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Wissensaustausch und Modernisierungsprozesse Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosophie 1 Fabian HEUBEL Taiwan) Zusammenfassung Was bedeutet es , in chinesische Philosophie nicht von der Vergangenheit , der Gegenwart her einzutre- ten? Dieser Essay einige der die erwachsen , sobald der von revolutionären Brüchen durch setzte Prozess der hybriden Modemisierung Chinas ernst genommen die Philosophie, die dabei in den Bl ick kommt, ist Produkt eines historischen Umbruchs , in der eine bereits alles andere als homogene chinesische Tradition auf mit westlichen Einftüssen interagiert hat , durch die sich tiefgreifend verändert hat , was Philosophiebedeutet und bedeuten kann. Wer sich heute mit chinesischer Gegenwartsphilo sophie muss das starke Bewusstsein ftir eine transkulturelle Dynamik mitbringen , die den kompa rativen Rahmen in dem Philosophie vielfach noch verhaftet ist Abstract it mean to enter Chinese philosophy ßot of the past but from the present? This essay discusses some of the consequences once the Chinese process of hybrid modemisation , penetrated by revolutionary ruptures , is taken philosophical1y serious. The phi1osophy thus coming into view is the product of a his- torical upheaval in which an already far from homogeneous Chinese tradition has interacted with Westem influences in a way that has changed profoundly what Chinese philosophy" means and can mean. Wh oever deal with Chinese philosophy be of a transcultural dynamic that breaks with the comparative framework intercultural phi1osophy still often strongly adheres to 1, Hybride Modernisierung 1, 1 als historisches Apriori Durch Prozesse der Modernisierung und die von ihnen ausgelösten Kulturbrüche sind die kulturhistorischen Ressourcen Chinas und Europas prinzipiell gleich weit von "unsent fern t. Von dieser These möchte ich im Folgenden ausgehen. Prinzipiell heißt: historische Korresponder>zen jede linear-chronologische Entfernung zu überspringen. Nicht nur die vermeintliche Alterität des klassischen China ist konstruiert , sondern ebenso die Intimität "unseres Verhältnisses zum klassischen Griechenland. Wenn also mit Bezug auf das Verhältnis von Griechenland und Europa ebenfalls von einer "Abwesenheit historischer Verbindungen2 _ im Sinne der Abwesenheit historischer Verbindungen , die nicht mehr oder 1 Einige Abschnitte des vorliegenden Textes sind bereits erschienen in HEUBEL 2016, in KapitelI (Chine sische Philosophie im Umbruch) und KapitelIV (Immanente Transzendenz) 2 JULLIEN S. 8 Acta Historica Leopoldina Nr. 69, 63-84 (2018) 63

Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosophie1

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Page 1: Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosophie1

Wissensaustausch und Modernisierungsprozesse

Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosophie1

Fabian HEUBEL (Taip凹, Taiwan)

Zusammenfassung

Was bedeutet es, in chinesische Philosophie nicht von der Vergangenheit, sondem 、 on der Gegenwart her einzutre­ten? Dieser Essay erδrtert einige der Konsequenz凹, die erwachsen , sobald der von revolutionären Brüchen durch setzte Prozess der hybriden Modemisierung Chinas phil田ophi時h ernst genommen wi吋 Denn die Philosophie, die dabei in den Blick kommt, ist Produkt eines historischen Umbruchs, in der eine bereits alles andere als homogene chinesische Tradition auf eine 、Neise mit westlichen Einftüssen interagiert hat, durch die sich tiefgreifend verändert hat, was "chin聞自he Philosophie“ bedeutet und bedeuten kann. Wer sich heute mit chinesischer Gegenwartsphilo sophie auseinanderset瓜, muss das starke Bewusstsein ftir eine transkulturelle Dynamik mitbringen , die den kompa rativen Rahmen spren耳, in dem interkultur官lle Philosophie vielfach noch verhaftet ist

Abstract

Whatdo巳 s it mean to enter Chinese philosophy ßot from 曲。 perspective of the past but from the present? This essay discusses some of the consequences that 缸'Îse once the Chinese process of hybrid modemisation , penetrated by revolutionary ruptures, is taken philosophical1y serious. The phi1osophy thus coming into view is the product of a his­torical upheaval in which an already far from homogeneous Chinese tradition has interacted with Westem influences in a way that has changed profoundly what ‘ Chinese philosophy" means and can mean. Whoever want凶 to deal with contempor叮y Chinese philosophy tod呵, must be a'、vare of a transcultural dynamic that breaks with the comparative framework intercultural phi1osophy still often strongly adheres to

1, Hybride Modernisierung

1, 1 Modernis凹rung als historisches Apriori

Durch Prozesse der Modernisierung und die von ihnen ausgelösten Kulturbrüche sind die kulturhistorischen Ressourcen Chinas und Europas prinzipiell gleich weit von "uns“ ent fern t. Von dieser These möchte ich im Folgenden ausgehen. Prinzipiell heißt: historische Korresponder>zen verm凸gen jede linear-chronologische Entfernung zu überspringen. Nicht nur die vermeintliche Alterität des klassischen China ist konstruiert, sondern ebenso die Intimität "unseres“ Verhältnisses zum klassischen Griechenland. Wenn also mit Bezug auf das Verhältnis von Griechenland und Europa ebenfalls von einer "Abwesenheit historischer Verbindungen“ 2 _ im Sinne der Abwesenheit historischer Verbindungen , die nicht mehr oder

1 Einige Abschnitte des vorliegenden Textes sind bereits erschienen in HEUBEL 2016, 'i叮 allem in KapitelI (Chine sische Philosophie im Umbruch) und KapitelIV (Immanente Transzendenz)

2 JULLIEN 20日 3a, S. 8

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weniger konstruiert oder fiktiv sind - gesprochen werden kann, gibt es keinen Grund für eine prinzipielle Privilegierung des antiken Griechenlands, für dessen Stilisierung zum Ursprung "unserer“ (europäischen) Zivilisation und für die Verteidigung einer hel1enozentrischen Ge­nealogie, in der den Griechen als "unseren“ Vorfahren grundsätzlich eine privilegierte Stel­lung zukommt. Die Vorstellung , das alte Griechenland sei "unsere Antike“, das alte China hingegen nic恤, gilt es zu problematisieren. Könnte nicht auch das alte China "unsere Antike“ sein? Eine Antike, die mit "unserer Moderne“ kor田spondiert?

Enrique DUSSEL (*1934) spricht polemisch von einer "eurozentrischen Ideologie der deutschen Romantik‘ durch die eine geradlinige historische Verbindung zwischen altem Griechenland und modernem Europa eingeführt wurde, die nicht nur Georg Wilhelm Fried­rich HEGELS (1770-1831) Geschichtsphilosophie zugrunde lie缸, sondem bis heute selbst unter kritischen Intellektuellen in Europa als weitgehend unhintedragte Tatsache akzeptiert wird ,3 Das gilt nicht nur für Jürgen HABERMAS (*1929) , den DUSSEL explizit kritisie此, son­dem auch für Michel FOUCAULT (1 926一1984) , in dessen Spätwerk die historische Folge von (griechisch-römischer) Antike, (christlichem) Mittelalter und modernem Europa eine weit gehend unhinterfragte historische Struktur bleibt. Mir erscheint die Problematisierung dieser historischen Struktur unverzichtb缸, um historische Analysen der Pluralität von Modernisie­rungswegen voranzutreiben, die außerhalb Europas längst entwickelt werden, aber in Europ'l mit der Schwierigkeit einer strukturell tief verankerten Indi叮叮'enz gegenüber außereuropäi schen Kulturen zu kämpfen haben. Es liegt nahe, genau in dieser Indifferenz einen wichtigen Grund 自r jenes "Ende der Ära westlicher Philosophie“, für jene "Krise d臼 europäischen[oder: westlichen 1 Denkens“ nach dem Ende des Imperialismus zu sehen, auf die FOUCAULT im Gespräch mit japanischen Zen-Mönchen zu sprechen kommt.4 DUSSEL bringt eine Per­spektive ins Spiel, weIche die Grenzen des für FOUCAULT Denkbaren spren缸, nämlich die Befreiung der Philosophie vom Hellenozentrismus ,5 Aus meinen Erfahrungen im Rahmen chinesischsprachiger Gegenwartsphilosophie ergibt sich eine verwandte Konsequenz: Durch den Bruch mit dem philosophischen Hellenozentrismus kann die Bedeutung chinesischspra­chiger Gegenwartsphilosophie überhaupt erst richtig in den Blick geraten , Und indem sie in den Blick gerät, wird ein Ausweg aus der "Krise europäischen Denkens“ nach dem Ende des Imperialismus denkbar.

Für die Bemühungen, mit dem - von DUSSEL auch in Auseinandersetzung mit der Kriti­schen Theorie der Frankfurter Schule beschriebenen - eurozentrischen Korsett zu brechen, bieten Walter BENJAMINS (1892-1940) Überlegungen zum Begriff der Geschichte einen wichtigen Anhaltspunkt. BENJAMINS Geschichtsphilosophie eröffnet eine Perspektive, die es unn飢ig macl述, zwischen antikem Griechenland , antikem Rom oder antikem China zu unter-

3 DUSSEL 2日間, S. 468. DUSSELS Behauptung der Verbreitung eines mit der kolonialen Expansion einhergehenden ideologischen Eurozentrismus (Hellenozentrismus) stützt sich unter anderem auf 齡1artin BERNALS (1 937-2013) Genealogie eines Bild 目 vom klassischen Gri比間echen岫】die afr,凹Q-a晶s>旭a刮甜t缸ische叩nEi扭nflüs回se auf di昀e Her阻'au凹sbil岫du叩ng der an>tiken > griechischen Ku \tur he 凹nt忱er唔'ge臼sp戶ielt oder ger間a d由巳目z叩uv問er巾le叫u峙gn】泊咄e剖tha瓜t und d血amit deren prinzipiell hybriden Charakter (BERNAL 1987)

4 FOUCAULT 1994a, S. 622-623 5 "Neither Nietzsche, nor Heidegger, nor Haberm帥, to cite just a few, are able to transcend ontological Euro­

centrism (nor its foundation , Germanocentric Hellenocentri叩1). For its pa口, thc teaching of philosophy is thc quintessence of such Hellenocentrism throughout the world (even in the universities of Africa. Latin America, and among the most influential elites of Asia). Is it possible for philosophical reflections to go beyond the original Greek horizons? An ethics of liberation on a global scale must first ,liberate‘ philosophy from Hellenocentrism, 。r there will be no globa[ ph i1osophy in the futu間, in the twenty句白的t century “ (DUSSEL 2013, S. 260.)

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scheiden, wenn es um die Möglichkeit eines "Tigersprungs“ aus der Jetztzeit ins Vergangene geht. Geschichte i泣, so lässt sich dann zugespitzt sagen , in gleicher Weise "Gegenstand einer Kons虹uktion“, unabhängig davon , ob der Sprung in die griechische, in die römische oder in die chinesische Geschichte erfolgt. Der dialektische Sprung, von dem BENJAMIN spric恤,setzt ja gerade voraus , eine spezi位sche Vergangenheit aus dem "Kontinuum der Geschichte“ herauszusprengen, durch das "wir“ an historische Ursprünge gebunden werden, deren kultu relle Macht die Freiheit der "Witterung für das Aktuelle, wo immer es sich im Dickicht des Einst bewegt“ willkürlich einschränkt. Warum sollte di自由 Einst nicht prinzipiell in gleichbe rechtigter Weise auch für die chinesische Überlieferung gelten? Warum also sollte der Sprung in das griechische Einst weniger weit sein als der in das chinesische? BENJAMIN spricht mit großem Pathos vom "Augenb1ick einer Gefahr“, in dem es gilt, ein Bild der Vergangenheit festzuhalten, durch das "die Überlieferung von neuem dem Konformismus“ abgewonnen werden kar凹, "der im Begriff steht, sie zu überwältigen".6 Er knüpft darin an NIETZSCHES (1844一 1900) Forderung an, die Interpretation der Vergangenheit "aus der höchsten Kraft der Gegenwart“ zu vollziehen; gelingt dies , treten "Näh巳n und Verwandtschaften“ hervor, durch die "man fast handgreifiich an das sehr relative Wesen aller Zeitbegriffe gemahnt wird: bei­nahe scheint es als ob manche Dinge zusammen gehören und die Zeit nur eine Wolke sei, welche es unseren Augen schwer macht, diese Zusammengehörigkeit zu sehen“ 7-Inmei nem Umgang mit chinesischer Kultur, insbesondere mit Aspekten aus den Bereichen von Philosophie und Kun泣, habe ich immer wieder die Erfahrung von verblüffenden Korrespon­denzen und intuitiv wirkenden Zusammengehörigkeiten gemacht, d間, aus der Perspektive der gewohnten Kontinuitäten, sei es in China oder sei es in Europa, nicht linear-chronologisch ableitb缸 sind. BENJAMINS Geschichtsphilosophie hat mir geholf,凹, diesen Erfahrungen tl晦"。retisch Ausdruck zu verleihen (HEUBEL 2008)

