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Hypothesen zur Evolution von Bakteriophagen-Holinen von Siegfried Scherer Ergänzung zum Abschnitt VII.16.6.2 „Überlappende Gene“ von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ Stand: Juni 2008 © 2008 Studiengemeinschaft Wort und Wissen e. V. www.evolutionslehrbuch.info

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Hypothesen zur Evolution

von Bakteriophagen-Holinen

von Siegfried Scherer

Ergänzung zum Abschnitt VII.16.6.2 „Überlappende Gene“von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“

Stand: Juni 2008

© 2008 Studiengemeinschaft Wort und Wissen e. V.www.evolutionslehrbuch.info

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Hypothesen zur Evolution

von Bakteriophagen-Holinen

bel erscheinen lassen? Und wie könnte

man sich die Entstehung eines Holingens

erklären, welches komplett in das Gen ei-

nes zellwandlytischen Proteins eingebet-

tet ist, aber in einem anderen Leseraster

(„out-of-frame“) abgelesen wird? Am Bei-

spiel bekannter Holinstrukturen wird eine

phantasievolle evolutionäre Geschichte

zur Entstehung dieser Proteine erzählt.

Diese Geschichte wird dann anhand ver-

fügbarer experimenteller Daten zur Struk-

tur-Funktionsbeziehung von Holinen ei-

nem „reality check“ unterworfen. Dabei

ergibt sich, dass die Wahrscheinlichkeit

der Entstehung von Holinen durch bekann-

te biologische Prozesse sehr klein ist. Auf-

grund von Datenmangel ist aber selbst

eine semi-quantitative Abschätzung der

Entstehungswahrscheinlichkeit nicht sinn-

voll möglich. Deshalb kann derzeit nur

festgestellt werden, dass man nicht weiß,

wie ein Holin-Gen de novo entstanden sein

könnte. Diese Schlussfolgerung gilt auch

für das Holin-ähnliche Protein Hol187 des

Staphylococcus aureus Phagen 187, das in

einem anderen Leseraster innerhalb eines

Gens völlig verschiedener Funktion codiert

wird.

Die Erzählung einer evolutionären Ge-

schichte zur Holin-Entstehung ist ein wich-

tiger Teil des wissenschaftlichen Erkennt-

nisprozesses, weil sie zur Konzeption von

Experimenten führen kann, welche die Ge-

schichte bestätigen oder zum Widerspruch

führen. Die experimentelle Prüfung steht

bezüglich der Holine noch weitgehend aus.

Es liegt eine Wissenslücke der Evolutions-

biologie vor. Wissenslücken sind jedoch

nicht geeignet, um die „Unmöglichkeit“

eines postulierten Evolutionsprozesses zu

beweisen.

Siegfried SchererLehrstuhl für Mikrobielle ÖkologieDepartment für Grundlagen der Biowissen-schaftenTechnische Universität MünchenWeihenstephaner Berg 3D-85354 Freising

„Holins are remarkable proteins, honed by power-

ful evolutionary forces to be the simplest and most

adjustable [...] biological timers. [...] However, the-

re is very little mechanistic insight into how holins

work, however elegant and amusing the phenome-

nology.“ YOUNG & WANG, 2006

Zusammenfassung

Bakteriophagen sind Viren, welche Bakte-

rienzellen befallen und sich auf Kosten

dieser Wirtszellen vermehren. Die Zelle

wird am Ende des Infektionszyklus lysiert

und die Bakteriophagen-Nachkommen

werden freigesetzt. Die Lyse der Wirtszel-

le hängt häufig von einem Holinprotein

ab, welches Läsionen in der Cytoplasma-

Membran erzeugt. Durch diese „Löcher“

können zellwandlytische Endolysine des

Bakteriophagen die Zellwand erreichen

und zerstören, was dann zur schnellen

Zelllyse führt. Holine sind eine diverse

Gruppe von Membranproteinen mit mehr

als 50 Familien, was als Beleg für eine

einfache Evolvierbarkeit angesehen wur-

de. Allerdings sind Bakteriophagen auch

hinsichtlich der anderen Proteine die di-

verseste Gruppe aller „Lebewesen“.

Sind natürliche Prozesse bekannt, wel-

che eine Entstehung von Holinen plausi-

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Einleitung

Jede DNA Sequenz kann theoretisch in sechsverschiedenen Leserastern in eine Proteinse-quenz übersetzt werden. Normalerweise wirddavon nur ein Leseraster benutzt, dieses wirdals das codierende Leseraster bezeichnet. Ineinigen Fällen wurde jedoch beobachtet, dassDNA Sequenzen für mehr als ein Protein codie-ren, wobei verschiedene Leseraster benutzt wer-den. Solche Gene nennt man auch überlap-

pende Gene. Wenn ein Leseraster komplett ineinem anderen Leseraster liegt, nennen wir dasein eingebettetes Gen. Diesen Befund kenntman schon lange von Bakteriophagen1. Sie kom-men aber auch bei anderen Viren, die eukaryo-tische Zellen befallen, vor. Überlappende Genefindet man auch in bakteriellen und eukaryoti-schen Genomen. In den letzten Jahren hat sichgezeigt, dass überlappende Gene insgesamt rechthäufig vorkommen, allerdings sind außerhalbvon Viren bisher nur wenige eingebettetete Genenachgewiesen (WINKLER, 2008).

Im Rahmen der Charakterisierung von Me-chanismen, wie Bakteriophagen nach erfolgrei-cher Infektion der Wirtszelle und Synthese derViren-Nachkommen aus der Wirtszelle entkom-men, wurden in meiner Arbeitsgruppe mehrerePhagen von bakteriellen Krankheiterregern, wieStaphylococcus aureus (LOESSNER et al., 1998;LOESSNER et al., 1999), Listeria monocytogenes

(LOESSNER & SCHERER, 1995; LOESSNER et al., 2000),Bacillus cereus (LOESSNER et al., 1997) und Clostri-

dium perfringens (ZIMMER et al., 2002) unter-sucht. In der Regel fanden wir die schon längerbekannten Holin-Endolysin-Systeme (YOUNG etal., 2000). Dabei stand zunächst eine biotech-nologische Anwendung dieser lytischen Syste-me im Vordergrund (LOESSNER, 2005), späterbegannen wir anhand von Listeria monocytoge-

nes Phagen auch die Funktion der Holine zuuntersuchen (VUKOV et al., 2000; VUKOV et al.,2003).

Unsere außergewöhnlichste Beobachtungwar vielleicht der Befund, dass ein Gen in einem+1 Leseraster in dem zellwandlytischen Gendes Staphylococcus Bakteriophagen 187 einge-bettet ist (LOESSNER et al., 1999), welches wir alsKlasse II Holin-Gen interpretiert haben. SolcheBefunde geben Anlass zu der Frage, ob ein

solches Konstrukt durch bekannte Evolutions-prozesse entstehen kann. Diese Frage wird in(JUNKER & SCHERER, 2006) kritisch, aber nur kurzdiskutiert. Eine umfassendere Literaturübersichtzu überlappenden Genen gibt WINKLER (2008).In der vorliegenden Arbeit wird die Entstehungvon Holinen im Allgemeinen und des überlap-penden Gens hol187 des Staphylococcus-Phagen187 im speziellen vertieft diskutiert. Dafür ist esnotwendig, zunächst eine Einführung in die Le-benszyklen von Bakteriophagen zu geben (Nä-heres dazu in jedem Mikrobiologielehrbuch, z.B.MADIGAN & MARTINKO, 2006). Darauf aufbauendwerde ich die Funktion der Holin-Endolysin-Systeme von Bakteriophagen, die molekulareStruktur und Funktion eines besonderen KlasseII Holins und eine an molekularbiologischenDaten orientierte Hypothese zur Evolution derHolin-Endolysin-Systeme diskutieren. Auf die-ser Grundlage werden dann Randbedingungenfür die Entstehung eines out-of-frame codiertenGens wie hol187 formuliert.

Lebenszyklen von

Bakteriophagen

Bakteriophagen sind Proteinpartikel, welcheErbsubstanz (DNA oder RNA) enthalten. Einehäufige Grundstruktur ist in Abb. 1 dargestellt.Die Proteinpartikel binden mit Rezeptoren andie Oberfläche von Bakterienwirtszellen (Abb.2) und injizieren dann ihre Erbsubstanz in denWirt. Viele Bakteriophagen haben zwei Lebens-zyklen, welche verschiedenen Überlebensstra-tegien entsprechen. Im lysogenen Zyklus wirddie meist lineare DNA der Phagen nach derBindung an die Zelloberfläche der Bakterien indie Wirtszelle injiziert und im Cytoplasma zueinem Ring geschlossen. Über homologe Re-

Abb 1: Schemazeichnungeines E. coli „T-even“ Bakte-tiophagen (public domain)

1 Bakteriophage heißt soviel wie „Bakterienfres-

ser, es handelt sich um Viren, welche Bakterien

befallen.

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kombination wird die ringförmige Phagen DNAan der attachment site in das Wirtsgenom einge-baut (Integration durch ein besonderes Pha-genenzym), verbleibt dort inaktiv auf unbe-stimmte Zeit und die Phagen DNA vermehrtsich nur durch die Verdopplung der Wirtszelle.Aufgrund äußerer Umstände (Stress) oder auchspontan durch Excision (Ausschneiden der Pha-gen DNA aus dem Wirtsgenom) kann der Pha-ge vom lysogenen Zyklus in seinen lytischenZyklus wechseln. In einem zeitlich sehr genaugesteuerten Prozess der differentiellen Genex-pression wird zunächst die DNA des Phagenrepliziert, danach werden die Phagenköpfe (Cap-side) zusammengebaut und dann wird das Erb-gut des Phagen in den Kopf verpackt. Nun istdie Wirtszelle mit fertigen Phagen-Nachkom-men angefüllt, die freigesetzt werden müssen,damit weitere Wirtszellen infiziert werden kön-nen. Diese Freisetzung bezeichnet man als Lyse,dabei werden Cytoplasma-Membran und Zell-wand der Wirtszelle gezielt zerstört. Für dieLyse dieser beiden Strukturen in der Zellhüllebenutzen Bakteriophagen verschiedene Strate-gien (YOUNG et al., 2000; YOUNG & WANG, 2006),welche im nächsten Abschnitt kurz beschrie-ben werden.

