz ab, das in der Regel in Fllenverwendet wird, die richtig beschrieben solche ad-quater Gegebenheit, andererseits apodiktischer Einsichtsind. Auch solche Gegebenheitsweise ist gekennzeichnetals Selbstgebung, nmlich von Idealitten, allgemeinenWahrheiten. Aber jede Art von Gegenstndenhat ihre Art der Selbstgebung Evidenz; undnicht fr jede, z. B. nicht fr raum-dingliche Gegen-stnde uerer Wahrnehmung ist eine apodiktische Evi-denz mglich. Gleichwohl haben auch sie ihre Art ur-sprnglicher Selbstgebung und damit ihre Art der Evidenz.

    In solcher evidenten" Gegebenheit eines Gegen-standes braucht unter Umstnden nichts von prdika-tiver Formung beschlossen zu sein. Ein Gegenstand alsmgliches Urteilssubstrat kann evident gegeben sein,ohne da er beurteilter in einem prdikativen Urteilsein mu. Aber ein evidentes prdikatives Urteil berihn ist nicht mglich, ohne da er selbst evident gege-ben ist. Das hat zunchst fr Urteile auf Grund der Er-fahrung nichts Befremdliches, ja hier scheint mit demHinweis auf die Fundierung der prdikativen Evidenz ineiner vorprdikativen nur eine Selbstverstndlichkeit

    12

  • ausgesprochen zu sein. Der Rckgang auf die gegen-stndliche, vorprdikative Evidenz bekommt aber seinSchwergewicht und seine volle Bedeutung erst mit derFeststellung, da dieses Fundierungsverhltnisnicht nur die Urteile auf Grund der Erfah-rung betrifft, sondern jedes mgliche evi-dente prdikative Urteil berhaupt, und damitauch die Urteile des Logikers selbst mit ihrenapodiktischen Evidenzen, die doch den Anspruchmachen, an sich" zu gelten und ohne Rcksicht aufihre mgliche Anwendung auf einen bestimmten Bereichvon Substraten. Es wird zu zeigen sein, da auch siekeine freischwebenden Wahrheiten an sich" zum Inhalthaben, sondern da sie in ihrem Anwendungsbereich be-zogen sind auf eine Welt" von Substraten, und da siedamit selber letztlich zurckverweisen auf die Bedingun-gen mglicher gegenstndlicher Evidenz, in der dieseSubstrate gegeben sind (vgl. 5 9). Sie ist die ursprnglicheEvidenz, das heit diejenige, die vorliegen mu, wennevidentes prdikatives Urteilen mglich sein soll. Wasdie fertig vorliegenden Aussagestze zu Erkenntnis-erwerbellmacht und ihren Anspruch auf Erkenntnis be-grndet, ist also nicht ihnen selbst anzusehen. Es be-darf dazu des Rckgangs auf die Weise der Vorgegeben-heit der Gegenstnde des Urteilens, ihre Selbstgegeben-heit oder Nichtselbstgegebenheit, als die Bedingung derMglichkeit fr gelingende Erkenntnisleistung, die je-dem in seiner logisch-formalen Beschaffenheit noch sountadeligen Urteilen und Urteilszusammenhang (z. B.einem Schlu) gestellt ist.

    So ergeben sich fr die Problematik der Evidenzzwei Stufen von Fragen: die eine betrifft die Evi-denz der vorgegebenen Gegenstnde selbst,bezw. ihre Bedingungen in der Vorgegebenheit, die an-dere das auf dem Grunde der Evidenz der Gegenstndesich vollziehende evidente prdikative Urteilen.

    1 3

  • Die formale Logik fragt nicht nach diesen Unterschie-den in der Weise der Vorgegebenheit der Gegenstnde.Sie fragt nur nach den Bedingungen evidenten Urteilens,aber nicht nach den Bedingungen evidenter Gegeben-heit der Gegenstnde des Urteilens. Sie betritt nicht dieerste der beiden Stufen mglicher Fragerichtungen,ebensowenig wie sie bisher von der Psychologie mitihren subjektiven Rckfragen betreten wurde. Fr diephnomenologische Aufklrung der Genesis des Urtei-lens ist aber diese Rckfrage ntig; sie macht es erstsichtbar, was hinzukommen mu ber die Erfllung derformal-logischen Bedingungen mglicher Evidenz hin-aus, damit das Urteilen als eine Ttigkeit, die ihremWesen nach auf Erkenntnis, auf Evidenz gerichtet ist,wirklich dieses sein Ziel erreichen kann. Fr sie hat dieFrage nach der evidenten Gegebenheit der Gegenstndedes Urteilens, der Denkinhalte, als der Voraussetzungjeglicher Urteilsevidenz, sowohl der des geradehinUrteilenden als auch der auf die Formgesetzlichkeitendieses Urteilens bezglichen Evidenzen des Logikers selbst,den Vorrang. Gegenstndliche Evidenz ist die ursprng-lichere, weil die Urteilsevidenz erst ermglichende, unddie Ursprungsklrung des prdikativen Urteils muverfolgen, wie sich auf gegenstndliche Evidenz das evi-dente prdikative Urteilen aufbaut; und das zunchstfr die primitivsten Leistungen prdikativen Urteilens.

    5 5. Der Rckgang von der Urteilsevidenzauf gegenstndliche Evidenz.

    a) Bloes Urteilen als intentionale Modifikation evi-denten Urteilens.

    Aber die Gegenberstellung von gegenstndlicherEvidenz, Evidenz der Gegebenheit der Urteilssubstrate,und Urteilsevidenz selbst gengt in dieser Allgemeinheit

  • noch nicht, um zu verstehen, wo solche ursprnglicheEvidenz zu suchen ist, welcher Art sie ist, und was derSinn dieser Ursprnglichkeit eigentlich ist. Es bedarfdazu eines Rckganges in mehreren Stufen, umwirklich zu letztursprnglichen gegenstndlichen. Evi-denzen zu gelangen, die dann den notwendigen Aus-gangspunkt fr jede Ursprungsldrung des Urteils bildenmssen.