Verstärkt durch modeme Erfahrungen d目 Ku1turbruchs sind die historischen Ressourcen sogenannter Traditionen nicht anders als gebrochen zugängli恤, d. h. auf dem Wege von Re­konstruktion, in die immer schon das Bewusstsein einer komplexen Dialektik von Kontinuität und Diskontinuität einfiießt: Keine Tradition lässt sich alleine dadurch rechtfertig凹, dass sie gegeben ist oder als wünschenswert angesehen wird. Die Aufgabe einer "nicht regr,臼slvenAneignung der Tradition“,8 die sich in China wie in Europa fortwährend von neuem stellt, ver1angt eine Arbeit mit ausgewählten kulturhistorischen Quellen, die dem komparativen Rahmen von pauschalen Aussagen über ganze Denktraditionen - "das chinesische Denken“' "die Chinesen“, "die Europäer“一 mit großem Misstrauen begegnet

Die so geschärfte Sensibilität für die transkulturelle Dynamik zwischen Europa und Ost­asien führt zu der Notwendigke址, über Moderne in einer Weise nachzudenken, durch die diese nicht nur als historisch, sondern auch als normativ offener Transformationsprozess in den Blick kommt. Deshalb bevorzuge ich es, nicht von Moderne, sondern von Modelnisie­rung zu sprechen. Die Rede von einem historischen Apriori der Modernisierung bedeutet jedoch nicht, die Rekonstruktion historischer Kontinuitäten zu leugnen. Dabei geht der kon struktive Sprung von einer spezifischen Gegenwart - Jetztzeit sagt BENJAMIN 一 in eine spe­zifische Vergangenheit über in die Rekonstruktion einer historischen Entwicklungslinie von der Gegenwart in diese Vergangenheit. Die Diskussion chinesischer Moderne löst sich somit

6 BENJAMIN 1980, S. 695. 701 7 NIETZSCHE 1988 , S. 446; vg l. HEUBEL 2日日 8, S. 29-30 8 ROETZ 1992, S. 17

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Fabian Heubel: Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosophie

vom gewaltsamen Einftuss des Westens und von der externen Modernisierung Chinas, um sich der Logik interner Modernisierung zuzuwender>, die gemäß dem Einfluss des Westens einen katalysatorischen Anstoß bedeut前, der eine modernisierende Selbsttransformation vor­angetrieben h前, die vor dem Einbruch der Verwestlichung bereits im Gang war. Die in-terne, alternative Geschichte chinesischer Modernisierung, die dabei wahrnehmbar wird, ist historisch-transzendental, insofern sie bei den kulturhistorischen Bedingungen der Möglich­keit chinesischer Modernisierung ansetzt. Um das Verhältnis dieser beiden unterscheidbaren Aspekte von Modernisierung begrifflich b目ser zu fa田間, möchte ich von hybrider Moder nisierung sprechen. Anders gesagt: das Verhältnis von interner und externer Modernisierung ist transzendental, insofern interne Modernisierung als Bedingung der 弘1öglichkeit externer Modernisierung verstanden werden kann; umgekehrt gilt auch, dass erst mit den von ex-terner Modernisierung ausgel位sten revolutionären Brüchen, die Bedingung der Möglichkeit gescha叮en worden i泣, um die Geschichte der internen Modern的時間ng Chinas in ihrer Kon-tinuität zu rekonstruieren. Diejenige Kontinuität chinesischer Kulturgeschich峙, die damit in den Blick kommt, unterscheidet sich auf eklatante Weise von derjenigen, die entsteht, wenn aus der externen Perspektive Europas eine Geschichte chinesischer Philosophie g臼chrieben

wird, in der Diskontinuitäten als vernachlässigbar gelten. Die Konzeption hybrider Moder- . nisierung scheint mir geeignet zu sein, jenen dynamischen Prozess transkulture l1er Verftech-tung und Vermischung interner und externer Ressourcen zu erschließ間, der die Entwicklung Chinas im 20. Jahrhundert geprägt hat. Demnach ist jeder Versuch, das kulturhistorische Ar­chiv Chinas für die Gegenwart fruchtbar zu mach凹, immer auch eine Rekonstruktion, der eine Destruktion von katastrophalem Ausmaß vorausgegangen ist. Ein solche Erfahrung des Bruchs und das damit verbundene Bewusstsein einer fundamentalen Krise geht dabei einher mit tiefgreifend凹, geradezu selbstquälerischen Zweifeln, die jene interkulturelle Philosophie zutiefst prägen sollte, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts schnell zu entwickeln beginnt. Die Aufgabe, historische Brüche aufzuarbeiten, macht 間, meiner Auffassung nach, nöti耳, das Problem der Modernisierung Chinas als historisches Apriori für die Auseinandersetzung mit chinesischer Philosophie und allgemein für die Rekonstruktion "traditioneller chinesischer Kultur“ anzusehen: 泌的 Bedingungen der Möglichkeit, auf eine Weise über chinesische Philosophie und chinesisches Denken zu sprechen, die historischer Situierung und Selbstre ftexion konstitutives Gewicht beimisst

Diese von historischen Brüchen und Diskontinuit且ten ausgehende Perspektive knüpft methodisch an die Geschichtsphilosophie von BENJAMIN und FOUCAULT an - wobei ich FOUCAULTS Begriff des historischen Apriori selbstverständlich nicht bloß epistemologisch als Bruch zwischen Wissensformationen verstehe, sondern aus der Perspektive einer von BENJAMIN beeinflussten Geschichtstheorie, die den unhintergehbaren Zusammenhang von historischen Brüchen und politischen Katastrophen betont. Demnach haben "wir“ keinen Zu­gang zu den Anfängen , zu den antiken Ausgangspunkten "unserer“ Kultur außer durch die Problematisierung der Gegenwart hindurch, von Krisen und Kämpfen in der Gegenwart her Weil es sich bei "chinesischem Denken“ und "traditioneller chin闊的cher Kultur“ unvermeid lich um (Re-) Konstruktionen handelt, ist es philosophisch problematisch, von Ursprüngen auszugehen und nicht von zeitg凹凸ssischen Problemen, deren Herkunft sodann genealogisch­kritisch analysiert werden kann (HEUBEL 2008). Statt von einem antiken Ursprungsszenario her in die Auseinandersetzung mÎt kulturellen Archiven einzutret凹, scheint es mir ra阻am ,

von einem modernen Umbruchsszenario auszugehen, von gewaltsamen Kulturbrüchen, die als Bedingung der M位glichkeit verstanden werden können , um überhaupt über "chinesisches

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Wissensaustausch und Modernisierungsprozesse

Denken“, "chinesische Philosophie“ oder "traditionelle chinesische Kultur“ zu sprechen. Die Entgegensetzung von Tradition = China einerseits und Moderne = Westen anderersei阻, die im China des 20. Jahrhunderts zu einer ungekannten Traditionsfeindschaft und Traditions­zerst的rung im Namen von Modernisierung geführt hat, kann kriti刮目t und möglicherweise überwunden 、Nerden, aber sie kann nicht ungeschehen gemacht werden

1.2 Modernisierung als geteil阻s Problem Chinas und Europ由

Interkulturelles Philosophieren ist von g臼chichtsphilosophischen (Re-) Konstruktionen ge­prägt, die auf Erfahrungen der Modernisierung bezogen bleiben. Mit selbstkritischem An­spruch betrieben, kommt es nicht umhin, sich dem Problem einer (HEGEL-) kritischen Philo sophie der Weltgeschichte zu stellen. ln diesem Sinne kann Modernisierung als historÎsches Apriori interkulturellen Philosophierens verstanden werden. Modernisierung ist ein Problem , das China und Europa teilen und auf das Philosophen auf beiden Seiten reag時間n (müssen) , indem sie unterschiedliche, ihnen sprachlich und kulturell zugängliche, Ressourcen frucht­bar machen. Modernisierung bildet somit einen gemeinsamen Bezugspunkt, durch den Chi­na und Europa in eine historische Konstellation eingetreten sind , durch die sich ein neuer Zugang zu den Ressourcen beider Kulturarchive erö缸'net: Mit der Dynamik transkultu阻lIerHybridisierungen verändert sich interkulturelle Kommunikation auf einschneidende Weise.

In China werden der philosophischen Reflexion auf Modernisierungsprozesse sowohl öst­liche (vor allem chinesisc凶, japamsc恤, indische) als auch westliche (vor allem europäische und nordamerikanische) Ressourcen zugänglich gemacht, die in ein dynamisches Verhältnis transkultureller Kritik eintreten. Das bed巳ut前, dass nun Aspekte westlicher Philosophie un­ter Berufung auf chinesische Philosophie kritisiert werden können und umgekehrt, wobei diese transkulturelle Dynamik zu Kon fl_iktlinien führt , die nicht nur zwischen verschiedenen intellektuellen Strömungen und Schulen verlaufen, sondem auch durch einzelne Intellektu­elle und ihre Philosophien hindurch. Damit kommt es zu inneren WiderspIÜchen oder gar Paradoxien , die darin bestehen können, auf der einen Seite ein leidenschaftlicher Verteidiger der kulturellen Identität und des vielbeschworenen Geistes chinesischer Kultur zu sein, aber gleichzeitig eine in hohem Maße von westlicher Terminologie beeinftusste Sprache zu spre­chen, um diesem Geist Ausdruck zu verleihen. Diese hybride Konstellation wird folglich einerseits von einer Tendenz zu komparativen Kontrasten geprägt, die um das Problem von (kultureller) Differenz und Identität kreisen , aber auch von Möglichkeiten kreativer Transfor­mation , in der unterschiedliche Ressourcen zu etwas Neuem verschmolzen werd間, für das alte komparative Kategorien wie östlich und westlich , chinesisch und europäisch offensicht­lich unzureichend sind

Damit gehe ich nicht davon aus, dass China philosophisch für Europa fruchtbar wer­den kann, indem es zunächst einmal sprachlich und h凹的risch außerhalb Europas verortet wird, um sodann die klassischen Denktraditionen Chinas und Europas in ein kommunikatives Spannungsverh且ltnis zu versetzen. Ausgangspunkt ist nun vielmehr die Denkfigur philoso­phischer Modernisierung als geteiltes Problem. Damit gewinnt die chinesischsprachige Phi losophie des 20. Jahrhunderts (einschließlich des aus Fremdsprachen ins Chinesische über setzten Textmaterials) besondere Bedeutung. Aufmerksamkeit verdient sie aus europäischer Perspektive nun weniger aufgrund ih間r Andersheit und Fremdhe此, sondern gerade weil sie durch Rezeption und Transformation westlicher Ressourcen ein transkulturelles Potential akkumuliert hat, das Philosophie in Europa sich erst noch langsam wird erarbeiten müssen.

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E'abian Heubel: Hybride Mode汀nisierung in der Chine咽schen Philosophie

Während sich zu Beginn d四 2 1. Jahrhunderts in China das Prob1em stellt, wie mit der im 20 lahrhundert bereits vollzogenen hybriden Modemisierung umzugehen sei, ahnt die Philoso­phie in Europa noch kaum etwas von der Herausforderun耳, die damit auf sie zukommt: eine Herausforderung der Sinisierung europäischer Philosophie. Nach dem bisher Gesagten dürfte klar sein, dass ich mit Sinis的ung (hànhuà 漠化) keine exotistische Verk1ärung chinesischer Kultur und Phi10sophie verbinde, sondern zunächst einmal die Schaffung elementarer Bedin­gung凹, um die Auseinandersetzung mit alter und neuer chinesischsprachiger Philosophie in Europa voranzubringen. Dafür muss - im Sinne egalitärer Reziprozität - der in China be­reits vollzogenen Okzidentalisierung die M凸glichkeit von Sinisierung auf europäischer Seite gegenübert間ten. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass mit der Okzidentalisierung der chinesischen Wissensordnung zugleich auch die Grundlagen für eine Sinisierung der europäi­schen Wissensordnung gelegt worden si凶, weil mit der M句lichkeit, die Inhalte europäischer Philosophie in der chinesischen Sprache zu artikulieren, auch Vorbereitungen für die um­gekehrte MöglicW自it getroffen worden sind: nämlich die Ubersetzung chinesischsprachiger Philosophie in europäische Sprachen.'