Strategien zur Lyse der

Wirtszellwand

I) Hemmung der Zellwandsynthese

Eine eher selten vorkommende Strategie be-steht in der Bildung von Hemmstoffen, die wie

Antibiotika wirken, aber Proteine sind. Sie hem-men die Zellwandsynthese von Bakterien; derEffekt entspricht in etwa der Wirkung des Anti-biotikums Penicillin, obwohl der molekulareMechanismus anders ist (BERNHARDT et al., 2002).Dadurch lysiert die Wirtszelle und stirbt ab, wasgegen Ende des lytischen Zyklus geschieht. DerZeitpunkt der Synthese und die Aktiviät desHemmstoffes muss so gesteuert sein, dass dieAuflösung des Bakteriums erst nach dem Zu-sammenbau der Bakteriophagen erfolgt.

II) Sekretion von zellwandlytischen Enzymen

Bakterielle Zellwände können durch speziali-sierte lytische Enzyme aufgebrochen werden.Bakterien produzieren solche Proteine, die siebeispielsweise beim Wachstum zur Ausdehnungder Zellwand benötigen (autolytische Enzyme).Aber auch Eukaryoten nutzen sie zur Abwehrvon Bakterien (z.B. das bekannte Lysozym inder Tränenflüssigkeit oder im Eiklar). MancheBakteriophagen tragen ein Gen für ein zell-wandlytisches Enzym (kurz: Endolysin), umdie Bakterien von innen heraus zerstören zukönnen. Endolysine müssen durch die Cyto-plasmamembran an die Zellwand gelangen kön-nen. Bakterien verwenden allgemein einen Sec-System genannten Sekretionsapparat für Pro-teine, die durch die Cytoplasmamembran trans-portiert werden müssen. Bei der Proteinsynthe-se im Cytoplasma wird am N-Terminus desProteins eine spezifische, kurze Aminosäurese-quenz synthetisiert, die man Signalsequenznennt. Diese wird vom Sec-System erkannt unddas Protein wird dann über eine komplex aufge-baute Transportpore aus der Zelle hinaus trans-portiert. Manche Endolysine nutzen diesenTransportweg und besitzen somit ebenfalls eineSignalsequenz. Nach dem Transport haben sieZugang zur Zellwand und können diese zerstö-ren. Synthese und Transport des Endolysinsmüssen zwingend so gesteuert werden, dassdie Zelllyse erst nach dem Zusammenbau derNachkommenphagen erfolgt. Etwa ein Drittelder Phagen verfügt über sekretierte Endolysine(YOUNG & WANG, 2006).

III) Holin/Endolysinsysteme: Freisetzung von

Endolysinen durch Membranläsionen

Die am weitesten verbreitete Form der Lysevon Wirtszellen durch Bakteriophagen ist einSystem aus zwei Komponenten, die auch alsLysisproteine bezeichnet werden. Eine Kom-

Abb 2: Bakteriophagenbinden an die Zelloberflächeeines Bakteriums (publicdomain)

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ponente ist das Holin, ein kleines Membran-protein, welches in der Lage ist in die Cyto-plasmamembran zu integrieren und diese da-durch zu perforieren. Holine werden nach ih-rer Proteinsekundärstruktur in mindestens dreiverschiedene Klassen aufgeteilt. Die durchHoline entstehenden Löcher sind groß genug,um dem im Cytoplasma gebildeten Endolysinden Zutritt zur Zellwand aus Peptidoglykan zuerlauben und diese dann zu zerstören. Endoly-sine können unterschiedliche zellwandlytischeReaktionen katalysieren, die Spezifität hängtunter anderem vom Zellwandtyp der Wirtszel-le ab. Die Endolysine im Holin/Endolysin-System verfügen nicht über eine Signalsequenzfür den Transport über das Sec-System. DieFunktion der beiden Lysisproteine ist fein auf-einander abgestimmt, deshalb verwundert esnicht, dass sie, bedingt durch ihre genetischeOrganisation, eine gemeinsame Genregulati-on aufweisen, die auf verschiedene Art ver-wirklicht ist. Nicht selten sind die Gene derbeiden Lysisproteine direkt hintereinander ge-schaltet, wobei das down-stream (3’) Ende desHolin-Gens kurz vor dem Upstream-Ende (5’)des Endolysin-Gens liegt, zuweilen auch einekurze Überlappung zeigt (für Details sieheWINKLER, 2008). Die führt zu einer engen Kopp-lung der Expression beider Gene. Im Folgen-den werden vor allem Holin/Endolysin-Syste-me weiter diskutiert.

Struktur von Holinen und

Zeitpunkt der Zell-Lyse

Holine sind integrale Membranproteine. DieInsertion in die Cytoplasmamembran erfolgtdurch Transmembrandomänen (=TMD, Abb.3). Diese werden durch eine Folge von etwa 16vorwiegend hydrophoben Aminosäuren gebil-det, die insgesamt keine Nettoladung tragen.Diese Struktur inseriert in die lipophile Cyto-plasmamembran und bildet dort eine trans-membrane α-Helix, deren geladene Enden ent-weder nach innen zum Cytoplasma oder nachaußen in das Periplasma weisen. Man unter-scheidet drei Hauptklassen von Holinen (Abb.4). Klasse I Holine haben drei TMDs, Klasse IIHoline besitzen zwei TMDs und Klasse III Ho-line haben ebenfalls zwei TMDS, aber dazueinen sehr großen Endabschnitt (Carboxyter-minus), der in das Periplasma lokalisiert. Schließ-lich gibt es einige Holine, die sich keiner dieserKlassen zuordnen lassen.

Der Zeitpunkt der Zelllyse ist für die Fit-ness eines Phagen außerordentlich bedeutsam(HEINEMAN & BULL, 2007; RYAN & RUTENBERG,2007), denn davon hängt die Zahl der produ-zierten Phagen-Nachkommen ab. Erfolgt dieLyse zu früh, gibt es weniger oder im schlimm-sten Fall gar keine Nachkommen, weil der Zu-sammenbau der Phagenpartikel noch nicht be-endet ist. Wenn die Lyse zu spät erfolgt, dannbleiben die Phagen zu lange in der Zelle einge-schlossen und die Phagen werden daran gehin-dert, neue Wirte zu befallen. Das entsprichteiner Verlängerung der Generationszeit undverlangsamt so die Neuinfektionsrate. Es ver-wundert daher nicht, dass die Steuerung für dieBildung von Membranläsionen auf verschiede-nen Ebenen erfolgt, die in Tab. 1 zusammenge-stellt sind. Sie werden im Laufe des Textes nochnäher erklärt.

Eine verbreitete Regulation erfolgt überAnti-Holine. Das sind Proteine, welche diePorenbildung durch Holine auf einer weiterenEbene kontrollieren. Dabei wird das Anti-Holinin frame vom gleichen Gen abgelesen wie dasHolin, ist aber am N-Terminus des Proteins um

Abb 3: Die Einlagerungvon Proteinen in Membra-nen ist auf verschiedeneWeise möglich. 1, EinzelneTransmembran-α-Helix(TMD). 2, InteragierendeTMD. 3, β-barrel-Trans-membranstruktur.

Abb 4: Drei Holinklassen mitdrei oder zwei Transmem-brandomänen (TMD). NachYOUNG & WANG (2006), ver-ändert. Der Pfeil bezeichnetdie Schnittstelle, an der dieSignalsequenz abgeschnit-ten wird.

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einige wenige Aminosäuren verlängert. Das wirddurch ein zweites, vorgeschaltetes Methionin-Startcodon erreicht („double-start motif“). Ab-gesehen von diesen wenigen Aminosäuren sindHolin und Anti-Holin identisch. Man weiß schonlänger, dass das Anti-Holin die Wirkung deszugehörigen Holins hemmt. Lange Zeit warunklar, warum ein nur unwesentlich längeresAnti-Holin mit dual-start Motif als Lysis-Inhibi-tor fungieren kann.

Es sieht nach derzeitigen Daten so aus, dassder Zeitpunkt der Zelllyse fast ausschließlichdurch die Holinstruktur programmiert ist, wo-bei eine bestimmte Transmembrandomäne vonbesonderer Bedeutung ist. GRÜNDLING et al.,(2000) erzeugten eine Reihe von Punktmutatio-

nen in einem Holin-Gen und konnten zeigen,dass die Transmembrandomäne 2 des λ-Pha-gen Holins einen großen Einfluss auf die Zeit-steuerung der Lyse hat (Abb. 5). Die meistenMutationen führten zu einer Verzögerung derLyse, aber einige wenige verursachten eine teil-weise drastische Verkürzung (vgl. (JOHNSON-BOAZ

et al., 1994). Trotz der Wichtigkeit der Trans-membrandomäne 2 spielt diese nicht die alleini-ge Rolle, sondern auch andere Teile des Holinssind für das Lyse-timing wichtig, obgleich diesedeutlich variabler sind (BLÄSI et al., 1999; RYD-MAN & BAMFORD, 2003; VUKOV et al., 2000). Ins-gesamt ist das Holin so konstruiert, dass überzahlreiche einzelne Aminosäureaustausche eineFeinprogrammierung des Lysezeit möglich ist.

Tab. 1: Verschiedene Ebenen, auf denen die Expression und Funktion von Holinen reguliert wird.

– Regulation des Zeitpunktes der Expression des Holingens über die Steuerung des beteiligten Pro-moters (Repressor/Aktivatorelemente)

– Transkriptionelle Regulation der Menge von gebildeten Holinproteinen über die Stärke des Promo-ters

– Translationale Regulation der Bildungsgeschwindigkeit von Holinmonomeren über die Stabilitätder mRNA sowie über deren Struktur (Codonusage, Shine Dalgarno Sequenz)

– Regulation der Assoziation der Monomere in der Cytoplasmamembran über die Interaktion derTransmembrandomänen

– Regulation der Konformationsänderungen, die zu Membranläsionen führen, über die Potential-sensitivität der Holine

– Regulation über Anti-Holine (siehe Text)

Abb 5: Wirkung von Punkt-mutationen auf den Zeit-punkt der Lyse. Nach JOHN-SON et al. (1994) und GRÜND-LING et al. (2000), verändert.

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Vermutlich kann sich durch diese Konstruktiondas Zeitprogramm des lytischen Zyklus einesPhagen über evolutive Feinjustierung bei Wirts-wechseln an den jeweiligen Wirt anpassen.

Die Mutationsanalyse hat auch gezeigt, dassdie verschiedenen Schritte der Holinaggregati-on in der Membran wie Dimerbildung, Oligo-merbildung und schließlich Lochbildung vonspezifischen Aminosäurepositionen und derenBesetzung abhängig sind (Abb. 6), denn diejeweiligen Schritte konnten durch Punktmuta-tionen gehemmt werden (GRÜNDLING et al., 2000).