    Zunchst sind uns ja vorgegeben die Aussagen, dieGebilde als prtendierte Erkenntnisse. Solange wir beider Betrachtung der Urteile hinsichtlich ihrer bloenForm bleiben, sind sie uns in gleicher Ursprnglichkeitvorgegeben, ob es sich dabei um wirkliche Erkenntnisoder um blo prtendierte, bloe Urteile handelt, undwohl in viel grerem Mae um bloe Urteile. Auch inden mythischen ersten Anfngen des Erkennens geht jadas mannigfaltigste Urteilen aus Tradition jeder Formmit dem wirklich erkennenden Urteilen Hand in Hand,dieses an Flle weit berragend. Aber sobald wir diesesmannigfach vorgegebene Urteilen verschiedenster Formnach dem Unterschiede von Evidenz, wirklicher Er-kenntnis, und Nichtevidenz, blo prtendierter Erkennt-nis, bloem Urteil befragen, gengt es nicht mehr, dievorgegebenen Urteile blo auf ihre Form anzusehen, siedazu blo lesend nachzuverstehen, eigentlich urteilendnachzuurteilen; sondern wir mssen sie dazu hinsichtlichder Erkenntnisakte nachvollziehen, in denen sie als ur-sprngliche Erkenntnisergebnisse geworden sind undjederzeit in Wiederholung neu werden knnen wer-den als dieselben, die schon geworden sind und doch imwieder" ursprnglich werden. Suchen wir so die phno-menologische Genesis der Urteile in der Ursprnglich-keit ihrer Erzeugung auf, so zeigt es sich, da bloesUrteilen eine intentionale Modifikation vonerkennendem Urteilen ist. Ein ursprnglich evidenterzeugtes Urteil, eine Erkenntnis, die einmal in Einsich-

    15

  • tigkeit ursprnglich erworben wurde, kann ja jederzeituneinsichtig, wenn auch in Deutlichkeit reproduziertwerden.') Denken wir etwa an das erstmalige verstnd-nisvolle Nachvollziehen eines mathematischen Lehrsatzesund sein nachheriges mechanisches" Reproduzieren.So gilt es allgemein, da an sich betrachtet in jedemBewutseins-ich Erkenntnisse, zunchst Erkenntnisseniederster Stufe, dann hherer vorangegangen sein ms-sen, damit in ihrer Folge bloe Urteile mglich werden.Das sagt nicht, da bloe Urteile in jedem Falle Er-innerungsniederschlge derselben Urteile als Erkenntnis-urteile seien auch widersinnige Einflle, die, im Mo-ment geglaubt, als Urteile auftreten, sind intentionaleUmwandlungen vorgngiger Erkenntnisse, in welcherintentionalen Mittelbarkeit immer. So sind die unmittel-baren Urteile, gedacht als in der Unmittelbarkeit dererkennend genannten Erzeugungsweise stehend, die ur-sprnglichsten in der Welt des Urteilens, und zwar zu-nchst eines jeden einzelnen Urteilssubjektes.

    Man sieht hier bereits, in welchem Sinne es sichum Fragen der Genesis handeln wird. Es ist nicht dieerste (historische und im Individuum selbst in ent-sprechendem Sinne historische) Genesis, und nicht eineGenesis der Erkenntnis in jedem Sinne, sondern die-jenige Erzeugung, durch die, wie Urteil, so Erkenntnisin ihrer Ursprungsgestalt, der der Selbstgegebenheit, ent-springt eine Erzeugung, die beliebig wiederholt immerwieder Dasselbe, dieselbe Erkenntnis ergibt. Erkenntnisist eben wie Urteil, Geurteiltes als solches, kein reellesMoment des erkennenden Tuns, das in der Wieder-holung Desselben nur ein immer wieder gleiches wre,sondern ein in der Art Immanentes", da es in derWiederholung selbstgegeben ist als Identisches der Wie-derholungen. Mit einem Worte, es ist nicht reell oder

    1) Zur Evidenz der Deutlichkeit vgl. Logik 5 16, a, S. 49 ff.

    16

  • individuell Immanentes, sondern irreal Immanentes,Cberzeitliches.

    b) Mittelbare und unmittelbare Evidenzen und die Not-wendigkeit des Rckgangs auf die schlicht unmittelbaren

    Erkenntnisse.Haben wir so innerhalb der uns vorgegebenen Man-

    nigfaltigkeit der Urteile die evidenten, in ursprnglicherEvidenz im Wieder nachvollziehbaren von den nichtevidenten und nicht zur Evidenz zu bringenden ge-schieden, so gengt es noch nicht, aus der Zahl der evi-denten Urteile ein beliebiges Exempel zu whlen, um anihm das Entspringen prdikativer Evidenz aus gegen-stndlicher, vorprdikativer Evidenz zu studieren. Viel-mehr stehen ja auch die evidenten Urteile unter demGegensatze der Mittelbarkeit und Unmittelbarkeit. Diemittelbaren, z. B. die Konklusion eines Schlusses, sindErgebnisse von Begrndungen, die auf unmittelbare Er-kenntnis zurckleiten. Sie sind nur wirklich als Erkennt-nis aktuell, wenn der ganze Begrndungszusammenhangals synthetisch einheitlicher Einheit einer aktuellen Er-kenntnis ist. Nur in ihr entspringt fr das mittelbarBegrndete selbst ein Charakter ihm aktuell zukommen-der, aber eben mittelbar zukommender Erkenntnis, soda die mittelbaren Erkenntnisse nicht fr sich mitihrem Erkenntnischarakter erzeugbar sind Ein Folge-satz kann nur zur Evidenz (und das besagt hier: zur Evi-denz der Wahrheit, nicht zur bloen Evidenz der Deut-lichkeit) gebracht werden, wenn auch die Prmissen zurEvidenz zu bringen sind und gebracht werden. So ist esalso nicht beliebig, welcher Art die evidenten Urteilesind, die wir heranziehen mssen, wenn wir die Fun-dierung der Urteilsevidenz in gegenstndlicher Evidenzverfolgen wollen. Von mittelbaren Urteilsevidenzen,mittelbaren Erkenntnissen fhrt kein direkter Weg zu