Der Prozess der Okzidentalisierung chinesischer Gelehrsamkeit insbesondere seit dem späten 19. Jahrhundert ist eine un1eugbare Tatsache. Demgegenüber mutet die Idee der Si-. nisierung europäischer Phi10sophie absurd an, bestenfalls als provokanter Vorstoß. Darin zeigt sich die 百efe eines historisch gewachsenen Abstands, der die intellektuellen Welten in China und Europa heute voneinander trennt. Die Sinisierung europäischer Philosophie ist innerhalb der chinesischsprachigen Gegenwartsphi10sophie bereits sehr weit fortgeschritten Interpretationen klassischer chinesischer Texte werd巳n mit großer Selbstverständlichkeit und

9 Wenn ich von Sinisierung europäischer Philosophie (genauer: von Philosophie in europäischen Sprachen) spre che, verstehe ich diese zunächst einmal als logisches Gegenstück zur Europäisierung (Okzidentalisierung) chi­nesischsprachiger Philosophie. Ich denke dabei an die Geschichte der Rezeption konfuzianischen Lemens etwa durch Gottfried Wilhelm LEIBNIZ und Christian WOLFF, die darin Anregungen gefunden hab凹, um jene phi losophischen Probleme weiterzudenken, mit denen sie sich damals beschäftigt haben. Innerhalb der modemen europäischen Phil的ophie war das allerdings nur eine kurze und , im Falle WOLF凹, schnell rabiat unterdrückte Perspekti間, die zudem mit der systematischen Ausarbeitung eurozentrischer Geschichtsphilosophie alsbald in Vergessenheit geriet. Der Begriff der Sinisierung, wie er hier verwendet wird, darf nicht im Sinne einer sinozen­trischen Kulturideolo且也 verstanden 、verden, die versucht, Kultur als Mittel der Politik zu instrumentalisieren Ganz im Gegenteil ist er帥, wenn auch unvermeidlicherweise etwas p阻dox wirkender, Bestandteil einer konse­quenten Kritik an solcher Kulturideolog時, weil er sich an Phänomenen kultu阻ller Hybridisierung orientie叫, die schon für die lange und komplexe Geschichte des Einftusses h孟n-chinesischer (Sc趾ift-) Kultur (hàl1[zì]wéJ的uà

i主[字]文化) in Ost品ien charakteristisch wa間n. Die tiefgehende Integration hàn-chinesischer Schriftzeichen (hànzì 漠宇) und chinesischer Schriftsprache (luìmvéll 漢文) in die japanische und die koreanische Sprache wurde in Japan und Korea, unter dem Einftuss d口 modernen Nationalismus und der mit ihm einhergehenden Ideologie in sich abgeschlossener Nationalidentitäten und Nationalsprachen, als historische Erbschaft wahrge nommen, der man sich entledigen sollte. Das hat in Anbetracht d目 hohen Grades der Vermischung zu schwer­wiegenden kulturellen Problemen geführt (so hat dieAbschaffung der sino-koreanischen Schri血sprache in Korea dazu gefüh此, dass die in der klassischen chinesischen Schriftsprache geschriebenen Quellen koreanischer Ge­schichtsschreibung, Phil田ophie und Literatur in Korea nur noch Spezialisten zugänglich sind). Das Verhältnis der chinesischen Schriftsprache zum Koreanischen und Japanischen ist bis heute ein ungelöstes Problem. Es hat den Zustand einer irritierenden Vermischung aus Eigenem und Anderem nie völlig verlassen (und d缸, obwohl

Gelehrte in Japan und Korea Texte in klassischem Chinesisch verfasst hab間, die heutc für die Rekonstruktion eines gerade nichr sinozentrischen, sondern ostasiatischen, vielleicht sogar globalen Konfuzianismus eine her­ausragende Rolle spielen). In der unleugbaren Eigenentwicklung, welche die chinesische Schriftsprache in Japan und Korea genommen hat, sehe ich einen starken Grund für die Annahme, dass die Rede von (hàn-) chinesischen Schriftzeichcn und von Sinisierung dazu geeignet i哎, die Tendenz zum Kulturchauvinismus , die mit dem Begriff der Sinisierung immer auch verbunden i哎, von innen her zu untcrgraben

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Wissensaustausch und Modernisierungsprozesse

auf kreative Weise mit diversen philosophischen Lehren und Begriffen westlicher Herkunft verbunden. Von daher interessiert mich die kulturelle Kreativit缸, die frei werden kann , so bald die Sinisierung europäischer Philosophie in China sich mit der Sinisierung europäischer Philosophie in Europa verbind剖; also in Europa die 孔f位glichkeit zum Lernen von und zur Transformation durch Ressourcen chinesischer Kultur als Möglichkeit des Philosophierens zumindest in Erwägung gezogen wird. Diese Möglichkeit erwächst al1erdings gerade aus der sich philosophisch artikulierenden hybriden Modernisierung Chinas und nicht aus dem vormodernen Abstand zwischen China und Europa

2. In但rku1turelle Dia1ektik

2.1 Traum und Trauma

Die bisher angedeutete Komp1exität des Verhältnisses von zeitgen凸ssischer Philosophie und Sinologie möchte ich nun weiter erörte凹, indem ich zwei Di血巳nsionen interkultu­reller Phi10sophie unterscheide: eine komparative und eine transkulturelle. Dabei handelt es sich zugleich um zwei unterschiedliche Zugangsweisen zu interkultureller Philosoph時,Die Reflexion auf das Verh且ltnis der beiden Dimensionen verlan缸, den Abstand zwischen ihnen möglichst präzise zu akzentuieren. Dafür soll im Folgenden interku1turelle Philo­sophie im Spannungsfeld zwischen komparativer Hermeneutik und transkulture l1er Kritik situiert 、;verden

Interkulturelle Philosophie verlangt, zumindest in zwei Sprachen und Kulturen ein­zutreten: eine Bewegung des Kommunizierens und der Transformation aufzunehm間, die sich für beide Seiten kulturell nur dann wirklich als fruchtbar erweisen kann, wenn sie zug1eich (se1bst-) kritisch vollzogen wird. Das ist schwierig. Die Frage, wie interkulturelle Philosophie dem Ethnozentrismus entkommen kar凹, stellt sich in Europa heute vor allem als Frage, wie sich die eurozentrische Indifferenz gegenüber nicht-europäischen Sprachen und Ku1turen durchbrechen 1ässt. Die Geschichte des Verhältnisses zwischen China und Europa zeigt, dass die heute zu beobachtende philosophische Indifferenz Europas gegen über China keineswegs eine historische Konstante i泣; europäische Philosophen im 17. und 18. Jahrhundert haben den sprachlichen und kulturellen Abstand zwischen beiden als der philosophischen Kommunikation keineswegs hinderlich angesehen - sicherlich, Gottfried Wilhe1m LEIBNIZ (1646-1716) und Christian WOLFF (1 679-1754) konnten kein Chine­sisch, aber darin sehe ich keinen Grund , ihr genuin philosophisches Interesse an China zu disqualifizieren. 1st nicht die heute zu beobachtende Indifferenz selber ein Produkt des Prozesses der Herausbi1dung europäischer Identität im 19. J ahrhundert, die im Inneren in nationalstaatlicher Konkurrenz und nach außen in imperialistischer Expansion ihren Ausdruck fand? Dem Prozess der Befriedung nationa1staatlicher Konkurrenz innerhalb b

Europas nach 1945 und der Entwick1ung Europas in Richtung einer "postnationa1en Kon­stellation“ (HABERMAS) steht eine nicht hinreichend beachtete Leerstelle gegenüber. Es mangelt an etwas , was an die Stell巳 der imperialistischen Expansion zu treten verm廿ch峙,die in HEGELS Komparatistik der Weltkulturen ihre phi10sophisch idealisierte Rechtferti gung erhalt巳n hat. Dieses Missverhältnis scheint nun nicht nur bedeutsam zu se泊, um die strukturelle Krise erklären zu können , in der Europa als kulturelle Idee sich zu Beginn des 2 1. Jahrhunderts befind前, sondern auch die philosophische Sprach- und Ratlosigke祉, die

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E'abian Heubel: Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosoph阻

sie begleitet. 1O Passioniert wie wohl kaum ein anderer europäischer Intellektueller ver­sucht Jürgen HABERMAS, theoretische Perspektiven zu eröffnen, die es möglich machen sollen, einen Ausweg zu denken. Seiner internationalen und kosmopolitischen Weitsicht zum Trotz, verbleiben Analysen und Vorschläge jedoch weitgehend im vertrauten anglo­europäischen Rahmen. HABERMAS bringt gelegentlich den Begriff der Achsenzeit ins Spiel, den ja auch Heiner ROETZ (*1950) für seine kritische Rekonstruktion der antiken konfuzianischen Ethik fruchtbar gemacht hat. Dieser scheint aber nur bedingt geeignet zu se凹, der Dimension transkultureller Dynamik gerecht zu werden und die transkulturelle O旺nung Kritischer Theorie zu stützen. Eine solche scheint mir allerdings nötig zu sein, um die durch eine neoliberale Logik der Regulation ausgelöste Krise von Demokratie in Europa im Kontext globaler Pathologien der Modernisierung angemessen situieren zu können (HABERMAS 2013)

Die Entwicklung Europas in Richtung einer postnationalen Konstellation, die eine Neu­konzeption des Verständnisses von Subjektivität und Politik begleitet und befördert, wird von manchen chinesischen Intellektuellen keineswegs als Fortschritt wahrgenommen, vielmehr als Ausdruck, wenn nicht gar als Ursache, der Krise Europas zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Mlt der Abkehr von tmdtloneller MetaphySIk und chnstIICher RelIZion habe Europa seme kulturelle 1dentität aufgegeben , s凹, in der Sprache konservativer Kulturkritik gesagt, eine grundlegende Entwurzelung abendländischen Denkens eingeleitet worden. 1n der τàt spricht einiges dafür, dass der Prozess der Modernisierung und die selbstkritische Reftexion. die von ihm ausgelöst wurde und verändernd auf ihn zurückgewirkt hat, di阻eKu叫咖It阻u叫1tief危gr阻eif(跆e叩nd t缸r阻a阻nsfl臼or盯rml阻ert hat. Demgegenüber beschwöre凹凹n e血infiuss間1缸che chinesische 1ntel­lekt也tl阻uelle heut阻e - noch oder wi記ede缸r?-diet甘ranshistorische Reinheit des Geistes chinesischer Kultur in einer Weise , als wollten sie die Spuren der Verunreinigungen tilg凹, die dieser durch Okzidentalisierung und Modernisierung widerfahren ist. Die von nationalistischer Rhetorik begleitete Beschwörung der ku1turellen 1dentität Chin缸, der forcierte Traum von der ..Re naissance d自 chinesischen Volkes", weckt allerdings Zweifel, ob die traumatisierende Dy­namik chinesischer Modernisierung philosoph的ch bisher hin自ichend aufgearbeitet werden konnte: Solange dies nicht der Fall i帥, bleibt Harmonie scheinheil唔, b1eiben Traum und Trauma unve凹凸hnt. Wird nicht die nahezu unerträgliche Wahrheit über diesen von Fremd und Selbstvergewaltigung begleiteten Prozess durch die Beschw位rung kultureller 1dentität auf eine Weise verdec尬, die für die kreative Transformation der kulturellen Ressourcen Chi­nas nicht nur nicht förderlich , sondern im Gegenteil sog盯 hinderlich ist? Bezeugt nicht der­unverkennbar völkisch konnotierte - Traum von der Renaissance des chinesischen Volkes. dass das Trauma der Modernisierung in China bisher nicht hinreichend refiexiv durchdrun­gen worden ist? 1st nicht davon auszugehen , dass das transkulturelle und kreative Potential chinesischer Gegenwartsph i1osophie erst mit der breiten und 且ffentlichen Aufarbeitung des Traumas derModemis1erung allmahllch zur VOIlen EntfaItung kommmkorulerIWIrdqohne solche Fragen zu thematisieren, wird es kaum möglich sein, in eine interkulturelle Kommu­nikation zwischen zeitgenössischer Philosophie in China und in Europa einzutreten; in einen interkulturellen Diskurs also, der bei den Pathologien ansetzt, die durch Paradoxien der chi­nesischen Modernisierung ausgel臼st worden sind. Ein solcher Diskurs setzte allerdings vor­aus, dasSIn Europa das Bewusstsem flir die KultureHerl, soZIalen und polltISChen pathologlen wäch缸, die der europäische Expansionsprozess in Ostasien hervorgerufen hat

10 JULLlEN 20日 9 , S. 279-291

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Wissensaust叩 sch und Modernisierungsprozesse