Es ist festzuhalten, dass zum einen bestimm-te Punktmutationen die Lysezeit spezifizierenund andere– insbesondere wenn die Oligomer-bildung betroffen ist – zu einer Funktionsmin-derung oder gar einem Funktionsverlust füh-ren. Vermutlich sind aber sehr viele Mutationenneutral. Aus diesen und anderen Mutationsex-perimenten der bisher untersuchten Holinpro-teine kann geschlossen werden, dass trotz dererheblichen Variabilität der Holine spezifischeStruktur-Funktionsbeziehungen vorliegen. Al-lerdings beruht diese Schlussfolgerung auf demexperimentellen Studium nur weniger Holine.

Molekulares Funkionsmodell

des S21 Holins

Alle Holine bilden schlussendlich, um die Lyseder Zelle zu ermöglichen, Läsionen in der Cyto-plasmamembran. Ein hypothetisches Modellnach WANG (2003) sieht folgendermaßen aus(Abb. 7): Wenn der Bakteriophage die Holin-synthese startet, beginnen sich die monomerenHolinproteine in der Cytoplasmamembran imVerlaufe des Infektionszyklus anzureichern. Siebilden bei hinreichender Konzentration durchInteraktion „Holinflöße“ in der Membran. Beikritischen Dichten (sozusagen zweidimensio-nale „Konzentrationen“) wechselwirken dieTransmembrandomänen lateral (seitwärts), sodass kleine Poren entstehen („pin holes“), dieseführen zur Erniedrigung des Membranpotenti-als durch Ionenleckfluss. Holinproteine sindgleichzeitig empfindliche Sensoren für das Mem-branpotential. Wenn sich dieses durch den Io-nenleckfluss erniedrigt, reagieren sie mit derBildung von großen Poren, welche dann denLysinen den Durchtritt durch die Membran ge-statten. Wie die Porenbildung genau vor sichgeht, ist Gegenstand aktueller Forschung undunterscheidet sich vielleicht bei den verschie-denen Holinen.

Eine kürzlich erschienene Studie über einbesonderes Holin hat zu einer interessantenHypothese seiner Funktion geführt. PARK et al.(2006) untersuchten das Klasse II Holin des E.

coli Phagen 21. Dieser Phage zeichnet sich da-durch aus, dass er sein zellwandlytisches En-zym über die Proteinsekretion des Sec-Wegesin den periplasmatischen Raum transportierenlässt, sein Holin, welches er trotzdem besitzt, istalso nicht notwendig um dem Lysin den Zutrittzur Zellwand zu ermöglichen. Außerdem han-delt es sich bei diesem Lysin insofern um einbesonderes Protein, als dass es nach dem Ex-port zunächst mit einer SAR-Transmembran-domäne als inaktives Molekül in der Cytoplas-mamembran verankert bleibt. SAR bedeutet„Signal Anchor Release Domain” (XU et al.,2005). Diese Transmembrandomäne kann, aus-gelöst durch Membrandepolarisation, die Mem-

Abb 6: Wirkung von Punkt-mutationen auf die Aggrega-tion von Holin-Monomeren inder Membran. Die bezeich-neten Mutationen verhindernden angegebenen Schritt.Nach GRÜNDLING et al.(2000), verändert.

Abb 7: Schematische Dar-stellung der Aggregation vonHolin-Monomeren und Bil-dung von kleinen und gro-ßen Läsionen. Oben: Auf-sicht auf die Membran. Un-ten: Querschnitt durch dieMembran. Nach WANG et al.(2003), verändert.

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bran verlassen und das Protein freisetzen. DieSekretion alleine ist also nicht ausreichend, umdie Zellwand zu zerstören. Erst durch eine Mem-brandepolarisation, ausgelöst durch das Holin(s.u.), löst sich die SAR-Transmembrandomäneauf nicht ganz geklärte Weise aus der Cytoplas-mamembran. Das dadurch freigesetzte Endoly-sin führt zur Zellwandhydrolyse.

Das Holin des Phagen 21 heißt S2168, dasdazugehörige Antiholin S2171. Beide Proteinehaben zwei Transmembrandomänen TMD1 undTMD2. Das S21 Holin wurde als Pinholin be-zeichnet, weil es nur sehr kleine Poren bildet,durch die keine Proteine hindurch diffundierenkönnen (PARK et al., 2007). Das ist auch nichtnötig, weil das Endolysin durch den Sec-Sekre-tionsweg direkt über die Cytoplasmamembrangeschleust wird (s.o.). Das Pinholin hat offenbareine andere Aufgabe: Die verfügbaren Datensprechen dafür, dass durch die kleinen Porendes Pinholins Ionen transportiert werden, wel-che zu einer Depolarisation der Membran unddadurch zu einer Aktivierung des sekretiertenSAR-Domänenendolysins führen. Um die Funk-tion besser zu verstehen, wurden die beidenTransmembrandomänen des Holins genaueruntersucht. PARK et al. (2006) zeigten, dass dieerste TMD1 deletiert werden kann, das verblie-bene Rudiment von 44 AS Länge funktionierteauch dann als Phagenholin, wenn nur TMD2vorhanden war. Diese Befunde werden derzeitwie folgt diskutiert:

Das Holinprotein sowie das Lysin werdenim lytischen Zustand nach Aktivierung des Pro-moters stetig produziert. Wie in Abb. 8 gezeigt,lagert sich das Holinprotein mit seinen beidenunterschiedlichen TMD in die Cytoplasmamem-bran ein. Bei niedriger Holinkonzentration inter-

agieren TMD1 und TMD2 miteinander (hetero-typische Interaktion). In dieser Konformation istdas Holinprotein inaktiv. Aus unbekanntemAnlass kann sich die TMD1, welche nicht starkhydrophob ist, aus der Membran lösen und loka-lisiert in den periplasmatischen Raum. Nun wer-den zwei Faktoren postuliert: Es kommt erstenszur homotypischen Interaktion der periplasma-tischen, ehemals membranintegrierten TMD1-Domänen verschiedener Holin-Moleküle, wasanschließend die ebenfalls homotypische Inter-aktion der weiterhin membranständigen TMD2Domänen mehrerer Holine erleichtert. Die In-teraktion der TMD2 Domänen führt zur Bil-dung von Poren in der Membran, dadurch zumLeckfluss von Ionen, damit zur Aktivierung desSAR-Typ Endolysinproteins im periplasmati-schen Raum und endlich zur Lyse der Zelle.

Die Funktion des Antiholins könnte darinbestehen, dass die zusätzlichen Aminosäurenam N-Terminus die Verlagerung der TMD1von der Membran in das Periplasma verzögertund durch die heterotypische Interaktion vonTMD1 und TMD2 (= keine Poren) die homoty-pische Interaktion von TMD2 Domänen (= Po-renbildung) länger gehemmt wird. Das Modellerklärt auch, warum bei Abwesenheit von TMD1und bei Abwesenheit des Antiholins trotzdemeine Lyse erfolgt, wenn auch der Lebenszyklusverzögert wird.

Die mit dem anfänglichen Leckfluss der Io-nen verbundene Depolarisation der Membranbegünstigt die Bewegung der TMD1, sowohlvom Antiholin als auch vom Holin, in das Peri-plasma (sozusagen ein autokatalytischer Effekt).Damit erfolgt die Bildung von Poren, zu denenin diesem Fall dann sowohl Holine als auchAntiholine beitragen, auf eine katastrophischeWeise. Dies führt zu der beobachteten sehrschnellen Phagenfreisetzung (GRÜNDLING et al.,2001). Die Präsenz von Antiholinen erlaubt ver-mutlich, über den oben geannten Verzögerungs-mechanismus, eine Einlagerung von höherenHolinmengen in die Membran, ohne dass einePorenbildung erfolgt, was anschließend zu ei-ner effektiveren katastrophischen Lyse nacheiner anfänglichen Membrandepolarisation füh-ren könnte (RYAN & RUTENBERG, 2007).

Diversität von Holinen

Die Proteinklasse der Holine ist sehr divers.Über 50 Familien, die keine wesentliche Se-quenzähnlichkeit zueinander haben sind bekannt

Abb 8: Postulierte Funktionder beiden Transmembran-domänen des S21 Holins.Nach PARK et al. (2006), ver-ändert.

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(YOUNG & WANG 2006). Unter diesen Familiengibt es mindestens 3 Klassen mit unterschiedli-chen Membrantopologien (vgl. Abb 4), trotz-dem haben sie alle die gleiche Funktion derLäsionsbildung in der Membran. YOUNG & WANG,(2006) meinen: „ [...] evolving into a holin se-quence must be relatively easy.“ Diese Mei-nung kann einen zweifachen Hintergrund ha-ben. Zunächst wird in solchen Fällen oft folgen-dermaßen argumentiert: Wenn eine Funktionals mehrfach im Evolutionsprozess aufgetretengedacht werden muss, ist ihre Entstehung of-fensichtlich einfach möglich. Das könnte richtigsein, aber dieser Gedankengang setzt den zuerklärenden Evolutionsprozess bereits vorausund erklärt ihn daher nicht. Mit dieser Begrün-dung werde ich mich nicht weiter befassen. Einanderes Argument geht davon aus, dass dieHolinfunktion grundsätzlich destruktiv ist unddie zu bildende Läsion deshalb vermutlich kei-ne hoch organisierte Struktur darstellen muss,wie man sie beim spezifischen Membrantrans-port von verschiedenen Stoffen durch spezifi-sche Poren kennt. Mit anderen Worten: DieKopplung von Struktur und Funktion ist im Fallder Holine so schwach, dass deren parallele,hinsichtlich der Funktion mehr als 50fach kon-vergente Evolution begründbar ist. Das ist einefunktionale, bedenkenswerte Begründung. Umsie naturwissenschaftlich zu beurteilen, mussman wissen, welche Eigenschaften eines Gensnotwendig sind, um eine anfängliche (selektier-bare) Holin-Funktion zu codieren.