    2 Husserl, Erfahrung und Urteil I7

  • den sie fundierenden gegenstndlichen Evidenzen, da sieja selbst ihrerseits noch in anderen, den unmittelbarenErkenntnissen fundiert sind. Bevor wir die Formen mit-telbarer Erkenntnisse und Erkenntnisbegrndungen stu-dieren knnen, mssen wir also zunchst die der un-mittelbaren, der schlich testen Erkenntnisse, bezw.Erkenntnisaktivitten studieren. Sie sind in der Erkennt-nisgenesis, in der Formbildung der Erkenntniserzeugungdie ursprnglichsten. Das heit, es sind Leistungen,die schon vollzogen sein mssen, wenn die mittelbarenmglich werden sollen. Und sie sind offenbar in denihrer Form nach einfachen Urteilen zu suchen, in den-jenigen also, die nicht schon durch ihre Form, z. B.Form des Folgesatzes, sich als von anderen Urteilen ab-hngig erweisen hinsichtlich ihrer mglichen Begrn-dung und Evidentmachung.

    c) Die unmittelbaren, letzten" Urteile bezogen aufIndividuen als letzte Gegenstnde-worber (letzte Sub-

    strate).Aber auch das gengt noch nicht, da wir auf die

    ihrer Form nach schlichten und unmittelbaren Urteilezurckgehen. Nicht jedes beliebige Urteil solcher ein-fachen Form kann in gleicher Weise dazu dienen, um anihm die Fundierung der Urteilsevidenz in gegenstnd-licher Evidenz zu verfolgen und zu verstehen, waseigentlich unter dem Titel gegenstndlicher Evidenzzum Problem steht. Es betrifft die Weise der Vorgege-benheit der Urteilssubstrate. Aber Urteilssubstrat,Gegenstand-worber kann alles und jedes, jedes Et-was berhaupt werden; der formale Charakter derlogischen Analytik beruht ja gerade darin, da sie nachder materialen Beschaffenheit des Etwas nicht fragt, dafr sie die Substrate nur hinsichtlich der kategorialenForm, die sie im Urteil annehmen (Subjektform, Prdi-

  • katform usw.), in Betracht kommen, im brigen aberganz unbestimmt gelassen bleiben, symbolisch angedeu-tet als das S, das p, was nichts anderes besagt als be-liebig auszufllende Leerstellen. Z. B. die Form des kate-gorischen Urteils und des nheren des adjektivisch be-stimmenden sagt nichts darber, ob Urteilssubjekt undUrteilsprdikat nicht selbst schon kategoriale Formen inihrem Kerne enthalten; das Subjekt S, als Form verstan-den, besondert sich formal ebensogut durch einen nochunbestimmten Gegenstand S wie durch S, welches aist", S, welches b ist" oder S, welches in Relation zuQ steht" usw. So lassen es auch die einfachen Urteils-formen wie S ist p" bei der Unbestimmtheit, in derdie Formalisierung die Termini belt, in der Vereinze-lung durch wirkliche Urteile offen, ob sie in der Tatunmittelbar auf Formung von letzten Substraten zu-rckgehende Formen sind, oder ob sie nicht an Stelleder Termini schon Gegenstnde-worber enthalten, dieihrerseits selbst schon kategoriale Gebilde sind, und dasheit solche, die auf ein frheres Urteil verweisen, indem ihnen diese Formbildungen zuwuchsen. Der Begriffdes Gegenstandes als Etwas berhaupt, als mglichesUrteilssubstrat berhaupt gengt also in der formalenLeerheit, in der er von der formalen Logik gebrauchtwird, nicht, um uns schon an ihm das studieren zu las-sen, was wir gegenstndliche Evidenz im Gegensatz zurUrteilsevidenz nennen. Denn solche kategorialen For-mungen, attributive etwa, wie sie bereits im Urteils-gegenstand enthalten sein knnen, verweisen ja zurck(und wie, das wird spter zu verfolgen sein) auf frhereUrteile, in denen ursprnglich prdikativ diesem Gegen-stand dieses Attribut zugesprochen wurde, verweisenalso auf eine Evidenz, die ihrerseits selbst schon Urteils-evidenz ist. Wollen wir also in den Bereich gelangen,in dem so etwas wie gegenstndliche Evidenz im Gegen-satz und als Voraussetzung von Urteilsevidenz mglich

    2*

    '9

  • ist, so mssen wir innerhalb der mglichen Urteilsgegen-stnde, Urteilssubstrate selbst noch unterscheiden zwi-chen solchen, die selber schon Niederschlge frherenUrteilens mit kategorialen Formen an sich tragen, undsolchen, die wirklich ursprngliche Substrate, erstmaligin das Urteil als Substrate eintretende Gegenstnde sind,letzte Substrate. Nur sie knnen es sein, andenen sich zeigen lt, was ursprngliche gegenstnd-liche Evidenz im Gegensatz zur Urteilsevidenz ist.

    Was kann in bezug auf letzte Substrate evidenteGegebenheit besagen? Die formale Logik kann berein letztes Substrat nichts weiter aussagen, als da eskategorial noch gnzlich ungeformtes Etwas ist, einSubstrat, das noch nicht in ein Urteil eingetreten ist undin ihm eine Formung angenommen hat, das so, wie esevident, als es selbst gegeben ist, erstmalig Urteils-substrat wird. Darin liegt aber zugleich, da ein solchesSubstrat nur ein individueller Gegenstand sein kann.Denn jede, auch die primitivste Allgemeinheit undMehrheit weist schon zurck auf ein Zusammennehmenmehrerer Individuen und damit auf eine mehr oder we-niger primitive logische Aktivitt, in der die Zusammen-genommenen bereits eine kategoriale Formung, eineAllgemeinheitsformung erhalten. UrsprnglicheSubstrate sind also Individuen, individuelleGegenstnde; und jedes erdenkliche Urteil hat letz t-lich Beziehung auf individuelle Gegenstnde, wennauch vielfltig vermittelt. Sind Allgemeingegenstndlich-keiten seine Substrate, so weisen diese ja letztlich selbstwieder zurck auf Allgemeinheitserfassung, die sich ebenauf eine Mehrheit von vorgegebenen Individuen er-streckt. Das gilt schlielich auch fr die ganz unbe-stimmten, formal-analytischen Allgemeinheiten; denndie auf sie bezglichen Wahrheiten sind eben Wahr-heiten fr einen beliebig offenen Umfang individuellerGegenstnde, haben auf ihn Anwendung.