2.2 Grellzell der Komparatistik

Die bisher skizzierte Perspektive möchte ich nun in kritischer Allseinandersetzung mit Fran­çois JULLlEN (*1951) vertiefen, dessen Schri白en auch im deutschsprachigen Raum das Bild Chinas llnd "chinesischen Denkens“ nachhaltig geprägt haben. 1m hiesigen Kontext ist eine solche Auseinandersetzung von Bedeutung, weil sie auf entscheidende Fragen des modernen Wissenstransfers zwischen Europa und Ostasien ein klärendes Licht zu werfen vermag. Mit der Unterscheidung zwischen Differenz und Abstand vermag JULLlEN die Grenzen der von ihm zurückg恥.viesenen "Komparatistik der Di叮erenz'‘ 11 klar Zll bezeichnen. Seine Kritik an dieser wendet sich gegen in der Komparatistik verbreitete Tendenzen zur Fixierung auf Dif­ferenzen und stellt dieser ein Arbeiten mit Abständen gegenüber, die kulturelle Momente voneinander distanziert: nicht um sie voneinander abzuspalt凹, sondern um sie in ein produk­tives Spannungsverhältnis zu versetzen, das Denken anregen und in Bewegung bringen so l1 Mit dem Begriff des Abstands (l' écart) gelingt es J ULLIEN, ein komparatives Verständnis von Differenzen überzeugend zurückzuweisen, das diese durch Essentialisierung letztlich sterili自siert und zur philosophischen Unfruchtbarkeit verdammt. Was JULLIEN zur Unterscheidung zwischen Di旺'erenz und Abstand sa缸, halte ich deshalb für einen wichtigen Schritt auf dem Weg der methodologischen Klärung des Charakters interkultureller Arbeit: "Das Wesens­merkmal des Abstands - und das ist entscheidend für rnich - besteht darin, dass er folglich nicht wie die Di缸.erenz aspektbezogen oder deskriptiv i前, sondern produktiv - und zw缸 mdemMa悅, in dem er das, was er trennt, in Spannung versetzt. In Spannung versetzen: das ist es, womit der Abstand operieren muss “ 12 Das "Arbeiten mit Abständen“ hä1t JULLIEN für produktiv, weil es durch die Distanzierung kultureller Ressourcen voneinander jenen "Raum der Reftexivität“ eröffnen können soll, durch den diese sich überhaupt e目t gegenseitig in den Blick zu nehmen vermögen. Für JULLIEN ist die Arbeit mit Di缸'erenzen und Identitäten zur Sterilität verdammt, während die Arbeit mit Abständen die ,,Diversität der Kulturen“ in ihrer Fruchtbarkeit hervortreten lässt. 13

In diesem Sinne wendet er sich gegen die identitätspolitische Verdinglichung "chinesi schen Denkens“ und betont dessen Anbindung an das Medium der chinesischen Sprache "wenn ich ,chinesisches Denken ‘ sage, setze ich für es keiner1ei Identität voraus, keinen prinzipieIlen Essentialismus - muss ich das immer wieder betonen? 一, sondern ich bezeichne damit nur jenes Denken, das sich auf Chinesisch ausdfÜckt und verwirklicht. Genauso wenig gehe ich von irgendeinem Determinismus der Sprache über das Denken aus, weil auch die Sprache - sie vor allem - eine Ressource ist“ 14 Mit dieser Klarste11ung versucht JULLIEN ein essentialisierendes Verständnis seiner Interpretation "chinesischen Denkens“ (und der damit korrespondierenden Begriffe "europäischer Philosophie“ oder "europäischen Denkens“) zu­rückzuweisen, das ihm von diversen Kritikern vorgeworfen worden ist - ohne a11erdings an die tiefe間n Ursachen eines solchen Verständnisses zu rühren, in dem er bloß ein immer wie derkehrendes, lästiges Missverständnis zu sehen verma耳, das in mangelnder Kenntnis seiner

11 Schon in La vafellr allllsi l'e (JULLl EN 2003a) wird die Kritik an der Steri1ität einer "Komparatistik der Differenz“ (comparatisme de la dijJ古rence) in aller Deutlichkeit formulie吭, um dieser die Idee "int叮kulturel1er Alterität“ (l 'alterité interculturelfe) entgegenzusetzten (vg l. auch JULLlEN 2003a, S. 5), die mir allerdings nicht weniger problematisch erscheint

12 JULLIEN 2012, S. 34 13 Ebenda, S. 36 14 Ebenda, S. 41

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Fabian Heubel: Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosophie

Schriften gründen sol!. Demgegenüber gehe ich davon aus, dass die Kritik am Essentialismus seiner 1nterpretation "chinesischen Denkens“ ihre begründete Ursache in seinen Schriften selber hat. Denn diesen wohnt sehr wohl die Tendenz inne, Abstände zu sterilen Di叮erenzengerinnen zu lassen. Es gelingt ihm offenbar nicht hinreichend, in seiner Arbeit mit Abständen die von ihm gegen die Komparatistik angemahnte Flüssigkeit der Momente zu wahren. Seine Vorliebe für kontrastive Effekte i泣, aller Kritik an der Komparatistik zum Trotz, dem von ihm zurückgewiesenen Denken in Di叮~erenzen und Identitäten näher als er zuzugestehen bereit ist. Dass er hinter seinen eigenen Anspruch immer wieder zurückfållt, liegt an grundlegenden Problemen seines Ansatzes

Zur weiteren Klärung dieser Probleme möch阻止h - durchaus im Sinne der methodo­logischen Uberlegungen, die JULLIEN selber bereits in der Einleitung zu La valeur allusive entwickelt hat - zwei Arten komparativer Forschung unterscheiden: die eine arbeitet mit Di缸erenz凹, die andere mit Abständen. Durchaus zu Recht insistiert JULLIEN darauf, dass die philosophische Arbeit mit kulturellen Abständen nicht leichthin mit einer komparativen Forschung verw自hselt werden darf, die Differenzen und 1dentitäten essentialistisch fixie!i Seine Kritik des Kulturessentialismus versucht sich der Tendenz von komparativer Philoso­phie zur Uberhöhung kultureller Verschiedenartigkeit zu Di旺erenzen zwischen Volksgeistern, Volkskulturen oder Mentalitäten entgegenzustellen , Die Unterscheidung zwischen kulturel len Di叮erenzen und kultu阻llen Abständen ist von daher ein bemerkenswerter Schritt auf dem Weg zur Dynamisierung interkultureller Philosoph間,

Insofem komparative Forschung als produktive Arbeit mit kulturellen Abständen verstan den wird, vermag ihre "Fruchtb盯keit“ (jecondi的15 zur Geltung zu komm凹, weil sie die ste­rile Fixierung auf Di叮叮'enzen und Identitäten durchbricht: "Während die durch den Abstand hervorgerufene Spannung Fruchtbarkeit erzeugt - produziert -, möchte ich daran erinnern, dass, im Gegensatz dazu, d時 Differenz nich祖 produziert [",],'‘16 Die Fruchtbarkeit der Arbeit mit Abständen rührt hier also von der produktiven Spannung her, in die sie verschiedene kulturelle Ressourcen versetzt. Damit eröffnet JULLIENS Begriff des Abstands zunächst ein­mal eine interessante Möglichke泣, die philosophische Fruchtbarkeit der komparativen Di­mension interkultureller Philosophie zu überdenken. Allerdings halte ich die Einführung der Unterscheidung zwischen Di缸C間nz und Abstand für unzureichend, um jene Fruchtbarkeit zu erschließ凹, die mit der Vermischung kultureller Ressourcen verbunden i前, die also jener kulturellen Hybridisierung erwäch前, die charakteristisch ist für die transkulturelle Dimensi­on interkultureller Philosophie. JULLIEN vermag die Fruchtbarkeit des Abstands zu denken , nicht hingegen die Fruchtbarkeit der Vermischung

JULLIENS Dilemma besteht darin , einerseits mit dem Begriff des Abstands jener (philo sophischen) Uniformisierung widerstehen zu woll間, die ihm als große geistige Gefahr im Zeitalter der Globalisierung vorschwebt; andererseits aber auch verhindern zu wollen, dass die Abstände sich essentialistisch verhärten und zu unfruchtbaren Di叮erenzen werden, um schließlich die ideologischen Bedürfnisse eines bornierten Regionalismus zu speisen. Der von ihm formulierte Ausweg aus dieser heiklen Lage entbehrt nicht der Folgerichtigkeit: Er insistiert auf der Möglichkeit, durch die Arbeit mit Abständen kulturelle Kreativität zu er­zeugen. Daran, dass eine solche A均eit mit Abständen fruchtbar sein kann, möchte ich nicht grundsätzlich zweifeln - denn die Bedeutung komparativer Forschung bleibt auch nach der

15 Ebenda, S. 36 16 Ebenda, S. 37

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Verschiebung der theoretischen Aufmerksamkeit auf Erfahrungen transkultureller Dynamik bestehen. Weil JULLIENS Komparatistik der Abstände jedoch die Komplexität kultu間ller Hy­bridisierung verkennt, indem sie dazu nei訓, Hybridisierung und Uniformisierung reduktio nistisch zusammenzuwerfen, bleibt sie blind gegenüber jener modernen Selbsttransformation chinesischer Philosoph峙, die ohne Berücksichtigung der dynamischen Verschränkung exter­ner und interner Modernisierung unverständlich bleiben muss. 1n diesem Sinne ignoriert und blockiert die Überbewertung von kultu間llen Abständen und Kontrasten die kreative Trans­formation der chinesischen Gegenwmtsphilosophie

2.3 Philosophie des Zwischen

Der Umgang mit dem Chinesischen als einer Sprache der Gegenwartsphilosophie schärft die Wahrnehmung für deren Schwierigkeit凹, aber auch für deren Möglichkeiten: Chinesisch­sprachige Philosophie hat ein historisches Situationspotential akkumuliert, zu dem es in der Philosophie Europas (noch) kein Aquivalent gibt. Es dürfte noch eine Weile dauern , bis dieses Potential offensichtlich voll zur Entfaltung kommt. Es ist inzwischen allerdings schon so­weit wahrnehmb缸" dass sich die interkulturelle Kommunikation zwischen zeitgenössischem Philosophieren in China und in Europa als neuer Forschungsbereich aufzudrängen beginnt Die transkulturelle Dimension solcher Kommunikation sehe ich geprägt von einer Tendenz zu kritisch-zeitdiagnostischer, die komparative Dimension hingegen von der Tendenz zu his­torisch-philologischer Analyse. Beide Momente bedürfen einander. Allerdings stellt sich die Frage , wie das Verhältnis zwischen diesen beiden Arbeits- und Herangehensweisen genauer beschrieben werden kann. Unter der Voraussetzung eines unauflöslichen Spannungsverhält­lllSS自 von komp缸ativer Hermeneutik und transkulture l1er Kritik möchte ich mich nun der Bedeutung jenes Zwischen (jiãn 間、閒) zuwenden, von dem her ich den Begriff interkultu reller Philosophie dann weiter zu bestimmen versuche.

1st nicht zumal in der europäischen Philosophie des 20. Jahrhunderts jener Abstand zw卜schen einer (europäischen) Philosophie des Seins und einem (chinesischen) Denken des Zwi schen unterlaufen worden, auf dem JULLIEN allenthalben insist阻凹, wenn er beide kontras­tiert? Zeigt das nicht zuletzt die Philosophie Martin HEIDEGGERS (1 889 -1976) , in der das Zwischen die Qualität eines philosophischen Begri旺's zu gewinnen beginnt? Lässt sich gar die herausragende Bedeutung, die HEIDEGGER für die Entwicklung zeitgenössischer Philo sophie in Osta自己n zukommt, auf dieses Spannungsverhältnis von Sein und Zwischen zu­rückführen? Zeigen sich besonders interessante Möglichkeiten philosophischer Arbeit nicht vielleicht gerade do缸, wo beide Seiten gerade nicht auf Abstand gehalten werden? Dort, wo das Zwischen zu einem ontologischen Begri叮 weiterentwickelt wird? All diese Fragen deu­ten auf den Sachverhalt, dass zeitgenössische Philosophie, in Europa wie auch in Ostasien, unentwegt Momente vermisc恤, die JULLIEN auf Abstand zu halten versucht: jene "klassische Ontologie“ wird allenthalben durchbrochen , aus deren Perspektive das Zwischen im Bereich des "Nicht-Ontologischen“ zu verharren hat. 17 Diese Tendenz zur historistischen Fixierung philosophischer Begri叮e auf vermeintlich ursprüngliche Bedeutungen ist unfruchtbar. Fällt JULLIEN hier nicht doch jener Tendenz zur essentialistischen Fixierung anheim, die er zu­gleich empört von sich weist? Wird hier nicht doch - der Verteidigung europ且ischer We口ezuliebe - der Abstand zwischen Sein (Europa) und Zwischen (China) als identitätsstiftende

17 Ebenda, S. 52; vgl. auch JULLlEN 2003b, S. 135-136, 146

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Di何erenz festgeschrieben? Wird hier nicht die interkulturelle Kommunikation von der nor­mativen Perspektive gelei間, dass Europa Europa und China China bleiben soll? Wird hier nicht doch darauf insistie凹, dass Wissenstransfer und Modernisierungsprozesse zwischen Eu­ropa und Ostasien die beruhigenden Grenzziehungen zwischen kulturellen Identitäten nicht verwischen sollen und dürfen?