Die zweifellos vorhandene, außerordentli-che Diversität der Holine könnte also einerseitszeigen, dass Struktur und Funktion nicht sehreng gekoppelt sind. Sind möglicherweise aberauch andere Ursachen für die beobachtete Viel-falt denkbar? Eine davon könnte in der Diversi-tät von Phagen liegen. Man schätzt die Gesamt-zahl der Bakteriophagenpopulation der Weltauf 1031 Phagen (SUTTLE, 2005; WOMMACK &COLWELL, 2000), dabei wird eine Generations-zeit von einigen Wochen angenommen (BREIT-BART et al., 2004; WILHELM et al., 2002). Darinliegt eine extrem hohe Vielfalt. Dazu kommt,dass Bakteriophagen eine extreme Neigung zumhorizontalen Gentransfer und zur Rekombinati-on zeigen, allerdings vor allem an festgelegtenErkennungssequenzen zwischen Genen (HEND-RIX, 2005). Nicht nur ganze Gene werden soausgetauscht, sondern vermutlich auch einzel-ne Teile von Genen, die z. B. für Proteindomä-nen kodieren. Dadurch entstehen Mosaikgeno-me und vielleicht auch Mosaikgene, die sich

regelmäßig in Phagen nachweisen lassen (BAM-FORD et al., 2002; HENDRIX, 2003). Das ist nichtnur ein Zufallsprozess, Phagen sind sozusagenauf Evolution programmiert. Wenn Phagen fürlange Zeit evolvieren (und Phagen werden fürphylogenetisch sehr alt gehalten), werden nacheiniger Zeit die gemeinsamen Ursprünge mög-licherweise komplett verwischt und man findetschließlich verschiedene Genfamilien vor. Esgibt eine ganze Reihe von Proteinen, die keineSequenzähnlichkeit zeigen und die man sichdoch so entstanden denkt. Diese Überlegungwird durch folgende, aus neueren Genomse-quenzierungsprojekten kommende Beobachtun-gen gestützt.

Die Diversität der Gene in der weltweitenPhagenpopulation ist extrem hoch, zwischen50 und 75% der detektierten ORFs in neuse-quenzierten Phagen ergeben keinen Treffer inden Datenbanken (HATFULL et al., 2006; KWAN etal., 2005; KWAN et al., 2006), d.h. es handelt sichum neue Genfamilien. Kürzlich wurde die kom-plette Sequenz von 30 Mycobakteriophagenpubliziert, die zusammen 3357 proteincodie-rende Gene enthielten (HATFULL et al., 2006).Die Autoren berichten, dass diese Proteine zu1536 Phamilien gehören, wie die Autoren dieseGruppen nennen. Damit enthält jede Proteinfa-milie in diesem Fall im Schnitt nur etwas mehrals zwei Sequenzen. Von den 1536 „Phamilien“zeigen nur 230 (=15%!) eine Aminosäurese-quenzähnlichkeit zu bekannten Proteinen, wasdie enorme genetische Diversität der Phagen-proteine belegt.

Es wäre also aufgrund der vorliegendenDaten nicht abwegig zu vermuten, dass dieextreme Holindiversität wesentlich mit derextremen Biodiversität von Phagen im Allge-meinen und deren außergewöhnlich hoherEvolutionsrate im Besonderen zusammenhängt. Das ist als solches aber kein Argumentgegen eine möglicherweise schwache Kopp-lung von Struktur und Funktion, die eine leich-te evolutionäre Entstehung ermöglichen könn-te. Dieses Argument wird Gegenstand der fol-genden Diskussion sein.

Eine kurze evolutionäre

Geschichte zur Entstehung

eines Holin-Lysin Systems

Es ist nicht bekannt, wie das sehr weit verbrei-tete Holin-Lysin-System evolutionär entstan-

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den ist. Im Dezember 2007 haben PARK et al.(2007) aufgrund der o.g. Befunde zum S21Holin vermutet, dass es sich dabei um einenevolutionären Zwischenzustand handeln könn-te. Im Sinne einer evolutionären Geschichte(s.u.) schlage ich, in Anlehnung und Erweite-rung an PARK et al. (2007), folgenden Evoluti-onsweg vor, wohl wissend, dass dies nur einevon mehreren Möglichkeiten ist, die Geschich-te zu erzählen.

Am Anfang

Ausgangspunkt ist ein Bakteriophage, der sichin einem Infektionszyklus vermehren kann undsomit über die Minimalausstattung eines Pha-gen verfügt (Capsidproteine, Erbsubstanz, Re-zeptor für die Wirtszelladhäsion, Mechanismusfür die Einbringung der Erbsubstanz in dieWirtszelle, Assemblierungsweg), jedoch ohneüber ein lytisches System zu verfügen. Es istunbekannt wie dieser Bakteriophage entstan-den ist. Dieser Phage würde mehr oder weni-ger zögerlich aus der „verbrauchten“ Bakteri-enzelle freigesetzt, wenn diese autolysiert (wasverschiedene Gründe haben kann). Im Ver-gleich zu Phagen mit optimierten lytischen Sy-stemen wäre er zwar nicht konkurrenzfähig,doch wenn solche als Konkurrenz (noch) nichtvorhanden sind, dann ist es nicht ausgeschlos-sen, dass ein derartiger Bakteriophage sichfortpflanzen und demzufolge auch evolvierenkann.

Evolutionsschritt 1

Nun könnte man sich vorstellen, dass währendeines Infektionszyklus ein Autolysin-Gen ausdem Wirtsgenom (dies wird von Bakterien be-nötigt, um ihre Zellwand modifizieren zu kön-nen) in das Phagengenom irgendeines Phagen-Nachkommen gelangt. Autolysine sind in derLage, die Zellwand eines Bakteriums spezifischabzubauen. Man weiß, dass Autolysine oft übereine Signalsequenz verfügen, mit deren Hilfe sieüber das Sec-System in das Periplasma ausge-schieden werden und so an die Zellwand gelan-gen können. Man könnte sich weiter denken,dass dieses Autolysin über ein Sekretionssignalvom SAR Typ verfügte, und daher zunächst in-aktiv in der Cytoplasmamembran verankertwurde. Die Freisetzung des Autolysins erfolgtezunächst langsam und zufällig. Da dieses En-zym nicht mehr unter der Kontrolle der Wirts-zelle stünde, würde seine Sekretion im Laufe desInfektionszyklus zu einer unkontrollierten Hy-

drolyse der Zellwand, damit zu einer Destabili-sierung der Zelle und schließlich zu einem er-leichterten Platzen der Wirtszelle führen. Wenndie Hydrolyse nicht zu schnell erfolgt, wäre diesvielleicht ein Selektionsvorteil. Durch den SAR-Typ des Autolysins wäre einer verfrühten Lyseder Wirtszelle entgegengewirkt.

Evolutionsschritt 2

Ein binäres Holin-Endolysin-System hätte al-lerdings erhebliche Selektionsvorteile gegen-über einem reinen SAR-Endolysin-System, wiePARK et al. (2007, Seite 9137) überzeugend dar-legen. Es geht vor allem um die notwendigezeitliche Koordinierung der Wirtszellyse, dieein wesentliches Kriterium für die Fitness ei-nes Phagen ist (HEINEMAN & BULL, 2007). Einnächster Schritt wäre also der Erwerb einesHolins. Zunächst müsste das Holin nicht fürden Durchtritt von Endolysinen durch die Cy-toplasmamembran verantwortlich sein, denndiese geschähe beim SAR Autolysin ja duchSekretion, sondern es wäre für die Zeitsteue-rung der Lyse zuständig. Wir stellen uns vor,dass zufällig irgendein kleines Genstück, wel-ches bereits für eine Transmembrandomäneaus einem anderen Funktionszusammenhangim Wirtsgenom codiert, bei einer Infektiondurch heterologe Rekombination in das Pha-gengenom wandert und unter die Kontrolledesjenigen Phagenpromoters gerät, welcherbereits die Endolysinsynthese steuert, und dassdieses Fragment zufällig als Pinholin funktio-niert (s.u.). Bei hinreichender Konzentrationwürde es zu einer Depolarisation der Membranführen und das sinkende Membranpotentialwürde das SAR-Typ Endolysin vom membran-gebundenen Zustand in den freien, aktiven Zu-stand versetzen. Bei passender zeitlicher Steue-rung dieser Prozesse wäre ein Selektionsvor-teil gegeben, weil die fertigen Phagen die Zel-le zum richtigen Zeitpunkt verlassen können.

Evolutionsschritt 3

Durch weitere (unbekannte) Mutationen im Pin-holin-Gen würde zum einen eine Potentialsen-sitivität des Holins entstehen, sowie die Fähig-keit bei Depolarisation der Cytoplasmamem-bran die Konformation so zu verändern, dasssich größere Läsionen als nur Pinholes bilden.Derartige große Läsionen würden den direktenDurchtritt des SAR-Typ Endolysins durch dieCytoplasmamembran erlauben. Damit wäre einzweiter Mechnismus für die Endolysinfreiset-

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zung entstanden, der vom Sec-System unabhän-gig und direkt an die Holin-basierte Zeitsteue-rung der Lyse gebunden ist. Als Erzähler derGeschichte darf ich voraussetzen, dass dieserÜbergangszustand mit zwei Holin-Freisetzungs-mechanismen einen nicht näher benannten Se-lektionsvorteil aufweist.

Evolutionsschritt 4

Sicherlich wäre es ein Selektionsvorteil, wenndie Freisetzung des Endolysins nicht durch zweiverschiedene Mechanismen (Holin und Sec-System) erfolgen würde, denn das erschwerteine kontrollierte Lyse. Da am Ende unserer Ge-schichte ein Holin-Lysin System stehen soll,würde als nächstes die SAR-Domäne des En-dolysins deletiert werden. Die dafür notwendi-gen molekularen Mechanismen sind bekannt.Nun würde die Freisetzung des Endolysins unddamit die Zeitsteuerung der Lyse ausschließlichvom Holin kontrolliert.

Evolutionsschritte 5 und folgende

Je nach Wirtszelle und Umgebung würde dasHolin-Gen anschließend so mutieren, dass allenotwendigen Parameter stufenweise optimiertwerden, bis die heute bekannten, ausgeklügel-ten dualen Lysis-Systeme entstanden wären.Der Darwinsche Mechanismus ist ein derartgeniales Optimierungsverfahren, dass auf derGrundlage eines nur rudimentär funktionalenHolins vielleicht auch die Anpassung der timingFunktion an verschiedene Wirte und Umwelt-bedingungen durch Mikroevolution erfolgenkann. Das wäre aber im einzelnen noch zu prü-fen, wenn weiteres Detailwissen über die Grund-lage des timing vorliegen. Unter die noch zu for-dernden Evolutionsschritte fiele auch die beson-ders spannende Entstehung eines Antiholins ausdem Holin-Gen auf unbekannte Weise.

Evolutionäre Geschichten:

Ein „reality check“

Das hier entworfene Szenario ist zunächst ein-mal eine phantasievolle Geschichte (mehr zuevolutionären Geschichten s.u.). Wie bei allengängigen evolutionären Geschichten beruht dasArgument auf der Nennung selektionspositiverZwischen- und Endstufen des hypothetischenEvolutionsweges. Die Tatsache, dass eine Struk-tur die Fitness ihres Trägers erhöht, ist zwar eine

notwendige2, keineswegs aber eine hinreichen-de Bedingung dafür, dass sie durch Evolutionentstehen kann. Man muss solche Geschichtendeshalb einem „reality check“ unterwerfen. Die-ser sieht so aus, dass die verschiedenen not-wendigen Voraussetzungen für einen postulier-ten Evolutionsschritt so genau wie möglich er-fasst und die Wahrscheinlichkeit der evolutio-nären Übergänge – soweit möglich – unter Be-rücksichtigung molekularbiologischer und po-pulationsgenetischer Rahmenbedingungen ab-geschätzt werden.