    20

  • 5 6. Erfahrung als Evidenz individuellerGegenstnde. Theorie der vorprdikativenErfahrung als erstes Stck der genetischen

    Urteilstheorie.

    Die Frage nach dem Charakter der gegenstnd-lichen Evidenz ist also Frage nach der evidenten Gege-benheit von Individuen. Und Evidenz von indivi-duellen Gegenstnden macht im weitestenSinne den Begriff der Erfahrung aus. 1) Erfahrungim ersten und prgnantesten Sinne ist somit als direkteBeziehung auf Individuelles definiert. Daher sind die ansich ersten Urteile als Urteile mit individuellen Sub-straten, Urteile ber Individuelles, die Erfahrung s-urteile. Die evidente Gegebenheit von individuellenGegenstnden der Erfahrung geht ihnen voran, d. i. ihrevorprdikative Gegebenheit. Die Evidenz der Erfahrungwre sonach die von uns gesuchte letztursprnglicheEvidenz und damit der Ausgangspunkt der Ursprungs-klrung des prdikativen Urteils. Theorie der vor-prdikativen Erfahrung, eben derjenigen, die dieursprnglichsten Substrate in gegenstndlicher Evidenzvorgibt, ist das an sich erste Stck der phno-menologischen Urteilstheorie. Bei dem vorpr-dikativen Erfahrungsbewutsein hat die Untersuchungeinzusetzen und von ihm aus aufsteigend das Entsprin-gen der hherstufigen Evidenzen zu verfolgen.

    Dabei ist der Begriff der Erfahrung so weit zu fas-sen, da darunter nicht nur die Selbstgebung individuel-len Daseins schlechthin verstanden ist, also die Selbst-gebung in Seinsgewiheit, sondern auch die Modalisie-rung dieser Gewiheit, die sich in Vermutlichkeit,Wahrscheinlichkeit usw. wandeln kann; ja nicht nurdies, sondern auch die Erfahrung im Modus des Als ob,

    1 ) Vgl. Logik, S. i8 x ff.

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  • die Gegebenheit von Individuellem in der Phantasie, diein einer entsprechenden, frei mglichen Einstellungs-nderung zur positionalen Erfahrung eines mglichenIndividuellen wird.

    Indessen gengt dieser allgemeine und noch mehroder weniger leere Begriff der Erfahrung, wie er bis-her gewonnen wurde, keineswegs, um den Sinn des ge-forderten Rckganges zu verstehen und um insbeson-dere zu verstehen, inwiefern eine solche Ursprungs-klrung, die die Fundierung der prdikativen Eviden-zen in Erfahrungsevidenzen aufsucht, keine Frage psy-chologischer Genesis ist und es auch prinzipiell nichtsein kann. berdies wird auch der Logiker noch ge-ngend Einwnde gegen diesen Rckgang bereit haben.Selbst wenn er eine Evidenz der Erfahrung zugeben unddamit unsere Erweiterung des Evidenzbegriffs fr zu-lssig ansehen sollte, wird ihm doch naturgem dieUrteilsevidenz als die bessere erscheinen, als diejenige,bei der erst von Wissen und Erkenntnis im eigentlichenSinne die Rede sein kann. Was soll da der Rckgangaus dem Bereich der Episteme in denjenigen der Doxa,in einen Bereich vager Erfahrung mit ihrem trgeri-schen Schein"? Bleibt nicht das prdikative Urteilenallein der Sitz des Wissens, der echten und eigentlichenEvidenz? Selbst wenn man der Erfahrung eine Art vonEvidenz zuspricht und zugibt, da sie der prdikativenEvidenz genetisch voranliegt, ist ihre Evidenz nicht vonminderer Gte? Was soll dann eine Ursprungsklrungdes Urteils leisten, die von seiner Evidenz zurckfhrtin eine Dimension von offenbar minderem Range? Wiesoll das Wesen des Besseren durch Rckgang auf dasMindere geklrt werden knnen?

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  • 7. Welt als universaler Glaubensboden frjede Erfahrung einzelner Gegenstnde vor-

    gegeben.

    Um alle diese Fragen zu beantworten, bedarf esnoch tieferer Einsicht in Wesen und Struktur dervorprdikativen Erfahrung. Knpfen wir dazu an schonGesagtes an. Der Begriff der Erfahrung als Selbstgebungindividueller Gegenstnde wurde so weit gefat, danicht nur die Selbstgebung individueller Gegenstndeim Modus der schlichten Gewiheit darunter fllt,sondern auch die Modifikationen dieser Gewiheit, jaauch die Als-ob-modifikationen wirklicher Erfahrung.Ist das auch alles mit einbezogen in den Begriff der Er-fahrung, so hat doch die Erfahrung in Seinsgewiheiteine besondere Auszeichnung. Nicht nur, da sich jedesPhantasieerlebnis, jede Als-ob-modifikation der Erfah-rung eben als Modifikation, als Abwandlung und Um-bildung frherer Erfahrungen gibt und genetisch aufsie zurckweist, auch die Modalisierungen der schlich-ten Glaubensgewiheit in Vermutlichkeit, Wahrschein-lichkeit usw. sind Modifikationen eines ursprnglichenschlichten Glaubensbewutseins, in dem zunchst allesSeiende der Erfahrung fr uns einfach vorgegeben ist solange nicht der weitere Verlauf der Erfahrung ebenAnla zum Zweifel, zur Modalisierung jeder Art gibt.Vor jedem Einsatz einer Erkenntnisttigkeit sind schonimmer Gegenstnde fr uns da, in schlichter Gewiheitvorgegeben. Jeder Anfang des erkennenden Tuns setztsie schon voraus. Sie sind fr uns da in schlichter Ge-wiheit, das heit als vermeintlich seiend und so seiend,als uns vor der Erkenntnis schon geltende, und das inverschiedener Weise. So sind sie als schlicht vorgegebeneAnsatz und Anreiz fr die Erkenntnisbettigung, in dersie Form und Rechtscharakter erhalten, zum durch-gehenden Kern von Erkenntnisleistungen werden, deren