Nicht nur chinesischsprachige Philosophie hat im 20. Jahrhundert solche zwanghaften 1dentitäten systematisch unterwandert. Auch im deutschsprachigen Raum gab es vergleichba re - wenn auch viel zaghaftere - Bemühungen in diese Richtung. Indem etwa bei HEIDEGGER die Philosophie des Seins sich für den Begriff des Zwischen öffn剖, wird ein bedeutender philosophiehistorischer Schritt vollzogen: Es eröffnet sich die M位glichkeit, das Verhältnis von Sein und Zwischen, vieIleicht sogar den ontologischen Vorrang des Zwischen vor dem Sein zu denken. Eine solche Möglichl值it lässt sich nur in Erwägung ziehen, wenn die - ety­mologisch nicht mehr zu stützende - Perspektive einer Losl且sung des Begri叮's der Ontologie von demjenigen des Seins zugestanden wird. Den Schritt von der Ontologie d目 Seins zu einer Ontologie des Zwischen mag HEIDEGGER vorbereitet haben, selber vollzogen hat er ihn aber nur in begrenztem Ma自己. Ein großes Verdienst der französischsprachigen Gegenwarts­philosophie kann deshalb d盯in gesehen werden, diesen von HEIDEGGER mi恆的ffneten Weg weitergegangen zu sein, um dabei einerseits Friedrich NIETZSCHES Idee einer Philosophie der Kraft und des Werdens aufzunehmen (FOUCAULT, DELEUZE [1925一1995]) , andererseits die Bemühungen in Richtung einer Phänomenologie des Leibes weiterentwickelt zu haben. Vor allem im deutschsprachigen Raum hat sich die 1dee des Leibes als einer Zwischensphäre als sehr fruchtbar erw時間n. Von hier aus haben sich vielfáltige Ubergänge zur ostasiatischen Qì (j apanisch: 的 oder Atem-Energetik ergeben

Ein solcher Begriff des Zwischen korrespondiert nun auf bemerkenswerte Weise mit der Beobachtu時, dass der Weg der Modernisierung Chinas auf historisch beispiellose Weise in einen kulturellen Zwischenzustand geführt hat, für den die Vermischung kultureller R臼­sourcen charakteristisch ist - die chinesische Modernisierung, die als Prozess des Konflikts zwischen verschiedenen, einander ausschließenden Lösungsversuchen für das Problem des Umgangs mit dem Schock der westlichen Herausforderung verstanden werden kann, lässt sich mit der Assimilation des Buddhismus in China vergleichen, die zu tiefgehenden struktu­rellen Veränderungen gefü趾t hat 一 dies allerdings über einen historisch viellänger gestreck­ten Zeitraum. Die durch hybride Modernisierung herbeigeführte kulturelle Situation ist eine historisch entstandene Realit鼠, in der sich wohnlich einzurichten allerdings vielen Menschen im heutigen China äußerst schwerfállt. Von daher entsteht die starke Tendenz, aus diesem Zwischenzustand heraustreten zu wollen und Zuflucht zu suchen in kontrastiven Klischees von China und dem Westen sowie im ethnozentrischen Traum von der Renaissance des chi­nesischen Volkes.

Um solchen verständlichen, aber trügerischen Traumbildern zu widerstehen, ist ein Begri缸des Zwischen hilfreich, der es erlaubt, das interkulturelle inter zu präzis扭扭n: das Zwischen 再伊zet Spaltung und \告rschmelzung. Der hybride Zustand des Zwischen ist ein kommunikati­ves Hin-unιHer zwischen Spaltung und Verschmelzung. Oder: hier, zwischen den Polen re gionaler und globaler Philosophie, bewegt sich interkultu間lIe Philosophie im Spannungsfeld von komparativer Arbeit mit Di旺'erenzierungen und Identifizierungen (von und mit Ku1turen und Sprachen, die als in mehr oder weniger großen Abständen voneinander stehend wahrge­nommen werden) und transkultureller Arbe此, die ihr Augenmerk auf dynamische, immer wie der von revolutionären Verwerfungen unterbrochene, Prozesse der Verflechtung und Vermi

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schung richtet. Ein derart veränderter Begri旺 interkultureller Philosophie geht aus von einem spannungsgeladenen Schwebezustand zwischen den Tendenzen zu Spaltung und Verschmel­zun耳, Differenzierung und Integration, Diskontinuität und Kontinuit祉, Entzweiung und Ver­einung. Aus der theoretischen Aufmerksamkeit für die Komplexität dieser Dialektik erwächst in einem nächsten Schritt sodann die Notwendigkeit transkultureller Kritik. Bevor ich mich 刮目前 widme, sei jedoch noch an einem Beispiel zumindest knapp skizziert, wie sich die hier vorg臼chlagene Theorieperspektive auf das Verständnis von Phänomenen des Wissenstrans­fers in der chinesischen Gegenwartsphilosophie auswirkt. Es handelt sich um das Beispiel des Problems der Metaphysik im Spannungsfeld von europäischer und chinesischer Philosoph阻

2.4 Das Problem der Metaphysik

In Procès ou Création und Figures de ['immanence entwickelt François JULLIEN eine "philo­sophische Lektüre“ von ausgewählten Schriften des konfuzianischen Literaten W ÁNG F百zhl王夫之 (1619-1692). 1m Falle von Procès ou Création geht er aus vom ausführlichen Kom mentar, den W ÁNG Füzhl zu einem der grundlegenden Texte des Song-zeitlichen Konfu­zianismus, dem Richtigen A圳的問n (Zhèngméng ((正蒙)) ) von ZHÃNG Z且i (10鈞一1077)gewidmet h肘;18 Figures de ['immanence beschäftigt sich sodann ergänzend mit den beiden Kommentaren , die W ÁNG zum klasssichen Buch der Wandlungen (Y'yfng ((易經)) ) ver fasst hat. 1n den anspruchsvollen und detaillierten Erörterungen dieser beiden Bücher legt JULLIEN die theoretischen Grundlagen seiner philosophischen Vision des "chinesischen Den­kens“, um sie später an diversen anderen Gegenst且nden zu erproben und zu popularisieren An dieser Stelle müssen die komplizierten philologischen und philosophischen Fragen weit­gehend beiseite gelassen werden, die JULLIENS Umgang mit WÁNG Füzhl aufwirft. 19 Ich kann mich nur auf die wesentliche Grundthese der beiden Bücher konzentrieren, der gemäß W ÁNG Füzhï und sodann vera1lgemeinemd das chinesische Denken nicht-metaphysisch sei Interessant erscheint mir an JULLIENS These vor allem der schroffe Kontrast, in dem sie zu der in chinesischer Gegenwartsphilosophie weit verbreiteten Tendenz stel哎, philosophische Theoriebildung mit einem metaphysischen oder ontologischen Anspruch zu verbinden - wo bei diese Tendenz nicht zuletzt in Auseinandersetzung oder gar offenem Konflikt mit dem nach 1949 zur Sta刮目deologie erhobenen dialektischen Materialismus Gestalt gewonnen hat. Diese Situation legt es mein巳rAu叮~assung nach nahe , das Spannungsverhältnis zwischen Me­taphysik und Nicht-Metaphysik, zwischen Transzendenz und Immanenz als geteiltes Problem zeltgen的ssischer Philosophie in China und in Europa wahrzunehmen. In JULLIENS Interpre­tation "chin自ischen Denkens“ wird diese Denkrnöglichkeit jedoch systematisch unterdrückt Das zeigt sich in seiner Zurückweisung der modernen und inzwischen allgemein verbreiteten Übersetzung von Metaphysik als xíngérshàngxué 形而上學 (oder abgekürzt xíngshàngxué 形上學). Diese Übersetzung fußt auf einer berühmten und schon traditionell vieldiskutierten Wendung aus dem Textkorpus des Buches der Wandlungen. Sie sei zunäch泣, in Anlehnung an JULLIENS Ubersetzu嗯, wie folgt wiedergegeben: "was über dem Konkreten i前, hei且tW,旬,was unter dem Konkreten i泣, heißt Gerät".20 Dazu schreibt JULLIEN: "Es lässt sich leicht er-

18 Dieses Buch ist io einer als Experim巳ot verdientsvolleo, aber philosophisch nahezu unlesbar,凹, deutschen über setzung unter dem Titel Das rechte Aufiichten erschienen (FRIEDRICH et a1. 1996)

19 Vg1. dazu die Kontroverse zwischen JULLlEN (JULLlEN 199 日) und Jean François BILLETER (BILLETER 1990) 20 [是故形而上者謂之道,形而下者謂之器。](、11ÁNG 1993. S. 568)

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messen, in welchem Maße in diesem Fall die gemeinhin akzeptierteλJbersetzung ‘ des west­IIdlen BegnEs derMetaphySIk durch den alterl ctunesisCherI AusdruckJIber dern konkreten ‘ (im Verhältnis zu ,unter dem Konkreten ‘: dào 道 und qì器) iITig ist “ 21 Übersetzt man den obigen Satz im Sinne des Verständnisses von "über dem Konkreten“ als metaphysisch und "叫叮 dem Konkreten" als physi叫, s叩o呻bt s抽 fol站g閒叫d白e Vi泊枷b扯rslO

he臼iß趴t執Weg; was physisch i泣, heißt Gerät.“ Mit diesem Verständnis jedoch, so JULLlEN, "haben die Chinesen in jeder Hinsicht die ursprüngliche Formulierung ve叮aten“ 22 “

Das schemtmr eine sehr problemat1sche Behauptung zu sem Im kontext ch1nes1schspra­chiger Philosophie hat sich eine di在erenzierte und durchaus kontroverse Diskussion dieses mu dem chines1scherlModernISlerungswcg eng verblIndenenUbemetzlingsproblems entWI ckelt. Mit seiner Behauptung, "die Chinesen“ hätten die ursprünglich nicht-metaphysische Bedeutung der Wendung xíngé口hàng "verraten‘" als sie es 指r die Ubersetzung der ursprüng­lIch gnech1schen h4etaphysik gebrauchten, vertntt JULLIEN innerhalb dieser kontrDveme eme sehr konservatwe POSItIon-Denn er spncht eme sprache, die derjemgen erstaunlich ähnelt, die im Zuge der "Renaissance chinesischer Kultur“ eher aus dem Mund von stra甜natIonalistlsch und antlwestl1ch gesonnenen Gelehrten zu tlorenISt Das',von Ang自icht zu Angesicht“ (vis-à-vis) , das JULLIEN zwischen China und Europa errichten möch妞, kann so jedenfalls nicht zustande kommen. Dieses vis-à-vis ist dazu verurteilt, ein Monolog zu blei­ben 血ein Mo叩no叫O叫10咚Eιμ, d叮叭叫 lf叫缸叫Fa圳I

fn凹lcht佔ba盯re叮rwe血isen mag, aber zu keinem kommunikativen Hin-und-Her führen kann. weil er die hybride RealHHt chmes1SCher GegenwartsphllosophIeIgnoderen zu konnen glaubtaIch halte es für fals恤, diese Ube目前zung schlichtweg für irrig zu erklären oder als Verrat an der ursp吋nglichen Bedeutung der fraglichen Wendung im Buch der H伽dlungen anzusehen, we1l mu einem solchez1UrteIl das transKulturelle potentIaL das die chines1schsprachigc Ge genwartsph1losophielm zuge langWienger tJbersetzmgsarbe1t aus europaischen spraCherl mgesammelt hat, schHchtweg vedellgnetwkd Es 1St tinschwer zu sehezh dass pinlosoph1e inEuropas岫 auf diese ~eise gegen die Herausforderung chine~ischsprachiger Gegenwarts­Philosoph1e verpanzert Fur JULLIEN1st dle konfuslon um dleUbersetzung des Begrl缸's der Metaphysik ins Chinesi叫e ein schlagend目 Be呻iel für d肌llegitime Ve叮凹叮rrr口nischun叫叩Jr岫ng a叩nd配e間­arlIge叮r De叩nkwe臼IS扭e凹n , die, seiner Meinung nach, nur in einen fruchtbaren Dialog werden ein­treten komen, wenn s1e iTIre AEldersartIgkelt bewahren und gegen dle"Umform1SIerung der Kulturen“23 一 in China und anderswo - verteidigen. Mir hingegen scheint gerade diese Über setzung ein Geniestreich von kaum zu überschätzender und zu erschöpfender philosophischer Bedeutung zu sein.