Als Beispiel soll zunächst Evolutionsschritt1 dienen, weil ein solcher Evolutionsschritt wiefolgt begründet werden könnte: (i) Ein repro-duktionsfähiger Phage ist vorhanden, (ii) des-sen Wirtsbakterien verfügen über Autolysine,(iii) bei manchen Phagen-Endolysinen sind deut-liche Sequenzähnlichkeiten zu Autolysinen ih-rer Wirtsbakteriengenera gefunden worden(FOSTER, 1995; HEILMANN ET AL., 1997; OSHIDA etal., 1995), (iv) Sequenzähnlichkeiten legen nahe,dass Bakteriophagen Gene aus dem Genom ih-rer Wirte aufnehmen können und (v) molekula-re Mechanismen für diesen horizontalen Gen-transfer sind grundsätzlich bekannt. Außerdemerscheint dieser Evolutionsschritt recht einfach,geht es doch nur um den Transfer eines schonexistierenden Gens.

Wie könnte man sich vorstellen, dass einBakteriophage ein neues Endolysingen erwirbt?In Abb. 9 sind eine Reihe von Rahmenbedin-gungen für Evolutionsschritt 1 zusammen ge-stellt, die beim Erwerb eines neuen Endolysin-gens eines Bakteriophagen wichtig erscheinen.Die einzelnen Teilprozesse sind nach meinerEinschätzung nicht unvorstellbar, allerdings istes schwierig, dafür konkrete, belastbare Eintritts-wahrscheinlichkeiten (P

1-P

6) anzugeben. Ver-

mutlich wird sich das mit zunehmendem Wis-sen ändern. Es ist zu vermuten, dass die o.g.Prozesse künftig so modelliert werden können,dass man datenbasiert beurteilen kann, wieplausibel der Gesamtvorgang von Evolutions-schritt 1 ist. Der Schritt mit niedrigster Wahr-scheinlichkeit dürfte die erforderliche doppelteillegitime Rekombination beim Gentransfer sein

2 Hier ist von Darwinscher Evolution die Rede;

neutrale Evolution ist ein wichtiges, aber noch

immer kein gängiges Konzept und wird an ande-

rer Stelle diskutiert (JUNKER & SCHERER 2006, Seite

139f und S. 162; sowie SCHERER 2008, in Vorberei-

tung).

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(vgl. Abb. 10 und Kasten „Rekombination“).Über Evolutionsschritt 2, die de novo Ent-

stehung eines Holins, ist dagegen weniger be-kannt. In Tabelle 2 sind notwendige Anforde-rungen an vorhandene Strukturen (S

1 - S

5) und

Ereignisse (E1-E

5) zusammen gestellt. Neben

einem Gentransfer durch doppelte illegitimeRekombination wie in Evolutionsschritt 1 istzusätzlich die Erzeugung einer Holinfunktionde novo erforderlich. Weil Struktur-Funktions-beziehungen von Holinen nicht sehr gut un-tersucht sind, können für die zufällige Präsenzoder Entstehung solcher Strukturen teilweise(insbesondere S

4- S

5) noch keine belastbaren

Häufigkeitsabschätzungen angegeben werden.Das gilt leider auch für die Ereignisse E

1, E

2, E

4

und E5.

Es ist nicht selbstverständlich, dass eine li-pophile Aminosäuresequenz, wenn sie geson-dert exprimiert wird, auch in die Membran in-

serieren kann (S4). Dafür sind Aminosäurese-

quenzmerkmale erforderlich, so dass das amRibosom synthetisierte Protein im Fall von α-helikalen TMDs cotranslational an das Sec-Translocon koppelt und während des Sekreti-onsprozesses aufgrund der Konstruktion desTranslocons nicht in den Außenraum der Zel-le sekretiert wird, sondern in die Cytoplasma-membran partitioniert (ELOFSSON & VON HEIJ-NE, 2007).

Die Häufigkeiten P2 bis P

4 könnten aber 1

sein, wenn die illegitime Rekombination E1 zu-

vor passgenau den späteren N-terminalen Be-reich eines vorhandenen Membranproteingenstransferiert, in welchem SD-Sequenz, Startco-don und Signalsequenzen bereits enthalten sind(Abb. 11). Je passgenauer und spezifischer einedoppelte illegitime Rekombination jedoch seinmuss, desto unwahrscheinlicher ist sie.

Eine doppelte illegitime Rekombination E1

ist so selten, dass sie meines Wissen nur ein-mal unter kontrollierten experimentellen Bedin-gungen beobachtet wurde: Das Gen nptII wur-de in einem speziell konstruierten Experimentin das Genom von Acinetobacter baylyi durchzwei illegitime Rekombinationsereignisse ein-gebaut, die Autoren fanden dabei insgesamt eineeinzige Rekombinante. Die Frequenz des Auf-tretens geben HULTER & WACKERNAGEL (2008) mitetwa 10-12 an. Dies gilt für einen Gentransfer,der hinsichtlich des Rekombinationsortes we-der in der Donor-DNA noch in der Wirts-DNAbeschränkt war. nptII konnte mit beliebigen flan-kierenden Sequenzen in einen beliebigen Lo-

Abb 9: Hypothetischer er-ster Evolutionsschritt zurEntstehung eines Endolysins(links) und dafür notwendigeRahmenbedingungen(rechts).

Abb 10: Transfer einesEndolysingens aus demWirtsgenom in das Phagen-genom durch doppelte illegi-time Rekombination.

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cus der Wirst DNA transferieren, solange da-durch kein essentielles Gen im Wirtsorganismuszerstört wurde. Wenn – wie im Falle von E

1 –

hinsichtlich der flankierenden Sequenzen so-wohl der Donor- als auch der Wirts-DNA zweirelativ spezifische illegitime Rekombinationennotwendig sind, dann wird sich deren Häufig-keit deutlich erniedrigen.

Welche Veränderungen müssen bei E4 an

zwei willkürlich aus Proteinen anderer Funkti-on ausgeschnittenen Membrandomäne durchPunktmutationen auftreten, damit sie sich ineine primitives Pinholin verwandeln? Muss man2, 4 oder mehr Punktmutationen fordern? Man-gels experimenteller Daten kann derzeit nichtsinnvoll spekuliert werden, doch ist eine derar-tige, belastbare Aussage unverzichtbar für jedeAbschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Pin-holin-Enstehung.

Angenommen, die in Tab. 2 zusammen ge-stellten Ereignisse haben stattgefunden und einprimitives Holin wurde erzeugt, dann muss sichder so entstandene Phage in der Phagenpopu-lation noch durchsetzen. Das ist keineswegsselbstverständlich. Die größte Gefahr bestehtdarin, dass das neue Genkonstrukt durch Driftkurz nach seiner Entstehung wieder verlorengeht. Die meisten Bakteriophagen finden bei-spielsweise keine neue Wirtszelle zur Vermeh-rung und gehen damit verloren. Es könnte auchsein, dass eine Wirtszelle zwar gefunden wird,diese aber nach der Infektion zugrunde geht,indem sie beispielsweise von einem Protozoongefressen wird, usw. Wie groß die Chance ist,

Rekombination

gie). Sie wird von sehr unter-schiedlichen Mechanismen kataly-siert (EHRLICH 1989) und die Fre-quenz ist von mehreren Faktorenwie beispielsweise Ultraviolett-strahlung, Stress oder DNA Se-quenz beeinflusst, so dass überdie Frequenz nur statistische Aus-sagen möglich sind (z.B. ARBER,2000). Die Frequenz illegitimer Re-kombination ist um mehrere Zeh-nerpotenzen niedriger als homo-loge Rekombination (HÜLTER &WACKERNAGEL, 2008).

Die Häufigkeit für eine Inserti-on eines Fremdgens durch illegiti-me Rekombination wird erhöht,wenn eines der beiden notwendi-gen Rekombinationsereignisse zu-nächst in einem homologen Be-reich erfolgt, der zufällig flankie-rend auf dem Phagengenom vor-kommt. Dieser kann dann als „An-ker“ dienen, der die zweite, illegiti-me Rekombination erleichert (MEI-ER & WACKERNAGEL, 2003).

Die Insertion eines Endolysingensin die Phagen-DNA durch einedoppelte Rekombination ist inAbb. 10 skizziert.

Die Häufigkeit (Frequenz) vonhomologer Rekombination, diezwischen identischen oder relativähnlichen und mehr als 100 - 200Nukleotide langen Sequenzen er-folgt, ist sehr häufig. Solche Ereig-nisse kommen mit einer Frequenzvon bis zu 10-3 vor. Je weniger aus-geprägt die Sequenzähnlichkeitenvon Donor und Rezipient sind, de-sto seltener findet Rekombinationstatt. Man beobachtet einen expo-nentiellen Abfall der Rekombinati-onshäufigkeit mit abnehmenderSequenzhomologie (z.B. MAJEWSKI

et al., 2000).Illegitime (oder heterologe) Re-

kombination ist die Verbindung vonzwei DNA Sequenzen, die keineÄhnlichkeit oder nur sehr kurze (4-10 nt) Abschnitte ähnlicher Se-quenzen aufweisen (Mikrohomolo-

Abb 11: Transfer einer Teil-sequenz aus einem Mem-branproteingen des Wirtsge-noms in das Phagengenomdurch doppelte illegitime Re-kombination. Es wäre auchdenkbar, dass das durchRekombination übertrageneGenstück nur TMD1 umfasst(vgl. die Diskussion zu S21).

dass der neu entstandene Phage durch Drift ver-loren geht, hängt auch davon ab, wie groß seinFitness-Vorteil gegenüber den Wildtyp-Phagenist. Die mit der Durchsetzung des neuen Pha-

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gen verbundenen Unwägbarkeiten sind abergroß, eine Modellierung des Prozesses und eineAbschätzung von P

10 wäre komplex und auf-

grund von unklaren Randbedingungen derzeitwenig aussagekräftig.