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  • Ziel heit wahrhaft seiender Gegenstand", Gegenstand,wie er in Wahrheit ist. Vor dem Einsatz der Er-kenntnisbewegung haben wir vermeinte Gegenstnde",schlicht in Glaubensgewiheit vermeint; solange bis derweitere Verlauf der Erfahrung oder die kritische Ttig-keit des Erkennens diese Glaubensgewiheit erscht-tert, sie in nicht so, sondern anders", in vermutlichso" usw. modifiziert, oder auch den vermeinten Gegen-stand als wirklich so seiend" und wahrhaft seiend"in seiner Gewiheit besttigt. Wir knnen auch sagen:vor jeder Erkenntnisbewegung liegt schon der Gegen-stand der Erkenntnis als Dynamis, die zur Entelechiewerden soll. Mit dem Voranliegen ist gemeint: er affiziertals im Hintergrund in unser Bewutseinsfeld tretender,oder auch: er ist schon im Vordergrund, er ist sogarschon erfat, weckt aber erst dann das gegenber allenanderen Interessen der Lebenspraxis ausgezeichnete Er-kenntnisinteresse". Dem Erfassen aber liegt immer vorandie Affektion, die nicht ein Affizieren eines isolierteneinzelnen Gegenstandes ist. Affizieren heit Sichheraus-heben aus der Umgebung, die immer mit da ist, dasInteresse, eventuell das Erkenntnisinteresse auf sich Zie-hen. Die Umgebung ist mit da als ein Bereich derVorgegebenheit, einer passiven Vorgegebenheit,das heit einer solchen, die ohne jedes Zutun, ohne Hin-wendung des erfassenden Blickes, ohne alles Erwachendes Interesses immer bereits da ist. Diesen Bereich pas-siver Vorgegebenheit setzt alle Erkenntnisbettigung,alle erfassende Zuwendung zu einem einzelnen Gegen-stande voraus; er affiziert aus seinem Felde heraus, erist Gegenstand, Seiendes unter anderem, schon vor-gegeben in einer passiven Doxa, in einem Feld, dasselbst eine Einheit passiver Doxa darstellt. Wir knnenauch sagen, aller Erkenntnisbettigung voran liegt alsuniversaler Boden eine jeweilige Welt; und das besagtzunchst, ein Boden universalen passiven Seinsglaubens,

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  • den jede einzelne Erkenntnishandlung schon voraussetzt.Alles, was als seiender Gegenstand Ziel der Erkenntnisist, ist Seiendes auf dem Boden der selbstverstndlich alsseiend geltenden Welt. Einzelnes vermeintlich Seiendesin ihr mag sich als nicht seiend herausstellen, Erkennt-nis mag im einzelnen Korrektur von Seinsmeinungenbringen; aber das heit nur, da es statt so anders ist,anders auf dem Boden der im Ganzen seienden Welt.

    Dieser universale Boden des Weltglaubensist es, den jede Praxis voraussetzt, sowohl die Praxis desLebens als auch die theoretische Praxis des Erkennens.Das Sein der Welt im Ganzen ist die Selbstverstndlich-keit, die nie angezweifelt und nicht selbst erst durchurteilende Ttigkeit erworben ist, sondern schon dieVoraussetzung fr alles Urteilen bildet. Wel tb e wu. t-sein ist Bewutsein im Modus der Glau-bensgewiheit, nicht durch einen im Lebens-zusammenhang eigens auftretenden Akt der Seins-setzung, der Erfassung als daseiend oder gar desprdikativen Existenzialurteils erworben. All dassetzt schon Weltbewutsein in Glaubensgewiheitvoraus. Erfasse ich in Sonderheit in meinem Wahr-nehmungsfeld, z. B. auf ein Buch auf dem Tisch hin-sehend, irgendein Objekt, so erfasse ich ein fr michSeiendes, das schon vorher fr mich seiend, schondort" war, in meinem Studierzimmer", auch wennich noch nicht darauf gerichtet war; ebenso wie diesesganze Studierzimmer, das jetzt im Wahrnehmungsfeldevertreten ist, mit allen wahrnehmungsmig abgehobe-nen Gegenstnden schon fr mich war, in eins mit derungesehenen Seite des Zimmers und seinen vertrau-ten Sachen, mit dem Sinne Zimmer meiner Woh-nung" in der vertrauten Strae, Strae in meinemWohnort usw. So affiziert alles Seiende, das unsaffiziert, auf dem Boden der Welt, es gibt sich unsals vermeintlich Seiendes; und Erkenntnisttigkeit

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  • Urteilsttigkeit geht darauf, es zu prfen, ob es als das,wie es sich gibt, wie es vorweg vermeint ist, wahr-haft ist und wahrhaft so und so seiendes ist. Welt alsseiende Welt ist die universale passive Vor-gegebenheit aller urteilenden Ttigkeit, alleseinsetzenden theoretischen Interesses. Und wenn es auchdie Eigenart des sich konsequent auswirkenden theoreti-schen Interesses ist, da es letztlich auf Erkenntnis derAllheit des Seienden, und das heit hier der Welt, ge-richtet ist, so ist dies doch bereits ein Spteres. Welt alsGanzes ist immer schon passiv in Gewiheit vorgegeben,und genetisch ursprnglicher als die Richtung auf ihreErkenntnis als Ganzes ist die auf einzelnes Seiendes, eszu erkennen sei es, da es in seinem Sein oder Soseinzweifelhaft geworden ist und der kritischen Prfungdurch erkennendes Tun bedarf, sei es, da es, in seinemSein unzweifelhaft, fr die Zwecke einer Praxis nacheingehender Betrachtung verlangt.