JULLIENS Iheoret1sche StrategIe besteht dayin, chinesisches Denken und eurDpaischcphi­losophie auf Abstand zu halten und die Fruchtbarkeit ihres Verhältnisses VOn diesem Abstand her zu denken. Dabei verkennt er jedoch die einfache Tatsache, dass gelungene Überset zungsarbelt mcht zuletzt aus der me vollkomITIerIKontrollIerbaren verm1schurlg von vormals getrennten spflaren sprachlICher Artkulatmn erwachst Warum SOIlte es also auSEeschlossen werdetdass das, was m der wendunE des Buches der Hbndlungen zum AusdruckkommL nicht auch eine mögliche Figur von Metaphysik ist: Ausdruck einer (atem-) energetischtrans-

21 JULLIEN 1989, S. 171; vg l. auch JULLIEN 1993, S. 257一26122 JULLIEN 1993, S. 266 23 Ebenda, S. 268

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formativen Metaphysik etwa凹 Warum sollte unter Metaphysik nur das verstanden wer甘endürfen , was griechische Philosophen "ursprünglich“ darunter verstanden haben mögen und was ihre europäischen Nachfolger im Namen einer Tradition des Bruchs zwischen Erfahrung und 1dee fortgesponnen haben?25 Warum sollte es nicht möglich sein, - ausgehend von der innerhalb chinesischer Gegenwartsphilosophie aufgetauchten Konstellation zwischen Meta­physik und xíngérshàngxué形而上學- die Geschichte von "Metaphysik“ zu dekonstruieren und zu rekonstruieren?26 Warum sollte es unfruchtbar sein, die Arbeit mit dem für modeme Philosophie in Europa seit lmmanuel KANT (1724一1804) konstitutiven Spannungsverhältnis zwischen der Kritik traditioneller Metaphysik und dem Versuch, diese durch Kritik hindurch zu rett凹, mit der Arbeit an dem Spannungsverhältnis zwischen Metaphysik und xíngérshàng­xué 形而上學 zu verbinden?27 Und haben chinesischsprachige Philosophen im 20. Jahrhun­dert nicht genau dies mehr oder weniger erfolgreich getan, indem sie einerseits die traditio nelle europäische Metaphysik für ihre Tendenz zu fragwürdigen Dualismen kritisiert haben, um andererseits jedoch einen positiven Begriff der Metaphysik zu verteidig凹, für den sie sich auch auf chinesische Quellen berufen? Bedeutet die Entgegensetzung von metaphysischer Philosophie der Transzendenz (Europa) und nicht-metaphysischem Denken der lmmanenz (China) nicht letztlich doch , in einen Modus komparativer Di缸'erenz zurückzufallen, dessen Unproduktivität JULLIEN an anderer Stelle überzeugend dargelegt ha口 Um die Erörterung des Problems der Metaphysik philosophisch zumindest skizzenhaft zu unterfüttem, m凸chteich nun versuchen, auf Diskussionen über den fraglichen Satz aus d巳m Buch der Wandlungen ein wenig näher einzugehen, um sodann zumindest einige grobe Hinweise auf die mögliche Fruchtbarkeit der Arbeit mit dem Spannungsverhältnis zwischen (europäischer) Metaphysik und (chinesischer) Metaphysik xíngérshàngxué 形而上學 zu geben. Dafür 、.verde ich auf ein philosophisches Problem zu sprechen kommen, das weitere Aufmerksamkeit verdient: die

24 In seiner Antwort auf meine Kritik sch1ießt JULLlEN diese Möglichkeit explizit aus: "C'est pourquoi il n'y a p品,de mon point d巳 vue,血,m的physique 曲e唔étique' de Wang Fuzhi. Tout 1e travail de 、Nang Fuzhi, notamment dans sa façon d'articuler li 理et qi 氣, que ce soit dans 開 philosophie premi缸.e ou dans sa pensée de I'Histoi間,est précisément de d血amorcer la possibilité d'un巳 coupure mélaphysique - et cela p位lIne critique rigou自use

de 、Nang Yangming qui , sous influence du Bouddhisme, prêtait à cette possibilité" (JULLlEN 2013, S. 5) 孔1it

JULLl ENS Bemerkung erweist sich zunächst einmal dic Bchauptung, das chinesische Denkcn kenne keinen "me­taphysischen Schnitt“ als inakzeptable Ycreinfachung, denn W ÁNG Fiizhis groß巳 r theoretischer Gegenspieler WÁNGYángmíng (1488-1518) 王陽明 (dessen Lehre den Neukonfuzianismus des 20. Jahrhunderls tiefgrcifend beeinftusst hat) kannte ihn ja 0叮'enbar. Die:可 allerdings nur, wie JULLIEN sofort ergän剖, unter dem Einfluss des Buddhismus - der ja "indisch“ und nicht "chinesisch“ is t. Aus JULUENS Bemerkung wird, cinmal mehr, deut. lich, dass es eine puristische Auffassung 勻,chincsischen Denkens“ 1仗, die es ihm er1aubt, die These zu vertreten, das "chin目的che Denken“ der lmmancnz kenne keine Metaphysik. Damit sind wcitreichende Probleme der Gc schichte des Neokonfuzianismus verbunden, auf die ich an dieser Stellc nicht näher eingehen kann. Es sei nur darauf hingewicscn, dass sich die Idee "energetischer l\在etaphysik“ vor allem auf Forschungen von Y ÁNG R白b"in揭儒賢(中 1956; oder YANG Rur-bin) slülzt (Y ÁNG 2012, insbesondere Kapitel vier)

25 JULLIEN 1993 , S. 257-261; JULLlEN 2009, S. 262-263 26 Ich spreche hier bewusst 、 on chinesischer Gegenwartsphilosophie und nicht mchr nur 、 on chinesischsprachigel

Gcgenwartsphilosoph泊, weil di聞自 Problem bei JULLIEN bereits in dic französischsprachige Philosophie hin­emrelc恤, JULLlEN also in der französischen Sprachc Problemc chinesischsprachiger Philosophie aufnimmt und weiterdenkt

271m Chinesischen gibt es Bemühungen , den Abstand von europäischer und chincsischer Metaphysik durch cine Differenzierung der Schreibweise zum Ausdruck zu bringen. Der Vorschlag lautet, europäische Metaphysik mil 的IgshàngxlIé 形上學 zu übersetzen, die chinesische hi月egen als xÉIlf{é吋hàng.λué 形而上學 zu bezeichnen Dieser Yorschlag kommt JULLlENS Yerstündnis insofern en咕咕間, als er ja gerade in dem Partikel ér 而 JenenProzesscharakter allsgedrückt sie拙, der einen metaphysischen Bruch zwischen der obcren Dimension des Weges und der unteren Dimension des Geräts ausschlicßt

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F'abian Heubel: Hybride Modernisierung in d叮 Chinesischen Philosophie

Korrespondenz zwlscherIWANG FEzhTS IJberlegungen zur DIalcktk von weg(Metaphysik) und Gerat(Phys1k)ememelts und Theodor W-ADORNOS(19031969)Idee eInermater1alistl schen OdererfahrungsabhangIgenMetaphySIk andererselts(HEUBEL20I5)

zmachst jedoch zuruck zur modernenUbersetzung des satzes"WasFInetaphymch 帥,heißt Weg; was physisch i泣, heißt Gerät “ Für JULLIEN ve叮'ät eine solche Ubersetzung die "ursprüngliche FormuIierung“, weil damit die Möglichkeit eines Bruchs zwischen 11老百 undGeri.訂 eIngefHhH WIrd, elnes Bruchs also ZWISCherlgeistiger und k6rperIICher, normatlver und natikiICher welt, den das stnktImmanente und transformatIVC Denken des Buches der Wandlungen nicht gekannt haben kann. Dieses in缸中retie前 lULLIEN - mit W ÁNG FiizhI und in Procès et Cré,αtion - als eine "transformatorische Struktur“,28 als "Struktur in fort- . währender Transformation“P wobmTransformatmnliberhallpt nur als"konunuIerllche Transformatmtqound struktur nur als transfommtonsche denkbarI此,Struktur und Trans formatlon smd de belderluntmnnbarenAspekte Gin und derselben RealItatL..]六31 Diese Re­a1ität ist die immanente Zwischer叭Nelt d聞 "Ko凶叮剖開“ (xíng 形), von dem aus eine doppelte Bewegung vom KOElkretennach oben(xfngdrshdng 形而上) und vom Konkreten nach unten (xíngérxià 形而下) - erfolgt,32 die sprachlich durch den Partikel ér 而 Ausdruck findet.33 Das MtJass 叫 v昀0閒I叮I吋叫帥nh加1旭即e叮r ein叫m咖巳叩削ns叫I站SI叩10n凹叩nd岫自 Ur旭M岫n阻岫肌1旭阻恤s由帥1虹ch枷e凹n (仰We咚g, S岫叫 undeIne IJImens1on des Si?htb叮'en (Gerät, Transformation) erschlie恥, die jedoch zwei Aspekte em und derselbenkonur1111erllchcn RealItat smd Von daher schIIei1t JULLIEN auf dle Zudick weisung der "metaphysischen IIlusion“ und die Insistenz auf dem "Nicht-Idealismus“血 1mDenken chmesisCher LIterateIL reprasentIeH durchmfANG FEzhT

JULLIENS Auseinander制片ung mtWANG FEZhIS SchdftenmzweIKIlos emehochgmd1g ptnlosoptusche-Seine ReEexmnen zum Problem der tJbersetzung werfen Frazerlaufi die

izf站在茹苦部jtsiIEE:1jii謠:謊言:iijjjjan, WO JULLIEN entweder d1emnercTImes1SChe Debatte(der er sich o叮'enbar bewusst ist) ausblendet, in der W ÁNG FiizhIs Interp自個tion - insbesondere, die seines in jungen Jahren geschriebenen "äußeren Kornmentars“ zum Buch der Wandlungen , auf den sich lULLIEN vor aIlexn statzt-alslIngewohnIIChund radlkal hexvorsticht, Oder wo er eme mogl1cheInnereuro paische DebattcIIberein solcTIes verstandms von"Metaphysik“ vor dem Hintergrund der mo­dernen Metaphysikkritik von vornherein beiseiteschie恤, indem er leugnet, dass im Kontext chIEICSISCherlDenkcns das Problem der Metaphysik iiberhallpt Sinnvoll g目tellt werden kann ,

28 JULLlEN 1989, S. 194 29 Ebenda, S. 193 3 日 Ebenda, S. 194 31 Ebenda, S. 194 32 Ebenda, S. 171-172

:jtzz;說:ci是bei allf die 1時申etatl…n叫NG F晰可L WÁNG 1993, S 岫

35 咕咕leicht man wichtigc delltsche Übersetzllngen dieses Satzes aus demBuch der ~帖IIdlulIgell wird schnell deut-1i咕, dass sie das "Problem der Metaphysik弋 das slch hier stellt, kaum auch nur ahnen lassen-zanz zu schweIEen

zrJiZ?品:叮叮tZ扒拉注:布拉克立72tlzt;IZ;71:iIitiz;:2泣,tiJtzdas Ding “ WILHELM I989, 5299Dennzs SCHILLINGFi962) ,,Daher he1日t das, was als Gestalt aufste醋, WcgWas als Gestalt niedersinkt, heißt Gerät “ SIChe SCHILLING 2009S22I Ramald SIMON(*l95l)"Daher w1rd das oberhaIb der Formen DKo gznaEMIt,das tInterhalb der FormerJDIng “ SIMON 2014, S. 480

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Wissensaustausch und Modernisierungsprozesse

ohne Selbstverrat zu begehen. Das chinesische Denken soll nur fruchtbar sein, solange es die Rolle des nicht-metaphysischen Anderen der europäischen Metaphysik zu spielen bereit ist. Sobald jedoch auch nur die M且glichkeit auftauc恥, die im Buch der Wandlungen ange­legte Philosophie der Transformation "metaphysisch“ zu lesen, wird sofort Verrat gewittert. Verrat an was, wenn nicht an einer imaginären Reinheit und Unverfälschtheit chinesischen Denkens? 1m Namen eines Phantasrnas kultureller Reinhe泣, das auch die Verunreinigung chinesischen Denkens durch "buddhistische Metaphysik“ 36 zurückweisen muss, die seit dem 11. lahrhundert die Song-zeitliche Rekonstruktion konfuzianischer> Lernens tiefgreifend be einflusst hat - W ÁNG FiizhI tritt im 17. lahrhundert als radikaler Kritiker dieser buddhistisch beeinflussten Rekonstruktion hervor, von der er selber allerdings noch in der Negation in hohem Maße zehrt

Es ist nun keineswegs so, dass JULLIEN diese einfachen 耳目前esgeschichtlichen Tatsachen unbekannt wären; vielmehr opfert er diese Aspekte gezielt der Konstruktion eines "chine­sischen Denkens“, von dem er glau說, dass es der europäischen Gegenwartsphilosophie als strategisches Gegenüber fruchtbar werden kann ist. Das ist jedoch nur in begrenztem Maße der Fall. Denn wirkJich fruchtbar - so meine These - kann das sich im Kontext chinesisch­sprachiger Philosophie stellende Problem der Metaphysik erst werden, sobald erstens die lange Geschichte des "Verrats“ an der "ursprünglichen Formulierung“ in den Blick kommt und sobald zweitens das transkulturelle Potential hybrider Modernisierung in der Philosophie berücksichtigt wird. Denn könnte es nicht sein, dass eS gerade die verwi叮ende vc缸mischung

der Traditionen in China ist, die mit der Art und Weise zu korrespondieren verm嗯, in der sich das Problem der Metaphysik in der zeitgenössischen Philosophie Europas stellt?