Bezüglich des Erwerbs fremder Gene durchBakteriophagen meint (LITTLE, 2005): „What istheir source, and how do they become inser-ted into the genomes of temperate phages?Answers to these questions are at best tenta-tive, in most cases. [...] Mechanisms by whichthese genes move are likewise obscure.“ Ro-ger HENDRIX diskutiert die „Moron-Hypothese“der Phagenevolution, die postuliert, dass Pha-gen fremde funktionelle Gene aufgenommenhaben, die jeweils über Transkriptionssignale(eigener Promoter, Ribosomenbindestelle undrho unabhängigen Terminator) verfügen unddaher autonom transkribiert werden. Die Auf-nahme solcher „Morons“ aus dem Genom derWirtszelle wird durch Sequenzvergleiche be-gründet. Allerdings meint auch HENDRIX bezüg-lich des zugrunde liegenden Mechanismus: „[...] the mechanism of that [gene] movementis completely obscure“ (HENDRIX et al., 2000).Die Tatsache, dass ein Mechanismus unbe-kannt ist, sagt jedoch nichts darüber aus, ober existiert.

Die Aufgabe der Evolutionsforschung be-steht darin, dem Auftreten der in Tabelle 2 ge-nannten Strukturen und Ereignissen Wahr-scheinlichkeiten zuzuordnen, die durch experi-mentelle Daten oder belastbare theoretische Er-wägungen gestützt sind. Zweifellos ist das Zu-sammentreffen der in Tab. 2 genannten Ereig-nisse sehr unwahrscheinlich. Auch HENDRIX

(2000) hält Einzelereignisse in der Evolution derPhagen für sehr unwahrscheinlich. Unter Be-rücksichtigung der extrem hohen Zahl von Bak-teriophagen auf unserem Planeten, ihrer Biolo-gie und ihrer vermuteten 3 Milliarden Jahrewährenden Evolutionsgeschichte seien jedochauch Serien von unwahrscheinlichen Einzeler-eignissen plausibel (HENDRIX, 2005). Ob dieseEinschätzung auf die skizzierte Hypothese zurHolinentstehung zutrifft oder nicht wird zukünf-tige Forschung zeigen.

Insgesamt komme ich zu dem Zwischener-gebnis, dass derzeit unbekannt ist, ob, wie undggf. wie häufig ein Holin auf dem oben skizzier-ten Wege durch bekannte Prozesse hätte ent-stehen können. Es handelt sich damit um eineungelöste Frage der Evolutionsbiologie. Die sichaus solchen ungelösten Fragen ergebendenKonsequenzen werden weiter unten diskutiert(vgl. auch SCHERER, 2008).

Tab. 2: Anforderungen an die Struktur (S1-S5) eines hypothetischen Ausgangs-Gens in einer Bakterienwirtszelle,welches als neues Pinholin-Gen fungieren soll. Die für die Entstehung notwendigen Ereignisse sind unter E1-E5

zusammen gefasst.

S1 Präsenz von zwei interagierenden TMDs im Wirtsgenom ist trivial P1 = 1

S2 Präsenz eines Startcodons im Ursprungsgen P2 = ?

S3 Präsenz einer Shine-Dalgarno-Sequenz im Ursprungsgen P3 = ?

S4 Fähigkeit der separat exprimierten TMDs zur Integration in die Membran P4 = ?

S5 Produktion einer geeigneten Zahl von Holin-Monomeren (geeigneter Promoter, P5 = ?Stabilität der mRNA, Codon usage, geeignete Passung der SD-Sequenz)

E1 Transfer eines geeingeten Ausschnitts des Duplikats in das Phagengenom P6 = 1durch doppelte illegitime Rekombination

E2 Transfer down stream des Promoters vom Endolysingen P7 = ?ohne Zerstörung eines Phagengens

E3 Entstehung einer Stopcodons im oder nach dem transferierten Gen durch P8 = ?eine Punktmutation (der Ort muss nicht genau festgelegt sein)

E4 Modifikation der TMDs durch Punktmutationen, so dass das primitive Holin P9 = ?einen Ionenleckfluss zum richtigen Zeitpunkt induzieren kann

E5 Fixierung des neuen Locus in der Phagenpopulation P10 = ?

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Das Staphylococcus aureus Phage

187 out of frame codierte

Protein Hol187

Im diesem Teil des Aufsatzes wird eine ganzandere Hypothese zur Entstehung eines Holinsdiskutiert. Wie oben erwähnt, hat sich ein Teilmeiner Arbeitsgruppe vor einigen Jahren ex-perimentell mit den Lysis-Systemen von Bak-teriophagen befasst, die lebensmittelübertrage-ne Krankeitserreger befallen. Dabei fanden wirdas Gen ply187 des Staphylococcus aureus Pha-gen 187 mit einer Länge von insgesamt 628Aminosäuren (LOESSNER et al., 1999). Dieses Pro-tein zeigt aufgrund von Sequenzähnlichkeitenmit bekannten Enzymen und aufgrund unsererExperimente zwei katalytische Domänen (Abb.12). Im ersten Teil (N-Terminus) des Proteins(etwa Aminosäuren 1-160) ist eine Amidase-funktion und im C-Terminus eine Glucosamini-dase zu finden. Wir haben gezeigt, dass diesesEnzym die Staphylococcus-Zellwand lysierenkann. Die Autolysine der Wirtsbakterien habenSignalpeptide für den Sec-mediierten Protein-export (s.o.) und zeigen Sequenzähnlichkeitenzu ply187. Aufgrund dieser Daten haben wir dasGenprodukt von ply187 als Endolysin-Gen in-terpretiert.

Im Gen ply187 ist, in einem um ein Nukleo-tid verschobenen Leseraster (+1), ein kurzer of-fener Leserahmen hol187 zu finden (Abb. 13),welcher in silico wichtige Merkmale eines Klas-se II Holins aufweist: Zum einen gibt es eineTransmembrandomäne, die strikt hydrophob ist.Ein weiterer Sequenzabschnitt war durch in si-

lico Analysen als hydrophob vorausgesagt undzeigte insgesamt keine Nettoladung. Diese zwei-te Domäne könnte vielleicht, ähnlich der TDM1des Phagen S21, auch im periplasmatischenRaum stabil sein und entsprechend interagie-ren. Dazu kommt ein potentielles, aber untypi-sches dual-start-motif (s.o.).

Datenbankanalysen ergaben vor etwa 10Jahren, dass Hol187 eine eigene Proteinfami-

lie bildet, d.h. es waren keine Sequenzhomo-logien zu anderen Proteinen vorhanden. Dazupasst, dass der Carboxyterminus im Unter-schied zu anderen Holinen keine geladeneAminosäuren besitzt und dass das Holin mit57 Aminosäuren sehr kurz ist. Ein derartigerFall war noch nicht beschrieben worden. Wirhaben hol187 seinerzeit als Holin des Bakte-riophagen interpretiert. Vermutlich handelt essich jedoch nicht um das reguläre Holin. De-tails dazu sind in Kasten 2 zusammengestellt.3

Was auch immer die biologische Bedeutungvon hol187 ist, es handelt sich in Struktur undFunktion um ein Holin-ähnliches Protein. Sei-ne out-of-frame Kodierung ist eine außerge-wöhnliche Eigenschaft, welche die Frage nachseiner Entstehung aufwirft.

Entstehung von hol187 durch

overprinting?

Unter eingebetteten Genen verstehen wir hierdie Fälle, in denen ein Gen in einem zweitenLeseraster komplett in einem anderen Gen lo-kalisiert ist. Die Entstehung derart überlappen-

Abb 12: Das Holingenhol187 ist in das Endloysin-gen ply187 im +1-Leserastereingebettet. Das Endolysinzeigt zwei katalytische Do-mänen. Nach LOESSNER et al.(1999), verändert.

3 Im λ-Phagen ist allerdings seit langem das Pro-

tein Rz bekannt, welches down stream vom Ho-

lin/Endolysin-System codiert wird und das eben-

falls gleichzeitig im +1-Leseraster das Protein Rz1

codiert. Es wird vermutet, dass diese beiden co-

dierten Proteine für die Lyse der äusseren Mem-

bran und/oder ihrer Verbindung zum Peptidogly-

kan verantwortlich sind (YOUNG, R., 2002).

Abb 13: Nukleotid- undAminosäuresequenzen En-dolysingen ply187 und desim +1-Leseraster eingebet-teten Gens hol187. NachLOESSNER et al. (1999), ver-ändert.

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der Gene wird durch „overprinting“ erklärt(WINKLER, 2008). Dabei nehme ich für den ein-fachsten Fall an (Abb. 14), dass in einem vor-handenen Gen durch Mutationen zunächstStopcodons in der Region des neuen Lesera-sters entfallen, welcher später einmal das neueProtein codieren soll. Dann entsteht durch eineweitere Mutation ein Startcodon an einer ge-eigneten Stelle des ORF. Bis zu diesem Stadi-um sind die aufgetretenen Mutationen, fallsnicht die Kodierung für das Endolysin mitbe-troffen sein sollte, für die Selektion unsichtbar.Erst durch die Bildung einer Ribosomenbinde-stelle im geeigneten Abstand vor dem Start-codon durch weitere Mutationen entsteht einablesbares Gen, welches in einem anderen Le-seraster ein vom Muttergen komplett verschie-

Ist hol187 das Holin des Staphylococcus-Phagen 187?

In silico-Analysen können nicht beweisen, obdie Sequenz von hol187 aus dem Phagen 187wirklich für ein funktionales Holin codiert. Ausdiesem Grund haben wir eine ganze Reihevon Experimenten durchgeführt und damit ge-zeigt, dass es sich tatsächlich um ein funktio-nales, in vivo exprimiertes und in der Cyto-plasma-Membran lokalisiertes Protein han-delt, welches eine zellwandlytische Funktionhat und heterolog im Bakteriophagen wirklichals Holin fungieren kann (LOESSNER et al.1999). Inzwischen wissen wir, dass auch inverwandten Staphylococcus-Phagen Homo-loge zu hol187 out-of-frame konserviert sind(WINKLER et al., unveröffentlicht), was ein wei-terer, unabhängiger Hinweis auf eine biologi-sche Funktion ist.

Einige Jahre später wurde von KWAN etal. (2006) zusammen mit über 26 anderenStaphylococcus-Phagen auch die vollständi-ge genomische Sequenz des Bakteriophagen187 publiziert. Die Überraschung war groß,als sich herausstellte, dass dieser Phage einklassisches duales Lysis-System aus Holinund Lysin trägt (Dieser Sachverhalt war mirbei der Überarbeitung der 2006 erschiene-nen 6. Auflage von „Evolution ein kritischesLehrbuch“ noch unbekannt). Dieses Lysinsy-stem ist nicht mit Hol187 und Ply187 iden-tisch, trotzdem werden beide exprimiert undhaben lytische Funktion. Möglicherweise co-diert ply187 für ein zellwandlytisches Enzym,welches beim Eintritt des Phagen in den Wirtwichtig ist? Doch welche Funktion könntedann Hol187 haben? Sind die Lysefunktionen

des Phagen 187 komplexer als angenom-men? Young (2005) argumentiert in dieseRichtung wenn er meint, dass die Analyse desLysis-Systems dieses wenig untersuchtenPhagen herausfordernd sei.

Möglicherweise verfügen Phagen hin-sichtlich verschiedener Funktionen über bak-kupsysteme, die bei Ausfall eines Gens fürErsatz sorgen. HEINEMANN et a.l (2005) habendas als evolutionary robustness bezeichnetund am Beispiel der gezielten Deletion einesLysingens des Phagen T7 beschrieben. ImLaufe der ��in vitro Evolution mutierte ein zwei-tes zellwandlytisches Gen des Bakteriopha-gen und ersetzte das deletierte Lysingen.

Oder steht Hol187 in einem völlig ande-ren Funktionszusammenhang? Vor einigenJahren wurde vermutet, dass Holine für dieFreisetzung von hochmolekularen Toxinendes Krankheitserregers Clostridium difficilezuständig sind (GOH et al., 2005; TAN et al.,2001; VOTH & BALLARD, 2005). Ähnlicheskönnte auch für insektizide Toxine des Erre-gers Yersinia enterocolitica gelten (FUCHS etal., unveröffentlichte Ergebnisse). Nun istStaphylococcus auch ein Toxinbildner undman hat Hinweise darauf gefunden, dassStaphylococcus-Phagen in einem der Toxin-Gene des Wirtes inserieren (IANDOLO et al.,2002) und dass der temperente Staphylo-coccus-Phage _ETA das Gen für das ToxinEta trägt (YAMAGUCHI et al., 2000). Bei ande-ren Erregern ist schon länger bekannt, dassderen Phagen Toxingene transportieren kön-nen (WALDOR et al., 2005).

denes Protein kodiert. Die Entstehung einesPromoters ist nicht notwendig, da das Mutter-gen bereits einen solchen besitzt und dadurchabgelesen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dassein derartiger ORF zufällig außerhalb des ur-sprünglichen Leserahmens (out-of-frame) vor-kommt oder Stoppcodons durch Mutationenim neuen Leseraster entfallen, dürfte nicht soklein sein, dass man ein solches Ereignis in derErdgeschichte nicht ab und zu erwarten wür-de. Auch die Entstehung einer Ribosomenbin-destelle vor einem neuen Startcodon ist sichernicht sehr unwahrscheinlich. Mit anderen Wor-ten, die zufällige Entstehung eines translatier-baren ORF in einem vorhandenen Gen wirdvermutlich ab und zu vorkommen. Damit wirdalso tatsächlich eine völlig neuartige Amino-

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säuresequenz erzeugt. Doch kann man erwar-ten, dass ein solches Protein auch eine Funkti-on trägt, die der Zelle oder dem Phagen einenSelektionsvorteil verschafft?

Das Hol187 ist ein idealer Fall, um diese Fra-ge zu erörtern: Das Protein ist mit 57 Amino-säuren sehr kurz, das dafür nötige offene Le-seraster ist also nur 171 Nukleotide lang. Wennman eine Entstehung durch overprinting wahr-scheinlich machen kann, dann vielleicht in ei-nem solchen Fall. Andere eingebettete viraleGene sind länger. Zunächst muss man diskutie-ren, was die minimalen gemeinsamen Eigen-schaften von Holinen sind, die pinholes bilden.YOUNG & WANG (2006) wissen das nicht genau,tragen aber einige Merkmale zusammen, zudenen ich weitere hinzugefügt habe (Tab. 3, vgl.auch Abb. 15).

Für ein Holin, welches große Läsionen fürden Durchtritt von Endolysinen bildet (und dasgilt für Holin187), sind weitere, möglicherweisekomplexe Eigenschaften nötig (Evolutions-

Tab. 3: Minimale Eigenschaften, die ein Holin für eine initiale Funktion aufweisen sollte, um dem betreffendenPhagen einen Evolutionsvorteil zu verschaffen.

– Besitz einer lipophilen Transmembrandomäne (TMD)– Fähigkeit zur Insertion in die Membran– Fähigkeit der TMD zur Dimerisierung– Fähigkeit der TMD zur Oligomerisierung und Floßbildung (Protein-Protein-Interaktionen dominieren

über Protein-Lipid-Interaktionen)– Pinhole Bildung ab bestimmten Floßgrößen (lokale Depolarisation des Membranpotentials)

Abb 14: Entstehung eines neuen ORF (offenes Leseraster, rot) aus einem vorhandenen Gen (gelb). Wenn die ent-sprechenden Nukleotidpositionen nicht schon zufällig richtig besetzt sind, müssen sich die mit Stern und rotem Pfeilmarkierten Mutationen ereignen, um ein funktionsfähiges ORF* zu bilden, das in den ursprünglichen ORF 1 eingebet-tet und in einem anderen Leseraster codiert ist. Durch geeignete Datenanalyse könnte die Wahrscheinlichkeit fürderen Auftreten abgeschätzt werden. Es wurde der einfachste Fall gewählt, in dem der neue ORF im +1 oder +2Leseraster translatiert wird, weil dann alle regulatorischen Elemente des ursprünglichen Gens (hellblau) auch vomneuen ORF genutzt werden können. Damit ist allerdings noch nichts über die Funktionsfähigkeit der codierten Amino-säuresequenz ausgesagt, notwendige Randbedingungen für ein Pinholin sind in Tab. 2 und Abb. 15 zusammenge-fasst. P = Promoter; O = Operator; T = Terminator; SD = Ribosomenbindestelle; Start = Startcodon; Stop = Stopco-don; AS = Aminosäure

schritt 3, vgl. YOUNG & WANG 2006), die hier abernicht weiter diskutiert werden sollen, da wir voneinem minimalen Anfangszustand ausgehenmöchten. Auch das beobachtete double-start-

motif soll nicht berücksichtigt werden. Wenn esaktiv wäre (was wir nicht experimentell gezeigthaben), dann könnte dies darauf hinweisen, dasses eine Feinabstimung zwischen heterotypischerund homotypischer TMD-Interaktion gibt. (Vgl.die Diskussion um das S21 Holin).

Im vorliegenden Fall des Hol187 und auf-grund der oben erzählten Evolutionsgeschich-te wird man annehmen, dass das Endolysingenzuerst vorhanden war und dass das Holingendurch overprinting später gebildet wurde. Mankann also eine im Vergleich zu Evolutionsschritt2 (s.o.) leicht abgewandelte Geschichte zur Ent-stehung eines Holins erzählen: Grundlage istnicht eine bereits vorhandene Transmembran-domäne, sondern ein in das Endolysingen zu-fällig eingebetteter ORF, der – wie oben be-schrieben – aktiviert wird.

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18

Wahrscheinlich oder

unwahrscheinlich?

Wie groß ist die Chance, dass ein zufällig ge-wähltes ORF, das aus einem vorhandenen Genhervorgeht, eine Transmembrandomäne vonetwa 16 lipophilen Aminosäuren besitzt, die sichgrundsätzlich in eine Membran einlagern könn-ten? Wie groß ist die Chance, dass die Folgeder Aminosäuren eine Transmembrandomänebildet, die homotypisch interagieren kann? Wiegroß ist die Chance, dass diese homotypischeInteraktion zur Bildung von Membranflößenführt? Wie groß ist die Chance, dass die inHol187 beobachtete zweite, potentielle Trans-membrandomäne vorkommt und wie groß istdie Chance, dass die beiden durch eine geeig-nete Linker-Sequenz verbunden sind? Wie großist die Chance, dass sich bei geeigneter Kon-zentration der Holine Pinholes bilden?

Schließlich: Wie groß ist die Chance, dassdas Holin in der richtigen Menge und zur rich-tigen Zeit gebildet wird? Die passende Zahl vonEndolysinmolekülen und vor allem die passen-de Zahl von Holinmolekülen muss von der glei-chen mRNA translatiert werden. Das ist kei-neswegs trivial, denn die beiden Translations-prozesse interagieren miteinander und störensich gegenseitig (translationale Interferenz, YU

et al., (2007). Wenn zuwenig Holin gebildetwürde, käme es nicht zur Pinholebildung, unddamit besteht kein Selektionsvorteil. Wennaber zu viel Holin gebildet wird, besteht dieGefahr der frühzeitigen Membrandepolarisa-tion und damit des Abbruchs der Phagenas-

semblierung, der betreffende Phage hätte kei-ne Nachkommen.

Um funktionieren zu können, muss diedurch overprinting entstandene Sequenz alsodie o.g. Eigenschaften aufweisen, die nochmalsin Tab. 4 zusammengestellt sind. Dabei mussdie Funktion nicht perfekt sein. Wenn die Ei-genschaften nur grundsätzlich und unvollkom-men vorhanden sind, kann der leistungsfähigeDarwinsche Mechanismus zu einer mikroevo-lutiven Optimierung der einmal vorhandenen,wenn auch anfangs nur schwach funktionalenStruktur führen. Da eine ganze Reihe von Er-eignissen zusammen kommen muss, darf manannehmen, dass die Entstehungswahrschein-lichkeit eines auch nur rudimentär funktionie-renden Holins sehr klein ist. Aber wie klein istsehr klein?

Die verfügbaren Daten lassen eine belast-bare, einfache Abschätzung der genanntenWahrscheinlichkeiten P

1 bis P

10 meines Erach-

tens nicht zu. Gleichwohl wären bei P1 bis P

4

solche Abschätzungen grundsätzlich jetzt schonmöglich, doch ist hierfür ein nicht unerheblicherForschungsaufwand erforderlich. Es wäre bei-spielsweise ein interessantes bioinformatischesForschungsprojekt, durch Analyse vorhandenerGenome die Wahrscheinlichkeit für die Entste-hung eingebetteter ORFs verschiedener Längezu untersuchen (P

1). Das dafür notwendige Wis-

sen liegt vor.Zu P

5 existieren wenigstens einige experi-

mentelle Untersuchungen, wenn auch nicht anHolin-TMDs. Ein Beispiel: Eine 16 AS lange,funktionale TMD wurde an 8 Positionen mitallen biologisch vorkommenden Aminosäurenrandomisiert. Das ergibt eine theoretische Zahlvon über 1010 Varianten. Die erstellte Biblio-thek verschiedener Varianten enthielt etwa 107

Klone. Davon inserieren rund 10% in die Mem-bran. Von diesen interagiert wiederum nur einkleiner Prozentsatz stabil miteinander (RIDDER

et al., 2005; UNTERREITMEIER et al., 2007), wasexperimentell durch ein Reportergen studiertwurde. Nach meiner Kenntnis kann auf dieseDaten derzeit zwar noch keine belastbare Ab-schätzung von Wahrscheinlichkeiten aufgebautwerden, doch grundsätzlich könnten weitereexperimentelle Arbeiten die notwendige Da-tengrundlage liefern, um dieses spezifischeProblem wenigstens semi-quantitativ zu fassen.Das Problem ist ähnlich gelagert wie die Fra-ge nach der de novo Entstehung von Protei-nen in Ursuppen (vgl. JUNKER und SCHERER,2006, Seiten 125-128) und wird an anderer

Abb 15: Einflussfaktoren aufdie Funktion eine Pinholins.

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Stelle vertieft diskutiert werden (SCHERER, inVorbereitung).

Insgesamt komme ich zu dem Schluss, dassdie Entstehung des kleinen, überlappendenHolinähnlichen Proteins Hol187 zur Zeit un-bekannt ist. Künftige Forschung könnte diesenSchluss bestätigen, aber es ist nicht auszu-schließen, dass künftige biologische Daten ge-eignet sein werden, die Entstehung irgend ei-nes Holins oder auch von Hol187 plausibel zumachen.

„Molecular Evolutionary

Storytelling“

Abschließend noch ein Wort zu meiner obenerzählten, kurzen Evolutionsgeschichte. EgbertLEIGH setzte sich in einem lesenwerten Artikelmit der auch heute noch in Evolutionslehrbü-chern sehr weit verbreiteten Ansicht, dass na-türliche Selektion zufälliger Mutanten die Evo-lution des Lebens hineichend erkläre, bemer-kenswert kritisch auseinander (LEIGH, 1999). Erzitiert zunächst Antnonovics (1987): „Too manybiologists behaved as if to imagine a use for anorgan is [...] equivalent to explaining its originby natural selection without further inquiry“ unddann GOULD & LEWONTIN (1979), die diesen An-satz als „adaptive storytelling“ bezeichneten.GOULD und LEWONTIN machten sich mit dieserBezeichnung wohl ein wenig über den „All-machtsanspruch“ der Selektionstheorie lustig.Das ist nicht meine Absicht, wenn ich hier den

Begriff des Molecular Evolutionary Storytellingam Beispiel des Problems der Evolution derPhagenholine benutze.

Erst heutige Kenntnisse der Biologie derBakteriophagen auf molekularer Grundlage er-lauben es überhaupt, derartige ad hoc Ge-schichten in akzeptablem Detail zu erzählen.Das war vor 10 Jahren noch gar nicht mög-lich. Darin liegt ein bedeutender Fortschrittnicht nur der Phagenbiologie, sondern auch derEvolutionsbiologie: Je konkreter eine Evoluti-onsgeschichte erzählt werden kann, d.h., jemehr durch Experimentalwissen gedeckte mo-lekularbiologische und genetische Details manin die Geschichte einbauen kann, desto besserkann sie auf theoretischer oder, viel wichtiger,auch auf experimenteller Ebene getestet wer-den. Es gehört eine Fülle biologischen Detail-wissens dazu, derartige evolutionäre Geschich-ten so zu erzählen, dass man daraus testbareHypothesen und Forschungsprogramme ablei-ten kann. Ein Beispiel: Welche Änderungensind notwendig, um ein Pinholin in ein mem-branpotential-sensitives Holin umzuwandeln,welches beim Zusammenbruch des Membran-potentials seine Konformation ändert und gro-ße Löcher in der Membran verursacht? Diemolekularbiologischen Werkzeuge sind grund-sätzlich verfügbar, um diese und andere, sichaus der erzählten Geschichte ergebende Fra-gen experimentell (z.B. durch mutagenetischerzeugte Proteinbibliotheken) zu klären. Story-

telling ist also keineswegs überflüssig. Es ist imGegenteil sogar ein wichtiges Element nicht

Tab. 4: Zusammenstellung der Bedingungen, die für die Entstehung eines Hol187-Holinproteins durch erfolgreichesoverprinting vermutlich gegeben sein müssen. Die semiquantitative Abschätzung erscheint in einigen Bereichen möglich,bedarf aber eines erheblichen Forschungsaufwandes.

Ereignis Wahr- P semiquantitativscheinlichkeit abschätzbar?

Entstehung eines passenden ORF P1 = ? ja

Transmembrandomäne 1 vorhanden P2 = ? (ja)

Transmembrandomäne 2 vorhanden P3 = ? (ja)

Linkerpeptid vorhanden P4 = ? ja

Homotypische Interaktion der TMD P5 = ? (ja)

Fähigkeit zur Dimerisierung P1 = ? nein

Fähigkeit zur Floßbildung P2 = ? nein

Fähigkeit zur Pinhole-Bildung P3 = ? nein

Holin wird in der richtigen Menge gebildet P4 = ? nein

Passendes Timing der Pinhole-Bindung P5 = ? nein

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nur der Evolutionsbiologie, sondern der Na-turwissenschaft insgesamt4.

Bezüglich der Evolution von Holin-Endoly-sin-Systemen können wir heute immerhin teil-weise sinnvolle, molekularbiologisch und gene-tisch begründete Geschichten erzählen. Mankann die obige Geschichte auch mit weiterenDetails ausschmücken. Das ändert nichts dar-an, dass wir derzeit nicht wissen, ob diese spe-zielle Geschichte haltbar ist und ob es überhauptplausible evolutionäre Wege gibt, um Holinedurch natürliche Prozesse entstehen zu lassen.Allerdings ist zu hoffen, dass die zu generieren-den Forschungsprogramme diese Frage früheroder später klären werden.

Damit der Leser nun aber nicht in die Irregeführt wird, weise ich nochmals auf folgendenwichtigen Aspekt der Sache explizit hin: EineGeschichte ist nicht die Wirklichkeit, und eswäre ein Fehler eine phantasievolle evolutionä-re Geschichte mit einer wissenschaftlichen Er-klärung zu verwechseln. Die von ANTONOVICS

(1987) sowie GOULD & LEWONTIN (1979) bean-standete, eigentlich ziemlich erstaunliche Idee5,wenn eine Struktur einen Selektionsvorteil auf-weise, dann stehe ihre evolutionäre Entstehunggänzlich außer Zweifel, ist auch heute noch ak-tuell. Evolutionäre Geschichten, wie die von mirerzählte Holin-Entstehungs-Geschichte, werdenvon dem einen oder anderen irrtümlich viel-leicht doch als valide wissenschaftliche Erklä-rung angesehen. Dem will ich mit meiner Ge-schichte keinen Vorschub leisten. Meine Ge-schichte gefällt mir zwar recht gut und ich er-achte sie für nützlich, denn sie kann Experimen-te generieren. Doch wenn ich sie für eine wis-senschaftliche Erklärung der Entstehung einesHolins hielte, oder diesem Eindruck nicht we-nigstens entschieden entgegen träte, dann müs-ste ich die an GOULD & LEWONTIN angelehnte,etwas respektlos gewählte Bezeichnung mole-

cular evolutionary storytelling wohl auch auf michselber beziehen.

Glücklicherweise weiß aber jeder Fach-mann, dass evolutionäre Geschichten zunächstnichts anderes sind als eben dieses: Nämlich Ge-schichten. Und wie das mit Geschichten so ist:Für bare Münze sollte man sie ohne eingehen-de Prüfung lieber nicht nehmen. Aber wenn siegut sind, werden sie die Phantasie anregen undExperimente generieren, die eine Abschätzungihrer Plausibilität zulassen. Am Ende könnte sicheine zunächst nur erfundene, phantasievolleGeschichte als plausibles Modell für einen Pro-zess erweisen, der sich vielleicht so oder ähn-lich tatsächlich in der Vergangenheit abgespielthat. Oder sie erweist sich nach eingehenderPrüfung eben nur als eine phantasievolle Ge-schichte, als ein in biologischer Fachspracheverfasstes Märchen, das keine echte Entspre-chung zur empirisch fassbaren Wirklichkeit hat.Was auch immer das Ergebnis einer solchen da-ten-basierten Prüfung sein wird: In jedem Fallwird die Erzählung der Geschichte zur Erweite-rung unseres Wissen geführt haben und damitfruchtbar geworden sein. Vorausgesetzt, wiegesagt, sie wurde kritisch geprüft.

Wissenslücken und

Grenzüberschreitungen

In JUNKER & SCHERER (2006) wurde das Holin-Gen stellvertretend für andere derartige einge-bettete Gene auf eine gänzlich nicht-biologischeWeise als Design-Signal gedeutet. Diese Deu-tung erfolgte aus gutem Grund im letzten Kapi-tel des Buches, welches mit „Grenzüberschrei-tungen“ überschrieben ist. Damit wurde eindeu-tig und für jedermann erkennbar zum Ausdruckgebracht, dass diese Deutung den naturwissen-schaftlichen Rahmen bewusst überschreitet.Eine solche Deutung ist weltanschaulich be-gründet, aber sie könnte durch geeignete expe-rimentelle Daten durchaus relativiert werden.Sollte sich nämlich zeigen, dass eine evolutio-näre Entstehung dieses und anderer, komple-xerer eingebetteter Gene datenbasiert plausibelgemacht werden kann, dann bliebe jedenfallsfür mich wenig Ursache, solche Strukturen alsDesign-Signal zu deuten.

Wissenslücken, wie sie bezüglich der evo-lutionären Entstehung eines Holingens (undzahlreicher anderer biologischer Strukturen)bestehen, sind kein Beweis dafür, dass solcheStrukturen nicht durch Evolution entstandensein könnten. „Nichterklärtheit“ ist etwas an-deres als „Nichterklärbarkeit“. Ersteres kann

4 Wer experimentell arbeitet weiß, dass viele be-

deutende Entdeckungen mit teilweise abenteuer-

lichen, phantasievollen Geschichten begonnen

haben.5 Auf eine gewisse Weise ist das nun auch wieder

nicht so erstaunlich: Wenn Evolution als natürli-

cher „Schöpfungs“prozess grundsätzlich und be-

dingungslos vorausgesetzt wird, dann kann aus

allen Überlegungen am Ende auch nur Evolution

hervorgehen.

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21

durch naturwissenschaftliche Befunde begrün-det und möglicherweise auch widerlegt wer-den, das zweite ist eine weltanschaulich moti-vierte und naturwissenschaftlich nicht schlüs-sig zu belegende Vermutung (SCHERER, 2008).Ich bin ein entschiedener Befürworter der evo-lutionsbiologischen Forschung, die nötig ist,um Erklärungslücken der Evolutionsbiologie –wo möglich – zu schließen. Allerdings, solidedatengestützt müssen akzeptable evolutions-biologische Erklärungen schon sein. Mit We-niger kann man sich als Empiriker eigentlichnicht zufrieden geben.

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