    5 8, Die Horizontstruktur der Erfahrung;typische Vorbekanntheit jedes einzelnen

    Gegenstandes der Erfahrung.Da aber jede Erfassung eines einzelnen Gegen-

    standes und jede weitere Bettigung der Erkenntnis sichauf dem Boden der Welt abspielt, besagt noch mehr alsdas Angewiesensein der Erkenntnisttigkeit auf einenBereich des in passiver Gewiheit Vorgegebenen. Nie-mals vollzieht sich eine Erkenntnisleistung an indivi-duellen Gegenstnden der Erfahrung so, als ob dieseerstmalig vorgegeben wren als noch gnzlich unbe-stimmte Substrate. Welt ist fr uns immer schon einesolche, in der bereits Erkenntnis in der mannigfaltig-sten Weise ihr Werk getan hat; und so ist es zweifellos,da es keine Erfahrung im erstlich-schlichten Sinneeiner Dingerfahrung gibt, die, erstmalig dieses Ding er-fassend, in Kenntnis nehmend, nicht schon von ihm

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  • mehr wei", als dabei zur Kenntnis kommt. Jede Er-fahrung, was immer sie im eigentlichen Sinne erfhrt,als es selbst zu Gesicht bekommt, hat eo ipso, hat not-wendig ein Wissen und Mitwissen hinsichtlich eben die-ses Dinges, nmlich von solchem ihm Eigenen, was sienoch nicht zu Gesicht bekommen hat. Dieses Vorwissenist inhaltlich unbestimmt oder unvollkommen bestimmt,aber nie vollkommen leer, und wenn es nicht mitgeltenwrde, wre die Erfahrung berhaupt nicht Erfahrungvon einem und diesem Ding. Jede Erfahrung hat ihrenErfahrungshorizont; jede hat ihren Kern wirk-licher und bestimmter Kenntnisnahme, hat ihren Gehaltan unmittelbar selbstgegebenen Bestimmtheiten, aber berdiesen Kern bestimmten Soseins hinaus, des eigentlich alsselbst da" Gegebenen hinaus, hat sie ihren Horizont.Darin liegt: jede Erfahrung verweist auf die Mglich-keit, und vom Ich her eine V er -rnglichkeit, nicht nurdas Ding, das im ersten Erblicken Gegebene, nach demdabei eigentlich Selbstgegebenen schrittweise zu expli-zieren, sondern auch weiter und weiter neue Bestim-mungen von demselben erfahrend zu gewinnen. JedeErfahrung ist auszubreiten in eine Kontinuitt undexplikative Verkettung von Einzelerfahrungen, synthe-tisch einig als eine einzige Erfahrung, eine offen end-lose von Demselben. Ich mag fr meine jeweiligenZwecke an dem wirklich schon Erfahrenen genug haben,aber dann breche ich eben ab" mit dem es ist genug".Ich kann mich aber berzeugen, da keine Bestimmungdie letzte ist, da das wirklich Erfahrene noch immer,endlos, einen Horizont mglicher Erfahrung hat vonDemselben. Und dieser in seiner Unbestimmtheit ist imvoraus in Mitgeltung als ein Spielraum von Mglich-keiten, als einen Gang der Nherbestimmung vorzeich-nend, die erst in der wirklichen Erfahrung fr die be-stimmte Mglichkeit entscheidet, sie verwirklichendgegenber anderen Mglichkeiten.

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  • So hat jede Erfahrung von einem einzelnen Dingihren Innenhorizont; und "Horizont" bedeutethierbei die wesensmig zu jeder Erfahrung gehrigeund von ihr untrennbare Induktion in jeder Erfah-rung selbst. Das Wort ist ntzlich, da es vordeutet(selbst eine Induktion") auf die Induktion im gewhn-lichen Sinne einer Schluweise und darauf, da dieseletztlich bei ihrer wirklich verstehenden Aufklrungzurckfhrt auf die originale und ursprngliche Antizi-pation. Von dieser aus mu also eine wirkliche Theo-rie der Induktion" (um die man sich so viel und so ver-geblich bemht hat) aufgebaut werden. Doch das seian dieser Stelle nur nebenbei gesagt, uns kommtes hier nur auf die Horizontstruktur der Erfahrung an.

    Diese ursprngliche Induktion" oder Antizipationerweist sich als ein Abwandlungsmodus ursprnglichstiftender Erkenntnisaktivitten, von Aktivitt und ur-sprnglicher Intention, also ein Modus der Intentiona-litt", eben der ber einen Kern der Gegebenheit hinaus-meinenden, antizipierenden; aber hinausmeinend nichtnur in der Weise eines Antizipierens von Bestimmun-gen, die als sich herausstellende an diesem erfahrenenGegenstande jetzt erwartet werden, sondern auch nachanderer Seite hinausmeinend ber dieses Ding selbst mitallen seinen antizipierten Mglichkeiten knftiger Wei-terbestimmung, hinausmeinend auf die anderen mit ihmzugleich, wenn auch zunchst blo im Hintergrund be-wuten Objekte. Das heit, jedes erfahrene Ding hatnicht nur einen Innenhorizont, sondern es hat aucheinen offen endlosen Auenhorizont von Mit-objekten (also einen Horizont zweiter Stufe, bezogenauf den Horizont erster Stufe, sie implizierend), vonsolchen, denen ich zwar im Augenblick nicht zugewen-det bin, denen ich mich aber jederzeit zuwenden kannals von dem jetzt erfahrenen verschiedenen oder ihnenin irgendeiner Typik gleichen. Aber bei aller antizipato-

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  • risch bewuten mglichen Verschiedenheit der anderenObjekte ist doch eines ihnen allen gemeinsam: alle je-weils zugleich antizipierten oder auch nur mit imHintergrunde als Auenhorizont bewuten Realen sindbewut als reale Objekte (bezw. Eigenschaften, Relatio-nen etc.) au s der Welt, als in dem einen raum-zeitlichenHorizont seiende.