Kritische Theorie im Europa des 20. lahrhunderts - vor allem im Anschluss an Karl MARX (1818-1883), NIETZSCHE und Sigmund FREUD (1 856-1939) 一 ist in hohem Maße von dem antimetaphysischen Impuls geprägt worden, das theologische Erbe in der Metaphy sik abzuschütteln. Noch in ADORNOS ,占1editationen zur Metaphysik“, in denen eindringlich die Perspektive einer materialistisch durchdrungen巳n, erfahrungsabhängigen oder mikrologi­schen Metaphysik eröffnet wird, bleibt die Solidarität mit Metaphysik im Augenblick ihres Sturz自己ine Verzweiflungst剖, die wenig Zukünftiges zu versprechen scheint 封 Demgegen

über sehe ich in der Ko叮espondenz zwischen der sich besonders bei 吼叫NG Füzhi heraus­bildenden energetisch-transformativen Metaphysik - mitsamt ihrer Entwicklungsgeschichte in der chinesischsprachigen Philosophie des 20. lahrhunderts - und ADORNOS negativ-dia lektischem Mode11 erfahrungsabhängiger Metaphysik ein beträchtliches transkultu阻lles Po­tentia1. Darin taucht die Möglichkeit einer Transformation der Philosophie auf, die auf noch genauer zu klärende Weise die kommunikative Wende der Subjektphilosophie zu beerben verrnag. Eine interkulture l1e Kommunikation wie die zwischen transformativer und erfah­rungsabhängiger Metaphysik zu entfalten , ist schwieri耳, aber darin scheint mir die Art der Herausforderung auf präzise Weise zurn Ausdruck zu komm凹, die damit einherge恤, Wis sentransfers und Modernisierungsprozesse zwischen Europa und Ostasien zu reflektieren Denn unverkennbar fehlen bisher, vor a11em in Europa, noch weitgehend die inte11ektue11en und institutionellen Bedingungen für eine interkulturelle Kornmunikation, in der "gegensei

36 JULLl EN 1989, S_ 191 37 ADORNO 1975, S. 354-361, 399; HEUBEL 2011 , S. 105-112

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FHeubel
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E'abian Heubel: Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosophie

tige Perspektivenübernahme“38mit der senSIbiluat fiir die polmsch KultureHerl katastrophen eIIITIergeht, dle durch lIntersctuedIEhe pmzesse der Modern1SIemng auSEel6st 訊'orden sind

was hicr als MogIIChkeltm den BlICk kommLMememterKulturelle Philosoph1tdeFm tnstonsches Apnon durch den getellten BezuE auf traumatische Erfahrungen von Moder­nISlerung geHIdeI WIrd.DIe von Gewalt, kneg und katastrophen ausgeI位8ten Pathologien s叩 wahr岫 das Ung耐ch叫er叫ge臨81叫e叫hhophIe SIesM(hst)undmLL缸wel1 sie an unerträgl岫已 allen伽lben ve他ängte und tabuisierte Wah拋iten nihm Inter­kulturelle Philosophie, die sich nicht immer auch der Aufgabe stellt,刮目es U ndenkbare zu denkerL bleibt zu exoustlsch-dekomtlver schwachlichkelt verdammt unbedeutend zumindest fur dle krmsche RCHex1on von MOderrus1eRIElESFrozesscn soweIt lch sehe, smd hermeneu-d tlsche und phanomenologlsche AnsatzeInterKulturcller PhilosophIC dleser Aufgabe nur sehr begzenzt gewachsen An dleser stelle zeigt SICh die NotwendigkeIt des HinZLItretens emer fur die Dynamik transkultu阻Iler Rezeptions- und Transformationsprozesse sensiblen kritischen Theorie. Abschließend deshalb noch einige Bemerkungen zum Begri叮 transkultureller Kritik.

3. Transkulturelle Kritik

3.1 Komparativ, interkulturell, transkulturell

Auch wenn di阻e Au阻1站se血llla祖ander間se目tzun耳mgml址t de凹口mMode叩r口rnisi阻er凹ungsprozess趴, den chinesischs叩pr阻a­chi巴ge Philos叩ophi阻e im 20. Ja油hrhund白er口t d伽u叮r凹岫chl甘山la削u叫fen hat, s凹chwi阻erig und vo叫s蚓zu叩ngs扭比S扭elll mag: e臼s wäre ilh切usoris回ch zu gl旭aube【n凡1, e臼s lie自巳 s叫ich e白in Zugang zur chi阻nesi拉sche叩n> Phi11 1 los叩op戶hi旭e - ob an叫ltik 0叫de叮r modern 一且finden , ohne Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit, 。hne einen Bezug zu den politischen und kultu阻llen Revolutionen herzustellen, die sich seit dem späten 凹. Jahrhundert Bahn gebrochen haben戶 Erst dann wird wahrnehmbar, dass auf dem Wege eines h凸chst komplexen und aui3emt schmerzlichen Lemprozesses-der beshitet W缸 von exzessiver Destruktion 住aditioneller Wissen叫rukturen und Ku叫It1呻m站ktωike】e目llle叮rV叫ielzahl咀1 ge臼sc吭he臼lt缸erte叮r Expe凹nm虹ment扭e -, e白lllZI嘻g缸tlg許e Möglichke但eite叩n des Philosophi阻en間e臼n肘

1祖S an啥geda缸cht>lt we 吋咕en konr帥n凡1, di旭e 自 zu e叩n叫咐t吋decken und we白lt阻er zu en叫叫tf:由蝴f臼削a叫lte叩n gilt. Tran 血lt仙u盯F阻ellee 拈岫叫

1 、Neraen

Der Umbruch chinesischer Philosophie, den ich bisher skizziert habe, hat zur Unterschei­dung von zwei Wegen gefüh此, auf denen in interkulturelle Philosophie eingetreten werden kantGin komparauver und em transKulturellerweg.Fiir den transKulturellen wq lst kompL raustIk eme notwendIEC Erganzling, zugleich zeIEtJeneLdass sowohl dle kompamtivc Arbelt mit kulturellen Differenzen als auch di句enige mit Abständen interkulturelles Philosophieren unfruchtbar machen und seine Kreativität unnötig be叫ränken kann. Transkulturelle Kritik tritt von komplexen , vielfach paradox-zerklüfteten Proze回en der Modernisierung her in die kommurukauon zwisCherl regIonalen Kultur und DenkformatIOIlerl em.Leben und Denken bedelItender chlnes1schspmchIger Phllosopherllm20.Jahrllundertlst bis m dIe verborgens­tenRegungenM?elnvonderpa別oxen - imrnerfo的e馴uh恥nden und traurnatis時間d凹,aber gleichzeitig immer auch motivierenden und befreienden 一 Dialektik zwischen heterono-

38 HABERMAS 2011 , S, 91 39 Siehe HEUBEL 2016, S, 26-36

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Wissensaustausch und Modemisierungsprozesse

mer Rezeption und autonomem Lernen geprägt worden. Bei aller Nötigung zur Okzidentali sierung haben sie immer auch versucht, jene hybride Modernisierung kritisch zu reftektieren, die sich nicht nur aus westlichen, sondern auch aus chinesischen (und japanischen) Quellen genährt hat. Darin gründet das transkulturelle Potential chinesischsprachi唱ge叮rGege臼nwa趾rts叩phi】11-已sop戶hie, da品s au山s Er凹rfa油hru山II呵Ik肛巴叮n山tis血ch zu r阻el目lek蚵tÎerl阻'en札】1 , bil旭de前t s閻oda叩n凹nn den Ausgangs叩punkt fl侃ür eine t曲he凹01',它etische Ar出b巳it , die zunächst einmal darin beste恤, zu lernen , sich durch Risse und Schründe innerhalb und zw卜schen regional unterschiedlichen philosophischen Diskursen der Modern時間rung hindurch zu bewegen: sich gerade nicht von den modernen Entstellungen und Verwerfungen chinesisch­sprachiger Gegenwartsphilosophie abzukehren, sondem diese als unhintergehbare Bedingun­gen der Möglichkeit kritischer und kreativer Selbsttransformation anzuerkennen.

1n China ist akademische Philosophie, seit ihrer institutionellen Herausbildung im 仕缸,hen 20. Jahrhundert, prinzipiell interkulturell strukturiert. Damit ist zunächst gemeint, dass philosophische - und nicht nur philosophische - Refiexion auf den von schweren Krisen und Kulturbrüchen begleiteten Weg der chinesisch巳n Modernisierung ohne dauerhafte und tiefgreifende Interaktion mit westlicher Philosophie nicht m凸glich gewesen wäre. Philo sophie musste interkulturell werden, um intellektuell auf die aus dem Westen kommende Herausforderung reagieren zu k加nen; sie konnte gar nicht anders, als auf dem Wege ei­ner breit angelegten Rezeption und Transformation westlicher Theorien und Terminologien eine neue philosophische Sprache zu schaffen. Dieser leidvolle, von revolutionären Brüchen durchsetzte Lernprozess - der sich insbesondere nach der Niederlage Chinas im ersten sino­japanischen Krieg (1 895) zu beschleunigen b巳gann - ist innerhalb der deutschsprachigen Philosophie bisher weitgehend unbekannt. Um sich vorstellen zu können, was dieser Zwang zur 1nterkulturalität 品r China bedeutet hat, ist es nöti耳, das im deutschsprachigen Raum vor­herrschende, komparative Verständnis von interkultureller Philosophie hinter sich zu lassen und sich zun且chst einmal die transkultu間lle Dynamik zu vergegenwärtigen, die für Philoso phie im zeitgenössischen China schlechthin konstitutiv war. 1st es auch nur vorstellb缸" dass Vergleichbares in Europa geschieht: dass es - ein的 Tages - nicht mehr m且glich sein könn峙,über die europäische(n) Modeme(n) nachzudenken, ohne sich eingehend nicht nur mit der chinesischen Moderne, sondern vielleicht gar mit der chinesischen Antike auseinanderzuset zen; dass Philosophie in Europa interkultureller werden muss, um sich den philosophischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen zu zeigen?

Betrachtet man das philosophische Verhältnis zwischen China und Europa aus diesem hypothetischen Blickwinkel der Reziprozität - und nicht der faktischen Asymmetrie -, stellt man sich also nur einmal vor, Philosophie in Europa würde sich eines Tages der dringenden Notwendigkeit bewusst, "chinesische Philosophie'‘ in dem Maße rezipieren zu müssen, in demeurop且ische Philosophie in China rezipiert worden i前, so erw目前 sich schnell das drasti­sche Ungenügen einer interkulturellen Philosophie, die mehr oder weniger von der Möglich­keit ausge恤, mit kulturräumlich oder gar nationalstaatlich 自xierten Philosophien arbeiten zu k且nnen und von europäischer, asiatischer, deutscher, französischer, indischer, afrikanischer, lateinamerikanischer, japanischer oder chinesischer Philosophie zu sprechen

Die "chinesische Philosophie“, die unter diesen Umständen rezipiert werden müss妞, 1Stnämlich Produkt eines historischen Umbruc恥, Ergebnis einer hybriden Modernisierung, in der eine keineswegs homogene chinesische Tradition - man denke nur an den historischen Einftuss des indischen Buddhismus - auf eine Weise mit westlichen Einftüssen interagiert hat, durch die sich tiefgreifend verändert h瓜, was "chinesische Philosophie“ bedeuten kann. Wer

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Fabian Heubel: Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosoph阻

sich heute mit chinesischsprachiger Gegenwartsphilosophie auseinandersetzen möch阻, muss etwa KANT, HEGEL, MARX und NIETZSCHE ebenso einbeziehen wie antike chinesische Texte oder chinesischen Buddhismus, muss also ein starkes Bewusstsein für eine transkulturelle Dynamik mitbringen, die jenen kultur自komparativen Rahmen spren缸, in dem interkulturelles Philosophieren vielfach noch verhaftet ist

3.2 Grenzen der Transkulturalität

Aber auch der Begriff der Transkulturalität stößt inzwischen sp口rb缸 an seine Grenzen: trans­kulturelle Forschung ist häufig kaum mehr als eine tlexibel und retlexiv gewordene Kompa ratistik. Andererseits dürfte die im Namen von Transkulturalität vorgetragene Kritik an der komparativen Fixierung auf Unterschiede und Ahn1ichkeiten zwischen "Kulturen“, die als mehr oder weniger separate Entitäten vorausgesetzt werden, sowie die Notwendigkeit, sich der dynamischen Vertlechtung und Vermischung von kultu間llen Praktiken und Diskursen zu­zuwenden, derweilen so weitgehend Akzeptanz gefunden haben , dass die Frage auftauc恤, ob

die kritische Entgegensetzung von Interkulturalität und Transkulturalität nicht ihre Aufgabe erfüllt hat und nun die Frage nach den Grenzen von Transkulturalität gestellt wer吐en sollte.