    Dies gilt zunchst unmittelbar fr die Welt schlich-ter, sinnlicher Erfahrung 1), fr die pure Natur. Es giltaber mittelbar auch fr alles Weltliche, das heit auch frmenschliche und tierische Subjekte als Subjekte der Welt,fr Kulturgter, Gebrauchsdinge, Kunstwerke usw. AllesWeltliche hat Anteil an der Natur. Die Naturalisierungdes Geistes ist nicht eine Erfindung der Philosophen sie ist, wenn sie falsch gedeutet und verwertet wird,ein Grundfehler, aber eben nur dann. Aber sie hat ihrenGrund und ihr Recht darin, da mittelbar oder unmit-telbar in der raum-zeitlichen Sphre alles, was weltlich-real ist, seine Stelle hat; alles ist hier oder dort, und derOrt ist bestimmbar, wie Orte berhaupt es sind, eben-so wie alles raum-zeitlich ist, also zeitlich bestimmbardurch physikalische Instrumente, mgen es Sanduhrenoder Pendeluhren oder sonstige Chronometer sein. Da-mit hat auch alles Unsinnliche an der Sinnlichkeit An-teil; es ist Seiendes aus der Welt, in dem einen raum-zeitlichen Horizont Seiendes.

    Existenz eines Realen hat sonach nie undnimmer einen anderen Sinn als In exist en z, als Seinim Universum, im offenen Horizont der Raum-zeitlich-keit, dem Horizont schon bekannter und nicht blojetzt aktuell bewuter, aber auch unbekannter, mg-licherweise zur Erfahrung und knftigen Bekanntheitkommender Realen. Die Einzelapperzeptionen macheneinzelnes Reales bewut, aber unweigerlich mit einem,

    1) Zum Unterschied schlichter und fundierter Erfahrungvgl. unten 5 rz.

  • wenn auch nicht thematisch werdenden Sinnbestand,der ber sie, ber den gesamten Bestand an einzelnenApperzipierten hinausreicht. im Fortgang von dem je-weiligen Bestand an angesetzten Einzelapperzeptionenzu einem neuen Bestand herrscht synthetische Einheit;das neu Apperzipierte besitzt gleichsam den vordemnoch leeren, noch inhaltlich unbestimmten Horizont anVorgeltung, den sinn-erfllenden, der schon vorgezeich-net, aber noch nicht besondert und bestimmt ist. So iststndig ein Geltungshorizont, eine Welt in Seinsgeltung,ber das jeweils in Einzelheit und relativer Bestimmt-heit Ergriffene und zur Geltung Gebrachte hinaus Anti-zipation in stndiger Bewegung der besondernden undbesttigenden Erfllung.

    Damit haftet jeder Einzelapperzeption, jedem jewei-ligen Gesamtbestand an Einzelapperzeptionen eine S in-n es tr a n s zen d en z an, einerseits in Hinsicht auf diebestndig antizipierte Potenzialitt mglicher neuerEinzelrealen und realer Gesamtgruppen als knftig imGang der Verwirklichung des Ins-Bewutsein-tretensaus der Welt zu erfahrender, andererseits auch alsInnenhorizont in jedem schon auftretenden Realenhinsichtlich des Bestandes an noch nicht apperzipiertenMerkmalen. Jedes in die Erfahrung als neu eintretendeReale steht im Welthorizont und hat als das seinenInnenhorizont. In der thematischen Wahrnehmung wirdes bekannt, indem es sich whrend der Strecke des Er-fahrens (wie weit sie jeweils reichen mag) als selbst dakontinuierlich darstellt, sich dabei in seine einzelnenMerkmale, seine Wasmomente auslegend; sie ihrer-seits sind hierbei auch bewut als sich selbst dar-stellende, aber eben mit dem Sinn solcher, in de-nen das Reale sich zeigt als das, was es ist. Auf dieStruktur solcher Explikation werden wir bald aus-fhrlich eingehen mssen. Alles, was sich so zeigt undschon vor der Explikation des Wahrgenommenen im-

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  • plizit da ist, gilt wesensmig als das vom Realen, wasin dieser Wahrnehmung eigentlich zur Wahrneh-mung kommt. Es selbst ist mehr als das jeweils zuaktueller Kenntnis Kommende und schon Gekommene:es ist mit dem Sinn, den ihm sein Innenhorizont" stn-dig mitteilt; die gesehene Seite ist nur Seite, sofern sieungesehene Seiten hat, die als solche sinnbestimmendantizipiert sind. Auf sie knnen wir uns jeweils thema-tisch richten, wir knnen nach ihnen fragen, wir kn-nen sie uns veranschaulichen; etwa nachdem die Wahr-nehmung abgebrochen ist und aus dem Kennenlernendie Fortgeltung als erworbene und noch lebendige"Kenntnis geworden ist (die Bekanntheit des Realen hin-sichtlich des davon eigentlich bekannt Gewordenen),knnen wir uns im voraus vorstellig machen, was wei-tere Wahrnehmung htte bringen knnen und mssenals zum Realen selbst gehrig. Jede solche Vorver-anschaulichung des apriori" diesem Realen Zuzurech-nenden hat aber die Wesenseigenheit unbestimmterAllgemeinheit. Das sagt: machen wir uns z. B. hinsicht-lich der visuellen Rckseite eines Dinges die visuelleVorveranschaulichung, so gewinnen wir zwar eine ver-gegenwrtigende Anschauung (hnlich wie eine Wieder-erinnerung), aber nicht eine feste, eine uns individuellbindende Bestimmtheit, wie das bei einer Wiedererinne-rung der Fall ist beiderseits voll ausgebreitete Klar-heit vorausgesetzt. Sowie wir wirklich zu innerer Be-stimmtheit fortschreiten, wird uns die Willkr der sichergebenden und nunmehr als Farbe des Dinges durch-zuhaltenden Farbe bewut. Jede Vorveranschaulichungvollzieht sich in einer mitbewuten flssigen Variabili-tt, im Bewutsein Varianten fixieren zu knnen, z. B.als eine bestimmte Farbe, aber als freie Variante, fr diewir ebensogut eine andere eintreten lassen knnten.

    Andererseits ist die Willkr doch nicht schranken-los. Im Schwanken der Vorveranschaulichung, im ber-

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  • gang von einer Variante oder Richtung auf eine zeitweisefestgehaltene zu einer anderen bleiben wir in der Ein-heit der Antizipation, nmlich derjenigen von der Farbeder Rckseite, die aber als Antizipation unbestimmtallgemein ist, in typischer Weise Bestimmtes als typischVorvertrautes antizipierend. In der Auslegung diesertypischen Allgemeinheit in Form bestimmter Mglich-keiten", welche fr das wirkliche Sein dieser Farbe offensind, ergibt sich der Spielraum der Mglichkeiten alsexpliziter Umfang" der unbestimmten Allgemeinheitder Antizipation. Indem das in Erfahrung tretendeDing nur Seinssinn hat als das eines jeweiligen Innen-horizontes, obgleich von ihm in faktische und eigent-liche Kenntnis nur ein Kern von Washeiten getretenist, hat das Ding, hat jedes Reale berhaupt als Er-fahrbares sein allgemeines Apriori", eine Vorbekannt-heit, als unbestimmte, aber als stndig selbige identi-fizierbare Allgemeinheit eines apriorischen Typus, zu-gehrig einem Spielraum apriorischer Mglichkeiten.Offenbar umfat der Typus auch die in aktuelle Kennt-nis getretenen Eigenheiten, wenn wir den Typus alstotalen nehmen. Im Wandel des Eintretens und Her-austretens von Washeiten ist immerfort das Reale alsEines und Identifizierbares bewut, und zu dieser Ein-heit gehrt der Gesamttypus als Gesamthorizont dertypischen Allgemeinheit, in den sich alles aktuell be-kannt Werdende als besondernde, mehr oder mindervollkommen erfllende Bestimmung einordnet.

    Was aber den Auenhorizont anlangt, der sinn-bestimmend zu diesem, zum jeweiligen einzelnen Realengehrt, so liegt er im Bewutsein einer Potenzialittmglicher Erfahrungen von einzelnen Realen: als vonsolchen, die je ihr eigenes Apriori haben als ihre Typik,in der sie notwendig antizipiert sind, und die durchjede Erfllung in Form dieser oder jener Mglichkeitendes invarianten Spielraumes invariant bleibt. Alle Son-

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  • dertypik, die der besonderen Realen (und Konstellationenvon Realen), ist aber umspielt von der To t ali t t s-t y p ik, der zum ganzen Welthorizont in seiner Unend-lichkeit gehrigen. Im Strmen der Welterfahrung, deskonkret vollen Weltbewutseins in seiner Jeweiligkeit,bleibt invariant der Seinssinn Welt und damit invariantder strukturelle Aufbau dieses Seinssinnes aus invarian-ten Typen von Einzelrealitten.

    So ist eine Fundamentalstruktur des Welt-bewutseins, bezw. in korrelativer Prgung der Weltals Horizont aller erfahrbaren Einzelrealen, die Struk-tur der Bekanntheit und Unbekanntheit mitder ihr zugehrigen durchgngigen Relativitt und derebenso durchgngigen relativen Unterscheidung vonunbestimmter Allgemeinheit und bestimmter Besonder-heit. Die horizonthaft bewute Welt hat in ihrer stn-digen Seinsgeltung den subjektiven Charakter der Ver-trautheit im allgemeinen, als der im allgemeinen, aberdarum doch nicht in den individuellen Besonderheitenbekannte Horizont von Seienden. Auf alles zur Sonder-geltung als Seiendes Kommende verteilt sich diese un-bestimmt allgemeine Vertrautheit, jedes hat somit dieseine als eine bekannte Form, innerhalb deren alle wei-teren Unterschiede zwischen Bekanntheit und Unbe-kanntheit verlaufen.

    Diese rohen Andeutungen mssen einstweilen gen-gen, damit wir einen Begriff von Wesen und Leistungvorprdikativer Erfahrung bekommen, davon, was allesschon im Spiele ist bei der Erfahrung eines Gegenstan-des, dieser anscheinenden Letztheit und Ursprnglich-keit eines primitiven Erfassens. Es zeigt sich, wie eseinerseits richtig ist, da wahrhaft seiender Gegenstanderst Produkt unserer Erkenntnisttigkeit ist, wie aberdoch fr alle Erkenntnisttigkeit, wo immer sie einsetzt,dieses Produzieren des wahrhaft seienden Gegenstandesnicht besagt, da sie ihn aus dem Nichts hervorbrchte,

    3 Husserl, Erfahrung und Urteil

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  • sondern wie gleichwohl immer schon Gegenstnde vor-gegeben sind, wie fr uns immer schon im voraus einegegenstndliche Umwelt vorgegeben ist. Von vorn-herein ist alles im Hintergrunde Affizierende bewut ineiner gegenstndlichen Auffassung", antizipatorisch alsdas bewut: das zu jedem Lebensmoment gehrigeWahrnehmungsfeld ist von vornherein ein Feld vonGegenstnden", die als solche aufgefat sind als Ein-heiten mglicher Erfahrung" oder, was dasselbe, alsmgliche Substrate von Kenntnisnahmen. Dasheit: was uns vom jeweilig passiv vorgegebenen Hinter-grundfeld her affiziert, ist nicht ein vllig leeres Etwas,irgendein Datum (wir haben kein rechtes Wort) nochohne jeden Sinn, ein Datum absoluter Unbekanntheit.Vielmehr Unbekanntheit ist jederzeit zugleich einModus der Bekanntheit. Zum mindesten ist, was unsaffiziert, insoweit von vornherein bekannt, da es ber-haupt ein Etwas mit Bestimmungen ist; es ist bewutin der leeren Form der Bestimmbarkeit, also miteinem Leerhorizont von Bestimmungen (gewissen" un-bestimmten, unbekannten) ausgestattet. Korrelativ hatdie ihm zu Teil werdende Auffassung von vornhereineinen offenen Leerhorizont von (im ich kann", ichkann hingehen", mir nher ansehen", es herum-drehen" usw.) zu bettigenden Explikationen, natr-lich unbestimmt", leer" antizipierten. Jedes Eingehenin wirkliche Explikation gibt dieser den intentionalenCharakter einer die Horizontintention (als Leerantizipa-tion) erfllenden, verwirklichenden; verwirklichend inbestimmten Schritten, wodurch aus den gewissen, unbe-kannten Bestimmungen die entsprechenden bestimmtenund von nun ab bekannten werden. Die Auffassung alsGegenstand berhaupt" noch in vlliger Unbestimmt-heit, Unbekanntheit bringt also schon ein Momentder Bekanntheit mit sich, eben als eines Etwas, dasirgendwie ist", das explikabel ist und nach dem, was

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  • es