1st nicht der Begriff der Transkulturalität noch an den theoretischen Rahmen der Kultur­komparatistik gebunden? Er mag geeignet sein, der Komplexität des Verhältnisses großer kultureller Sphären (Ost-West, Ostasien-Europa etc.) besser gerecht zu werden als herkοmm liche komparative Ansätze, scheint indes nur teilweise geeignet, Phänomene der philosophi­schen Hybridisierung im gegenwärtigen China in ih間r gan目n Tragweite zu erörtem. Kom­pliziert wird es insbesonde時, wenn sich in das philosophische Verhältnis von chinesischer und europäischer Moderne auch noch chinesische und europäische Antike hineinmischen Wie mit einer Situation innerhalb der chinesischsprachigen Gegenwartsphilosophie umge­hen , der nicht nur europäische Terminologie konstitutiv beigemischt i前, sondem in der diese hybride Philosophie nun zum Ausgangspunkt wird, um sich erneut in die 1nterpretation klas­sischer chinesischer Texte zu vertiefen? 1n diesem innerchinesischen Verhältnis von Antike und Moderne sind dynamische Prozesse philosophischer Transformation im Spiel, die sich weder angemessen als intrakulturell, noch als interkulturell, noch als transkulturell bezeich­nen lassen. Eine transkulturelle Perspektive ist geeign剖,也e komplexe Dynamik des Auf.自

由nandertreffens von europäischer und chinesischer Kultur in China zu analysieren - daran scheitern komparative Ansätze, aus denen sich allerdings jede Unterscheidung von "Europa“ und "China“ irgendwie noch speist. Dieser Dynamik erwachsen jedoch Probleme, für deren Erforschung auch transkulturelle Ansätze nur bedingt geeignet sind - Probleme, die sich in dem Moment zeig凹, in dem das Bewusstsein hybrider Modernisierung als Bedingung der Möglichkeit hervortri缸, um die kulturelle , soziale und politische Situation Ostasiens im 21 lahrhundert verstehen zu können

Während die transkulturelle Perspektive dazu neigt, kulturelle Entwicklungen im Chi­na des 20. lahrhunderts letztlich doch immer wieder an west1iche Einftüsse zurückzubinden und an ihnen zu bemessen, stellt sich nun die Frage, ob diese nicht teil、weise bereits so、iVelt

internalisiert und transformiert worden sind, dass es immer weniger Sinn macht, im Wes­ten nach Maßstäben für die Beurteilung dieser Entwicklungen Ausschau zu halten. So ist es beispielsweise bei der Beschäftigung mit KANT , HEGEL, MARX oder NIETZSCHE im chine­sischsprachigen Kontext nur noch bedingt sinnvoll, auf dem Bezug zum Originaltext oder zur europäischen 1nterpretationsgeschichte zu insistieren, anstatt sich zunächst einmal der

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Wissensaustausch und Modernisierungsproz田間

innerchinesischen Dynamik von deren Rezeption und Transformation zuzuwenden; als wenig sinnvoll erweist sich entsprechend die a1te Gewohnheit, sich in Anbetracht der Verwendung von Begriffen wie "Philosophie“, "Metaphysik“ oder "Subjekt“ im Chinesischen reftexhaft an vermeintliche Grundbedeutungen in europäischen Sprachen klammern zu wollen. Kompa rative und transkulturelle Perspektiven mögen je auf ihre Weise Möglichkeiten der Orientie­rung in dieser inte l1ektuell teilweise äußerst unübersicht1ichen Situation bieten. Es zeigt sich jedoch zunehmend, dass die g的ßten intellektuellen Herausforderungen aus der Notwendig keit erwachsen, der verwirrenden Dynamik nachzugehen, die Rezeption und Transformation west1icher Kultur und westlichen Wissens im chinesischsprachigen Kontext gewonnen haben D時間 transformative Dynamik hat sich teilweise bereits so weit von ihren westlichen Bezugs punkten entfernt, dass das Verständnis ihrer internen Entwicklungslogik insbesondere die eu­ropäische Forschung vor außerordentliche Schwierigkeiten stellt, denn diese ist - aufgund einer historischen Asymmetrie des Wissensaustauschs, von der oben die Rede war - sehr schlecht auf die sich zunehm巳nd aufdrängende N廿tigung vorbereitet, die Dynamik hybrider Modernisierung zu denken und mit ihr umzugehen.

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Fabian Heubel: Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosoph扭

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84

Fabian HEUBEL Univ.-Pro f. Dr. phil Research Pel1ow, Institute of Chinese Literature and Philosoph弘Academia Sinica, Ta單位,

Profes浴or, Institute of Philosophy, National Slln Yat-sen Universi旬, Kaohsiung Institute of Chinese Literature and Philosophy, Academia Sinica 11529 Taip剖, Taiwan (ROC) Tel.: +886227895782 E-Mail: [email protected] http://sinica.academia.edlllFabianHeubel

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Wissensaustausch und Modernisi叮ungsprozesse

China in der Geschichte der frühen Globalisierung

Reinhard SPREE (Berlin)

Zusammenfassung

Ich begreife Globalisi.巳 rung als cinen Proze間, der sich in Schüben seit etwa dem Beginn des 16. Iahrhunderts volI­zogen hat. Zuvor hat es in der Geschichte meh間re Anläufe zur Globalisierung gegeben, die aber noch nicht Zll den für Globalisierung konstitutiven regelmäßigen Verkehrs- und Handelsbeziehungen zwischen den Erdteilen und zu der inzwischen etablierten stabilen multiiateralen lnterdependenz (OSTERHAMMEL und PEτERSSON 2003) führten Die Triebkräfte und Auswirkungen der frühen Globa1isierung steUe ich in chronologisch angeordneten Kapiteln knapp dar. Injeweils eigenen Kapiteln wird Chinas höchst llnterschiedliche Rolle in den Globalisierungsanläufen des 9.-15. Jahrhunderts als expansiv und im ersten Globalisierungsschub ab 1500 mit zunehmendem Rückzllg skizziert Die stark wechselnde Bedeutung Chinas in den betrachteten Global的ierungsphasen ist zugleich ein anschauliches Beispiel für meine These, dass Globalisierung ein marktgetriebener, aber nicht zuletzt stets ein politisch gestalteter Prozess gew自en 1St

且bSj甘'Gct

In my view, globalization is a process that has taken place episodically since approximately the beginning ofthe 16山century. Previously, there were a number ofattempts at globalization, which however fa i!ed to attain the precondition ofregular commercial and communicative relationships among the parts ofthe globe; nor did they lead to the kind of stable mllltilateral interdependence that later took place (OSTERHAMMEL and PETERSSON 2日。 3). In chronologica lJy sequenced chapters, 1 briefiy present the driving forces and the consequences ofearly globalization. In the respective chapters, Chinas highly variegated role is explored: from the first attempts at globalization in the 9th to 15th centuries, which 、.ve悶。fan expansive natu阻 and in the 自 rst push at globalization since 15 日 0 , when China was increasingly in retreat. The highly di何erential significance ofChina for these various phases of globalization is an arresting example for my hypothesis that glohalizat叩n may oot unreasonably be regarded as a marl主et-driven but invariably political ly-fashioned process

1. Einleitung

lch werde im Folgenden zunächst zu kI缸en versuchen, was ich unter Globalisierung verstehe.

Dabei will ich verdeutlichen, dass es in der Geschichte mehrere Anläufe zur Globalisierung

gegeben hat und seit Beginn des 16. lahrhunderts den ersten Globalisierungsschub, dessen

Triebkräfte und Auswirkungen ich darstelle. In jeweils eigenen Kapiteln wird Chinas höchst

unterschiedliche Rolle in den angesprochenen Phasen skizziert. Die stark wechselnde Bedeu

tung Chinas für die betrachteten Globalisierungsphasen tritt hervor. Sie ist mir zugleich ein

anschauliches Beispiel für d時 These, dass Globalisierung ein marktgetriebener, aber nicht zu­

letzt stets ein politisch gestalteter Prozess gewesen ist: So hat sich China seit 1500 primär auf. grund politischer Vorgaben dem ersten Globa1isierungsschub zu seinem Nachteil entzogen

Acta Historica Lcopoldina Nr. 69. 85- \09 (2018) 85

Page 13: Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosophie1

ACTA HISTORICA LEOPOLDINA " Herausgegeben von Wolfgang U. ECKA賦 Mitglied der Akademie,

Dieter HOFFMANN, Mitglied der Akadem阻, und Alfons LABlSCH, Mitglied der Akademie

Nummer69

Wissensausíausch und Modernisierungsprozesse

zwischen Europa, Japan und China

Herausgegeben von:

Cord EBERSPÄCHER (Düsseldort) Alfons LABISCH (Düsseldorf, Halle/Saale, Beijin皂, China) 此ifitglied der Leopoldina

Xuetao Lr (Beijing, China)

Redigiert von

Maria GRIEMMERT (Düsseldort) Ulrich KOPPITZ (Düsseldort) Alfons LABISCH (Düs間ldorf, Halle/Saale, Beijin耳, China)

Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina

Nationale Akademie der Wissenschaften, Halle (Saale) 2018

Wissenschaftliche Verlagsgesellscha缸 Stuttgart

2018

Page 14: Hybride Modernisierung in der Chinesischen Philosophie1

Inhalt

Redaktion: Dr. Michael KAASCH und Dr. Joachim KAASCH

Die Schriftenrcihe Acta Historica Leopoldina erscheint bei der Wissenschaftlichen VcrJagsgesellscha從Stuttgart, Birkenwaldstraße 44, 70191 Stuttgart, Bundesrepublik Deutschland

Die Schriftenreihe wird ge晶rdert durch das Bundesministerium ftir Bi岫ung und Forschung sowie das Ministerium 描rWi巾chaft , Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt

7 LABISCI置, Alfons: Dank

9 EBERSPÄCI詛咒 Cord, LABISCH, AI自由lS, und LI Xuetao: Einleitung ....

Sektion 0:

"Moderne“? - über die achsenzeitlichen Hintergründe der WeltkuIturen -

zur Einführung

Einbandbild ShibaKδ恥N (1747-1818): A Meeting ofJapan, China, and the 丸Nest (spätes 18. Jahrhundert 帥h的 19. Jahrhundert. Au帥叭, Minn臼呻咿P戶o/.叫晶圳h的F悶叫s叫b叫t蜘u叫恤t倌"e ~仙fμA ,吋t, D押申叫υ叫o刪n叫}

27 LABISCH, Alfons: Was hei日t Modeme? West-östliche Perspektiven auf ein Plastikworl....

49

63

LI Xuetao: The Axial Period and China: Mutual Impacts

HEUBEL, Fabian: Hybride Modemisierung in der Chinesischen Philosophie... Bibliografische Information dcr Deutschcn Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detai l1ierte bibliografische Daten sind im Intemet 的er https:llporta1.dnb.de abrutbar. 85 SPREE, Reinhard: China in der Geschichte der frühen Globalisierung ..

Sektion 1:

Wann setzt Chinas Moderne ein?

SCHλFER, Dagmar: 10000 Dinge - Modene und Technolog曰 im China der Ming

(1 369-1645)- und Qing (1645-1912)-Periode 113

EBERSPÄCHER, Cord: Wann beginnt Chinas Modeme? Forschungsstand, Themen, Me­

thoden, Fragen

Die Abkürzung ML hinter dem Namen der Autoren steht für Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaften

127

149 ZHANG Baichun: The Early Modemisation ofTechnology in China (1 860s-1930s).....

159 LI Jie: Das China-Archiv der Kruppstiftung

WEN Xin: Zur China> Rezeption in Deutschland im 19. Jahrhunderl - Das Chinabild

in den deutschen Reisebeschreibungen.... 171

Sektion 2:

Medicine as a Medium of Multiple Modernities - Germany, Japan and China

in the 19th and 20th Centuries j

叫叫jjz

181

5

201

LABlSCH, Alfons: Medizin als Medium Multipler Modemitäten

GRIEMMERT, Maria, and FANGERAU, Heiner: Medicine and State Cultures: Narratives

of Encounters between Germany and Japan in the Field of Medicine

也 2018 Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina e. V. - Nationale Akademie der Wissenschaften Postadresse: Jägerberg 1, 06108 Ha \le (Saa1e), Postfachadresse: 110543, 06019 Halle (Saale) Hausadr目se der Redaktion: Emil-Abderhalden-Straße 37, 06108 Halle (Saale) Tel 來4934547239134, Fax: +49 345 47239139 Herausgeber: Prof. Dr. Wolf扭ng U. ECKART ML (Heidelbe唔), Prof. Dr. Dieter HOFFMANN ML (Berlin) und Prof. Dr. Dr. Alfons LABJSCH ML (Dü田eldort)Printed in Gennany 2018 Gesamtherstellung: Druck-Zuck GmbH Halle (Saale) 的BN: 978-3-8047-3706-8 ISSN: 0001-5857 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier.