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1 I. Vorlesungen über die Geschichte der neueren Philosophie [Erlangen 1835/36]

I. Vorlesungen über die Geschichte der neueren Philosophie ... - Ludwig-Feuerbach · 2015. 8. 5. · 5 deutung der Philosophie selbst lesen und daher mit der En t-wicklung der1 Begriffe

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Page 1: I. Vorlesungen über die Geschichte der neueren Philosophie ... - Ludwig-Feuerbach · 2015. 8. 5. · 5 deutung der Philosophie selbst lesen und daher mit der En t-wicklung der1 Begriffe

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IVorlesungen uumlber die

Geschichte der neueren Philosophie[Erlangen 183536]

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3

I Vorlesung [Vorbemerkung]1

1 Keine Wissenschaft hat daher solche Hindernisse zu be-kaumlmpfen wie die Philosophie um sich unter den Menscheneine Existenz zu verschaffen Vorurteile und Miszligverstaumlndnissealler Art stehen ihr im Wege Und2 nicht nur ihr Wert selbst ihrSein wird von vielen in Zweifel gezogen Sie gilt ihnen fuumlrkeine wirkliche Wissenschaft sondern nur fuumlr das Suchen einerWissenschaft die aber bis jetzt noch nicht gefunden sei viel-leicht auch nie gefunden werden koumlnne3 Waumlhrend die uumlbrigenWissenschaften ruhig und unangefochten im Besitze ihrer vonden Vaumltern uumlberlieferten Guumlter leben und deswegen belobtwerden daszlig4 [sie] sich friedlich im Lande5 naumlhren und dasAnsehn nuumltzlicher und brauchbarer aufrichtiger Buumlrger genie-szligen6 steht die Philosophie ndash weil7 ihr Gebiet8 nicht wie das deruumlbrigen Wiss[enschaften] ein beschraumlnktes9 sondern ein un- 1 So auch A ndash Am Rande r o Datierung 183536 von fremder Hand2 Und Ja Korr im Ms3 Am Rande Es sind uumlbrigens diese Urteile und Geruumlchte die uumlber

die Philosophie im Umlauf sind [wie gesagt Korr im Ms] eine Fol-ge ihres eigentuumlml[ichen] Wesens Die Philos[ophie] begreift aussich selbst diese Miszligverstaumlndnisse ohne daher daruumlber zu erzuumlrnensie sieht ein daszlig sie denen die sie nicht persoumlnlich kennen so er-scheinen muszlig als sie ihnen erscheint Um sich von der Realitaumlt ei-ner andern Wissenschaft zu uumlberzeugen dazu gehoumlrt keine besonde-re Kenntnis derselben Mag man auch von ihrem Werte denken wasman will man traumlgt wenigstens keine Bedenken ihr Realitaumlt zuzu-schreiben sollte man diese auch noch so sehr beschraumlnken

Aber die Realitaumlt der Philosophie einzusehen das ist selbst schonPhilosophie Die uumlbrigen Wissensch[aften] weil sie [weil sie Im Msgestr] einen [hellip] mehr oder weniger sinnlich anschaubaren 2 Stoffzu ihrer Basis haben haben [haben tragen Korr im Ms] die Zei-chen ihrer Bedeutung auch dem gemeinen Mann erkennbar aber diePhilosophie gleicht einem im Stillen wirkenden Privatmann daszlig eretwas ist und was er ist sein[en] Einfluszlig aufs Leben s[eine] Be-deutung erkennt nur der der in naumlherem Umgang mit ihm lebt

4 Im Ms folgt gestr es5 Im Ms folgt gestr lehr[en]6 genieszligen stehen Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr was uumlbrigens eine notwendige Folge ihres We-

sens ist denn8 Im Ms folgt gestr ist9 beschraumlnktes bestimmtes Korr im Ms

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endliches ist sie keinen fixen Aufenthaltsort hat1 sie ist nichtglebae adscripta [der Scholle verhaftet] ndash bei Unzaumlhligen imRufe eines unbestaumlndigen und exzentrischen Kopfes der sichin die nun einmal notwendigen Schranken des Lebens nichtfuumlgen ganz unabhaumlngig nach seinem eignen Kopfe nur lebenund spekulieren2 wolle aber eben deswegen es auch zu nichtsbringe und in Wahrheit auch zu nichts Reellem zu gebrauchensei

Bei keiner Wissenschaft dringt sich daher auch ihrem Lehrerso sehr wie bei dieser das Beduumlrfnis auf selbst namentlichwenn er nur einen Teil derselben vortraumlgt allgemeine abweh-rende Bemerkungen erst vorauszuschicken um die Wahrheitvon der Meinung gereinigt herauszustellen um durch die Ne-gation des Unrichtigen und Verkehrten sich erst die Bahn zurpositiven Bestimmung zu bahnen Bei keinem Teile der Philo-sophie etwa die eigentliche Metaphysik ausgenommen ob-wohl alle auch die konkreteren Teile der Philos[ophie] immerMetaphysik bleiben ist aber selbst wieder dieses Beduumlrfnisdringender als bei der Geschichte der Philosophie namentlichaber bei der neuern Zeit denn wer hat wohl noch nie den treff-lichen Schluszlig gehoumlrt3 mit der Philos[ophie] kann es offenbar4

nichts sein5 Einer vernichtet in ihr den andern Sp[inoza] wi-derlegte den Cartes[ius] Leibniz der6 Kant den Kant Fichtedann kam Schelling der zeigte daszlig Fichte nichts [ist] hieraufHegel und kaum ist der bekannt [ge]worden 2 so tragen auchschon die juumlngern Philosophen diesen hinaus auf den KirchhofIndem nun diese Vorles[ungen] bestimmt sind von den we-sentlichen spekulativen7 Systemen der neuern Zeit eine ihrVerstaumlndnis erleichternde kurze Uumlbersicht zu geben so koumln-nen wir uns nicht enthalten erst einige kurze einleitende Vor-bemerkungen uumlber die Bedeutung der Philosophie vorauszu-schicken um so mehr als wir die Geschichte der Philosophienicht in der Bedeutung einer Geschichte8 sondern in der Be-

1 sie hat sie hat keinen Aufenthaltsort Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr wolle3 den gehoumlrt reden houmlren was kann wohl Korr im Ms4 offenbar affreux [schrecklich] A5 kann sein fuumlr ein Bewandtnis haben Korr im Ms6 der den Ms A7 Im Ms folgt gestr Philosophien8 Im Ms folgt gestr von Vergangenem

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deutung der Philosophie selbst lesen und daher mit der Ent-wicklung der1 Begriffe dieser Systeme einen kurzen Inbegriffund Begriff von der Philosophie selbst zu geben beabsichti-gen2 Eins der allergewoumlhnlichsten und trivialsten Vorurteile ndashein Vorurteil welches mit dieser Bedeutung der Geschichte derPhilos[ophie]3 die ihr vorgegeben wird im schreiendstenKontrast gegenuumlbersteht ndash ist es die philo[sophischen] Syste-me als Meinungen als subjektive Anschauungen zu betrachtendie eigentlich nur so lange Geltung und Bedeutung haben alsbis ein anderer kommt der seine Vorfahren widerlegt und eineneue Ansicht aufstellt daher nur ein historisches aber keinwahrhaft gegenwaumlrtiges und lebendiges Interesse mehr habenAllein eben diese Ansicht von der Philosophie ist eine reinsubjektive Die Philosophie ist eine Notwendigkeit sie ist Be-stimmung des Menschen wenn auch nicht geradezu und un-mittelbar aller Menschen Der Mensch muszlig philosophieren ermag wollen oder nicht hierin ist er nicht frei Der Trieb zumDenken ist unwiderstehlich Diese Notwendigkeit erscheint imMenschen als Liebe Neigung Anlage Talent als Genie Denndas wozu der Mensch wahrhafte Anlage und Trieb hat daskann er nicht tun oder unterlassen indem das was Talent inihm ist seine urspruumlngliche innerste eigene Natur ist Die gro-szligen die wahrhaften Philosophen die selbstaumlndige Systeme ausdem Schacht ihres Innern hervorzogen waren also nicht durchihre Willkuumlr und Wahl Philosophen sie konnten nichts andressein als was sie waren sie philosophierten weil sie philoso-phieren muszligten Die Erfahrung lehrt daher daszlig schon in derfruumlhsten Jugendzeit bei den meisten so oder so die Neigungund das Talent die innere Noumltigung zur Spekulation sich of-fenbarte kurz daszlig sie sich so aumluszligerte daszlig mit der Zeit nichtsandres als Philos[ophen] sich aus ihnen entwickeln konntenDa nun aber die Philosophie wie nicht zu leugnen ist ausinnerer Notwendigkeit entspringt so hat sie keinen subjekti-ven sondern einen in einer houmlhern das Subjekt selbst 3 be-herrschenden Macht l[iegenden] Ursprung Was aber keinensubjektiven Ursprung hat das kann auch nicht eine subjektiveBedeutung haben Was ist nun aber diese Macht die den Men- 1 der dieser Korr im Ms2 selbst hellip beabsichtigen geben wollen Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr stehen ganz entgegengesetzte Ansichten von

d[er] Phi[losophie] gegenuumlber indem man

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schen zum Philosophieren antreibt Sie muszlig mit der Taumltigkeitzu der sie ihn antreibt verwandt oder identisch sein es gehoumlrtzu ihrer eigentuumlmlichen Beschaffenheit oder Natur diesenTrieb und keinen andern zu erwecken Diese Macht die denMenschen zum Philosophieren treibt und bewegt kann daherkeine andere sein als die Philosophie selbst wie die Macht dieden Kuumlnstler erfuumlllt und treibt keine andere ist und sein kannals die Kunst Aber ndash kann man entgegnen ndash wie kann das wasder Kuumlnstler der Philosoph ja erst erzeugen soll die Kunst diePhilosophie das Hervorbringende der Kunst der Philosophiesein Da erzeugt sich ja die Kunst die Philosophie selbst Wieist das moumlglich Waumlre das nicht ein unvernuumlnftiger Wider-spruch Allerdings ist es nicht nur moumlglich sondern es ist auchin der Tat und Wirklichkeit so und nicht anders Der Trieb desMenschen zur Kunst ist selbst schon Kunst der Trieb zur Phi-losophie selbst schon Philosophie oder Wirkung der Philoso-phie Aus einem leeren bloszligen Vermoumlgen oder Triebe wirdnichts produziert Dem Kuumlnstler ist die Kunst dem Philoso-phen die Philosophie vorausgesetzt Jener produziert einzelneKunstwerke von dieser oder jener Art dieser ein System vondieser oder jener Art aber die Gattung selbst um diesen Ter-minus anzuwenden die Kunst die Philosophie ist ihnen beidenvorausgesetzt sie koumlnnen nur unter dieser Voraussetzung etwastun und der Kuumlnstler der Philosoph produziert nicht als derMensch uumlberhaupt der er auszliger dieser seiner Beschaffenheitund Bestimmung naumlmlich der des Philosophen ist gleichandern Menschen oder als dieses einzelne Individuum oderSubjekt er produziert nur als Philosoph d i als [ein] von derPhilosophie erfuumllltes beseeltes und begeistertes IndividuumDas Produzierende in ihm ist also die Philosophie der Wahr-heit nach die Sache betrachtet Denn er fuumlr sich selber ist nichtsund vermag nichts Sein Vermoumlgen seine Kraft ist nur dieBegeisterung nur im Zustande der Begeisterung kann derMensch produzieren woher hat er aber die Begeisterung 4woraus entspringt sie Wofuumlr ich begeistert bin daher kommtauch die Begeisterung Also aus der Philosophie entspringt sieUnd was ist die Begeisterung selbst Nichts andres als derZustand oder die Kraft der Sache wo der Mensch von derSache oder Idee fuumlr die er begeistert ist so ergriffen und1 mitfortgerissen wird so seiner selbst beraubt so auszliger sich selbst 1 Im Ms folgt gestr mit sich

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in die Idee versetzt wird daszlig diese aus ihm selbst spricht da-her es1 nicht zu verwundern ist daszlig die Menschen in Zustaumln-den der houmlchsten und wahrsten Begeisterung auf andere eineungewoumlhnliche sie bis ins Tiefste erschuumltternde ihre Selbstaumln-digkeit vernichtende Gewalt ausuumlben eben weil sie in diesenMomenten nicht eine persoumlnliche sondern eine2 allgemeineMacht die Macht der Idee und Wahrheit selber sind weil indiesen Momenten das was sonst der Mensch bezweifelt dieMacht des Unpersoumlnlichen der Idee als eine persoumlnlichewirkliche Existenz ja als eine Macht uumlber der Persoumlnlichkeitihnen lebendig vor die Augen tritt und in die Ohren donnertDas Produzierende in dem Kuumlnstler dem Philosophen ist daherdie Kunst die Philosophie denn er begeistert sich nicht selbstwas ein Unsinn ist sondern sie ihn ndash So sehr dieser Gedankeden gewoumlhnlichen Vorstellungen widerspricht so sehr laumlszligt ersich doch durch die alltaumlglichsten psychologischen Tatsachenaus dem Leben des geistigen Menschen aus dem Leben groszligerDenker und Dichter beweisen3 Es sind nur die hohen Festtageim Leben wo der Mensch Vortreffliches produziert es sindnur die gluumlcklichen oder vielmehr seligen Tage Stunden oderAugenblicke wo er alle persoumlnlichen Angelegenheiten besei-tigt hat wo er ledig ist aller subjektiven ihn an sein individu-elles eingeschraumlnktes Dasein erinnernden Beschwerungen vonInnen oder4 Auszligen wo keine Sorge keine Leidenschaft ihnzerstreut wo seine Seele so lauter so klar und fleckenlos istals der wolkenlose Himmel Aber warum sind es nur die hohenFesttage im Leben wo der Mensch produzieren kann Warumkann er es nicht an jedem gemeinen Werktage Warum nicht injeder Stimmung Warum gehoumlren dazu besondere guumlnstigeBedingungen Nur darum weil der Mensch der produziert diesich selbst produzierende Idee ist und die Idee nur da wirkenund schaffen Mensch gleichsam werden kann wo der Mensch

1 Im Ms folgt gestr kommt2 eine die Korr im Ms3 Es sind nur in uns abhaumlngen In BwN 1 Bd S 317 SW BJ 4

Bd S 387-388 ndash entsprechender Hinweis im Ms am Rande vonfremder Hand bdquoabgedruckt SW 4 387ldquo ndash unter bdquoDie Macht derIdeeldquo mitgeteilter Abschnitt aus den Erlanger Vorlesungen Hin-weis fehlt in A

4 oder [so auch A] und BwN SW BJ

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ihr Platz gemacht1 wo er sich alles aus dem Kopfe geschlagenhat was ihr 5 im Wege stehen und ihr den Durchgang sozu-sagen2 durch ihn erschweren koumlnnte Waumlren die geistigenWerke des Menschen ndash es ist natuumlrlich nur3 hier von den gro-szligen unsterblichen Geisteswerken die Rede ndash wirklich nursubjektiven Ursprungs ach wie bestialisch-gluumlcklich waumlrendann die Menschen In welchem leichten ununterbrochenenFlusse ging4 dann die geistige Produktion vonstatten welchenSchmerzen welchen Opfern5 waumlre der Denker wie der Kuumlnstleruumlberhoben Denn Subjekte sind wir immer und6 sie hingehoumlchstens7 bloszlig von unserm Willen unserm Fleiszlige ab Aberwie wir in materieller Hinsicht keine Nuumlrnberger Dukatenma-cher sind sondern sauer der Erde ihr Metall abgewinnen muumls-sen abhaumlngig8 von einer fremden Macht auszliger uns so sind wirauch im Geistigen keine Dukatenmacher nur daszlig wir9 hier voneiner Macht in uns abhaumlngen

Gegen die hier aufgestellte Theorie lieszlige sich einwendenwenn die Kunst die doch offenbar das Vollkommne ist dasProduzierende ist wie kommt es denn daszlig es eines so muumlhse-ligen Arbeitens und Fortschreitens bedarf bis man vom Un-vollkommnen zum Vollkommneren kommt wie wir z B beiden Griechen die Bilderhauerkunst von den plumpsten unbe-holfensten rohsten Kloumltzen erst allmaumlhlich nach vielfaumlltigenVersuchen und Arbeiten bis zu den Goumlttergestalten eines Phi-dias sich anstrengungsvoll emporringen sehen Eben daherkommt es weil der Mensch sich erst abarbeiten durchbildenreinigen von allen Schlacken befreien alle subjektiven Hin-dernisse Unbehuumllflichkeiten Haumlrten und Ecken an sich ab-streifen muszlig ehe er tuumlchtig und faumlhig wird das durchsichtigeOrgan der Idee zu werden gleichwie der Schriftsteller wenn erauch noch nicht in der erforderlich[en] Stimmung sich befin-det d h in dem subjektiven Zustande der zur geistigen Pro- 1 Im Ms folgt gestr hat2 so zu sagen [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ3 nur [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ4 ging gingen Korr im Ms5 welchen Opfern [so auch A] welcher welcher Opfer BwN

SW BJ6 Im Ms folgt gestr wie jede aumluszligerliche Arbeit7 houmlchstens [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ8 abhaumlngig [so auch A] abhaumlngen BwN SW BJ9 Im Ms folgt gestr haumlngen

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duktion gehoumlrt die Feder ergreifen muszlig um nur wacker draufzu schreiben wenn er auch spaumlter wieder ausstreicht um end-lich in die Sache hineinzukommen und von ihr ergriffen undbemeistert zu werden Aber auch in den unvollkommenstenAnfaumlngen der Kunst ist doch die Kunst selbst schon wirksamaber nur soweit als sie es nach dem Grade der Bildung Emp-faumlnglichkeit und Geschicklichkeit der Individuen sein kann sodaszlig also diese geschichtliche Tatsache keineswegs eine Instanzgegen die ausgesprochene Idee ist

Der Satz uumlbrigens bdquodie Idee produziert sich selberldquo hateinen dem Verstand widersprechenden Sinn wenn er so un-mittelbar wenigstens genommen w[ird] als er hier ausgespro-chen w[urde] 6 denn kann man sagen die Idee ist hier ein-mal als Subjekt naumlmlich vorausgesetzt als seiend denn nurwas ist kann produzieren das andremal als Objekt in dembdquosich selbstldquo als nicht seiend denn nur was nicht ist brauchtproduziert zu werden Aber das Produzieren bewegt sich nichtinnerhalb des Gegensatzes von Sein und Nichtsein sondern nurinnerhalb des Gegensatzes zwischen verschiedenen Arten desSeins im Produzieren handelt es sich nur um den Gegensatzvon Sein in sich und Dasein oder Sein fuumlr Andres bestimmtesSein Die Idee produziert sich heiszligt also nichts andres als siebestimmt sich oder sie macht sich zu einer bestimmten wirkli-chen Idee verwandelt ihr Insichsein in Dasein vermenschlichtvergegenwaumlrtigt veranschaulicht sich Schieben wir hier1 daherden Menschen zwischen ein zwischen die sich selbst produzie-rende Idee als ihr Verwirklichungsmittel oder Organ so ergibtsich in betreff unsers Themas2 das Resultat3 der Philosophproduziert nicht aus sich selbst als leerem sondern aus sich alsvon der Philosophie begeistertem Subjekte d h4 aus der Phi-losophie selbst und zwar da diese nicht eine bestimmte ist einSystem denn dieses bringt er ja erst hervor aus der mit derWahrheit selbst identischen ewigen goumlttlichen Philosophiealso aus der unendlichen unerschoumlpflichen Idee der Philoso-phie sein System ndash oder ndash dieses bdquooderldquo bedarf keiner Recht-fertigung ndash die an sich unbestimmte Idee realisiert sich ver-

1 hier wir A2 unsers Themas unseres Thuns A3 ergibt Resultat bestimmt sich das Gesagte dahin Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr ohne Medium im reinen Lichte betrachtet

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mittelst eines bestimmten Individuums als ihres Organs zueiner bestimmten Idee1

Die philosophischen Systeme sind aber nicht nur ihrem Ur-sprunge sie sind auch ihrem Inhalte nach notwendig Die Phi-losophen muszligten nicht nur philosophieren sie muszligten auch sophilosophieren als sie philosophierten Und diese Notwendig-keit ist selbst wieder eine doppelte obwohl an sich ungetrenn-te eine innere und aumluszligere Eine bestimmte Idee2 tritt naumlmlichnur zu einer bestimmten Zeit in die Welt Insofern hat ein3

System in einer aumluszligern Notwendigkeit seinen Grund es wardurch den Grad der Bildung die Art des Denkens die allge-meine Weise des Lebens oder bereits durch ein andres schonvorhandnes System der Philosoph[ie] notwendig auf denStandpunkt seiner Philosophie gefuumlhrt worden Aber dieseaumluszligere Notwendigkeit hat selbst wieder zu ihrer Bedingungund Voraussetzung eine houmlhere eine innere Notwendigkeitinsofern als eben die ewige Idee selbst als diese bestimmteIdee als welche sie 7 sich in einer gewissen Zeit aussprichtnur in dieser und keiner andern Zeit sich so aussprechen konn-te insofern also als diese aumluszligere Notwendigkeit es ist die denMenschen veranlaszligte4 und noumltigte die Wahrheit in einer an-dern oder wenigstens noch nicht so bekannten Bestimmtheitauszusprechen und sie daher ndash diese aumluszligere Notwendigkeitnaumlmlich ndash das Vehikel ist fuumlr die Offenbarung der Idee

Zur Erlaumluterung und Entwicklung dieser Idee ist es noumltig5einen houmlchst wichtigen weit um sich eingreifenden in allen6

Wissenschaften einfluszligreichen Punkt zu beruumlhren7 ndash den Un-terschied zwischen Apriorischem und Aposteriorischem zwi-schen Vernunft und Erfahrung positivem Recht und Natur-recht positiver Relig[ion] und natuumlrlicher Religion Fangen8

wir bei diesem letztern Gegensatz an Man hat der natuumlrlichenoder sogen[annten] Vernunftreligion vorgeworfen daszlig sie vielzu negativ zu abstrakt und unbestimmt sei als daszlig sie sich

1 Im Ms folgt gestr Die philos2 Idee Zeit Korr im Ms3 ein das Korr im Ms4 veranlaszligte trieb Korr im Ms5 Zur noumltig Und hiemit kommen wir zu sprechen auf Korr im Ms6 in allen fuumlr alle Korr im Ms7 Punkt beruumlhren Unterschied Korr im Ms8 Fangen Bleiben Korr im Ms

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eigne fuumlr das Leben daszlig sie das religioumlse Beduumlrfnis nicht be-friedigen koumlnne man hat ferner mit einer gewissen Schaden-freude der Vernunft vorgehalten daszlig sie wenn sie auch dieLehren der positiven Religion begreifen koumlnne sie doch nieaus sich haumltte erzeugen [koumlnnen] oder auf sie gekommen waumlre1

Der Gegensatz so ausgesprochen ist ganz ungeschickt aufge-faszligt Die Kraft das Vermoumlgen der Vernunft kommt hierbei garnicht in Betracht Es reduziert sich der Gegensatz nur daraufdaszlig der Mensch zu einer Zeit nicht kann und vermag was er zueiner andern Zeit wohl vermochte weil diese Zeit eine andereist als jene war und eine bestimmte Idee Wahrheit Anschau-ung nur zu einer bestimmten fuumlr diese Realisation geschicktenZeit sich vermittelst des Menschen verwirklicht gleichwie derMensch als Individu[um] nicht gleichguumlltig in jeden Momen-ten sondern in besondern Momenten der Not des Drangs derAufforderung von auszligen der geistigen Aufregung und Exalta-tion zeigt was er ist und vermag sein Wesen offenbart Als dasChristentum in die Welt trat war eine Zeit wie sie wohl sonstnie mehr war Die alten Religionen und Staaten waren im Un-tergange begriffen der in groszligen Taten wie in Kunst und Wis-senschaft sich entfaltende produktive Geist der Griechen undRoumlmer war dahin2 die Pietaumlt des Familienbandes des Natio-nalinteresses kurz alles was sonst die Menschheit belebtebekraumlftigte und was sie sonst3 an die Erde als der guumltigen undgeliebten Mutter alles Lebens band 8 ging zugrunde DieMenschheit war vor lauter Genuszlig uumlbersaumlttigt und uumlberdruumlssigdes Lebens und eben in diesem Ekel in dieser Leere uumlbergabsie sich zum Hohne ihrer und der sie nicht mehr befriedigenkoumlnnenden Natur den raffiniertesten Kuumlnsten und Sophismender Wollust Die Menschheit war damals in jener Periode undStimmung des Dr Faust wo er sagte bdquoDem Taumel weihrsquo ichmich [dem schmerzlichsten Genuszlig] verliebtem Haszlig erquik-kendem Verdruszligldquo4 Es war eine Zeit der Desperation der haumlr-

1 Im Ms folgt gestr daszlig sie also schlechterdings geoffenbart sein

muumlszligten Uumlber der Zeile vom Himmel herab2 dahin verschwunden Korr im Ms3 und sonst kurz Korr im Ms4 J W v Goethe Faust Eine Tragoumldie neue Aufl Stuttgart ndash Tuuml-

bingen 1825 S 110 ndash Im Ms irrtuumlmlich bdquo hellip verzweifeltem Ge-nuszligldquo Vgl auch GW 8 S 166

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testen geistigen und politischen Miszligverhaumlltnisse1 des tiefsteninnern Ungluumlcks und Elends Aber diese Not war die Staumltte inwelcher allein der Heiland der Welt geboren werden konnteDieser Heiland war die Religion Was sonst die Erde demMenschen heiligte war verschwunden er hatte nichts mehr aufihr er nahm also seine Zuflucht in den Himmel der ReligionDie Religion ging daher damals aus einem wahren ebenso tiefsubjektiv als objektiv begruumlndeten Beduumlrfnis hervor Der reli-gioumlse Sinn hat sich hier daher fuumlr alle Zeiten verewigt nirgendssich so klassisch so zu sagen so rein kraumlftig original2 soidentisch mit dem Wesen der Religion in Wort und Tat ausge-sprochen als hier eben weil hier der Mensch kein anderesInteresse neben der Religion hatte weil nur sie fuumlr den etwasja alles alles andre nichts war und jene Zeit eben durch sichselbst bestimmt das eigentuumlmliche Wesen der Relig[ion]3 wassie ist und was sie vermag durch kein fremdartiges Interesseverfaumllscht oder getruumlbt zu offenbaren Man hat daher insofernrecht wenn man der natuumlrlichen Religion d h dem was einMensch der neuern Zeit nach seinen Beduumlrfnissen fuumlr das We-sentliche d[er] Relig[ion] halten mag4 [entgegenhaumllt] daszlig sienicht die Forderungen erfuumlllen koumlnne die der Geist und dieLehre in der positiven Relig[ion] namentlich in den religioumlsenUrkunden jener Zeit in so reichem Maszlige erfuumllle man hat Rechtgehabt [das] zu sagen Allein darin5 hat man Unrecht daszlig mandies nur fuumlr ein partikulares spezifisches Merkmal der positi-ven Religion haumllt Es gilt dies mehr oder minder von jedemklassischen Ausdruck der Idee in dem Verlauf der Weltge-schichte und daszlig der Mensch fuumlr sich selbst d h unabhaumlngigvon der Geschichte lediglich nur seinen allgemeinen natuumlrli-chen Anlagen und Beduumlrfnissen [nach] nicht haumltte daraufkommen koumlnnen und daszlig sie nicht Beruhigung und Befriedi-gung zu gewaumlhren im Stande sei Wenn aber jene Zeit be-stimmt war das Wesen der Relig[ion] auszusprechen so hattedie roumlmische Welt die Bestimmung den Begriff des Rechts inseiner ganzen Strenge und Schaumlrfe zu erfassen zu bestimmen

1 geistigen Miszligverhaumlltnisse [] Not Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort3 Im Ms folgt gestr und4 halten mag hielt die Urkunden jener Zeit und den Geist der aus

ihnen spricht Korr im Ms5 darin dies gilt nicht Korr im Ms

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und auszubilden die griechische Welt das Wesen der Kunst zuoffenbaren Die Werke namentlich der griech[ischen] Plastiks[ind] nach dem Urteil der tiefsten Sachkenner durch die neue-re Kunst nicht erreicht und wenn sie erreicht werden solltenoder wirklich schon erreicht sind so hat man dies nur durchdas Studium und die Anschauung der Antike erreichen koumlnnenAuf diese obwohl sie nur fuumlr Menschenwerke gelten koumlnnenwir auch nicht durch und aus uns selbst kommen Toumlricht ist esdaher eine falsche oberflaumlchliche Auslegung der Erscheinungwenn man dies Nichterreichenkoumlnnen eines positiven Zustandses sei in der Sphaumlre des Rechts oder der Philos[ophie] fuumlr eineGrenze und Beschraumlnktheit der Vernunft ausgibt Die Vernunftist nichts als die Selbstbestaumltigung der ewigen unendlichenIdee sei es nun der Kunst oder Religion oder Philosophie aberdiese Betaumltigung 9 ist immer die Betaumltigung der Idee in einerbesondern Bestimmung und daher auch in einer besondern Zeitdenn eben nach den besondern Bestimmungen die von derIdee1 sukzessiv ins Bewuszligtsein der Menschheit treten unter-scheiden wir die Perioden und Epochen der Geschichte DieserTadel der Vernunft ist gerade so laumlcherlich wie wenn einer derdie Werke eines Philosophen der in der Geschichte Epochegemacht hat studiert hat zu einem der ohne Buumlcherkenntnisoder wenigstens ohne Kenntnisse dieses Philosophen sozusa-gen auf eigne Faust spekuliert hintraumlte und ihn fragte sage mireinmal wie heiszligen die Werke dieses Philosophen was hat ergeschrieben was ist der Inhalt seiner Lehre und darin eineSchwaumlche seiner Vernunft finden wollte daszlig er nicht vonselbst darauf gekommen und wenn er auch vielleicht im All-gemeinen denselben Inhalt gefunden haumltte doch nicht so be-stimmt so spezifisch so vorzuumlglich ihn ausgesprochen habewie dieser die Idee in ihrer Selbstbetaumltigungskraft die Vernunftsagt nicht zum zweitenmale2 was sie einmal so trefflich ausge-sprochen hat als es nur immer gesagt werden kann in ihremLexikon kommen lauter ἅπαξ λεγόμενα [einmal Gesagte] vorDas Historische kann nur auf historische Weise erkannt wer-den Es waumlre gerade die tiefste Schmach der Vernunft wennder Mensch in dem Sinne wie man es gewoumlhnlich versteht apriori eine Geschichte konstruieren koumlnnte Eine solche Repe-tition raubte der Geschichte wie der Vernunft allen Wert 1 Idee Zeit Korr im Ms2 sagt zweitenmale predigt nicht zweimal Korr im Ms

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Die philosophischen Systeme sind1 also besondere Bestim-mungen der absoluten und unendlichen Idee der Idee derWahrheit sie sind bestimmte Wahrheiten oder wahre Erkennt-nisse die als bestimmte nur zu einer bestimmten besondernZeit vermittelst bestimmter Individuen die den ihrem Inhaltgemaumlszligen Charakter und Geist haben ausgesprochen werdenkoumlnnen Sie sind deswegen notwendig und zwar ebensowohlan und fuumlr sich innerlich notwendig insofern2 sie in der Ideeder Wahrheit selbst begruumlndet und Weisen sind wie die Wahr-heit nicht nur gefaszligt werden kann sondern weil sie so gefaszligtwerden kann auch einmal so gefaszligt werden muszlig als auchaumluszligerlich oder geschichtlich notwendig als die Systeme selbstuntereinander selbst in einem notwendigen uumlber subjektiveWillkuumlr erhabnen Zusammenhang stehen eben weil sie dieabsolute Idee zu ihrem gemeinschaftlichen Ursprung undGrund hatten Und eben deswegen ist auch obwohl d[ie] Phi-losophie im Stillen steht 10 die Geschichte der Philosophieselbst Philosophie ndash eine Bedeutung in welcher wie am An-fang gesagt wurde die Geschichte der neuern Philosophie indiesen Vorlesungen vorgetragen werden soll

1 Die sind Dasselbe gilt nun von den philosophischen Systemen

Sie Korr im Ms2 insofern als Korr im Ms

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II Vorles[ung]1 [Der Geist der neuern Zeit]2

Der Inhalt der gestrigen Vorles[ung] war kurz noch einmalzus[ammen]gefaszligt dieser Die Philosophie ist eine Notwendig-keit Die Erscheinung dieser Notwendigkeit im Subjekte ist derunwiderstehliche Trieb zum Philosophieren Der Trieb setzteine vom Subjekte unterschiedne Macht voraus ein Etwas dasder Trieb des Triebes ist Ein leerer Trieb fuumlr sich erzeugtnichts Die Beschaffenheit des Triebes muszlig der Beschaffenheitder Natur dieses treibenden Etwas adaumlquat sein Die Macht desTriebes zum Philosophieren ist daher die Philosophie abernicht eine bestimmte Philosophie nicht ein System denn umdie Hervorbringung einer bestimmten Philosophie handelt essich ja erst sondern die Philosophie in ihrer Idee oder die Ideeder Philosophie ndash Die Erklaumlrung des Wortes Idee wurde wievieles andre auf der Seite liegen gelassen Hier nur so viel WerIdee im Sinn faszligt derer die nicht in die philosophische Sprech-und Denkweise eingeweiht sind wird sich wundern die Ideeals die treibende urspruumlngl[iche] Macht [bezeichnet zu sehen]da sie eben ein3 Produkt der Philosophie des Denkens desMensch[en] erst sei Aber das ist eben die falsche Ansicht derIdee Das Denken des Menschen setzt die Idee voraus keinDenken ohne Idee der Gedanke ist selbst erst Produkt DieIdee ist das Wesen der Dinge oder das Wesen schlechtweg oderdas goumlttliche Wesen wie es Objekt des Denkens [ist] der Aus-druck fuumlr Gott im Denken ist bei den Philosoph[en] die Ideedasselbe Wesen das uns auf dem praktischen Standpunkt aufdem Standpunkt des Lebens und des persoumlnlichen Verhaltensals ein4 Wesen oder in der eigentlichen Bedeutung des Wesensgegenuumlbertritt dasselbe wird5 auf dem Standpunkt der Speku-lation als Objekt des Gedankens in der Bedeutung und in derGestalt und unter dem Namen bdquoIdeeldquo Gegenstand Die Idee derPhilosophie ist also das Wesen der Philosophie aber diesesWesen ist kein abgezognes Abstraktum sondern ist die als diegoumlttliche Intelligenz existierende Wahrheit wie sie durch dasDenken und im Denken fuumlr den Menschen Gegenstand seines 1 Im Ms kein Absatz2 So auch A3 ein [so auch A] eine Ms4 Im Ms folgt gestr besonderes5 wird tritt Korr im Ms

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Bewuszligts[eins] wird und so sich realisiert und bestimmt ndashNach dieser erklaumlrenden Abschweifung wieder zuruumlck auf denGegenstand unserer gestrig[en] Vorles[ung]

111 Ohne Trieb w[ird] Nichts produziert aber die Machtjenes Triebs ist die Philosophie oder die Idee derselben DasProduzierende in dem Philos[ophen] ist also die Idee Darumproduziert der Mensch nur in der Begeisterung Die Begeiste-rung [ist] der Zustand wo die Idee die persoumlnliche Aktivitaumltwird der Mensch s[eine] Selbstaumlndigkeit verliert bloszliges Organwird Die philosoph[ischen] Systeme sind daher notwendigenUrsprungs ihr Ursprung ihre Notwendigkeit ist die Idee DerTrieb des Menschen zu erkennen ist zugleich der Trieb derWahrheit erkannt zu werden Die Idee obwohl sie alle Be-stimmungen in sich faszligt produziert d h realisiert sich nurvermittelst eines bestimmten Menschen in einer bestimmtenZeit zu einer bestimmten Idee Die philosoph[ischen] Systemes[ind] darum auch ihrem Inhalte nach notwendig die Wahrheitmuszlig einmal so erfaszligt werden als sie dieses vielleicht ganzbeschraumlnkte System erfaszligt weil diese Bestimmung als einemoumlgliche in der Idee selbst liegt Hinzu kommt die aumluszligereNotwendigkeit daszlig ein System nur [in] dieser bestimmten Zeiterscheinen konnte welche aumluszligere Notw[endigkeit] aber inWahrheit identisch ist mit der innern denn diese Zeit war ebendie dieser Idee angemessene Zeit und diese bestimmte Idee2

selbst ihren Grund in der goumlttlichen Idee hat in ihr notwendigenthalten ist Die Geschichte der Philos[ophie] ist darum selbstPhilosophie denn obgleich dieselbe Quelle die dem erstenDenker floszlig auch uns noch offen steht oder vielmehr die spauml-testen Denker aus derselben Quelle mit den ersten schoumlpfenobwohl eine und dieselbe Idee eine und dieselbe Vernunft inuns allen taumltig ist so verwirklicht sich die Idee doch als beson-dre Idee oder ihre besondern Bestimmungen nur in besondernZeiten und wenn auch die Idee da sie ein Ganzes ist ein Un-teilbares mit allen ihren besondern Bestimmungen zu jederZeit und folglich auch uns gegenwaumlrtig sein sollte so sind dochdiese nur unbestimmt nur im Allgemeinen uns gegenwaumlrtig istdoch das Interesse sie in der spezifischen Gestalt zu erfassenin welcher sie in ihren besondern Zeiten erschienen kein histo-risches sondern ein gegenwaumlrtig-lebendiges Interesse ein 1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 6 ndash Im Ms kein Absatz2 Idee Zeit Korr im Ms

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Interesse von1 dem die Erkenntnis des Wesens der Idee undVernunft selbst abhaumlngt in dem die spezifische historischeGestalt eine ideale Notwendigkeit selbst ausdruumlckt

So ist es nun mit der Philosophie der neuern Zeit auch DiesePhilos[ophie] konnte nur in der neuern Zeit erscheinen siehaumlngt aufs innigste mit dem Geiste der neuern Zeit zusammenWir muumlssen daher zuerst im Allgemeinen2 d[as] Wesen derneuern Zeit und fruumlhern kuumlrzlich beruumlhren und dies ist derGegenstand unserer II Vorlesung 12 denn vor allem draumlngtsich uns die Frage auf3 wo beginnt [sie] wo ist der Anfang4

der Philosophie [der] neuern Zeit zu suchen und als Antwortwieder auf diese Frage [draumlngt sich] der Satz auf offenbar dawo der allgemeine Geist der neuern Zeit der Geist wodurchsie sich bestimmt von der sogen[annten] Zeit des Mittelaltersunterscheidet wo dieser Geist sich zuerst im Gebiete des Den-kens also der Philos[ophie] ausgesprochen findet so ausge-sprochen findet wie die Denker ihn aussprachen die wir alsRepraumlsentanten der Philos[ophie] der neuern Zeit betrachtenoder wenn auch nicht genau so doch wenigstens auf eine ihnenunverkennbar verwandte Weise Aber was ist nun der Geist derneuern Zeit wodurch unterscheiden wir sie von der fruumlhernZeit5

1 Im Ms folgt gestr dessen Bef2 Im Ms folgt kuumlrzlich uumlber3 auf Fehlt in A4 Im Ms folgt gestr der Geschichte5 Am Rande Der Gott des Mittel[alters] d h d[as] herrschende

Prinzip war ein juumldisch-christlich monotheistisches Prinzip Wiedie Juden sich als d[as] auserwaumlhlte Volk Gottes ansahen sich da-her von allen Voumllkern absonderten und die Vermischung mit ihnenscheuten wie sie Jehova als eine heilige Privatsache als ihr Eigen-tum betrachte[te]n und den Goumlttern der uumlbrigen Voumllker als den wah-ren Herrn gegenuumlberstell[ten] kurz wie der Geist der Juden einGeist d[er] Partikularitaumlt Absonderung und Ausschlieszligung war sowar der Geist d[er] mittelalterl[ichen] Christen ein partikulaumlrer aus-schlieszligender sich gegen alles andre was als nicht-christlich be-stimmt w[urde] negativ verhaltender in Christen und Heidenweltdie Welt zerteilender Geist Der Gott der Christen war nicht der all-gemeine Gott der Gott auch der Heiden der uumlberall seiende derallgegenwaumlrtige er war ihnen ein partikulaumlres Wesen das sich da-her auch nur zu einer besondern Zeit an einem besondern Ortdurch besondre Individuen auf eine besondere Weise sich geof-

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Um diesen Unterschied kuumlrzlich auszudruumlcken muumlssen wiruns eines Namens bedienen der in einem sehr uumlblen Geruchbei den meisten1 gelehrten Herrn steht bei dessen Laut schonviele angstbeklommen sich an die Brust fuumlhlen um zu erfah-ren ob noch ihr liebes eignes Herz schlaumlgt das punctum sali-ens [der springende Punkt] ihrer eigentuumlmlichen und interes-santen Persoumlnlichkeit und Verschiedenheit von Gott und sich[be]kreuzigen um das schreckliche ihre Privatexistenz mitVernichtung drohende Gespenst das es ihnen vor die Augenzaubert zu verscheuchen eines Namens das aber um so freu-diger und houmlher das Herz eines Lessings Bruno und Spinozaund ihnen gleichdenkende Maumlnner schlagen macht je mehr esihren Kopf erweitert und je weniger es sie an irgend etwasPartikulares und Pers[oumlnliches] erinnert eines Namens dessenObjekt uumlbrigens die wenigsten naumlher und tiefer kennen das dasich hier viele Miszligverstaumlndnisse auch hier verbinden aber weilsich bis bessers vorhanden hier [] werden muszlig d[as] aberhier mehr in symbol[ischer] als eigentl[icher] Bedeutung ge-nommen w[ird] des Namens Pantheismus Da sage ich wowir pantheistisch[en] Sinn antreffen da haben wir die neuereZeit

fenb[art] und [dem] einzig und allein auf eine besondere Weise zudienen sei

Schon die Kirchenvaumlter waren von diesem Geiste ergriffen Ter-tullian findet nicht genug 13 starke Farben um den jammervollenZustand eines Pindar Sophokles in der Houmllle zu schildern und keineWorte um s[eine] Freude daruumlber [] entsprechend ausdruumlcken zukoumlnnen Hieronymus verbietet die Lektuumlre der Heiden denn fragter was hat d[as] Licht mit der Finsternis gemein Wie stimmt Chri-stus mit Belial zusammen Was tut bei den Psaltern Horaz bei denEvangelien Virgilius bei den Aposteln Cicero Unter dieses Nicht-Christliche darum Nicht-Heilige Nicht-Goumlttliche w[urde] abernicht das bloszlig eigentlich Heidnische sondern uumlberh[aupt] die Naturder Welt und des Menschen daher selbst die tief[en] und reinmenschlich[en] Triebe Empfindungen so Humanitaumlt unbefangneLebensfreude Liebe Geschmack Schoumlnheitssinn gerechnet Sogalt Ehelosigkeit fuumlr ein Zeichen echter christlicher Froumlmmigkeitso daszlig es kein Wunder ist ja eine notw[endige] Folge daszlig Christ-lichkeit und Ehelosigkeit die laumlngst identische Begriffe warenendlich identische Institute wurden [So] verbannten die Christen zB Tertullian und Clemens die Kunst als solche das aumlsthetische Ge-fuumlhl als solches als gottlose heidnische Eitelkeit

1 Im Ms folgt gestr gef

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131 Als daher dieser negativ-religioumlse Geist herrschenderWeltgeist wurde war es eine notw[endige] Folge daszlig als er2

[sich] als Kirche eine weltliche Existenz und Macht gegebenhatte [sich] dem Staate feindlich gegenuumlberstellte und dasSupremat [die Oberherrschaft] gegen ihn sich anmaszligte undbehauptete da der Staat im religioumlsen Geiste und vor ihm nurzu einem untergeordneten aumluszligerlichen weltlichen Institutherabgesetzt w[urde] es war ferner der Verfall alles Ge-schmacks aller Bildung alles Kunst- und Natursinns allerfreien konkreten und menschlichen Anschauung der Weltalles echt wissenschaftlichen und selbstaumlndig forschendenalles produktiven Geistes eine notwendige Folge oder Erschei-nung dieses Geistes w[urde] daher unvermeidlich daszlig selbstda als Kunst und Wissenschaft wieder zum Vorschein kamensie dennoch eine houmlchst beschraumlnkte kuumlmmerliche niederge-druumlckte verkruumlppelte Existenz sich verschaffen konnten Denndie Philosophie die Repraumlsentantin und allgemeine Mutter derWissenschaften galt nur fuumlr eine weltliche d h an sich odervor Gott eitle Wissenschaft sie galt der Kirche nur wie dieKunst nur als Mittel insofern als sie sich zur Zierde oder [zu]nuumltzlichen Zwecken der Kirche verwenden lieszlig

Der Mensch kann nur das mit wahrem Erfolge betreiben waser mit einem wahren Ernste ja mit religioumlser Andacht Hinge-bung und Aufopferung betreibt wovon seine ganze Seele er-fuumlllt ist was ihn3 ungeteilt in Beschlag und Besitz nimmt Aberwas kann4 so fuumlr sich den Menschen gewinnen was kann ermit solchem Ernste treiben auszliger das was fuumlr ihn das HoumlchsteLetzte oder wenigstens etwas Wesenhaftes an und fuumlr sichWahres und Positives ist Dies bestaumltigt selbst die alltaumlglichsteErfahrung Wer die an sich 14 wertlosesten Beschaumlftigun-g[en] treibt muszlig sich wenn er anders nicht selbst ein ganzwertloser eitler Mensch ist wenigstens die Einbildung vorma-chen daszlig er etwas Wichtiges und Bedeutungsvolles treibtDaher jeder Mensch seinen Stand jeder Gelehrte s[eine] Wis-senschaft jeder Soldat seine Waffengattung fuumlr die erste houmlch-ste wichtigste haumllt und sie halten muszlig weil er nur dann mitFreude und folglich mit Erfolg seinen Beruf erfuumlllen kann 1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 72 Im Ms folgt in3 Im Ms folgt gestr ganz und4 Im Ms folgt gestr er

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Bestimmen wir das absolute Wesen Gott mit den aumlltern Meta-physikern als den Inbegriff aller Realitaumlten oder mit Spinozaals das Wesen welches alles was Wesen was Realitaumlt aus-druumlckt in sich begreift so laumlszligt sich dieser Gedanke so ausspre-chen der Mensch kann nur das mit wahrem Erfolg betreibenwas ihm sei dieses nun seinem denkenden Bewuszligtsein Gegen-stand oder nicht als eine goumlttliche Realitaumlt gilt1 was in demabsolut2 realen Wesen zwar nur eine Realitaumlt eine Bestimmungist zur Substanz s[eines] Lebens und Geistes wird aber es ebennur dadurch werden kann weil es in Gott wenigstens eineRealitaumlt ist daher es zu begreifen ist [wie] wir weiter nochsehen w[erden] daszlig in neurer Zeit von denen die ihren Geistnur auf die Erforschung der materiellen Dinge konzentrierendie Materie fuumlr sich selbst zum obersten und letzten Prinzipselbst ihrer Anschauungen wurde

Wie konnten also Kunst und Wissenschaft unter der Herr-schaft des negativ-religioumlsen Geistes gedeihen da sie in dieKlasse des nur Weltlichen d h des im Wesen Wesenlosenherabgesetzt da die edelsten und unuumlbertrefflichsten Reprauml-sentanten und Priester derselben ein Sophokles Pindar So-krates Aristoteles in die Houmllle verstoszligen waren Wie konnte ersich hingeben dem tiefern und ernsten Studium der Natur dajedes ernste Studium eine Seele fordert die Seele aber nurjedem negativen Gotte gehoumlrte nur der Leib der Erde und ihrenBeschaumlftigungen blieb Wie konnte er3 der Natur die Bedeu-tung geben die ein Gegenstand fuumlr uns haben muszlig wenn wir[ihn] zum Objekte wahrhafter Hingebung machen wollen dadie Natur4 155 die Leidenschaft in ihrem houmlchsten Affekteallein in der Sprache vorfindet um sich Luft zu machen undsich auszudruumlcken sind Goumlttlichkeit und Seligkeit und wasdie von ihrem Gegenstande ganz erfuumlllte Leidenschaft sprichtist wahr denn was anders soll denn wahr sein als was derMensch in den houmlchsten Momenten ausspricht in den Mo-menten6 wo er ganz von seinem Gegenstande ergriffen ist undseine Natur daher am treusten darstellt die die Momente seiner 1 Im Ms folgt gestr oder das2 in dem absolut er obwohl es fuumlr ihn die Substanz Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr uumlberh[aupt]4 Im Ms folgt in5 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 86 Im Ms folgt gestr geistiger Ekstase

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houmlchsten und wahren Freiheit sind1 Und solcher Enthusias-mus der seinen Gegenstand bis in den siebenten Himmel er-hebt war es mit dem die Versoumlhnung der Christenheit mit derMenschheit Kunst und Natur gefeiert wurde und die von denKirchenvaumltern verstoszlignen Heiden als naumlchste2 Anverwandteals Lehrer und Freunde als nachahmungswuumlrdige Vorbildervon der Christenwelt begruumlszligt und aufgenommen wurden3 Abereben dieser Enthusiasmus ohne welchen wir jetzt noch in deralten Barbarei saumlszligen dieser universale Mensch mit Menschliebevoll verbindende Nahes und Fernes4 Gegenwart und5

Vergangenheit6 alles7 Vortreffliche und Gute es finde sichauch wo es wolle mit inniger Hingebung als die eine und selbeWahrheit in den mannigfaltigsten unterschiednen Gestaltenumfassende Sinn ist ein pantheistischer Sinn denn der Panthe-ismus8 verbindet der Monotheismus ndash die ausschlieszliglicheHingebung an ein herrschsuumlchtiges Prinzip ndash trennt und iso-liert

Sehen wir nun wie das was wir pantheistischen Sinn nann-ten9 sich als Philosophie aussprechen muszligte Das monotheisti-sche Prinzip des Mittelalters hat sich in der Philosophie ausge-sprochen als die ausschlieszligliche Herrschaft der scholastisch-aristotelischen Philo[sophie] 1610 Aristoteles11 und nochdazu der verstuumlmmelte in den Geist und die Sprache derScholastik uumlbersetzte und eigenmaumlchtig interpretierteA[ristoteles] war die Basis ja die Autoritaumlt und noch dazu dieeinzige Autoritaumlt in der Philosophie gleichsam der Repraumlsen-tant der Vernunft wenn auch von Plato und andern aumlltern Phi-losophen einzelne Saumltze bekannt waren ja einige fruumlher wie

1 Im Ms folgt gestr ausspricht2 naumlchste teure Korr im Ms3 Im Ms folgt senkrecht gestr Aber eben der scholastisch-

aristotelischen Philo[sophie]4 Nahes Fernes Zeit mit Zeit Korr im Ms5 und mit Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr liebevoll verbindende7 Im Ms gestr alles8 Im Ms folgt gestr ist9 nannten hatten Ms10 Im Ms gesamter folgender Textkorpus senkrecht gestr Aristote-

leshellip Statuiertes war11 Im Ms folgt gestr allein

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Abaumllard eine tiefere Kenntnis von Plato namentlich hatten1dessen Studium aber schon nach Abaumllard wieder verschwandbis zum Wiedererwachen der Wissenschaften Der pantheisti-sche Sinn konnte sich daher in der Philos[ophie] nicht andersaumluszligern als darin zunaumlchst daszlig auch die uumlbrigen Philosophiendes Altertums Gegenstand des Studiums wurden und daher dieausschlieszligende bornierte den Geist bedruumlckende Herrschaftdes Aristot[eles] zerstoumlrt [wurde] und eben mit diesem Sinn fuumlrverschiedene Arten der Philosophie ein freier umfassenderSinn fuumlr Philosophie uumlberhaupt entstand Allein da dies mehrnur eine negative Bedeutung hat so muumlssen wir positiver zubegruumlnden suchen wo der Geist der neuern Philos[ophie] sichzeigt und wir daher mit ihm beginnen muumlssen 2

Es wurde eben als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmalzwischen der mittelalterlichen und der neuern Zeit angefuumlhrtdaszlig die Welt eine andere Bedeutung erhielt und zur Bezeich-nung dieser Bedeutung der metaphysische Ausdruck gebrauchtdaszlig die Welt in ihrer3 Einheit mit Gott erkannt wurde wasnatuumlrlich nicht so zu verstehen ist als haumltten sich die Menschenuumlberhaupt zu dieser metaphys[ischen] Erkenntnis erhoben die4

die Philosophen der neuern Zeit aussprachen sondern5 so zuverstehen daszlig uumlberhaupt das was von dem negativ-religioumls[en] Geiste als ein Eitles Nichtiges oder nur um des 1 Im Ms folgt gestr so kann man hier2 Am Rande senkrecht gestr Wo wir diesen freien universellen

anti-scholastischen nach eignen Prinzipien philosophierenden dasWirkliche als Natur durch Sinn und Vernunft das Wirkliche alsGeist durch selbstaumlndiges Denken in wirklichen aus dem Lebendes Gegenstandes selbst geschoumlpften nicht in abgezognen formelllogisch-metaphys[ischen] Bestimmungen zu erfassen bestrebtenGeist erblicken haben wir die Philos[ophie] der neuern Zeit oderwenigstens ihre Anfaumlnge

Der universale offene allem Eindruck sich hingebende undaufnehmende rege Sinn dieser Geist der so unendlich wie seinObjekt das Weltall sein wollte war offenbar auch die Ursache daszligwir bei ihnen so widersprechende Ansichten und Meinungen in ih-ren Schriften und selbst in ihrem Charakt[er] so nicht zusammenvereinbare [zusammen vereinbare zusammeneinbare A] Eigen-schaften antreffen So beschaumlftigen und okkupiert [Text bricht ab]

3 Im Ms folgt gestr Bedeutung4 Im Ms folgt gestr einige5 Im Ms folgt gestr uumlberhaupt

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irdischen Notbedarfs willen Statuiertes war 171 eitle Kreaturwar die ohne im Wesen Gottes begruumlndet [hellip] [ohne] mitNotwendigkeit aus ihm hervorgegangen zu sein lediglich einProdukt seines Willens war Wie konnte er sich versenken indie Tiefen des Denkens und Forschens da jede Versenkung inWahrheit ein Akt religioumlser Hingebung und Aufopferung istGott und Religion aber nur in einer partikulaumlr beschraumlnktenund beschraumlnkenden Weise2 Gott nur als ein exklusives au-szligerweltliches als das wahre Wesen die Verehrung und Anbe-tung der3 Dienst an diesem Wesen4 fuumlr den wahren Gottes-dienst und dieser Gottesdienst als die Bedingung der ewigenSeligkeit als das einzig Nottuende und das einzige Heil derSeele erfaszligt w[urde] und daher solcher Dienst der Wissen-schaft und Kunst wie er die unerlaumlszligliche Bedingung ihresGedeihens zur Vollkommenheit ist von dem juumldisch-christlichen Geiste fuumlr nichts weniger als fuumlr Goumltzendienstangesehen werden konnte Wie konnte uumlberhaupt der be-schraumlnkte negative ein- oder vielmehr nur jenseitige ChristBuumlrger dieser Welt werden wie die Angelegenheiten diesesLebens sich zu Gemuumlte ziehen wie die Blumen und Fruumlchte imGarten der Natur warten und genieszligen da das Schwert desWeltrichters stets uumlber s[einem] Haupte schwebte da ihm dasLeben nicht als Selbstzweck nicht an und fuumlr sich sondern umseiner Folgen willen nur als vorbereitender Zustand Bedeutunghatte da das ganze Leben eines frommen Christen wie Augu-stin sagt ndash eben der Augustin der der eigentliche Vater diesesChristentums war welches im Mittelalter herrschte das wasAristoteles in der Philos[ophie] in der Theologie war ndash nur einfrommer Seufzer nach Gott sein sollte5 und zwar nach Gott inder Bedeutung dieses gegen die Wirklichkeit negativen We-sens

Eine wesentliche Veraumlnderung eine Revolution des mensch-l[ichen] Geistes konnte daher erst entstehen und entstand wirk-

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 92 Im Ms folgt gestr als das einzig Wahre und Wesenhafte aufgefaszligt

waren3 der dieser Korr im Ms4 diesem Wesen dieses Wesens Ms5 Vgl Augustinus Expositio diui Aurelij Augustini in Epistolam beati

Iohannis In Sermonum Opera plura et diversa Basileae 1495 CIV Vgl GW 2 S 12 15 GW 9 S 210 und GW 18 S 433

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lich erst da wo1 mit dem Begriffe des absoluten Wesens nichtmehr der Begriff eines partikulaumlren herrischen ausschlieszligen-den auszligerweltlichen oder weltfremden Wesens verbundenGott in einem freieren weiteren universalem allgegenwaumlrti-gen Sinne erfaszligt wo2 das Christentum nicht mehr als einechinesische Mauer zwischen der neuen und alten und uumlbrigenWelt nicht mehr als ein Widerspruch gegen die urspruumlnglichewahre Natur der Menschheit 18 sondern das tief und wahr-haft Menschliche in Uumlbereinstimmung mit dem Christentumund das Christliche umgekehrt auch als das wahrhaft Mensch-liche angeschaut wurde wo nicht mehr Jerusalem mit Aus-schluszlig der gesamten uumlbrigen Welt fuumlr die einzige Stadt Gottesfuumlr den einzig heiligen Wallfahrtsort der Christenheit galt woman auch in Athen3 in Rom auch in den Tempeln der Heidenden Schauer des goumlttlichen Wesens nicht mehr Teufel undDaumlmonenspuk4 vernahm in den Tugenden der Heiden ndash undihre edelsten Tugenden waren ihre klassischen Werke in Kunstund Wissenschaft ndash nicht mehr wie der Kirchenvater Augustinsplendida vitia [glaumlnzende Laster] sondern Strahlen des goumlttli-chen des alle Menschen erleuchtenden Lichtes erkannte wodie Welt nicht mehr fuumlr eine Traumlne Gottes angesehen wurdewie sie ein mittelalterlicher und nach ihm ein neurer fran-zoumls[ischer] Mystiker nannte sondern oder ndash wenn man [in]dem Bilde stehen [bleiben] will ndash5 sie wohl auch mit6 einerTraumlne Gottes versinnlicht wurde aber nicht als Traumlne des Mit-leids oder der Barmherzigkeit ndash denn diese meint man nureinem von sich getrennten einem fremden andern ungluumlckli-chen Wesen sondern als eine Freudentraumlne

1 wo als Korr im Ms2 wo als Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr auch4 Tempeln der Heiden Daumlmonenspuk Tempeln der Heiden nicht

mehr Teufel und Daumlmonenspuk sondern den Schauer des goumlttlichenWesens Korr im Ms Fehlt in A

5 Im Ms folgt gestr wo6 mit fuumlr Korr im Ms

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III Vorlesung [Pantheistischer Sinn Geist und Materie] 1

Wie es nur ein pantheistischer Sinn ndash wohlgemerkt nur Sinnnicht foumlrmlicher systematischer bewuszligter Pantheismus ndash warder jene schneidende Differenz zwischen christlich und un-christlich2 jene Differenz in welcher der Geist des Altertumsals ein profaner bestimmt und verneint3 war und daher auchzugleich mit der Verehrung und Wertschaumltzung der Werkedesselben4 die Liebe der Geschmack der Sinn fuumlr ihr Studiumsich verlieren muszligte ausloumlschte und durch die Anschauungund Aneignung des selbstbewuszligten kraumlftigen selbstaumlndigenGeistes der klassischen Welt in der Christenheit das Bewuszligt-sein ihrer eignen Kraft und damit selbstschaffenden Geist imSinne des Altertums erweckte so war es eben nur dieserpantheistische Sinn in dem wir den wahren Grund aller groszligenErfindungen und Entdeckungen der neuern Zeit zu5 erkennenhaben6 Der negativ-religioumlse Geist der einen auszliger- odervielmehr gegenweltlichen Gott zu seiner Basis hatte und daherauch ein auszligerweltliches ein betendes und fastendes sichkasteiendes von der Wirklichkeit abgezognes kloster-geistli-ches Leben als das gottselige Leben d h als das Muster deswahren Lebens ansah betrachtete die Welt nur als eine Stationauf der Fahrt des Lebens Wie kann man aber da Staumldte bauenden Boden veredeln Baumlume pflanzen wo man sich nicht zuHause findet und festen Fuszlig fassen will Eine ganz andre An-schauung der Welt eine andre Bedeutung des Lebens als eswenn auch nicht in den Augen doch im Sinne des negativenChristen hatte war daher vonnoumlten um alle jene groszligen Ent-deckungen und Erfindungen der neuern Zeit hervorzubringen

1 So auch A ndash Am Rande von fremder Hand Vorles[ungen] uumlber

Geschichte der neuern Philos[ophie] wahrschein[lich] aus d[em]Jahr [18]3536 Fehlt in A

2 Im Ms folgt gestr ausloumlschte3 verneint umgestoszligen Korr im Ms4 der Werke desselben derselben Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr verdanken6 Der negativ-religioumlse Geist uumlberhaupt erwarb In BwN 1 Bd S

319-321 SW BJ 4 Bd S 390-392 ndash entsprechender Hinweis imMs am Rande von fremder Hand bdquoWerke 4 390ldquo ndash unter bdquoDerpantheistische Geist der neueren Zeitldquo mitgeteilter Abschnitt ausden Erlanger Vorlesungen Hinweis fehlt in A

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Wie haumltte man um solchen geringen Preis als die Welt in sei-ner Anschauung hatte solche rastlose Taumltigkeit entwickelnsolche schweren Opfer bringen solche groszligen Unternehmun-gen unternehmen koumlnnen1 Und diese neue Bedeutung desLebens war die Bedeutung desselben als Selbstzweck Die Weltwurde als goumlttlich und unendlich sie wurde nicht mehr als einetranseunte sondern2 immanente 20 Wirkung Gottes ange-schaut ndash eine Anschauung die es notwendig mit sich brachtedaszlig nun auch die Materie ndash als die allgemeine sinnliche Basisder Welt ndash eine wesentlich von ihrer fruumlhern Stellung verschie-dene Bedeutung erhielt Der Geist des fruumlhern Christentumswar ndash betrachtet in und nach seinem Wesen ndash ein abstrakt un-und uumlbersinnlicher Geist Der metaphysische Ausdruck diesesGeistes war unter andrem hauptsaumlchlich die Lehre von derSchoumlpfung der Welt aus Nichts Gott schuf die Welt ausNichts3 nicht aus einer vorhandnen Materie und dieses Nichtswar das Nichts der Materie Der praktische Nihilismus desmateriellen Lebens der auf mannigfaltige Weise in der Periodedes negativen Christentums zum Vorschein kommt war nurein Ausfluszlig oder Verwirklichung jener metaphysischen An-sicht gleichwie die Metaphysik der Scholastiker mit ihrenabgezognen Universalien aufs Innerste mit jenem abstrakt-unsinnlichen Geiste des Christentums zusammenhing

Mit der veraumlnderten Anschauung von der Welt erhob sichdaher jetzt auch die Materie wieder aus dem Staube in dem sieunter den Folianten der Mystiker und Scholastiker des Mittel-alters begraben lag aus dem elenden Knochenskelett das sieihnen war und ihnen nur das Memento Mori [Gedanke desTodes] vergegenwaumlrtigte entstand zur Verwunderung undEntzuumlckung4 der Menschheit eine Goumlttergestalt in Fleisch undBlut d h in bildlosen Ausdruumlcken die Materie wurde in ihrerSubstantialitaumlt und Realitaumlt sie wurde nicht als von Gott ne-

1 Wie haumltte koumlnnen [so auch A] Wie haumltte man solche grossen

Unternehmungen beginnen solche rastlose Thaumltigkeit entwickelnsolche schwere Opfer bringen koumlnnen um solchrsquo geringen Preis als[als wie SW BJ] ihn die Welt in jener Anschauung hatte BwNSW BJ

2 In BwN SW BJ folgt als eine3 Nichts nichts BwN4 Verwundrung Entzuumlckung [so auch A] Verwunderung und zum

Entzuumlcken BwN SW BJ

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giert sondern von ihm bejaht nicht als von ihm durch s[einen]grundlosen Willen geschaffen sondern als in ihm begruumlndetangeschaut Die groszligen1 Fortschritte und Erfindungen im Ge-biete der Mathematik Physik und Astronomie die uns sogleicham Eingang der neuern Zeit in Erstaunen setzen lassen sichnur dadurch genuumlgend erklaumlren daszlig man erkennt daszlig die Ma-terie und hiermit auch der Raum der2 die allgemeine Formaller Materialitaumlt und mit der Zeit die Basis oder das Mediumder Mathematik ist als ein reales wesenhaftes Objekt sich imGeiste der Menschheit fixierte und so [der] von der Materieabgezogne und abstrahierende sie nur als Nichtiges setzende3

Menschengeist der daher auch in dieser Ein- und Abgezogen-heit nicht faumlhig war sogen[annte] reale Wissensch[aft] zuerzeugen sich mit dem Weltgeiste der schaffenden Naturver-nunft die in Maszlig Gewicht und Zahl alles gesetzt hat wiederversoumlhnte und so eine die Realitaumlt selbst bestimmende undumwandelnde 21 Macht wurde Δὸς μοι ποὺ στῶ καὶ κινήσωτὴν γὴν 4 [bdquoGib mir wo ich stehen kann und ich werde die Erdebewegenldquo] sagte Archimedes Die Maumlnner die sich im Mittel-alter mit Erfolg auf Chemie und Mechanik legten wie derenglische Moumlnch Roger Baco5 Gerbert nachheriger SylvesterII Papst6 galten wegen der ihre Zeit befremdenden Wirkungenfuumlr Zauberer die mit boumlsen Geistern im Bunde standen Dieserboumlse Geist diese dem Mittelalter unbekannte dunkle Machtwar aber nichts andres als die materielle Macht die Macht derGeist der Natur mit dem sich jetzt wieder der Mensch verbuumln-dete und in dem er das δὸς μοι ποὺ στῶ des Archimedes unddamit das Mittel fand die Erde die dem7 Menschengeiste infruumlhrer Zeit eine unbewegliche unuumlberwindliche Masse war in 1 groszligen erstaunlichen Korr im Ms2 der als Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr Geist4 Vgl Plutarch Marcellus In Plutarchus Chaeronensis opera quae

exstant omnia cum Latina interpretation Hernanii Cruserii BdI Francofurti 1620 S 415 Vgl C M Brandelius Dissert hist-math sistems Archimedis vitam eiusque in mathesin merita Gry-phiswaldiae 1789 ndash In BwN SW BJ folgt bdquoGib mir wo ich steheund ich werde die Erde bewegenldquo

5 Im Ms folgt gestr der Franzose6 nachheriger Papst [so auch A] nachheriger Papst Sylvester II

BwN SW BJ7 Im Ms folgt gestr fruumlh

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Bewegung und gleichsam in Fluszlig zu bringen Die Entdeckungdaszlig die Erde um die Sonne kreist war vor allem der groszligekuumlhne Schritt durch den sich der menschliche Geist in Freiheitsetzte die Fesseln seiner bisherigen Denkart und Anschau-ungsweise der Welt zerbrach und mit Adlersflug sich zur1 An-schauung der weltbeherrschenden himmlischen Maumlchte undGesetze erhob und dadurch sich die Herrschaft der Erde undder Materie2 uumlberhaupt erwarb Denn eben nur der Geist befreitsich von dem Druck und den Fesseln der Materie der in sieeingeht der sich mit ihr befreundet der ihr schoumln tut undschmeichelt der sie als ein verwandtes Wesen anerkennt nichtder sie sich wie einen boumlsen Daumlmon aus dem Sinne schlaumlgt dersie scheut und verflucht Natura non nisi parendo vincitursagte Baco[n]3 nur der sich der Natur unterwirft gehorsam istwird ihr Sieger Die Entdeckung der Erde geht parallel derVervollkommnung der Schiffahrtskunde den groszligen Laumlnde-rentdeckungen die man zur See machte Die Erde wie derMenschengeist war gebunden gefesselt beschraumlnkte Kuumlsten-fahrt seine Forschungen im Weltall Indem aber die Erde inBewegung versetzt wurde eroumlffnete sich dem Menschen derBlick in den unendlichen Ozean des Weltalls und machte sich[der Mensch] im Bunde mit den himmlischen Maumlchten zumHerrn und Besitzer der Erde auf der der negative Christ nurWirtsmann der sich eben deswegen nicht sehr um ihren Standund Befund nur oberflaumlchlich um die Stuben bekuumlmmert dieer gerade bewohnte nicht Hausherr war Und gerade dadurchuumlberwand der Mensch die Materie 22 in ihrer Erscheinungdie besondere Materie4 daszlig er die Materie in ihrem Wesenerkannte und anerkannte Die Erscheinungen die Materie imBesondern konnte er naumlmlich nur dadurch uumlberwinden daszlig erdie Gesetze der Materie erkannte denn wie Baco von Verulamsagt ndash er der eine der bedeutendsten Autoritaumlten in dieser An-gelegenheit ist ndash der Mensch kann nur soviel als er weiszlig

1 zerbrach zur [so auch A] zerbrach sich mit Adlerflug zur BwN

SW BJ2 der Erde der Materie [so auch A] uumlber Erde und Materie BwN

SW BJ3 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

Francofurti 1665 lib I Aph III S 279 Vgl auch GW 3 S 266und GW 10 S 134

4 besondere Materie besonderen Erscheinungen Korr im Ms

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tantum potest quantum scit1 potentia [humana] et scientia inidem2 coincidunt3 [Das [menschliche] Koumlnnen und Wissenergaumlnzen einander] Aber wie haumltte er die materiellen Dingezum anhaltenden und wesenhaften Objekte seiner Forschungseines Nachdenkens machen koumlnnen haumltte er nicht die Wesen-haftigkeit und Realitaumlt der Materie anerkannt Unter den be-sondern Ursachen warum das Naturstudium in fruumlherer Zeit sodanieder lag [fuumlhrte er] unter anderm ndash auszliger4 dem Umstanddaszlig fruumlher der Aberglaube und der blinde unvernuumlnftige Reli-gionseifer von jeher der laumlstigste und heftigste Gegner derNaturphilosophie gewesen sei schon bei den Griechen die derIrreligioumlsitaumlt und des Atheismus beschuldigt wurden5 die Blitzund Donner aus natuumlrlichen Ursachen ableiteten und bei denKirchenvaumltern die verketzerte[n] [Auffassungen] welche be-wiesen daszlig die Erde rund sei und es folglich notwendig Anti-poden gaumlbe und neben der Erscheinung6 daszlig seit der christli-chen Zeit allein die Theologie die vortrefflichsten Koumlpfe inBeschlag und Anspruch genommen habe ndash mit Recht auchdieses Vorurteil7 an daszlig der menschliche Geist sich von seinerWuumlrde etwas zu vergeben glaubte wenn er sich mit Experi-menten und die8 besondern sinnlichen in die Materie ver-senkten9 Dinge10 zum Objekte anhaltender Beschaumlftigung ma-che11 Ein ganz richtiger Grund Nur als der Mensch mit derMaterie wieder eine wuumlrdigere Vorstellung verband [sie] nichtmehr als eine elende schmutzige veraumlchtliche Vettel ansahnicht mehr der Geist in diesem feindlichen Gegensatz zumKoumlrper sich erfaszligte daszlig er sich12 als den Christ den Koumlrper als 1 F Bacon Cogitata et Visa In Opera omnia hellip a a O S 592

Vgl auch GW 2 S 4722 in idem in unum Ms3 F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

a a O lib I Aph III S 2794 auszliger hielten Korr im Ms5 wurden habe Ms6 der Erscheinung dem Umstande Korr im Ms7 dieses Vorurteil diesen Grund Korr im Ms8 die den Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr Geistern10 Dinge [so auch A] Dingen Ms11 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip a

a O lib I Aph LXXXIX S 306 und Aph LXXIX S 29912 Im Ms folgt gestr nur

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den heillosen verruchten Juden ansah der nur ihm zur Kreuzi-gung diene nur da konnte der Geist es nicht mehr unters[einer] Wuumlrde halten sich mit der Materie abzugeben undeinzulassen konnte die Beschaumlftigung mit ihr aufhoumlren einenicht koschere verunreinigende zu sein Die materiellen Be-schaumlftigungen Entdeckungen und Erfindungen konnten nur aufdem Standpunkt des Geistes entstehen wo die Materie diedem Geiste der Mystiker Scholastiker und negativ[en]Chr[isten] 23 eine aumluszligerliche Macht war zu der1 er kein and-res Verhaumlltnis hatte als von ihr zu abstrahieren wofuumlr aber dieMaterie um so mehr ihm manchen fatalen Possen spielte undum so mehr mit Anfechtungen aller Art ihm2 zusetzte demGeiste sozusagen eine innerliche Macht wurde von ihm selbstmit in die Anschauung des absolut realen Wesens mit aufge-nommen wurde3 Es war daher eine notwendige Folge daszlig wiewir bei Cartesius4 sehen werden die mathematische und mate-rielle Anschauung uumlberhaupt in den ersten Jahrhunderten derneuern [Zeit] bis auf Leibniz ja zum Teil selbst in diesem nochund noch in Kant die allgemeine die Geister beherrschendeAnschauung wurde daszlig ferner Gott nicht mehr als ein fernesjenseitiges sondern als ein unmittelbar praumlsentes Wesen undder Raum selbst als die unendliche Gegenwart Gottes erfaszligtwurde So nennt der beruumlhmte Mathematiker Newton dessenErfindungen die allgemeinen wurden der5 fuumlr den mathemati-schen und physikalischen Genius angesehen6 den Raum dasSensorium Dei7 indem er sagt in s[einer] Optik Quaest 268daszlig das allgegenwaumlrtige Wesen in spatio infinito tanquamsensorio suo res ipsas intime cernat totasque intra se prae-

1 Im Ms folgt gestr nur abge2 Im Ms folgt gestr aussetz3 Es war daher Aufgabe geben wollte In BwN 1 Bd S 321-323

SW BJ 4 Bd S 392-394 ndash entsprechender Hinweis im Ms amRande von fremder Hand bdquoWerke 4 392ldquo ndash Fortsetzung des untermitgeteilten Abschnittes aus den Erlanger Vorlesungen Hinweisfehlt in A

4 Cartesius [so auch A] Descartes BwN SW BJ5 der [so auch A] den man BwN SW BJ6 angesehen [so auch A] ansah BwN SW BJ7 In BwN SW BJ folgt das Wahrnehmungs-Organ Gottes ndash Vgl GW

3 S 74 und GW 6 S 1348 26 20 A

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sens praesenter complectatur1 eine Behauptung die Leibnizdann2 anfocht und daruumlber mit dem Englaumlnder Clarke einemFreunde und Anhaumlnger Newtons der den unendlich[en] Raumeine proprieteacute de Dieu [Eigentuumlmlichkeit Besitztum Gottes]nannte3 in Streit kam4 D[as] Wort sensorium ist soviel alsd[as] griech[ische] αἰσητήριον das organon sensationis [Sin-nes- Empfindungsorgan] So beherrschte auch den englischenmehr mystischen als philosophischen Metaphysiker den Hen-ricus Morus5 der Begriff der Ausdehnung als eine absoluteMacht Er unterscheidet sie zwar scharf von der Materie als einunterschiednes Wesen aber die Ausdehnung ist doch der ab-strakteste uumlbersinnlichste Begriff der Materie sie ist die letztedem Geiste naumlchste Form oder Attribut der Materie daher sieauch Cartesius6 wie wir spaumlter sehen werden die letzte Eigen-schaft ist von der wir nicht mehr abstrahieren koumlnnen ohne dieMaterie aus dem Gesichte zu verlieren7 zur einzigen wesentli-chen Bestimmung der Materie gemacht w[urde]8 Von dieserAusdehnung sagt nun Morus9 [Quod] extensum illud immobi-le quod demonstratum est a materia mobili distinctum non estimaginarium quiddam sed Reale saltem si non Divinum10 Ja 1 I Newton Optice sive de reflexionibus hellip Lausannae ndash Genevae

1740 liber III Quaest 28 S 298 ndash indem er complecatur in-dem er in seiner Optik Quaest 26 sagt daszlig das allgegenwaumlrtigeWesen im unendlichen Raume gleichsam seinem Wahrnehmungs-Organe die Dinge selbst innerlich anschaut und als gegenwaumlrtigessie in sich erfaszligt SW BJ

2 Im Ms folgt gestr daruumlber3 S Clarke Abhandlung von dem Daseyn und den Eigenschaften

Gottes Braunschweig ndash Hildesheim 1756 S 53-544 nannte kam [so auch A] nennt geriet BwN SW BJ ndash Vgl

Occasio Controversiae inter Leibnitium amp Clarkium hellip In G GLeibnitii Opera Omnia hellip Genevae 1768

5 Henricus Morus [so auch A BwN] Henry More SW BJ6 Cartesius [so auch A] fuumlr Descartes SW BJ7 In BwN SW BJ folgt und deshalb von ihm8 w[urde] [so auch A] wird BwN SW BJ9 Morus [so auch A BwN] More SW BJ10 H Morus Enchiridion metaphysicum In Henrici Mori

Cantabrigiensis Opera Omnia hellip T I Londini 1679 C VIII S165 ndash Extensum Divinum fehlt in SW BJ ndash In BwN SW BJfolgt bdquoJenes unbewegliche Ausgedehnte von dem gezeigt wurdedaszlig es von der beweglichen Materie verschieden sei ist nichts Ima-ginaumlres sondern mindestens Real wo nicht Goumlttlichldquo

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diese Ausdehnung hat so seinen Geist fasziniert daszlig er selbstsagt jeder Geist ist ausgedehnt unter welcher Ausdehnung ernatuumlrlich nicht eine sinnlich teilbare1 bestimmte Ausdehnungd i Groumlszlige verstand Aber diese Ausdehnung ist doch nichtsandres als die Materie wie sie zwar nicht in Fleisch und Blutaber als ein Gespenst im Kopfe des englischen Metaphysikersherumspukt So ist es der Hauptpunkt in der Baconischen Re-stauration der Wissens[chaften] die er lediglich von der wah-ren auf Erfahrung gegruumlndeten Naturphilosophie abhaumlngigmacht 24 daszlig man nicht abstrakte uumlbersinnliche sondernselbst materielle Prinzipien zum Prinzip der Natur nehmenmuumlsse2 daher er auch den Prinzipien der Atomisten die unteil-bare Koumlrperchen von bestimmter Groumlszlige und Gestalt bei ihrerAnschauung zugrunde legten3 den Vorzug vor den aristoteli-schen gab4 [und] daher er die5 allgemeinen6 Gesetze und For-men nicht das Besondere als das wesentliche Objekt der Na-turphilosophie setzte aber solche Formen die wesentlich ma-teriell-bestimmt sind7 So war es auch im innersten Zusammen-hang mit diesem Geiste wenn Bacon und andere der Wissen-schaft wesentlich auch8 materielle Zwecke als eine notwendigeAufgabe geben9 wollten So sagt Baco[n] ausdruumlcklich bdquoDerwahre und vernuumlnftige Zweck der Wissenschaft ist dem

1 sinnlich teilbare [so auch A] sinnliche teilbare BwN SW BJ2 muumlsse [so auch A] muszlig BwN SW BJ3 legten [so auch A] legen BwN SW BJ4 In BwN SW BJ folgt was dieser in die Materie versenkte duumlrfe

Vgl folgende Fuszlign 11 Am Rande5 Im Ms folgt gestr diejen[igen]6 er allgemeinen er allgemeine A ndash [und] daher allgemeinen

Bacon setzte daher auch die allgemeinen BwN SW BJ7 sind [so auch A BwN SW BJ] ist Ms ndash Am Rande Dieser in die

Materie versenkte die Dinge in ihrer konkreten materiellen Einheitzu erfassen bestrebte Geist [Im Ms folgt gestr zeigt sich] [sich] da-durch besonders zeigt daszlig er die Materie des Aristoteles als eineMaterie ohne Form und Bewegung [Im Ms folgt gestr erklaumlrte] fuumlreine Fiktion erklaumlrte und dagegen geltend macht[e] [erklaumlrte macht[e] erklaumlrt und dazu geltend macht BwN SW BJ] daszlig mandie urspruumlngl[iche] Materie mit der Form und Bewegung in ur-spruumlngl[icher] Einheit denken muszlig [muszlig muumlsse BwN SW BJ] siewohl unterscheiden aber nicht trennen duumlrfe

8 auch fehlt in BwN SW BJ9 geben [so auch A] stellen BwN SW BJ

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menschlichen Leben Nutzen zu bringen es mit neuen Erfin-dungen und Schaumltzen zu bereichernldquo1 bdquoIhr Zweck ist dahernicht etwa Befriedigung der Neugierde oder Amuumlsement oderRuhm und Fertigkeit oder die Fertigkeit gut parlieren unddisputieren zu koumlnnen oder Geld und Brot uns zu verschaffenDie Wiss[enschaft] soll nicht sein ein Ruhebett fuumlr den vonNeugierde beunruhigten Geist oder ein Spaziergang zum Ver-gnuumlgen oder ein hoher Turm von dem man veraumlchtlich herab-blickt oder eine Burg und Schanzwehr fuumlr Wortstreit und Ha-der oder eine Werkstatt fuumlr die Gewinnsucht und den Wuchersondern ein reicher Samenbehaumllter eine Schatzkammer zurEhre des Werkmeisters aller Dinge und zum Nutzen derMenschheit Der2 Zweck der Wiss[enschaft] ist daher die Ver-einigung der beschaulich spekul[ativen] Taumltigkeit mit derpraktischen eine Verbindung die der Conjunction der beidenhoumlchsten Planeten gleicht des Saturnus des Fuumlrsten oder Prin-zips der ruhigen Beschauung und des Jupiters des Fuumlrsten destaumltigen Lebensldquo3 bdquoDie Naturwissenschaft[en] haben daherkeinen andern Zweck als die Macht und Herrschaft des Men-schen uumlber die Natur zu erweitern und fester [zu] gruumlndenDenn die Herrschaft des Mensch[en] uumlber die Natur besteht nurin der Wissenschaftldquo4

Der anstoumlszligige paradoxe Satz des Spinoza die Materie istebensogut eine Eigenschaft ein Attribut der goumlttlichen Sub-stanz wie das Denken5 ist daher nicht andres als das in denGedanken und einen abstrakten metaphysischen Ausdruckgefaszligte Wesen und Treiben des Geistes der neuern Zeit DiePhilosophie hat keine6 andre Bedeutung als in der Form desGedankens zum Bewuszligtsein zu bringen was der innere ver-borgne Geist der Menschheit einer besondern Zeitperiode istdie Philosophen tun 25 nichts anders als daszlig sie sich erkuumlh-

1 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera Omnia hellip

a a O lib I Aph LXXI S 3002 Im Ms folgt der3 Vgl F Bacon De dignitate et augmentis scientiarum In Opera

omnia hellip a a O lib IX S 224 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

a a O lib I Aph CXXIX S 324-3255 Vgl B Spinoza Ethica pars secunda In Opera quae supersunt

omnia Vol II Ienae 1803 Propos I S 786 hat keine ist nichts Korr im Ms

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nen was die andern auf der Seele haben aber als ein Geheim-nis in sich verschweigen weil die Menschen im Ganzen dasDunkel oder Helldunkel lieben am wenigsten uumlber sich klar1

zu werden ausdruumlcklich in geraden deutschen Worten auszu-sprechen weswegen sie von jeher so verfolgt und verketzertwurden2 So entgegengesetzt auch der praktische die Spekula-tion verschmaumlhende Realismus in den Systemen3 des so-gen[annten] Sensualismus und Materialismus der Englaumlnderund Franzosen dem Geiste des ganzen Spinoza ist4 so habensie doch ihren letzten Grund in jener Anschauung von der Ma-terie die Spinoza als Metaphysiker in dem beruumlchtigten Satzdie Materie ist ein Attribut Gottes5 aussprach6 Es war notwen-dig daszlig in dem Charakter der Englaumlnder und Franzosen ohnedaszlig sie sich selbst dieses Grundes natuumlrlich7 bewuszligt warenjene metaphysische Bedeutung der Materie sinnliche Bedeu-tung und Gestalt annahm daszlig die Materie fuumlr sich selbst nichtals Attribut Gottes sondern als selbstaumlndiges Subjekt das ober-ste und wesenhafteste Objekt und Prinzip ihres Denkens undselbst8 Lebens wurde es war eine notwendige und insofernnicht zu beklagende Folge daszlig die Materie und zwar nichtbloszlig in abstracto wie z B bei dem Englaumlnder Hobbes9 son-dern in concreto die sinnliche Materie zum Kriterium derWirklichkeit selbst erhoben wurde das nur was materiell wassinnlich und sinnfaumlllig fuumlr wahr und wirklich was nicht mate-

1 Im Ms folgt gestr auszusp[rechen]2 Der folgende Abschnitt So entgegengesetzt auch als Art stuumlnde

In BwN 1 Bd S 324-326 unter bdquoSpinoza der Vater des Sensua-lismusldquo SW BJ 4 Bd S 395-396 ndash entsprechender Hinweis imMs am Rande von fremder Hand bdquoWerke 4 395ldquo ndash unter bdquoSpinozaund der Sensualismusldquo mitgeteilter Abschnitt aus den ErlangerVorlesungen Hinweis fehlt in A

3 die Systeme in den Systemen A BwN SW BJ4 sind ist A BwN SW BJ5 Vgl B Spinoza Ethica pars secunda In Opera quae supersunt

omnia hellip a a O Propos II S 796 Satz aussprach [so auch A] Satze aussprach Gottes BwN

SW BJ7 sie natuumlrlich [so auch A] sie selbst sich natuumlrlich dieses Grundes

BwN SW BJ8 selbst fehlt in BwN SW BJ9 bei Hobbes [so auch A] durch Hobbes bei den Englaumlndern BwN

SW BJ

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riell fuumlr unwirklich galt Der oberflaumlchliche platte1 abspre-chende2 alles Tiefere3 alle Metaphysik und Spekulation verla-chende4 Verstand eines Voltaire der uumlbrigens seine groszligenVerdienste hat samt seinem Beifall und groszligem Anhang5 dener in ganz Europa fand war hiervon ein unausbleibliches Phauml-nomen denn wenn das Sinnliche als solches folglich dasHandgreifliche das Augenscheinliche zum Kriterium der Rea-litaumlt erhoben wird was hat das tiefere Denken noch fuumlr eineBedeutung die Plattheit ist ja zum Prinzip gemacht6 Voltaire7

machte sich lustig uumlber den Pantheismus des Spinoza als einesmetaphysischen Traumlumers er sah nicht ein ndash und keiner siehtes ein wenn er nicht die Erscheinungen in ihren groszligen Zu-sammenhaumlngen8 betrachtet ndash daszlig er eigentlich nur ein Kind desSpinoza oder wenigstens des9 Geistes der sich in einemSp[inoza] ein10 reelleres Dasein gab als in ihm und zwar einrecht loses ungezogenes ausgelassenes Kind11 das sich des-wegen selbststaumlndig duumlnkt weil es zu kurzsichtig ist12 seinenVater zu erkennen ja wir koumlnnen ihm nicht einmal die Ehre26 lassen ihn13 ein Kind des Spinoza zu nennen14 wenn wirnaumlher auf seine und seinesgleichen Abstammung eingehen DieMutter des Spinoza war die Materie15 den sie in16 der Vereini-gung mit dem denkenden Geiste aus ihrem geheimnisvollen 1 platte glatte A2 Im Ms folgt absprechende3 platte Tiefere fehlt in BwN SW BJ4 verlachende [so auch BwN SW BJ] entbehrende A5 seinem Anhang [so auch A] dem groszligen Beifall und Anhang

BwN SW BJ6 die Plattheit gemacht fehlt in BwN SW BJ7 Im Ms folgt gestr spottete und8 ihren Zusammenhaumlngen [so auch A] ihrem groszligen Zusammen-

hang BwN SW BJ9 des Spinoza des [so auch A BwN] des naumlmlichen SW BJ10 ein [so auch A] einen Ms11 In BwN SW BJ folgt war12 In BwN SW BJ folgt um13 Im Ms folgt gestr ohne Einschraumlnkung14 wir koumlnnen zu nennen [so auch A] es fragt sich ob wir ihm die

Ehre der Kindschaft lassen koumlnnen BwN SW BJ15 Die Mutter die Materie [so auch A] Die Materie war die Mutter

des Spinoza BwN SW BJ16 in [so auch A] nach BwN SW BJ ndash Im Ms folgt gestr Ge-

mei[nsamkeit]

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Schoszlige gebar denn die Materie ist mit dem Denken nur Attri-but der Substanz Aber Voltaire hatte nur die Mutter mit demSp[inoza] gemein er war eine1 Frucht der Lust der Vater warnicht der wahre der rechtmaumlszligige Vater der es sein sollte der2

gemeine Menschenverstand Die Materie die bei Sp[inoza] dieFrucht des tiefsten Denkens war die er daher auch nur als eineSpezies faszligte und sie3 auf eine houmlhere Gattung reduzierte wur-de von4 Voltaire und den franzoumls[ischen] Materialisten so der5

Gegenstand ihrer Anschauung daszlig sie sich ganz und gar in sievergafften sie fuumlr eine Frucht6 hielten die gar nicht unt[er]7

einem houmlheren Gattungsbegriff als Art stuumlnde8

1 eine die Korr im Ms2 der rechtmaumlszligige der [so auch A] rechtmaumlszligige Vater sondern

SW BJ3 sie fehlt in BwN SW BJ4 von [so auch A] bei BwN SW BJ5 so der [so auch A] in dem Maszlige BwN SW BJ6 eine Frucht [so auch A] ein Wesen BwN SW BJ7 unter zu Korr im Ms8 die gar stuumlnde [so auch A] das gar nicht im Verhaumlltnisse der Art

zu einem houmlheren Gattungs-Begriffe staumlnde BwN SW BJ

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IV Vorl[esung] [Boumlhme Der Pantheismus in Italien]1

Die Idee von der Einheit der Welt mit Gott war daher die imInnern der Menschheit herrschende Idee Nur daher kam esdaszlig die Welt fuumlr sich selbst die Materie an und fuumlr sich alsoberstes Prinzip sich in den Menschen die die Welt nicht alsMetaphysiker nicht in ihrer Synthesis mit diesem2 Prinzipselbst betrachteten fixieren konnte daszlig uumlberhaupt die Welt sodas Objekt praktischer und theoretischer Taumltigkeit werdenkonnte als sie es in neuerer Zeit war Und diese Idee war sosehr die innere Substanz der neuern Zeit d h die den Men-schengeist im Innersten beherrschende Macht daszlig sie3 selbstbis in die Huumltte des gemeinen Mannes eindrang daszlig sie selbstdem befangnen nicht durch wissenschaftl[ichen] Geist befrei-ten religioumlsen Gemuumlte und zwar dem im strengsten Sinne desChristentums religioumlsen Gemuumlt so sehr es sich auch dagegenstraumlubte als ein ihm zunaumlchst widersprechendes Wesen mitGewalt sich aufdrang Die merkwuumlrdigste Erscheinung in die-ser Art ist der bekannte Goumlrlitzer Schuster Jakob Boumlhm[e] SeinDichten und Trachten ist kein anders als Gott als ein wirkli-ches gegenwaumlrtiges Wesen und damit das Wirkliche als seinemPrinzip nach mit Gottes Wesen Identisches zu begreifen Erspricht sich hieruumlber mit aller ihm zu Gebote stehender Kraftja selbst mit sinnlicher Derbheit und Grobheit aus bdquoAlso koumln-nen wir mitnichten sagenldquo spricht er bdquodaszlig Gottes Wesen et-was Fernes sei das eine sonderliche Staumltte oder Ort besitzeoder habe dann der Abgrund (d i das Prinzip d[as] Wesen)der Natur und Kreatur ist Gott selberldquo4 bdquoSo Du einen Stern einTier Kraut Stein oder irgend eine Kreatur betrachten5 willstsollst Du nicht denken daszlig sein Schoumlpfer irgend weit uumlber denSternen in einem Himmel wohne sondern er ist in dem Ge-schoumlpfe selbstldquo6 bdquoWann Du ansiehest 271 die Tiefe und die

1 So auch A ndash Am Rande l Verweis auf IV Vorlesung2 diesem ihrem [] Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr sich4 J Boumlhme Der Weg zu Christo Buch 7 In Alle theosophischen

Wercken T 8 Amsterdam 1682 cap 3 13 S 1875 betrachten begreifen Korr im Ms6 Vgl J Boumlhme Aurora In Alle theosophischen Wercken T 2 a

a O cap 2 18 Vorrede vgl ebenda cap 3 8 S 15 vgl ebendacap 23 10 11 und 13 S 300-301 vgl ebenda cap 25 17 S 328

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Sternen und die Erden so siehest Du Deinen Gott und in dem-selben Gott lebest und bist Du auchldquo2 bdquoEs duumlrfte mancher wohlsagen Was waumlre das fuumlr ein Gott dessen Leib Wesen undKraft in3 Feuer Luft Wasser und Erde stuumlnde Siehe Du unbe-greiflicher Mensch ich will Dir den rechten Grund der Gottheitzeigen Wo dieses ganze Wesen nicht Gott ist so bist Du nichtGottes Bild[e] wo4 irgend ein fremder Gott ist so hast Dukeinen Teil an ihm[e]ldquo5 bdquoSo Du eine andere Materia bist alsGott selber wie wirst Du denn sein Kind seinldquo6 bdquoGott hat alleDinge aus Nichts geschaffenldquo ndash Nichts steht hier nur dem Et-was was in der alten Sprache Ichts bedeutet entgegen undbedeutet soviel als unbestimmtes Wesen entgegengesetzt ei-nem schon bestimmten und besondern Wesen ndash bdquound dasselbeNichts ist er selberldquo7 Endlich bdquoDa nun Gott diese Welt samtallem hat erschaffen hat Er keine andere Materiam8 gehabtdaraus er es machte als sein eigen Wesen9 als aus sichselbstldquo10 bdquoDenn man kann nicht sagen daszlig in Gott sei Feuerbitter oder herbe viel weniger Luft Wasser oder Erde alleinman siehet daszlig es daraus geworden ist Man kann auch nichtsagen daszlig in Gott sei Tod oder houmlllisch Feuer oder Traurig-keit allein man weiszlig daszlig es daraus ist worden So muszlig manforschen den Quell der Ursachen was prima materia ist zurBosheit und dasselbe in Urkund Gottes sowohl als in Kreatu-ren Denn das ist im Urkund alles ein Ding es ist alles ausGottldquo11 bdquoWir befinden wie wir also ganz irrig und blind ge-

vgl auch J Boumlhme Hohe und tieffe Gruumlnde von dem DreyfachenLeben In Alle theosophischen Wercken T 4 a a O cap 1 51S 16

1 Am Rande Verweis auf IV Vorlesung2 Vgl J Boumlhme Aurora a a O cap 23 9 S 3003 in im Ms fehlt in A4 Im Ms folgt gestr Du5 J Boumlhme Aurora a a O cap 23 3-4 S 2996 Ebenda cap 23 6 S 2997 J Boumlhme De Signatura Rerum In Alle theosophischen Wercken

T 10 cap 6 8 S 448 Materiam Materie Ms9 Im Ms folgt als10 Vgl J Boumlhme Beschreibung der drey Principien In Alle theoso-

phischen Wercken T 3 cap 1 3 S 1111 Vgl ebenda cap 1 5 S 12

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fuumlhrt werden da man uns viel von Gottes Willen1 sagt undbildet die Gottheit immer als ein fremd Wesen fuumlr das fernevon uns sei als ob Gott ein fremd Ding seildquo2 bdquoWie wolltest Du[denn] nicht Macht haben zu reden von Gott der Dein Vaterist des Wesen Du selber bistldquo3 bdquoEs ist eine Hoffart die Dirdas Suchen verbeut4 [verbietet]ldquo5 bdquoLaszlig Dich ja nicht betoumlrendie Gleisner die nur Historiengelehrte sind sie verstehen nichtihre6 Muttersprache verstuumlnden sie die recht so erkennetensie darinnen die Naturldquo7 Schon aus diesen wenigen Stellenerhellt [sich] daszlig auch der fromme Schuster Jak[ob] Boumlhm[e]der eine so merkwuumlrdige Erscheinung ist wie es wenige indieser Art gibt kein geringeres Objekt sich zu s[einer] Aufgabestellte als das was wir mit einem Worte Materie nennen koumln-nen in ihrer Wesenhaftigkeit und damit in Gott zu begreifenSein Bestreben ist kein andres als es nicht bei dem WillenGottes zu belassen der Wille ist nicht Grund sondern an demBestimmten an der Materie den bestimmten Grund in Gott8 zufinden

Man hat die neure Zeit als deren9 Geist man gewoumlhnlich denProtestantismus bezeichnet was aber ein zu beschraumlnkter undselbst negativer Ausdruck ist daher wir auch den Namenpantheistischer Sinn waumlhlten als einen Suumlndenfall bezeichnetSelbst Rixner nennt sie so jedoch mit der Beschraumlnkung daszligsie bdquoein notwendiger und in s[einen] Folgen durch Gottes 28gnaumldige Verfuumlgung auch sogar wohltaumltiger Suumlndenfall seildquo10

1 Willen Wesen Korr im Ms2 Vgl J Boumlhme Von der Menschwerdung Jesu Christi 2 Thl In

Alle theosophischen Wercken T 6 cap 6 16 S 143-1443 Vgl J Boumlhme Beschreibung der drey Principien a a O cap 4

7 S 284 verbeut verbaut A5 J Boumlhme Hohe und tieffe Gruumlnde a a O cap 2 2 S 186 ihre die Ms7 Vgl J Boumlhme Hohe und tieffe Gruumlnde a a O cap 2 2 S 18 ndash

verstuumlnden Natur in der Muttersprache erkennt man die NaturMs

8 in Gott Gottes A9 deren dessen Ms A10 Th A Rixner Geschichte der Philosophie der neuern und neuesten

Zeit In Handbuch der Geschichte der Philosophie Bd 3 Sulzbach1823 S 6

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Es ist dies eine ganz oberflaumlchliche1 Betrachtung der Ge-schichte [daszlig] das was in seinen Folgen gut und wohltaumltig seinicht auch in seinem Grunde und Prinzip gut es ist trivial undoberflaumlchlich das was notwendig ist notwendig in houmlhermSinne nicht auch per se als etwas Gutes und Positives zu be-greifen sondern es erst durch seine Folgen als ein solches zuerkennen denn entweder waren diese Folgen accidentel [zufaumll-lig] d h nicht in dem selbst gelegen dem man gute Folgen2

zuschreibt sondern in aumluszligern davon unterschiednen Gruumlndenund es bleibt aber als etwas an sich Uumlbles stehen oder es warenseine eignen Folgen sie lagen in seinem Wesen aber dann wares eben fuumlr sich selbst etwas Gutes Notwendiges abgesehenvon seinen Folgen die3 alleroberflaumlchlichste und4 Gottes un-wuumlrdigste Vorstellung ist es aber zu meinen daszlig Gott etwasgeschehen lasse etwas an sich Uumlbles zulasse dann aber hin-tendrein nachflicke5 es so6 hin und her zu drehen und zu win-den wisse daszlig doch noch etwas Passables und Ertraumlglichesherauskomme Man unterwirft dann Gott den Grundsaumltzen derJesuiten bei denen das Mittel den Zweck7 heiligt Ein Suumlnden-fall war allerdings die neure Zeit wie jede Zeit die8 ein neuesPrinzip hervortreibt indem das Alte immer und von jeher alsdas Heilige galt und die Eva die den Menschen verfuumlhrte wardie Materie Aber es war gut an und fuumlr sich notwendig undheilsam an und fuumlr sich selbst goumlttliche Ordnung und Bestim-mung daszlig bdquoder schoumlne phantastische Traum des gemuumltlichenVolkslebens des Mittelalters das im Glauben und Gefuumlhl mehrals in der Anschauung und im Begriffe lebte und sich seligfuumlhlte ohne sich zu begreifen auf immer zerstoumlrt wardldquo9 Wiegroszlig und tief uumlbrigens die Gemuumltlichkeit jener Zeit war be-weist hinlaumlnglich die diabolische Grausamkeit und Verrucht-heit der Inquisitions- und Hexenprozesse

1 Im Ms folgt gestr Anschau[ung]2 Folgen [so auch A] Folge Ms3 die am Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr auff []5 nachflicke nachflecke A6 Im Ms folgt gestr zu7 Im Ms folgt gestr ver8 Im Ms folgt gestr sich9 Th A Rixner Geschichte der Philosophie der neuern und neuesten

Zeit a a O S 6

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Die Philosophie der neuern Zeit beginnt daher wo wir denPantheismus oder wenigstens pantheistischen Sinn sich als undin der Philosophie ausgesprochen finden Dies ist aber der Fallin Italien

29 Dort war es uumlberhaupt wo der Mensch wieder zuerst aufdas Quellenstudium im weitesten Sinne des Wortes zuruumlckgingauf die Quellen die die Quellen des Lebens der Ursprungselbst der Geschichte sind auf das eigne Selbstbewuszligtsein aufdas selbststaumlndige Denken d h auf die eigne autoritaumltsfreieAnschauung und Betrachtung der Welt und Natur und damitauf die Quellen denn nur dort beginnt die Geschichte wo derMensch Selbstdenker wird wie das Individuum1 erst da ausdem Traum der Kindheit tritt erst da der Begriff der Zeit ihmentsteht sein Leben in sukzessiver Entwicklung wahrnimmtwo er2 sich als Ich erfaszligt d i zu denken anfaumlngt Dort zwei-felte er zuerst an dem was ihm seine Lehrer und Ammen alswahr eingepraumlgt und namentlich von den fernen Landen derGriechen und Roumlmer welche sie nur aus der Tradition kanntenerzaumlhlt hatten machte sich neugierig selbst auf die Beine uman Ort und Stelle die Wahrheit ihrer Erzaumlhlungen zu pruumlfenDort trennte er sich zuerst von seiner bisherigen Heimat lerntemit fremden Zungen reden und erweckte aus dem Staube einealte laumlngst vergeszligne oder wenigstens nur dunkel bekannteZeit um dadurch eine neue Zeit zu begruumlnden Dort uumlberzeugteer sich daher auch zuerst daszlig es ganz anders in der Welt aus-sieht als es ihm seine Beichtvaumlter und Scholastiker vorgestellthatten gewahrte er wieder zu seiner groumlszligten Uumlberraschung ndashman sollte nicht denken daszlig so etwas die Menschheit verges-sen kann aber es ist doch so daszlig er eigne Augen zum Sehenund eignen Geschmack zum Pruumlfen und Untersuchen der Dingehat verwarf er daher auch mit jugendlicher uumlbermuumltiger Lei-denschaft was seinen Vaumltern teuer ja heilig war dort beganner demnach ndash und muszligte er nach dem Gesetz der Einheit unddes Zusammenhangs das alle Phaumlnomene und Aumluszligerungen desGeistes zu einem Ganzen verbindet beginnen ohne historischeUnterlage und Vorschrift zu philosophieren

30 In Italien wurde das Studium des Altertums dessen Be-deutung wir schon fruumlher gruumlndlich zu erklaumlren suchten be-kanntlich wieder erweckt Wir muumlssen sie noch aus einer an- 1 das Individuum der Mann Korr im Ms2 er es Korr im Ms

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dern1 Seite betrachten Fried[rich] Schlegel in s[einer] Ge-schichte der alten und neuen Literatur lehnt sich dagegen aufdaszlig man die Epoche des 15 und 16 Jahrh[underts] oft imallgemeinen eine Wiederherstellung oder gar Wiedergeburt derWiss[enschaften] nenne Eine Wiederherstellung der grie-ch[ischen] Liter[atur] und des Altertums sei es wohl gewesenindem das historische Wissen erweitert worden sei aber nichteine Wiedergeburt da diese nur ein neues von Innen empor-flammendes Leben sein koumlnne2 Allerdings beginnt die eigent-liche Wiedergeburt des menschl[ichen] Geistes als ein vonInnen selbstaumlndig entspringendes Leben erst spaumlter oder we-nigstens die Fruumlchte derselben treten erst spaumlter auf nachdemman das klass[ische] Altertum sozusagen verdaut hatte Aberdoch war es schon eine Wiedergeburt Was fuumlr uns jetzt einGegebenes ist was sich fuumlr uns sozusagen von selbst verstehtwas von Mund zu Mund von Hand zu Hand jetzt geht als einererbtes das wurde damals erzeugt3 Und dazu gehoumlrte aller-dings ein neuer von Innen wirkender Geist Friedr[ich] Schle-gel sucht ebendaselbst den Vorwurf der Traumlgheit von demMittelalter zu entfernen Allein diese Traumlgheit kann man anihm nicht leugnen wenn Traumlgheit es ist sich mit der Uumlberliefe-rung zu begnuumlgen statt die Urkunden zu studieren4 Aristoteleswar so allgemein verehrt und bewundert ja galt als eine Auto-ritaumlt und doch bekuumlmmerte man sich nicht einmal darum washat denn eigentlich Aristoteles selbst gesagt was ist denn derSinn der objektive eigentliche nicht hineingetragne Sinnseiner Lehrsaumltze Man hat diese Unbekanntschaft mit demQuellenstudium nicht auf Rechnung aumluszligrer Hindernisse undUmstaumlnde zu bringen denn die Verbindung mit Griechenlandwar nie ganz unterbrochen und waumlre es auch mit groszligenSchwierigkeiten verbunden gewesen was sind aumluszligre Hinder-nisse dem Wissenstriebe der sich uumlberall hin Bahn bricht demkeine Berge zu hoch keine Wuumlsteneien5 zu schrecklich sindEs war nur die Traumlgheit daszlig sie auf den Eselsbruumlcken der

1 einer andern einandern Ms2 Vgl F Schlegel Geschichte der alten und neuen Literatur Thl 2

Wien 1815 S 77-783 Im Ms daruumlber gestr von Innen heraus geholt4 der studieren dem zu begnuumlgen daruumlber nicht hinauszugehen

was andre gedacht haben Korr im Ms5 Wuumlsteneien Wuumlstereien A

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Uumlbersetzungen und Kommentare des Aristot[eles] stehen blie-ben Aber diese Traumlgheit selbst worin hatte sie ihren GrundEs war uumlberhaupt die Macht der Autoritaumlt die Macht der Tra-dition die die Geister beherrschte Es fehlte dem Mittelalter diehohe Kraft des Zweifels die Kraft sich selbst durch eigne Pruuml-fung und Untersuchung und Anschauung mit einem Wortedurch Autopsie sich von der Beschaffenheit oder dem Weseneiner Sache zu uumlberzeugen es fehlte ihm 31 der Mut der He-terodoxie Daher auch namentlich im Gebiete der Naturwis-senschaften wir solchen Tollheiten und wirklichen Albernhei-ten1 selbst die ersten freien Denker2 denen noch das Mittelalterin dieser Beziehung anklebte ohne alle Kritik Glauben schen-ken sehen Wie der Priester [als] der Mittler zwischen Gott unddem Laien wirkte so blickte3 uumlberhaupt der menschliche Geistdurch ein Medium durch die Physik des Aristoteles die Naturdurch Uumlbersetzungen selbst den Aristoteles an Es fehlte dieunmittelbare Anschauung die unmittelbare Uumlberzeugung mandachte und schrieb selbst in einer fremden uumlberlieferten Spra-che und dachte und sprach selbst diese Sprache nicht in ihrerselbsteignen originalen urspruumlnglichen Form und Gestalt manbegnuumlgte sich selbst in den dem Menschen eigensten naumlchstenAngelegenheiten mit Dolmetschern Die Wiedererweckung desStudiums der alten Sprachen und Literatur hat daher nicht nureine Bedeutung der bloszligen Bereicherung und Erweiterung eshatte nicht bloszlig eine quantitative sondern wesentlich qualitati-ve eine unendlich tiefere und allgemeinere Bedeutung Esgehoumlrte dazu damals ein neuer wiedergeborner Geist derGeist der nichts andres4 keine Mittelsperson zwischen sichund den Gegenstaumlnden seines Interesses duldet der kein Dingin einem fremden sondern in seinem eigenen Lichte schauenwill waumlhrend es fuumlr uns jetzt wo dieses Studium selbst eineaumluszligere Notwendigkeit geworden ist fuumlr alle die sich zu Staats-aumlmtern ausbilden als etwas ganz Natuumlrliches erscheint5 Der-selbe Geist der die Reformation erzeugte indem man hier aufdie ersten historischen Urspruumlnge und Quellen des Christen-

1 Im Ms A folgt wir2 Denker [so auch A] Denkern Ms3 blickte erblickte Korr im Ms4 andres Fremdes Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Aber das Ei des Kolumbus hat auch hier seine

Anwendung

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tums zuruumlckging der die Entdeckungen in der Physik undNaturwissenschaft erzeugte indem man hier auf1 die Quellenauf eigne Beobachtung Erfahrung und Untersuchung zuruumlck-kehrt[e] der die neuere Philosophie hervorrief indem man ausdem Born der Vernunft schoumlpfte nachdem man den Strom derGeschichte bis auf seine Quelle verfolgt hatte derselbe Geistwar es der auch das Studium des Altertums wieder erweckteund daszlig dieser Geist ein neuer von innen emporflammenderein wiedergeborner Geist war wird man wohl nicht in Abredestellen2 Und wie wenig urspruumlnglich dieses Studium ein toteswar und s[einem] Wesen nach ist wie sehr [es] eins ist mitdem selbst schaffenden Geiste beweist die Tatsache daszliggleichzeitig und in denselben Individuen zuerst die eigne pro-duktive Kraft und das Studium und die Lehren des Altertumserwachten Man denke nur an Dante Petrarca der das Grie-chische von einem Moumlnch erlernt hatte den Cicero und Senecafleiszligig studierte und besonders an Bocca[c]cio

32 Die erste Erscheinung des neuern Geistes in der Philoso-phie war daher (und es konnte auch keine andre sein) die daszligman den Aristoteles von Angesicht zu Angesicht kennenlernteihn in seiner urspruumlnglichen Gestalt wiederherstellte ndash was fuumlrdamals schon ein wichtiger bedeutender Schritt war so geringer uns jetzt erscheint ndash und nicht den Aristoteles allein sondernauch die uumlbrigen Philosophien des Altertums namentlich diePlatonische Neuplatonische und selbst orientalisch-kabba-listische Philosophie erneuerte und unmittelbar sie3 selbst inihren Originalwerken studierte Das exklusiv-monotheistischePrinzip des Mittelalters hatte sich in der Philosophie4 in deralleinigen5 ausschlieszliglichen Herrschaft des Aristoteles ausge-sprochen Jener universale pantheistische Sinn aumluszligerte sichdaher darin in der Philosophie daszlig6 sich jetzt in ihr7 ein allge-meiner Sinn fuumlr Philosophie uumlberhaupt und damit auch fuumlrunterschiedene Arten oder Systeme der Philosophie eine8

1 Im Ms folgt gestr eigne2 stellen [so auch A] reden Ms3 sie aus sie Ms aus sich A4 Im Ms folgt gestr auch5 Im Ms folgt gestr Herrs[chaft]6 Im Ms folgt gestr er7 Im Ms folgt gestr als8 eine als Korr im Ms

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Faumlhigkeit sich die Gedanken anderer anzueignen1 ja die ver-schiedenartigsten sich entgegengesetztesten Anschauungen insich zu vereinen entwickelte2 der Geist eben durch diesen3

erweiterten Sinn4 fuumlr Philosophie uumlberhaupt die Idee selbst derPhilosophie wieder erfaszligte und durch die5 Befreiung von derSchranke eines bestimmten Systems sich uumlberhaupt von einerbindenden historischen Macht und Unterlage6 losmachte und sonach eignen Prinzipien zu philosophieren begann in der innernGewiszligheit und Uumlberzeugung daszlig die Vernunft kein monothei-stisches sondern pantheistisches Wesen ist daszlig sie sich nichtin einem oder in einigen mit Ausschluszlig der uumlbrigen In-div[iduen] ebensowenig in einem bestimmten Prinzip konzen-triert und inkorporiert daszlig sie ein allgemeines jedem sichoumlffnendes jeden erleuchtendes Licht und Wesen ist

Ein so wichtiges wesentliches und erfolgreiches Moment inder Geschichte der Philosophie aber auch die Wiederherstellerdes Platon Aristoteles und andrer Philosophen waren so habendoch die reinen und echten Peripatetiker und Platoniker nur einhistorisches kein gegenwaumlrtig[es]7 philosophisch[es] Interessekein Interesse in dem Sinne als der Geschichte der Phi-los[ophie] zukommt Wie der Anfang der Geschichteuumlberh[aupt] so ist der der Geschichte der Philos[ophie] erst dazu suchen wo der Mensch juxta propria principia [gemaumlszlig denihr eigenen Prinzipien] philosophiert Als ein solcher Anfaumlngerbegegnet uns zuerst Bernardinus Telesius 1508 geb[oren] zuCosenza im Neapolitanis[chen] der s[eine] Schrift unter demTitel De natura [rerum] juxta propria principia8 sch[rieb]

1 Im Ms folgt gestr aussprach2 entwickelte [so auch A] aussprach Korr im Ms3 der diesen und dann eben die Folge dieses Korr im Ms4 Sinn Sinnes Korr im Ms5 die die fuumlr die Idee der Philosophie und die Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr sich7 gegenwaumlrtig[es] gegenwaumlrtig A8 Die ersten beiden Buumlcher von bdquoDe rerum natura iuxta propria

principialdquo erschienen 1565 in Rom eine erweiterte Ausgabe 1570in Neapel die gesamte aus neun Buumlchern bestehende Schrift er-schien 1586 in Neapel

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V [Vorlesung] [Telesius Campanella Bruno]1

Aber2 eben deswegen wegen dieser Einheit sozus[agen] derKunst mit der Natur schrieb P[aracelsus] ihr eine houmlhere Be-deutung und Macht zu Und ob dieser Bedeutung die er ihrgab steht P[aracelsus] im innigsten Zusammenhang mit demallgemeinen Prinzip der neuern Zeit3 Denn wie die Einheit derNatur mit dem Geiste das wesentliche Objekt und Ziel derneuern Philosophie nicht eine Einheit der Vermischung oderGleichsetzung ist sondern eine Einheit der Subordination inder der Geist das Prius die Substanz der Natur ist so ist zugleich das Bewuszligtsein von der Natur das Selbstbewuszligtseindes Geistes die Erkenntnis von ihr die Macht uumlber sie Unddieses Selbstbewuszligtsein des Geistes muszligte sich auch notwen-dig aussprechen als Bewuszligtsein von der Hoheit und Macht derKunst das auch Baco wie Paracelsus hatte indem er mit derBegruumlndung der Naturwissenschaft der Kunst zu experimen-tieren zugleich die Macht des Menschen uumlber die Natur zubegruumlnden sich strebte bdquoPotentia et scientia in unumcoincidunt Natura enim non nisi parendo viciturldquo [Wissenund Macht laufen auf dasselbe hinaus Die Natur wird naumlmlichnicht ohne ihr nachzugeben besiegt]4

Verwandt mit den beiden von Helmont und Paracelsus inHinsicht besonders des Ursprungs der Erkenntnisse ist ValentinWeigel (dagger 1588) der uumlbrigens mehr in religioumlser Beziehung in

1 So auch A2 Aber zu betrachten ist Einschub aus Feuerbachs handschriftli-

chem Nachlaszlig (Einlageblatt zu v Helmont Paracelsus V Weigelohne Paginierung) Fehlt in A

3 Im Ms folgt gestr Denn mit dem Sichselbsterfassen dem Selbst-bewuszligtsein des Geistes wurde auch notwendig gesetzt das Bewuszligt-sein von der Hoheit und Macht der Kunst ein Bewuszligtsein das auchBaco so lebendig aussprach wenn er die Restauration der Naturwis-senschaft zugleich eine Restauration der menschlichen Macht nenntder daher auch in dieser Beziehung im Zusammenhang mit Paracel-sus steht

4 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellipFrancofurti 1665 lib I Aph III S 279 Zitat lautet bdquoScientia ampPotentia humana in idem coincidunt quia ignoratio causae destituiteffectum Natura enim non nisi parendo vincitur ldquo

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einer Geschichte der Mystik zu betrachten ist 331 Koumlrperohne bestimmte Figur aber bereitwillig und faumlhig zu jedweder2

Form denn die Materie des Aristoteles die selbst kein Koumlrpersein soll ist dem sinnlichen Italiener [Telesius] eine bloszligeChimaumlre Materialitaumlt ist ihm Koumlrperlichkeit doch die der Ma-terie entgegengesetzten wirkenden Ursachen Waumlrme also und

1 Am Rande Verweis auf Paginierung S 17 ndash Am Rande Wie der

Anfang der griech[ischen] Philos[ophie] die jonische Naturphiloso-phie so war auch die Naturphilosophie der Anfang der Phi-los[ophie] der neuern Zeit Die Natur ist uumlberh[aupt] das erste Ob-jekt welches den Menschen frappiert sie muszligte es aber um so mehrin der neuern Zeit sein je laumlnger ihr der Menschengeist entzogenw[urde] je groumlszliger die Uumlberraschung war als er sich ihr wieder mitoffnem Sinne nahte und je tiefer die Bedeutung war in der sie demMenschen Gegenstand wurde eine Bedeutung die wir fruumlher [vglVorlesung IV S 37f] schon angaben Der unmittelbaren und freienAnschauung und Philos[ophie] der Natur stand aber die damals all-gemein geltende Physik des Aristoteles entgegen Gegen sie muszligtedaher vor allem sich gewendet w[erden] Und so wurde ihr denn[Und denn Ihr wurde daher Korr im Ms] auch von den erstenfreien philos[ophischen] Koumlpfen Italiens aus allen Kraumlften oppo-niert [Im Ms folgt gestr und] Lebendigere einfachere wahre ausden Sinnen aufgegriffne Prinzipien wurden den scholastisch-aristot[elischen] Prinzipien entgegengesetzt Der Sinn uumlberh[aupt]und die sinnliche Anschauung auch im Gebiete des Denkens [wur-den] zum Teil uumlber ihre gebuumlhrenden Grenzen zu ihrem Rechte undihrer Bedeutung die sie verloren hatte[n] erhoben So sind Waumlrmeund Kaumllte die der sinnl[ichen] Wahrnehmung am meisten durch ihreWirkung auffallende und einsichtige Maumlchte [und MaumlchteMaumlchte und einsichtig Korr im Ms] und es ist [es ist sie habensich Korr im Ms] daher nicht zu verwundern wenn wir sie von den[Im Ms folgt gestr ersten Denkern] Anfaumlngen der Naturphiloso-phie selbst zu den allgemeinen Prinzipien wie dies schon in aumlltererZeit von Hippokrates und andern getan erhoben sehen

Der genannte Telesius war es der sie im Gegensatz gegen diearistot[elische] Physik zu Prinzipien machte und nach ihm ThomasCampanella (geb 1568) ein Mann von groumlszligerer Bedeutung undumfassenderem Geiste der die Philosophie in allen ihren Teilenumzugestalten bemuumlht [war] ein Mann beruumlhmt 34 auch durchseine harten Schicksale die [er] in nicht weniger als einer27jaumlhrigen martervollen Gefangenschaft zubrachte [zubrachte [er-litt] A]

2 Koumlrper jedweder Im Ms daruumlber unleserl Erg

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Kaumllte welche1 die Materie2 als die gemeinschaftliche Basisoder das koumlrperliche Substrat ihrer Wirkungen bearbeiten umsie zu der ihrigen zu machen und so zwei urspruumlngl[iche]Weltkoumlrper bildeten die Waumlrme den Himmel aus der uumlber-wundnen und verduumlnnten Materie die Kaumllte die Erde aus den3

verdichteten Teilen Diese beiden Koumlrper4 oder ElementeHimmel oder die Sonne und die Erde haben aus sich alle man-nigfaltigen und besondern Dinge erzeugt durch gegenseitigenKampf gegeneinander Denn die von der Sonne ausstroumlmendeWaumlrme strebt auf die Vernichtung der Erde und die aus demInnern der Erde hervorstroumlmende Kaumllte arbeitet an dem Ruindes Himmels Weil aber keines das andre bewaumlltigen kannentstehen aus diesem Kampf Mittelwesen entia media Aberweil die Sonne bei weitem maumlchtiger ist als die Erde so gieszligtsie in alle ihre Erzeugnisse ihre eigne Natur die Waumlrme einDenn alle Wesen haben im Innern Waumlrme omnia enim entianostra natura calida sunt und an einer andern Stelle omniaocculto vivunt calore [in allem was lebt ist Waumlrme verbor-gen] Die Sonne durchdringt naumlmlich die Erde aber weil ihr dieKaumllte und Dichtigkeit Widerstand leistet so kann sie den irdi-schen Wesen nicht denselben Grad der Waumlrme Duumlnnheit undWeiszligheit (Lichtheit) geben 34 den sie selbst besitzt sie gibtihnen daher einen mittleren zwischen der Dichtigkeit der Erdeund ihrer eignen Duumlnnheit zwischen5 innen stehenden Gradeine mittlere Bewegung eine mittlere Waumlrme Denn obgleichdie Waumlrme der Sonne weit die Kraft der Kaumllte uumlberwiegt sokann sie doch nicht die Erde verbrennen und in sich selbstverwandeln weil die Waumlrme sich mit reiszligender Schnelligkeitfortbewegt und nie dieselbe Oberflaumlche der Erde bescheint6

Torheit7 ist es daher dem Camp[anella] Waumlrme und KaumllteLicht und Finsternis wie die Scholastiker und Aristoteliker fuumlr 1 Im Ms folgt gestr auf2 Im Ms folgt gestr indem []3 Im Ms folgt gestr zusammengerafften und4 Im Ms folgt gestr unleserl Wort5 zwischen mitten Korr im Ms6 Vgl B Telesio Bernardini Telesii Consentini De Rerum Natura

Iuxta Propria Principia Libri IX Neapoli 1586 lib I cap I-VIS 2-10

7 Am Rande Alle Farben sind zusammengesetzt dem C[ampanella]aus dem Licht der Sonne und der Finsternis der Materie Das Lichtselbst ist nichts andres als die Farbe die Gestalt species gleichsam

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Akzidenzen zu halten da sie vielmehr die wesentlichsten Ten-denzen der Natur [sind] maxime sunt intenta a natura undohne sie die Welt nichts waumlre

Die sinnliche Tendenz der italienischen Naturphilosophiespricht sich in ihrem Gegensatze gegen die abstrakte Formu-larmethode der Scholastik am deutlichsten und1 schaumlrfsten inder Auffassung der Erkenntnis des Allgem[einen] und der2

Sinne aus Die Erkenntnis des Allgemeinen sagt Campanellaerheben die Scholastiker auf eine houmlchst ungeschickte Weise

das Antlitz facies die Erscheinung der Waumlrme Ja Licht und Waumlr-me s[ind] synonym bedeuten dieselbe Sache Die Waumlrme wie sieden Augen Gegenstand ist heiszligt Licht wie dem Gefuumlhl Waumlrme dieFinsternis aber ist die Farbe der Materie

Das Ungenuumlgende dieser Naturansicht [Im Ms folgt braucht nichtbesonders] erhellt [sich] von selbst Schon Baco von Verulam hattriftige Gruumlnde dagegen erhoben Aber es [Im Ms folgt gestr istganz] kommt nicht immer gerade auf das Was an auf das Be-stimmte was einer ausgesprochen sondern vorzuumlgl[ich] bei allenAnfaumlngen auf die Tendenz Auch das bloszlige Wagnis ist schon Ge-winnst Und aus diesem Gesichtspunkt als ein selbstaumlndiger Ver-such als d[as] Wagnis einer Philos[ophie] juxta propria principia istes zu schaumltzen und zu betrachten Man hat dem Telesisch[en] Sy-stem vorgeworfen daszlig es wohl d[er] arist[otelischen] Physik 35vorwarf [vorwarf [so auch A] unleserl Korr im Ms] sie [verwen-de] nur abstrakte Prinzip[ien] wie die Materie Form Privation diekeine Entia die als sinnliche Entia nicht existieren anfocht unddoch selbst solche Abstrakta wieder annahm denn die Materie daskoumlrperl[iche] Substrat sei selbst nichts Wirkliches ebenso wenigeine absolute Kaumllte und absolute Waumlrme da diese immer nur in be-stimmten Graden vorkaumlmen kein letzter Grad der Kaumllte und Waumlrmesich angeben lieszlige die Empfindung der Waumlrme sehr verschiedensubjektiv sei Allein man wird doch nicht leugnen daszlig Waumlrme undKaumllte wenn wir auch nicht auf den letzten Grad kommen so daszligwir [so wir bestimmte entgegengesetzte Wirkungen Korr imMs] sagen koumlnnen hier haben wir ein Stuumlck reiner Kaumllte in welcherdie Waumlrme rein aufgehoumlrt hat wir doch entgegengesetzte Wirkun-gen verspuumlren von den mindesten Graden und daszlig es Grade derKaumllte [gibt] wo die subj[ektive] Verschiedenheit verschwindet woMungo Park [brit Afrikaforscher dagger 1806] d[er] eine Temperaturheiszlig fand wo die Neger froren eben so gut frieren w[ird] als dieNeger

1 und in Korr im Ms2 der des Korr im Ms

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da sie doch eigentlich nur die Erkenntnisweise der1 Bestien2 istDenn wenn wir etwas von weitem sehen z B den Petrus sosagen wir Siehe hier ist ein Tier weil es sich bewegt und wirnur das Allgemeine aber nicht das Besondere er- 353 kennennaumlhert er sich so sagen wir es ist ein Mensch kommt er nochnaumlher so sagen wir es ist ein Moumlnch und kommt er uns amnaumlchsten so nennen wir ihn beim Namen es ist der FraterPetrus Verstehen Denken intelligere heiszligt daher nichts ande-res als etwas konfus und aus der Ferne fuumlhlen sentire fuumlhlenaber nahe und aus der Naumlhe erkennen sentire vero est intellige-re prope seu cominus [Spuumlren heiszligt wirklich nah oder hand-greiflich verstehen] Auch die noch nicht an die Unterschei-dung des Besondern gewohnten Kinder nennen jedes WeibMutter und jeden Mann Vater weil das Allgemeine ihnen be-kannter ist indem es mehr und oumlfter ihre Sinne beruumlhrt Toumlrichtist es daher zu waumlhnen daszlig die Wissenschaft in der Erkenntnisdes Allgemeinen ndash es braucht nicht erinnert zu werden in wel-chem rohen4 Sinne C[ampanella] das Allgemeine auffaszligt ndashbestehe Was weiszlig ich denn wenn ich vom Petrus weiszlig daszlig erein Mensch ein vernuumlnftiges Tier ist aber nicht seine Eigen-schaften und Eigentuumlmlichkeiten s[eine] Handlungen Tugen-den Fehler usw kenne Wahr ist es daszlig man da es unmoumlglichist alles Individuelle zu merken man sich mit einem Wissenim Allgemeinen und Konfusen begnuumlgen muumlsse Allein dieMedizin durch die Erfahrung uumlberwaumlltigt erinnert daszlig esnicht hinreicht zu wissen was dies fuumlr ein Fieber ist sonderndaszlig man auch das Wie und Wann s[einer] Entstehung dieallgemeine Beschaffenheit des Kranken und andere Partikula-ritaumlten wissen muumlsse Gott ist deswegen dem heili[gen] Tho-mas der weiseste 36 weil er nicht das Allgemeine sonderndie winzig kleinsten Einzelheiten minimissimas singularitatesweiszlig Der Verstand des Allgemeinen ist nur der matteduumlrflichte Sinn gleichsam denn der Sinn ist die Affektion (derEindruck) passio des gegenwaumlrtigen Objekts der Verstand die

1 der Im Ms gestr2 Bestien Weise Korr im Ms3 Am Rande Verweis auf Paginierung S 18 ndash Am Rande or Verweis

auf V Vorlesung4 Im Ms folgt gestr und selbst

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Affektion von dem abwesenden1 Der Sinn ist daher Wissen-schaft sapientia oder ein Funke der goumlttlichen Weisheit Nurdas sinnliche Wissen ist gewisses zweifelloses Wissen nichtdas Wissen des Verstandes oder des Gedaumlchtnisses oder derEinbildungskraft Der Sinn braucht keinen Beweis er selbst istder Beweis Der Sinn ist daher das vorzuumlglichste Licht wo-durch wir erkennen was im Dunkeln und Ungewissen liegtNiemand fragt jetzt noch nach Gruumlnden2 und zweifelt ob eineneue Welt es gibt nachdem sie von Columbus entdeckt ist3

C[ampanella] erinnert einen an das Lied eines in seine Hei-mat zu den Seinen sich zuruumlcksehnenden Kalmuumlcken wo esheiszligt4 Gedanken sind Betruumlger die sinnliche Empfindung nurist Wahrheit In persoumlnlichen Verhaumlltnissen gilt natuumlrlich nurdie persoumlnliche Naumlhe der Gedanke an die Person ersetzt nieden sinnlichen Anblick Der Gedanke oder richtiger die Vor-stellung ist hier ein mattes farbenverbleichtes geschossenesBild gegen die frische Farbenglut des sinnlich gegenwaumlrtigenAntlitzes aber in diesem Gebiete ist eben der Gedanke nurVorstellung Bild es ist 375 nicht der Gedanke der Erkennt-nis der Vernunft denn dieser ist selbst Wesen hier ist derGedanke nur Surrogat und alle Surrogate befriedigen nichthier ist der Gedanke nicht das einzige und notwendige in demGegenstand selbst liegende Mittel wie er fuumlr uns ist denn erkann ja auf sinnliche Weise uns Objekt sein ja eben diesesinnliche Weise ist die eigentuumlmliche hier ist er nur ein trauri-ger Schatten und6 alles will nur nach seinem eignen Maszligegemessen und geschaumltzt werden Suum cuique [Jedem das 1 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia hellip Francofurti 1620

lib II cap XXII S 131-1332 Im Ms folgt gestr ob3 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia hellip a a O lib II

cap XXX S 174-1764 Im Ms folgt gestr der5 Am Rande Verweis auf Paginierung S 196 Am Rande Ebenso gilt im Leben in der Konversation die Kenntnis

des Partikulaumlren Wenn ich freilich vom Petrus nichts weiter weiszligals daszlig er Mensch was hier so viel heiszligt als ein Individuum ist soweiszlig ich wenig von ihm hier gilt es das Besondere Partikulaumlre zuwissen hier ist dieses von wesentlichem Interesse Anders ist eseben fuumlr d[ie] Wiss[enschaft] fuumlr die Wahrheit hier ist das Ersteund Wichtigste zu dem sie allein Interesse [hat] d[as]Allg[emeine] der Mensch

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Seine] Das Sinnliche kann nur durch den Sinn das unmittelbarGegenwaumlrtige nur wieder durch unmittelbare Gegenwart er-kannt werden Hier ist die sinnliche Erkenntnis die einzigeVernunfterkenntnis und hier hat auch C[ampanella] vollkom-men recht Aber etwas ganz anderes ist [es] bei den Gegen-staumlnden die lediglich durch das Denken erst uns Gegenstandw[erden] bei denen die ihrer Natur nach allgemein sind hierbekommt der Gedanke nicht nur andere Bedeutung sondernuumlberh[aupt] erst die Bedeutung des Gedankens

Uumlbrigens darin hat C[ampanella] einen richtigen Blick daszligdas Allgemeine der Anfang der Erkenntnis ist daszlig man nichtvom Besondern und Einzel[nen] anhebt dem Kind ist der Be-griff des Baumes fruumlher Gegenstand als der Begriff einer Artdie Unterschiede hiemit das Besondere zu merken dazu ge-houmlrt Scharfsinn Aufmerksamkeit aber dieses Allgemeine istnicht das wahre Allgemeine d[as] Allgemeine der Wissen-schaft dieses ist wesentlich bestimmt hier ist es ein Genius mitspezifischen Diff[erenzen]

381 Campanella machte aber auch die uumlbrigen Teile derPhilos[ophie] zu s[einem] Objekte besonders die Metaphysik 1 Am Rande Omnia Entia Potentia Sapientia et Amore constitui et

unumquodque esse quoniam potest esse scit [scit sciat A] esse etamat esse [Alle Dinge sind aus Kraft Wissen und Liebe beschaffenund jedes einzelne besteht daraus weil es ja sein kann zu sein weiszligund es liebt zu sein] [T Campanella De sensu rerum et magia hellipa a O lib I cap VII S 23-24] Potentia und Neigung schreibendie Philosophen wohl den Dingen zu aber nicht Sensus nicht Intel-ligenz Dieser Satz daszlig allen Wesen allem Sein Wissen [Im Msfolgt gestr schaft] zukommt ist paradox C[ampanella] kam aufdiesen Gedanken also alle Dinge haben einen Trieb sich selbst zuerhalten ihr Sein zu behaupten sie lieben ihr Sein sie widerstehendem was sie vernichten will bekaumlmpfen ihr Gegenteil nehmen nurdas Verwandte das ihnen Nuumltzliche und Zutraumlgliche in sich auf dasEntgegengesetzte fliehen sie entfernen sie von sich es ist also inallen Dingen ein Prinzip der Unterscheidung ein Kriterium dessenwas ihnen paszligt ein Urteil gleichsam aber alle Unterscheidung be-ruht auf dem Gefuumlhl auf dem Verstand Kein Sein ist also ohneSinn ohne Gefuumlhl ohne Verstand wiewohl dieser Verstand keindiskursiver kein explizierender und syllogistischer sondern ein in-tuitiver unmittelbarer Verstand ist gleichwie auch wir Dinge unter-scheiden [Im Ms folgt gestr ohne] etwas verurteilen 39 alsfalsch oder schlecht verdammen wovon wir keinen Grund angebenkoumlnnen es ist ein unmittelbarer schlechtweg entscheidender unbe-

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dingter zweifelloser sozusagen unbesonnener mystischer mit un-serm Sein identischer Verstand ndash ein Verstand der also nicht all-gemeine Wahrheiten uumlberhaupt nicht das Allgemeine sondern dasBestimmte das Unterschiedne Begrenzte das Namenlose das Ein-zelne im Gebiet der Kunst und Sinnlichkeit zu s[einem] Objektemacht Dieser [Dieser Dieses Korr im Ms] praktische unmittelbarseiner selbst gewisse ohne Bedenken und Uumlberlegung ohne Wahlund Gruumlnde schlechtweg entscheidende unbedingt als gut bejahen-de oder als schlecht verneinende Verstand ist nichts andres als waswir Gefuumlhl Sinn nennen Analog mit diesem Verstande oder mit derin der Natur nach Zwecken wirkenden Vernunft die uns am be-wunderungswuumlrdigsten in unserm Organismus [deutlich wird] indem jedes Glied Zweck und Bedeutung hat muumlssen wir das Gefuumlhlden Sinn den Verstand denken den Camp[anella] als universelleKraft jedem Sein zuschreibt So sagt also z B C[ampanella] ins[einer] Schrift De Sensu Rerum et Magia Lib II c 14 Planta se-cernit utilem in inutili succo Ergo sentit quid servet quidve nonconservet [Die Pflanze unterscheidet nuumltzlichen vom unnuumltzen StoffAlso spuumlrt sie worauf sie achten und was sie nicht beachten muszlig][T Campanella De sensu rerum et magia a a O lib III capXIV S 252] und im 6 cap I Lib Non enim potest esse id quodignorat res sibi utiles et noxias nec quod sibi utile est amare potestnisi sciat utile est sibi [Das naumlmlich kann nicht sein was die nuumltzli-chen und die schaumldlichen Dinge nicht kennt und das was ihm nuumltztnicht lieben kann und auch nicht weiszlig was ihm nuumltzt][T Campanella De sensu rerum et magia hellip a a O lib I capVII S 24] 40 Selbst der Knochen fuumlhlt (sagt er 13 cap II L)[T Campanella De sensu rerum et magia a a O lib II capXIII S 97] denn er ernaumlhrt sich und waumlchst Aber nichts kann sichernaumlhren was nicht die passende Nahrung an sich zieht es fuumlhlt al-so das Simile weil es dasselbe kennt und anzieht c 15 omnis rescognoscit se ipsam esse et pugnat contra non esse et amat se esseErgo se ipsam per se ipsam cognoscit [cognoscit cognoscat A]abdita notitia [notitia nostra A] [Jedes Ding weiszlig von sich selbstdaszlig es ist und kaumlmpft dagegen nicht zu sein und liebt es zu seinAlso erkennt es sich selbst durch sich selbst ohne Begriff] [TCampanella De sensu rerum et magia a a O lib II cap XVS 106-107] Es ist also eine Erkenntnis nicht durch Schluszlig sonderndurch sein Wesen eine unmittelbare geheimnisvolle mit s[einem]Sein identische Kenntnis Es ist eine ganz richtige Idee die demCam[panella] zugrunde liegt aber in der Auffassung und Bestim-mung seiner Idee geht er zu weit und zwar darin daszlig er wasgleichnisweise allerdings von allen Dingen gesagt werden kann daszligsie sich selbst lieben daszlig sie unterscheiden doch wieder im eigent-lichen Sinne der Dinge also wirkliches Gefuumlhl wenn auch andrer

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Er statuierte in 3 Grundprinz[ipien] die1 Primalitaumlten allesSeins die Moumlglichkeit die Erkenntnis die Neigung und daszligdem Sein d[as] Nichtsein entgegengesetzt ist so stellte er auch[den] Primalitaumlten des Seins 3 des Nichtsseins [gegenuumlber]impotentia [Unfaumlhigkeit] insipientia [Unverstaumlndigkeit] Ab-neigung odium metaphysicale Bemerkenswert ist daszlig er auchschon auf den Gedanken kam2 von dem unmittelbaren Selbst-bewuszligtsein wie Cartes[ius] den Anfang der Philosophie zumachen Aber so viele treffliche und tiefe Gedanken wir auchbei C[ampanella] finden und ob er sich gleich zu bestimmtenGrundprinzipien erhebt so ist doch seine Philosophie mit al-lerlei populaumlren Vorstellungen unterlaufen ja s[eine] Philoso-phie zumal ist nicht nur unterlaufen und untermengt mit aller-lei3 unphilosophischen Gedanken sondern ist4 noch nicht reinals Philosophie bei ihm [ausgesprochen]5

Weit mehr als mit Camp[anella] ist dies der Fall noch miteinem andern geistvollen durch seine wunderliche Individua-litaumlt seine seltsamen Charakterwiderspruumlche besonders merk-wuumlrdigen6 Italiener dem Hieronymus Cardanus bei dem wirviele treffliche philosoph[ische] Gedanken und selbst Ab-handlungen (z B De Uno7 ) antreffen ohne daszlig doch vonPhilosophie in sensu strictiori bei ihm die Rede sein kann

Art als bei uns zuschreibt daszlig C[ampanella] also zwischen Bildund Sache zwischen Mensch und Ding nicht scharf genug unter-scheidet Die Idee selbst aber die bei Camp[anella] dieser Idee wie-der zugrunde liegt ist die bewunderungswuumlrdigen durch ihreZweckmaumlszligigkeit auffallendenden Wirkungen in der Natur nicht auseinem extramundanen Wesen sondern als der Natur immanente dhin ihrem Wesen liegende Wirkungen zu erkennen ndash zu erkennendaszlig die res a se agere [die Dinge sich auf ihre eigene Weise ver-halten] daszlig der Natur ein Prinzip der Spontaneitaumlt d i d[er] Selbst-bestimmung und -taumltigkeit innewohnt

1 die oder In A2 Im Ms folgt gestr aus3 Im Ms folgt gestr unleserl Wort4 Im Ms folgt gestr bei ihm5 ja [ausgesprochen] es bleibt mehr beim Philosophieren als daszlig es

zur Philosophie selbst kommt Korr im Ms ndash Im Ms folgen unleserlErg

6 Im Ms folgt gestr Mann7 G Cardano De uno In Opera quaedam lectu digna Basileae

1562 ndash Im Ms folgt an

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Eine reine philosophische Seele treffen wir erst in dem schondurch seinen Maumlrtyrertod auf dem Scheiterhaufen zu Rom1

zum innigen Andenken der aufgeklaumlrten Mit- und Nachwelt2

vom heil[igen] Vater zu Rom bestens empfohlenen JordanoBruno von Nola ndash ein Beweis wie viele Individuen die Ideeerst ergreifen muszlig bis sie eines findet das sie getreu ohneBei- und Zusaumltze kopiert3 das eine mit ihrer Gattung ihrerbestimmten Idee identische Individualitaumlt ist4

395 Er ist ein reiner Spiegel von der6 Idee die das Herz derneuern Menschheit beherrschte ein Brennspiegel der alle ihreStrahlen in seine Philosophie aufnahm und sie7 in sich konden-sierte selbst zum Feuer der Poesie ndash er trug ebenso in Prosa alsin Versen seine Philosophie vor ndash er ist vielleicht der hellsteund freieste Kopf seiner Zeit er ist Pantheist im reinsten edel-sten und vollsten Sinn des Wortes Pantheist mit Leib undSeele mit Kopf und Herz er ist eine personifizierte Idee ndash dieIdee des Pantheismus ndash ein Philosoph im Geiste und Sinne derantiken Philosophen im Sinne eines Heraklit und Parmenides ndashseine Philosophie ist sein Verstand sein Glaube seine Religi-on Er erkennt nicht nur er fuumlhlt er glaubt auch die Wahrheitseiner Philosophie er spricht sie darum auch in poetischerForm und Begeisterung aus mit der eigentuumlmlichen hinrei-szligenden und ergreifenden Kraft die jede Darstellung einer Sa-che hat die das Gepraumlge der innersten und tiefsten Uumlberzeu-gung an sich traumlgt Bruno ist wirklich8 als ein Repraumlsentant desganzen Geistes der neuern Zeit anzusehen Daher faszligte er auchmit solchem Feuer solcher Lebhaftigkeit Freiheit und Genia-litaumlt die wichtigsten Ideen der neuern Zeit in sich die Idee vonder Bewegung der Erde um die Sonne die Idee von der Un-endlichkeit der Welt und von ihrer Einheit mit Gott In den 1 Im Ms folgt gestr merkwuumlrdigen2 dem innigen Nachwelt dem innigsten Andenken und Herzen

seiner Nachwelt teuer Korr im Ms3 kopiert capirt A4 Am Rande Obgleich Br[uno] auch von vielen Vorstellungen

s[einer] Zeit noch beherrscht ist von ihnen [] erfuumlllt so sondertsich doch hier von diesen fremdartigen Bestandteilen ein philo-39sophischer Kern rein ab

5 Am Rande Verweis auf Paginierung S 206 Im Ms folgt gestr Grund-7 Im Ms folgt gestr dergestalt8 ist wirklich unterscheidet sich von den Korr im Ms

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uumlbrigen Italienern hat sich noch nicht so abgesondert und ge-reinigt der neue von dem alten Geiste so hing selbst Campa-nella noch fest an der Vorstellung von der Unbeweglichkeit derErde ndash eine Vorstellung die so fest eingewurzelt war dasselbst Baco von Verulam der heil[ige] Erzvater der Empirie40 diese Vorstellung noch hatte1 Es ist daher auch merkwuumlr-dig daszlig Bruno sich foumlrmlich von dem katholischen Glaubenlossagte und auf deutschem Grund und Boden wo er sich eini-ge Jahre aufhielt wie z B in Wittenberg wo er auch Vorle-sungen hielt und in Frankfurt a M zu dem Protestantismusuumlberging waumlhrend die uumlbrigen italienischen Philosophen wieCardan[us] Campanella es sei nun aus welchen inneren Gruumln-den es wolle in dem Glauben ihres Landes und [ihrer] Vaumlterblieben Sein Tod kann daher auch als ein wirklicher Maumlrty-rertod angesehen werden ndash er fiel als Opfer und Repraumlsentantder neuern Zeit ndash als Opfer einer Philosophie die in ihm Le-ben Glaube Religion geworden war ndash als Opfer des Pantheis-mus denn der Pantheismus ist die Philosophie die im Men-schen unmittelbar die Gestalt der Religion annimmt

Der Gedanke nun der Br[uno] beseelte und begeisterte istund bleibt der houmlchste Gedanke des Menschen der Gedankemit dem die Philosophie steht und faumlllt der Gedanke der Ein-heit Die Einheit zu erkennen ist sagt er der Zweck aller Philo-sophie und Erforschung der Natur2

bdquoDie bestehenden verschiednen Dinge fuumlhren uns notwendigauf ein Prinzip ihres Bestehens auf ein einfaches Grundwesenin welchem alle Unterschiede der einzelnen Formen ver-schwinden Wie nun die sinnlichen Dinge zusammen ein Sub-jekt (Grundlage) des Sinnlichen voraussetzen so setzen dieintelligible[n] ebenfalls ein Subjekt des Intelligiblen vorausBeide erfordern aber wieder notwendig einen Grund der ihnengemein sei weil kein Wesen sein kann welches nicht aus ei-

1 Im Ms folgt gestr Bruno2 Im Ms folgt gestr In dem obersten Prinzip oder in dem Wesen

welches wir als die Ursache der Welt annehmen haben wir dahervor allem die Einheit der unterschiedenen Weisen wie etwas Ursa-che sein kann zu begreifen ndash F H Jacobi Auszug aus JordanBruno von Nola Beylage I zu den Briefen uumlber die Lehre des Spino-za In Friedrich Heinrich Jacobirsquos Werke 4 Bd 2 Abth Leipzig1819 S 32

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nem Dasein hervorginge 551 und darauf beruhte mit Aus-nahme allein von dem Wesen dessen Wirklichkeit in s[einem]Wesen schon begriffen und vollstaumlndig gegeben ist Wenn derKoumlrper wie allgemein zugegeben wird eine Materie die nichtselbst Koumlrper ist voraussetzt diese also der Natur nach demkoumlrperlichen Dasein vorhergeht so sehe ich nicht ein was dieMaterie mit den Substanzen welche man unkoumlrperlich nenntso ganz unvertraumlglich machen sollte Es gibt ja auch der Peri-patetiker genug welche sagen da in den koumlrperlichen Substan-zen ein gewisses formelles und goumlttliches Etwas angetroffenwerde so muumlsse ein gewisses materielles Etwas auch in dengoumlttlichen sein damit die Ordnungen der niedern und houmlhernDinge ineinander greifen und sich gegenseitig bestimmen koumln-nenldquo2

Diese Materie nun oder dieses materielle Prinzip welcheswohl zu unterscheiden ist von der Materie der zweiten Gattungdie das Subjekt allein der natuumlrlichen veraumlnderlichen Dinge istist nun aber wie die Materie uumlberhaupt3 nicht als der einzigeGrund anzunehmen Anfangs hing ich wohl sagt Bruno denMeinungen des Demokrits und der Epikuraumler an welche dieMaterie als den einzigen Grund der Dinge annehmen sagensie selbst sei die goumlttliche Natur behaupten was nicht Koumlrpersei sei Nichts Aber spaumlter erkannte ich als notwendig mit denAristotelikern zwei Arten der Substanz anzunehmen wovondie eine Form die andere Materie waumlre4 Auszliger dem materiel-len Grunde oder auszliger dem materiellen Prinzip als dem ge-meinsamen Prinzip als der gemeinsamen Moumlglichkeit und 1 Am Rande ro Verweis auf V Vorlesung und Verweis auf Paginie-

rung S 282 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 29-30 ndash Im

Ms folgt gestr Diese Materie welche den unkoumlrperlichen wie denkoumlrperlichen Dingen zum Grunde liegt ist ein mannigfaltiges We-sen insofern es die Menge der Formen in sich faszligt in sich betrach-tet aber schlechterdings einfach und unteilbar Sie ist Alles wassein kann in der Tat und auf einmal und weil sie Alles ist kann sienichts insbesondere sein (Sie ist also das formelle Wesen von Al-lem ohne doch selbst eine Form zu haben) Die unendliche Mengeder einzelnen Dinge in der Welt macht daher nur Ein Wesen aus[Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 30-32]

3 Im Ms folgt gestr die nur nicht als Subjekt sondern als Potenzbetrachtet werden kann

4 Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 18-19

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Unterlage aller Dinge muszlig man also noch ein formelles Prin-zip anerkennen welches die erste allgemeine Form die Formund Quelle aller Formen ist Diese absolute Form ist nichtsandres als der allgemeine Verstand Mit andern Worten dieDinge setzen nicht nur ein materielles sondern auch geistigesdenkendes Prinzip voraus bdquoDie Werke der Natur wie solltensie hervorgebracht sein ohne Verstand und Geistldquo1 56 Allesist belebt2 und die Seele eines jeden Dings seine Form bdquoWirhaben zwar ich weiszlig nicht was fuumlr eine Abneigung die Weltals ein durch und durch lebendiges Wesen anzusehen da wiruns doch eine Form die nicht Wirkung nicht unmittelbareroder mittelbarer Ausdruck einer Seele waumlre ebenso wenig alsetwas uumlberhaupt ohne Form denken koumlnnen Bilden kann alleinder Geist Dinge der Kunst die nur mittelbare Wirkungen desGeistes sind fuumlr lebendige Formen auszugeben waumlre aller-dings abgeschmackt und laumlcherlich Mein Tisch ist als Tischmeine Kleidung als Kleidung nicht belebt da sie aber ihrenStoff aus der Natur haben so bestehen sie aus lebendigen Tei-len Kein Ding ist so gering und klein daszlig nicht Geist in ihmwohnte und diese geistige Substanz bedarf nur eines schickli-chen Verhaumlltnisses um sich als Pflanze auszubreiten oder alsTier zu den Gliedern eines regen Leibes zu gelangen Darausuumlbrigens daszlig in der Natur Alles bis zum kleinsten Teile ausForm und Materie besteht und nichts unbelebt ist folgt nochkeineswegs daszlig alles was ist eine tierische Natur oder einlebendiges Wesen sei Nicht alle Dinge welche Seelen habensind darum was wir beseelte Wesen nennen Aber alle besitzender Substanz nach Seele und3 Leben nur sind nicht alle imwirklichen Genusse des Lebens und der Anwendung der See-leldquo4 Dieser Verstand ist nun aber nicht ein der Welt und Mate-rie aumluszligerlicher Verstand er ist bdquoein innerlicher Kuumlnstler dervon Innen aus die Materie bildet und gestaltet die innerlicheUrsache derselben die nur insofern als aumluszligerliche Ursache zufassen ist als sie im Verhaumlltnisse zu den zusammengesetztenund hervorgebrachten Dingen nicht als ein Teil derselben ange-sehen folglich auszliger ihnen gedacht w[erden] muszligldquo5 Aber wie

1 Vgl ebenda S 92 Alles ist belebt Wenn Alles belebt Korr im Ms3 und [so auch A] oder Ms4 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 13-145 Vgl ebenda S 14

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haumlngt nun der allgemeine Verstand die Seele der Welt dieForm aller Formen mit dem materiellen Prinzip oder der Mate-rie allgemein1 zusammen bdquowie sind sie vereinigt unzertrenn-lich verschieden und dennoch Ein Wesenldquo2 bdquoDas Prinzipwelches Materie heiszligt kann auf zweierlei Weise gefaszligt wer-den einmal als Potenz hernach als Subjekt Wenn wir sie alsPotenz betrachten fallen alle moumlglichen Wesen auf gewisseWeise unter ihrem Begriffeldquo3 Denn es ist unmoumlglich einerSache Dasein zuzuschreiben welcher das Vermoumlgen da zu seingebraumlche4 bdquoWenn also von jeher ein Vermoumlgen zu wirkenhervorzubringen zu erschaffen da war so muszligte auch vonjeher ein Vermoumlgen bewirkt hervorgebracht und erschaffen zuwerden da sein

415 Der Begriff der Materie als eines passiven Wesens aufdiese Art gefaszligt laumlszligt sich mit dem Begriffe des houmlchsten uumlber-natuumlrlichen Prinzips ohne Bedenken vereinigenldquo6 bdquoDas ersteund vollkommenste Prinzip faszligt alles Dasein in sich kann allessein und ist alles Wenn es nicht Alles sein koumlnnte so waumlre esauch nicht alles Taumltige Kraft und Potenz Moumlglichkeit undWirklichkeit sind in ihm also ein unzertrenntes und unzer-trennliches Eins Nicht so die andern Dinge welche sein undnicht sein so oder anders bestimmt sein koumlnnen Jeder Menschist in diesem Augenblick was er in diesem Augenblick seinkann aber nicht Alles was er uumlberhaupt und der Substanz nachsein kann Was Alles ist was es sein kann ist nur ein Einzigeswelches in seinem Dasein alles andre Dasein begreift Dieuumlbrigen Dinge sind nur was sie sind und jedesmal sein koumlnneneinzeln besonders in einer gewissen Ordnung und Folgeldquo7

bdquoDiese Materie welche den unkoumlrperlichen wie den koumlrperli-chen Dingen zu Grunde liegt ist daher ein mannigfaltiges We-sen insofern es die Menge der Formen in sich schlieszligt in sichbetrachtet aber schlechterdings einfach und unteilbar Sie istalles was sein kann in der Tat und auf einmal und weil sie

1 Materie allgemein allgemeinen Materie Korr im Ms2 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 233 Ebenda S 23-244 Vgl ebenda S 245 Am Rande r o Verweis auf V Vorlesung und Verweis auf Paginie-

rung S 216 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 24-257 Ebenda S 25-26

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alles ist kann sie nichts insbesondere seinldquo1 bdquoSie ist (in ihrerIdentitaumlt mit der absoluten Form) das formelle Wesen vonallem ohne doch selbst eine Form zu haben Was sehen wirselbst in der Natur der Materie vor unsern Augen alles sein undwerden ohne daszlig wir sie nach einer der besondern Kontraktio-nen der Form benennen koumlnnte[n] Die Materie im houmlchstenVerstande nimmt also Formen an ohne durch eine dargestelltzu w[erden] Nullas habet dimensiones ut omnes habeat Aberjene Unendlichkeit von Formen nimmt sie nicht von einemandern und gleichsam nur aumluszligerlich an sondern sie bringt sieaus sich selbst hervorldquo2

Wenn nun aber alles eine gemeinschaftliche Ursache3 vor-aussetzt und diese Ursache der innre Grund das innre wesen-hafte Prinzip der Dinge ist und dieses Prinzip selbst ebensodas materielle als formale oder geistige Prinzip und in dieserIdentitaumlt das allgemeine Prinzip aller Dinge ist so sind bdquoalleDinge der Substanz nach Einesldquo4 die unendliche Menge dereinzelnen Dinge in der Welt macht nur Ein Wesen aus bdquoAlleswas zu den Verschiedenheiten der Geschlechter Arten undEigenschaften gehoumlrt was durch Geburt Aufloumlsung Wechselund Wandel zum Dasein gelangt ist kein wahrhaftes Wesenund sein Dasein kein eigentliches Dasein 42 sondern es ge-houmlrt nur zu den Beschaffenheiten und dem Zustande des We-sens welches in sich Eins unendlich unbeweglich SubjektMaterie Leben Seele uumlberhaupt das allein Wahre und Guteistldquo5

bdquoWie unser Aufsteigen zu dem unendlichen Wesen so istsein Herniedersteigen zu uns Wir erzeugen durch Zusammen-fassen des Mannigfaltigen Einheit des Begriffes das erstePrinzip erzeugt indem es seine Einheit entwickelt die Mannig-faltigkeit der Wesen Es nimmt aber dadurch daszlig es zahlloseArten und Geschlechter eine Unendlichkeit von einzelnenDingen hervorbringt fuumlr sich selbst keine Zahl kein Maszlig nochVerhaumlltnis an sondern bleibt Eins und unteilbar in allen Din-gen Wenn wir also einen einzelnen Menschen ansehen so

1 Ebenda S 30-312 Vgl ebenda S 31-323 Ursache Grund Korr im Ms4 Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 28 und

395 Ebenda S 41

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nehmen wir nicht eine besondre Substanz sondern die Sub-stanz im Besondern wahr

Demjenigen der unseren Betrachtungen bisher gefolgt istkann die Behauptung des Heraklit von der durchgaumlngigen Ko-inzidenz des Entgegengesetzten in der Natur welche alle Wi-derspruumlche enthalten aber zugleich sie in Einheit und Wahrheitaufloumlsen muszlig nicht mehr anstoumlszligig sein Von dieser Koinzidenzgibt uns nicht allein die Mathematik manche Beispiele undBeweise sondern wir finden ihre Wirklichkeit auch auf jedemandern Wege bestaumltigt Muszlig nicht das Principiatum [Angefan-gene] von seinem Principio [Anfang] allemal wesentlich ver-schieden seinldquo1

Die Idee daszlig Gott nicht bloszlig die aumluszligerliche sondern dieinnerliche Wesensursache der Welt damit der absolute Grunddas absolute Innre und Wesen der Welt selbst sei oder die Ideevon der Einheit der Welt mit Gott ndash eine Einheit die keinenSinn haumltte wenn der Unterschied zwischen Gott und Weltaufgehoben wuumlrde der Unterschied der notw[endig] zwischenihr als dem Principiatum und ihm als dem Prinzip stattfindet ndashdiese Idee war es die in Jordano Bruno die Idee von der Un-endlichkeit der Welt erzeugte die er mit aller ihm so eigen-tuumlmlich[en] Kraft der Begeisterung [vertrat] und ihn zu einemgenialen2 Anhaumlnger und Verbreiter des kopernikanischen Welt-systems machte indem [er] mit diesem System als Folge dieVorstellung von geschlossnen Welten leicht verknuumlpft unddiese Vorstellung der Unendlichkeit der Welt auf eine sinnli-che die Phantasie erregende Weise dem Menschen zu Gesichtebringt3

1 Ebenda S 43-44 ndash Am Rande Side [] in Text2 genialen begeisterten Korr im Ms3 indem bringt welchem er Folgerungen machte die eigentlich auf

spaumlter allgemeine [] und so zur allgemeinen Anschauung derMenschheit brachte Korr im Ms Unsichere Transkription

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VI Vorlesung [Bruno Descartes]1

43 Den Anfang der neuern Philosophie verlegten wir nachItalien und fanden ihn in dem Pantheismus des Jordan[o] Bru-no von Nola so daszlig2 wir den fruumlhern Ausspruch die Natur-philos[ophie] ist der Anfang dahin modifizieren koumlnnten derPantheismus ist der Anfang der neuern Philosophie DieserBestimmung des Anfangs tritt eine andere Auffassung gegen-uumlber die besonders in der Hegelschen Schule sich geltendmacht So hat Erdmann in s[einem] bdquoVersuch einer wissen-schaftl[ichen] Darstellung der Geschichte der neuern Philoso-phieldquo welches auch den besondern Titel hat bdquoDarstellung undKritik der Philos[ophie] des Cartes[ius]ldquo den Satz ausgespro-chen daszlig das Cartesische System das erste in der Geschichteder neuern Philosophie sei indem er den Protestantismus (inder allgemeinen uneigentlichen3 Bedeutung daszlig er sei dasProtestieren des Bewuszligts[eins] gegen alles was nicht durchdas Bewuszligts[ein] fuumlr es vermittelt und gegeben ist gegen allesAumluszligerliche Positive Traditionelle) als den allgemeinen Cha-rakter der neuern Philos[ophie] bezeichnet und demzufolgebehauptet daszlig nur das System der Anfang sei in dem der Ge-gensatz zwischen dem Bewuszligtsein und Dasein dem Ich undder Auszligenwelt bestimmt ausgesprochen sei4 Dies ist5 bei Car-tes[ius] der Fall6 Also

Allein dagegen ist einzuwenden Schon a priori laumlszligt sichfestsetzen daszlig der Anfang nie der Gegensatz der Unterschiedsondern stets nur die Einheit sein koumlnne Der Gegensatz setzt apriori seinem Begriffe seiner Natur nach die Einheit voraussie muszlig also auch in der Zeit ihm vorangehen Im Anfangekoumlnnen die Elemente nicht so bestimmt so entschieden so

1 So auch A2 Im Ms folgt gestr man sich3 Im Ms folgt gestr Bede[utung]4 Vgl J E Erdmann Darstellung und Kritik der Philosophie des

Cartesius nebst einer Einleitung in die Geschichte der neuerenPhilosophie In Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung derGeschichte der neuern Philosophie 1 Bd 1 Abt Riga ndash Dorpat1834 S 99

5 ist [so auch A] sei Ms6 Vgl J E Erdmann Darstellung und Kritik der Philosophie des

Cartesius hellip a a O sect 21 S 269-270

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different sein als sie es im Laufe der spaumltern Entwicklungnotwendig werden Die Menschheit beginnt uumlberall in und mitder Einheit Sie muszligte mit ihr auch in der Philosophie begin-nen und sollte dies Eine im Anfang selbst nur ein Glied desGegensatzes sein welches mit Ausschluszlig des andern allein denGeist erfuumlllte Diese apriorische Notwendigkeit tritt uns nun inItalien als wirkliches Faktum vor die Augen und wir sind alsodoppelt gezwungen Italien als den Boden zu erkennen wo derSame der Philosophie aufging Denn der Grundcharakter deritalienischen Philosophie liegt in der Idee oder Anschauung derEinheit die sie durchdrang erfuumlllte und begeisterte

44 Bruno sprach sie fuumlr jeden der Ohren zu houmlren hat un-verkennlich als ein System des Pantheismus aus in dem Ge-danken von der absoluten Identitaumlt der Dinge in ihrem Grundeund Wesen Aber die Einheit beherrschte nicht weniger denzweiten groszligen Denker ndash den Campanella und kommt bei ihmnicht nur in der Grundidee seiner Metaphysik sondern auch inandern Ideen zum Vorschein In der Grundidee darin daszlig erselbst all[en] Dingen allem was uns als bloszliges Objekt er-scheint Subjektivitaumlt zuschreibt ein offenbarer Beweis daszlig derMensch sich also hier noch nicht so getrennt hat von der Weltund entzweit mit ihr wie spaumlter daszlig der Geist sich nicht imGegensatze gegen die Natur und die Natur im Gegensatze ge-gen sich erfaszligt und bestimmt hat Alles ist dem Italiener belebter kennt keinen Tod kein seelenloses Objekt keinen reinenGegensatz des Lebens des Geistes die Auszligenwelt repraumlsen-tiert ihm selbst sein Innerstes er findet in ihr keinen Abbruchvon sich1 In den besondern Ideen aber darin daszlig er sich gegenalle Sonderungen und fixen Unterschiede namentlich was dieSeele betrifft wehrt und straumlubt So polemisiert er gegen denGalen der die rationale zuumlrnende und begehrende2 Seele alsdrei besondere Fakultaumlten unterscheidet Aber es ist nur EineSeele Nur die Verschiedenheit der Objekte bringt den Schein

1 Am Rande Mundus totus est sensus vita animus Ferner adfirmare

licet mundum esse animal totum sentiens omnesque portiones eiuscommuni gaudere vita [Die ganze Welt ist Gefuumlhl LebenGeist Ferner Man kann behaupten daszlig die Welt ein lebendes We-sen ist das alles fuumlhlt und dessen Teile alle gemeinsam sich des Le-bens erfreuen] [T Campanella De sensu rerum et magia Francofurti 1620 lib I cap IX S 36]

2 begehrende empfindende A

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hervor als waumlren viele Seelen und die Seelen der Tiere we-sentlich verschiedener Art Alle Handlungen und Wirkungenkommen nur von einer und derselben Seele Selbst die sinnli-che Begierde ist der Vernunft nicht entgegengesetzt und unver-nuumlnftig denn sie hat einen vernuumlnftigen Zweck und sie wirdnur durch den Anblick der Schoumlnheit erweckt aber die Wahr-nehmung der Schoumlnheit ist eine Handlung oder Sache der Ver-nunft Ebenso ist die zuumlrnende oder leidenschaftliche Seeleauch die vernuumlnftige denn sie sinnt nicht auf Rache wenn sieeiner beleidigt hat wenn er es nicht freiwillig getan hat undwenn der Beleidiger fuszligfaumlllig um Verzeihung bittet so besaumlnf-tigt sie sich leicht indem sie [ihn] nicht fuumlr verachtet ansiehtEbenso polemisiert er gegen die Annahme verschiedner SinneSo sagt er im 17 cap bdquoDie Verschiedenheit der Objekte be-weist keineswegs das Dasein verschiedner Sinne sondern nurverschiedener Arten und Weisen des Empfindens DieselbeWaumlrme die als Objekt des Gefuumlhls Waumlrme heiszligt heiszligt alsObjekt des Auges Licht als Objekt des Gaumens1 GeschmackUnd es ist ein und derselbe Lebensgeist der alle diese Objektewahrnimmt aber vermittelst verschiedner Organe gleichwiederselbe Mensch mit der Feder schreibt mit dem Messerschneidet mit dem Spaten graumlbt Wenn ich aufmerksam etwashoumlre so sehe ich nicht das 45 was an mir voruumlbergeht undwenn ich recht vertieft Jemand anschaue so houmlre ich nicht dieWorte dessen der mich ruft ndash ein Beweis also daszlig der Lebens-spiritus das gemeinschaftliche eine Prinzip alles Empfindensist der Brand wie dies2 hauptsaumlchlich in den Affekten sichtbarist in die Augen stroumlmt und sie feurig macht dann wieder nachinnen zuruumlckstroumlmt so daszlig die Extreme des Koumlrpers erkaltenwie z B im Zorn und ein Beweis daszlig das empfindende Prin-zip ein koumlrperliches bewegliches Prinzip istldquo3 Jenes Zusam-mendenken des Menschen mit den Dingen des Geistes mitdem Koumlrper jene Idee der Einheit kommt selbst in der Formdes groumlbsten Materialismus und Aberglaubens in den Koumlpfendieser Italiener in denen noch nicht der Geist des MittelaltersPlatz gemacht hat dem denkenden und pruumlfenden Geist zumVorschein Nur ein Beispiel bdquoDie Erfahrung lehrt daszlig ein 1 Gaumens Geschmacks Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr hoffen3 T Campanella De sensu rerum et magia hellip a a O lib II cap

XVII S 114-115

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unbewohntes Haus wenn es auch fest gebaut und in ganz gu-tem Stande ist eher altert und zusammenstuumlrzt als ein schlechtund leicht gebautes aber bewohntes Haus Denn der Menschist die wirkende die ideale und Zweckursache des HausesJede Wirkung wird aber durch die Gegenwart ihrer Ursachemehr belebt und im Wesen erhalten Das Haus w[ird] durchs[einen] Bewohner belebt und bleibt ohne ihn ein Kadaverldquo1

Daher auch die scheinbar widersprechende Erscheinung daszligwaumlhrend dem Camp[anella] alles Leben Gefuumlhl Bewuszligtseinist ihm die Seele selbst ein materielles Prinzip ein Spiritus einaumltherisches Fluidum nur ist Indem die Idee der Einheit undzwar der Einheit in ihrer Unmittelbarkeit nicht als durch denUnterschied und Kritik vermittelte Einheit die Grundidee die-ser ersten Periode der neuern Philosophie war so konnte dieseEinheit nicht die des gestaltenden sondernden und organisie-renden Begriffs sondern der alles in sich befassenden wie dergeduldige Raum alles ohne Distinktion in sich aufnehmendenAnschauung sein Mit Ausnahme des Jordan[o] Bruno in demsich das Licht von der Finsternis schied der Gedanke der Ein-heit in der reinsten Form sich aussprach obwohl er im Beson-dern selbst deutliche Spuren dieses Geistes in sich noch traumlgtlaumlszligt sich daher die erste Periode der Philosophie mit dem Cha-os vergleichen in dem alle Dinge noch ununterschieden inein-ander lag[en] πάντα ὁμὸςἦν [Alles ist einander gleich] Esfehlt alle Kritik alle Skepsis obwohl Camp[anella] die Zwei-felsgruumlnde des Pyrrho[n] im Anfang seiner Metaphysik vor-bringt2 Mit den trefflichsten feinsinnigsten philosophischenIdeen spukt3 in dem Kopfe eines Camp[anella] eines Car-dan[us] der altglaumlubige Sinn des Mittelalters mit allen seinenDaumlmonen Geistern Bildern Maumlhren und Zaubereien

Aber eben bei dieser Einheit konnte es sein Bewenden nichthaben Die wahre Einheit ist nur die aus dem Unterschiede undGegensatze wiederhergestellte und resultierende Einheit dieEinheit die nicht Ausgang sondern Ruumlckgang ist Es muszligtedaher zum Unterschiede zur bestimmten Scheidung der Ele-mente oder Momente der Einheit kommen Der Pantheismus

1 Zitat nicht nachgewiesen2 T Campanella Universalis Philosophiae seu Metaphysicarum

rerum juxta propria dogmata partes tres Parisiis 1638 lib I capIII S 30-31

3 spukt unleserl Korr im Ms

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schlieszligt keineswegs den Unterschied aus denn dann waumlre esein sinn- und verstandloses System Denn wo 46 kein Unter-schied ist ist kein Sinn und Verstand Er sagt nur Substanz istnicht der Unterschied sondern die Einheit Er leugnet nicht dasDasein des Unterschieds er leugnet nur daszlig der Unterschieddas wahre das letzte das prinzipielle substantielle Dasein istAber es ist notwendig ndash und keineswegs ist diese Notwendig-keit ein Widerspruch gegen den Pantheismus uumlberhaupt son-dern nur gegen den Pantheismus der die unmittelbare Einheitzu seiner Basis hat und daher auch mit einer Voraussetzungbeginnt die Einheit nicht genetisch aus dem Unterschiedeentwickelt ndash es ist notwendig ndash und diese Notwendigkeit liegtselbst in der Entwicklung des Pantheismus ndash daszlig der Unter-schied fuumlr sich selbst fixiert wird daszlig der Unterschied zu seinerBedeutung und Realitaumlt kommt namentlich der Unterschiedder beiden wesentlichen Ur-Momente der Identitaumlt des Geistesund der Materie Bruno leugnet keineswegs den Unterschiedzwischen Geist und Koumlrper sein Interesse ist aber nur zu er-kennen daszlig sie in ihrem letzten Grund und Wesen eine ge-meinschaftliche Basis haben er statuiert selbst Gegensaumltzeaber folgert gerade aus ihnen auf die Identitaumlt Die Philosophiemuszligte daher jetzt das Interesse haben oder die Aufgabe war ihrgestellt diesen Unterschied festzuhalten und zu sehen wasund wie ist der Unterschied wie unterscheiden sich Geist undMaterie Die Philosophie die diese Frage sich stellte und vonihrem Standpunkt aus loumlste ist die Philosophie des CartesiusDer Standpunkt des Cartesius ist der Standpunkt der Kritik derScheidung und Ausscheidung der Geist stellt sich auf diesemStandpunkt die Frage was ist mein was nicht mein was gehoumlrtmir an was gehoumlrt der Materie an wo houmlrt sie auf wo fangeIch an Aber eben deswegen kann man den Anfang der Phi-los[ophie] nicht mit seiner Philos[ophie] machen mit demStandpunkt der Kritik faumlngt die Menschheit nicht [an] Er istder Anaxagoras der neuern Zeit Alles war anfangs ὁμός Einsbeisammen unentschlossen aber da kam der Nοῦς der Ver-stand dazu der eben deswegen das Prinzip seiner Philosophie[wurde] nach welchem ihm daher auch die Alten schon denNamen des Nοῦςgaben und derNοῦς sonderte und schiedDieses πάντα ὁμὸςἦν [alles gleich sein] kann man aber eben-so auf den fruumlhern Zustand der griechischen Philosophie an-wenden wie auf die vorcartesianische Periode Mit dem Carte-sius die Philosophie der neuern Zeit anfangen [zu] wollen ist

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daher gerade so viel wie wenn man mit dem Anaxagoras nichtmit der Ionischen Schule den Anfang der griechischen Philoso-phie machen wollte Allerdings kann man sagen das Daseineines neuen antischolastischen abtruumlnnigen heterodoxenGeistes setzte Cartes[ius] erst auszliger allen Zweifel gab hiervoneinen sonnenklaren 47 Beweis denn seine Philosophie gabsich in einer Schule aumluszligerliche Existenz und erst die Cartesi-sche Schule stuumlrzte die Scholastik indem sie ins Leben trat unddie Katheder die allein diese in Beschlag genommen hattebesetzte Er setzte das Dasein eines neuen nur auf sich selbstsich verlassenden von allem Vorhandenen Geltenden Uumlber-lieferten abstrahierenden ja es als gar nicht vorhanden alsnichtig betrachtenden Geistes auszliger allem Zweifel und zwardurch seine Skepsis die ihn mehrere Jahre im Zweifel und inder peinlichsten Unruhe herumtrieb durch die1 Geringschaumlt-zung und Verachtung alles dessen was bisher in den Wissen-schaften namentlich in der Philosophie geleistet sei eine Ver-achtung die ihn zur Verzweiflung brachte und den Entschluszligeinfloumlszligte selbst die Wissenschaften wenigstens alle Buumlcher-gelehrsamkeit aufzugeben2 durch die Forderung die er aus-druumlcklich geltend machte daszlig man an allem wenigstens einmalin seinem Leben zweifeln muumlsse 3 durch die Behauptung diePhilosophie ist nicht sie muszlig erst erzeugt werden Und derMensch kann sie nur aus sich selbst schoumlpfen nicht aus Buuml-chern nicht von andern Alle Philosophen vor Cartes[ius] hat-ten die Autoritaumlt bekaumlmpft hatten geschuumlttelt und geruumlttelt andem was bisher unerschuumlttert dastand und als Fideikommiszligvon einer Hand in die andere ging hatten gezweifelt an demWert und der Wahrheit der vorhandenen Wissenschaft aberkeiner trieb den Zweifel so auf die Spitze machte das so zwei-felnde tadelnde unzufriedene kritisierende nur auf sich selbstsich verlassende nur aus sich selbst schoumlpfende Selbst oder Ichausdruumlcklich zum Prinzip Und insofern als Cartesius das wasdie fruumlhern Philosophen getan und vorausgesetzt hatten imStillen zum Bewuszligtsein und zur Gewiszligheit erhob laut undoffen aussprach das Dasein eines neuen seiner selbst gewissenphilos[ophischen] Geistes zu eine[r] sonnenklare[n] unleugba-

1 Im Ms folgt gestr Forderung2 Im Ms folgt gestr endlich3 Im Ms folgt gestr auszliger allem Zweifel

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re[n] Tatsache machte kann man1 allerdings mit dem Cartesiusden Anfang machen Die Menschheit muszlig wenn sie eine neueEpoche begruumlnden will mit der Vergangenheit brechen Siemuszlig voraussetzen das bisher Gewesene sei gar nichts Nur indieser Vorstellung des Nichtseins und der Leere entsteht ihr dieLust und Kraft zu neuen Taten Wer sich vorstellt2 er hat schonalles sucht und forscht begreiflicherweise nach nichts weiter3

Alle Anhalts- und Anknuumlpfungspunkte an das Vorhandne wuumlr-de[n] ihren Flug laumlhmen Sie muszlig daher zu Zeiten das Bad mitdem Kinde ausschuumltten sie muszlig ungerecht sein So war sie esgegen die Scholastiker und gegen Aristoteles namentlich Car-tesius und Baco waren es

48 Erst der spaumltern Nachwelt ist es aufbewahrt die Ver-kannten und Verworfnen wieder ans Licht zu ziehen und nachGebuumlhren zu schaumltzen wie wir sehen daszlig Plato und Aristotelesin neuern und neuesten Zeiten zu Ehren wieder kamen so ist esgegenwaumlrtig mit Hegel der Fall man ist mit blindem Hassegegen ihn eingenommen eine spaumltere Nachwelt wird ihn erstwahrhaft erkennen und zu schaumltzen wissen Aber es ist not-wendig daszlig jede Veraumlnderung mit dem Bewuszligtsein einerdurchgreifenden wesentlichen Reformation unternommenwerde daszlig die Gegensaumltze des Alten und Neuen mit der Schaumlr-fe des Gegensatzes von Sein und Nichtsein gegeneinanderauftreten So sagte Bacon von Verulam daszlig es jetzt ndash zus[einer] Zeit ndash das Heil der Wissenschaft nur von einer radika-len Wiedergeburt von einer Revolution die ihre unterstenGrundlagen erschuumlttere zu erwarten [sei] daszlig es sich um eineneue Basis neue Prinzipien der Wissenschaft handle denn daswuumlrde wenig die Wissenschaft foumlrdern wenn man das Neue4

auf das Alte pfropfen wollte5 und sprach daher als eine not-wendige Bedingung der Wiedergeburt der Wiss[enschaft] esaus daszlig der Mensch6 sich von allen Vorurteilen die bisher ihnerfuumlllt hatten so auch von dem Vorurteil das man fuumlr das Altehabe sich befreien seinen Geist zu einer tabula rasa machen

1 Im Ms folgt gestr ihn als den Anfaumlnger2 sich vorstellt denkt Korr im Ms3 weiter bessern Korr im Ms4 Neue Alte Korr im Ms5 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

Francofurti 1665 lib I Aph XXXI S 2826 Mensch menschliche Geist Korr im Ms

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muumlsse Mit einer solchen Skepsis am Vorhandnen am Positi-ven uumlberhaupt mit einer solchen Ausleerung und Purifikationdes Geistes begann nun auch die Philosophie des Cartesiusobwohl gleich von vorneherein1 er Ideen aufstellt von wel-chem ihm seine Gegner vorwarfen daszlig er sie aus Plato oderandern Denkern genommen habe die auch wirklich groszligeAumlhnlichkeit damit haben aber doch das Gepraumlge2 eigentuumlmli-che[r] Erzeugnisse seines Geistes an sich tragen so sind daszligallerdings C[artesius]3 aus s[einem] Standpunkt auf sie kom-men muszligte

C[artesius] erzaumlhlt selbst in s[einer] Schrift bdquoDe methodoldquos[einen] Entwicklungsgang Er war auf der Schule sehr fleiszligigsein Wissenstrieb beschraumlnkte sich nicht allein auf die ge-woumlhnlichen Schulgegenstaumlnde er las was ihm in die Haumlndekam nicht bloszlig die Klassiker In der Mathematik die ihmbekanntlich so viele Fortschritte verdankt hat er sich schon aufder Schule ausgezeichnet Aber am Ende seiner Schulstudienfand er sich in einer ganz andern Lage als er vor dem Studiums[ein] Wiss[en] erwartet hatte Ich sah mich in so viel Zweifelund Irrtuumlmer verwickelt daszlig all mein Lernen und Wissen mirzu nichts geholfen zu haben schien 49 als zur Einsicht meinerUnwissenheit4 Er faszligte daher den Entschluszlig keine Wissen-schaft in Zukunft mehr zu suchen er faumlnde sie denn entwederin sich selbst oder in dem groszligen Buche der Welt5 Demgemaumlszliglebte er denn auch eine Zeitlang in Paris bloszlig in jugendlichenAusschweifungen und den Vergnuumlgungen der vornehmen

1 Im Ms folgt gestr sich in ihm2 das Gepraumlge als Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr durch4 Am Rande Er fand nichts fuumlr [unbezweifelbar] [unbezweifelbar [so

auch A] unleserl Wort im Ms] gewiszlig in der Philosophie und nochungewisser als die Philosophie alle andern Wissenschaften weil sievon ihr ihre Prinzipien entlehnten und d[ie] Philosophie kam ihmvor wie ein Gebaumlude an welchem eine Menge verschiedner Bau-meister nach und nach gearbeitet und gebessert hatten dessen Teiledaher nicht zus[ammen]paszligten sondern vielmehr sich widersprauml-chen Es muszligte also ein neues Gebaumlude aufgestellt und von einemund demselben Kuumlnstler vollendet werden ohne daszlig dieser einschon bestehendes System zum Muster nehme [Vgl R DescartesSpecimina philosophica seu Dissertatio hellip In Opera philosophicaAmstelodami 1656 S 7]

5 Vgl ebenda S 1-7

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Welt Aber sein Geist lieszlig ihn nicht in Ruhe Er zog sich zu-ruumlck in die tiefste Einsamkeit versenkt in das Studium derMathematik und Philosophie Aber die Gegensaumltze die seinePhilosophie bewegen ndash der Materialismus und der Idealismus ndashbewegen auch sein Leben aus der Welt geht es bei ihm in dieEinsamkeit des Gedankens und wieder aus der Einsamkeit desGeistes in das Getuumlmmel der Welt So sehen wir denn denCartes[ius] wieder aus s[einer] Einsamkeit heraustreten und aufdem Theater der Welt als Volontaumlr in Kriegsdienste tretenAber die1 Qual und Sorge des nach Gewiszligheit und Wissen-schaft verlangenden Geistes2 verlieszlig ihn selbst im Kriegsge-tuumlmmel nicht So als er einst in Neuburg an der Donau lag imWinterquartier als Freiwilliger unter den bayrischen Truppendie von Tilly kommandiert wurden3 ergriff ihn die Idee diePhilosophie umzuschaffen und ein neues sicheres Prinzip zufinden so lebhaft daszlig er ndash dieser stoische abstrakte Philosophndash eine Wallfahrt nach Loretto zur Mutter Gottes zu tun gelobtewenn sie zur4 Ausfuumlhrung dieser Idee ihren gnaumldigen Beistandleisten wollte Aber er kam noch lange nicht zu der Ruhe diedie Realisierung eines solchen Unternehmens bedarf wie imGeiste so hatte er sich auch im Leben noch nicht fixiert undhinlaumlnglich orientiert Er verlieszlig zwar die Kriegsdienste abermachte noch mehrere groszlige Reisen wo er einst auch eine Pro-be von seiner Geistesgegenwart und s[einem] ritterlichen Mutgab5 Er kam dann wieder nach Paris und balancierte hier wie-der zwischen den Gegensaumltzen des einfachen und geselligenmateriellen Lebens herum Aber endlich entschied er sich umallen Bande[n] des Lebens allen Anspruumlchen von Freundenund Bekannten zu entgehen so verlieszlig er selbst sein geliebtesVaterland und begab sich nach Holland wechselte aber auchhier einen Ort um den andern damit sein Aufenthaltsort nichtbekannt und er mit Besuch uumlberhaumluft wuumlrde 1 Im Ms folgt gestr Sorge2 nach Geistes Wissenschaftstriebes Korr im Ms3 Im Ms folgt lag4 zur ihn die Korr im Ms5 Am Rande Seine Reisen hatten jedoch keine andre Uumlberzeugung in

ihm hervorgebracht als s[eine] Buumlcher daszlig alles ungewiszlig sei ja erfand hier noch eine groszlige Verschiedenheit von Ansichten und Mei-nungen uumlber die mathematischen Gegenstaumlnde und zugleich tau-sendfachen Wahn des Aberglaubens von dem er sich schon laumlngstbefreit hatte

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Dieser an nichts Aumluszligerlichem haftende von den Banden desLebens die sonst den Menschen mit der Wirklichkeit verstrik-ken abstrahierende unruhige Zweifelgeist den wir schon imLeben des Cartes[ius] ausgesprochen finden 50 ist es nunmit dem Cartes[ius] auch die Philosophie umzugestalten suchtund jene Bewegung der Geister hervorrief die mit Recht Cou-sin eine unsterbliche nennt1 da jene rastlose produktive Taumltig-keit die im Gebiete der neuern Philos[ophie] sich zeigte undbis auf unsre Tage sich erstreckt jene allgemeine Bewegungverdankt allerdings dem2 Geiste des Cart[esius] seinen erstenImpuls

Cartes[ius] beginnt s[eine] Philos[ophie] mit dem ZweifelbdquoSchon vor vielen Jahrenldquo sagt er in der ersten Meditatio deprima philosophia bdquohabe ich wahrgenommen wie viele Taumlu-schungen und Irrtuumlmer ich schon von Jugend auf als Wahrhei-ten3 annahm wie ungewiszlig daher alles sei was ich spaumlter daraufbaute und deswegen mich von der Notwendigkeit uumlberzeugtdaszlig ich wenigstens einmal im Leben alles von Grund ausverwerfen und von den ersten Grundlagen an von neuem an-fangen muumlsse wenn ich je etwas Festes und Bleibendes in derWissenschaft begruumlnden wollte Um mich daher von den vielenVorurteilen die ich schon in der Kindheit wo ich noch nichtim gehoumlrigen Gebrauch meiner Vernunft war zu befreien muszligich alles was nicht vollkommen gewiszlig ist in4 Zweifel ziehenDas hauptsaumlchlichste Vorurteil ist aber der Glaube an die Exi-stenz sinnlicher Dinge Allein die Sinne taumluschen bisweilenund die Klugheit gebietet dem der uns auch nur einmal ge-taumluscht hat nicht viel Zutrauen zu schenken Uumlberdem nehmeich taumlglich im Traume mit dem lebhaftesten Gefuumlhl unzaumlhligeDinge wahr ohne daszlig sie doch existieren so daszlig ich daherkeine zuverlaumlssigen Kriterien habe um das Traumlumen vom Wa-chen zu unterscheiden Ich muszlig daher die Existenz der sinnli-chen Dinge bezweifeln und nicht bloszlig diese sondern auch die

1 Vgl V Cousin Uumlber Descartes und sein Verhaumlltnis zur Philosophie

in Frankreich aus dem Prospectus der Œuvres compl de Descar-tes publ per V Cousin 1824 In P P Royer-Collard V CousinN de Massias Religion und Philosophie in Frankreich Goumlttin-gen 1827 S 7-8

2 Im Ms folgt gestr Zweifel3 Im Ms folgt [so auch A] ich4 in auszliger Korr im Ms

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einfachen und allgemeinsten Gegenstaumlnde wie die koumlrperl[iche]Natur die Ausdehnung ja selbst auch die mathematischen Wahr-heiten weil sich schon viele in Betreff ihrer taumluschten fuumlr gewiszlighielten was sich nachher als irrig erwies vor allem aber deswegenweil in unserm Kopfe die Vorstellung eines allmaumlchtigen Gottes alsunseres Schoumlpfers eingewurzelt ist Denn wir wissen nicht ob er unsnicht so erschaffen hat daszlig wir uns immer selbst in dem was wirfuumlr das Gewisseste und Allerbekannteste halten1 taumluschenldquo2 Es istaber nicht hinlaumlnglich bloszlig zu zweifeln Ich muszlig vielmehr umdesto sicherer zur Gewissheit zu kommen alles woran ich zweiflefuumlr falsch ja fuumlr nichts fuumlr gar nicht existierend annehmen Aberindem ich so von allem ab- 51 strahiere alles was als ein andresgegen mich sich bestimmt mir aus dem Kopfe und Sin[ne] schlageals haumltte es gar keine Existenz indem ich alles in Zweifel setze undziehe so kann ich doch nicht das Zweifeln nicht das Denken ndash denndas Zweifeln ist ja Denken ndash bezweifeln nicht das Denkende nichtdie erste3 Person die in dem Cogito steckt nicht Mich als Denken-den bezweifeln Ich denke ich bin ist also unzertrennlich ist unbe-zweifelbar gewiszlig Cogito ergo sum ist die erste die allererste undgewisseste Erkenntnis4

1 halten gestr im Ms2 Vgl R Descartes Principia philosophiae Pars Prima In Opera

philosophica Amstelodami 1656 Abs I-VI S 1-23 Im Ms folgt gestr Ich4 Im Ms kein Absatz

Am Rande Der Zweifel des C[artesius] an der Existenz sinnlicher Dingeund der darauf gebaute Satz der natuumlrlich nicht so zu verstehen ist alsleugne C[artesius] daszlig man mit den Haumlnden halte und man mit denAug[en] farbig Dinge wahrnimmt sondern nur als die Frage Ist das wasmeinen Sinnen eine Realitaumlt [ist] auch fuumlr den Geist fuumlr die Vernunftauch in der Wahrheit eine Realitaumlt [Im Ms folgt ist] ndash eine Frage die sicheng anschlieszligt an die besondere Bedeutung die bei Cartes[ius] der Zwei-fel hat wie wir sogleich ersehen werden Der Zweifelsatz hat schon zuseiner Zeit viel Anstoszlig erregt und erregt es noch heute bei allen die be-fangen oder oberflaumlchlich diesen Satz uumlberdenken Die einen sind gleichfertig mit dem Satze Er ist ihnen eine Hyperbel der Abstraktion Wie oftdenken sie bei sich oder sagen es laut wie oft habe ich schon nicht ge-dacht wie es in jenen Xenien Schillers [F Schiller Musen-Almanach fuumlrdas Jahr 1797 Tuumlbingen 1797 S 292] heiszligt und bin doch gewesen jadie gluumlcklichsten Stunden meines Lebens waren vielleicht gerade die woich nicht gedacht habe andere sind gnaumldiger aber sie schuumltteln bedenklichden Kopf und verwundern sich houmlchlich

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VII Vorles[ung] [Descartes] 1

Der Satz Cogito ergo sum2 hat bei s[einem] Auftreten in dieWelt und spaumlter noch Anfechtungen aller Art zu bestehen ge-habt Man hat sich gewundert und noch mancher wundert sichnoch jetzt daruumlber wie man aus einem solchen Satze3 ein sol-ches Wesen und Aufsehen habe machen koumlnnen und als einebesondere Wahrheit als ein Prinzip ausgesprochen [hat] denndas sei doch klar daszlig wenn ich denke ich auch sei denn dasDenken setze ja das Sein voraus es sei eine einzelne Aumluszligerungoder Handlung des Seins und ganz natuumlrlich ergebe sich daherder Schluszlig oder versteht sich von selbst daszlig wenn ich denkeich auch sei Aber dies Resultat ergaumlbe sich auch aus jederHandlung4 Ich gehe spazieren also bin ich So hat schon Gas-sendi ein Zeitgenosse des C[artesius] der ein empirischerepikureischer Denker [war] den Satz des C[artesius] aufge-faszligt5 Der sinnliche Mensch begreift freilich nicht den Satz desCartes[ius] er schlieszligt vielmehr also Edo bibo ergo sum Ichesse ich trinke ich sehe ich rieche ich gehe spazieren alsobin ich Allein die Schluumlsse aus solchen Handlungen sind sehrprekaumlr Wenn man mir die Beine abschlaumlgt so kann ich nichtmehr spazieren gehen aber ich houmlre deswegen nicht zu seinauf wenn ich die Beine verloren habe Kann ich auch zu mei-ner sinnlichen Existenz des Essens und Trinkens nicht entbeh-ren so kann ich doch den Geschmack durch Krankheit odergeistige Anstreng[ung]6 verlieren so daszlig mir der Appetit ver-geht sie mir houmlchst gleichguumlltig werden und ich die Lust ver-liere aus der Handlung des Essens und Trinkens stante pedeauf mein Sein zu schlieszligen Ja es kann so weit gehen daszlig ichsie vielmehr als eine traurige Notwendigkeit ansehe als einenTribut den ich dem Magen einem laumlstigen Schmarotzertiere in

1 So auch A2 R Descartes Principia philosophiae Pars Prima In Opera philo-

sophica Amstelodami 1656 S 2-33 Im Ms folgt gestr der er einerseits ganz richtig sei aber sich von

selbst verstehe4 Im Ms folgt auch5 P Gassendi Disquisitio metaphysica seu dubitationes et instantiae

adversus Renati Cartesii Metaphysicam et responsa In Operaomnia T III Lugduni 1658 S 285 minus Im Ms folgt gestr Allein

6 Im Ms folgt den Geschmack

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mir einem zudringlichen Fremdling der sich ich weiszlig nichtwoher und wie Anspruumlche auf mich1 anmaszligt und was ich mitsaurer Muumlhe im Schweiszlige meines Angesichts verdiene alswaumlre es sein Eigentum in seinen unergruumlndlichen Schlund d iden Magen verschlingt bezahle um ihn zufriedenzustellendaszlig er mich meiner Wege ungeschoren gehen lasse Aus demEssen Trinken Spazierengeh[en] [] verliert der Mensch alsoleicht den Appetit zum Sein 52 er schlieszligt2 Ich habe einenMagen eine Gurgel aber auf sein Sein macht3 er praktischhieraus keinen Schluszlig Der Mensch kann im Uumlberfluszlig allersinnlichen Guumlter das Leben satt bekommen es kann ihm daswas sonst im Leben fuumlr das Reellste gilt als wertlos4 erschei-nen er kann daher bei sich selbst denken und fuumlhlen ich lebezwar aber mein Leben ist kein Sein ich will daher meinegleichguumlltige ja meine ekelhafte widerliche Existenz aufge-ben ich will dem Gassendi ndash allen Epikureern ndash zum Trotz undHohn der Welt durch einen Schuszlig in meinen Schaumldel einenerschuumltternden Beweis von der Nichtigkeit der bloszligen Existenzgeben ich will freiwillig mein Leben d h meinen Ekel mei-nen Widerwillen enden5 Denken wir uns in die Seele einesedlen6 Menschen7 hinein der den Verlust der Freiheit seines8

Vaterlandes nicht mehr uumlberleben mag etwa eines Cato9 undsehen wir wie dieser schlieszligt was sonst der gemeine Menschunmittelbar fuumlr eins mit s[einem] Sein haumllt woraus er mit pa-storalischer Wohlbehaglichkeit mit epikureischer Selbstgefaumll-ligkeit schlieszligt10 daszlig er ist11 mangelt mir zwar nicht aber mir 1 Im Ms folgt gestr macht2 also schlieszligt Im Ms gestr und unleserl korr3 Im Ms daruumlber unleserl Erg4 als wertlos fuumlr Nichts Korr im Ms5 es enden bei sich fuumlhlen und denken ich habe Alles und bin

doch Nichts ndash mein Sein ist Nicht-sein ich will daher auch nichtmehr existieren Ich vernichte mein Nichts ich werde SelbstmoumlrderIm Ms gestr und korr

6 Im Ms folgt gestr aber beschraumlnkten7 Menschen Helden Korr im Ms8 Im Ms folgt gestr Staates9 Vgl Plutarch Cato Minor In Plutarchus Chaeronensis opera

quae exstant omnia cum Latina interpretation Hernanii Cruserii Bd II Francofurti 1620 S 484-485

10 mit schlieszligt schlieszligt und fuumlhlt Korr im Ms11 daszlig er ist Ruumlckgaumlngig gemachte Streichung im Ms

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fehlt der Zweck die Idee meines Lebens der ich allein michbestimmt und geweiht habe mir fehlt die Vernunft der Sinnmeines Daseins die Freiheit war meine Seele mein Lebenmein Sein mit ihrem Verluste habe ich mich selbst verlorenich bin ein Nichts ein stinkender Kadaver ich habe keineKraft keine Aufgabe mehr als mein Nichtsein zu vernichtenmeine Existenz die nur noch eine Sinnentaumluschung eine Luumlgeein Betrug ist aufzuheben Ein solcher1 Selbstmoumlrder endetnicht sein Leben er endet nur seinen Tod denn er war schonvorher Nichts auch Der Mensch erklaumlrt nur ein Sein fuumlr Seindas mit seinen Interessen Zwecken und Tendenzen uumlberein-stimmt mit einem Worte mit seinem Denken ndash habe diesesauch einen noch so beschraumlnkten und endlichen Inhalt ndash uumlber-einstimmt Er2 verneint in s[einem] Gefuumlhle unzaumlhlige Male imLeben3 die Realitaumlt der sinnlichen Dinge jede Traumlne die eruumlber einen groszligen und schweren4 Verlust5 vergieszligt wischt ihmdie Farben an dem Gemaumllde6 der Natur mit welchen er sonstdie Dinge unterscheidet weg mit jedem dieser Schmerzens-hauche verschwindet und zerstaumlubt sich ihm die sonst so festeMasse der Auszligendinge die Sonne verliert fuumlr ihn ihre allbele-bende Kraft der Himmel sein entzuumlckendes Blau die Erde ihrlachendes Gruumln kurz alle Dinge verlieren fuumlr ihn ihre Kraftihre Wirkung ihre Bedeutung ihre Realitaumlt sie existieren nichtmehr fuumlr ihn ndash denn was ist Existenz ohne Wirkung ohne Kraftndash es vergeht ihm Sehen und Houmlren ndash sein Schmerz ist die Ne-gation der Dinge Nur die uumlberflieszligende aus sich herausstrouml-mende7 flatterhafte geschwaumltzige Freude versetzt ihr Wesennach auszligen zerstreut sich in die Dinge und macht sich lustig8

an den tausenderlei buntfarbigen Spielsachen die an demBaume der Natur haumlngen nur ihr scheint die Sonne nur ihrduften9 die Blumen bluumlhen die10 Baumlume Aber der mit finstremErnste in sich gekehrte Schmerz will von den Dingen nichts 1 Ein solcher Der Korr im Ms2 Er Der Mensch Korr im Ms3 in Leben durch sein ganzes Leben Korr im Ms4 einen schweren den Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr eines geliebten Gegenstandes6 Gemaumllde Tableau Korr im Ms7 aus sich heraus nach auszligen Korr im Ms8 Im Ms folgt gestr uumlber ihre Kraumlfte und []9 duften bluumlhen Korr im Ms10 bluumlhen die und Korr im Ms

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wissen fuumlr ihn haben sie keine Realitaumlt er verschmaumlht sie alseine 531 Eitelkeit Und die Freude selbst woher stammt sieWas bedeutet sie Nichts als den Ausdruck von der Harmoniedes Aumluszligern mit dem Innern als das Gefuumlhl der Wahrheit daszligder Mensch nur ein mit seinem Innern seinem Geiste seinemDenken identisches Sein fuumlr Sein haumllt Aber so elend und ver-blendet ist der Mensch daszlig er die Wahrheit die er tausendmalim Leben und in seinem Gefuumlhle bekraumlftigt verleugnet undnicht mehr erkennt so wie sie als Gedanke in ihrer Allgemein-heit seinen bloumldsichtigen Augen vorgehalten wird daher diemeisten auch die2 Wahrheit des Cartes[ianischen] Satzes ver-leugneten ob sie sie gleich in ihrem Gefuumlhle haben und beken-nen3 Es erhellt naumlmlich auf der Stelle daszlig das Denken in die-sem Satze nicht in dem Sinne genommen in welchem Sinnewir gar nichts gegen den Cartes[ius] einzuwenden wuumlszligtenauszliger etwa daszlig ein solcher trivialer Satz gar nicht zu einemPrinz[ip] aus dem sich etwas folgern lasse4 erhoben werdenkoumlnne5 daszlig man eben so gut von ihm aus auf das Sein uumlberge-hen koumlnne wie man aus jeder andern Handlung als einer ein-zelnen Aumluszligerung auf es schlieszligen koumlnne es erhellt vielmehrdaszlig der Sinn des Satzes ist [daszlig] nur das Denken allein mitAusschluszlig aller uumlbrigen Handlungen von welchen aus sonstdie Menschen auf dem Standpunkt der gemeinen Sinnlichkeitsich als seiend erschlieszligen die Gewiszligheit des Seins in sichschlieszlige ndash nur das mit dem Denken identische Sein ist gewis-ses untruumlgliches konstatiertes unzweifelhaftes [] unabson-derliches Sein6 Denn das Denken allein ist von mir unabson-derlich Cogitatio sola a me divelli nequit7 von allem kann ichabstrahieren ndash vom Essen Trinken vom Sehen HoumlrenSchmecken und folglich auch von ihren Gegenstaumlnden ndash vonden allgemeinen mathematisch[en] Gegenstaumlnden selbst kann

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 27 und VII Vorles[ung]2 daher die wie er es auch mit der Korr im Ms3 Im Ms folgt gemacht hat Fehlt in A4 Im Ms folgt gestr sich5 werden koumlnne lasse Korr im Ms6 nur Sein eine Auffassung des Denkens die eben deswegen

Anstoszlig erregt obgleich unbewuszligt alle Menschen mehr oder weni-ger diese Wahrheit bestaumltigen und praktisch ausuumlben Korr im Ms

7 R Descartes Meditationes de prima philosophia hellip In Operaphilosophica Amstelodami 1657ndash1658 Meditatia secunda S 11

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ich abstrahieren ohne daszlig ich aufhoumlre zu sein1 aber vom Den-ken kann ich nicht abstrahieren2 ohne daszlig ich aufhoumlre zu seinnur im Denken bin ich meiner selbst gewiszlig und versichert nures ist meine Bejahung und Selbstbekraumlftigung es ist also einsmit meinem Sein Cogito Sum ist identisch Du entgegnestmir Aber ohne Essen kannst3 Du auch nicht sein Aber hieraufgebe ich Dir die kategorische Antwort Das Sein welches eineunmittelbare Wirkung des Essens oder Trinkens und in Aus-duumlnstungen und Blaumlhungen taumlglich wieder von mir geht dasmit der Bestie identische Sein halte ich auf diesem Standpunktwo es sich nicht vom Sinnlichen uumlberh[aupt] noch von mei-nem sinnlichen sondern um uumlbersinnlich[es] Sein handelt garnicht fuumlr mein Sein Und dann kann ich nicht freiwillig desHungertodes sterben Wie koumlnnte ich aber das Essen und dasmit ihm zus[ammen]haumlngende Sein von mir excernieren [aus-sondern] und verneinen und wie koumlnnte ich von ihm abstrahie-ren wenn ich nicht von ihm abstrahieren koumlnnte es4 nicht vonmir abtrennbar und unterscheidbar waumlre wirklich also nichtmein gewisses mit mir identisches Sein waumlre Der Entschluszlignicht mehr zu existieren dieses Denken dieses Wollen meinesEndes5 diese Macht6 der Verneinung meiner sinnlichen Exi-stenz diese Kraft7 der Unsinnlichkeit die Kraft des Denkens8nur diese ist meine Realitaumlt mein Sein Nur wenn diese nichtist bin ich nicht Aber entgegnest Du mir wieder ich kann Dirja auch das 54 Denken nehmen Du9 brauchst10 nur11 einebetaumlubende Substanz etwa ein Glas Opium12 auszuleeren umdamit ein Pereat [Sie moumlge untergehen] Deiner Denkkraftzuzutrinken Allein Du taumluschst Dich von dem bloszligen Scheinegeblendet Das Denken koumlnntest Du mir nur entreiszligen wennich noch uumlbrig bliebe nachdem das Denken weg ist wenn ich 1 Im Ms uumlber der Zeile unleserl Erg2 Im Ms folgt gestr es ist3 Im Ms folgt gestr ich4 Im Ms folgt gestr mit5 Im Ms folgt gestr ist meine Position [] meiner gemaumlszlig6 Im Ms folgt gestr diese Kraft7 diese Kraft die in Wahrheit die Kraft des Denkens Korr im Ms8 die Kraft des Denkens ist Korr im Ms9 Du ich Korr im Ms10 brauchst [so auch A] brauche Ms11 nur Dir Korr im Ms12 Im Ms folgt gestr einzugeben

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also den Verlust des Denkens so gut uumlberleben koumlnnte wie ichden Verlust meiner Beine und Haumlnde meines Gehoumlrs meinerSehkraft uumlberlebe wenn ich gleich dadurch defekt werde Daswas von mir nicht abgesondert werden kann ohne daszlig ichdamit selbst zugrunde gehe oder das mit dessen Verlust meinNichtsein notwendig verknuumlpft ist1 das ist wahrhaft unabson-derlich von mir So ist es nun in der Tat mit dem DenkenNimmst Du mir ndash was uumlbrigens nur eine bildliche uneigentli-che Redensart ist ndash das Denken so ist das was als Naturnach-laszlig von mir uumlbrig bleibt eine gleichguumlltige herrenlose SacheDu kannst damit machen was Du willst denn nur durch dasDenken ist das Ich ein Ich das Dies ein Dieses das Mein einMein So Dann2 waumlrst Du also eigentlich nur durch das Den-ken erst Herr und Besitzer Deines Leibes Allerdings Dukannst mir allerdings durch einen bloszligen Tritt auf meinen Fuszligoder einen Schnitt in3 mein Fleisch einen houmlchst empfindlichenBeweis geben daszlig dieser Leib den Du so beschaumldigt hastmein Eigentum ist aber wuumlrde dieser Schmerz diese besonde-re sinnliche Art wie ich meines Koumlrpers als meines bewuszligtwerde fuumlr mich selbst wenn nicht das Bewuszligtsein selbst dieabsolute und allgemeine Weise oder Form des Bewuszligtseinsdas Denken diese besondre Weise als eine Art unter sich sub-sumierte Tritt einen Ohnmaumlchtigen des Bewuszligtseins Be-raubten auf den Fuszlig und er wird nichts davon spuumlren OhneDenken bin ich darum Nichts Der Unterschied zwischen Seinund Nichtsein zwischen Etwas und Nichts ist nur das Bewuszligt-sein

Das Denken hat aber nun eine doppelte Bedeutung es isteine zweifache in sich selbst unterschiedne Kraft Es ist eineExpansions- und eine Kontraktionskraft Als Expansionskraftist es Kraft durch die wir uns uumlber uns selbst hinaus ausdeh-nen in Gegenstaumlnde in das Wesen uns vertiefen verlieren dieKraft durch die wir uns vergessen wie sich der Mathematikerder Philosoph vergiszligt Als Kontraktionskraft ist es die Taumltig-keit wodurch wir wir sind wodurch wir uns bejahen und set-zen wodurch wir andre von uns und von andern und den Din-gen unterscheiden wodurch wir Bewuszligte Selbste sind DieKraft des Bewuszligtseins ist nichts andres als die Kraft des Unter- 1 ist war Korr im Ms2 Dann [so auch A] das Ms3 in auf Korr im Ms

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schieds Die wenigsten Menschen reflektieren uumlber ihr Be-wuszligtsein es erscheint ihnen als etwas Fixes wie ein Zustandeine Eigenschaft sie verwechseln es mit ihrer Individualitaumltsie sehen nicht ein daszlig es nichts weiter als Denken ist Unddieses Denken durch das wir vermittelst der Sinne die Dingeihrer Existenz nach voneinander und uns von ihnen unterschei-den ist das bei jeder Sinnenwahrnehmung mitwirkend[e] denndie Sinne reichen zur Unterscheidung1 nicht hin ist allein2 dieGewiszligheit unsrer Exis[tenz] ja diese Gewiszligheit selbst ist unserSein Sein ist uumlberhaupt nichts andres als Gewiszligheit3

Das Denken nun in dem Cartes[ianischen] Satze ist das Den-ken in dieser letztern Bedeutung Ich kann mich unterscheidenund unterscheide mich wirklich von den Objekten namentlichden sinnlichen koumlrperlichen Dingen zu welchen 574 auchmein Koumlrper gehoumlrt und bin in diesem Misch-Selbst-Unterscheiden unmittelbar meiner als eines sich selbst von denDingen und dem Koumlrper Unterscheidenden und Unterschiednenbewuszligt und diese Selbst-Unterscheidungskraft dieses Be-wuszligtsein oder schlechtweg das Bewuszligtsein ist meine RealitaumltIch denke ndash denn unterscheiden ist Denken ndash Denken ist meinWesen ndash denn nur von ihm kann ich nicht abstrahieren ohneaufzuhoumlren zu sein ich bin Geist und dieses Geistsein ist meinunbezweifelbar gewisses Sein Die unbezweifelbare Realitaumltdes Geistes ndash aber nicht als ein Satz als ein Dogma sondernals ein wirklicher Actus dieser Akt des Denkens wodurch ichmich von allem Sinnlichen unterscheide und in diesem Unter-schiede mich selbst erfasse5 meiner gewiszlig und bewuszligt bin ndash istdas Prinzip der Philosophie

Das Ich in dem Cogito bei Cartes[ius] hat darum an sichurspruumlnglich in der Idee nicht die Bedeutung der Person desIndividuums des Ichs in dem Sinne in welchem einer6 auf dieFrage wer da antwortet ich wo das ich den Namen diesesMenschen vertritt obgleich C[artesius] auch von dieser Ideeherabsinkt und es spaumlter confundiert [vermischt] sondern eshat eine allgemeine Bedeutung die Bedeutung des Geistes

1 Unterscheidung unleserl Korr im Ms2 allein nicht Korr im Ms3 Im Ms kein Absatz4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 29 und VII Vorlesung5 erfasse erfasst Ms A6 in einer wie wenn drauszligen vor der Tuumlr Korr im Ms

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Daher1 der2 Vorwurf des Egoismus ein toumlrichter Vorwurf istund es auch ein ungeschickter zweideutiger Ausdruck istwenn man sagt dem Cartes[ius] habe sich zuvoumlrderst bdquodieUumlberzeugung von seinem eignen Daseinldquo3 aufgedrungen Wernur sein Denken als sein Eigen ansieht der hat nichts mehr zueigen kein eignes Dasein kein eignes Wesen sondern [ist]allgemeinen Wesens wie das Licht wie die Vernunft derGeist er hat die Dinge abgetan durch die [die] Menschen sonstals Iche sich voneinander trennen und ausschlieszligen Obwohlnur durch das Denken Ich als eigne Person das Eigentumuumlberhaupt im engsten und weitesten Sinne gesetzt ist so ist4

doch der Mensch der nur das Denken als sein Eigentum an-sieht kein eignes Ich er ist eins mit dem namenlosen Men-schen mit dem Menschen in uns allen denn er nennt ein Gutsein von dessen Genuszlig keiner ausgeschlossen ist das Jeder5

ohne Unterschied und Ausnahme sein nennt oder wenigstensnennen kann Unrichtig ist es auch wenn man behauptet wieneuerdings Kuhn C[artesius] habe die Gewiszligheit s[eines] Prin-zips6 gestuumltzt auf das Gesetz des Widerspruchs indem er sagedaszlig es unmoumlglich sei daszlig wir die wir denken nicht seiendenn es sei ein Widerspruch daszlig das was denkt zu derselbenZeit wo es denkt nicht existiere und daher etwas vorausge-setzt was fruumlher gewiszlig sei als sein Satz7 Das Denken bedeutetbei C[artesius] das Bewuszligtsein und das Bewuszligtsein ist ebendie8 unmittelbare Einheit zwischen Denken und Sein Ich den-ke oder [viel]mehr9 Ich denke mich Ich bin ist unzertrennlichWie sollte also das Bewuszligtsein 58 welches eben die unmit-telbare Gewiszligheit von der Einheit des Seins und Denkens istnoch eines besondern Grundes beduumlrfen um sich die Gewiszlig-heit zu verschaffen daszlig das Sein mit dem Denken verbunden 1 Im Ms folgt es2 der ein Korr im Ms3 Vgl P Gassendi Disquisitio metaphysica seu dubitationes hellip a a

O S 284-2904 ist hat Korr im Ms5 Jeder Alle Korr im Ms6 Prinzips unleserl Korr im Ms7 Vgl J Kuhn Jacobi und die Philosophie seiner Zeit Ein Versuch

das wissenschaftliche Fundament der Philosophie historisch zu er-oumlrtern Mainz 1834 S 67-68

8 Im Ms folgt un-9 [viel]mehr vielm[ehr] A

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sei Aber das widerspricht geradezu dem ganzen Geiste desC[artesius] C[artesius] stellt sich da wo er diesen Satz bdquoeswiderspricht sichldquo anfuumlhrt auszliger den Standpunkt hinaus aufdem er d[as] Cogito e[rgo] s[um] aussprach und fand wo er diewirkliche Handlung der Unterscheidung und des Selbstbewuszligt-seins ausdruumlckt wo das bdquoIch denke Ich binldquo schlechthin durchsich selbst gewiszlig ist er verobjektiviert diese1 Handlung re-flektiert daruumlber und fuumlhrt nun diesen allgemeinen und aumluszligerli-chen Grund der gar nicht mehr aus der Natur des Denkensgeschoumlpft ist nicht mehr der Bedeutung entspricht in derC[artesius] am Anfang das Denken nimmt denn der Grunddaszlig es sich widerspraumlche daszlig das Denkende in dem Augen-blicke wo es denkt nicht sei gilt von jeder sinnlich[en]Handlung es ist ein Widerspruch daszlig das was ist zu dersel-ben Zeit wo es ist nicht existiere Ebenso widerspricht dieBehauptung das der Satz C[ogito] e[rgo] sum eigentlich dieConclusio eines Schluszligsatzes sei der laute Alles was denktist nun denke ich also bin ich Waumlre dieses wirklich so sohaumltte der Satz gar keine Bedeutung Aber daszlig es ein Schluszlig istwiderspricht der Idee des C[artesius] geradezu denn in demObersatze Alles was denkt wuumlrde ja Cart[esius] das Denkenvon sich absondern und zur Bestimmung von auszliger ihm seien-den Wesen machen er wuumlrde das Denken in das Gebiet desBezweifelbaren und wirklich Bezweifelten versetzen er wuumlrdeaus dem Ungewissen also Gewiszligheit schoumlpfen wollen Selbstals Folgerungssatz betrachtet oder als ein allgemeiner Satz dererst aus dem speziellen Cogito ergo sum abstrahiert sei hatder Satz keinen rechten Sinn denn dann wuumlrde das Denken indem unbestimmten Sinne einer Eigenschaft oder Handlunguumlberhaupt genommen und das Sein2 in dem unbestimmtenallgemeinen Sinne wie es mit jeder Handlung als deren Vor-aussetzung verknuumlpft mit dem Denken verknuumlpft [werden] eswuumlrde ferner ganz dahin gestellt und folglich ungewiszlig seinwas das fuumlr ein Subjekt ist (in dem Satze das was oder alleswas denkt) welches denkt es koumlnnte dieses Subjekt am Endeauch der Koumlrper sein Aber das ist eben wieder ganz und gar imWiderspruch mit C[artesius] Nur der Geist istrsquos der denkt nurdieses und kein andres Subjekt nur Ich als Geist natuumlrlichdenke und dieses mein Denken ist selbst mein Sein ich gewah- 1 diese jene Korr im Ms2 Sein Denken Korr im Ms

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re es nicht als eines vom Denken unterschiednes1 so daszlig icherst durch einen Schluszlig durch Reflexion seinen Zusammen-hang mit dem Denken erkennte denn ich bin nur durch dasDenken was ich bin Geist Bewuszligtsein das Denken ist dasWesen des Geistes nicht eine Eigenschaft nicht eine Aumluszligrungwaumlre es nur dieses so waumlre mir natuumlrlich mein Sein im Denkennicht unmittelbar gewiszlig denn nur mit dem Wesen nicht miteiner Eigenschaft ist das Sein unmittelbar eins Vom Wesenlaumlszligt sich das Sein nicht absondern

Die Aufgabe des Cartes[ius] war den Unterschied des Gei-stes von der Materie zu begreifen deswegen muszligte er zwei-feln Der Zweifel war der notwendige Weg zur Erkenntnis desGeistes denn der Zweifel hat bei 592 ihm keine andre Be-deutung als die der Unterscheidung und Abstraktion Auf die-sem Wege fand er daher daszlig nichts Sinnliches nichts Koumlrper-liches zum Geiste gehoumlrt daszlig er immateriell ist daszlig dieseImmaterialitaumlt ndash denn die Immaterialitaumlt ist nur ein negativesein unbestimmtes Praumldikat ndash eben im Denken besteht3 ndash derUnterschied von der Materie lediglich die Selbstunterschei-dung das Bewuszligtsein ist der Wille die Imagination die Ge-fuumlhle sind daher dem Cartes[ius] nur Weisen nur Bestimmun-gen modi des Denkens denn auch in der Vorstellung in demGefuumlhle selbst einem sinnlichen Wahrnehmungsgefuumlhle neh-me ich mich selbst wahr unterscheide ich mich von den Din-gen bin ich meiner bewuszligt kein Gefuumlhl keine Vorstellungkein Wille ohne Bewuszligtsein ohne Denken es ist also das Factotum die allgemeine Einheit das allgemeine Wesen des Gei-stes Es ergibt sich ferner auf diesem Wege oder es ist nur eineweitere Explikation daszlig der Begriff des Geistes nicht abhaumlngtvon dem Begriffe irgendeines materiell[en] Dinges daszlig derGeist nur durch sich selbst d h durch den reinen Verstandnicht durch eine Vorstellung oder die Imagination gefaszligtw[erden] kann daszlig der Geist das Allerklarste und Begreiflich-ste ist ja daszlig seine Erkenntnis fruumlher und gewisser ist als dieirgendeines koumlrperlich[en] Dings daszlig ferner die Erkenntnis desGeistes mir ein Maszlig der Gewiszligheit in aller Erkenntnis ist daszligAlles was ich so klar und deutlich was ich in demselbenLichte schaue in welchem ich die Realitaumlt und das Wesen des 1 unterschiednes [so auch A] unterschiednen Ms2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 30 und VII Vorlesung3 besteht bestimmt Korr im Ms

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Geistes wahr ist daszlig also der reine der intellektuelle Begriffdem nicht das Dunkel und die Ungewiszligheit einer sinnlichenVorstellung beigemischt ist der wahre Begriff eines Gegen-standes der Begriff der mir die Buumlrgschaft gibt daszlig wahr seiwas ich mit ihm begreife1

1 Am Rande Der klare und deutliche Begriff ist dem C[artesius] der

rein geistige der mit dem Wesen des Geistes identische Begriff derBegriff dem nichts Sinnliches Materielles beigemischt ist welchesnach Cart[esius] das Ungewisse Undeutliche ist daher es demCart[esius] zufolge strenggenommen auch nur vom Unsinnlichenklare und deutliche Begriffe geben k[ann] Die erste Regel der Ge-wissheit die C[artesius] aufstellt naumlmlich daszlig das was ich klarund deutlich einsehe auch wahr [Im Ms folgt gestr und die er][ist] zieht er sogleich von dem Satz Cog[ito] ergo sum ab und gehtdann erst uumlber zur Bestimmung des Geistes Wir fuumlhrten sie zuletztan weil die Bestimmung der Klarheit und Deutlichkeit nicht in demSinne der gewoumlhnl[ichen] Logiken und Psychologieen sondern mits[einer] Auffassung des Geistes uumlberh[aupt] zus[ammen]haumlngt

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VIII Vorlesung1 [Descartes]2

Aber dieses Maszlig oder Prinzip der Gewiszligheit ist doch selbstnur noch ein subjektives es faumlllt ja nur innerhalb des Unter-schieds des Geistes von den Objekten hinein sein Bewuszligtseinist sein Unterschied von den Dingen was er also auch noch soklar einsieht was er selbst mit der Evidenz s[eines] Selbstbe-wuszligtseins behauptet und bejaht er bleibt doch in dieser evi-denten Klarheit in der Beziehung nur auf sich in dem Bewuszligt-sein seines Unterschieds von dem Objektiven Wie3 werde ichgewiszlig daszlig das was ich klar und deutlich einsehe auch wirk-lich objektiv wahr ist Wie komme ich zum Bewuszligtsein derExistenz der Realitaumlt von mir unterschiedner Objekte MeineRealitaumlt mein Bewuszligtsein besteht gerade nur in dem Bewuszligt-sein ihrer Unrealitaumlt wenigstens fuumlr mich besteht in meinerUnterscheidung 60 von ihnen ja wenn ich es gerade heraus-sage gerade in ihrer Negation4 denn der Geist ist unsinnlichdie Negation alles Sinnlichen und ich bin was ich bin nurdurch das Denken durch den Geist Wie komme ich also zudem Bewuszligtsein zu dem Glauben daszlig sie sind oder uumlberhauptwie werde ich gewiszlig daszlig meine Vorstellungen5 objektive Rea-litaumlt haben6 Offenbar nicht durch mich selbst durch meinSelbstbewuszligtsein noch durch die Dinge selbst denn sie sind javon mir unterschieden Ja beide Geist und Materie sind sichselbst radicitus [von Grund auf] entgegengesetzt ihre Attribu-te durch die7 sie das sind was sie sind schlieszligen sich geradezugegenseitig aus praumlzise das was das eine ist ist das anderenicht die Materie z B teilbar der Geist einfach unteilbar DerGeist wird daher in diesem Gegensatze gegen die Materie sei-ner Schranke seiner Endlichkeit sich bewuszligt denn er hat ja ander Materie sein Ende wo sie anfaumlngt8 ist er nicht aber imBewuszligtsein seiner Endlichkeit und der Endlichkeit der Materiewird er sich zugleich der Idee der Unendlichkeit bewuszligt ja das 1 Im Ms kein Absatz2 So auch A3 Im Ms folgt gestr ent4 Negation Negation A5 Im Ms folgt gestr etwas Rea[les]6 haben [so auch A] haben Ms7 die [so auch A] das Ms8 Im Ms folgt gestr houmlrt

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Bewuszligtsein des Endlichen setzt das des Unendlichen vorausUnd in dem Bewuszligtsein des unendlichen des nicht im Gegen-satze begriffnen ja des absolut gegensatzlosen Wesens wirddaher der Geist gewiszlig daszlig die Vorstellungen von den Dingennicht nur subjektiv1 gewiszlig sondern auch objektiv wahr sindwird er sich daher seiner2 Verbindung oder Einheit mit derMaterie gewiszlig Die Idee der Einheit ist das Prinzip3 der Ge-wiszligheit aller reellen und objektiven4 Erkenntnis5 wie uumlber-haupt das Prinzip alles realen Seins

Dies ist die Idee die bei C[artesius] zugrunde liegt indem ervon dem Prinzip der Gewiszligheit zu dem der Wahrheit von demsubjektiven Geiste zu dem objektiven oder absoluten Geisteund Wesen uumlbergeht Aber diese Idee faszligt Cart[esius] in ganzpopulaumlren theologischen Vorstellungen auf macht sich dabeider groumlbsten Inkonsequenzen6 und Nachlaumlssigkeit schuldig sodaszlig die Einwuumlrfe die man dagegen macht durch seine eignenschiefe[n] und unphilosoph[ischen] Ausdrucksweisen hervor-gerufen sind Er geht so zu Werke unter den Ideen die ich inmir finde finde ich auch die Idee eines absolut vollkommnenWesens Gottes in mir Diese Idee ist die vorzuumlglichste houmlch-ste wesenhafteste Idee denn ihr Inhalt ist selbst das Unendli-che sie ist zugleich die allerdeutlichste allerklarste denn siedruumlckt keine Einschraumlnkung keine Negation sondern reineRealitaumlt aus7 sie ist die absolute Idee die Idee aller Ideen dieUr-idee die alle anderen Ideen voraussetzen denn die Idee desUnendl[ichen] ist fruumlher in mir als die des Endlichen sie ist dieIdee κατ΄ἐξοχήν denn sie unterscheidet sich von allen andernIdeen wesentlich dadurch daszlig sie allein nur schlechthin not-wendige Existenz ausdruumlckt und enthaumllt Nur mit der Idee Got-tes ist die Existenz notwendig unzer- 618 trennlich verknuumlpftGott kann ich nicht denken ohne ihn als existierend zu denkensein Wesen und seine Existenz ist9 identisch waumlhrend sie bei

1 subjektiv [so auch A] subjektive Ms2 seiner der Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr aber4 aller objektiven und Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr aller Realitaumlt6 Inkonsequenzen Unkonsequenzen Ms7 aus ausdruumlckt Ms fehlt in A8 Am Rande r o Verweis auf VIII Vorlesung9 Im Ms folgt gestr allein

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allen andern Dingen unterschieden sind Gott denken und ge-wiszlig sein daszlig er ist ist identisch Idem est concipere Deum etconcipere quod existat Gott ist und die Gewiszligheit aller Er-kenntnis haumlngt daher von der Erkenntnis1 Gottes ab2 Die Artwie aber ein C[artesius] dies auffaszligt ist absolut unphiloso-phisch indem er solche subjektive menschliche persoumlnlichePraumldikate wie die Wahrhaftigkeit zu Praumldikaten macht be-hauptet daszlig Taumluschung Betrug eine Unrealitaumlt ausdruumlckefolglich nicht in dem absolut realen liegen koumlnne daszlig aberGott ein Betruumlger waumlre wenn er uns ein Erkenntnisvermoumlgengegeben haumltte das sich selbst im Evidentesten taumluscht wennunsere Uumlberzeugung von der Realitaumlt der Dinge die sich uns sostark aufdraumlngt keinen realen Grund haumltte und dglDie Frage wie wird der Geist der Existenz materieller Dingegewiszlig oder wie sind die subjektiven Vorstellungen zugleichobjektive reale haumlngt aufs innigste zusammen oder ist iden-tisch mit der Frage wie haumlngt der Geist mit der Materie dieSeele mit dem Leibe zusammen Denn nur durch meinen Leibwerde ich gewiszlig der Realitaumlt sinnlicher Dinge Die Schwierig-keit die3 namentlich auf dem Cart[esianischen] Standpunkt[besteht] die Verbindung beider zu begreifen ist demCart[esius] selbst nicht entgangen Denn beide sind unabhaumlngigihrem Begriffe nach sind sich radicitus entgegengesetzt unddoch sollen sie nun in ihrer Identitaumlt begriffen4 w[erden] bdquoSiemuumlssen ut unum quid [als eines] und zugleich ut duo diversa[als zwei verschiedene] gefaszligt werden duarum enim rerumconjunctionem concipere aliud non est quam illas ut unum quidconcipereldquo5 Einige Gedanken kommen allerdings bei C[arte-sius] vor die ihm einen Faden zur Verknuumlpfung beider an dieHand haumltten geben koumlnnen So sagt er vom organischen Leibedieser Koumlrper ist Eines unum et gewissermaszligen unteilbarindivisibile ruumlcksichtlich der Beschaffenheit und Anordnung

1 Im Ms folgt gestr alles2 R Descartes Epistola CXIII In Epistolae omnes Partim ab

auctore latino sermone conscriptae partim cum responsis doctorumvirorum ex Gallico translatae Pars tertia Editio secunda prioremendatior Francofurti ad Moenum 1692 S 367

3 die unleserl Korr im Ms fehlt in A4 begriffen eingesehen Korr im Ms5 R Descartes Epistola XXX In Epistolae omnes hellip Pars prima

a a O S 55

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s[einer] Organe die sich gegenseitig aufeinander dergestaltbeziehen daszlig wenn eines fehlt der1 ganze Koumlrper mangelhaftwird Er anerkennt also hier in der Materie als organischemKoumlrper eine der Materie wenn sie nur im Allgemeinen gedachtwird entgegengesetzte ihr abstraktes materielles Wesen ver-neinende Bestimmung die Bestimmung der Einheit2 und Un-teilbarkeit die er sonst nur dem Geiste zuschreibt3 Aber demGeiste kommt die Bestimmung der Unteilbarkeit nur4 als Be-wuszligtsein zu oder die Unteilbarkeit ist auf den Geist angewandtnur eine negative uneigentliche bildlich-materielle Bestim-mung diese negative in eine positive 62 dem Wesen desGeistes entsprechende Bestimmung verwandelt heiszligt sie undist sie Bewuszligtsein denn das Bewuszligtsein ist absolute Einheitmit sich ich kann es nicht teilen Aber auf die Materie ange-wandt ist sie eine sie vergeistigende dem Geiste befreundendeund annaumlhernde Bestimmung Hier war also C[artesius] aufdem rechten Wege5 Um begreifen zu koumlnnen die Vereinigungder Materie mit dem Geiste muszlig ich6 in der Materie selbstetwas gegen die Materie Strebendes etwas Negatives erken-nen wie umgekehrt auch in dem Geiste wenn ich lediglich beider positiven Bestimmung der Materie sie ist AusdehnungTeilbarkeit d h bei ihrem abstrakten Wesen stehen bleibe undsie7 so betrachte8 als waumlre dies ihre ganze einzige wahreBestimmung9 so ist es unmoumlglich einen Punkt zu finden andem man die Materie packen und mit dem Geiste in Verbin-dung setzen koumlnn[t]e Ebenso war Cart[esius] vom Geiste ausauch auf Gedanken gekommen die ihm die Schwierigkeiterleichtern konnten Er sagt bdquoDer Begriff der Seele ist ein reinintellektueller Begriff oder die Seele erfaszligt sich allein durchden reinen Verstand oder Gedanken der Koumlrper kann auchdurch den bloszligen Verstand gefaszligt w[erden] aber weit besser 1 der das Korr im Ms2 Einheit Einfachheit Korr im Ms3 Vgl R Descartes Passiones animae Gallice ab ipso conscriptae

nunc autem in exterotum gratiam Latina civitate donatae In Operaphilosophica Amstelodami 1656 Articulus XXX S 18

4 Im Ms folgt gestr ent5 rechten Wege [so auch A] Wege rechten Korr im Ms6 ich [so auch A] sich Ms7 Im Ms folgt gestr als8 betrachte betrachtet Ms A9 Im Ms folgt [so auch A] bestehen lasse

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durch den Verstand in Verbindung mit der bloszligen Einbil-dungskraft die Verbindung aber von Leib und Seele und wasdarauf sich bezieht kann nur dunkel durch den Verstand alleinoder in Verbindung mit der Imaginatio am klarsten aber durchdas bloszlige Gefuumlhl erfaszligt werdenldquo1 Hier war C[artesius] auf demWege im Geiste ein Medium selbst zwischen ihm und derMaterie zu finden denn das Gefuumlhl ist das wodurch der Geistgegen sich selbst negativ ist denn im Denken und Wollen istder Geist sich selbst bestimmend im Gefuumlhl ist er bestimmt imDenken ist die Seele2 bei sich Eines unteilbar3 in der Empfin-dung aber auszliger sich diffus wie wir ganz richtig sagen vorFreude verflieszligen vor Freude auszliger sich sein Man sagt dieFrage nach dem Zusammenhang der Seele mit dem Leibe seiunaufloumlslich Dies kommt nur auf die Weise4 an wie die Fragegestellt wird Wenn ich freilich bei der Seele im Allgemeinenstehenbleibe die Seele ist unsichtbar unausgedehnt der Koumlr-per ist materiell so muszlig ich allerdings die Haumlnde uumlber demKopf zusammenschlagen und ausrufen wie ist das moumlglichAber jede ungeschickte Frage macht eine Antwort unnoumlt[ig]Die Frage nach dem Zus[ammen]hang des Geistes mit derMaterie ist keine andere als die Frage nach dem Zus[ammen]-hang des Denkens mit dem Empfinden5 Aber C[artesius] hatte 1 R Descartes Epistola XXX In Epistolae omnes hellip Pars prima

a a O S 54-552 die Seele der G[eist] Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr aber4 Weise Frage Korr im Ms5 Am Rande Die Schwierigkeit reduziert sich also darauf die Emp-

findung abzuleiten aus dem Begriffe des Geistes Ist dies gefundenso [so hat Korr im Ms] ist das Medium zwischen Materie undGeist gefunden Die Empfindung ist das Mysterium die Quelle derMaterie selbst zwischen der Empfindung und dem Intellectus in derMitte liegt aber die Imaginationskraft die man sich aber nicht alseine eigne vom Denken abgesonderte Kraft [Im Ms folgt sich]vorstellen muszlig Derselbe Prozeszlig nun den wir [bei] uns erfahrenwenn der Gedanke in uns 63 sich zum Bilde entaumluszligert und als die-ses Bild ein Objekt unsrer Empfindung wird das uns ergreift ent-zuumlckt aufregt und so die Nerven affiziert und vermittelst dieserselbst ins Blut dringt derselbe Prozeszlig oder Weg ist es auf dem wirden Zus[ammen]hang des Geistes mit der Materie zu machen unduns zu denken haben Ebenso klar oder ebenso mysterioumls wennman will wie dieser Zus[ammen]hang der reinen Intelligenz mit derunmittelbaren Empfindung oder diese Entaumluszligerung des Gedankens

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nicht die Ruhe und allerdings auch nicht die Aufgabe die Seelein ihrem innern Unterschied bis in die Tiefe zu verfolgen erfaszligt nur die allen Bestimmungen der Seele gemeinsame Formdie naumlmlich daszlig sie in allen ihren Bestimmungen ndash allerdingsfuumlr sich im Unterschiede von den Objekten [sich] wahrnimmtbewuszligt ist er faszligt das Denken welches allerdings das univer-sale Wesen der Seele oder des Geistes die C[artesius] nichtuntersucht nur von seiner subjektiven nicht von der ihr auchentgegengesetzten Seite auf und statt nach Innen in den Geistden Blick zu wenden 63 geht er unmittelbar sogleich ohnesich nach einem Medium umzusehen zur Materie uumlber DieVereinigung des Geistes mit der Materie konnte daher bei ihmkeine andre als eine willkuumlrliche sein Es gehoumlrt nicht zumWesen der Seele daszlig sie mit dem menschlichen Koumlrper verei-nigt ist die Einheit ist daher nicht eine unitas naturae [Natur-einheit] sondern nur eine unitas compositionis [zusammenge-fuumlgte Einheit] d h ihre Einheit ist eine willkuumlrlich gemachtesie geht nicht mit Notwendigkeit aus ihrem Wesen und Begriffhervor Es ist nur Gott der sie ndash man weiszlig nicht warum ndash zu-sammengefuumlgt hat ndash eine Vorstellung die der Philosophieunwuumlrdig ist Etwas andres ist wenn man sagt Gott ist dasBand zwischen Materie und Geist nur das unendliche Wesenist als der Grund beider Gegensaumltze auch ihr reales Bandworin sie vereinigt sind obwohl auch dieser Satz nicht hinrei-chend ist denn man muszlig an der Materie selbst an dem Geisteselbst in ihrer Natur ihre Vereinigungspunkte finden aberwenn man es sich so vorstellt Gott hat beide zusammengefuumlgtso nimmt man zu dem bekannten Asyl der Ignoranz dem Wil-len Gottes seine Zuflucht womit man nichts Vernuumlnftigesnicht nur sondern auch eben viel Unvernuumlnftiges auch imhoumlchsten Grade der Idee Gottes Unwuumlrdiges gesagt hat Aller-dings liegt nun auch bei C[artesius] jene Idee zugrunde aberbei ihm schieben sich immer sogleich zwischen die Idee dieallerlosesten und unphilosophischsten Vorstellungen ein sohier zwischen die Idee des unendlichen Wesens als des realenMediums zwischen Geist und Leib die unangemeszligne Vorstel-lung des Willens der in Wahrheit statt ihre Verbindung zuerzeugen und damit begreiflich zu machen diese Verbindungunmoumlglich und unbegreiflich macht

in s[ein] Bild und die Empfindung ist ebenso klar und mysterioumls istauch der Zus[ammen]hang des Geistes uumlberhaupt mit der Materie

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In C[artesius] sind1 eigentlich nur zwei2 groszlige und philoso-phische Gedanke[n] der Gedanke des Cogito ergo sum nebstden unmittelbaren Folgen die sich in betreff des Geistes darananschlieszligen und der Gedanke daszlig die Idee des Unendlichenvorausgesetzt ist der Idee des Endlichen und daszlig die Idee desUnendlichen die Idee des Wesens ist welches unmittelbar dieExistenz in s[ein] Wesen faszligt obwohl auch diese Ideen ohnegehoumlrige Anwendung und Ausfuumlhrung bei ihm bleiben Es3

sind nur Blitze die ihn augenblicklich nur erleuchten um4

sogleich wieder den Nebeln der unphilosophischen Vorstellun-gen Platz zu machen Die Metaphysik war dem C[artesius]nicht sein Element er konnte es in ihrem Denken nicht langeaushalten wie er selbst in einem Briefe eingesteht ob er wohluumlberzeugt war daszlig sie die houmlchste Wissenschaft war Seinemetaphysischen Meditationen kommen einem so vor als 645

haumltte er nur in aller Eile und so gut als es anginge sein intelli-gentes Gewissen welches die Forderungen beunruhigten diedie Metaphysik an ihn als einen von der Wuumlrde und Wesenhaf-tigkeit derselben uumlberzeugten Kopf machten beschwichtigt6um [sich] dann um so ungestoumlrter und berechtigter an die Teiledes Wissens zu machen fuumlr die er mehr sich geschaffen hielt7Die Metaphysik war fuumlr ihn nur eine Kapelle in der er seineMorgenandacht verrichtete8 um dann den ganzen uumlbrigen Tagin seinem chemischen Laboratorium oder der Werkstatt derMechanik und Physik zuzubringen In der Mathematik PhysikDioptrik und Mechanik hat er groszlige Erfindungen gemacht oderdoch vorbereitet und veranlaszligt ob er wohl namentlich in derPhysik voreiliger Hypothesensucht nicht mit Unrecht huldigte9und sein Weltsystem bald durch das des Newton verdraumlngtwurde Es war jedoch nicht bloszlig eine Folge seiner subjektivenNeigung und Anlage fuumlr die Mathematik es war auch eineFolge seines metaphysischen Prinzips ja eine notwendige Fol- 1 sind [so auch A] ist Ms2 zwei Ein Korr im Ms3 Es Sie Korr im Ms4 um aber Korr im Ms5 Am Rande l o Verweis auf VIII Vorlesung6 Forderungen beschwichtigt Forderungen der Metaphysik an

seinen denkenden Kopf machten zu beschwichtigen Korr im Ms7 hielt [so auch A] hielte Ms8 verrichtete hielt Korr im Ms9 huldigte beschuldigte Korr im Ms

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ge desselben daszlig seine Anschauung von der Natur eine ledig-lich mathematische abstrakt-materielle nicht physikalischeAnschauung war bdquoAls die Materie der koumlrperl[ichen] Dingenehme ichldquo1 sagt Cartesius ausdruumlcklich bdquonur die Materie anwelche Gegenstand der Geometrie ist jene durchaus teilbarebildsame und bewegliche Materie welche die Geometer dieQuantitaumlt nennen und bringe bei ihrer Betrachtung nichts inAnschlag als2 diese Teilungen diese Figuren und Bewegun-genldquo3 Das Wesen der Materie und des Koumlrpers besteht dahernicht in s[einen] sinnlichen Beschaffenheiten sondern lediglichin seiner Ausdehnung in die Laumlnge Breite und Tiefe Das We-sen der Natur ist also die bloszlige Quantitaumlt Diese Betrachtungder Natur nun haumlngt aufs innigste mit seiner Metaphysik zu-sammen Fuumlr den nur von der Materie abstrahierenden und sichunterscheidenden ja diese Abstraktion diesen Unterschied alsseine einzig positive [Bestimmung] als sein Wesen erfassen-den Geist ist notwendig auch nur die abstrakte von der sinnli-chen Qualitaumlt abgezogne Materie die einzig reale Materie undals solche Objekt seines Denkens und Betrachtens Denn indieser Betrachtung und Anschauung der Materie als einer blo-szligen Quantitaumlt entaumluszligert sich nicht der Geist seiner selbst ervermengt sich hier nicht mit dem Schmutz der Materie erbleibt so bei sich selbst in der Abgezogenheit und Unterschie-denheit von der Materie Denn die Materie bloszlig betrachtetnach Groumlszlige Figur und Bewegung ist ja so nicht Objekt derSinne sondern nur Objekt des abstrakten mathematischenDenkens

654 Was ist hart weich suumlszlig bitter rot blau Das kann ichkeinem sagen und beschreiben es sind dunkle Vorstellungenes fehlt die Klarheit und Bestimmtheit durch welche eine Vor-stellung allein beschreibbar und mitteilbar wird wer es wissenwill5 muszlig es selbst fuumlhlen und fuumlhlen kann er es nur wenn ersich vermischt mit der Materie entaumluszligert versenkt in die Flu-ten der Sinnlichkeit Aber die Groumlszlige die Gestalt die Bewe-gung sind mitteilbare klare deutliche Vorstellungen sind

1 Im Ms folgt nur2 Im Ms folgt gestr ihr3 R Descartes Principia philosophiae Pars secunda In Opera

philosophica Amstelodami 1656 Abs LXIV S 55-564 Am Rande r o Verweis auf VIII Vorlesung und Paginierung5 Im Ms folgt gestr kann

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Begriffe keine Gefuumlhle Eine Maschine zu fassen dazu gehoumlrtnicht unmittelbare sinnliche Gegenwart und Anschauung ichbrauche nicht einmal die Augen aufzuschlagen ich kann sie inmeinem Kopfe mir konstruieren Diese quantitative Anschau-ung der Materie obwohl sie1 eine rein materielle oder mecha-nische Betrachtung derselben ist ist es also in der der von derMaterie abstrahierende Geist sich keine Gewalt antut sichnicht von sich entfremdet sondern bei sich selbst bleibt undwar daher die dem Cartes[ianischen] Standpunkt gemaumlszlige

1 obwohl sie obsie wohl Ms

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IX Vorles[ung] [Malebranche Geulincx] 1

Je weniger2 C[artesius] seine Ideen ausfuumlhrte und begruumlnde-te je3 leichter er sich die Loumlsung so vieler4 Schwierigkeiten5die sich dem darbieten der sich naumlher in s[einer] Philosophieumsieht machte so6 inkonsequent er auch verfuhr und je mehrer die wichtigsten7 Fragen wie die nach dem Ursprung derErkenntnis nach dem Zusammenhang des subjektiven Prinzipsder Gewiszligheit mit dem objektiven Prinzip der Erkenntnisuneroumlrtert lieszlig um so mehr trug d[ie] Philo[sophie]8 weiter dasBeduumlrfnis die Notwendigkeit einer gruumlndlicheren Ausfuumlhrungihrer Ideen in sich zumal da diese9 ihrer Beschaffenheit nachschon einer weitern Entwicklung nicht nur beduumlrftig sondernauch faumlhig waren (Die Philosophie des C[artesius]10 bedurftedaher nur eines empfaumlnglichen Gemuumlts eines11 aufmerksamenund konsequenten Denkers um ihre Luumlcken und Bloumlszligen zuenthuumlllen12) Als einer der13 dieses Beduumlrfnis in sich empfandund mit selbststaumlndigem Geist die Philos[ophie] ausbildetebegegnet uns zunaumlchst Nikolaus Malebranche (geb 1638)Mal[ebranche] geht wie C[artesius] von dem Gegensatz zwi-schen Geist und Materie aus er haumllt beide in den abstraktenBestimmungen fest daszlig das Wesen der Materie nur in derAusdehnung das des Geistes nur in der des Denkens besteheund zwar des Denkens nur in der Bedeutung des Bewuszligt-seins14 Beide sind als entgegengesetzte besondre Wesen beide 1 So auch A ndash Am Rande r Verweis auf IX Vorlesung ndash Im Ms kein

Absatz2 Je weniger So wenig Korr im Ms3 je [so auch A] so Ms Im Ms daruumlber gestr unleserl Erg4 je vieler so sehr er auch die Im Ms gestr5 Im Ms folgt gestr nicht loumlste oder uumlbersprang6 so Im Ms gestr7 und wichtigsten und die wichtigsten Korr im Ms8 Im Ms folgt gestr den Knoten der Entwicklung nicht mit zumal da

oder auch9 Im Ms folgt gestr an und fuumlr10 Die C[artesius] Die [] die C[artesius] ausgestreut hatte Korr

im Ms11 Gemuumlts eines Denkers wie Korr im Ms12 enthuumlllen [so auch A] verhuumlllen Ms13 der [so auch A] Denker Ms14 Im Ms folgt gestr der Subjektivitaumlt

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sind besondre Arten des Wesens1 Die Vorstellungen von denmateriellen Dingen kann daher der Geist weder von den Din-gen bekommen sie sind ihm ja entgegengesetzt ndash die Materieist nicht durch sich selbst sichtbar intelligibel sie ist dem Gei-ste ein absolut Andres Finstres und Dunkles ndash noch kann derGeist da er ja ebenso der Materie geradezu entgegensteht dieVorstellung materieller Dinge aus sich bekommen2 66 oder insich haben Die Seele erkennt3 ndash eine unleugbare Tatsache ndashallgemeine Wahrheiten sie erkennt das Besondere nur in undaus dem Allgemeinen das Endliche nur aus dem UnendlichenSo sehen wir alle sinnliche[n] Dinge ausgedehnt wir koumlnnenkein sinnliches Objekt wahrnehmen auszliger in der Idee Vor-stellung oder Anschauung der Ausdehnung Aller Wahrneh-mung ist daher die Idee der Ausdehnung des Raumes voraus-gesetzt der Raum die Ausdehnung oder die Idee derselben isteher in mir als die Idee der bestimmten ausgedehnten DingeDiese Idee ist eine allgemeine und unendliche Idee4 denn alleGeister schauen5 alle Dinge nur in ihr an Wie kommt nun dieseIdee in die Seele Die Seele ist als ein der Materie entgegenge-setztes Wesen ein besonderes ndash die Ideen oder Vorstellungensind Modifikationen Bestimmungen der Seele wenn ich6 eineVorstellung habe bin ich auf eine gewisse Weise modifiziertbestimmt Wie kann eine allgemeine7 eine unendliche Ideealso Modifikation eines besonderen Wesens sein wie in ihrihren Grund haben8 wie aus ihr kommen Es ist nur das allge-meine Wesen also das Wesen das schlechtweg Wesen ist dasWesen das in keinem Gegensatze steht9 das unendliche dasgoumlttliche Wesen in dem wir alle Dinge schauen Jede notwen-dige jede allgemeine Idee ist eine goumlttliche Idee Wie es aberallgemeine unendliche Ideen oder Anschauungen gibt wie die 1 Im Ms folgt gestr beide setzen daher voraus das Wesen schlecht-

weg das allgemeine Wesen das nicht dies oder das nicht ein derNatur entgegengesetzter Geist noch eine dem Geist entgegenge-setzte Materie sondern schlechtweg ist

2 kann bekommen kann er sie aus sich bekommen Korr im Ms3 erkennt hat Korr im Ms4 Im Ms unleserl Erg5 Im Ms gestr und unleserl Erg6 Im Ms folgt gestr ja7 Im Ms folgt gestr Idee8 ihren haben sein Korr im Ms9 steht stehen Korr im Ms

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unendliche Idee des Raumes in der wir alle Dinge schauen sogibt es auch allgemeine1 Vernunftwahrheiten Ich weiszlig z Bdaszlig zwei mal zwei vier ist daszlig man seinen Freund seinemHunde vorziehen muszlig und ich bin gewiszlig daszlig es keinen (ver-nuumlnftigen) Menschen gibt der es nicht ebenso gut wissen kannwie ich Nun erkenne ich aber diese Wahrheiten nicht in demGeiste der andern ebensowenig als sie sie in dem meinigenerkennen Es gibt also notwendig eine allgemeine Vernunft diemich und alle Geister beleuchtet Denn wenn die Vernunft dieich befrage nicht dieselbe waumlre die den Chinesen auf ihreFragen an sie antwortet so koumlnnte ich es doch offenbar nicht sobestimmt wissen als ich es wirklich weiszlig daszlig die Chinesendieselben Wahrheiten einsehen die ich einsehe Die Vernunftdie wir befragen wenn wir in uns gehen ist daher eine allge-meine Vernunft Ich sage wenn wir in uns gehen denn ichmeine nicht die Vernunft der ein leidenschaftlicher Menschfolgt Wenn einer das 692 Leben s[eines] Pferdes dem seinesKutschers vorzieht so hat er dazu wohl auch s[eine] Gruumlndeaber es sind nur besondere Gruumlnde vor denen jeder vernuumlnftigeMensch zuruumlckschaudert und die in Wahrheit unvernuumlnftigsind weil sie der houmlchsten oder allgem[einen] Vernunft diealle Menschen befragen widerstreiten

bdquoWenn es nun aber wahr ist daszlig die Vernunft an der alleMenschen teilnehmen allgemein ist wahr daszlig sie unendlichwahr daszlig sie ewig und notwendig ist so ist es gewiszlig daszlig sienicht von der Vernunft Gottes selbst unterschieden ist dennnur das allgemeine und unendliche Wesen enthaumllt in sich eineallgemeine und notwendige Vernunft Diese allgemeine Ver-nunft ist daher von Gott nicht unterschieden sie ist mit ihmvon gleicher Ewigkeit und Wesenheitldquo3 Gott ist nicht mehralso bloszlig wie bei Cart[esius] das Prinzip der Gewiszligheit er istalso nicht bloszlig ein Patent das sich der Geist4 ausfertigen laumlszligtum dann seine Gewerbe desto ungestoumlrter fuumlr sich auf eigneFaust fuumlhren zu koumlnnen er ist das reale Prinzip der Erkenntnisund Anschauung er ist die allgemeine Anschauung das allge-meine Gesetz die notwendige Vernunft das allgemeine Licht

1 Im Ms folgt gestr Wah[rheiten]2 Am Rande r o Verweis auf IX Vorlesung3 N Malebranche De la recherche de la veacuteriteacute hellip T IV Paris 1721

X Eclaircissement sur le livre III S 207-2084 Im Ms folgt gestr im Himmel

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aller Geister Maleb[ranche] nennt daher Gott den Ort der Gei-ster1

Es ist hier wesentlich gleich zu bemerken daszlig Ma-leb[ranche] unter Geist und Ich nichts anderes versteht als daseinzelne Ich das einzelne Selbst das Individuum2 SchonC[artesius] sinkt sogleich von der allgemeinen Bedeutung desIchs herab in die Bedeutung des Ichs als der IndividualitaumltC[artesius] ist eigentlich nur so lange Philosoph als er3 zwei-felt und die Philosophie sucht so wie er sich in ihrem Besitzduumlnkt so verliert er sie auch schon wieder und plumpst herun-ter in das Gebiet der bloszligen Vorstellung So lange Cart[esius]auf dem Standpunkt des Cogito ergo sum steht und nichts wei-ter tut als daszlig er analysiert was in dieser Wahrheit liegt denBegriff des Geistes daraus abstrahiert oder vielmehr darin fin-det ist er Philosoph aber sowie er weitergeht macht er es sichsehr kommod er versetzt den Geist in die Klasse der Erfahrun-gen selbst wovon er doch abstrahiert hat indem er von ange-bornen Ideen spricht identifiziert4 [er] den Geist mit sichdiesem Menschen und macht sich nun dadurch5 den Schluszlig aufdas Dasein eines unendlichen Wesens sehr leicht6 von demDasein eines Individuums als eines endlichen Wesens das alsonicht den Grund in sich haben kann ist der Uumlbergang auf dasDasein eines unend[lichen] Wesens Gottes sehr leicht In die-ser Bedeutung nun wie man auch im Leben den Geist das Ichversteht nimmt Malebr[anche] den Geist bei sich auf DieseVorstellung lag dem Malebranche um so naumlher als sein Kopf7

von theologischen besonders 70 Augustinischen Vorstellun-gen eingenommen worden in der Theologie aber das was 1 N Malebranche De la recherche de la veacuteriteacute hellip T III a a O

livre III part II chap VI S 3402 als das Individuums als das Ich im gewoumlhnlichen Sinne wo es

eins ist mit dem Individuum Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr sucht und4 identifiziert verwechselt Korr im Ms5 Im Ms folgt durch6 Am Rande Diese [Im Ms folgt gestr Verwechs[lung]] Identifikati-

on liegt sehr nahe denn das Ich hat hier konkret [hier konkret fehltin A] reale Existenz als Individuum weswegen beide zu unterschei-den sind Das Ich kommt nur durch das Denken zustande das Ichaber als bloszlig seiend vom Denken abgetrennt fuumlr sich betrachtet istIndiv[iduum]

7 Kopf Geist Korr im Ms

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man Geister Seelen auch wohl gar Intelligenzen nennt nichtsanderes bedeutet als die Personen menschliche1 Individuali-taumlten Maleb[ranche] nimmt den Geist also nicht in seiner Ein-heit mit der Vernunft obwohl Geist im houmlhern Sinne identischmit Vernunft ist Da Maleb[ranche] also den Geist abgetrenntvon der Vernunft denkt den Namen Geist auf das individuelleSelbst anwandte so war es ganz notwendig daszlig er den Ur-sprung der Ideen die allgemein und notwendig sind und derenDasein unleugbar nicht im Geiste des Menschen fand undfinden konnte sondern im Geiste Gottes denn nur dann koumlnn-ten diese Ideen im Geiste des Menschen ihren Grund habenwenn dieser Geist selbst allgemeiner Natur ist oder in seinerEinheit mit der Vernunft und die Vernunft in uns als allgemei-ne Vernunft als eine nicht nur subjektive Vernunft erkanntwird Alle Menschen die auf dem Standpunkt des Male-b[ranche] in dieser Beziehung stehen und die meisten denkensich unter Geist nichts anders als ihr Selbst muumlssen wenn siekonsequent sind wenn sie die Tatsache unendlicher notwendi-ger und allgemeiner Ideen gehoumlrig bedenken auf ein und das-selbe Resultat mit Maleb[ranche] kommen denn wollte mandieser Notwendigkeit damit entschluumlpfen daszlig man sagte alleMenschen haumltten gleiche2 Gesetze des Denkens so ist dies einebloszlige Ausflucht denn woher worin liegt diese Gleichheitdiese setzt eben selbst eine gemeinschaftliche allgemeine Basisvoraus

Aber die cartes[ische] Philosophie indem sie vom Ich aus-ging oder dieses ihre Idee war ob sie gleich d[as] Ich nicht ins[einem] idealen mit der Idee identisch[en] Begriff festhieltsondern es in s[einer] empirischen Gestalt eingefuumlhrt hattedamit kein andres Wort ausgesprochen3 als was der Weltgeistder neuern Zeit auf der Seele hat Die Philosophie betrachtetaber das in seinem Wesen seiner Wahrheit seinem Grundewas in den uumlbrigen Sphaumlren der Manifestation des Geisteseines Zeitalters4 nur als Wirkung als Folge als ErscheinungGegenstand ist So ist es ein wesentlicher Charakterzug derneuern Zeit daszlig der Mensch als Individuum sich fixierte und

1 menschliche [so auch A] menschlichen Ms2 Im Ms folgt gestr Anlagen3 Aber ausgesprochen Die Cartesische Philosophie indem sie vom

Iche ausging hatte damit nichts anderes ausgesprochen Korr im Ms4 eines Zeitalters Grunde was ein Zeitalter Korr im Ms

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Grundlage aller Forschungen Fragen und Interessen wurdeDer Grund des Individuums sein Wesen ist das denkende IchVon diesem nun ging C[artesius] aus Er erfaszligte daher denGeist seines Weltalters in seinem Grunde Aber das denkendeIch war bei C[artesius] nur ein Blitz nur ein Meteor das so-gleich in die niedere Atmosphaumlre herabsank und hier als 71irdisches Individuum niederfiel ndash in der Gestalt in welcher dasIch Objekt wurde in jeder nicht- oder auszliger-philosophischenAnschauung So1 war Montaigne 1533 geb in seinen Essais2

schon ein Portraumltmaler von sich selbst und Malebranche ver-denkt es ihm gewaltig daszlig er so viel von sich spraumlche machtihm daruumlber die groumlszligten Vorwuumlrfe So gab auch schon derItaliener Cardan[us] seine Individualitaumlt mit allen ihren furcht-baren Widerspruumlchen mit all ihren Schwaumlchen Fehlern jaLastern und Abscheulichkeiten ungescheut der Welt zum Be-sten Wie der Mensch als Kind sich fuumlrchtet wenn er sich indem Spiegel erblickt und vor dem Maler der es portraumltierensoll davonlaumluft so hatte der Mensch in der Befangenheit fruuml-herer Zeit religioumlse Scheu vor sich selbst3 dem Verbot desClemens4 sich5 im Spiegel zu betrachten kann man eine tiefreBedeutung geben und es als einen allgemeinen Ausdruck desbefangnen religioumlsen Geistes ansehen denn gerade dadurchdaszlig er so sich scheut ist er gerade ein subjektiver6 der Mensch 1 Im Ms folgt gestr ist es nicht unerheblich gab2 Vgl M E de Montaigne Les Essais de Michel Seigneur de Mon-

taigne hellip T I-III Paris 17253 Im Ms daruumlber unleserl Erg4 Gemeint ist der griechische Philosoph und Theologe Clemens Alex-

andrinus Titus Flavius (Clemens von Alexandria) und dessen erstechristliche Ethik (bdquoPaedagogusldquo) Vgl Clemens AlexandrinusContinens protrepticum ad Graecos et paedagogi In Titi FlauiClementis Alexandrini opera omnia Vol I Lipsia 1831 lib IIIcap 2

5 Im Ms A folgt nicht6 und subjektiver und dem Maler Mensch fruumlher eine religioumlse

Scheu ansehen Korr im MsAm Rande Dem befangnen religioumlsen Menschen der nicht philo-sophiert ist [nicht] das Ich im Sinne des Cartesius das Ich im Sinnedes denkenden Geistes sondern das ich als seine Person nur Ge-genstand [Im Ms daruumlber teilw unleserl Erg noch als Objekt []Objekt] und indem dieses ihm Gegenstand ist so entspringt ihm ge-rade der Trieb von diesem Ich sich wegzuwenden sich von sich zubefreien nicht an sich zu denken sondern nur an Gott Indem der

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Mensch so sich anschaut gewahrt er nur sein Elend sein Nichtsund dieses Nichts ist eben diese einzelne fuumlr sich fixierte Personmit ihren Schwaumlchen Fehlern Aber auf diesem Standpunkt w[ird]er nicht von sich frei denn der Standpunkt selbst ist schon Befan-genheit Beschraumlnktheit die [] liegt daszlig [Im Ms folgt gestr ihm]er sich Gegenstand ist wenngleich nur Gegenstand seines Mitleidsseiner Verachtung und Verabscheuung Eine solche von sich selbstwegfliehende und doch nicht von sich frei 72 werdende eine sol-che sich selbst quaumllende und durch Selbstqual sich von sich erloumlsenwollende und doch eben durch diese Tendenz nur in sich befangneungluumlckselige Subjektivitaumlt begegnet uns in einem juumlngern Zeitge-nossen des Cartesius in dem beruumlhmten Pascal Die wahre undeinzige Tugendldquo sagt Pascal bdquoist sich zu hassen [Im Ms unleserlErg] denn man ist haumlszliglich durch seine Begierdeldquo [Vgl B PascalPenseacutees de M Pascal sur la religion et sur quelques autres sujetsLa Haye 1743 Art XXVIII Penseacutees chreacutetiennes Nr 64 S 194]Es ist ungerecht daszlig man sich an uns anschmiegt mit Liebe ob esgleich freiwillig und mit Vergnuumlgen geschieht Wir enttaumluschen diein denen wir ein Verlangen nach uns erwecken denn wir sind nichtder Zweck der Person und haben keine Mittel in uns sie zu befrie-digen denn sind wir nicht stets zum Tode bereit und wuumlrden sie al-so nicht so den Gegenstand ihrer [ihrer unserer Korr im Ms] Zu-neigung verlierenldquo [Vgl B Pascal Penseacutees hellip a a O ArtXXVIII Penseacutees chreacutetiennes Nr 65 S 194] Wenn die Notwendig-keit ihn zwang etwas zu tun was ihm irgendwie Befriedigung ge-waumlhren konnte so hatte er eine bewunderungswuumlrdige Geschick-lichkeit seinen Geist so davon abzukehren daszlig er nicht daran teil-nahm z B als ihm s[eine] anhaltenden Krankheiten zwangen 73feine Speisen zu sich zu nehmen so gab er sich alle Muumlhe das nichtzu kosten (als etwas Wohlschmeckendes zu empfinden) was er aszligP[ascal] verbannte das Moi [mich] Diese Negation der Selbstheitist aber eine verkehrte und unvernuumlnftige daher gerade das Gegen-teil von dem was sie sein will sie ist die in sich befangenste Sub-jektivitaumlt Es erhellt daszlig wer sich jeden Genuszlig versagen will stetsauf sich ein Auge haben [Im Ms folgt gestr muszlig] stets an sichdenken stets es nur mit sich zu tun haben muszlig Er straumlubt sich ge-gen das Unvermeidliche gegen die Notwendigkeit Denn das ganzeLeben ist Genuszlig nur daszlig wir wegen seiner Ununterbrochenheit esnicht als Genuszlig fuumlhlen So ist das Atmen ein Genuszlig Daszlig es ein sol-cher ist erfahren wir wenn wir uns den Atem eine Zeit lang neh-men So ist das Gehen Laufen Genuszlig was wir erfahren wenn [ImMs folgt wir Fehlt in A] in einer verschraumlnkten Stellung unsreGlieder sich nicht bewegen koumlnnen Wer sich dem Genuszlig entziehtentzieht sich dem allgemeinen Leben reiszligt sich aus dem Ganzenheraus wird dadurch im houmlchsten Grade subjektiv Ja im Genuszlig

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war unfrei nicht seiner selbst bewuszligt Aber jetzt blickte derMensch mit Klarheit und Freiheit in den Spiegel er betrachtetesich wie1 ein anderes Wesen nahm ein objektives Interesse ansich aber er konnte sich auch war er von sich eingenommenmit Eitelkeit mit Interesse an sich wie ein Montaigne be-trachten Aber es ist nichts schlechter als zu moralisieren dieAufgabe ist den Menschen zu begreifen und darzustellen wieer ist und dieses wie er ist in s[einem] Grunde und Wesen zuerfassen Die Fehler sind nur verkehrte Tugenden es liegtihnen etwas Tiefes Gutes Positives zugrunde So auch in die-ser Richtung des Menschen auf sich selbst sollte sie auch ei-nen2 tadelswerten Charakter nehmen denn sie kam nur daherdaszlig der Mensch sich in s[einem] Wesen das3 Selbstbewuszligtseinals sein Wesen wenigstens sein naumlchstes Wesen erfaszligte Nurdie Idee von der Realitaumlt des Geistes des Selbstbewuszligtseinswar der houmlhere der wahre Grund daszlig der Mensch auch alsIndividuum sich Gegenstand wurde denn mit der Idee desSelbstbewuszligtseins mit der Erfassung des Geistes [hatte] dasBewuszligts[ein] sich als reell erfaszligt Das Individuum hat abereine mehrfache Existenz es muszligte daher von mehrern Seitenaus Objekt werden So wurde das Individuum als soziales oderpolitisches Gegenstand und Ausgangspunkt des NaturrechtsHobbesrsquo Naturzustand Grotius und Pufendorf nach ihm gingenvom Gluumlckseligkeitsprinzip oder richtiger der Selbstliebe ausSo wurde es als Empirisches Gegenstand und Ausgangspunktder Psychologie und der empirische Ursprung der Ideen undErkenntnisse selber wurde daher eine notwendige Folge denndas Individuum steigt nur vermittelst der Sinne zur4 Vernunftempor So wurde auch d[as]5 Individuum6 jetzt7 hauptsaumlchlicherst Objekt als religioumlses Objekt Der Mangel bei allen diesen72 war nur daszlig man das Individuum fuumlr sich fixierte bei ihm

w[ird] der Mensch mehr von sich frei als im Denken 74 an s[eine]Suumlndhaftigkeit sein Elend frei ist nur der der weder an s[eine] Tu-genden noch an s[ein] Suumlndenelend denkt Diese Freiheit ist alleinDemut

1 wie als Korr im Ms2 Im Ms daruumlber unleserl Erg Fehlt in A3 das sein Korr im Ms4 zur zum Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr religioumlse6 Im Ms folgt gestr als religioumlses7 Im Ms folgt d

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und folglich bei der Erscheinung stehen blieb es nicht aufseinen Grund zuruumlckfuumlhrte wo1 man uumlber es hinaus gekommenwaumlre sich nicht zur Philosophie erhob denn nur durch sie wirdman wahrhaft frei von der Individualitaumlt und gerade dadurchdaszlig2 man sie in ihrem Wesen erfaszligt Das Ich das philosophiertuumlberwindet seine Schranke es schlaumlgt geradezu in sein Ge-genteil um es bezieht sich auf einen Boden[] wo es [sich] ausdem Gesichte verliert es versenkt sich in dem Aumlther des Den-kens in die Anschauung des reinen unendlichen Wesens denndem Philosophen ist es an der Erkenntnis dem Objektivengelegen So sehen wir den Cartes[ius] auf eine freilich inkon-sequente dem Begriff des Cogito widersprechende Weise zurIdee des Unendlichen uumlbergehen So geht auch Maleb[ranche]vom denkenden Ich aus aber er verknuumlpft3 [die] Bedeutung derIndividualitaumlt4 aber nur um es aufzuheben und vielmehr seinBewuszligtsein zum Bewuszligtsein der goumlttlichen Substanz als seineres erleuchtenden Wesenheit als seiner Vernunft seiner An-schauung zu erheben Die Abstraktion von der Materie inwelcher das Ich als denkendes5 sich erfaszligt nimmt bei Ma-leb[ranche] aber einen Pascal-aumlhnlichen religioumlsen Charakteran Die Materie ist ein ungoumlttliches negatives Wesen die ma-teriellen Dinge sind die untersten der Wesen sich vom Sinnli-chen zu befreien ist daher die Tendenz des Geistes Alles wasdie Seele vermittelst des Koumlrpers erhaumllt ist fuumlr den Koumlrper DieMenschen sont faits pour penser [sind gemacht zu denken]denn sie sind fuumlr die Wahrheit bestimmt Mal[ebranche] hatdaher im Praktischen eine aumlhnliche Richtung mit Pascal aberda uumlber dieser praktischen Tendenz der freie Geist des Denkensbei ihm schwebte so verfiel er natuumlrlich nicht in diese asketi-sche ungluumlckliche befangne Subjektivitaumlt wie Pascal Wie diePhilos[ophie] des Cart[esius] in Maleb[ranche] einen mehrreligioumlsen Charakter annahm so in einem andern Schuumller des-selben Arnold Geulincx eine rigoristisch-moralische TendenzEr geht vom Denken in jener einseitigen Bedeutung und vomGegensatz der Materie aus Das Einzige was mein ist ist dasDenken Ich bin bloszlig Zuschauer dieser Welt ich kann nichts

1 Im Ms folgt gestr dan[n]2 Im Ms folgt gestr man sie anerkennt daszlig3 er verknuumlpft in einer Korr im Ms4 Im Ms folgt aus5 das denkendes das denkende Ich Korr im Ms

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auszliger mir hervorbringen denn wie koumlnnte ich auf das Materi-elle von dem ich streng unterschieden bin einwirken unsreWirkungen koumlnnen nicht uumlber uns hinaus die der Welt nichtuumlber ihr Gebiet ndash das Materielle hinaus denn wenn die Dingeauch in meinem Gehirn z B ein 73 materielles Bild hervor-bringen wie wird aus dem materiellen Bilde eine ideale gei-stige Vorstellung Gott ist es daher der im Geiste den materi-ell[en] Eindruumlcken entsprechende Wirkungen hervorbringt undumgekehrt den geistigen Bewegungen entsprechende Bewe-gungen im Koumlrper so daszlig wenn infolge eines Willensaktessich mein Arm bewegt diese Bewegung nicht von mir hervor-gebracht ist sondern Gott die Ursache dieser Uumlbereinstim-mung ist er der Leib und Seele Aumluszligeres und Innres auf einewunderbare unbegreifliche Weise miteinander zu einem Gan-zen harmonischer Wirkungen verknuumlpft hat Ich bin nur dieVeranlassung daszlig wenn ich dies oder jenes will diese oderjene entsprechende Bewegung erfolgt ebenso ist die Materienur die Veranlassung Occasio daszlig auf eine Bewegung in ihreine1 ihr entsprechende Bewegung in mir vorgeht Gott istallein die wahre Ursache Man nennt daher dieses System dasdes Occasionalismus welches Maleb[ranche] und Geulincxbesonders ausbildeten Aus diesen Praumlmissen entwickelt nun AGeulincx eine strenge rigoristische Sittenlehre eine Ethik desleidenden Gehorsams der unbedingten Unterwerfung unter dieGesetze die Bestimmungen des goumlttlichen Willens Wo Dubist das ist der Sinn s[einer] Ethik da bleibe verlasse nichtden Ort den Posten das Amt wo Du einmal hingestellt wor-den bist wenn es Dir auch nicht behagt wolle nichts aumlnderndurch Deinen Willen denn Du kannst nichts aumlndern es sindDir uumlberall die Haumlnde gebunden So schlaumlgt das Ich also in seindirektes Gegenteil in die haumlrteste Negation seiner selbst umOder die Anschauung seiner selbst ist unmittelbar die An-schauung seines Gegenteils Das2 Bewuszligtsein seines Denkensentaumluszligert sich sogleich in das Bewuszligtsein eines nicht-denkenden eines nur materiellen dem Denken entgegenge-setzten Wesens So schlug bei C[artesius] wie wir sahen derIdealismus sogleich in der Naturphilosophie um in reinen Ma-terialismus der Geist erblickt auf diesem Standpunkt in derNatur nicht ein befreundetes verwandtes Wesen ein Wesen 1 Im Ms folgt gestr harmo[nische]2 Das Mit dem Korr im Ms

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das wenn auch noch kein Bewuszligtsein wie er doch wenigstenseine Seele hat da er nichts Negatives in sich selbst findet soversetzt er das Negative auszliger sich er erblickt nur in der Ma-terie das Negative gegen sich Die Realitaumlt der Materie istdaher auf diesem Standpunkt keineswegs aufgehoben dennindem der Geist sein Wesen nur im Unterschied im Gegensatzzur Materie 74erfaszligt so ist ihm ja die Materie vorausgesetztund notwendig um sich von ihr zu abstrahieren und als Geistzu wissen

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X [Vorlesung]1 [Descartes Spinoza]2

Der Anstoszlig des Fichteschen Nicht-Ichs ist daher im Car-tes[ius] schon implizite enthalten3 Es ist daher auch nicht rich-tig wenn Cousin irgendwo ich glaube in seinem Prospectuszu C[artesius] behauptet daszlig die materialistische Tendenz diedie franzoumlsische Philosophie nach Cart[esius] annahm ihrenGrund in dem nach Frankr[eich] eingedrungnen Empirismusder Englaumlnder namentlich Lockersquos habe4 Die materialistischeund mechanische Anschauung von der Natur vom Lebenuumlberhaupt durfte nur abgetrennt von ihrem Zusammenhangmit dem metaphysischen Prinzip in welchem sie bei C[arte-sius] stand fuumlr sich fixiert werden um in bloszligen antimetaphy-sischen Materialismus uumlber[zu]gehen Und das ist uumlberhauptder geschichtliche Verlauf oder vielmehr Schicksal5 der philo-sophischen Systeme daszlig die Konsequenzen eines Systems diein ihm durch ein houmlheres Prinzip getragen werden isoliert 1 Am Rande l o Verweis auf X Vorlesung zwischen Randbemerkun-

gen und Text kein Absatz2 So auch A3 Am Rande Das Objekt der gestrigen Vorles[ung] war wie der

Mensch sich in d[er] [d[er] s Korr im Ms] neuern Zeit in s[einer]Selbstaumlndigkeit Realitaumlt und Wesenhaftigkeit erfaszligte wie das Indi-viduum als Individuum von d[er] Philosophie [erkannt] in den ver-schiednen Sphaumlren die Basis der Anschauung [als Anschauungin den verschiedensten Sphaumlren Basis Anschauung Korr im Ms]war [Im Ms folgt gestr diese ist [] eine] das Individuum welches[welches aber Korr im Ms] auf dem Standpunkt der Philosophieals Ich in seiner Einheit mit dem Denken erfaszligt wurde Wir sahenwie das Ich hierin [] aber auf dem Standpunkt der Philosophieeben weil es hier in s[einem] Grund und Wesen erfaszligt wird vonsich frei wird was schon daraus erhellt daszlig uumlberhaupt das Ichhierin in die Anschauung seines Gegenteils sich versenkt wie wirbei Arnold Geulincx in der strengen ethischen Notwendigkeit oderder unbedingten Unterwerfung unter das einmal Bestimmte zu wel-cher A[rnold] G[eulincx] uumlbergeht diesen Gegensatz des Ichs er-kannten

4 Vgl V Cousin Uumlber Descartes und sein Verhaumlltnis zur Philosophiein Frankreich aus dem Prospectus der Œuvres compl de Descar-tes publ Per V Cousin 1824 In P P Royer-Collard V Cousinund N de Massias Religion und Philosophie in Frankreich Goumlt-tingen 1827 S 8-9

5 Im Ms folgt der

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selbstaumlndig fuumlr sich herausgerissen werden wo sie dann schaumld-liche Wirkungen hervorbringen die im System selbst uumlber-wunden sind weil sie im Zus[ammen]hang mit einem houmlherngeistigen Prinzip stehen Solche Wirkungen kann aber auchund hat wirklich wie die Geschichte lehrt jede selbst religioumlseLehre1 wenn auch ihr Inhalt wahr und trefflich ist Die Men-schen halten sich uumlberall an die Folgen die Prinzipien liegenentfernt die Folgen aber ndash indem sich in ihnen ein Prinzip andas Praktische annaumlhert ndash fallen in die Sinne sie sind dasNaumlchste worauf man verfaumlllt Daher gibt es nichts Unvernuumlnf-tigeres und selbst Gemeineres als wenn man die Wahrheit undden Geist eines Philos[ophen] dadurch verdaumlchtigen will daszligman sagt er enthalte2 schaumldliche Konsequenzen3 und sie her-vorhebt Fuumlr den der in dieser Philosophie lebt und webt ndash undnur von einem solchen kann die Rede sein nicht von einemder auszliger ihr sich befindet ndash existieren diese Konsequenzen garnicht er ist uumlber sie hinaus er uumlberwindet sie indem er sie aufihr Prinzip zuruumlckfuumlhrt sie nur in dieser Verbindung schautund [sie] so bei ihm unter die Herrschaft eines houmlhern Prinzipsgestellt sind So verdaumlchtigt man den sogen[annten] Pantheis-mus dadurch besonders ndash obwohl diese Lehre gar nicht not-wendig zus[ammen]haumlngt mit ihm wie die Geschichte beweistndash daszlig man sagt die Negation der4 individuellen Fortdauer desMenschen nach dem Tode5 sei eine notwendige Konsequenzvon ihm Da nun aber diese Folge alle sittlichen Grundlagenerschuumlttere sei es ein falsches System 756 Aber diese Konse-quenz existiert nur fuumlr die welche auszliger dem Panth[eismus]stehen Das Bewuszligtsein des Endlichen entspringt bei demPantheismus nur aus dem Bewuszligtsein des Unendlichen derGlaube an7 das Ende seiner persoumlnlich[en] endlichen Existenzist unmittelbar eins mit dem Glauben an die allein wahrhafteuneingeschraumlnkte und darum ewige Existenz des goumlttlichenWesens Nicht mit den Sinnen mit dem Geiste nimmt derPantheist sein Ende wahr nur in der Anschauung des unendli-

1 Im Ms folgt haben2 sagt enthalte auf die Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr die es haben koumlnnte enthaumllt hinweist4 die der er habe die Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr auf6 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung7 Im Ms folgt gestr sein

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chen1 Lebens ndash eine Anschauung die unmittelbar mit Erhaben-heit und Reinigung der Gesinnung mit Erhebung der Seeleuumlber die endlichen Interessen und Leidenschaften der Men-schen verbunden ist eine Anschauung die also keine Wirkungeines Daumlmons sondern eines guten Geistes eine Anschauungin der der Mensch das Gefuumlhl seiner houmlchsten Wuumlrde hat undsein houmlchstes Gut erkennt nur in dieser sieht er sein Leben alseine einzelne Woge verrinnen Dieser Gedanke hat daher fuumlrihn keine schaumldlichen Konsequenzen denn er bleibt uumlber seinEnde hinuumlber in den Urquell seiner Existenz in das unend-lich[e] in immer neue Formen sich offenbarende Leben [ge-bunden] er findet einen reichlichen Ersatz fuumlr den Verlustseiner persoumlnlichen Existenz in dem Besitze2 und Genusse derIdee in der er sich3 als ein vergaumlngliches Wesen verschwindensieht er verliert in ihr den Verlust seiner Unsterblichkeit auszligerden Augen und dem Herzen Aber fuumlr den freilich der diesesBewuszligtsein des Endlichen abtrennt von der Idee des Unendli-chen der diese Konsequenz isoliert sie durch nichts zu ergaumln-zen und ersetzen weiszlig ist diese Lehre eine schreckliche Lehreeine Lehre des absoluten Nichts Fuumlr alle diejenigen die auszligerdem Pantheismus stehen ist daher4 dieses System allerdingsein System von houmlchst verderblichen Folgen ist es notwendigdarum auch ich sage notwendig ein ganz irriges nichtigesSystem

So war es nun auch bei C[artesius] der Fall5 Der Materialis-mus ist in ihm da aber uumlberwunden insofern als er mit einemantimaterialistisch[en] metaphys[ischen] Prinz[ip] verbundenwar Die materialistische Tendenz war nur die Isolierung derMaterie von ihrem Grunde und Prinzip an das sie inC[artesius] angeknuumlpft w[ar]

Die cart[esische] Philosophie griff darum wegen dieser idea-listisch[en] und materialist[ischen] Tendenz tief in das geistigeLeben der Menschheit ein6 Dies muumlssen wir nicht etwa in derVerbreitung die sie als Schule gewann allein finden Der Ge-

1 Im Ms folgt gestr Wesens2 dem Besitze der Idee Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr als ein endliches und sterbliches aus den Augen

[ver]liert4 Im Ms folgt gestr seine5 Im Ms folgt gestr Sein6 ein [so auch A] an Ms

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gensatz von Materialismus und Idealismus war eine allgemeineAngelegenheit der neuern Zeit der tief den Geist bewegt[e] Erbrachte ihn1 in den schaumlrfsten Formen zur Sprache Er be-maumlchtigt[e] sich daher der Geister 76 so viel Gegensatz auchC[artesius] fand Nicht bloszlig Gelehrte im strengen Sinne desWortes wie Bayle selbst Weltmaumlnner huldigten dem Car-tes[ius] d h fanden an ihm die Interessen ihres eignen Den-kens befriedigt und ausgesprochen So finden wir z B in denCharakteren des La Bruyegravere der sich durch seine feinen Beob-achtungen uumlber die Welt die Menschen ihr Treiben ihre Sit-ten ihre Leidenschaften in Frankr[eich] als Schriftsteller einenausgezeichneten Namen erwarb cartesische Gedanken entwik-kelt2

Die cartesianische Philosophie bezeichnet man gewoumlhnlichals Dualismus Und erst in diesem Jahre ist ein Schriftstelleraufgetreten mit der Behauptung der Dualismus sei die wahrePhilosophie und man muumlsse3 daher auf den Cartes[ius] als diewahre Heilquelle wieder zuruumlckgehen4 Aber der gute Mannuumlbersah in seinem Eifer daszlig C[artesius] selbst den Dualismusaufhob indem er von dem Gegensatze zur Einheit der Materieund des Geistes fortstieg indem er behauptete beide muumlszligtennicht bloszlig ut duo diversa [als zwei verschiedene] sondern auchut unum als Eins begriffen w[erden] Da er jedoch von demBegriffe ihrer Entgegensetzung ausging so konnte diese Ein-heit an sich nur eine mechanische sein und in Beziehung aufden Geist nicht ein Objekt des Begriffs sondern des Gefuumlhlsindem er sagte wie wir fruumlher anfuumlhrten diese Einheit wuumlrdeam besten durch das Gefuumlhl erfaszligt5 Und dieser Einheit lag beiihm zu Grunde der Gedanke der absoluten Einheit ndash der Ge-danke des unendlichen Wesens welches als das gegensatzlosedie absolute Macht uumlber beide Gegensaumltze ist und daher beide[sich] gegeneinander straumlubende wider Willen und Wissen

1 Im Ms folgt gestr aufs2 Vgl J La Bruyegravere Les Caractegraveres de Theacuteophraste Traduits du

Grec Avec les Caractegraveres ou les Moeurs de ce siegravecle Bd I-II Am-sterdam 1701

3 Im Ms folgt man4 Vgl C F Hock Cartesius und seine Gegner Ein Beitrag zur Cha-

rakteristik der philosophischen Bestrebungen unserer Zeit Wien1835ndash1836 S IV

5 erfaszligt bew[ahrt] Korr im Ms

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zusammenknuumlpft Ebenso schwebt bei Maleb[ranche] undArnold Geulincx uumlber dem Kampf der Gegensaumltze der Friededer Einheit Gott ist die Ursache daszlig Leib und Seele zusam-menstimmen die Quelle aller Harmonie Aber das Mediumzwischen L[eib] und S[eele] ist bei ihnen nur der Wille Undder Wille ndash er mag nun absolut uneingeschraumlnkt als WilleGottes oder eingeschraumlnkt als Wille des Menschen betrachtetw[erden] ndash ist kein principium cognoscendi [Prinzip der Er-kenntnis] noch essendi [des Seins] sage ich der Wille hat dieMaterie erschaffen und sie mit dem Geiste verbunden so istdas ein bloszliger Machtspruch ich habe nichts begriffen dieGegensaumltze sind nur willkuumlrlich verknuumlpft sie sind nur in mei-ner Vorstellung aber nicht an sich nicht wirklich verknuumlpftNur Notwendigkeit ist Erkenntnis Der Wille ist nur dann einereale Macht ndash keine leere 771 Willkuumlr die Kraft des Nichts ndashwenn er in Einheit mit der Notwendigkeit d h dem Wesender Vernunft gedacht w[ird] Gott kann nicht anders wollen alser ist koumlnnte er anders wollen als er ist als wie und was er istso waumlre er nicht Gott sein Wille ist also eins mit seinem We-sen Was er will will er notwendig Was als Wirkung Gottesbetrachtet werden soll muszlig daher unmittelbar als Wirkungs[eines] Wesens und erst mittelbar als Wirkung s[eines] Wil-lens betrachtet [werden] Der Wille fuumlr sich fixiert ist = NullDer Wille ist nichts Besonderes nichts fuumlr sich er ist nur dieMacht die Actuositaumlt des Wesens Hat also die Einheit vonL[eib] und S[eele] ihren Grund im Willen des unendlichenWesens so2 muszlig sie vor allem in seinem Wesen ihren Grundhaben hat sie aber im Wesen ihren Grund so muszlig ebenso wiedas Universalpraumldikat des Geistes das Attribut durch das derGeist ist was er ist Geist das Attribut des Denkens nicht vonGott ausgeschlossen w[erden] auch das Universalpraumldikat derMaterie das Attribut durch das sie ist was sie ist und diemateriellen Dinge sind was sie sind das Attribut der Ausdeh-nung nicht von ihr ausgeschlossen sondern vielmehr in3 ihrbegriffen werden Was in der Wirkung ist das muszlig auch in derUrsache sein denn woher kaumlme sonst das was in der Wirkungist Das Dasein einer Materie4 ist eine Wirkung des unendli- 1 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung2 so sie Ms ndash Fehlt in A3 in von Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr und ihre Verbindung mit dem Geiste

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chen Wesens es muszlig daher in Gott auch ein reales Prinzip derMaterie sein oder er haumltte sonst die Materie durch s[einen]bloszligen Willen d h aus Nichts hervorgebracht aber dieseVorstellung die nichts Bestimmtes gibt ist eine selbst nichtigeVorstellung eine Vorstellung von Nichts Oder die Verbindungder Materie und des Geistes zur Einheit ist eine Wirkung Got-tes sie hat also in seinem Wesen nicht bloszlig s[einem] Willens[einen] Grund es muumlssen daher an und fuumlr sich im Begriffedes absoluten Wesens die Begriffe der Materie und des Geistesenthalten und miteinander verknuumlpft sein Die Philosophie nundie also aus den Prinzipien des Cartes[ius] weiter schlieszligt undsich begruumlndet ist keine andre als die Philosophie des Spinoza

Wir fanden daszlig der Wille eine bloszlig negative Vorstellung istdaszlig die Materie und ihre Verbindung mit dem Geist1 also indem Wesen Gottes ihren Grund habe daszlig folglich beide Ge-genstaumlnde in dem Begriffe desselben verknuumlpft sein muumlszligtenSp[inoza] verknuumlpft sie nun so daszlig er die Ausdehnung eben-sowohl als das Denken zu Attributen der goumlttlichen Substanzmacht d i zu Eigenschaften die der Verstand als die das We-sen Gottes konstituierenden2 78 Grundeigenschaften begreiftDas Denken ist ein Attribut Gottes oder Gott ein denkendesWesen Ebenso ist die Ausdehnung ein Attribut Gottes oderGott ist ein ausgedehntes Wesen Deus est res cogitans Deusest res extensa3

Dieser Begriff von der Ausdehnung als einer goumlttlichen We-senseigenschaft scheint so zu widersprechen der Idee Gottesund ist auch wirklich so zuwider gewesen den herrschend ge-wordenen Vorstellungen von Gott daszlig es nicht zu verwundernist wenn Sp[inoza] und Atheist fuumlr identische Namen [ge-nommen] wurden wie denn wirklich in einem Lexikon Atheistmit assecla Spinozae [Anhaumlnger Spinozas] uumlbersetzt wurdeAber bei genaurer Eroumlrterung erscheint die Ausdehnung nichtin einem so gemeinen sondern einem himmlischen Licht Wirmuumlssen um dies zu begreifen wieder auf C[artesius] zuruumlckObwohl in Cart[esius] die Materie vom Geiste ausgeschlossenist der Geist vielmehr die Negation alles Materiellen ist so istdoch die Materie eine Realitaumlt ein Wesen eine Substanz Der 1 Geist [so auch A] Leibe Ms2 konstituierenden begreifen Korr im Ms3 Vgl B Spinoza Ethica pars secunda In Opera quae supersunt

omnia Vol II Ienae 1803 S 78-79

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substantia cogitans steht die materielle oder ausgedehnte Sub-stanz gegenuumlber Mit dem Begriffe des Wesens der Substanzvertraumlgt sich daher ebensogut der Begriff des Denkens wie derAusdehnung Der Begriff der Substanz ist beiden gemein Sowenig wir mit dem Begriffe des Denkens so wenig verlierenwir mit dem Begriffe der Ausdehnung den Begriff der Sub-stanz Was heiszligt das nun anders als die Ausdehnung ist eben-sogut etwas Substantielles Wesenhaftes als das Denken dennder Begriff der Substanz negiert ja nicht schlieszligt nicht vonsich aus den der Ausdehnung Die Ausdehnung ist daher eben-sogut eine Bestimmung der Substanz uumlberhaupt wie das Den-ken Mit dieser Erkenntnis kommen wir aber zur Erkenntnisder absoluten Substanz der Substanz die weder nur Denkenmit Ausschluszlig der Ausdehnung noch nur Ausdehnung mitAusschlieszligung des Denkens ist sondern die beides ist und seinkann die uumlber beiden als ihre Einheit ist die beide nur alsBestimmungen Eigenschaften in sich begreift Und diese ab-solute uneingeschraumlnkte Substanz deren wesentlichen Eigen-schaften oder Attribute Denken und Ausdehnung sind ist esdie mit dem Namen Gottes bezeichnet werden muszlig

Es ist daher unvernuumlnftig und schlecht ndash wie denn alles Un-vernuumlnftige auch moralisch schlecht und verwerflich ndash ich wie-derhole es es ist ebenso unvernuumlnftig als moralisch schlechteinen Philosophen wenn er von der letzten und houmlchsten Idees[eines] Denkens wenn er 791 von dem unendlichen Wesenwofuumlr er aus der Sprache den Namen Dei Gottes gebrauchtvon dem die meisten nur den Namen kennen verehren undanbeten weil sie nie das Objekt zum Gegenstande machenetwas verneint was bisher in dem Begriff Gottes rezipiert unddaher sanktioniert war oder bejaht was [von] den bisherigenoder allgemeinen Vorstellungen2 Gott nicht zugeschriebenw[urde] als einen Atheisten oder irreligioumlsen Menschen zuverschreien Denn er verneint es nur von Gott weil er es alsetwas Ungoumlttliches mit der houmlchsten Idee von der er erfuumlllt istnicht Uumlbereinstimmendes ihrer Unwuumlrdiges und bejaht es nurvon ihm weil er es als etwas Goumlttliches erkennt Nur die Maje-staumlt der houmlchsten Idee erfuumlllt ihn und nur in ihrem Namenverneint oder bejaht er So ist es mit Sp[inoza] wenn er dieAusdehnung zu einem Praumldikate Gottes macht Gott ist das 1 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung2 Im Ms folgt gestr von

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absolut reale Wesen das alle Realitaumlten alle Vollkommenhei-ten und Fuumllle in sich hat ndash ein Begriff der auch in der car-tes[ischen] Philosophie und selbst schon in der Philosophie derScholastiker sich vorfindet ndash oder wie Sp[inoza] sagt Gott istdas absolut nicht das in seiner Art unendliche Wesen zu demdaher alles gehoumlrt was Wesenheit ausdruumlckt und keine Negati-on keine Verneinung keine Schranke in sich enthaumllt1 Nun istaber die Ausdehnung des Wesen der Materie und aller materi-ellen oder koumlrperlichen Dinge das worin sie ihr Bestehenhaben das Reale in ihnen denn die sinnlichen Eigenschaftenkann ich wohl von einem Koumlrper wegnehmen ohne daszlig ichdadurch den Begriff des Koumlrpers verliere aber die Ausdeh-nung daszlig der Koumlrper ein Ausgedehntes kann ich nicht weg-nehmen ohne daszlig er Nichts wird Die Ausdehnung druumlckt alsoWesen Realitaumlt aus sie gehoumlrt also zu dem absolut realen We-sen es wuumlrde ihm etwas fehlen wenn2 ihm diese Realitaumlt fehl-te Dies erhellt naumlher durch die Definition der Substanz bdquoUnterSubstanz verstehe ich das was in sich ist und durch sich ge-dacht und begriffen wird d h das dessen Begriff nicht desBegriffs eines andern Dings oder Wesens bedarf um von ihmabstrahiert oder gebildet [zu] werdenldquo3 Nun ist aber der Be-griff der Ausdehnung ein schlechthin unabhaumlngiger durchkeinen andern Begriff vermittelter Die Ausdehnung wird nurdurch sich gedacht und gefaszligt Sie ist kein abgeleiteter son-dern urspruumlngl[icher] Begriff Denn wovon sollte der Begriffderselben abhaumlngen Doch nicht vom 80 Begriffe des Geistesoder Denkens Denn die Ausdehnung ist ja gerade das Entge-gengesetzte des Denkens wie sollte ich sie also vom Begriffedes Geistes abstrahieren oder aus ihm ableiten Ebensowenigkann ich sie aber von den materiellen Dingen abziehen undableiten denn alle Koumlrper muszlig ich als ausgedehnt wahrneh-men dazu daszlig ich eine bestimmte Ausdehnung eine endlicheGroumlszlige als Groumlszlige als Ausdehnung wahrnehme ist schon dieIdee der Ausdehnung notwendig und vorausgesetzt Der Be-griff der Ausdehnung ist daher ein unmittelbarer urspruumlngli-cher absoluter selbststaumlndiger Begriff Wie aber der Begriffso das Objekt des Begriffs Die Ausdehnung ist daher WesenSein sie ist selbststaumlndig urspruumlnglich unendlich nicht ge- 1 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 35-362 wenn was Korr im Ms3 B Spinoza Ethica pars prima a a O S 35

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setzt nicht abgeleitet sie ist also Substanz wenn sie fuumlr sichnur in Beziehung auf sich betrachtet [wird] Die Ausdehnungist aber nicht Denken oder sie ist nur Ausdehnung sie ist alsoin dieser Beziehung nur in ihrer Art unendlich wie das Denkennur in seiner Art d h als Denken unendlich ist die Ausdeh-nung ist daher nur ein Attribut des nicht in ihrer Art sonderndes absolut unendlichen Wesens das daher beide Realitaumltenoder Perfektionen als Eigenschaften in sich begreift

Die Ausdehnung ist nicht deswegen unvollkommen oderbeschraumlnkt oder endlich weil sie nicht denkt sagt [Spinoza]denn ihre Natur erfordert das nicht es gehoumlrt nicht zu ihremWesen sie ist vollkommen mangellos unbeschraumlnkt in ihrerArt sie druumlckt also Sein aus Und weil Gottes Wesen sagtSp[inoza] nicht in einer gewissen Weise oder Art oder Gattungdes Seins oder Wesens1 besteht non in certo entis genere son-dern in dem absolut uneingeschraumlnkten Wesen so forderts[eine] Natur id omne quod τὸ esse perfecte exprimit weilsonst s[ein] Wesen beschraumlnkt und defekt waumlre Es verstehtsich von selbst daszlig Gott deswegen nicht Gestalt bestimmteAusdehnung oder Groumlszlige zukommt sondern die unendlicheeinfache unteilbare Ausdehnung d i d[ie] Ausdehnung nichtin ihrer sinnlichen Erscheinung sondern in ihrem Wesen undGrunde gedacht2

Da nun aber die Ausdehnung und das Denken jene das We-sen und Prinzip der besondern materiellen dieses das allge-meine Wesen und Prinzip der denkenden Wesen ist Attributeoder3 Eigenschaften der Substanz sind so folgt notwendig daszliges im wahren Sinne der Substanz nur eine einzige Substanzgeben kann [] daszlig uumlberhaupt alle besondern Dinge nur Af-fektionen dieser Substanz oder nur4 bdquoAttribute sind d i Artenund Weisen modi die auf eine bestimmte Weise die AttributeGottes ausdruumlckenldquo5 keine selbstaumlndigen Substanzen oderWesen daszlig bdquoalles was ist nur in Gott ist und ohne Gott nichtgedacht werden kannldquo denn ohne die Begriffe der Ausdehnung

1 Im Ms folgt nicht2 Vgl B Spinoza Epistolae doctorum quorundam virorum ad B D

S hellip In Opera quae supersunt omnia Vol I Ienae 1802Epistola XLI (versio) S 596-597

3 Im Ms folgt gestr goumlttliche4 dieser nur dieser Korr im Ms5 B Spinoza Ethica pars prima a a O S 59

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und des Denkens kann nichts gedacht werden daszlig bdquoGott nichtdie voruumlbergehende transeuns sondern die immanente 811

Ursache d h d[ie] innewohnendeldquo innerliche mit [dem]Wesen der Dinge identische Wirkung ist2 daszlig die Welt daher(der Inbegriff der materiellen oder uumlberhaupt realen Dingeeben weil die Ausdehnung als das Wesen absolut der Dingeeine Eigenschaft der Substanz ist) nicht eine Wirkung desWillens sondern der Notwendigkeit d i des Wesens ist daszlig3

alles was ist als eine Folge des goumlttl[ichen] Wesens [begriffenwird] da dieses Ausdehnung und Denken in sich begreiftebenso4 ausgedehntes als geistiges Wesen ebenso beleibt alsbeseelt ist obgleich in sehr verschiedenen Graden daszlig aberLeib und Seele der Substanz nach identisch sind daszlig beide einund dasselbe Wesen bedeuten und ausdruumlcken welches unterder Form der Ausdehnung oder unter dem Attribut derselbenbetrachtet Leib heiszligt unter dem Attribut des Denkens be-trachtet Geist heiszligt daszlig aber endlich eben weil das Denkenund [die] Ausdehnung nicht durcheinander sondern jedesdurch sich selbst begriffen wird jedes die Substanz selbst istaber in certo genere entis die Seele und ihre Bestimmungenihre Bewegungen Vorstellungen nicht aus der Materie oderder5 Ausdehnung und umgekehrt die Bestimmungen der Aus-dehnung nicht aus der Seele abgeleitet werden duumlrfen die Ma-terie also nicht durch das Denken das Denken oder der Geistnicht durch die Materie bestimmt wird Wille und Verstandnegiert daher Sp[inoza] von der goumlttlichen Substanz aber ernegiert sie nur weil sie ihm ein Negatives Endliches ausdruumlk-ken weil sie ihm nur Modi des Denkens weil sie ihm nur einbeschraumlnktes Denken nicht das uneingeschraumlnkte unendlicheDenken ausdruumlcken das allein Gott zukommen kann und er-hellt auch daszlig Verstand und Wille so wie wir sie haben sowie sie in uns als Individuen erscheinen einem unendlichenWesen nicht zukommen koumlnnen6

1 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung2 B Spinoza Ethica pars prima a a O S 543 daszlig [so auch A] daszlig Ms4 Im Ms folgt gestr als5 der die Korr im Ms6 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 63 ndash Im Ms kein

Absatz

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XI Vorles[ung] [Spinoza Leibniz]1

Die2 Philosophie des Sp[inoza] hat man als das konsequente-ste und vollendetste System des Pantheismus bezeichnet DerAusdruck Pantheism[us] fuumlhrt eine schiefe dem Geiste derPhilosophie widersprechende Vorstellung mit sich ndash eine Vor-stellung die alle diejenig[en] auch mit dem Namen Pantheis-mus verbinden die ihn gebrauchen um damit3 jene Philoso-phie in Miszligkredit zu bringen Dieser Ausdruck fuumlhrt naumlmlichdie Vorstellung mit sich daszlig der Kern des Pantheism[us]4 indem Satze Alles ist eins Gott ist alles enthalten sei und dieVorstellung aller jener absurden Folgerungen die sich weiteran diesem Satze unmittelbar anknuumlpfen die zuletzt [hinfuumlhrt]auf das mir ist alles eins ob ich bin oder bin nicht gut oder

1 So auch A2 Am Rande Die Philosophie des Sp[inoza] ist eine der wichtigsten

Philosophien der neuern Zeit Wer den Spinoza nicht von Grundaus inne [Im Ms folgt gestr hat] oder von ihm nur ein historischeskein lebendiges Wissen hat wer nicht in innigster Gemeinschaft mitihm lebt oder wenigstens gelebt hat der bleibt stets im Anti- 82chambre der Philosophie stehen Wer nie den geistbefreienden undherzerhebenden Gedanken der Einheit gefaszligt und ergriffen hat niedie fixen Unterschiede und Vielfachheiten die sonst die sinnlicheAnschauung und Verstandesreflexion beherrschen in dem kaltenaber gesunden Wasser der spinozistischen Substanz ausgeloumlscht hatder erblickt vor lauter Baumlumen nie den Wald Stehenbleiben kannman nicht bei Sp[inoza] denn die Vernunftidee ist nicht vollstaumlndigin ihm realisiert ndash aber anfangen muszlig man mit ihm wenn man nichtin der Mikrologie befangen bleiben will

Sp[inoza] konnte daher auch von seiner Zeit nicht begriffenwerden Seine Zeit war zu pedantisch zu widerlogisch zu einge-schnuumlrt in den Formeln der Dogmatik Er fand daher nur wenigFreunde s[einer] Philosophie und diese s[ind] in der Literatur [ImMs folgt gestr ja] von keiner Bedeutung aber um so mehr heftigeGegner und Widersacher Erst als die deutsche Literatur eine freieselbstaumlndige universale Tendenz bekam fand Sp[inoza] eine aner-kennende Aufnahme Lessing Herder Jacobi Lichtenberg erfuumlllteer mit Begeisterung und Bewunderung Jacobi obwohl s[einer]Subjektivitaumlt die Substanz widerstand ein fremdes Ungeheuer warerklaumlrte doch s[eine] Philosophie fuumlr d[ie] einzige wirklich wissen-schaftliche

3 Im Ms folgt gestr etwas4 Im Ms folgt gestr sich

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schlecht dumm oder gescheit Tier Pflanze oder Mensch1 aufdas Goethische Ich hab mein Sach auf Nichts gestellt2 Alleinsolche Saumltze wie Alles ist Eins die der Panth[eist] schon solimitiert daszlig er zwischen das Alles und [das Eins] das Ist [als]3

Medium oder den Terminus medius des Wesens hineinstellt82 sind unbestimmte vage Ausdruumlcke Sie sind eigentlichAusdruumlcke des Affekts nicht des Begriffs der Poesie nicht derErkenntnis ndash Ausdruumlcke deren sich der Pantheist nur bedientindem er die Idee in die sinnliche Anschauung versenkt oderdie der Pantheismus nur in s[einer] Kindheit oder im Feuer derJugendkraft aber nicht wenn er in das ernste Mannesalter derPhilosophie getreten ist zur Bezeichnung4 seiner Empfindun-gen anwendet Der Satz Alles ist Eins im Ernste gemeint unddurchgefuumlhrt wuumlrde alle Vernunft alles Denken aufheben undes laumlszligt sich daher im Voraus erwarten daszlig da es5 ernste be-sonnene denkende Maumlnner waren die den Panth[eismus] aus-sprachen sie nicht so ihn fassen6 konnten wie die welche indem Satze Alles ist Eins das7 Raumltsel des Pantheis[mus] geloumlstfinden wollen Eine Grundeigenschaft des Denkens ist Unter-scheiden ja das Naumlchste was sich vom Denken darbietet istdaszlig es Unterscheiden ist wer nicht unterscheidet denkt nichtEs ist daher schon im voraus zu erwarten daszlig Maumlnner diedenken8 und zwar denken9 wie Sp[inoza] dem man wohl nichtdas Praumldikat eines Denkers streitig machen wird [nicht] ein dasDenken das Unterscheiden schlechthin aufhebendes Prinzipals das Erste und Wahre setzen werden es laumlszligt sich sage ichnicht erwarten daszlig sie10 werden unterscheiden um nichts zuunterscheiden d h denken um Nichts zu denken und folglichnicht zu denken denn wo kein Unterschied ist [ist] auch keinObjekt kein Etwas kein Gedanke Denken ndash Denken im stren-gen Sinne in dem in welchem es in der Philosophie gilt ndash laumlszligt 1 Im Ms folgt gestr Allein2 J W v Goethe Vanitas Vanitatum vanitas In Werke Bd I

Tuumlbingen 1806 S 983 [als] das Ms4 zur Bezeichnung zu seiner Korr im Ms5 da es Wesen Korr im Ms6 fassen denken [] Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr Ge[heimnis]8 denken Denker A9 denken Denker A10 Im Ms folgt gestr denken

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sich nichts was nicht zu Denken gibt Der Pantheismus beruhtauf dem Denken ndash die Geschichte schon lehrt es daszlig nur derMensch auf dieses verrufne System verfaumlllt wenn er Denkerwird ndash es muszlig daher notwendig auch in dem Objekte demrealen Prinzip des Panth[eismus] die Natur des Denkens folg-lich der Unterschied da zur Natur des Denkens dieser gehoumlrtenthalten sein Und so ist es denn auch in der Tat Eine Einheitohne Unterschied ist ein Non Ens ein Unding eine Einheit laumlszligtsich nicht denken ohne ein Etwas wovon sie Einheit ist aberein Etwas nicht ohne Unterschied Die Einheit muszlig wesentlicheinen Inhalt haben ndash dieser Inhalt aber ist und kann nichtsandres sein als der Unterschied ndash eine Einheit ohne Inhalt ist =Nichts Eine bloszlige Einheit haumltte kein Interesse keine Bedeu-tung keinen Sinn 831 Denn worin soll das Interesse die Be-deutung liegen wenn nicht in dem was sie vereint So ist auchdie Substanz die Unitas von Leib und Seele Ausdehnung undDenken wie uumlberhaupt von allen nur moumlglichen oder wirkli-chen Realitaumlten Der Pantheism[us] schlieszligt also uumlberhaupt denUnterschied nicht aus ja er erhebt sich nur vermittelst desUnterschieds zum Gedanken der Einheit (der Unterschied istein wesentlicher Begriff in ihm) So unterscheidet Sp[inoza]zwischen der unendlichen unteilbaren Ausdehnung und zwi-schen der endlichen in Teile zerleg- und unterscheidbaren undnur jene macht er zum Praumldikat Gottes Er unterscheidet alsozwischen Unendlich und Endlich Er sagt ferner nicht dieendliche Ausdehnung ist Nichts sondern er sagt nur sie ist dieAusdehnung wie sie in der sinnlichen Vorstellung existiertoder die Ausdehnung nur in ihrer Erscheinung nicht in ihrerWahrheit und Wesenheit2 Er setzt also einen Unterschied zwi-schen Unendlich und Endlich zwischen Wesen und Erschei-nung zwischen Vernunft und Vorstellung oder Einbildungoder Sinnlichkeit3 Der Substanz nach sind die Dinge identischoder vielmehr die Substanz ist ein absolutes Eins das also imMehreren im Vielen im Verschiednen nur Eines sein kann

1 Am Rande ro Verweis auf XI [Vorlesung]2 Vgl B Spinoza Epistolae doctorum quorundam virorum ad B D

S hellip In Opera quae supersunt omnia Vol I Ienae 1802Epistola L (versio) S 634

3 Im Ms folgt gestr Er (setzt nicht nur diesen Unterschied sondernsein System selbst beruht auf diesem Unterschiede) (Er setzt ihnaber nicht so wohl als er ihn vielmehr voraussetzt)

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der Erscheinung nach den Akzidenzen nach aber sind sie un-terschieden Der Pantheism[us] beruht daher auf dem Unter-schied zwischen Substanz und Akzidenz1 Aber damit daszlig ersagt der Unterschied ist die Erscheinung sagt er nicht derUnterschied ist Nichts etwas rein Unreelles er sagt nur er istallerdings2 aber er ist nicht das Sein nicht reines nicht daswahrhafte wesenhafte sondern beschraumlnktes negatives endli-ches Sein ndash ein Sein welches darum nur sein Wesen und seinenGrund nur in der Einheit nicht in sich hat Das Tadelnswerteam Pantheis[mus] des Spinoza3 ist nicht4 daszlig er den Unter-schied zwischen Denken und Ausdehnung5 negiert ndash denn dastut er nicht sondern6 unmittelbar aus der Cartes[ianischen]Philosoph[ie] aufnimmt ndash Spino[za] erzeugt wohl die Einheitaus dem Unterschiede sie resultiert aus dem Gegensatz zwi-schen Geist und Materie aber diesen Unterschied setzt er nochals seiend aus d[er] Cart[esianischen] Philos[ophie] voraus847 Und man hat daher auch dem Sp[inoza] vorgeworfen erstneuerdings wieder wie kommt Sp[inoza] zur Wahrnehmungeiner Vielheit Unterschiedenheit dies kommt nicht auss[einem] Prinzip das hat ihm die Erfahrung aufgedrungenWenn es sich bloszlig um Unterschied um Vielheit handelt so hates keine Schwierigkeit damit Die Substanz das identischeWesen ist8 keine leere abstrakte unterschiedslose Einheit sieist die Fuumllle aller Kraumlfte und Realitaumlten der Born aller Voll-kommenheit das ἓνκαὶπᾶνdas Ein und Alles] das absolut-unendliche Wesen das also auch unendliche Eigenschaften undBestimmungen haben muszlig je mehr Attribute ein Wesen hat 1 Im Ms folgt gestr Er setzt ihn aber die naumlhere eigentuumlmliche Be-

stimmung des Setzens dieses Unterschieds im Pantheism[us] ist ersetzt ihn voraus Es ist ihm eine unmittelbare Gewiszligheit der Unter-schied zwischen Wesen und Erscheinung und von dieser Gewiszligheiterhebt er sich zum Gedanken daszlig ndash Im Ms folgt das Wesen dieEinheit der Unterschied die Erscheinung ist

2 Im Ms folgt gestr Sein3 Im Ms folgt gestr daher4 nicht Im Ms gestr5 zwischen Ausdehnung aufhebt Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr daszlig er ihn verursacht7 Im Ms folgt gestr Der Pantheist reflektiert nicht daruumlber und er-

klaumlrt daher nicht fuumlr den gemeinen Menschenverstand wie das ansich identische Wesen als Vieles Unterschiedenes erscheint

8 Im Ms folgt gestr zwar

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desto mehr Realitaumlt hat es auch1 Der absoluten Substanzkommen daher auch unendliche Attribute zu von denen2 je-doch Spinoza nur zwei Denken und Ausdehnung anfuumlhrt3 undihr beilegt aber diese4 Attribute bringen keinen realen Unter-schied in die Substanz selbst gleichwie Denken und Ausdeh-nung nicht der Substanz nach unterschieden sind es sind nurverschiedene Ausdruumlcke und Formen die eine und dieselbeSache ausdruumlcken ohne im Wesen etwas zu aumlndern5 Die Er-scheinung einer unendlichen Vielheit ist als6 eine Folge von derSubstanz als von der unendlichen Realitaumlt zu begreifen eineunendliche Kraft populaumlr ausgedruumlckt hat auch nicht einebeschraumlnkte sondern unzaumlhlige Kraft-aumluszligerungen Je intensi-ver je reeller je kraumlftiger eine Kraft desto Mehreres bringt sieauch hervor Aber eine andre Frage ist es wie kommt es nundaszlig uns diese7 Kraftaumluszligerungen die nur Affektionen der Attri-bute Variationen und Modifikationen der Grundeigenschaftender unendlichen Substanz sind als wirkliche Dinge oder We-sen als Individuen erscheinen Fuumlr uns sind die an sich imWesen identische Wesen unterschieden besondere selbststaumln-dige fuumlr uns deren Geist nur endliche eingeschraumlnkte Denk-weisen sind befestigt sich das Endliche zur Realitaumlt Aberdiese Antwort loumlst nicht die Frage sie laumlszligt noch allerlei Fragenuumlber8 Denn eben die endlichen Dinge sind fuumlr uns besondereSubstanzen weil9 wir fuumlr uns selbst als solche erscheinen10

Reflektieren wir wieder so ergibt sich die Folgerung daszlig sienur so fuumlr uns sind weil sie fuumlr sich selbst so [sind] daszlig alsodiese Erscheinung selbst im objektiven Wesen der Dinge be-gruumlndet gefunden wird Die Philosophie nun die den Unter-schied der im System des Panth[eismus] nur ein Sein fuumlr uns 1 Vgl B Spinoza Ethica pars prima In Opera quae supersunt

omnia hellip Vol II Ienae 1803 S 412 Im Ms folgt gestr wir3 anfuumlhrt kennen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Unterschiede5 aber diese Attribute etwas zu aumlndern In A am Rande im Ms

Texteinfuumlgung ndash Am Rande Aber gleichwohl reicht dies hin um dieWahrnehmung und solche sind oder [] Text bricht ab

6 als also Korr im Ms7 Im Ms folgt diese8 uumlber uumlber Ms9 Im Ms folgt gestr sie10 erscheinen [so auch A] erscheinen Ms

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ist zu einem Fuumlrsich und Ansichsein erhebt ist die Philosophiedes Leibniz Unterschied ist wohl in der Substanz enthaltenaber es handelt sich auch darum den Unterschied zu 85 reali-sieren oder den Unterschied der Dasein wohl hat bei Spi-noz[a] aber nur das Dasein eines Accidens substantiell zumachen den Unterschied nicht als Erscheinung sondern alsWesen zu fassen

Die Substanz handelt mit Notwendigkeit es liegt in ihremWesen zu wirken Sie wirkt aber sie wirkt nur Akzidenzensie bringt nur Wirkungen hervor die unter ihr sind Modifika-tionen ihrer Attribute oder es sind nur Emanationen sie bringtnicht hervor was ihres Gleichen ist Sp[inoza] sagt wohl dieSubstanz ist causa sui [ihre eigene Ursache] aber dies ist nurein negativer Begriff nur im Unterschied von den endlichenDingen die ein Anderes zur Ursache haben von ihr ange-wandt bdquoUnter Ursache seiner selbst verstehe ich das dessenWesen die Existenz in sich schlieszligt oder dessen Wesen garnicht anders [als] seiend gedacht w[erden] kannldquo1 Ein Wesendessen Sein durch sein bloszliges Wesen schon gegeben oder inihm enthalten ist ist eben ein absolut selbstaumlndiges urspruumlngli-ches Wesen2 Sie ist schlechtweg sie ist was sie ist weil sieist nicht durch sich selbst durch Selbsttaumltigkeit durch die Tat3Ihr Sein ist wohl Tun Wirken aber Wirken eines von sichUnterschiednen das als ein von ihr der absoluten RealitaumltUnterschiednes nur ein Endliches Gesetztes eine unselbst-staumlndige Affektion ist nicht Hervorbringung einer Wirkungdie mit ihr identisch ist Die Substanz unterscheidet sich nichtvon sich selbst setzt sich nicht selbst entgegen sie ist nichtGeist sie ist absolutes ruhiges unveraumlnderliches Sein es fehltihr das Prinzip der Selbsttaumltigkeit4 ihre Taumltigkeit ist eine un-mittelbare Folge ihres Wesens keineswegs ihr Wesen eineWirkung ihrer Taumltigkeit Oder sie wirkt nicht nach Innen nichtauf sich selbst zuruumlck sie bestimmt nicht sich selbst sie wirdzwar nicht von Auszligen bestimmt sie ist frei weil sie nur nachder Notwendigkeit ihres Wesens handelt aber diese Handlun-gen folgen so aus ihr wie aus einer mathematischen Figur ihre

1 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 352 Unter Ursache urspruumlngliches Wesen In A am Rande im Ms

Texteinfuumlgung3 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 38-394 Im Ms folgt gestr sie ist nicht was sie ist durch ihre Taumltigkeit

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Beschaffenheiten folgen Es ist dies uumlberhaupt ein Mangel inder spinoz[istischen] Philos[ophie] daszlig er seine Notwendigkeitstets versinnlicht unter der mathematisch[en] Notwendigkeitund er haumltte nicht zu dieser Vergleichung stets seine Zufluchtnehmen koumlnnen wenn er nicht eine objektive Aumlhnlichkeitzwischen beiden anerkannt haumltte aber eben die Kette der geo-metrischen Notwendigkeit vertraumlgt nicht der feurige Lebens-geist1 die Qualitaumlt unterbricht das Gesetz der Stetigkeit undIdentitaumlt an welcher die Quantitaumlt fortlaumluft 862 Es laumlszligt sichnicht alles mathematisch bestimmen Der mathematische Mit-telpunkt ist nicht der physikalische Es gibt in der Natur keinenvollkommnen Kreis

Das Prinzip der Selbsttaumltigkeit der Selbstbestimmung derindividuellen Lebendigkeit ist es das dem Spinozisch[en] Sy-stem mangelt und dieses Prinzip ist es welches das Wesen derLeibnizschen Philosophie konstituiert An die Stelle der Ruheund Klarheit und Abstraktion der mathematischen Anschauungtritt jetzt die Lebendigkeit und Ruumlhrigkeit der metaphysischenAnschauung Schon die Individualitaumlt der beiden Philosophenstellt die Verschiedenheit ihrer3 Prinzipien dar Spinoza fuumlhrteein stilles abgezognes4 einfoumlrmiges sich immer gleiches Le-ben der Himmel seiner Substanz in der alle Differenzen auf-geloumlst sind war stets in der Seele er war Herr seiner selbst undseiner Leidenschaften man sah ihn nie sehr traurig oder sehrvergnuumlgt kein Gut wonach sonst die Menschen ringen undhaschen hatte fuumlr5 ihn Reiz und Interesse Nur die Erkenntniswar sein houmlchstes und alleiniges Gut Das Ziel des Geistes istdie Erkenntnis der Einheit die er mit der ganzen Natur hatsein houmlchstes Gut die Erkenntnis Gottes6 Nur im Denken imErkennen nicht im aumluszligeren Handeln sind wir frei die absoluteTugend oder Kraft des Geistes ist die Erkenntnis Denn freisind wir wo wir die alleinige Ursache unsrer Handlung[en]sind frei sind nur die Handlungen die mit Notwendigkeit7 aus

1 Kette Lebensgeist geometrische Notwendigkeit ist nicht das

allgemeine Band des Lebens Korr im Ms2 am Rande o l Verweis auf XI V[orlesung]3 ihrer der Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Leben5 fuumlr ihn[] Korr im Ms6 Das Ziel Erkenntnis Gottes In A am Rande im Ms Texteinfuumlgung7 mit Notwendigkeit rein Korr im Ms

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unsrer Natur aus dem Wesen des Geistes allein erfolgen wowir nicht von auszligen bestimmt w[erden] wie in der Leiden-schaft []1 Sein Leben war ein Bild dieses Gedankens Sowenig [s]ein Leben ein zerstreutes veraumlnderliches vielfachesso war auch der Kreis s[einer] Taumltigkeit kein vielfacher Philo-sophie und Mathematik waren s[eine] Hauptbeschaumlftigungenob wir gleich auch eine hebraumlische Grammatik von ihm [ha-ben] Ein bemerkenswerter Umstand ist es auch daszlig er sich mitder Verfertigung optischer Glaumlser beschaumlftigte und s[einen]Unterhalt sich [dadurch] verdiente Und wahrlich nur das Amteines Glasschleifers paszligt auch ganz fuumlr einen Mann dessenAufgabe2 s[eines] Lebens klare und gewisse Einsicht war Nuraus einem solchen Charakter3 und aus einem4 so einfachenleidenschaftslosen klaren 875 nuumlchternen in sich geschloss-nen beschaulichen Leben konnte eine solche philosophischeAnschauung entspringen wie Spinoza oder umgekehrt (undzwar dieser Weg ist ebenso richtig6) nur aus einer solchenAnschauung aus der Anschauung Gottes als eines rein objekti-ven von allen anthropomorphist[isch]en oder menschlich[en]Bestimmungen und Affektionen gereinigten nur nach innrerNotwendigkeit handelnden Wesens konnte ein solches Lebenein solcher Charakter entspringen sein Leben s[eine] geistigeIndividualitaumlt ist nur das reflektierte Licht der milde Wider-schein von dem Sonnenlichte der Substanz s[einer] Phi-los[ophie] die er uns in s[einen] Schriften hinterlassen hat undin der er jetzt noch ist und lebt denn nur das ist die wahreSeele des Menschen was er als sein Houmlchstes und Bestes er-kennt verehrt und liebt ndash der objektive Gehalt des Menschen

Ganz anders erscheint Leibniz Die Philosophie Sp[inoza]sberuht auf der einfachen aber doch so tiefen und in ihren Fol-gen so fruchtbaren Idee daszlig nur Ein dem Wesen und Sein nachwahrhaft selbststaumlndiges Wesen oder Substanz existiert unddiese eine Substanz Gott ist Die Leibniz[sche] Philosophie dieMonadenlehre ist im allgemeinen nichts weiter als die Unter-

1 in der Leidenschaft [] im Handeln Korr im Ms2 dessen Aufgabe der nur klar Korr im Ms3 Im Ms folgt und Leben4 einem seinem Korr im Ms5 Am Rande o r Verweis auf XI Vorles[ung]6 richtig richtiger Ms

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scheidung oder Aufloumlsung dieser einen Substanz in unzaumlhlige1

Diminutiva von Substanzen die uumlbrigens nur dem Grade nichtdem Wesen nach von einander unterschieden sind nichts alseine Zerstreuung des an sich einfachen Lichtes der Substanz indie Farben tausendfaumlltiger kleiner Einheiten oder Goumltter SeinSystem ist kein Sonnensystem sondern eine Milchstraszlige herr-licher glaumlnzender Welten eine Welt in der alle Wesen []2

Diesem polytheistischen Prinzipe seiner Philosophie entsprichtaber nun ganz das unruhige Feuer die Lebendigkeit und Be-weglichkeit die Gewandtheit und Elastizitaumlt s[eines] Geistesund Charakters seine immense Polyhistorie die Zerstreutheitund die buntfaumlrbige Mannigfaltigkeit und unglaubliche Viel-seitigkeit seiner wissenschaftl[ichen] Taumltigkeit wie seinerLebensbeziehungen Keine Wissenschaft ja kein Zweig einerWiss[enschaft] war es woran er nicht taumltigen schaffenden An-teil nahm Mathematik 883 Physik Mechanik Botanik Me-dizin Geographie Theologie Jurisprudenz Philologie Lingui-stik4 Historie ndash alles umfaszligt sein universaler Geist Er war eineigentliches Perpetuum mobile seine Taumltigkeit rastlos Als ernoch von der Gicht befallen war ging er nie zu Bette als spaumltnach Mitternacht ja oumlfters schlief er mit der Feder nur aufs[einem] Arbeitsstuhl Ja man ruumlhmt ihm nach daszlig er ununter-brochen fortstudierte und oft ganze Monate gar nicht oder nurauf Augenblicke von s[einem] Stuhl wegging Er exzerpierteunermeszliglich aber war sehr5 gluumlcklich nie mehr was er einmalaufgeschrieben nachlesen zu muumlssen er hatte es nicht demPapier sondern s[einem] Kopfe anvertraut Er fuumlhrte einenauszligerordentlich groszligen Briefwechsel er stand fast mit allenGelehrten Europas und selbst andern beruumlhmten Maumlnnern inVerbindung nahm an ihren Plaumlnen und Arbeiten Anteil er-munterte sie und gab ihnen selbst Gesichtspunkte an die HandSo vielseitig wie s[eine] wissensch[aftliche] Taumltigkeit warauch seine Konversation Er [diskutierte]6 mit Leuten aller Artund aus allen Staumlnden mit Hofleuten Bauern Handwerkern

1 Im Ms folgt gestr Sub2 Satz bricht ab ndash Sein System alle Wesen In A am Rande im Ms

Texteinfuumlgung3 Im Ms folgt Mathematik4 Im Ms folgt gestr Anhaumlu5 Im Ms folgt unleserl Wort6 [diskutierte] discutirte [] A im Ms unleserl Einfuumlgung

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Soldaten Dieser sein universaler Geist war es auch der denLeib[niz] alles in seinem gehoumlrigen Maszlige anerkennen undschaumltzen lieszlig Und hierin kann er als wahres Muster aufgestelltwerden Bei widerstreitenden Behauptungen und Meinungenmachte er stets den Vermittler Alles wuszligte er so lange zu dre-hen und wenden bis er ihm eine gute Seite abgewann bdquoIchverachte fast nichtsldquo (sagte er in einem Brief an Bourguet1)bdquo(ausgenommen die willkuumlrliche Astrologie und andere truumlge-rische Wissenschaft) Ich verachte selbst nicht die Mystikerdenn auch ihren verworrnen bilderreichen Gedanken kann mannoch eine gute Seite abgewinnenldquo2 bdquoNiemand ist wenigertadelsuumlchtig als ich Das meiste was ich lese billige ich undgefaumlllt mir Denn da ich weiszlig wie verschieden alle Dinge be-trachtet und aufgefaszligt w[erden] koumlnnen so finde ich immerwaumlhrend des Lesens Entschuldigungen und Entschuldigungs-gruumlnde fuumlr d[en] Schriftstellerldquo3

89 Nicht zu leugnen ist es indes daszlig eine solche allgemeineAnerkennung der Philosophie indem er zu vielerlei in ihr ver-knuumlpfen und miteinander vermitteln wollte selbst einenschwankenden unbestimmten inkonsequenten Charakter gabund daszlig die Vielseitigkeit und Zerstreutheit s[einer] wis-sensch[aftlichen] Taumltigkeit uumlber die Le[ibniz] selbst haumlufig inseinen Briefen klagte seiner metaphysischen Taumltigkeit nurnachteilig sein konnte Seine philosophischen Ideen sind daherzerstreut in einer Menge kleiner Aufsaumltze Briefe gelegentli-cher Aufsaumltze daher das Studium s[einer] Philos[ophie] schonaus diesem aumluszligerlichen Grunde mit Peinlichkeit und Muumlhselig-keit verbunden ist Ein Zeugnis seiner Groumlszlige und der Gedie-genheit seines Geistes und philosophischen Talents ist es aberdaszlig er ungeachtet der Zerstreutheit und Vielartigkeit s[einer]Taumltigkeit und Beschaumlftigung mit realen Wissenschaften die beiden meisten Gelehrten ihren Sinn fuumlr metaphys[ische] Ideenabstumpften ja mit Hochmut und Eitelkeit erfuumlllen so daszligihnen die Philos[ophie] eine unreale Wiss[enschaft] w[ird]doch nie die Metaphysik aus dem Auge verlor sie stets fuumlr die

1 Bourguet Burnet Ms A2 Vgl G W Leibniz Epistolae ad D Bourguet In G G Leibnitii

Opera Omnia hellip Tom VI Pars I Genevae 1768 Epistola IV S211

3 Vgl G W Leibniz Epistolae ad V Placii In G G LeibnitiiOpera Omnia hellip a a O Epistola 48 S 64

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houmlchste und wichtigste Wissenschaft hielt Dieser Punkt fuumlhrtuns nun sogleich zur Einleitung in die Philosophie bdquoSchon alsKnabe studierte ich den Aristoteles und selbst die Scholastikerschreckten mich nicht ab und ich aumlrgre mich heute noch nichtdaruumlber Aber auch Plato und Plotin gaben1 mir damals einigeBefriedigung zu geschweigen die uumlbrigen Alten die ich umRat frug Nachdem ich die Schule verlassen kam ich uumlber dieneuern Schriftsteller und ich erinnre mich noch daszlig2 ich einsteinen einsamen Spaziergang in einem Waumlldchen bei Leipziggenannt Rosenthal machte damals 15 Jahre alt um mich dar-uumlber zu beraten ob ich die substantiellen Formen beibehaltensollte Endlich bekam der Mechanismus die Oberhand und ichwarf mich auf die Mathematik In die tiefern mathemat[ischen]Untersuch[ungen] kam ich erst hinein nachdem ich mit Huy-gens in Paris verkehrt hatte Aber als ich die letzten Gruumlnde lesdernieres raisons des 90 Mechanismus und der Gesetze derBewegung selbst untersuchte wie war ich da erstaunt als ichentdeckte daszlig es unmoumlglich sei sie in der Mathematik zu fin-den und daszlig man zur Metaphysik seine Zuflucht nehmenmuszligte als ich mich uumlberzeugte daszlig die Quelle des Mechanis-mus in der Metaphysik enthalten istldquo3

1 gaben Unleserl Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr als3 Vgl G W Leibniz Lettres agrave MM Remond de Montmort In G G

Leibnitii Opera Omnia hellip Tom V a a O Lettre 1 S 9-10

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[XII Vorlesung]1 [Leibniz]2

340 Dem sp[inozischen] S[ystem] mangelt also d[as]Prinz[ip] der Realitaumlt des Unterschieds Wir haben also in ihmzwei Universalpraumldikate oder Attribute der Substanz ndash Denkenund Ausdehnung Er nimmt diese Attribute aus der car-tes[ischen] Philosophie auf Er deduziert sie nicht Er unter-scheidet sich aber dadurch streng von C[artesius] daszlig er nichtbeide als besondere Substanzen faszligt sondern als Eigenschafteneines und desselben Wesens Beide sind nur der Art nach un-terschieden aber nicht dem Wesen nach Das Genus sozusa-gen die Gattung3 die beide als Arten unter sich begreift ist dieSubstanz oder beide sind Formen die eine und dieselbe Sacheausdruumlcken aber in verschiedener Art die eine in ausgedehnterWeise die andere in denkender Weise Man kann sich das sodenken Eine Erkenntnis eine Wahrheit kann ich auf unter-schiedliche Weise ausdruumlcken Einmal als Bild wie4 ein Ge-maumllde fuumlr die Pinakothek das mir eine Gestalt ein Koumlrperli-ches etwas Ausgedehntes vorstellt das andre Mal als Gedan-ke ein wahres treues Bild gibt den Gedanken rein wieder ohneetwas beizumischen ohne ihn zu veraumlndern es ist nichts andresals der Gedanke in sinnlicher Anschauung das Bild und derGedanke jenes ein Ausgedehntes dieses ein Einfaches stellenmir also Ein und Dasselbe5 vor nur in unterschiedner Weisebeide sind der Substanz nach Eins Es ist ein formeller Unter-schied D[enken] und A[usdehnung] sind Synonyma nur daszligdas eine denselben Begriff sinnlich das andere unsinnlichauffaszligt und darstellt

1 Im Ms steht die Uumlberschrift Nachtrag zur XI V[orlesung] in der

XII Vorles[ung] Der folgende Text schlieszligt unmittelbar an ndash Demsp[inozischen]hellip selber zwischen Vgl W Schuffenhauer Aut Deusndash Aut Natura Zu Ludwig Feuerbachs Spinoza- und Leibnizbild InLo Spinozismo ieri e oggi Archivio di Filosofia dir da Marco MOlivetti Roma 1978 Anhang S 290-291 In B unter dem TitelLudwig Feuerbach Uumlber das spinozische System Nachtrag zur XIVorlesung u XII Vorles[ung] Nachtrag in A nicht vorhanden

2 So auch A3 Gattung Gattung B4 wie als B5 Ein und Dasselbe einu[nd]dasselbe B

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341 Wir haben also in der Substanz Unterschied aber for-mellen Die Substanz ist an sich gleichguumlltig indifferent dage-gen ob sie als Ausd[e]h[nung] oder Denken gefaszligt wird siebleibt immer dieselbe sie mag in dieser oder jener Form vor-gestellt und ausgedruumlckt w[erden] gleichwie eine gediegenewesenhafte Wahrheit in den unterschiedensten Formen ausge-druumlckt w[erden] kann ohne dadurch veraumlndert zu werden Esgehoumlrt zu ihrem Wesen der verschiedenartigsten Ausdrucks-weisen faumlhig zu sein eben wie sie1 indifferent gegen den Un-terschied ist sie kann in diese unterschiedensten Formen ge-faszligt ohne dadurch in ihrem Texte veraumlndert zu werden Einbeschraumlnkter Gedanke ist an diese oder jene beschraumlnkte Formgebunden und in sie gebannt ich kann ihn nicht verschieden-artig ausdruumlcken Es ist daher insofern ganz falsch wenn mansagt daszlig Sp[inoza] von Unterschieden rede sei ganz gegensein Prinzip ndash denn sein Prinz[ip] ist kein abstraktes keinbeschraumlnktes sondern die absolute unendliche Macht undWesenheit die daher dadurch ihre Unendlichkeit beweist daszligsie in alle Sprachformen uumlbersetzt werden kann ohne dadurchin ihrem Text sich zu veraumlndern Der Inhalt bleibt derselbe dumagst ihn nun in der abstrakten Sprache des Okzidentalen oderin der sinnlichen Sprache des Orientalen lesen Offenbar istaber eine solche Faumlhigkeit sich in die unterschiedenstenForm[en] zu fuumlgen ein Zeichen von der Universalitaumlt Gedie-genheit und Substantialitaumlt des Gedankens

Der zweite Unterschied in der spinoz[ischen] Philos[ophie]ist der Unterschied zwischen Attribut2 und dessen Modifikatio-nen3 selber4 zwischen5 916 Unendlichem und Endlichemoder Substanz und Akzidenz denn das Attribut ist im Verhaumllt-nis zu s[einen] Modifikationen das Unendliche die SubstanzDas Dreieck z B hat zu seiner Grundlage zu s[einer] Substanzdie Ausdehnung die ein Attribut der goumlttlichen Substanz istdas Dreieck7 ist eine endliche eine beschraumlnkte eine be-stimmte Art der Ausdehnung d h also eine Modifikation der-

1 eben sie Ebenso wie die Form B2 Im Ms folgt gestr oder3 Modifikationen Modifikationen B4 selber oder B5 Ende des Nachtrags vgl Fuszlignote zur Uumlberschrift6 Am Rande r o XII V[orlesung] A [XII Vorlesung] [Leibniz]7 Dreieck Δ Ms

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selben denn die Ausdehnung ist noch unzaumlhliger andrer For-men und Arten faumlhig1 Die Ausdehnung ist daher das Attribut[der] Substanz2 das Dreieck das Akzidenz Denn das Dreieck3

kann als eine bloszlige Art und Weise der Ausdehnung weder seinnoch gedacht w[erden] ohne die Ausdehnung es ist nur in derIdee der Ausdehnung sie ist und besteht nicht in sich sondernnur in der Ausdehnung sie ist nicht Selbst- nicht Fuumlrsichsein ndashsie ist nur eine Weise wie die Ausdehnung ist Was nun hiervon dem Dreieck4 beispielsweise gesagt wurde gilt von allenbesondern Dingen Die5 Dinge sind ndash jedoch nach verschiednenGraden groumlszligerer und geringerer Realitaumlt ndash Akzidenzen derSubstanz Und auf diesem Unterschied beruht der PantheismusKein Geist war mehr bemuumlht das Unendliche vom Endlichenzu unterscheiden keiner hat auch so scharfe Unterschiedegegeben wie Sp[inoza] So unterscheidet er dadurch die Sub-stanz wie wir sahen von den andern Dingen daszlig sie nur insich ist und durch sich gefaszligt w[erden] koumlnne die andern Din-ge dagegen nur in einem Andern sind eben darum keine Ressondern Modif[ikationen] daszlig die Substanz das Wesen istwelches gar nicht anders denn als seiend gedacht w[erden]kann das Endliche dagegen gedacht w[erden] kann ohne zuexistieren Aber ndash und hier kommen wir daher auf einen Man-gel und die Bedingung zu einer weitern Entwicklung in derPhilosophie ndash das von der Substanz Unterschiedne ist nur alsAkzidenz nur als Modifikation nur als ein Endliches Einge-schraumlnktes Negatives bestimmt und gefaszligt Warum soll aberdas absolute Wesen nur Wesenloses erzeugen Warum dasUnendliche nur Endliches Das Unendliche kann wie Brunosagte 92 nur Unendliches hervorbringen das Positive nurPositives6 Warum soll die Substanz nicht Substanzen zeugen 1 Am Rande Die Substanz ist nicht im Unterschied sich selbst gleich

er ist nicht sie selbst der Unterschied ist nur im Unterschied vonder Substanz gesetzt der Unterschied ist nur [nur keine Korr imMs] Wirkung nicht Objekt der Substanz nur als unter ihr in ihr

2 Die Substanz Das Attribut der Ausdehnung ist daher SubstanzKorr im Ms

3 Dreieck Δ Ms4 Dreieck Δ Ms5 Im Ms folgt gestr materiellen6 Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno von Nola Beylage I zu

den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza In Friedrich Heinrich Ja-cobirsquos Werke 4 Bd 2 Abth Leipzig 1819 S 35-37

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Warum nicht was ihres Wesens und Gleichen Wenden wirdas Verhaumlltnis des Ganzen und der Teile obwohl dieses Ver-haumlltnis nur ungeschickte Vorstellungen mit sich fuumlhrt auf dieSubstanz an und sagen die1 Substanz ist das Ganze die beson-dern Dinge die Modifikation[en] sind die Teile derselbengleichwie z B aber nur bildlich das Dreieck2 ein homoumlopathi-sches Teilchen der unendlichen Ausdehnung genannt w[erden]koumlnnte so fragen wir aber nicht im Namen des Leibniz denSpinoza Warum sollen und koumlnnen denn nicht die Teile desUnendlichen selbst Ganze selbst Totalitaumlten sein Warumsollten sich denn nicht mit dem Begriffe der3 Substanz auchendliche Substanzen vertragen Warum sollte nicht das was imUnendlichen ist zugleich in sich sein koumlnnen so gut als derTeil in unserm Koumlrper ein Organismus im Organismus istbegabt mit eignem Leben mit eignen Gefaumlszligen

Das Unterschiedne von der Substanz muszlig daher nicht alsbloszliger Unterschied sondern als Unterschiedenes oder es muszlignicht bloszlig im Unterschiede von der Subst[anz] und darum alsetwas an sich Unreelles Endliches sondern in der Einheit mitder Substanz begriffen4 werden Oder Der Unterschied der inSpinoza nur ein Praumldikat ist ein Adjektivum muszlig zum Sub-jekt zu5 einem Substantiv erhoben werden Gestern w[urde]der Unterschied so gemacht daszlig gesagt6 wurde Der Unter-schied habe wohl Dasein aber keine Realitaumlt Die Philosophennaumlmlich unterscheiden Dasein bedeutet ein aumluszligerlichesgleichguumlltiges wertloses Sein Realitaumlt das Gegenteil DerUnterschied ist nur fuumlr uns eingeschraumlnkte Denkweisen einSubjekt eine fixe Realitaumlt aber dieses Sein fuumlr uns dieses nurrelative Sein muszlig als Ansichsein oder Fuumlrsichsein = reellesselbststaumlndiges Sein begriffen w[erden]

In den Fragen die wir eben an Sp[inoza] stellten suchten wirim Uumlbergange zu Leib[niz] beide Philosophien miteinander zuvermitteln Aber in der Geschichte der Philosophie spricht sichdas naumlchst[]7

1 die das Korr im Ms2 Dreieck Δ Ms3 Im Ms folgt gestr unendlichen4 begriffen Unleserl Korr im Ms5 zu zum Korr im Ms6 daszlig gesagt [so auch A] daszlig ich sagt Ms7 Der Text bricht ab

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931 lasse sich wohl aus dem Gesagten Alles was sich be-wegt bewegt sich immerfort wenn nicht ein aumluszligerliches Hin-dernis in den Weg trete erklaumlren aber nicht die jaumlhrliche in-dem sie in der Sonnennaumlhe wieder umkehre Er behauptet da-her auch daszlig alle Substanzen drei urspruumlngl[iche] VermoumlgenVorstellung Trieb und Bewegung in sich haumltten Man hat des-wegen auch die Vermut[ung] aufgestellt daszlig Leib[niz] ausdiesem seltnen wenig bekannten Buch seine Ideen geschoumlpfthabe2 Allein ungeachtet3 einer Aumlhnlichkeit in der allgemeinenTendenz und selbst in vielen einzelnen Individu[alitaumlten] sosind doch die Leibniz[schen] Prinzip[ien] ganz spezifisch4eigentuumlmlich bestimmt Uumlberdies hat Glisson nur die Ideen desCampanella den er auch nennt weiter begruumlndet limitiert undausgefuumlhrt und L[eibniz] haumltte sie daher aus dem C[ampanella]selbst den er kennt und oumlfters anfuumlhrt schoumlpfen koumlnnen waumlh-rend der Name Glisson gar nicht oder nur houmlchst selten vor-kommt Erst in Leib[niz] aber konzentrierte sich dieser Gegen-satz gegen die nur mechanische oder mathem[atische] An-schauung der Natur den die genannten Maumlnner un- oder nurhalbphilosophisch aussprachen zu einem gediegenen philoso-phischen Prinzip

Die Substanz ist nur Kraft Selbsttaumltigkeit bdquoaller Substanzsei sie nun geistige oder koumlrperliche eine Kraft der Taumltigkeit5

[wohnt] inne ein nimmer ruhendes Prinzip der Taumltigkeitldquo 6bdquoInder Natur der Koumlrper muszlig man daher auszliger der Groumlszlige und derVeraumlnderung der Groumlszlige und der Lage d h auszliger den Begrif-fen der bloszligen Geometrie einen houmlhern Begriff [einfuumlhren]dies ist der Begriff der Kraft durch welche die Koumlrper handeln 1 Am Rande r o Verweis auf XII Vorlesung2 Vgl F Glisson Tractatus De Natura Substantiae Energetica Lon-

dini 16723 Im Ms folgt gestr der4 Im Ms folgt gestr verschieden5 Im Ms folgt gestr ein6 Vgl G W Leibniz Nouveaux Essais sur lrsquoentendement humain In

Œuvres Philosophiques latines hellip Ed R E Raspe Amsterdam ndashLeipzig 1765 Avant-Propos S 20 Vgl Ebenda Liv II Chap XXIsect 72 S 169 Vgl G W Leibniz Epistolae ad D Bourguet In GG Leibnitii Opera Omnia hellip Tom VI Pars I Genevae 1768 Epi-stola V S 215 Vgl G W Leibniz Essais de Theacuteodiceacutee sur labonteacute de Dieu la liberteacute de lrsquohomme et lrsquoorigine du mal P III Am-sterdam 1710 sect 393 S 592-593 Vgl GW 3 S 33-37

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und Widerstand leisten koumlnnenldquo1 Lettre agrave M Pellisson2bdquoWenngleich ein Phaumlnomen der Natur z B die Schwere oderElastizitaumlt mechanisch erklaumlrt werden kann und z B aus derBewegung abgeleitet w[erden] muszlig so ist doch der letzteGrund der Bewegung in der Materie die jedem Koumlrper inwoh-nende Kraft Emend prim Philos3 bdquoDie Prinzipien der Me-chanik und der Gesetze der Bewegung liegen daher auszliger derMathematik und Mechanik sie sind in einem Begriffe enthal-ten der vor das Forum der Metaphysik gehoumlrt in dem derKraftldquo4

1 Vgl G W Leibniz Lettres de M Leibniz et de M Pelisson De la

toleacuterance et des diffeacuterens de la Religion hellip In G G LeibnitiiOpera Omnia hellip Tom I a a O S 719

2 Pellisson Pelsson A3 Vgl G W Leibniz De Primae Philosophiae Emendationes et de

Notione Substantiae In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom IIPars I a a O S 20

4 Vgl G W Leibniz Systegraveme nouveau de la nature et de la communi-cation des substances hellip In G G Leibnitii Opera Omnia hellip TomII Pars I a a O S 49-50 ndash Im Ms schlieszligt die XIII Vorlesungohne Absatz an

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XIII Vorles[ung]1 [Leibniz]2

Was ist nun aber die Kraft die Leibniz hier aufstellt NichtsAusgedehntes Teilbares Zusammengesetztes Vielfachesnichts Mechanisches nichts Materielles denn eben daruumlbersind wir hinausgegangen indem die bloszlig materiellen Prinzipi-en zur Erkenntnis und Erklaumlrung der Phaumlnomene nicht hin-reichten 943 Die Kraft ist daher ein Einfaches Unteilbaresein metaphysisches (nicht physikalisches) spirituelles PrinzipWir haben daher in der Koumlrperwelt ein geistiges Prinzip selbstzu erkennen Die koumlrperliche Substanz ist nur Substanz durch4

dieses einfache geistige Prinzip Die Substanz ist identisch mitRealitaumlt Wesenhaftigkeit Nur was Substanz ist ist reell DasZusammengesetzte Ausgedehnte Koumlrperliche als solche[s] istaber nicht Substanz denn Substanz ist nur das Wirkende Taumlti-ge die Kraft Das Reale Wesenhafte in den Koumlrpern ist dahernicht das Vielfache sondern das Einfache nicht das Teilbaresondern das Atomon das Non-Dividendum [Nicht-Teilbare]das In-Dividuum [Unteilbare] ndash das Reale das Wesenhafte istaber das was besteht was Bestand hat die Koumlrper haben daherin dem Einfachen ihr5 Bestehen ihren Halt ihren Grund ihrWesen ihre Realitaumlt bdquoDas Zusammengesetzteldquo sagt Leibnizbdquosetzt das Einfache voraus denn ohne einfache kann es keine 1 Am Rande r u Verweis auf XIII Vorles[ung]2 So auch A3 Am Rande l o Verweis auf XIII [Vorlesung] ndash Am Rande r o

Verweis auf Paginierung S 464 Vielfaches durch sondern das Entgegenges[etzte] also ein Ein-

faches Unteilbares Metaphysisches Spirituelles Das MaterielleMechanische setzt einen houmlhern Begriff hervor als diesen fand erden der Kraft 94 Das Materielle Mechanische ist aber ein Vielfa-ches Zus[ammen]gesetztes Teilbares indem aber das Materielledie Kraft voraussetzt als Prinzip so setzt es also ein Einfaches vor-aus als sein Prinzip uumlberhaupt Die Vielheit kann nur haben ihreRealitaumlt in der Einheit Sie kann nicht fuumlr sich und durch sich beste-hen die Vielheit hat nur in der Einheit ihr Bestehen bdquoOhne einfa-che Substanzen kann es keine zusammengesetzten gebenldquo [Vgl GW Leibniz Principia Philosophiae seu Theses in Gratiam hellip In GG Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I Genevae 1768 Nr 1S 20] ndash Der Koumlrper ist zus[ammen]gesetzt das Prinzip der Koumlrperist daher die einfache Substanz Und diese ist es was wir vorherKraft nannten Korr im Ms ndash Im Ms folgt durch

5 dem ihr der Kraft das Korr im Ms

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zusammengesetzten Substanzen d i keine Koumlrper gebenldquo1 Nurdie Einheit haumllt die Vielheit nur die einfache Kraft das Teilba-re2 nur der Geist den Koumlrper zusammen daszlig er nicht haltungs-und einheitslos ins Nichts sich zerstaumlubt Die Koumlrper sind dahernicht eigentlich Substanzen sondern nichts andres als Zusam-mensetzungen als Aggregate von3 Substanzen die einfache4unteilbare spirituelle Kraumlfte sind oder die Koumlrper bestehen auseinfachen Substanzen oder Elementen Diese einfachen Sub-stanzen nennt nun L[eibniz] Monaden Diese einfachen Ele-mente der Koumlrperwelt nennt nun L[eibniz] mit unterschiedenenNamen veras et reales unitates atomes de substance im Unter-schiede gegen die atomes de matiegravere points metaphysiquesFormas substantiales Vires primitivas Entelecheias primas[wahre und reale Einheiten Substanzteilchen Materieteilchenmetaphysische Punkte substantiale Formen primitive Kraumlftedie urspruumlnglichen Entelechien] auch Atomes formels Atomeder Form nach nicht der Masse er nennt sie ferner Seelen oderdoch den Seelen analoge Wesen

Populaumlr ausgedruumlckt ist also der Hauptsinn der LeibnizschenPhilosophie Nur die Kraft ist Sein Alles was existiert wasreal ist ist Kraft Was keine Kraft ist oder hat ist Nichts DieKraft 955 ist aber ein unmaterielles Wesen sie ist Seele Nurdie Seele ist Sein Realitaumlt Was keine Seele hat oder ist istNichts Nur die Seele ist das Wesen des Koumlrpers oder der Koumlr-per ist eine Realitaumlt Wesen Substanz nur durch die Seeledenn nur durch die Seele ist er eine Einheit ndash ja die Seele istdiese Einheit selbst ndash und ohne Einheit waumlre er ein sich Zer-streuendes Zerfahrendes in Nichts Aufloumlsendes Dissoluteskoumlnnte er keinen Widerstand keinen Druck keine Kraft aumlu-szligern denn wo Widerstand ist Kraft wo Kraft aber Seele waumlreer ein dissolutes wehrloses selbstloses sich gegen nichts and-res behauptendes Wesen was doch jede koumlrperliche Substanzist Toute la Nature sagt daher der Leibniz est pleine de vie

1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 1-2 S

202 das Teilbare den Koumlrper zusamm[en] Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr diesen4 Im Ms folgt gestr sind5 Am Rande r o Verweis auf XIII Vorles[ung] ndash Am Rande r o

Verweis auf Paginierung S 47

133

[die ganze Natur ist voller Leben]1 Alles ist daher plena ani-marum vel analogarum naturarum [voller Lebewesen oderverwandter Naturen]2 bdquoUnser Geist oder Seele hat die Kraftimmanente Aktionen d h Handlungen die untruumlglich unsresind nur von uns selbst kommen wie es die Gedanken undWillensbestimmungen sind hervorzubringen aber diese Kraftmuszlig man nicht nur der menschl[ichen] Kraft zuschreibensondern als eine allgemeine allen Substanzen zukommendeKraft anerkennen man muumlszligte denn3 der Meinung sein daszlig dasPrinzip immanenter oder lebendiger Handlungen allein mitdem Intellectus dem Verstande verbunden sei was aber nichtrichtig istldquo4 bdquoEs waumlre ganz im Widerspruch mit der Vernunftder Schoumlnheit und Ordnung der Natur wenn ein lebendigesund immanentes Taumltigkeitsprinzip vitale aliquid seu imma-nente agens nur in einem geringen Teil der Materie waumlre da esdoch offenbar zur groumlszligeren Vollkommenheit gehoumlrt daszlig es injedem Teile der Materie ist und nichts im Wege steht daszlignicht uumlberall Seelen oder doch den Seelen analoge Wesen exi-stierenldquo5 Um dies zu begreifen muszlig man nur nicht wie dieCartes[ianer] mit dem Begriffe des denkenden Bewuszligtseinsder klaren und deutlichen Vorstellung den Begriff der Seeleidentifizieren oder das Dasein einer Seele nur von dem Daseindes Bewuszligtseins abhaumlngig machen Zur Seele gehoumlrt6 nichtnotwendig Wille und Bewuszligtsein 96 zur Seele gehoumlrt nichtsandres als Spontaneitaumlt Auch in unsrer Seele gibt es bewuszligtlo-se Zustaumlnde gibt es dunkle verworrne Vorstellungen die abernicht weniger obgleich sie fuumlr uns nur als Passionen als Lei-den erscheinen in der Selbsttaumltigkeit der Seele ihren Ursprunghaben Und nach Analogie dieses bewuszligtlosen dunklen ver- 1 Vgl G W Leibniz Principes de la Nature et de la Gracircce fondeacutes en

Raison In G W Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I a aO S 32

2 G W Leibniz Meditationes observationes et crises hellip In OtiumHanoveranum sive Miscellanea Leibnitii Lipsiae 1718 Nr CS 189

3 Im Ms folgt gestr allein4 Vgl G W Leibniz De ipsa natura sive de vi insita actionibus

creaturarum pro dynamicis suis confirmandis illustramdisque InActa eruditorum anno 1698 publicata N IX Lipsiae 1698 sect 10S 433 und sect 12 S 436

5 Vgl Ebenda sect 12 S 4366 Zur Seele gehoumlrt Die Seele ist auch Korr im Ms

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worrnen Lebens in unsrer Seele1 muumlssen wir die Seele uumlber-haupt die Monade denken wie sie nicht bloszlig in uns sondernauch auszliger uns in den koumlrperlichen Dingen existiert die Sub-stanz der Natur ist

Die Natur der Dinge besteht also nicht in der Materie in derGroumlszlige der Gestalt sondern in der Monade Alles was ist undbesteht ist eine Monade eine eigentuumlmliche individuelleselbsttaumltige Substanz In die Monade kann daher von auszligennichts eindringen Sie kann daher durch etwas Aumluszligres nichtveraumlndert werden Die Monaden haben keine Fenster durch dieetwas hinein oder herausgehen kann Wie entspringt nun aberVeraumlnderung in der Welt bdquoDie Monaden sind zwar einfachaber sie haben doch Qualitaumlten sonst waumlren sie keine WesenEntia Ja es ist notwendig daszlig jede Monade sich von jederandern unterscheide Denn es gibt nimmermehr in der Naturzwei sich vollkommen gleiche Wesen an denen eine innereVerschiedenheit aufzuzeigen unmoumlglich waumlreldquo2 Da nun dieMonaden keine Gestalt haben ndash sonst haumltten sie Teile ndash so kanneine Monade an sich betrachtet nur durch innerliche Qualitaumltenund Wirkungen sich von einer andern M[onade] unterscheidenbdquoUnd es darf uns nicht befremden daszlig die Monaden ungeach-tet ihrer Unteilbarkeit eine Mannigfaltigkeit in sich enthaltenDie Einfachheit der Substanz schlieszligt keineswegs die Vielfach-heit der Modifikationen aus die sich zusammen in eben diesereinfachen Substanz vorfinden muumlssen gleichwie in einemZentrum oder Mittelpunkt so einfach er ist eine unendlicheMenge von Winkeln ist welche die in ihm zusammenlaufen-den Linien bildenldquo3 bdquoDie natuumlrlichen Veraumlnderungen kommendaher aus einem innern Prinzip weil keine aumluszligere Ursache inihr Innres eindringen kann uumlberhaupt nur die Vis die Kraftdas Prinzip der Veraumlnderungen istldquo4 bdquoAlle einfachen Substan-zen kann man Entelechien nennen denn sie haben in sich einegewisse Vollkommenheit ἔχουσι τὸ ἐντελές 975 sie haben insich eine gewisse Selbstgenuumlgsamkeit αὐτάρκεια vermoumlge

1 in Seele unseres Lebens Korr im Ms2 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 8-9 S

213 Vgl G W Leibniz Principes de la Nature hellip a a O S 324 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 11 S

215 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 48

135

welcher sie die Quellen ihrer innern Aktionen sind wie auto-mata incorporea [koumlrpereigene Automaten]ldquo1 Was sind abernun diese Qualitaumlten der Monade ohne welche eine Veraumlnde-rung unmoumlglich waumlre Was sind diese Unterschiede derM[onade] wodurch sie eine so oder so beschaffne ist einebestimmte ist im Unterschied von einer andern M[onade] DieBeschaffenheiten die Bestimmungen einer Monade sind Kraft-aumluszligerungen sind Aktionen Handlungen Die Bestimmungeneiner selbsttaumltigen Kraft die Bestimmungen die nicht vonauszligen in eine Substanz kommen sondern aus ihr selbst ent-springen deren Prinzip sie selbst ist sind Selbst- Bestimmun-gen Bestimmungen nun aber einer Substanz die in dieserselbst vorgehen von ihr selbst hervorgebracht werden nichtvon auszligen kommen wie wenn ich z B in ein Wasser einStuumlck Zucker werfe und das an sich geschmacklose Wassernun dadurch die Bestimmung der Suumlszligigkeit erhalten hat diefolglich keine materielle sondern ideale immanente spontanekurz Selbst-Bestimmungen sind sind Vorstellungen Die M[o-nade] ist eine Vorstellungskraft Die Qualitaumlten der M[onade]sind Aktionen die Aktionen aber Perzeptionen [Wahrnehmun-gen] Die Bestimmung ist eine Passio aber eine Passio dieAktivitaumlt ist die zugleich Wirkung2 Spontaneitaumlt ist ist Vor-stellung Moumlge diese beispielsweise eroumlrtert w[erden] durch dieVorstellung wie sie in ihrer houmlchsten Form im Bewuszligts[ein]im Menschen erscheint Ein3 Mensch der nie eine Vorstellunggehabt haumltte nichts gesehen gehoumlrt geschmeckt gefuumlhlt haumlttewaumlre ein personifiziertes Non-Ens Nihil er haumltte keine Praumldi-kate keine Qualitaumlten und das Nichts ist eben was keine Be-stimmungen hat Ich bin nur Etwas dadurch daszlig ich Etwasvorstelle Ohne Vorstellung von Etwas bin ich auch ohne Be-gierde nach Etwas ohne Begierde ohne Willen bin ich Nichtsbin nicht gut nicht schlecht nicht dumm nicht reich Dadurchdaszlig ich Bestimmtes vorstelle Bestimmtes will bin ich selbstein bestimmtes Wesen Vorstellung ist Bestimmung Wenn icheine Kroumlte mir vorstelle bin ich anders bestimmt als wenn icheinen schoumlnen Vogel mir vorstelle Als Bestimmung aumluszligert sie

1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 18 S

222 Im Ms folgt der ndash Im Ms folgt gestr Aktivitaumlt3 Ein [so auch A] Eine Ms

136

sich daher in mir als Affekt Die Vorstellung des1 Haumlszliglichen istEkel Abneigung Haszlig die entgegengesetzte Freude Wohlbe-hagen Zuneigung Aber diese Bestimmung entspringt nur ausder Kraft 98 der Vorstellung Der Gegenstand der fuumlr michist d h den ich mir vorstelle ist nur durch mich fuumlr mich ndasheine Bestimmung aber die nur durch mich selbst durch meineSelbsttaumltigkeit in mir ist oder in ihr ihr Prinzip hat ist eineVorstellung Ein Simpel sieht houmlrt kurz erinnert das nicht wasein Mensch ein gesunder Mensch2 Warum nicht Weil fuumlr einvorstellendes Wesen Etwas nur durch es selbst durch s[eine]Selbsttaumltigkeit vermittelt ist weil seine Bestimmung[en] keineunmittelbare[n] Affektionen3 ndash materielle sondern durch dieSelbstkraft vermittelte ndash d i Vorstellungen sind Die Vorstel-lungen jedoch wie sie Vorstellungen der Monade uumlberhauptnicht der freien denkenden Monade sind sind zugleich alsunmittelbare Bestimmungen und4 Affektionen als Zustaumlndestatus zu denken gleichwie wir die Vorstellungen eines Nar-ren eines Simpels wohl unterscheiden muumlszligten5

Die Vorstellungen des Narren sind6 solche die fuumlr den Men-schen unmittelbar die Gestalt die Form der Objektivitaumlt desSeins eines Dings haben ndash der Narr haumllt die Einbildung fuumlrRealitaumlt ndash von denen er sich darum nicht frei machen kann dieihn vielmehr unmittelbar bestimmen und beherrschen vondenen er sein Wesen nicht absondern kann die in ihm haftenwie die Beschaffenheiten an einem sinnlichen Dinge nicht alsfreie ideale Selbstbestimmungen in ihm sind ndash Vorstellungendie fixe Ideen unmittelbare Seelenzustaumlnde sind Nach Analo-gie dieses Zustandes muumlssen wir die Vorstellungen der Monadedenken

bdquoAuszliger den Perzeptionen und ihren Veraumlnderungen gibt esalsoldquo wie Leib[niz] sagt bdquoin der einfachen Substanz nichts unddarin allein muumlssen alle innerlichen Aktionen einfacher Sub-

1 Im Ms folgt gestr Ekel2 Mensch [so auch A] Mensch Ms3 keine Affektionen Affektionen keine unmittelbaren Korr im Ms4 und als Korr im Ms5 Am Rande Was in niedern Dingen und Subj[ekten] [Im Ms folgt

gestr Sub] Gesundheit und richtiges Maszlig ist w[ird] in houmlhernKrankheit Miszligstand ndash Im Ms folgt kein Absatz In BwN folgt Ab-satz

6 Im Ms folgt gestr fixe Ideen Zustaumlnde

137

stanzen bestehenldquo1 bdquoDie Taumltigkeit des innerlichen Prinzipsaber wodurch die Veraumlnderung vor sich geht eine Vorstellungan die Stelle der andern tritt heiszligt Triebldquo2 Begierde Verlan-gen appetitus nisus Der Connexus zwischen Trieb oder Be-gierde und Vorstellung erhellt daraus daszlig eben die Vorstellungals eine Determination als Bestimmung der Seele3 (diesestimmt) unmittelbar als Stimmung sich aumluszligert angenehm oderunangenehm die Seele affiziert Die Monade ist aber in einembestaumlndigen Zustande des Strebens Denn da die Vorstellung zuihrem Wesen gehoumlrt so stellt sie immer vor sie geht 994

immer von einer zu einer andern Vorstellung uumlber Ihr Sein istewiger Wechsel kontinuierliche Veraumlnderung

Da nun die Monaden nur durch innre Qualitaumlten sich vonein-ander unterscheiden diese aber Vorstellungen sind so unter-scheiden sich die M[onaden] voneinander nur durch ihre Vor-stellungen ndash und da das Wesen der Monade hiermit aller Mo-naden die Vorstellung ist hiermit darin miteinander alle uumlber-einstimmen daszlig sie vorstellen ndash so koumlnnen sie nur durch unter-schiedene Grade oder Arten und Weisen der Vorst[ellung] sichvoneinander unterscheiden Sie unterscheiden sich also durchdie verschiedenen Grade der Deutlichkeit bis herab zur voumllli-gen Dunkelheit zum Stupor [Erstarrung] Die Monaden dienur eine einfache Perzeption ohne Apperzeption ohne Be-wuszligts[ein] und Gedaumlchtnis haben koumlnnen den Namen Seelenur uneigentlich und analogisch haben man unterscheidet sievon den houmlhern Stufen die eine deutlichere Vorstellung habendurch den Namen bloszliger einfacher nackter Monaden oderEntelechien In solchen Zustaumlnden wo wir uns an nichts erin-nern und keine deutliche Vorstellung haben wie im Zustandeder Ohnmacht des Traumes des Schlafs des Schwindels un- 1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 17 S

222 Vgl Ebenda Nr 15 S 223 Seele Monade Korr im Ms4 Am Rande r o Verweis auf XIII Vorles[ung] ndash Am Rande r o

Verweis auf Paginierung S 49 ndash Am Rande eine teilw unleserleingefuumlgte Anmerkung die nicht zuzuordnen ist [] Es ist demGeiste nach eine wahre echte Philos[ophie] es ist ihr nichts beige-mischt was fremdartig Daher der Horror vor Hegel Wie die ge-meinen Leute in den Wein Zucker und [] tun [] So viel ist ge-wiszlig daszlig die neuste Freiheitsschmiede in der sogen Spekulationkeine Fruumlchte tragen wird [] ndash Im Ms folgt geht

138

terscheidet sich unsre Seele was das Gefuumlhl betrifft nicht vonder einfachen Monade Wenn keine Deutlichkeit sozusagenkein houmlherer feinerer Geschmack in unsern Vorstellungenwaumlre so befaumlnden wir uns in einem bestaumlndigen Stupor wel-cher der Zustand der nackten Monade ist

Was ist denn nun aber die Vorstellung bdquoDie Repraumlsentationvon dem Zus[ammen]gesetzten oder dem Aumluszligeren in demEinfachenldquo Oder bdquoder voruumlbergehende Zustand der in derEinheit oder einfachen Substanz Vielheit involviert und reprauml-sentiert ist nichts andres als was wir Perceptio nennenldquo1

bdquoMannigfaltigkeit in der Einheit sonst nichts 1002 wird zurVorstellung erfordertldquo3 Vorstellen ist ein Zusammenfasseneines in sich Vielfachen zur Einheit wie denn schon in denSprachen wie z B in den Worten fassen begreifen Inbegriffcomprehendere concipere usw die Einheit der V[orstellung]angedeutet oder sinnlich vorgestellt ist Die Monade ist vor-stellend heiszligt also nichts andres als sie ist die Comprehensiodie Zus[ammen]fassung die Einheit des Vielen oder dessenwas auszliger der Monade ist Die M[onade] ist aber nicht be-schraumlnkt auf die Vorstell[ung] einer beschraumlnkten Vielheit DieM[onade] ist ihrer Idee4 nach an sich unbeschraumlnkt das Ob-jekt der M[onade] ist daher auch nicht beschraumlnktes Nicht imObjekt sondern in der Art und Weise der Vorstellung des Ob-jekts sagt L[eibniz] sind die M[onaden] beschraumlnkt Alle stre-ben verworren nach dem Unendlichen Jede M[onade] stelltdas ganze Universum vor bdquoJede M[onade] ist daher ein Spiegeldes Weltalls ein konzentriertes Universumldquo5 gleichsam einsummarischer Inbegriff des Weltalls (Jedes Ding in der Naturist gewissermaszligen alle Dinge jedes Einzelne absolut allgemei-ner Natur jedes Einzelne das Universum das Unendliche ineiner bestimmten Form oder Vorstellung) bdquoEs gibt kein indivi-duelles Wesen das nicht alle andern ausdruumlcken oder vorstel- 1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 14 S

21-222 Am Rande l eine unleserl eingefuumlgte Anmerkung die nicht zuzu-

ordnen ist3 G W Leibniz Epistola ad Des-Bosses In G G Leibnitii Opera

Omnia hellip Tom II Pars I a a O S 2714 Idee Natur Korr im Ms5 Vgl G W Leibniz G G Leibnitii animadversiones circa

Assertiones hellip In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II ParsII a a O S 154

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len muumlszligteldquo1 bdquoDie Monaden sind daher Bilder des Universumsverkuumlrzte und zus[ammen]gezogne Welten des mondes enraccoursi fruchtbare Einfachheiten Einheiten der Substanznach aber unendlich der Kraft nach virtuellement infiniesdurch die Vielheit ihrer Modifikationen Centra welche eineunendliche Peripherie circonfeacuterence ausdruumlckenldquo2

Die Vorstellungen s[ind] also die rapports die Verhaumlltnisseund Beziehungen der M[onade] zur Welt und aus dem fruuml-her[n] erhellt daszlig die rapports der M[onade] als eines immate-riellen einfachen Wesens keine andre sein koumlnnen als Vorstel-lungen Allein wie und wodurch kommt denn die M[onade]die fuumlr sich ist unabhaumlngig und Auszligen abgesondert von denandern Monaden eine Welt fuumlr sich selbst ist []3

1014 [] bestimmt sich jetzt daher dahin die Seele dieMonade ist der konzentrierte Mechanismus des Leibs oder dieSeele ist nichts andres als der konzentrierte in einen unteilba-ren Punkt zus[ammen]gezogne Leib der Leib5 nichts als dieexplizierte auszligereinandergelegte die entfaltete Seele6 Die 1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 64 S

282 G W Leibniz Reacuteplique de Mr Leibniz aux reflexions contenues

dans la seconde eacutedition du Dictionnaire Critique de Mr Bayle Ar-ticle Rorarius sur le systecircme de lharmonie preacuteeacutetablie In G GLeibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I a a O S 86

3 Der Text bricht ab4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 505 der Leib die Seele Korr im Ms6 Am Rande die Fortsetzung einer hinzugefuumlgten Anmerkung []

Leidenschaft Gefuumlhl Affekt [Im Ms folgt gestr haben] sind iden-tisch mit der Materie Ein unabweisliches Gefuumlhl das Gefuumlhl einerSchranke einer Notwendigkeit weiter nichts ist die Materie Washat die M[aterie] mit dem Gefuumlhl zu schaffen Materie ist StoffWas ist denn aber Stoff Gefuumlhl und Gefuumlhl ist nicht ohne Schran-ke Wo ich an eine Schranke anstoszlige wo ich nicht weiter kann woich mich gehemmt wo ich Widerstand fuumlhle da ist Stoff Man muszligbei Materie nicht an Steinbloumlcke und Holzkloumltze denken Es gibtGefuumlhle im Menschen und in diesen Gefuumlhlen erfahren wir aberdaszlig wir endliche beschraumlnkte Wesen sind die mehr Gewalt uumlberihn ausuumlben als irgend etwas aumluszligerlich Materielles denen er unter-liegt wenn er nicht die houmlchste Kraft des Selbstbewuszligtseins an-wendet [Gefuumlhle] die ihn niederdruumlcken ohne aumluszligerliche Notwen-digkeit [aumluszligerliche Notwendigkeit Veranlassung Korr im Ms] ei-nes aumluszliger[n] Gegenstandes Zum Begriffe der Materie gehoumlrt nichts

140

Seele ist ein metaphysischer Punkt derselbe Punkt aber alsrealer als mathematischer oder physikalischer Punkt ist derLeib Oder1 Als Objekt der Metaphysik des klaren deutlichenDenkens ist die Monade Monade als Objekt der Physik ist sieLeib Die Seele ist daher ein geistiger Mechanismus der Leibein koumlrperlicher oder materieller bdquoDie Gruumlnde der Mechanikdie in den Koumlrpern entfaltet und entwickelt sind sind vereintund gleichsam konzentriert in den Seelen oder Entelechien undfinden fort selbst ihre Quelleldquo2 Aber sie enthalten nicht nur diePrinzipien des Mechanismus Leib weil sie selber spirituelleAutomate [sind]

Der fruumlhre Satz die Seele stellt das ganze Universum vor3bekommt nun auch jetzt seinen bestimmten realen S[inn]4 undder Leib ist nichts andres als der Gesichtspunkt der Monadeihr Standpunkt in der Welt das Schema nach welchem sievorstellt der Grad der Realitaumlt des Leibs ist daher auch derGrad der Realitaumlt des Geistes bdquoWie daher dieselbe Stadtldquo sagtLeibniz bdquovon verschiednen Orten aus gesehen anders er-scheint und gleichsam optisch vervielfaumlltigt wird so gibt esdaher auch wegen der unendlichen Menge von einfachen Sub-stanzen gleichsam ebenso viele verschiedne Welten die jedochnur stenographische Vorstellungen einer einzigen Welt sindnach den verschiedenen (eigentuumlmlichen) Gesichtspunkten derMonadeldquo5 Die M[onade] stellt nur vermittelst des Leibes undder Vorstellung von dem was in ihm passiert ndash eben deswegenist er ihr Gesichtspunkt ndash die aumluszligern Dinge vor Der Leib abersteht nicht isoliert abgeschnitten da In der Welt gibt es nichts

als der Begriff der Unfreiheit und Unklarheit denn Unfreiheit istwo keine Klarheit des Geistes ist

1 Im Ms folgt gestr die2 G W Leibniz Reacuteplique de Mr Leibniz hellip a a O S 863 vor Im Ms nicht hervorgehoben ndash Vgl G W Leibniz Principia

Philosophiae hellip a a O Nr 64 S 284 Am Rande chaque acircme se repreacutesente lunivers suivant son point de

vue et par un rapport qui lui est propre [Ebenso muszlig man zugebendaszlig jede Seele das Universum nach ihrem Blickpunkt vorstellt unddaszlig sie in einzigartiger Beziehung zu ihm steht] (Theod III P p552) [G W Leibniz Essais de Theacuteodiceacutee sur la bonteacute de Dieu laliberteacute de lrsquohomme et lrsquoorigine du mal Amsterdam 1710 P III sect357 S 552]

5 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 59 S27

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Leeres Getrenntes sie ist ein absolutes Kontinuum bdquoAlles isterfuumlllt alle Materie verbunden Jede Bewegung affiziert nicht1

nur die naumlchsten Koumlrper sondern vermittelst dieser auch dieentfernten so daszlig sich gar kein Grad der Entfernung bestim-men laumlszligt auf den sie nicht noch mittelbar sich erstreckte JederKoumlrper w[ird] daher von allem ergriffen was im Universumvor sich geht 102 so daszlig das Auge das alles durchschaut injedem einzelnen Koumlrper lesen kann was im Universum2 ge-schieht selbst was schon geschehen ist oder noch geschehenwird Σύμπνοια πάντα [alles wirkt zusammen]ldquo sagte Hippo-krates3 bdquoWeil und wie nun aber dieser Leib wegen der durch-gaumlngigen Kontinuitaumlt d i Zus[ammen]hangs der Materie imerfuumlllten Raume das ganze Universum ausdruumlckt so stellt auchdie Seele das ganze Universum vor indem sie den Leib vor-stellt4 der sich unmittelbar auf sie bezieht Obgleich sie aberdas ganze Univ[ersum] vorstellt so stellt sie doch viel deutli-cher den Leib vor der ihr selbst auf besondere Weise angepaszligtistldquo5

Was ist nun aber der Leib selbst Nichts als eine Menge eineder Zahl nach unbestimmbare und unbegrenzbare Menge vonMonaden denn das Zusammengesetzte hat ja sein Bestehennur in den einfachen Substanzen und so viel Teile ich dahernur immer unterscheiden kann so viel Monaden muszlig ich an-nehmen jedes Faumlserchen meines Koumlrpers jedes auch das billi-onste Teilchen desselben hat seinen Grund in einem selbstunteilbaren von andern unterschiedenen fuumlr sich seiendenWesen Der Leib ist daher ein Aggregat wie wir schon fruumlhersahen ein Compositum eine Zusammenhaumlufung von Mona-den und das was wir die Seele eines bestimmten Leibes nen-nen ist nichts andres als die uumlber die andern untergeordnetenihren Leib konstituierende Monade herrschende Monade oder

1 Im Ms folgt nicht2 Im Ms folgt gestr vor sich geht3 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 63 S

274 vorstellt bezieht Korr im Ms5 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 64 S

28 ndash Am Rande Bei der Vorstellung L[eibnizrsquo] muszlig man nur nichtan ein [Im Ms folgt gestr dunkles] Bild denken ein[en] toten Ab-druck s[ondern] d[aszlig] zu Attri[buten] Substanzen Wirkung Le-benskraft Wirklichkeit

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Entelechie1 Der Leib einer Monade ist daher obwohl er demWesen nach nur ein Aggregat ist der Form nach organischoder eine Maschine die sich aber dadurch von jeder kuumlnstli-chen wesentlich unterscheidet daszlig sie bis ins Unendliche bisin die kleinsten Teilchen noch Maschine ist denn die aller-kleinsten selbst dem Auge verschwindenden Teilchen sindnoch Organe von Seelen Wie der organische Leib ein Systemaus Systemen ist2 so ist der Leib eine Fuumllle von beseelten Lei-bern eine ganze Welt voll Seelen die aber zusammengebun-den sind durch die Eine herrschende Seele

1 Im Ms folgt gestr (Das was wir ein Tier ein lebendiges Wesen

nennen ist nichts andres als so eine mit einem Leibe verbundene[Im Ms folgt gestr die] uumlber andere Monaden herrschende Mona-de Leben gehoumlrt nur den organischen Leibern an) ndash Am RandeDas Atom ist der Rahmen in dem L[eibniz] den Begriff d[er] Seeleeinschlieszligt einfaszligt Daher die Uumlbelstaumlnde Die Materie ist eine Ge-muumltskrankheit der Monade

2 ist sind Korr im Ms

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XIV Vorlesung1 [Leibniz Kant]2

103 bdquoDer kleinste3 Teil der Materie sagt L[eibniz] ist nocheine Welt von lebendigen Kreaturen von Tieren EntelechienSeelenldquo4 bdquoJeder Teil der Materie kann vorgestellt w[erden] wieein Garten voller Pflanz[en] oder wie ein Fischteich vollerFische Aber jeder Ast der Pflanze jedes Glied des Tieresjeder Tropfen seiner Feuchtigkeiten ist wieder ein Fischteichoder Garten dieser Artldquo5 bdquoEs gibt daher auszliger nur dem Scheinenach kein Chaos im Universum keine Verwirrung nichtsTotes Wuumlstes nichts Ungegliedertes nichts was ohne Zweckund Bedeutung ohne Ordnung6 waumlreldquo7 bdquoEs gibt daher auch imUniversum keine reale Erzeugung keinen realen Tod im stren-geren Sinne Es gibt nur Metamorphosen nur8 Veraumlnderungendenn die Materie befindet sich gleich einem Flusse in bestaumln-diger Veraumlnderung und die Monaden gehen bald diese baldjene Verbindung ein9 Was wir Erzeugung nennen sind nurEvolutionen und Zuwaumlchse was wir Tod nennen nur Involu-tionen und Verminderungldquo10 Obwohl alles in derLeibn[izschen] Philosophie unterschieden fuumlr sich ist eineignes gesondertes Leben hat ja auf dieser unendlichen Dis-krimination das Prinzip s[einer] Philos[ophie] beruht so gibt esdoch keinen realen Unterschied keinen Unterschied dem We-sen nach sondern nur nach Graden und Zustaumlnden Der Unter-schied betrifft nur die Existenz nicht das Wesen der DingeDem Wesen nach s[ind] die Monaden nicht unterschieden 1 Im Ms kein Absatz Am Rande r o Verweis auf XIV Vorlesung und

Paginierung S 512 So auch A3 Der kleinste Jedes kleinstes Korr im Ms4 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae seu Theses in Gratiam

In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II pars I Genevae1768 Nr 69 S 28

5 Vgl ebenda Nr 70-71 S 286 Im Ms folgt gestr her7 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 72 S

288 nur der Seelen und Korr im Ms9 denn ein der Materie die gleich Veraumlnderung sich befindet

was wir so nennen Korr im Ms10 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 76 S

28

144

sondern nur ihrem Sein ihrer Existenz nach d h darnach daszligsie fuumlr sich seiende oder richtiger sich selbst seiende Wesensind Selbst zwischen Leib und Seele ist kein realer wesentli-cher Unterschied Die Seele ist nur ein geistiger Mechanismusder Koumlrper ein materieller Mech[anismus] ihre Vorstellungenentwickeln sich der Reihe nach auseinander bis ins Unendlichefort wie die Bewegungen der koumlrperl[ichen] Maschine eine ausder andern bis ins Unendliche ruumlckwaumlrts und vorwaumlrts ent-springen Die koumlrperl[iche] und geistige Welt sind getrennteund doch dem Wesen nach nicht unterschiedne Welten

104 Und eben in dieser Fixierung mechanischen Trennunghebt Leib[niz] das Gute seiner Ideen wieder auf indem er sichmit dem Begriffe der Kraft der Seele uumlber den bloszligen Mecha-nismus erhebt faumlllt er doch wieder zuruumlck Das den Mecha-nismus uumlberwindende und aufhebende Prinzip faszligt er selbstwieder mechanisch auf Er trennt die Einheit ab von der Viel-falt fixiert sie fuumlr sich es kommt daher zu keinem Organismusnur zu einem (natuumlrlich[en]) Aggregat1 Der Leib ist nichtsandres als die andern auszliger der M[onade] existierenden Mona-den An sich ist die Mon[ade] nicht verbunden mit andernsondern separeacutee eine getrennte Existenz Der Zusammenhangmit den andern M[onaden] ist daher nur ein aumluszligerlicher vorge-stellter ein idealer ndash2 kein im Wesen begruumlndeter realer DieMaterie entspringt zwar aus der Schranke der M[onade] sie hatinsofern einen innern Grund aber in dem wahren Wesen derM[onade] die in den klaren und deutlichen Vorstellungenexistiert oder an sich hat sie keine Realitaumlt ndash Die Vorstellungder Beschraumlnktheit3 ist selbst bei Leib[niz] nur eine dunkleihm aufgedrungne Vorstellung keine begriffsmaumlszligige aus demlautern Begriffe der Monade abgeleitete Bestimmung denn 1 mechanischen Aggregat der Trennung liegt der Mangel der

leibni[zschen] Philos[ophie] Korr im MsAm Rande Das wahre Mittel wodurch Gott bewirkt daszlig d[ie]Seele Empfindung[en] von dem hat was im Koumlrper vorgeht kommtaus der Natur der Seele die est repraumlsentative des corps und im vor-aus so gemacht daszlig die Repraumls[entation] der Veraumlnderung d[es]Koumlrpers entspricht Theodic p 550 [Vgl G W Leibniz Essais deTheacuteodiceacutee sur la bonteacute de Dieu la liberteacute de lrsquohomme et lrsquooriginedu mal Amsterdam 1710 P III sect 355 S 550]

2 Im Ms folgt gestr der Leib ist ja nur eine dunkle bewuszligtlose un-freie Vorstellung ndash

3 Beschraumlnktheit M[onade] Korr im Ms

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ihrem urspruumlnglichen Begriff nach ist sie nicht determiniertfrei fuumlr sich Der Zusammenhang der M[onade] mit andernMonad[en] ihre Uumlbereinstimmung zu einem Ganzen hat dahernicht in ihnen selbst sondern in einer vorherbestimmten dersog praumlstabilierten Harmonie ihren Grund die als Subjektvorgestellt ihre Existenz in Gott hat Es ist daher ein Wesenauszliger und uumlber den M[onaden] es ist die urspruumlngliche Mona-de es ist Gott der die M[onaden] verknuumlpft Aber in s[einer]Anwendung auf Gott hat der Begriff der Monade nicht eigent-liche Bedeutung er kann ihm nur bildlich zukommen denn imBegriff der Monade liegt ja die Vielheit ndash in der Monade liegtein polytheistisches Prinzip die M[onaden] sind selbst kleineGoumltter ndash die eigentliche Bedeutung fuumlr Gott ist daher inLeib[niz] nur die gewoumlhnliche populaumlre Vorstellung von Gottals einem auszligerweltlichen Wesen d h einem Wesen dasauszliger der Natur eines Dings dasselbe bestimmt Die Vorstel-lung v[on] Gott ist daher bei ihm1 eine unbestimmte oder we-nigstens dem Wesen nach nicht philosophisch bestimmte nichtim Geiste s[einer] Philos[ophie] bestimmte Idee ob er gleichim einzelnen natuumlrlich mit s[einer] Philo[sophie] zusammen-haumlngende Gedanken uumlber ihn hervorbringt Und hierin steht dasgroszlige Genie L[eibniz]rsquos weit2 unter dem Spin[oza] der nichtsin s[einer] Philos[ophie] eingeschwaumlrzt [] sich zu einer selb-staumlndigen rein philosophischen Anschauung Gottes sich erhobDie M[onaden] bleiben daher bei L[eibniz] weil es nur eineaumluszligerlich[e] Ver- 1053 knuumlpfung ist voneinander getrennt Esist nur ein Consensus aber kein Commercium4 sie sind fuumlrsich Wesen fuumlr einander aber nur Schatten SpiegelbilderGespenster5 Kein Wesen dringt in das andere ein keines ent-huumlllt dem andern sein Antlitz es ist ein Schleier uumlber alle We-sen gezogen und dieser Schleier der Seele ist die Materie6 Es 1 Im Ms folgt gestr nicht2 Im Ms folgt gestr uumlber3 Am Rande r o Verweis auf XIV Vorlesung und Verweis auf Pagi-

nierung S 524 Commercium Hervorgehoben in A5 Am Rande - eine ideale Uumlberwindung aber kein reales [] Der

Text bricht ab6 Am Rande Es erhellt daher hier auch die Schattenseite der Bestim-

mung der Vorstellung bdquoDie realen Dinge wirken nur als von ihrvorgestellte sie ist nur mit sich selbst beschaumlftigt sie ist nur theo-retisch taumltig und leidend ihre Leiden ihre Bestimmungen von den

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gibt daher keinen realen Influxus zwischen L[eib] und S[eele]Die Leiber handeln in diesem System als gaumlbe es keine Seelenund die Seelen als gaumlbe es keine Leiber Die Seelen handelnnach Zweckursachen die Leiber nur nach hervorbringendenUrsachen Wenn die [Veraumlnderung] und die Bewegung in mei-nem Leibe1 [auf] Grund2 der mechanischen Gesetze erfolgenso erfolgen zugleich in meinem Geiste die ihnen entsprechen-den Vorstellungen die Seele hat von allem was in ihrem Leibevorgeht Bewuszligtsein oder doch eine dunkle Vorstellung eben-so erfolgen wie im System des Occasionalismus auf die Vor-stellungen und Begehrungen der Seelen in den Leibern ent-sprechende und gemaumlszlige Bewegungen ohne daszlig dadurch aberdie Seele oder der Leib in ihren eigentuumlmlichen Wesen undGesetze angegriffen und gestoumlrt wuumlrden Aber der Grund dieserUumlbereinstimmung ist die praumlstabilierte Harmonie Der Unter-schied zwischen dem sogen[annten] System des Oc-cas[ionalismus] und dem Cartes[ianismus] ist nur daszligL[eibniz] auch in der Begierde in dem Triebe in der dunkelnbewuszligtlosen3 Vorstell[ung] die Seele4 Spontanitaumlt Geist er-blickt die Objekte nicht als tote materielle Objekte dahersondern als lebendiges Wesen Seelen anschaut daszlig er dieSeele verobjektivierte aber dessen ungeachtet doch zugleich indieser aumluszligerlichen Trennung beide festhielt Der Grundmangelist nun aber daszlig dem Leib[niz] bei dem Begriffe der Seele derMonade so tief er ihn faszligt doch die Vorstellung des Atomszwar nicht als eines materiellen doch immateriellen Atoms

andern M[onaden] oder den Dingen haben nicht das Feuer die leb-hafte Kraft unmittelbar gegenwaumlrtiger sinnlicher Eindruumlcke sie ha-ben nur die Kraft von Reminiszenzen nur solche Bedeutung wieWirkungen von dem was nur in der Vorstellung der Erinnerungnicht mehr in der Wirklichkeit fuumlr uns Realitaumlt hat Die Monadew[ird] nicht auf sinnliche Weise von dem affiziert was vorgeht inder Welt sie ist kein an Ort und Stelle sich befindender Augen- undOhrenzeuge sie nimmt nur aus der Entfernung Notiz An einer Sa-che nur aus der Entfernung Anteil nehmen bei ihr sein ohne sinnli-che Gegenwart heiszligt sie [Im Ms folgt gestr nur die] vorstellenldquo[Zitat nicht nachgewiesen]

1 Im Ms folgt in2 Grund Folge Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr Seele4 Im Ms folgt gestr die

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vorschwebte und unter [der] Hand sich einmischte daszlig1 die2

Vorstellung der Seele in dem Sinne wie wir etwa die so-gen[annten] reinen Intelligenz[en] und Engelgeister auf demStandpunkt der Phantasie vorstell[en] ihm zwischen die Ideenkam die Seele nicht idealistisch genug dachte daher es not-wendig war daszlig in der Leibniz-Wolf[f]isch[en] Schule 106die Seele nur als ein einfaches Ding Objekt vorgestellt wurdedaszlig er den Sinn der substantiellen Entelechien in Form derBildung von auszligen erfaszligte3 die Seele nur in einem aumluszligerlichenVerhaumlltnis zum Leibe dachte daher die Seelenwanderung al-lerdings keine weit abliegende Vorstellung ist Die logischeKategorie die L[eibniz] zum Prinzip machte ist allerdings wieHegel richtig bemerkte die Kategorie des Fuumlrsichseins4 Diese5

legte er6 als die absolute Grundbestimmung [zugrunde] ererkannte nicht das Negative in ihr ihre Schranke haumltte er dieseerkannt so wuumlrde er auf einen realen Zus[ammen]hang ge-kommen sein Aber eben eine Philosophie muszlig eine an sichwesenhafte Idee fuumlr sich allein ohne Einschraumlnkungen zumPrinzip machen denn nur dadurch kann er wahrhaft erkanntseine Bedeutung sein Verhaumlltnis zur Totalitaumlt der Vernunftseine Grenzen und der Umfang seiner Folgen ermittelt werdenDie Leibniz[sche] Philos[ophie] enthaumllt tiefe und wahre Ideenaber die Verbindung dieser Ideen ist ungenuumlgend die Keimenicht entwickelt die gehoumlrige Anwendung nicht gemacht Dasdisparate Element seines Lebens ist auch in s[einer] Philoso-phie nicht zu verkennen Seine Philosophie ist ein Aggregatvon Aphorismen d[ie] Aphoris[men] s[ind] trefflich aber dasAggregat taugt nichts Die Leibnizsche Philosophie w[urde]7

bekanntlich jedoch nur auf Kosten ihres philosophischenKerns von einem wirklich tuumlchtigen ja groszligen wenn auchnicht genialen Manne dem Chr[istian] Wolf[f] in ein foumlrmli-ches System gebracht und8 [eroberte] nun in dieser Gestalt1

1 Im Ms folgt gestr er2 Im Ms folgt gestr Seele3 Im Ms folgt gestr nicht4 Vgl G W F Hegel Die objektive Logik In Wissenschaft der

Logik 1 Bd Nuumlrnberg 1812 3 Kapitel Abschnitt A S 92-1005 Im Ms folgt gestr legte6 er ihn Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr als7 Im Ms folgt gestr allerdings8 Im Ms folgt unleserl Wort

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obwohl sie auch heftige Gegner fand fast ganz DeutschlandDie Philosophie verlor so den Charakter der Produktivitaumlt siew[urde] steifer Pedantismus und selbst in den besten Koumlpfendie auf eigentuumlmliche Weise die Leibnizsche Philosophie insich gestalteten war ihre Vernunft in bestimmte Schrankeneingeschlossen und diese Schranken die einmal festgesetztworden sind waren eben das Ens simplex und das Ens compo-situm das metaphysische Ding als welches selbst der Geistdie Seele fixiert war Bei Leib[niz] selbst schon2 schwebt beiseiner Anschauung der Seele diese antiidealistische Vorstel-lung mit vor Aber das was ein3 schwebendes Gespenst beiL[eibniz] war wurde jetzt die fixe Realitaumlt Der Gedanke desIch kommt zwar bei 1074 L[eibniz] in der spaumltern verhaumlngnis-vollen metaphys[ischen] Bedeutung schon vor er faszligt die Ein-heit der Seele schon als Selbstbewuszligtsein als das Ich aber esblieb bei dem bloszligen Gedanken er kam nicht zur Realitaumlt Inder Leibnizisch-Wolf[f]schen Schule dagegen verschwand dasIch in dieser houmlhern Bedeutung die Einheit des Selbstbewuszligt-seins wurde nur als die einfache Substanz fixiert das Ens sim-plex zu einem Dogma gestempelt Wie war nun in dieser Zeitdes Dogmatismus in der Philosophie ein Fortschritt zu gewin-nen Nur durch einen Bruch mit dem ganzen Genre5 zu meta-physizieren Es bedurfte eines gewaltigen Stoszliges um dieMenschheit wieder vom Flecke zu bringen Nur im Zweifelnur in der Kritik war6 Heil zu finden der Zweifel ist der Hebelder Weltgeschichte Es muszligte ihr das Houmlchste selbst ndash dieErkenntnis der Wahrheit ja die Moumlglichkeit derselben streitiggemacht w[erden] um sie die sich so sicher duumlnkte wieder7

aufzuschrecken Diese groszlige Tat vollzog der KoumlnigsbergerWeise Kant durch den kuumlhnen Gedanken einer Kritik derVernunft Ihr denkt in dem Glauben die Objekte damit erken-nen zu koumlnnen Ihr Toren pruumlft erst euer Denkvermoumlgen fragt

1 [eroberte] Gestalt zu einer fertigen Schulsache gemacht Korr im

Ms2 Im Ms folgt gestr schwimmt3 ein das Korr im Ms4 Am Rande r o Verweis auf XIV Vorlesung und Verweis auf Pagi-

nierung S 535 Im Ms folgt gestr dieser Art6 Im Ms folgt gestr das7 wieder so wohlbehaglich Korr im Ms

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erst die Vernunft ob sie erkennen kann sonst1 tappt ihr imFinstern herum und wiszligt nicht ob ihr nicht Schatten fuumlr wirk-liche Dinge umfaszligt Die Frage kann die Vernunft die Wahrheiterkennen ist uumlbrigens eigentlich eine Suggestivfrage an dieVernunft denn in der Frage liegt schon die Antwort ndash eineAntwort die nur negativ ausfallen kann Denn der Standpunktist selbst schon ein negativer er ist kein freier sondern schonim Miszligtrauen befangner Standpunkt der Gedanke sie kann sienicht erkennen ist ihr schon im Geheimen vorausgesetzt We-gen dieses ihres negativen Standpunkts und Resultates dasuumlbrigens fuumlr unzaumlhlige Mensch[en] ein houmlchst plausibles und inihren Kopfe wie sonst kein philos[ophischer] Satz freies En-tree hat betrachtet2 man die Kantsche Philo[sophie] als reinabgeschnitten von der fruumlhern Philos[ophie] gleichsam wie ausden Wolken herabgefallen Allein wir haben sie dennoch in derKontinuitaumlt im Zus[ammen]hang mit den fruumlhern Philosophienzu begreifen Die Substanz des Spi[noza] die Monade 108des L[eibniz] sind nur Gegenstaumlnde des Denkens die Monadedie Subst[anz] ist kein Objekt des Sinnes die Sinne zeigen mirnur Buntes Vielfaches Zusammensetzungen aber keine einfa-chen Substanzen Das Wahre das wahrhaft Objektive wird nurdurch das Denken erkannt Das Denken wird daher im Objekteseiner selbst bewuszligt es wird sich selbst Gegenstand der Ge-genstand ist der Spiegel in dem es sich selbst erblickt (dennda diese Gegenstaumlnde nur fuumlr das Denken sind so koumlnnen sieihm nicht entgegengesetzt sein es muszlig eine innre Verwandt-schaft oder Identitaumlt stattfinden) das Denken wird darum imGedachten auf sich selbst aufmerksam erfaszligt sich selbst re-flektiert uumlber sich selbst zuruumlckgefuumlhrt und dieses auf sichselbst zuruumlckgehende Denken dieses sich im Unterschiedevom Objekte denkende Denken dieses Denken des Denkens(ist das Selbst-Bewuszligtsein) ist das Prinzip der Kantsch[en] undFichteschen Philosophie Die Richtung des Denkens auf sichselbst muszlig aber eine doppelte Wendung nehmen Im Anfang istdas Denken3 sich selbst miszligtrauisch es ist mit sich im Wider-spruch die Vernunft ist ihm alles und nichts es erfaszligt die Ge-genstaumlnde die nur fuumlr das Denken Gegenstand sind als Pro-

1 Im Ms folgt gestr denn wollen wir erst an die Dinge gehen2 betrachtet erkennt Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr gegen

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dukte des Denkens und1 als bloszlige Gedanken es faszligt sich nurals subjektiv und diese Subjektivitaumlt als eine Schranke alsUnrealitaumlt hinter der2 das reale Objekt daher noch versteckt istunerreichbar dem Denken es erfaszligt sich nur als subjektiv d[as]Objekt als Ding an sich das Denken ist noch nicht vollkom-men seiner gewiszlig es ist noch im Widerspruch mit sich esschlieszligt daraus daszlig die Gegenstaumlnde nur fuumlr d[as] Denkensind3 es die Gegenstaumlnde nur so erkennt wie sie fuumlr d[as]Denken aber nicht wie [sie] an sich sind das Ens der altenMetaphysik ist ganz hinten in den Grund gestellt als ein unbe-kanntes Ding an sich aber nicht aufgenommen in den Geistnicht idealisiert nicht uumlberwunden [es schlieszligt] auf eineSchranke seiner selbst Es4 traut sich noch nicht die Wahrheit5

ndash die volle Wahrh[eit] auf diesem Standpunkt ndash einzugestehenund auszusprechen Es erfaszligt seinen Unterschied als SchrankeUnrealitaumlt es setzt ein Ding an sich als Schranke Aber imFortgang erstarkt und ermutigt sich der denkende Geist Er faszligtden Unterschied des Denkens von d[em] Objekt als seine Rea-litaumlt6 Allerdings sind die Objekte nur Produkte des Denkensaber daraus folgt keine Unrealitaumlt keine Schranke des Den-kens vielmehr das Gegenteil alle Realitaumlt liegt nur im Denkennur Selbstbewuszligtsein ist Sein nur Fuumlrsichsein Sich-selbst-Gegenstand-sein ist Realitaumlt ist Wahrheit Das Objektive istnur Sein fuumlr uns es ist nur Objekt des Selbstbewuszligtseins es istfuumlr sich nichts Ein Ding an sich ist ein Unding Ansichsein istnur der Geist Der Geist setzt sich selbst bringt sich selbsthervor d h er ist nur durch sich das Ding 1097 ist aber nurfuumlr den Geist es ist nur ein von ihm gesetztes und dahinge-stelltes Durchsichselbstsein ist nur der Geist das Selbstbe-wuszligtsein nur Durchsichselbstsein ist Sein das Objekt istnichts den Gedanken mit heftiger Leidenschaft ausgesprochenUnd der Geist setzt sich nur ein Nicht-Ich gegenuumlber um an

1 Im Ms folgt gestr deswegen weil sie bloszlig Produkte des Denkens

sind ndash Am Rande nicht geteilt zwischen sich und der Objektivitaumltund erfaszligt sich nur als subjektiv das Objekt als Ding an sich

2 es der als Non-Entia als Unrealitaumlt hinter denen Korr im Ms3 daszlig sind daszlig es nur Gedanken sind Korr im Ms4 Es Aber Korr im Ms5 Im Ms folgt ganze volle6 Im Ms folgt gestr Allerdings Produkte7 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 54

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ihm seiner selbst bewuszligt zu sein Das Nicht-Ich ist eineSchranke die der Geist sich selbst setzt Er fixiert nur einenPunkt auszliger sich um die Reflexion und Aufmerksamkeit aufsich desto besser richten zu koumlnnen wie Kant nur dadurchdenken und sich im Kontext in s[einen] Vorlesungen erhaltenkonnte daszlig er einen Knopf an dem Rocke1 eines seiner Zuhouml-rer fixierte2

Fichte ist der Spinoza als Idealist Auszliger der Substanz istnichts die Substanz ist alle Realitaumlt alle Dinge sind in ihr sindnur ihre Bestimmungen Affektionen Aber die Substanz ist einGedachtes ist vom Geiste als Objekt angeschaut als Ens fi-xiert Durch den Idealismus des L[eibniz] hindurch der jedochnoch ein Mittleres zwischen dem Realismus oder Objektivis-mus des Sp[inoza] und zwischen dem Idealis[mus] Kants undFichtes ist geht das Denken auf sich zuruumlck und erfaszligt dasDenken das Selbstbewuszligtsein des Geistes als diese Substanzderen Affektion[en] die Dinge sind Aber das die Substanz alsderen wesentliche Bestimmung schon Leibniz die Spontaneitaumltdie Selbst-Taumltigkeit faszligte nicht als bloszliges Ansichsein als rei-nes Sein als Sein schlechtweg wie die Substanz des Sp[inoza]sondern als Durchsichselbstsein darum als Geist bestimmt istso sind die Dinge keine unmittelbaren Affektionen mehr son-dern schlechthin durch den Geist vermittelt und gesetzt siesind nicht mehr Bestimmung[en] in der Subst[anz] sondernSelbst-bestimmungen und -beschraumlnkungen Objekte Vorwuumlr-fe die er sich macht3 Um den F[ichte] zu verstehen muszlig mannur nicht an sein eignes Ich denken und sich einbilden als haumltteF[ichte] es so verstanden daszlig wenn ich dieser Mensch nichtdenke die Dinge nicht sind daszlig sie jetzt in dem gegenwaumlrtigenAugenblick entstehen daszlig ich mit dem Gedanken Tische []und Baumlnke hinstelle Es ist der Geist Und was fuumlr den Geistnur Produkt seiner selbst ist ist fuumlr mich das endliche Ich dasIndiv[iduum] eine unmittelbare Realitaumlt 110 ein PositivesDie Kantsche Philosophie ob sie gleich mit der Metaphysikihrer Zeit sich gaumlnzlich entzweit und einen foumlrmlichen Bruchbildet steht daher doch mit der Leibnizschen Philosophie ininnigem Zus[ammen]hang bdquoDie absolute Realitaumlt bestehtldquosagt L[eibniz] bdquonur in den Monaden und ihren Vorstellun- 1 dem Rocke s[einem] Korr im Ms2 Im Ms Absatz nachtraumlglich eingefuumlgt3 macht setzt Korr im Ms

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genldquo1 Das Reale ist nur die Seele Nur Selbsttaumltigkeit ist SeinRealitaumlt Was auszliger uns ist ist unsers Gleichen und Wesensunser Sein und Wesen ist die Seele aber die Dinge auszliger unssind auch Seelen oder doch ihnen analoge Wesen sie sindEbenbilder unseres Wesens Dinge sind sie nur fuumlr uns oder fuumlrandere Monaden fuumlr sich selbst aber Monaden SeelenL[eibniz] verobjektiviert die Subjektivitaumlt er macht dieSelbsttaumltigkeit die Bestimmung wodurch wir [uns] nur als Ichfassen und denken als Seele als Selbst zu einer realen objek-tiven Bestimmung oder umgekehrt er vergeistigt die Dingedie Selbsttaumltigkeit ist auch d[as] Prinzip der Kantschen Phi-los[ophie] aber als2 Verstand der Wille3 Die Selbsttaumltigkeitmuszligte daher in dieser Spitze erfaszligt w[erden] und folglich dadie Selbsttaumltigkeit als Seele uumlberhaupt bereits zum Prinzip allerRealitaumlt und Objektivitaumlt erhoben w[urde] nun daher dieSelbsttaumltigkeit als Vernunft oder die Vernunft als das Prinzipaller4 Realitaumlt und Objektivitaumlt gefaszligt w[erden] Indem dieVernunft zum Prinzip gemacht w[urde] so kam das5 Denkenhinter sich selbst wurde sich Gegenstand aber anfangs erfaszligtees sich6 nur im Unterschiede von der Objektivitaumlt7 noch unent-schieden8 hin und her schwankend9 zwischen dem Respekt vorsich selbst und dem Respekt vor dem Objekt10 teilt es d[as]Objekt selbst in d[as] Objekt wie es fuumlr d[as] Denken ist unddas Objekt an sich setzte es der Vernunft in diesem Ding ansich eine Schranke faszligte sie nur als subjektive als unsere Ver-nunft So daszlig es nun auf diesem Standpunkt also hieszlig die Weltist allerdings unseresgleichen und -wesens aber wir sind ebennur wir unser Wesen ist nur ein subjektives wir schauen in der 1 G W Leibniz Lettre a Mr Dangicourt eacutecrite en Septembre 1716

In Opera Omnia hellip Tom III a a O S 4992 ist als in ihrer houmlchsten Potenz ist der Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr oder wahre Selbsttaumltigkeit ist nur Vernunft

Verstand Wille4 aller der Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Denken6 das Denken sich das Denken auf sich und hinter sich selbst kam

sich Gegenstand wurde so konnte es sich Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr erfassen oder Gegenstand werden und da es

anfaumlnglich8 Im Ms folgt gestr war9 schwankend [so auch A] schwankte Ms10 Im Ms folgt gestr so

153

Welt nur uns selbst an der Verstand oder die Vernunft ist wohldas Prinzip der Objektivitaumlt1 Realitaumlt aber nur fuumlr uns odereiner selbst subjektiven Objektivitaumlt die Welt die und wie wirsie anschauen nur ein Machwerk unsrer Vernunft aber dieseWelt ist eben nicht die wahre objektive Welt Vermoumlge derGesetze die in uns sind erscheint uns die Welt so und so aberdiese Gesetze sind nur subjektive die Welt ist nur eine Er-scheinung von den2 seltsamsten Phaumlnomenen der Vernunft wiesie an sich ist wissen wir nicht3

1 der Objektivitaumlt aller Korr im Ms2 den [so auch A] dem Ms3 Am Rande und unter der letzten Zeile unleserl Erg

154

XV [Vorlesung]1 [Kant]2

1113 K[ant] beginnt s[eine] Untersuchung mit der Frage wiesind synthet[ische] Urteile a priori moumlglich Synthet[ische]Ur[teile] s[ind] solche wo ich mit einem Subjekt ein Praumldikatverbinde das nicht im Begriffe des Subj[ekts] enthalten ist unddaher nicht durch Analyse aus ihm gefunden w[erden] kannwo ich also zu einem Begriffe etwas davon Unterschiedneshinzusetze Ein solches Urteil ist zB alle Koumlrper sind schwerIm Begriffe des Koumlrpers liegt Ausdehnung Groumlszlige aber nichtdie Schwere die Schwere erkenne ich durch den Druck dend[er] K[oumlrper] auf mein Gefuumlhl aumluszligert Es ist aber ein apriori-sches dh ein Urteil von Allgemeinheit Notwendigkeit Indem Urteil liegt daszlig es alle Koumlrper s[ind] und daszlig wasK[oumlrper] ist notwendig schwer ist Allgemeinheit und Not-wendigkeit kommt nicht aus der Erfahrung Sie sagt nur daszlig4

so und sooft etwas geschehen ist nicht daszlig es sein muszlig undebensowenig gehoumlrt ihr alles sondern nur d[ie] Kategorie Eini-ges Ich habe nicht alle K[oumlrper] erprobt Wie komme ich alsozu von der Erfahrung unabhaumlngig[en] Urteilen Synthet[ische]Urteile s[ind] naumlher solche in denen ich mit dem Begriffe demObjekt des Denkens verknuumlpfe ein Praumldikat das wirklichesoder moumlgliches Objekt der Anschauung und der Erfahrung istwie zB d[ie] Schwere Sie ist ein Praumldikat das ich aus derErfahrung kenne Der Begriff des Koumlrpers ist ein geometri-scher ein von der Erfahrung unabhaumlngiger d[ie] Schwere aberein Erfahrungsprodukt Wie komme ich also dazu mit einemBegriff eine sinnliche Anschauung zu verknuumlpfen oder ein 1 Im Ms kein Absatz Am Rande r o Verweis auf XV Vorlesung und

auf Paginierung S 542 So auch A3 Im Ms folgt gestr Bei Kant ist der [der die Korr im Ms] Verstand

die Monade die alles aus ihrem eignen Grund und Boden hat dasPrinzip ihrer Bestimmungen ist Das Insichsein und Weben ist ihmdie wesentliche Kategorie des Geistes Damit tritt K[ant] dem Em-pirismus der Englaumlnder entgegen Schon L[eibniz] hatte gegen Lok-ke behauptet daszlig der Verstand sich selbst angeboren d h imma-nent daszlig es also urspruumlngliche immanente nicht aus den Sinnengeschoumlpfte oder [durch] die Erfahrung erworbene Begriffe gibtwas daher kam daszlig den Englaumlndern nie der Geist Gegenstand warsondern nur das Individuum K[ant] verfaumlhrt nun also

4 Im Ms folgt es

155

Objekt der Erfahrung zu verknuumlpfen und diese Verknuumlpfungals eine allgemeine und notwendige auszusprechen und anzu-sehen da die Erfahrung nur einiges liefert Alle mathe-m[atischen] Saumltze s[ind] synthetisch Wie komme ich alsodazu nur dadurch daszlig apriorische von aller bestimmten Er-fahrung unabhaumlngige urspruumlngl[iche] Begriffe und apriorischeAnschauung urspruumlngl[ich] in uns ist Diese Anschauung istRaum und Zeit Sie s[ind] keine Substanzen keine Dinge auchkeine aus der Erfahrung abgezognen Begriffe1 die Ma-them[atik] eine apriorische Wissensch[aft] setzt das Daseineiner apriorischen Anschauung voraus Alles muszlig ich inR[aum] und Zeit anschauen Sie sind notw[endige] und all-gem[eine] Formen unsrer Anschauung sie sind aber nur For-men unsrer Sinnlichkeit Rezeptivitaumlt d[ie] Weisen wie wirvon den Dingen affiziert w[erden] Aber ebenso gibt es auchreine urspruumlngl[iche] Begriffe in uns der Verstand ist einselbsttaumltiges Prinzip der Schoumlpfer immanenter Begriffe eineMonade die alles aus sich schoumlpft und hervorzieht er ist keinBettler der von der Erf[ahrung] ein Stuumlck [] hat er lebt vonseinem Vermoumlgen Und nur darum haben wir also apriorischeUrteile weil ein apriorische Begriffe schaffendes Prinzip inuns [ist]2 Alle wahre Erkenntnis ist nun aber eine synthetischealso aus Verknuumlpfung von Denken und Anschauung [hervorge-gangen]3 Das Tiefe in Kant ist die Erkenntnis dieser Einheitvon Denken und Ansch[auung] und des Verst[andes] als einesSelbsttaumltigen aber K[ant] trennt als zwei besondere Bestand-teile Denken und Anschauung voneinander und setzt sie soentgegen4

Seine Philosophie ist eigentlich wie [die] des Cartes[ius]Dualismus Aber der Geist ist nicht mehr das einfache ab-strakte Selbst dem daher sein Gegensatz als Materie aumluszligerlichgegenuumlbersteht sondern erfuumlllter in sich vertiefter Geist DerGegensatz der Dualismus tritt daher bei dem Kant in den Geistselbst hinein und die Formen dieses Gegensatzes sind An-schauung und Denken wie wir fruumlher hatten den Gegensatz

1 Begriffe unleserl Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr Erkenntnis3 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 153-

1564 K[ant] entgegen Text im Ms am Rande

156

zwischen Ausdehnung und Denken1 Die Anschauung ohneDenken ist blind das Denken ohne Anschauung leer2 DasDenken ohne Anschauung ist leer heiszligt nichts anderes als3 esist gegenstandslos nur durch die Anschauung ist ein realerGegenstand gesetzt Aber die Anschauung setzt nur das Daseineines Gegenstandes seine Determination seine Bestimmungkommt nur vom Denken Die Anschauung liefert mir4 denStoff das Mannigfaltige d[as] Denken die Form d[en]Beg[riff] Unterschied und Verknuumlpfung liegen nur im Ver-stand5 ohne Denken ist fuumlr mich der Gegenstand der Anschau-ung kein bestimmter Die Anschauung liefert mir bloszlig dasMannigfaltige und erst das Denken verknuumlpft d[as] Mannigfal-tige zu einer bestimmten Einheit zu einem Begriff ZB dieSonne hat durch ihre Waumlrme dieses Baumlchlein ausgetrocknetich verknuumlpfe hier also die Erscheinung der Trockenheit 112mit der Waumlrme der Sonnenstrahlen setze sie in einen Conne-xus einen Zus[ammen]hang indem mir die Sonne als Ursa-che die Trockenheit als Wirkung Gegenstand ist aber diesesVerknuumlpfen ist Denken ist Urteilen ich denke mir beide Ge-genstaumlnde im Verhaumlltnis der Kausalitaumlt zueinander stehend ichsubsumiere sie unter den Wechselbegriff der Urs[ache] undWirkung Desgleichen ich schaue an eine Blume mit rotenFarben ndash hier ist die Blume mir Objekt als Subjekt dem dierote Farbe als Praumldikat inhaumlriert Ich verknuumlpfe also hier dasMannigfaltige der Anschauung6 vermittelst des Begriffs vonSubjekt und Praumldikat Solche Urteilsformen solche Begriffeheiszligen Kategorien Diese Begriffe entspringen nun nicht ausder Erfahrung sondern sie sind vielmehr die Prinzipien dersel-ben die Bedingungen die der Erfahrung vorausgesetzt sinddie sie moumlglich machen sie sind deswegen apriorische Begrif- 1 Im Ms folgt gestr Erkenntnis kommt nur durch die Synthesis die

Zusammensetzung der Anschauung und des Denkens zusammen2 Im Ms folgt gestr Anschauung ist d[ie] Materie Denken die Form

Die Weisen der Anschauung sind aber Raum und Zeit alles muumlssenwir in R[aum] und Zeit anschauen Sie s[ind] eine Anschauung apriori sie entspringen nicht aus der Wahrnehmung und Erfahrungvielmehr [vielmehr sie Korr im Ms] setzen die Erfahrung sie alsihre Moumlglichkeit voraus

3 Im Ms folgt gestr das4 liefert mir Im Ms irrtuumlml gestr5 und Verstand setzt nur das Denken Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr unter

157

fe Begriffe die im Verstand selbst ihren Ursprung haben DieKategorie ist aber nur eine bestimmte Art oder Form wie ichdas Mannigfaltige verknuumlpfe und wie ein1 Sinnliches daherObjekt meines Bewuszligts[eins] w[ird] Die Kategorie setzt daherdie urspruumlnglich synthetisch-verknuumlpfende Einheit der Apper-zeption (d i des Selbstbewuszligtseins) voraus bdquoDas Ich denkemuszlig alle meine Vorstellungen begleiten koumlnnen alles Mannig-faltige der Anschauung hat eine notwendige Beziehung auf dasIch denkeldquo sonst [waumlren] d[ie] Vorstellungen nicht meine siegehoumlren nicht zu einem und demselben Bewuszligtsein nur da-durch daszlig ich d[as] Mannigfaltige der Vorst[ellungen] in ei-nem Bewuszligtsein begreifen kann nenne ich dieselben insge-samt meine Vorstellungen denn sonst wuumlrde ich ein so vielfaumll-tiges verschiedenes Selbst haben als ich Vorstellungen habederen ich mir bewuszligt bin2 Das houmlchste Gesetz und Prinzipunter dem daher die Kat[egorien] als bestimmte Arten derVerbindung [stehen] ist die Einheit des Selbstbewuszligts[eins]bdquoDie Synthet[ische] Einheit der Apperzeption ist daher derhoumlchste Punkt der Philos[ophie] ja dieses Vermoumlgen ist derVerstand selbst der kein andres Geschaumlft hat als das 1133

Mannigfaltige gegebner Vorstellungen unter Einheit des Be-wuszligtseins zu bringenldquo4 K[ant] tat daher den kuumlhnen Aus-spruch bdquoDer Verstand schoumlpft seine Gesetze (a priori) nichtaus der Natur sondern schreibt sie dieser vorldquo5 bdquoDie Grund-saumltze der Moumlglichkeit der Erfahrung sind selbst die Gesetze derNaturldquo6 aber da7 wir nur nach den notwendigen Denkgesetzen[denken] nach8 uns die Gegenstaumlnde als Erscheinungen sichrichten so in der Natur nur unsre Natur erscheint denn was dieNatur an sich ist wissen wir nicht Raum und Zeit sind nurWeisen wie uns die Dinge gegeben s[ind]

Die Kateg[orien] obwohl unabhaumlngig von der Erfahrunghaben jedoch keinen andern Umfang ihrer Guumlltigkeit als die 1 Im Ms folgt gestr Gegen2 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 131-1323 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 564 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 134-1355 Vgl I Kant Kritik der reinen Vernunft Riga 1781 S 1266 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 197-

198 und vgl I Kant Critik der Urtheilskraft Berlin ndash Libau 1790Einleitung S LIV

7 da nachdem Korr im Ms8 nach [so auch A] fuumlr Ms

158

Erfahrung Nur in der Anwendung auf die sinnliche1 Anschau-ung haben sie Realitaumlt Nur durch Anschauung sind reale Ob-jekte gegeben wir haben aber keine andre als d[ie] sinnlicheAnschauung Uumlber die Grenzen der moumlglichen oder wirklichenErfahrung ausgedehnt werden sie transzendent sie werden hierbloszlige leere Gedankenwesen bezeichnen2 keine realen Objek-te Sie erstrecken sich also nur auf das Endliche Aber damitbefriedigt sich nicht die Vernunft Sie ist der Grund fuumlr Ideendie notwendig sind die sich durch Erfahrungen weder bestaumlti-gen noch widerlegen lassen weil ihre Gegenstaumlnde uumlber alleErfahrungen hinausliegen Denn die Idee geht auf d[as] Unbe-dingte Unendliche aber deswegen ist sie eben nur Idee3 DieIdeen haben aber dafuumlr die praktische Vernunft Realitaumlt Dieprakt[ische] V[ernunft] hat uumlberh[aupt] den Primat4 vor dertheoret[ischen] denn jene bezieht sich auf den Willen istselbst bestimmend waumlhrend die theoret[ische] von den Gegen-staumlnden bestimmt ist5 sie bringt Objekte hervor bdquoIn prak-t[ischer] Beziehung als Bedingungen der Anwendung d[es]moral[isch] bestimmten Willens w[ird] d[ie] Moumlglichkeit die-ser Ideen angenommenldquo6 K[ant] verlegt also die Realitaumlt ind[ie] prakt[ische] Vern[unft] in die Moral Er korrigiert in ihrdie Maumlngel der theoret[ischen] Aber dieser Zwiespalt ist[nicht] aufgehoben wie der Zwiespalt zwischen Denken undAnschauung Die K[antische] Philos[ophie] ist die Philosophiedes Zwiespalts D[ie] K[antische] Philo[sophie] trug die Not-wendigkeit einer diese Widerspruumlche loumlsenden Entwicklung insich K[ant] w[ar] uumlber[haupt] in dem Pedantismus s[einer]Zeit noch etwas befangen beschraumlnkt Mit dem allgemeinenAuf- und Umschwung den die deutsche Literat[ur] gegen d[as]Ende des 18t[en] Jahrh[underts] nahm muszligte auch d[ie] Phi-los[ophie] befreit w[erden] von den Fesseln und Beschraumlnkun-gen in denen noch die Vernunft bei K[ant] schwebt Ders[elbe]Geist der in der Poesie einen Schiller Goethe hervorbrachte

1 Im Ms folgt gestr Realitaumlt2 bezeichnen beziehen A3 eben Idee nur Idee eben Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr fuumlr Fehlt in A5 Am Rande D[er] Wille ist d[as] Vermoumlgen den Vorstellungen

entsprechende Gegenstaumlnde hervorzubringen Einl[eitung] [Vgl IKant Critik der practischen Vernunft Riga 1788 S 29-30]

6 Vgl ebenda S 249

159

derselbe war es der einen Fichte und s[eine] Nachfolger insDasein gerufen Viele1 die ihre Beschraumlnktheit zur Schrankeder [] 114 die die Tendenz die d[ie] Philos[ophie] geg[en]d[as] 18[te] Jahrh[undert]2 zum Teil schon in K[ant] nahmbejammern als eine []3 transzendente die Grenzen derMenschheit uumlberfliegende in schwindelnder Houmlhe sich halten4

wollende Allein wenn man diese Transzendenz der Phi-los[ophie] vorwirft so muszlig man es auch der Poesie vorwerfenAuch die Poesie begnuumlgt sich nicht mehr damit sehnsuumlchtigschweratmend die laumlndliche Floumlte der Idylle zu spielen in ei-nem Doumlrfchen mit gluumlcklicher Armut und Beschraumlnktheit zuleben oder als Magister Morum pruumlde Lebens- und Tugendleh-re einzuschaumlrfen oder im Kreise vertrauter Bruumlder mit ledernen5

Philisterwitzen und Scherzen das Mahl zu wuumlrzen Sie bekameine uumlberschwengliche transzendente die houmlchsten und letztenForderungen geltend6 machende rein ideale durch nichts alsdie Idee der Kunst sich beschraumlnken7 lassende Tendenz FaustWallenstein Tasso usw sind lauter solche transzendente uumlberdie engen Schranken des gemeinen Lebens und der Erfahrunghinausliegende Gestalten Das Absolute das Unendliche nurdieses allein nichts Geringeres strebte die Poesie in ihrer Wei-se zu erfasssen In der Philos[ophie] hatte K[ant] schon einenungeheuren Schritt getan indem er nicht das Objekt das wasgedacht w[ird] sondern das Denken selbst die Vernunft zumGegenstand der Philosophie machte und die Prinzipien selbstdie Moumlglichkeit der Erfahrungen untersuchte sich empor-schwingend uumlber die Grenzen der Empirie Aber die8 Philoso-phie teilte noch in K[ant] mit ihrer Schwester der Poesie jenesJahrh[underts] eine gewisse philistroumlse Genuumlgsamkeit undBeschraumlnktheit Er fluumlchtete sich daher aus der Spekulation indie Moral Aber in der Moral abgetrennt von der Spekulationvon der Idee des Unendlichen Gottes zu verharren und sich inihr zu begnuumlgen ist ebenso recht d[as] Zeichen der Be-

1 Viele Es gibt viele Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr nahm3 [] Im Ms unleserl Wort fehlt in A4 halten so auch A haltenden Ms5 ledernen spaumlrlichen Korr im Ms6 geltend geltenden Korr im Ms7 beschraumlnken unleserl Korr im Ms8 die K Korr im Ms

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schraumlnktheit D[as] Resultat der Kant[ischen] Philos[ophie] istdaher ein gemeines Es liegt in ihm der Schluszlig der GemeinheitWas kuumlmmert mich was Gott ja ob er nur ist uumlber diese spitz-findigen Probleme moumlgen sich die Philos[ophen] die Koumlpfezerbrechen ich halte mich allein an das was ich tun sollRechttun ist die Hauptsache es bringt Segen und Frieden insHauswesen Spekulation ist Eitelkeit Bleibe im Lande undnaumlhre dich 1151 redlich das ist mein Wahlspruch Aber dieseSchranke die K[ant] in der Spekulat[ion] stehen lieszlig war einVorwurf fuumlr die Menschheit ein Tusch den sie nicht auf sichsitzen lassen konnte und [den] der ins Unendliche strebendeGeist um so empfindlicher finden muszligte als es ja ein Kantwar Im Grunde also der naumlmliche Geist es war der dieSchranke gesetzt und nun so wieder aufheben wollte Was istein Geist dem ein Ding Widerstand leistet und Grenzen setztNur Geistsein ist Sein ist wahre Realitaumlt wie kann dem Geistalso etwas undurchdringlich sein Was ist denn das Ding ansich das K[ant] als die Grenze der Vernunft setzt Das Ding ansich ist das Ding gedacht ohne seine Beschaffenheiten seineBeziehungen auf mich es ist nur eine fixe Idee von Dir selbstDu verlegst die Realitaumlt auszliger dich hin wo sie nicht hingehoumlrtsie ist nur in Dir zu finden Das wahre Ding an sich (das wah-re Sein2 an sich ist nur das Sein fuumlr sich das nur zu sich selbstsich verhaltende Sein dieses Sein aber das fuumlr kein andres istkein Objekt kein Passivum sondern nur Beziehung auf sichselbst dieses absolut indeklinable nicht konjugierbare3 Sein istBewuszligtsein Selbstbewuszligtsein) Das wahre Ding an sich istdas was schlechterdings kein Ding ist ndash der Geist DerMensch der also das Kantische Ding an sich zur Rede stellteund ihm den Handschuh hinwarf der die4 Schranke der Ver-nunft als einen Vorwurf5 gegen die gesamte Menschheit alseinen persoumlnlichen Vorwurf auf seine Schultern nahm6 unds[ein] Leben tapfer und mutig daransetzte von diesem Schimpfdie Intelligenz zu befreien war wie Jacobi ihn nannte der

1 Am Rande r o Verweis auf XV Vorlesung und Paginierung S 572 Im Ms folgt gestr fuumlr sie3 konjugierbare So auch A konjungierbare Ms4 die das Korr im Ms5 Am Rande unleserl Erg6 Menschheit nahm Menschheit auf seine Schultern nahm als

Vorwurf Korr im Ms

161

Messias der spekulativen Vernunft ndash Fichte und konnte keinanderer sein als so ein entschiedner unbedingter ruumlcksichtslo-ser feuriger kristallheller Kopf und Charakter wie er [es] warDas Prinzip s[einer] Philosophie ist der Geist aber der Geistals Ich = Selbstbewuszligtsein Bei K[ant] ist schon die transzen-dentale Einheit des Selbstbew[uszligtseins] als der houmlchste Punktder Philos[ophie] ausgesprochen Aber erst F[ichte] realisiertediesen Gedanken macht es zum wirklichen Prinzip Also dasIch ist d[as] Prinzip s[einer] Philos[ophie]

116 Aber was ist das Ich Zur Erlaumluterung folgendes Ichdenke bestimmte Dinge aber indem ich sie denke unterscheideich mich von den Dingen ich denke sie als Dinge als Objekteund unterscheide mich von ihnen als was als das DenkendeAber dieses Unterscheiden ist Denken indem ich mich alsovon den Dingen unterscheide denke ich mich als den sie Den-kenden ich denke also das Denken und darin bin ich meinerbewuszligt bewuszligt als des Denkenden Was ist also das Ich dasnicht auf die Objekte hinaus sondern das auf sich selbst zu-ruumlckgehende Denken das Denken des Denkens das Sich-selbst-Denken Das Ich ist also Subjekt-Objekt Es ist1 Gegen-stand ndash so ist es Objekt ndash aber es ist Gegenstand seiner selbst ndashso ist es Subjekt oder Subjektivitaumlt und nur dadurch Ich daszlig essich selbst Gegenstand ist Das Ich ist also Einheit des Denken-den und des Gedachten der Subjektivitaumlt und ObjektivitaumltEinheit des Denkens und der Anschauung denn das sich selbstWissen und Denken ist das Sein des Ich ndash das Ich ist nichtwenn es sich nicht denkt2 Dein Ich kommt lediglich durch dasZuruumlckgehen Deines Denkens auf sich selbst zustande ndash aberein Denken mit dem unmittelbar das Dasein seines Objektesgegeben ist ist Anschauung K[ant] sagt nur durch die An-schauung ist ein Objekt3 ist Dasein gegeben ndash mit dem Sich-selbstwissen und Denken ist unmittelbar sein Dasein gegebendas Ich ist also eine denkende intellektuelle Anschauung4 DasSelbstbewuszligtsein ist also das Sein des Geistes und das wahredas einzig reelle Sein die absolute Kraft die absolute Realitaumlt

1 Im Ms folgt gestr sich2 Im Ms folgt Anfuumlhrungszeichen3 Im Ms folgt gestr gegeben4 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 155-

157

162

denn nur Taumltigkeit ist Realitaumlt1 Das Selbstbewuszligtsein ist aber2

Sein das lautere Taumltigkeit ist denn es ist nur durch sich selbstbdquodas Ich setzt sich selbstldquo es ist ja nur dadurch daszlig es sichdenkt sein Sein ist eins mit seiner Taumltigkeit3

Es erhellt hier auch naumlher was das heiszligt das wahre Ding ansich ist der Geist K[ant] sagte wir erkennen nur was ein Dingfuumlr uns nicht was [es]4 an sich ist oder nur was 1175 es inBeziehung auf uns ist aber nicht was es in Beziehung auf sichist Diese Beziehung auf sich nimmt F[ichte] den Dingen dieBeziehung auf sich ist eine Kategorie die nur dem Geiste zu-kommt und in diesem Sinne nur muszlig man es verstehen wennF[ichte] die Realitaumlt der Dinge an sich leugnet jeder andreSinn ist Unsinn Unverstand Selbstbewuszligtsein nur ist Ansich-sein Beziehung auf sich selbst Der Geist ist auch Objekt6Gegenstand aber nur Gegenstand seiner selbst Die beidenUrbestimmungen alles Seins7 Beziehung auf andres und Be-ziehung auf sich sind daher in dem Geiste identisch denn dasAndre das Objektive das wofuumlr er ist ist er selbst Der Geistist eben deswegen das allein Unbeschraumlnkte Unendliche denner hat nichts Aumluszligerliches zu seiner Grenze sonst waumlre er selbstein Aumluszligerliches ein Ding Er bestimmt und beschraumlnkt sichselbst Und eben in dieser Selbstbeschraumlnkung entsteht dasDing Dadurch daszlig ich nicht mich sondern Andres denke undf[erner] daszlig ich etwas fixiere meiner an sich unbeschraumlnktenTaumltigkeit eine Schranke setze entsteht erst das Objekt

Es erhellt ferner daszlig ein schlechter Einwurf waumlre ein Miszlig-verstand der Geist muszlig doch Etwas ein Objekt ein Ding seinsonst ist er Nichts Denn er ist mehr als ein Ding mehr alsEtwas und wenn Du ihn als Etwas denkst so stellst Du ihn indie Kategorie der Dinge und hast daher nur eine Vorstellungvom Geiste eine Einbildung Aber kann ich denn nicht z Bden Geist eines andern Menschen zum Objekt meines Denkens

1 denn Realitaumlt und Taumltigkeit Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr reines uneingeschraumlnktes Sein3 Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 2

verb Ausg Jena ndash Leipzig 1802 insbesondere Erster Teil sect 1Zweiter Teil sect 4 und Dritter Teil sect 5

4 ist es Korr im Ms5 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 586 auch Objekt So auch A Objekt auch Ms7 Im Ms folgt gestr kann Fehlt in A

163

machen wie der Psychologe Der Geist das Ich ist etwas and-res als die psychologischen Eigenschaften und Partikularitaumltendie Du als Menschenbeobachter zum Gegenstande machstJeder M[ensch] kann in sich das Bewuszligtsein denken das reineIch fassen wenn er abgesondert den Geist von der Erschei-nung abstrahiert von sich als diesem bestimmten Ich welchesCajus und Sempronius hieszlig das Ich ist allgemeiner Natur Duund ich wir beide zusammen setzen voraus als unsern Grunddas Ich selbst das Ich in s[einer] Wahrheit und Wesen

164

XVI Vorles[ung]1 [Fichte Jacobi]2

118 Der Idealismus ist die Philosophie der Sammlung in sichselbst des Beisichselbstseins der Besonnenheit Besinne Dichgehe in Dich sind die ersten Gebote die er denen auferlegt diesich ihm naumlhern wollen

Alles Denken ist ein Insichgehen Man kann nicht denkenund zugleich in der Anschauung sinnlicher Dinge zerstreutsein Zum Denken gehoumlrt Sammlung Wenn wir recht aufmerk-sam ein[en] Gegenstand fixieren wenn wir wahrhaft versenktsind in Gedanken so mag um uns vorgehen was da will esstoumlrt uns nicht wir vernehmen es nicht Sehen und Houmlren ver-geht uns die sinnlichen Dinge haben fuumlr uns kein Dasein sieverschwinden fuumlr uns wenn wir uns im Zustande ernsten3

Denkens gespannter Aufmerksamkeit [befinden] wenn siegleich drauszligen stehen bleiben Die Dinge haben fuumlr uns keinDasein auszliger wenn wir fuumlr sie sind wenn wir sie fixieren zumObjekt machen Und alle Philosophie beruht4 nun auf dem Aktder Sammlung in sich der Abkehr von den Dingen der Ab-straktion Aber Fichte machte diesen Akt als solchen zum Prin-zip der Philosophie (Dieser Actus ist Denken und indem ichnun dieses Denken selbst zum Objekt mache so entsteht mirder Begriff des Ichs ich werde bewuszligt des Denkens meiner imUnterschiede von den Dingen und erfasse dadurch Mich selbstmein Ich)

Es kann nicht geleugnet w[erden] ndash es ist eine Tatsache daszligim Denken im ernsten tiefen Denken uns die Dinge aus demSinne aus den Augen und Ohren schwinden Wie koumlnnten wirsonst denken Indem sie uns aber aus den Sinnen schwindenso vergeht fuumlr uns ihre Realitaumlt Wonach beurteile ich denn einDing daszlig es ist als danach daszlig ich es sehe fuumlhle houmlre Aberwas ist Sehen ohne Bewuszligtsein

1195 Was nicht taumltig ist aus sich selbst ndash selbst-taumltig istkeine Substanz was keine Substanz keine Realitaumlt kein SeinDie Quelle aller Realitaumlt ist daher die Taumltigkeit Das kuumlrzlich

1 Am Rande l o Verweis auf XVI Vorlesung und Paginierung S 592 So auch A3 Im Ms folgt gestr gespann4 beruht [so auch A] beruhen Ms5 Am Rande r o Verweis auf XVI Vorlesung

165

der Satz des Leibniz1 Aber was ist denn wahrhaft ndash selbsttaumltigNur die Intelligenz Die Vernunft ist also die Quelle aller Rea-litaumlt oder alle Realitaumlt Aber K[ant] ist noch mit sich in Wider-spruch Wenigstens in der theoretischen Vernunft ist er nochnicht frei hat er noch nicht in Wahrheit sein Prinzip erfaszligt DieIntelligenz als theoretische ist bedingt bestimmt beschraumlnktAber nur das Selbsttaumltige Sich-Selbst-Bestimmende ist imGrunde s[einer] Seele das Reale Wahre Er realisiert daherseine Idee sein Grundprinzip durch die prakt[ische] VernunftDer Wille als das sich Selbstbestimmende ist das Wahre Rea-le Unbedingt und unbeschraumlnkt erfaszligte und realisierte aber erstFichte den Grundgedanken der Kantischen Philosophie Daswahrhafte2 reale Sein ist nur die3 Taumltigkeit ndash nur die Taumltigkeitder Intelligenz ist aber Taumltigkeit ndash die Taumltigkeit der Intelligenzist aber Denken4ndash aber Denken ist Denken eines Objekts ndash wasist nun das erste urspruumlnglichste Objekt der Intelligenz ndash dieIntelligenz selbst die Intelligenz denkt also sich selbst ja die-ses Sich-Selbst-Denken dieses Denken des Denkens ist dieIntelligenz selbst ihr Wesen ihr Sein5 bdquoDie Intelligenz schautsich selbst an bloszlig als Intelligenz oder als reine Intelligenz undin dieser Selbstanschauung eben besteht ihr Wesenldquo6 Das Ichist selbst gar nichts weiter als diese Selbstanschauung der In-telligenz ndash das Ich nichts andres als die ihrer selbst bewuszligteVernunft oder Intelligenz Das Ich ist daher7 die absolute Rea-

1 Vgl XII und XIII Vorlesung im vorliegenden Band2 Am Rande Alle Realitaumlt ist taumltig und alles Taumltige ist Realitaumlt

Taumltigkeit ndash deren Begriff identisch ist mit dem Begriff des Sichset-zens ndash ist positive absolute Realitaumlt (66 Wissenschaftslehre) [J GFichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 2 verbAusg Jena ndash Leipzig 1802 Zweiter Teil sect 4 S 66-67]

3 Im Ms folgt gestr Intelligenz4 Am Rande bdquoeuer Denkenldquo sagt Fichte bdquoist ein Handelnldquo [J G

Fichte Versuch einer neuen Darstellung der WissenschaftslehreFortsetzung In Philosophisches Journal Bd VII Heft 1 Jena ndashLeipzig 1797 S 3]

5 Im Ms folgt gestr Denn was ist Intelligenz ohne SelbstbewuszligtseinJa schon diese Frage ist ungeschickt indem ich trennte was iden-tisch ist Intelligenz ist Selbstbewuszligtsein ist Ichheit

6 Vgl J G Fichte Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre InPhilosophisches Journal Bd V Heft 1 Jena - Leipzig 1797S27

7 Im Ms folgt gestr alle Realitaumlt oder

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litaumlt und als diese das Maszlig aller bestimmten beschraumlnktenendlichen Realitaumlt Das Ich ist durch sich selbst bdquoes setzt sichselbstldquo denn wodurch ist es Nur durch das sich selbst Den-ken aber dieses ist ja es selbst sein Wesen es ist also per sedurch sich selbst Es ist ja absolute Selbst-Taumltigkeit ndash Grundseiner selbst Aber da es die absolute Realitaumlt ist so ist alleswas da als seiend gedacht w[ird] nur insofern als es fuumlr dasIch ist Der Begriff des Objekts des Dings ist nur der Begriffeines Verhaumlltnisses Relation 120 es ist nur als Objekt desBewuszligtseins Es ist nicht an sich Ansichsein ist Beziehung aufsich selbst wenn ich die Dinge an sich kennenlernen will sowill ich damit nichts andres sagen als ich will sie nicht kennenwie sie in Beziehung auf mich sondern in Beziehung auf sichsind Aber Beziehung auf sich selbst was ist denn das anderesals Selbst-Bewuszligtsein Ich bin meiner bewuszligt heiszligt nichtsanderes als ich beziehe mich auf mich selbst ich bin im Ver-haumlltnis zu mir selber nicht bloszlig zu anderen Ein Ding an sichist daher ein Widerspruch denn du gibst ihm ein Praumldikatwelches nur dem Geiste zukommt du willst ein Ding das Dingund zugleich nicht Ding sei Das Ding ist nur1 und ist nurdenkbar als Objekt des Bewuszligtseins Das Selbstbewuszligtsein ndashdenn das Bewuszligtsein der Dinge setzt das Selbstbewuszligtseinvoraus ndash ist daher die Quelle und das Maszlig aller Realitaumlt Wasnicht Objekt des Bewuszligtseins ist ist nicht

Die Philosophie ist darum Idealismus ndash denn er macht dieDinge zu Bestimmungen des Bewuszligtseins sie sind ideell nichtreal an sich ndash unterscheidet sich dadurch von dem Dogmatis-mus daszlig dieser bdquovon einem Seinldquo wie F[ichte] sagt bdquoals Ab-solutem ausgeht und s[ein] System sich sonach nie uumlber dasSein erhebt Der Idealismus kennt schlechthin kein Sein alsetwas fuumlr sich bestehendesldquo2

Es scheint nichts natuumlrlicher als von einem Sein an sich odervon dessen Annahme auszugehen Aber erwidert hieraufFichte bdquovermagst Du von einer Realitaumlt zu reden ohne von ihrzu wissen ohne sie wenigstens dunkel an Dein Bewuszligtsein zuhalten und auf dasselbe zu beziehenldquo (Sonnenklarer BerichtS 37)3 Das ist ganz richtig fuumlr ein bewuszligtes Wesen gibt es 1 nur Fehlt in A2 Vgl J G Fichte Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre In

Philosophisches Journal Bd VI 1 Heft Jena 1797 S273 J G Fichte Sonnenklarer Bericht Berlin 1801 S 37

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kein Sein an sich denn was fuumlr es ist das ist eben nur fuumlr esals fuumlr s[ein] Bewuszligtsein seiend denn nur in seinem Bewuszligt-sein hat es das Maszlig dessen was ist oder nicht ist was nichtObjekt s[eines] Bewuszligtseins ist davon weiszlig es nichts dasexistiert nicht fuumlr es das Sein an sich hat daher nur als Objekts[eines] Bewuszligtseins fuumlr es Sein aber ebenso ist es nicht mehrSein1 an sich sondern Sein fuumlr Bewuszligtsein Ein Sein an sich ndashein Sein abgetrennt gedacht vom Bewuszligtsein ndash ist daher eineEinbildung [k]eine Realitaumlt Von einem Sein an sich auszuge-hen heiszligt daher immer von Dingen 1212 denken dem Be-wuszligtsein des Seins an sich aus[zu]gehen ich kann nicht ausge-hen von ihm ohne es zu denken was ist aber Denken [ande-res] als ein Objekt beziehen auf mein Selbstbewuszligtsein Undso draumlngt und treibt uns denn alles auf das Selbstbewuszligtseinzuruumlck Die Philosophie muszlig es zu s[einer] Quelle seinemPrinzipe nehmen Man kann dies so sich auch vorstellen ichkann nicht auszliger mein Bewuszligtsein noch uumlber es hinaus allesfaumlllt innerhalb meines Bewuszligtseins hinein Das Bewuszligtseinerscheint daher so als eine Grenze Schranke Und Kant war esder indem [er] erkannte daszlig alles nur als Objekt unseres Be-wuszligtseins wir denken nicht uumlber uns hinauskoumlnnen diesesNicht-Hinaus-Koumlnnen als Schranke faszligte Aber so ist nicht zuschlieszligen Wir koumlnnen nur deswegen nicht hinaus weil es dasAllumfassende das Absolute das unbedingt Gewisse dasunmittelbar Erste die positive Realitaumlt das Sein selbst dasSein schlechtweg ist wenn wir anders diese dogmatischenBestimmungen auf das Ich das lautere Taumltigkeit Sichselbst-Setzen Sichselbst-Denken ist3 anwenden duumlrfen Die Dingekoumlnnen auch nicht hinaus aus der Substanz sie inhaumlrieren ihraber wer wird dieses Nicht-Hinauskoumlnnen als eine Schrankeder Substanz und nicht vielmehr darin ihre Unendlichkeit ihreRealitaumlt erkennen wollen4 bdquoEs ist urspruumlnglich nur eine Sub-stanz das Ich in dieser einen Substanz sind alle moumlglichenAkzidenzien also alle moumlglichen Realitaumlten gesetztldquo

1 Im Ms folgt gestr fuumlr2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 603 Im Ms folgt gestr unleserl Wort4 wollen koumlnnen Korr im Ms

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(Wiss[enschafts]lehre p 79)1 Wir koumlnnen nicht auszliger dasBewuszligtsein hinaus weil es das Unbeschraumlnkte ist

Aber wie Ist das nicht eine unerhoumlrte Behauptung Es waumlrealso nicht was ich nicht weiszlig Mein Wissen waumlre also dasMaszlig dessen was ist Wie vieles ist was ich nicht weiszlig Vielehaben wirklich F[ichte] so verstanden D[ie] Fichtesche Phi-los[ophie] waumlre so eine Absurditaumlt Aber die Absurditaumlt liegtnicht im Gegenstande sondern in der Auffassung Man kannuumlberhaupt als Regel fuumlr alle vorkommend[en] Faumllle im Lebenes sich merken wo [man] einem Philosophen von einem sol-chen der bereits unbezweifelbare Proben s[eines] philo-soph[ischen] Talents2 gegeben hat eine absurde Behauptungaufbuumlrden houmlrte da kann man sicher sein daszlig die Absurditaumlt inder Auffassung oder Darstellung liegt Einem Denker Abs[ur-ditaumlt] zumuten ist selbst Absurditaumlt Die Einwuumlrfe die manvom Standpunkte der Nicht-Philosophie aus einem Philoso-phen macht die hat er alle schon von jeher gewuszligt und in dem-selben Augenblick gewuszligt wo er den Gedanken dachte gegenden 122 man diese Einwuumlrfe macht um ihn absurd darzustel-len Er hat das volle Bewuszligtsein uumlber alle Einwuumlrfe ja nurmoumlglichen Miszligverstaumlndnisse die s[einen] Gedanken gemachtw[erden] koumlnnen Namentlich zeichnete sich F[ichte] durch dasklare Bewuszligts[ein] durch den durchdringenden Blick in allenur immer moumlglichen E[inwuumlrfe] und Miszligv[erstaumlndnisse] ausdenn den natuumlrlichen Menschenverstand hat der Philosophebenso gut in sich als Mensch wie die andern aber er hat nochein houmlheres Bewuszligtsein und wenn er daher Gedanken faszligt dieden Gemeinplaumltzen widersprechen so hat er seine guten Gruumln-de wenn er der Stimme des gem[einen] Menschenverstandeskein Gehoumlr gibt Es gibt Zeiten wo die Menschheit wirklichallen Sinn und Faumlhigkeit verliert philos[ophische] Ideen zubegreifen So war sie es zur Zeit d[er] Kirchenvaumlter bei denRoumlmern Cicero behauptete sogar bekanntlich es sei nichts soabgeschmackt was nicht einmal von einem Philos[ophen]behauptet w[orden] sei So macht er sich z B uumlber die Be-hauptung des Anaxagoras daszlig der Schnee schwarz sei lustig3

1 J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre a a

O S 792 Talents Kopfe Korr im Ms3 Vgl M T Cicero Academicorum Liber II 23 In M Tullii Cicero-

nis opera philosophica T 3 Halis Saxonum 1806 S 164

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Aber was hat das wohl fuumlr einen Sinn Die alten Philosophenstimmten mit Cartes[ius] Spi[noza] Leib[niz] Kant Hegelund untereinander selbst etwa mit Ausnahme der Kyrenaikerund Epikuraumler darin uumlberein daszlig die Dinge nur so an sichsind wie sie gedacht w[erden] aber nicht wie sie1 empfundendaszlig sie als Objekte des ΝοῦςGeist Vernunft]als Νοό-μεναIdeen]Wesen als Obj[ekte] des Sinnes nur Φαινόμενα[Phaumlnomene] sind daszlig sie also anders im Wesen als in derErsch[einung] sind Was hat also wohl A[naxagoras] gemeintHat er etwa geleugnet daszlig der Schnee weiszlig scheint oder denAugen weiszlig vorkommt Mitnichten sondern nur daszlig derSchnee wenn er mit Verstand betrachtet wenn danach gefragtw[ird] was er ist an sich oder s[einen] Elementen nach nichtweiszlig ist daszlig die Farbe kein reales mit dem Wesen zus[am-men]haumlngendes Praumldikat ist

So ist es nun auch mit F[ichte] Wer unter dem Ich seinpartikulaumlres2 Ich seine Person versteht der findet mit Recht esabsurd [die Objekte] vom Wissen des Individ[uums] ab-haumlng[ig] zu machen Aber F[ichte] versteht unter Ich die Intel-ligenz selbst das Selbstbewuszligtsein des Geistes der VernunftIch bediene mich statt des Wortes Intelligenz lieber der Benen-nung Ichheit weil diese das Zuruumlckgehen der Taumltigkeit in sichselbst fuumlr jeden der nur der geringsten Aufmerksamkeit faumlhigist am unmittelbarsten bezeichnet Selbst setzt den Begriff vomIch voraus und alles was darin von 1233 Absolutheit gedachtw[ird] ist aus diesem Begriffe entlehnt bdquoIchheit und Indivi-dualitaumlt sind sehr verschiedene Begriffe und die Zus[ammen]-setzung in letzterem laumlszligt sich sehr deutlich bemerken Durchden ersteren setzen wir uns allem was auszliger uns ist nicht bloszligPersonen auszliger uns entgegen und wir befassen unter ihm nichtnur unsre bestimmte Persoumlnlichkeit sondern unsre Geistigkeituumlberhauptldquo4 bdquoIn der Wissenschaftslehre ist die Vernunft daseinige an sich und die Individualitaumlt nur akzidentell die Ver-nunft Zweck und die Persoumlnlichkeit Mittel die letztere nur einebesondere Weise die Vernunft auszudruumlcken die sich immermehr in der allgemeinen Form derselben verlieren muszlig Nurdie Vernunft ist ihr ewig die Individualitaumlt aber muszlig unauf- 1 Im Ms folgt gestr erschei[nen]2 partikulaumlres Im Ms nicht hervorgehoben3 Am Rande r o Verweis auf XVI Vorlesung und Paginierung S 614 J G Fichte Zweite Einleitung a a O S 21

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houmlrlich absterben Wer nicht in diese Ordnung der Dingezufoumlrderst s[einen] Willen fuumlgen w[ird] der w[ird] auch nieden wahren Verstand der Wissenschaftslehre erhaltenldquo1

Das Ich des F[ichte] ist also das Ich absolut gedacht diereine Intelligenz kein persoumlnliches kein bestimmtes Ich Unddieses Ich in der Identitaumlt mit der Intelligenz ist reine Taumltigkeituneingeschraumlnkte Taumltigkeit lauteres Durchsichselbstsein An-schauung seiner selbst Subjekt-Objekt Fuumlr dieses absolute Ichnun existiert kein Objekt kein Ding denn dann waumlre es jabeschraumlnkt bestimmt Wenn ich an etwas denke so ist ja meinean sich unbeschraumlnkte und unbestimmte Taumltigkeit sistiert fi-xiert d h bestimmt Aber das Ich beschraumlnkt sich selbst oderrichtiger zunaumlchst bestimmt sich selbst Als solches bestimm-tes Ich setzt es sich ein Nicht-Ich gegenuumlber und entgegen esteilt seine Realitaumlt in seine und die des Nicht-Ich So entstehtalso das Ding das Objekt Die Objekte sind BestimmungenBeschraumlnkungen des Ichs die es aber sich selbst setzt es sindfreiwillige Schranken2 Hier entsteht daher auch erst der Begriffdes Etwas Das Nicht-Ich ist Etwas und das dem Nicht-Ichentgegengesetzte Ich ist Etwas Aber nicht das absolute Ichdas hat keine Praumldikate Beide bestimmen sich Der Grundsatzder theoret[ischen] W[issenschaftslehre] ist Das Ich setzt sichselbst als beschraumlnkt durch das Nicht-Ich Der Hauptsatz allerpraktischen 124 Wiss[enschaftslehre] [ist] bdquoDas Ich setzt sichals bestimmend das Nicht-Ichldquo3 Auf diesem Standpunkt desIch entsteht auch der Begriff des Du die Wissenschaftslehreverfaumlhrt the[ore]tisch Gegensaumltze setzend synthetisch Gegen-saumltze verknuumlpfend bdquoDer Begriff des Du entsteht durch Verei-nigung des Es und des Ichldquo4 bdquoDas Es bedeutet naumlmlich diebloszlige Objektivitaumlt Das Du ist ja nichts andres als5 das Ich alsObjekt gedacht Ein solches Ich ist das Individuum Fuumlr das Ichals Individuum hat nun das was an sich nur Produkt des abso-

1 Ebenda S 222 Am Rande Das Ich ist nur taumltig es ist bloszlig Ich inwiefern es taumltig

ist und inwiefern es nicht taumltig ist ist es Nicht-Ichldquo (S 73) Hierheiszligt es auch kein Subjekt kein Objekt kein Objekt kein Subj[ekt](ibid p 137) [Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissen-schaftslehre a a O S 73 und S 137]

3 Ebenda S 2314 J G Fichte Zweite Einleitung a a O S 175 Im Ms folgt gestr Objekt

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luten Ich ist von ihm nur gesetzt ist unmittelbare Realitaumlt esist schlechtweg In dieser Sphaumlre also sind die Dinge Realitauml-ten Was fuumlr das Ich die reine Intelligenz ein AufgehobnesIdeelles was fuumlr sie nur Affektion ist ist hier fuumlr es SubstanzSein Dieser Standpunkt ist nun uumlberhaupt der Standpunkt desLebensldquo1 Das Leben ist2 nichts andres als das unmittelbareBewuszligtsein der Objekte als gegebner ein Versenken in dasObjekt bdquoAlle Realitaumltldquo sagt F[ichte] bdquoentsteht uns durch dasEinsenken und3 Vergessen unsers Selbst in gewissen Bestim-mungen unseres Lebens und dieses Vergessen unsers Selbstuumlberhaupt ist es was den Bestimmungen in denen wir unsvergessen den Charakter der Realitaumlt und uns uumlberhaupt einLeben gaumlbeldquo (Sonnenklarer Bericht p 38)4 bdquoIch denke garnicht an mich ich vergesse mich selbst durchaus im Gegen-standeldquo (p 23)5 bdquoDarum sagt man auch ich sei darin begriffenund vertieftldquo6 bdquoRealitaumlt gibt daher nur das Leben die Erfah-rung nicht das Denken Das Leben kann man nur durch dasLeben selbst keineswegs durch Spekulieren kennenlernenldquo (p9 ibid)7 bdquoDer Mensch kommt zu allem wozu er kommt nurdurch die Erfahrung durch das Leben selbstldquo (p 12 ibid)8Leben und Spekulation setzt daher F[ichte] aufs schaumlrfste ein-ander entgegen bdquoLeben und [d]i[e] Speku[lation] s[ind] nurdurcheinander bestimmbar Leben ist ganz eigentl[ich] Nicht-philosophieren philosophieren ist ganz eigentlich Nichtle-benldquo9 bdquoWorin man befangen ist was man selbst ist das kannman nicht erkennen Man muszlig aus ihm herausgehen auszligerhalbdesselben sich versetzen Dieses Herausgehen aus demwirkl[ichen] Leben dieser Standpunkt auszligerhalb desselben istd[ie] Spekulationldquo10 Die Philos[ophie] bringt nichts hervor 1 Im Ms folgt gestr Hieraus kann man nun einsehen die Laumlcherlich-

keit der Auffassung von F[ichte] wie sie gewoumlhnlich im Lebenvorkommt

2 Im Ms folgt ist3 Im Ms folgt und4 J G Fichte Sonnenklarer Bericht a a O S 385 Ebenda S 236 Ebenda S 237 Vgl ebenda S 98 Vgl ebenda S 129 I H Fichte Johann Gottlieb Fichtersquos Leben und litterarischer

Briefwechsel 2 Bd Sulzbach 1831 S 19110 Ebenda S 190

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erschafft nichts sie ist nur Nach-Konstruktion Nachbilden desurspruumlngl[ichen] Bewuszligts[eins] sie ist nur das Bewuszligtsein desBewuszligtseins sie leitet nur aus dem absoluten Prinzip des Be-wuszligts[eins] dem Ich ab was im Bewuszligtsein ist sie ist nurWissen des Wissens sie hat 1251 nicht unmittelbar realeObjekte zu ihrem Gegenstande sondern nur das Wissen vonden Objekten die Philos[ophie] ist darum Wissenschafts-Lehrenicht Weltweisheit bdquoSie konstruiert d[as] gesamte gemeinsame[Bewuszligtsein] aller vernuumlnft[igen] Wesen schlechthin a prioris[einen] Grundzuumlg[en] nach ebenso wie die Geometrie dieallgemeinen Begrenzungsweis[en] des Raums durch alle ver-nuumlnftig[en] Wesen schlechthin a priori konstruiert Sie hebt anvon der einfachsten und durchaus charakteristisch[en] Bestim-mung des Selbstbewuszligtseins der Anschauung oder Ichheit undgeht in der Voraussetzung daszlig d[as] vollstaumlndig bestimmteSelbstbew[uszligtsein] letztes Resultat aller andern Bestim-mung[en] des Bewuszligts[eins] sei fort bis dieses abgeleitet istldquo(p 127 Sonn[en]kl[arer] B[ericht])2 Durch freie Abstraktionbdquomuszlig jedoch erzeugt w[erden] d[as] Ich d[as] nicht im gemei-nen Bewuszligts[ein] gefunden w[ird] d[as] Ich des wirkl[ichen]Bewuszligts[eins] ist eine Person unter mehreren Personenldquo3 Die-ses Bewuszligtsein der Persoumlnlichkeit leitet d[ie] Wiss[enschafts-lehre] ab bdquoGanz etwas andres ist d[as] Ich von dem sie aus-geht es ist durchaus nichts weiter als die Identitaumlt des Bewuszligt-seienden und Bewuszligten und zu dieser Absonderung muszlig mansich erst durch Abstraktion von allem uumlbrigen in der Persoumln-lichkeit erhebenldquo4

Aus dem Bisherigen erhellt zur Genuumlge wie sinnlos5 dieje-nig[en] F[ichte] auffassen die die Saumltze die Dinge s[ind] le-diglich im Ich gesetzt sie sind Produkte des absoluten Ichs soverstehen als waumlren die Dinge nicht wenn ich sie nicht daumlchte 1 Am Rande r o Verweis auf XVI Vorlesung und Paginierung S 622 J G Fichte Sonnenklarer Bericht a a O S 1273 Vgl ebenda S 1344 Ebenda S 134-135 ndash Am Rande Unser System will nicht d[as]

gemeine und allein reelle Denken erweitern sondern es will dassel-be lediglich erschoumlpfend umfassen und darstellenldquo (an J[acobi])Unser philos[ophisches] Denken bedeutet nichts und hat nicht denmindesten Gehalt nur das in diesem Denken gedachte Denken be-deutet und hat Gehaltldquo [Vgl I H Fichte Johann Gottlieb FichtersquosLeben a a O S 188]

5 sinnlos absurd Korr im Ms

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als braumlchte ich wirklich jetzt in diesem Zeitmomente wo ichdenke diese Dinge hervor als stellte ich Tische und Baumlnke mitdem bloszligen Gedanken her Das Denken das sich [auf] Objektebezieht ist ein schlechthin bestimmtes und beschraumlnktes Den-ken ein unmittelbares Bewuszligtsein eine absolut bestimmteunfreie Anschauung ein Gegenstand entsteht ja uumlberhaupt nurdadurch daszlig das Ich s[eine] Unbeschraumlnktheit aufgibt sicheine Schranke s[einer] freien Taumltigkeit setzt es ist daher eineunbedingte Notwendigkeit daszlig ich die Dinge so und so und indiesem Zus[ammen]hange anschaue die Anschauung des Ob-jekts ist ja die Aufhebung schon die Negation des Denkensgedacht als unbestimmt und eingeschraumlnkt 126 des Denkenswie es eins ist mit dem sich selbst setzenden Ich Das Ich lei-det indem es das Objekt denkt oder in dem Bewuszligtsein seinerobjektiven Welt ist das Ich in dem Zustande des Leidens ge-bunden affiziert Wie abgeschmackt ist es daher dem Denkendie Freiheit und die Kraft des Schaffens und Hervorbringensder Objekte beizumessen Dem Denken wie es in der Wissen-schaftslehre und wie es vom Philosophen exerziert w[ird] demDenken wie es nicht d[as] Denken der Objekte sondern nurdas Denken des Denkens der Gegenstaumlnde nur das Be-wuszligts[ein] oder die Reflex[ion] uumlber das Bewuszligtsein d[er]Dinge [ist] so daszlig es Fichte wenn der Philos[oph] da auf demKatheder also diese Stube nicht daumlchte so wuumlrde sie ver-schwinden Eben dieses wenn und wenn nicht diese Moumlglich-keit des Einen oder Andern1 ist in dieser Sphaumlre ganz aufgeho-ben Es ist die Sphaumlre der Notwendigkeit oder AbhaumlngigkeitIch bin hier bestimmtes Ich in einem gesetzmaumlszligigen Zus[am-men]hang und das bestimmte Ich hat nur Realitaumlt durch einbestimmtes Objekt die Realitaumlt des bestimmten Ich und dieRealitaumlt des bestimmten Objekts ist identisch so daszlig die Ab-leitung der Realitaumlt der Dinge eins ist mit der Ableitung derRealitaumlt der Schranke der Bestimmtheit der Grenze d i alsodes bestimmten Ichs aus dem reinen Iche Man verwechseltalso hier wesentlich-verschiedene Sphaumlren

Die Fichtesche Philosophie hat dadurch daszlig sie nur dieSelbsttaumltigkeit in ihrer houmlchsten Potenz als Intelligenz alsSelbstbewuszligts[ein] als einzige Realitaumlt als die wahre Realitaumltmit unbeschraumlnkter Kraft ausspricht einen hohen geistigen undsittlichen Charakter bdquoDie Wissenschaftslehre gibt dem Geiste 1 Einen oder Andern Nicht-Denkens Korr im Ms

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nicht nur Aufmerksamkeit Gewandtheit Festigkeit sondernzugleich absolute Selbststaumlndigkeit indem sie ihn noumltigt mitsich selbst allein zu sein und in sich selbst zu wohnen und zuwaltenldquo (p 190 Sonnenkl[arer] Bericht)1 bdquoDurch die Wissen-schaftslehre kommt der Geist des Menschen zu sich selbst undruht von nun an auf sich selber ohne fremde Hilfe und wirdseiner durchaus maumlchtigldquo (p 192)2 Eben indem die FichteschePhil[osophie] das Selbstbewuszligtsein auf diese aumluszligerste Spitzetreibt und in dieser Schaumlrfe zum Prinzip erhebt fordert sieunmittelbar den Menschen dazu auf alle Kraumlfte in sich aufzu-raffen sich zu sammeln zu konzentrieren bei sich selbst zusein

1273 Ihr oberstes Prinz[ip] das spekulative Prinzip enthaumlltunmittelbar das absolute Gebot an den Menschen Sei wach-sam werde Deiner selbst bewuszligt Ein seiner selbst bewuszligterMensch ist aber zugleich ein freier wahrhafter im houmlchstenSinne sittlicher Mensch denn ein selbstbewuszligter M[ensch] istzugleich unmittelbar ein der hohen Idee der Realitaumlt des Gei-stes4 der Realitaumlt [der] Wahrheit selbst sich bewuszligter Mensch5

denn der Geist ist die Wahrheit des Lebens Und so war Fichteein durchaus seiner selbst bewuszligter wahrhafter freier reinidealer im gemeinsten und houmlchsten Sinne sittlicher MenschDenn was ist sittlich im houmlchsten Sinne Rein um der Wahrheitwillen nicht um seiner selbst willen leben Wahrhaftigkeit istdie houmlchste ja einzige Tugend6 ndash sie ist die Einheit der Er-kenntnis7 und der Handlung der Person und der Idee sie ist8

die unbedingte Bejahung einer houmlchsten einer absoluten IdeeDie Philos[ophie] F[ichte]s ging daher aus s[einem] Charakterhervor oder umgekehrt aber deswegen hat sie keinen subjekti-ven Char[akter] Ein im wahren Sinne groszliger Mensch ist einallgemeiner Mensch Ja die Idee selbst die dem Fichte zugrun-de liegt ist nichts andres als die Idee der Sittlichkeit in ihrer 1 Vgl J G Fichte Sonnenklarer Bericht a a O S 1902 Ebenda S 1923 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 634 Realitaumlt des Geistes Menschheit Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr

ein5 Im Ms am Rande gestr denn wo ist die Wahrheit wenn sie im

Innersten des Mensch[en] nicht existiert6 Im Ms folgt gestr zu sein was man denkt7 Im Ms folgt gestr der Idee8 sie ist oder Korr im Ms

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Absolutheit in ihrem houmlchsten Prinzip wo sie eins mit der1

Intelligenz ist gedacht Selbststaumlndigkeit und Sittlichk[eit]s[ind] identische Begriffe Ein von2 zufaumllligen Neigungen vonInteressen und Ruumlcksichten von den Auszligendingen bestimmterund abhaumlngiger M[ensch] ist ein unsittlicher nur ein auf sichselbst bestehender und beruhender M[ensch] nur ein Menschder durch sich selbst ist was er ist der sich selbst durchbildetin rastloser Taumltigkeit sich selbst schafft unbekuumlmmert um Loboder Tadel Nutzen oder Schaden nur ein freier M[ensch] istein sittlicher Und ein solcher Mann war Fichte Seine Wirkun-gen als Lehrer sind unberechenbar Er war ein3 Lehrer derdeutschen Nation Die hohe Kraft die die preuszligische Nationwaumlhr[end] des Freiheitskampfes entwickelte hat F[ichte] mitangefacht Die Wirkungen des Geistes fallen nicht so in dieAugen sie sind unberechenbar unbestimmbar deswegen nichtweniger wirksam Fichtes Reden an d[ie] deutsche Nations[ind] bekannt Er hielt furchtlos in Berlin durch []4 Ebendaher kam auch der Mangel Fichtes in Betreff s[einer] Weltan-schauung Die Welt ist ihm lediglich Objekt5 nur in ihrer6 Be-ziehung auf die Moralitaumlt das Nicht-Ich ist nur dazu da dasIch setzt sich nur darum einen Gegensatz um darin seinerselbst bewuszligt zu w[erden] um daran ein Medium zu habenseine Kraft zu exerzieren bdquoMeine Bestimmung istldquo sagtF[ichte] in der Bestimmung des M[enschen] bdquondash sittlich zuhandelnldquo7 bdquoMeine Welt ist ndash Objekt 128 und Sphaumlre meinerPflichten und absolut nichts anderes (p 210)8 bdquoDer Glaube andie Realitaumlt der Sinnenwelt entsteht nur aus [einem] Begriffevon einer moralischen Weltldquo (p 211)9 Die Freiheit bedarf 1 Im Ms folgt gestr Sittlichkeit2 Im Ms folgt gestr Auszligen ndash Im Ms folgt von3 ein unleserl Korr im Ms4 Er hielt durch[] Er hielt sie [] in Berlin A5 Im Ms folgt gestr als6 ihrer [so auch A] s[einer] Ms7 Vgl J G Fichte Die Bestimmung des Menschen Berlin 1800 S

210 ndash Am Rande bdquoNicht bloszliges Wissen sondern nach deinemWissen Tun ist deine Bestimmungldquo (p 182) [Ebenda S 182]bdquozum Handeln bist du da dein Handeln und allein dein Handelnbestimmt deinen Wertldquo [Ebenda S 183]

8 Ebenda S 2109 Vgl ebenda S 211 ndash Am Rande Drei Emanationen aus dem Jupi-

terskopfe der kritischen Vernunft Der Idealismus ndash die rein ethi-

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einer Sphaumlre zum Handeln bdquodiese Sphaumlre ist die wirklich undin der Tat vorhandene Welt so wie wir sie antreffenldquo (p 214)1bdquoDie praktische Vernunft ist die Wurzel aller Vernunft DieHandelsgesetze fuumlr vernuumlnftige Wesen s[ind] unmittelbar ge-wiszlig ihre Welt ist gewiszlig nur dadurch daszlig jene gewiszlig sindldquo2

bdquoDer Glaube an die Realitaumlt anderer mir gleicher Wesen wur-zelt3 im Gewissen das mir Pflichten gegen sie vorschreibt sohaumlngt an der prakt[ischen] Vernunft alle Realitaumltldquo4 Der BegriffGottes hat eben darum von diesem Standpunkt aus eine morali-sche Bedeutung In dem gemeinschaft[lich] mit Niethammerherausgegebnen philos[ophischen] Journal v[om] Jahre 1798lieferte F[ichte] eine Abhandl[ung] uumlber den Grund unsresGlaubens an eine moralische Weltordnung5 Diese zog ihm diefoumlrmliche Anklage als6 eines Atheisten zu bei d[em]saumlchs[ischen] Konsistorium F[ichte] stellt darin den Satz aufGott sei die Ordnung der Welt7 d h die lebendige ordnendewirkende Ordnung ordo ordinans Dies hat diesen Sinn DerMensch handelt d h er setzt sich seinen Zweck er will ihnrealisieren Dieser Zweck ist die Idee des Guten denn es han-delt sich ja nur um8 moral[ische] Handlung Die Handlung setztaber voraus den Glauben an das Gelingen des Zwecks an dieRealisierbarkeit Dieser Glauben aber setzt selbst wieder vor-aus den Glauben an eine Ordnung ein Gesetz eine Macht dieda bewirkt und bestimmt daszlig das Gute wirklich gelinge daszligdie Hindernisse die ihm entgegentreten verschwinden miteinem Worte der Glaube an Gott ist der Glaube an die Machtund Realitaumlt des Guten Die Praumldikate Sein Substanz koumlnnennach F[ichte] nicht von Gott angewendet w[erden] Nur Taumltig-keit ist Sein nach F[ichte] Sein im Sinne des Dogmatismus

sche Fichte ndash die aumlsthetische ndash Schelling ndash die metaphysische ndashuniversal geistige ndash die Hegel[sche Philosophie]

1 J G Fichte Die Bestimmung des Menschen a a O S 2142 Ebenda S 2153 Im Ms folgt gestr auf4 Zitat nicht nachgewiesen5 J G Fichte Uumlber den Grund unsers Glaubens an eine goumlttliche

Weltregierung In Philosophisches Journal Bd VIII Heft 1 Je-na ndash Leipzig 1798 S 1-20

6 als Fehlt in A7 Vgl J G Fichte Uumlber den Grund unsers Glaubens an eine goumlttli-

che Weltregierung a a O S 8-188 um von Ms A

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druumlckt nun bei F[ichte] einen fixen Zustand eine Schranke ausebenso Substanz Gott als Substanz denken heiszligt ihn endlichmachen er waumlre ein Ding Der Geist ist nicht Etwas Nur dieBarbarei konnte F[ichte] daher einen solchen Vorwurf machenDenn abgesehen davon daszlig unter Ordnung kein Abstraktumsondern die 1291 ordo ordinans zu verstehen war was istdenn das absolute Ich das lautere Taumltigkeit nur durch und aussich ist unabhaumlng[ig] das oberste Prinzip aller Dinge undPersonen ist2 In Wahrheit gedacht nichts andres als Gott Aufden Namen kommt es nicht an sondern auf den Begriff3 dieBestimmung den Inhalt darauf daszlig ich mit dem was ich alsErstes und Houmlchstes setze ob ich es nun Gott nenne oder nichtauch wirklich goumlttliche Begriffe und Bestimmungen verknuumlpfe

Noch haben wir eines Denkers zu erwaumlhnen der mit Kantund Fichte ein gemeinschaftl[iches] Prinzip der Philosophiehatte Es ist Friedr[ich] H[einrich] Jacobi4 Viele haben F[ichte]und Jacobi nur im Gegensatz gefaszligt Aber das ist falsch Da-durch unterscheidet er sich nur von Fichte daszlig5 das Ich6 nur alsPerson ihm Gegenstand und Prinzip ist daszlig er die Spekulationdaher ausschloszlig und verabscheute nur in dem7 mit der Personidentisch[en] Wissen in der8 unmittelbaren Uumlberzeug[ung] indem Gefuumlhle die Quelle der Realitaumlt den Born des wahrengoumlttlichen Lebens9 fand Der Standpunkt des Individuums derwo unmittelbar mit dem Ich ein Du ein Objekt gesetzt ist denF[ichte] aber ableitet aus dem houmlhern Standpunkt der Spekula-tion ist ihm der alleinige der primitive Standpunkt Dies istdie Wurzel ihrer Differenz wie ihrer Identitaumlt F[ichte] warfreier stand unendlich houmlher F[ichte] konnte daher auch denStandpunkt Jacobis anerkennen aber nicht J[acobi] den Stand-punkt F[ichte]s Dieser war fuumlr ihn weil s[einem] persoumlnlichenWesen widersprechend ein rein negativer F[ichte] schreibtselbst an J[acobi] [in einem Brief] vom J[ahre] 1795 bdquoich bin

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 642 Im Ms folgt gestr Was3 Im Ms folgt gestr auf4 Im Ms folgt gestr Am5 Im Ms folgt gestr er6 Im Ms folgt gestr nicht7 in dem an das Korr im Ms8 in der an die Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr faszligt

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erstaunt uumlber die auffallende Gleichfoumlrmigkeit unsrer philo-soph[ischen] Uumlberzeug[ungen]ldquo1 Vom Jahre 1796 bdquoWir stim-men ganz uumlberein Auch Sie suchen alle Wahrheit 130 wo ichsie suche im innersten Heiligtum unsres eignen Wesens Nurfoumlrdern Sie den Geist als Geist so sehr die menschl[iche] Spra-che es erlaubt zutage ich habe die Aufgabe ihn in der Formdes Systems aufzufassenldquo2

1 I H Fichte Johann Gottlieb Fichtersquos Leben a a O S 1802 Vgl ebenda S 184

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XVII Vorles[ung]1 [Schelling]2

Die Fichtesche Philosophie hatte kaum einige Jahre bestan-den als sich inmitten ihrer selbst im Innern derselben derGeist eine Richtung nahm die zunaumlchst als eine ihr rein entge-gengesetzte erscheint die Richtung auf das Objekt indem sielediglich in der Richtung auf den selbstbewuszligten Geist denman auch die Subjektivitaumlt nennt begriffen war Man kann dieFichtesche Philos[ophie] aber deswegen nicht eine einseitigenennen Einseitigkeit ist nur mit Beschraumlnktheit verbundenAber der Geist ist nichts Einseitiges Er ist unendlich mankann ihn nicht bejahen ohne die Dinge zu verneinen Um sichzu erfassen muszlig er sich nur auf sich konzentrieren In dieserKonzentration auf sich muszligte ihm die Realitaumlt des Objektsverschwinden Die Philos[ophien] haben uumlberh[aupt] nichteinseitige Gedanken zu ihren Prinzipien sondern unendlicheIdeen die Totalitaumlt sind die darum mit Ausschluszlig oder mit derVerneinung der entgegenstehenden Idee allein fuumlr sich alsPrinzipien ausgesprochen w[erden] koumlnnen

Indem nun aber das Objekt fixiert w[urde] oder der Geist dieRichtung auf das Objekt nahm muszlig d[as] Objekt selbst eineandere Bedeutung erhalten denn eben schon die Richtung aufes ging ja aus einem besonderen Interesse an ihm hervorF[ichte] bezog das Objekt nur auf das Ich Es ist nur fuumlr einIch nicht fuumlr sich Allein indem ich das Objekt zum Gegen-stande mache so beziehe ich 1313 indem ich dasselbe aufmein Ich beziehe zugleich das Objekt auf sich selbst oder dieBeziehung des Gegenstandes auf mein Bewuszligtsein ist umge-kehrt zugleich die Beziehung meines Bewuszligtseins auf denGegenstand Das Fuumlrunssein des Gegenstandes ist keineswegsdie Negation seines Ansich- und Fuumlrsichseins er ist wesentlichObjekt des Bewuszligtseins aber dessen ungeachtet an sich selberreal denn kann ich einen Gegenstand auf mein Bewuszligts[ein]beziehen ihn gleichsam subjektiv machen ohne mein Be-wuszligts[ein] auf ihn zu beziehen mein Bewuszligts[ein] objektiv zumachen ohne ihm also wieder zuruumlckzugeben was ich schein-bar genommen habe dadurch daszlig ich ihn versubjektiviereKurz mein Bewuszligtsein des Gegenstandes ist die Zuruumlckbezie- 1 Am Rande l Verweis auf XVII Vorlesung2 So auch A3 Am Rande r o Verweis auf XVII Vorlesung

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hung des Gegenstandes auf sich selbst Ein Beispiel Das reineWasser ist farblos und geschmacklos Farbe und Geschmacksind Affektionen meines Bewuszligtseins zuvoumlrderst meinesGaumens meiner Sehnerven Beziehungen Relationen aufmich sind die Beschaffenheiten sie sind Praumldikate die ich demObjekt beilege weil es1 mich so und so affiziert Allein in die-sen Beziehungen auf mich bezieht sich der Gegenstand aufsich er unterscheidet sich dadurch von andern ich mache dieseWeisen wie mich d[er] Gegenstand affiziert zu EigenschaftenPraumldikaten eines Subjekts Das Ding ist nicht nur so fuumlr michsondern es ist so fuumlr mich weil an sich dieses So unabhaumlngigvon mir im Dinge liegt Wir unterscheiden die Dinge durch2 dieBeschaffenheiten die wir vermittelst der Sinne an ihnen wahr-nehmen es sind insofern subjektive Bestimmungen Eindruumlckedurch die wir sie unterscheiden aber warum3 [macht] ein Ge-genstand nur diese bestimmten Eindruumlcke auf uns und keineandern Sie liegen also im Objekte an sich selber sie sindFaksimile die Zuumlge ihres Namens die sie mit eigner Handniederschreiben 132 sie sind Selbst-Bejahungen und -Bekraumlf-tigungen der Objekte Das Objekt stellt sich mir indem ich esmit meinem Geiste fixiere als kein totes Auge dar sondern alsein Auge aus dem eine Seele mir entgegenspricht Meine Be-hauptungen von dem Gegenstande ndash selbst die sinnlichen Be-schaffenheiten sind ja Behauptungen wie wenn ich den suumlszligenGeschmack behaupte vom Zucker ndash sind Behauptungen dieich in seinem eignen Namen tue die er selbst bekraumlftigt unter-zeichnet ich spreche sie nur aus weil er stumm ist aber ichspreche nur aus was ihm selbst im Sinne liegt was seine An-gelegenheit ist ich behaupte nur vom Gegenstande was4 ervon sich selbst behauptet Das Empfinden das Denken miteinem Worte das Bewuszligtsein des Objekts des Realen desSeins ist nichts anderes als die Behauptung BekraumlftigungAffirmation die Bejahung des Objekts ndash das Fuumlrunssein desObjekts ist zugleich sein Fuumlrsichsein ndash das Bewuszligtsein desGegenstandes eigentlich nichts anderes als das Sichselbst Ob-jekt5 sein des Gegenstandes So entsteht uns also aus dem

1 es [so auch A] er Ms2 Im Ms folgt gestr unsere Sinn3 Im Ms folgt auch Fehlt in A4 was was A5 -Objekt -gegen Korr im Ms

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Fichte die Lehre von der Einheit des Denkens und Seins des1

Subjektiven und Objektiven des Idealen und Realen des Dingsfuumlr uns und des Dings an sich die Lehre die Schelling aus-sprach Das Denken ist nur das Sagen dessen was der Gegen-stand selbst ist in sich hat aber nicht sagen kann es benenntnur das Objekt

Die Schellingsche Philos[ophie] ergab sich aus der Fichte-schen mit leichter Muumlhe koumlnnte man sagen Das Objekt vondem wir eben sprachen ist naumlher die Natur Das Objekt ist nurProdukt des Geistes der Intelligenz des Ichs Es ist nichts alsdas verobjektivierte Ich die Natur ist nichts als die sinnlicheAnschauung des Geistes von sich selbst wie das Bewuszligtseins[eine] intellektuelle Anschauung von sich ist bdquoDie 1332

Dinge erscheinen Dir nicht durch einen Repraumlsentantenldquo sagtFichte bdquodes Dings das da ist und sein kann wirst Du Dir un-mittelbar bewuszligt und es gibt kein anderes Ding als das des-sen Du Dir bewuszligt bist Du selbst bist dieses Ding Du selbstbist durch den innersten Grund Deines Wesens Deine End-lichkeit vor Dir selbst hingestellt und aus Dir selbst herausge-worfen und alles was Du auszliger Dir erblickst bist immer Duselbst Man hat dieses Bewuszligtsein sehr passend Anschauunggenannt In allem Bewuszligtsein schaue ich mich selbst an dennich bin Ich Fuumlr das Subjektive das Bewuszligtseiende3 ist esAnschauung Und das Objektive das Angeschaute und Be-wuszligte bin4 abermals ich selbst dasselbe Ich welches auch dasanschauende ist ndash nur eben objektiv vorschwebend dem Sub-jektiven In dieser Ruumlcksicht ist dieses Bewuszligtsein ein taumltigesHinschauen dessen was ich anschaue ein Herausschauen mei-ner selbst aus mir selbst Heraustragen meiner selbst durchd[ie] einzige5 Weise des Handelns die mir zukommt durchd[as] Schauen Ich bin ein lebendiges Sehen Darum ist auchdieses Ding dem Auge Deines Geistes durchaus durchsichtigweil es Dein Geist selbst istldquo (p 137 Bestimmung des Men-schen 1800)6 Ich erblicke also im Objekte nur1 Intelligenz es

1 des von Korr im Ms2 Am Rande r o Verweis auf XVII Vorlesung3 Bewuszligtseiende Bewuszligtseiende A4 Im Ms folgt gestr ich5 einzige [so auch A] einige Ms6 J G Fichte Die Bestimmung des Menschen Berlin 1800 S 136-

137

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ist nichts als der entaumluszligerte Geist es ist also selbst Geist Esdarf also nur das Angeschaute fuumlr sich selbst als real gefaszligtw[erden] so haben wir die Schellingsche NaturphilosophiebdquoDie Natur ist nur der sichtbare Organismus unsres Verstan-desldquo (p 32 Einleitung zu einem Entwurf3 eines Systems derNaturphilosophie 1799)4 Wenn die Natur aus der Intelligenzentsprungen ist so muszlig ich ja auch von der Natur aus auf dieIntelligenz zuruumlckkommen Versuchen wir also einmal denumgekehrten Weg 134 des Idealismus fangen wir von derNatur an und steigen von ihr zum Geiste auf Fangen wir abervon ihr an so ist die Natur unmittelbar vorausgesetzt als das5

Reale aber sie ist zugleich das Ideal-Reale kein Reales ohneIntelligenz So ungefaumlhr muumlssen wir die Entstehung des Schel-lingschen Systems uns denken Schelling ist nichts als der aussich hinausgeworfne der vor sich selbst hinausgeschaute und -gestellte Fichte Es darf nur das was F[ichte] als negativ setzteals positiv gesetzt w[erden] so haben wir Schell[ing] DieUnrealitaumlt der Natur besteht bei F[ichte] darin daszlig die Naturnichts ist als die Anschauung der Intelligenz bei Schell[ing]aber gerade darin ihre Realitaumlt Denken wir uns das Verhaumlltnisdes Geistes zur Natur unter dem Verhaumlltnis zweier Personenzueinander Die eine6 sagt zu einer andern Person Du bist meinAlter Ego mein rdquoAλλος Ἐγώ mein anderes Ich ich erblickenichts in Dir als mich selbst Du bist ein Ausfluszlig meinerselbst ein Abglanz meines Geistes Du bist nichts fuumlr Dich

1 Im Ms folgt gestr in meinem Leibe meine2 3 8 Korr im Ms3 Im Ms folgt eines Natur4 Vgl F W J Schelling Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems

der Naturphilosophie Oder Ueber den Begriff der speculativenPhysik und die innere Organisation eines Systems dieser Wissen-schaft Jena ndash Leipzig 1799 S 3 ndash Am Rande bdquoWenn nach Prinzi-pien der transzendent[alen] derselben [Philosophie] alles was istKonstruktion des Geistes ist so ist das [Im Ms folgt gestr Selbst]Sein selbst nichts andres als d[as] Konstruieren selbst oder da Kon-struktion nur uumlberh[aupt] als Taumltigkeit vorstellbar ist d[ie] houmlchstekonstruierende Taumltigkeitldquo (p 4 Entwurf eines Systems d[er] Natur-phil[osophie]) [Vgl F W J Schelling Erster Entwurf eines Sy-stems der Naturphilosophie Zum Behuf seiner Vorlesungen Jena ndashLeipzig 1799 S 4]

5 das Im Ms irrtuumlmlich gestr6 die eine der Eine Korr im Ms

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nichts besonderes Du bist mein Ego selbst so spricht F[ichte]zur Natur Aber erstaunt uumlber die frappante Aumlhnlichkeit ruftdagegen Schell[ing] aus1 Du hast recht2 aber warum hebst Dunur das3 Ego nicht das Alter hervor Sie ist Dein Ego aberDein anderes und darum fuumlr sich reales von Dir unterschiede-nes Ich Sie ist Wesen von Deinem Wesen aber deswegennicht ein nicht reales Wesen Schelling trat4 daher keineswegsin ein negatives Verhaumlltnis zu F[ichte] er lieszlig den Idealismusals das Wahre bestehen er5 wollte nur den umgekehrten Wegeinschlagen und geltend machen Lange hielt man daher auchbeide fuumlr identisch so daszlig Hegel erst den Leuten die Augenoumlffnen muszligte durch s[eine] Schrift uumlber die Differenz zwischender Schellingschen und Fichteschen Philosophie6 Schell[ing]7

schrieb selbst uumlber das Ich eine Schrift Und s[ein] System destranszend[entalen] Idealismus vom Jahre 135 1800 beruhtungeachtet des entgegengesetzten Weges ganz noch auf denPrinzipien des Idealismus bdquoDie notwendige Tendenz allerNaturwissenschaft ist (p 3)8 von der Natur aufs Intelligente zukommen Die houmlchste Vervollkommnung der Naturwissen-schaft waumlre die vollkommene Vergeistig[ung] aller Naturgeset-ze zu Gesetzen des Anschauens und des Denkensldquo9 bdquoDas Ob-jektive zum ersten zu machen und das Subjektive daraus abzu-leiten ist Aufgabe der Naturphilosophieldquo (p 6)10 bdquoDie Tran-szend[ental]philos[ophie] hat die entgegengesetzte Richtung

1 Im Ms folgt gestr Nein2 Im Ms folgt gestr sie ist der Alter Ego3 Im Ms folgt gestr Alter4 trat wollte Korr im Ms5 er aber Korr im Ms6 Vgl G W F Hegel Differenz des Fichtersquoschen und Schellingschen

Systems der Philosophie In Beziehung auf Reinholds Beytraumlge zurleichtern Uumlbersicht des Zustands der Philosophie zu Anfang des 19Jahrhunderts Jena 1801

7 Schell[ing] Fichte Korr im Ms8 Im Ms folgt ist9 Vgl F W J Schelling System des transscendentalen Idealismus

Tuumlbingen 1800 S 3-410 Vgl ebenda S 6 ndash Am Rande In den spaumltern Schriften

Sch[ellings] vermissen wir jene frische [] Kraft die in s[einen]idealistischen [Werken] ihn auszeichnete ndash erst spaumlter spinnt er sich[] ein [und] verpuppt sich in mystische penseacutees confuses [verwor-rene Vorstellungen]

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vom Subjektiven als vom Ersten und Absoluten auszugehenund das Objektive aus ihm entstehen zu lassen In die beidenmoumlglichen Richtungen haben sich alle Natur- und Transzen-d[ental]phil[osophien] gestellt Alle Philos[ophie] muszlig daraufausgehen1 entw[eder] aus der Natur eine Intelligenz oder ausder Intelligenz eine Natur zu machen Zwei notwendige Grund-wissenschaften hat darum die Philosophieldquo2 bdquoIn der Transzen-d[ental]phil[osophie] ist das Subjektive einziger Grund allerRealitaumlt einziges Erklaumlrungsprinzip alles andernldquo3 Die Natur-philos[ophie] abstrahiert aber vom Ich bdquoDer Grund daszlig auchsolche die den Idealism[us] wohl gefaszligt haben die Natur-philos[ophie] nicht begreifen ist weil es ihnen schwer oderunmoumlglich ist sich von dem Subjektiven der intellektuellenAnschauung loszureiszligen Ich fordere zum Behufe der Natur-philos[ophie] die intellektuelle Anschauung wie sie in derWissenschaftslehre gefordert w[ird] ich fordere aber auszligerdemnoch die Abstraktion von dem Anschauenden in dieser An-schauung eine Abstraktion welche mir das rein Objektivedieses Akts zuruumlcklaumlszligt welches an sich bloszlig Subjekt-Objektkeineswegs aber = Ich istldquo (Zeitsch[rift] fuumlr spekul[ative] Phy-sik)4 Eben hierin haben wir wieder einen AusgangspunktOberstes Prinzip ist bei F[ichte] das Subjekt-Objekt nur be-stimmt es F[ichte] als Ich 136 es durfte also nur vom Ichabstrahiert w[erden] das Subjekt-Objekt fuumlr sich gedachtw[erden] bdquoDie Natur ist daher nicht bloszliges Objekt sie istSubjekt-Objektldquo5 bdquoMir ist d[as] Objektive selbst ein zugleichIdeelles und Reelles beides ist nie getrennt sondern urspruumlng-lich (auch in der Natur) beisammen dieses Ideal-Reale w[ird]zum Objektiven nur durch d[as] entstehende Bewuszligtsein inwelchem das Subjektive sich zur houmlhern (theoretischen) Potenzerhebtldquo6 Die Natur aber so gefaszligt so [ist] sie nicht mehr blo- 1 darauf ausgehen [So auch A] daraus aufgehen Ms2 Vgl F W J Schelling System des transscendentalen Idealismus a

a O S 6-73 Vgl ebenda S 7-84 Vgl F W J Schelling Anhang zu dem Aufsatz des Herrn Eschen-

mayer betreffend den wahren Begriff der Naturphilosophie und dierichtige Art ihre Probleme aufzuloumlsen In Zeitschrift fuumlr speculativePhysik hrsg von F W J Schelling Jena ndash Leipzig 1801 ZweytenBandes erstes Heft III S 122

5 Vgl ebenda S 125-1266 Vgl ebenda S 121

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szliges Produkt sondern selbst hervorbringend produktiv eineselbsttaumltige selbstwirkende schaffende Kraft und Wesenheit1

bdquoEs reicht keineswegs hin zu behauptenldquo sagt er in s[einer]Freiheit[sschrift] bdquodaszlig Taumltigkeit Leben und Freiheit allein daswahrhaft Wirkliche seien womit auch der subjektive Idealis-mus Fichtes bestehen mag es w[ird] vielmehr gefordert auchumgekehrt zu zeigen daszlig alles Wirkliche (die Natur die Weltder Dinge) Taumltigkeit Leben und Freiheit zum Grunde habeoder im Fichteschen Ausdruck daszlig nicht allein die Ichheitalles sondern auch umgekehrt alles Ichheit seildquo2 Reflektierenwir nun aber daruumlber nach daszlig die Natur nichts ist als die an-geschaute Intelligenz der3 Geist die sich anschauende Intelli-genz ndash dies ist der erste und bedeutendste Schritt von F[ichte]zu Schelling ndash daszlig aber die Natur ndash und jetzt4 trennen wir unsweiter von F[ichte] ndash nicht bloszlig angeschaute Intellig[enz] d ials Objekt als reines Passivum sondern als ein Aktivum alsselbst Intelligenz als selbst Taumltigkeit gefaszligt w[erden] muszlig undist daszlig wir also im Realen auch das Ideale zu erkennen habenso kommen wir notwendig auf den Gedanken oder er ist schondamit ausgesprochen Der Geist und die Natur sind identischauf den Gedanken der absoluten Identitaumlt oder Einheit DieNatur ist die bewuszligtlose Intelligenz der Geist die bewuszligte bdquoEsgibt eine bewuszligtlose aber der bewuszligten urspruumlnglich ver-wandte Produktivitaumlt deren bloszligen Reflex wir in der Natursehenldquo ([p] 3)5 bdquoDie Regelmaumlszligigkeit in allen Bewegungender Natur die erhabne Geometrie welche in den Bewegungender Himmelskoumlrper aus137geuumlbt wird wird nicht darauserklaumlrt daszlig die Natur die vollkommenste Geometrie sondernumgekehrt daraus daszlig die vollkommenste Geometrie das Pro-duzierende der Natur ist durch welche Erklaumlrungsart das Re-elle selbst in die ideelle Welt versetzt w[ird] und jene Bewe-gungen in Anschauungen die nur in uns selbst vorgehen und

1 Im Ms folgt gestr Die Natur ist Ich aber ein selbstbestehendes []2 Vgl F W J Schelling Philosophische Untersuchungen uumlber das

Wesen der menschlichen Freyheit und die damit zusammenhaumlngen-den Gegenstaumlnde In F W J Schellingrsquos philosophische SchriftenErster Band Landshut 1809 S 420

3 der das Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr kommen5 Vgl F W J Schelling Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems

der Naturphilosophie a a O S 3

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denen nichts auszliger uns entspricht verwandelt1 w[erden]ldquo(Einleitung zu einem Entw[urf])2 bdquoDie Natur als Ganzes so-wohl als in ihren einzelnen Produkten erscheint als ein3 mitBewuszligtsein hervorgebrachtes Werk und doch zugleich alsProdukt des blindesten Mechanismus sie ist zweckmaumlszligig ohnezweckmaumlszligig erklaumlrbar zu seinldquo (p 17 Transzend[entalphilo-sophie])4 In s[einer] Transzend[entalphilosophie] verfaumlhrt umdiese Identitaumlt herauszubringen Schell[ing] also Das Ich ist insich selbst entgegengesetzte Taumltigkeiten enthaltend Die Vor-stellung und den Willen Der Wille ist nichts anderes als dieKraft des Geistes einen Gegenstand nach Vorstellungen zubestimmen die Vorstellung aber die Kraft nach dem Gegen-stande sich zu richten Wie kann also zugleich die objektiveWelt nach Vorstellungen in uns und [die] Vorstellungen in unsnach der objektiven Welt sich bequemen Wie ist dieser Wi-derspruch zu loumlsen Nur dadurch daszlig bdquozwischen der reellenund ideellen Welt eine sbquovorherbestimmte Harmonielsquo existiertldquo5

Diese selbst aber ist nicht erklaumlrbar bdquowenn nicht die Taumltigkeitdurch welche die objektive Welt produziert ist urspruumlngl[ich]identisch ist mit der welche im Wollen sich aumluszligert und umge-kehrtldquo6 bdquoDieselbe Taumltigkeit welche im freien Handeln mitBewuszligtsein produktiv ist ist im Produzieren der Welt produk-tiv ohne Bewuszligtseinldquo7 Die Transzendentalphilos[ophie] diedie Aufgabe hat alles im Ich zu finden hat daher nachzuwei-sen den Ort wo im Ich beide Taumltigkeiten verknuumlpft sind DieseEinheit der bewuszligt[en] und bewuszligtlosen Taumltigkeit 138 ist dieaumlsthetische oder kuumlnstlerische bdquoDer Vereinigungspunkt dertheoretischen und praktischen Philos[ophie] ist die Teleologieoder die Philosophie der Naturzweckeldquo8 denn der Zweck ist jaein Produkt der bewuszligtlosen Taumltigkeit das aber erscheint []als ein Produkt des Bewuszligtseins Es ist also die Identitaumlt zuder sich Schell[ing] erhebt und die er als das Prinzip der Philo- 1 verwandelt [So auch A] verwandeln Ms2 Vgl F W J Schelling Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems

der Naturphilosophie a a O S 23 Im Ms folgt gestr Produkt4 Vgl F W J Schelling System des transscendentalen Idealismus a

a O S 175 Vgl ebenda S 166 Ebenda S 16-177 Vgl ebenda S 178 Vgl ebenda S 17-18

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sophie setzt1 bdquoEs ist dieselbe und gleiche absolute Identitaumltdie2 als Subjekt und Objekt gesetzt istldquo3 bdquoEs findet zwischenSubjekt und Objekt an sich kein Gegensatz stattldquo4 bdquoZwischenSubj[ekt] und Objekt ist keine andere als quantitative Differenzmoumlglichldquo5 bdquoDiese quantitative Differenz ist nur in Ansehungdes einzelnen Seins nicht aber an sich oder in Ansehung derabsoluten Totalitaumlt denkbarldquo6 bdquoSie ist der Grund aller Endlich-keitldquo7 bdquoAn sich d h dem Wesen nach ist daher nichts Endli-chesldquo8 bdquoAlles was ist ist an sich eins Alles was ist ist dieabsolute Identitaumlt selbstldquo9 bdquoEs gibt kein einzelnes Sein odereinzelnes Ding an sichldquo10 Sch[elling] meint11 deswegen dieabsolute Identitaumlt die absolute Indifferenz Gleichguumlltigkeitgegen den Unterschied Es erhellt daszlig Schelling zu Brunodem er ja bekanntlich auch eine Schrift zu Ehren schrieb12 undSpinoza zuruumlckkehrt Er spricht sich hieruumlber selber in s[einer]Schrift uumlber d[as] Wesen der menschl[ichen] Freiheit 1809 alsoaus []13

1 Im Ms folgt gestr Diese2 Im Ms folgt gestr der Form nach3 Vgl F W J Schelling Darstellung meines Systems der Wissen-

schaft In Zeitschrift fuumlr speculative Physik hrsg von F W JSchelling Jena ndash Leipzig 1801 Zweyten Bandes zweytes Heft sect 22S 13

4 Ebenda sect 22 S 135 Ebenda sect 22 S 136 Vgl ebenda sect 22 S 137 Ebenda sect 37 S 228 Vgl F W J Schelling Darstellung meines Systems der Wissen-

schaft a a O sect 14 S 89 Vgl ebenda sect 12 S 710 Vgl F W J Schelling Darstellung meines Systems der Wissen-

schaft a a O sect 28 S 1611 meint nimmt A12 Vgl F W J Schelling Bruno oder uumlber das goumlttliche und natuumlrli-

che Princip der Dinge Ein Gespraumlch Berlin 180213 Vgl F W J Schelling Philosophische Untersuchungen uumlber das

Wesen der menschlichen Freyheit a a O ndash Der Text bricht ab ndashEs ist also die Identitaumlt aus Text mit Bleistift geschr

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XVIII [Vorlesung]1 [Schelling Hegel]2

139 Es gibt nur eine wahre Philosophie diese ist der Idea-lismus Es gibt nur einen Gedanken Er ist der Gedanke desGeistes Was nicht Geist ist ist Nichts Was Wahrheit ist be-staumltigt sich im Leben bestaumltigt sich im gemeinsten MenschenAber im Gemeinen w[ird] die Wahrheit selbst Gemeinheit So3

bestaumltigt sich denn auch im Leben die Wahrheit des Idealismusaber des subjektiven wo der Geist die Dinge nur als selbst- undwesenlose Dinge betrachtet4 Was sind dem Menschen diegemeinen Objekte des Lebens Sie sind ihm Mittel An sichsind sie ihm nichts sie haben ihm nur Wert fuumlr seine ZweckeDie Wahrheit die dem houmlhern M[enschen] als Gedanke Ge-genstand w[ird] w[ird] dem nicht denkenden M[enschen] imWillen in der Praxis Gegenstand Das Interesse der Genuszlig istihm das Reale Aber der Genuszlig das Interesse ist der Idealis-mus der Dinge er ist das Absolute das Houmlchste wie sie als dasGemeinste erscheinen Der Genuszlig zerstoumlrt das Objekt in ihmw[ird] d[as] Individuum die Erscheinung des Geistes seinerselbst gewiszlig Das Interesse entreiszligt der Tiefe die edelsten undentlegensten5 Stoffe6 die sie sorgfaumlltig in sich verbirgt7 undschmilzt sie8 die die Erde mit den Banden der Schwere an sichfesthaumllt in Muumlnzen um denen er sein Bild das Wappen9

s[einer] Majestaumlt aber10 ebenso auch den11 Schmutz s[einer]Finger das Bild d[es] menschl[ichen] Elends aufdruumlcktschmilzt das gediegne Metall in Geld um12 liefert [es] demMenschen in die Hand so daszlig es von einer zur andern gehtwas mit ehernen Banden durch das Gesetz der Schwere an dieTiefe der Erde gebunden ist es beugt das harte Eisen zu einem

1 Am Rande r o Verweis auf XVIII Vorlesung 2 So auch A3 Im Ms folgt gestr sich4 Im Ms folgt gestr Aber5 Tiefe entlegensten Erde ihre geheimsten Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr es7 in verbirgt in der Tiefe verbirgt Korr im Ms8 und sie Unleserl Korr im Ms9 sein Wappen ebenso das Siegel Korr im Ms10 aber unleserl Korr im Ms11 auch den unleserl Korr im Ms12 Im Ms folgt gestr nach dem

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nuumltzlichen Instrument um es rodet Waumllder und Suumlmpfe aus esverackert den Boden1 setzt dem Meere selbst Grenzen ver-breitet uumlber den ganzen Erdkreis was die Natur nur da unddorthin gesaumlt hat bestimmt selbst das unbestimmbarste feinsteallmaumlchtigste lebendigste2 Wesen der Natur die Luft die At-mosphaumlre veraumlndert sie Der Genuszlig zerstoumlrt die Dinge scho-nungslos die Natur ist ihm nur ein Leckerbissen s[eines] Gau-mens der Duft der Blumen bloszlig Weihrauch der ihm gestreutw[ird] Selbst die Anschauung der Natur ist nur ein Genuszligderselben Wir freuen uns nur ihrer weil sie uns entzuumlckt Sobezieht der Mensch alles auf sich er ist ein Alchimist der ausallen Dingen den edelsten Stoff zieht den Stoff desmenschl[ichen] des geistigen Lebens der sie alle verwandeltin nuumltzliche Mittel Er erfaszligt sich als den3 Zweck aller Dinge ndasher ist es denn er ist das absolute Ich als Natursubjekt Die ab-solute Form des Idealismus ist daher daszlig alle Dinge um desMenschen willen seien Aber dieser Idealismus ist ein unreinersubjektiver roher Der Idealismus ist der Endzweck der Welt-geschichte ndash das Prinzip des Lebens nur daszlig er hier als Interes-se Zweck Nutzen Genuszlig erscheint

1404 Allerdings ist der M[ensch] der Endzweck der Dingeaber nur gedacht uumlberhaupt als ein5 theoretisches ein schauen-des bewuszligtes empfindendes Wesen gedacht nicht als einsubjektives sich auf s[eine] Zwecke beziehendes Wesen son-dern in seiner Einheit mit dem6 Sein so daszlig das Sein um desM[enschen] willen seiend zugleich7 um seiner selbst willen istWenn ich den M[enschen] so denke so kann ich nicht fragenwozu ist der M[ensch] was ist s[eine] Bestimmung Wozu istder Mensch gedacht uumlberhaupt als ein empfindendes bewuszlig-tes Wesen Was ist s[eine] Bestimmung Diese Frage ist einsmit der Frage was ist die Bestimmung des Seins Die Frageaber ist toumlricht denn das Sein ist um seiner willen es ist dasabsolut Positive frage ich nach dem Zwecke eines Dings so

1 verackert Boden durchpfluumlgt [] die Erde Korr im Ms2 lebendigste koboldartige Korr im Ms3 Er den Der Mensch ist Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Der Mensch ist eben sowohl um des Seins als

das Sein um des M[enschen] willen5 ein Hervorgehoben im Ms6 Im Ms folgt gestr Menschen7 Im Ms folgt gestr als

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frage ich worin liegt s[eine] Realitaumlt s[ein] Positives Aberwie kann ich darnach beim Sein fragen Was ist nun aber1 dasSein wenn es nicht sich ist wenn es nicht Genuszlig nicht Ge-fuumlhl nicht Bewuszligtsein nicht Mensch ist Denn der Mensch istdas seiner selbst bewuszligte Sein Der Mensch stellt auf demgewoumlhnlichen Standpunkt2 das Empfundene das Bewuszligte alsgegen das Bewuszligtsein gleichguumlltiges Objekt sich gegenuumlberAber das gilt nur von dem bestimmten Gegenstand dem be-stimmten Menschen nicht von dem Menschen an sich dennein bestimmter M[ensch] kann sein und kann nicht sein abernicht so der Mensch an sich er ist ewig in der Idee des Welt-alls notwendig im Wesen der Dinge gegruumlndet Er ist das sei-ner selbst gewisse und bewuszligte das sich empfindende3 dassich selber seiende und schauende Sein4 Das Sein ohne Be-wuszligtsein ist nichts Aber davon abgesehen von dieser Bezie-hung auf d[as] Sein uumlberhaupt So wahr und gewiszlig die Existenzdes5 Menschen ist so wahr und gewiszlig ist der IdealismusKannst Du zweifeln daszlig Du bist Ist Dir Deine Existenz nichtunbezweifelbar gewiszlig Kannst Du Deine Existenz aber vomBewuszligtsein unterscheiden Ist sie nicht eins mit ihm Ja ist esnicht selbst Dein Sein Kannst Du also zweifeln an der Wahr-heit des Cartesisch-6Fichteschen Prinzips Was ist der Dichterals ein begeisterter Redner im Namen der ganzen Menschheitals ein Verkuumlnder der Wahrheit wie sie im Gefuumlhl in derPhantasie waltet Und was ist7 das Thema ihrer Lieder als derKlage oder Freudenruf was ist das Leben ohne Liebe Was istaber die Liebe Idealismus sie verknuumlpft Getrenntes hebt dieselbststaumlndige Existenz des Auszligenwesens auf sie macht auszwei Wesen ein Wesen und widerspricht darum dem gemeinenMenschenverstande nicht weniger als der Idealismus Selbst inder Natur haben wir ein Zeugnis von der Realitaumlt des Idealis-mus er faumlllt uns hier in 1418 die Augen Es ist das Licht9 Das 1 Was aber Aber was ist Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr des Lebens3 empfindende Im Ms nur teilw unterstr4 Im Ms folgt gestr Was ist also5 des zw Korr im Ms6 Kannst Cartesich- Eine groszlige urspruumlngliche Wahrheit hat daher

Cartesius daszlig Korr im Ms7 Und ist Was ist aber Korr im Ms fehlt in A8 Am Rande r o Verweis auf 18ste Vorl[esung]9 Licht Licht Korr im Ms

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Licht ist das idealste Naturwesen es ist nicht an die Schweregebunden es ist imponderabel seine Bewegung ist von soauszligerordentlicher Schnelligkeit daszlig es beinahe fuumlr keine Be-wegung mehr zu achten ist die Grenzen des Raumes die Weiteder Entfernung hat daher fuumlr es keine Realitaumlt mehr Was waumlredie Natur ohne Licht Eine absolute Finsternis aber eine ab-solute Finsternis ist vom Tode vom Nichts1 nicht zu unter-scheiden Erst das Licht unterscheidet spezifiziert Es ist dasPrinzip alles Lebens aller Bewegung wie wir dies deutlich anden Pflanzen Tieren sehen2 viele Tiere leben3 zwar nur beiNacht in Bewegung aber die Nacht ist kein absolutes Dunkeldeswegen kann auch das Auge vieler Tiere in ihr sehen DiePhysik leitet das Licht aus der Bewegung ab aber es ist viel-mehr eins mit der Bewegung D[ie] Phys[ik] betrachtet nur dasLicht in der Erscheinung dieses bestimmte Licht wie es vonder Sonne auf uns einstroumlmt und wie es modifiziert auf derErde wirkt Aber d[as] Licht ist universelles Wesen4 nur durchdas Licht verkuumlndet uns ja der Himmel sein Dasein Es ist dasBand aller Wesen Aber was ist das Licht ohne Auge dassieht Erhellung und Sehen koumlnnen wir gar nicht unterschei-den Wir koumlnnen uns nicht einmal denken Licht ohne Seheneinbilden koumlnnen wir es uns wohl aber nicht denken Es isteine bloszlige Taumluschung Das Licht macht sichtbar d h es machtdie Materie zum Objekt des Auges und ist darum das ersteUnterscheidungsprinzip der Materie Das Licht ist die Erschei-nung des Bewuszligtseins es ist die Kraft des Bewuszligtseins selbstals Naturkraft der versinnlichte Geist es ist die Wahrheit desIdealismus als sinnliches Faktum wie die Liebe die Wahrheitdes Idealism[us] als persoumlnliche Empfindung ist

Alle wahre Philosophie ist Idealismus Der5 Idealismus istnichts als der seiner selbst bewuszligte Pantheismus Der Pan-th[eismus] nichts als ein unbewuszligter Idealismus Der Panthe-is[mus] ist Idealism[us] denn er hebt das sinnliche Bestehender Dinge auf er identifiziert sie er idealisiert sie er sagt imWesen sind sie identisch Er setzt ein Wesen das alle Wesenist Aber dieses eine Wesen das alle Wesen ist das ist die

1 Nichts Unleserl Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr denn obgleich3 Im Ms folgt ist4 Wesen [so auch A] Wesens Ms5 Im Ms folgt gestr Pantheismus

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Seele das ist der Geist Der Geist ist kein besonderes keinbeschraumlnktes Wesen 142 dann waumlre er ein sinnliches Dingwie Luft Wasser er ist unendliches Wesen aber ein unendli-ches Wesen ist All-Wesen ist ein pantheistisches Wesen Blei-ben wir selbst auf dem Standpunkt Kants jede Kategorie jederBegriff ist die Einheit des Vielen und Mannigfaltigen wiekoumlnnte aber der Geist die Einheit eines Besondern eine be-stimmte Einheit sein oder in sich bilden wenn er nicht dieallgemeine die absolute Einheit waumlre Schon Aristoteles sagtDie Seele ist gewissermaszligen alles was ist1 und mit ihm dieneuplatonische Schule und nach ihrem Vorangang die tiefstenMystiker des Mittelalters Aber der Pantheism[us] erkenntnicht dieses alleinige Wesen als Geist er stellt es nur vor alsWesen er ist ein blinder Idealist ein Idealist in der Form desDogmatismus Der Panth[eismus] verstoumlszligt2 darum3 gegen denKopf des M[enschen] weil er nicht kommen kann zur wahr-haften Realisierung des Unterschieds Nur der Idealismus istdas Licht des Geistes das Licht ist aber wie das Verbindendedas Einende so das Unterscheidende Erst der sich als Idealis-mus begreifende Pantheismus versoumlhnt indem er die wesentli-chen Elemente des Lebens den Unterschied und die Einheitmiteinander verknuumlpft Fichte ist der seiner selbst bewuszligte4

Spinoza Es ist nur eine Substanz aber diese existiert nicht alsObjekt sondern als Ich ist nicht Sein sondern SelbsttaumltigkeitIntelligenz Aber wenn wir nicht von Sp[inoza] aus zu F[ichte]uumlbergehen oder nicht vom Panth[eismus] sondern vom Idea-lism[us] selbst ausgehen so ist der Idealismus zuvoumlrderst sei-ner nur als Idealismus sich bewuszligt F[ichte] sagt wohl zuSp[inoza] Was Du unter Deiner Substanz denkst das ist inWahrheit nur das Ich aber er behauptet nicht den Begriff derSubstantialitaumlt vom Geiste er negiert den Begriff der SubstanzEs5 ist darum subjektiver Idealismus die Welt erscheint hiernur als Negatives als Objekt fuumlr den moralischen Standpunktals die Sphaumlre aber zugleich auch als die Schranke der Frei-heit der Geist erblickt sich wohl im Realen es [ist] ihm nur ein

1 Vgl Aristoteles De anima In Operum philosophorum omnium hellip

T I Lugduni 1590 Cap VIII S 4032 verstoumlszligt hat Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr etwas4 selbst bewuszligte [so auch A] selbstbewuszligte Ms5 Es Er Ms A

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Bild der Intelligenz aber ein stoumlrendes Bild das er sich eigent-lich aus dem Sinne schlagen moumlchte Aber gleichwohl istF[ichte] der Mittelpunkt der neuern Philos[ophie] es bedurftenur einer Erweiterung des auf das Ich zusammengezognen Mit-telpunkts es be- 143 durfte nur der Synthese der Verknuumlp-fung des Begriffs der Substanz in dem Sinne wie Bruno undSpinoza sie an die Spitze der Philosophie stellten mit demBegriffe der Intelligenz es bedurfte nur daszlig der Idealismussich nicht mehr nur als Idealism[us] sondern als Pantheism[us]begriff um den subjektiven Id[ealismus] in den absolutenIdealismus zu verwandeln Schelling verknuumlpfte zuerst dieseBegriffe aber schwankend unbestimmt subjektiv nur in sei-ner Anschauung Er lieszlig bestehen das Fichtesche Ich er griffdie Sache nicht bei der Wurzel1 Er erweiterte nicht diesen Be-griff aus sich selbst er verknuumlpfte aumluszligerlich die Anschauungder Natur als das Ideal-Reale darin (er fiel vom Idealismus abwieder in den Realismus so daszlig drei Prinzipien sich in ihmdurch und umeinander drehen und waumllzen so daszlig das oberstePrinzip bald zum Untersten und das Unterste zum Oberstenverkehrt w[ird]) Das Fichtesche Ich imponiert ihm aber dieNatur imponiert ihm nicht weniger er laumlszligt beide bestehen dasIch ist ihm das Reale aber die Natur ist ihm auch das Reale erist so Realist beide sind absolut (Der Idealism[us] ist ihmnicht die Totalitaumlt sondern der Pars obwohl die houmlchste Po-tenz)2 Er schwankt unentschieden zwischen her bis er beideverknuumlpft3 aber mit Ausloumlschung des Unterschieds [in] derabsoluten unterschiedslosen Identitaumlt4 der Identitaumlt des Pan-theismus Er verknuumlpft also den Pantheism[us] mit dem Idea-lismus aber auf eine den Forderungen des Idealismus5 wider-

1 Am Rande es handelt sich nicht mehr sagt Sch[elling] uumlber d[ie]

verbesserte Fichtesche Lehre vom bloszligen Denken dem sich dannein anderes Denken entgegenstellen kann es handelt sich vom Se-hen (p 127) ndash von sichtlicher Wahrheit [Vgl F W J SchellingDarlegung des wahren Verhaumlltnisses der Naturphilosophie zu derverbesserten Fichteschen Lehre Eine Erlaumluterungsschrift der er-sten Tuumlbingen 1806 S 127]

2 Im Ms folgt irrtuumlml nicht gestr Und) ndash Im Ms folgt gestr beidebegr

3 Im Ms folgt gestr er in4 Im Ms folgt gestr Und diese5 den des dem Korr im Ms

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sprechende Weise in der Form des Pantheismus1 Seine Philo-sophie kann daher selbst im Ganzen als ein Abfall vom Idea-lism[us] bezeichnet w[erden] ndash ein Abfall der die unerlaumlszliglicheBedingung zur Entwicklung des absoluten Idealism[us] ist2und dem wir das hohe nicht genug in Anschlag zu bringendeVerdienst seiner Naturphilosophie ndash die sein eigentuumlmlichesProdukt ist zu verdanken haben Schelling scheint ein Denkerzu sein der wesentlich zur Spekulation eines Substrats einerFolie einer Unterlage3 [bedarf] wo er keine gegeben hat wiefruumlher an der Natur und 144 in der Transzendentalphi-los[ophie] an dem Ich wo er keines hat gibt er seinem Denkeneine Folie wie wir denn in der Voraussetzung jenes Grundes ins[einer] Schrift von dem Wesen der menschl[ichen] Freiheit4

dieses Beduumlrfnis seines Geistes nach einer Folie objektiv ge-setzt und ausgesprochen finden

Die Verknuumlpfung des Pantheismus mit dem Idealismus in-nerhalb des Idealismus selbst die Verknuumlpfung derselben aufeine den unabweislichen Forderungen und dem Geiste derneuern Philos[ophie] gemaumlszlige folglich auf wahrhaft philoso-phische und organ[ische] Weise bewerkstelligte erst HegelAus dem Daumlmmerlichte der Schellingschen Identitaumltslehretreten wir mit Hegel in das Licht des Idealismus ein Wir sindhier wieder auf einem entschieden-idealistischen Boden Hegelschlieszligt sich obwohl durch Schelling vermittelt wieder5 anKant und Fichte an Denen die Hegel so herabsetzen undSchelling als den Plenipotentiarius6 [Generalbevollmaumlchtigten]der spekulat[iven] Vernunft ansehen koumlnnte man entgegnendaszlig die Schelling[sche] Phil[osophie] nur ein poetisches Inter-

1 Am Rande Wollte man dagegen einzelne Gedanken und Bestim-

mungen wie sie sich in spaumltern Schriften finden zur Widerlegungvorbringen so ist eben zu erwidern daszlig wo solche vorkommen diewidersprechen nur Versicherungen sind die nicht organisch mits[einem] Prinzip verknuumlpft sind

2 ist war Korr im Ms3 Im Ms folgt hat4 F W J Schelling Philosophische Untersuchungen uumlber das Wesen

der menschlichen Freyheit und die damit zusammenhaumlngenden Ge-genstaumlnde In F W J Schellingsrsquo philosophische Schriften ersterBand Landshut 1809

5 obwohl wieder unmittelbar Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr als

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mezzo zwischen1 Fichte und Hegel w[ar] Hegel begann s[eine]Laufbahn mit Kritiken und zwar abgesehen von der Beurtei-lung einiger fuumlr die Philos[ophie] unbedeutender Erscheinun-gen wie Krug mit der Kritik der Kantisch[en] Fichteschenund Jacobischen Philosophie2 (Diese Kritiken zeichnen sichaus wie alles was aus der Feder dieses3 seltnen Mannes floszligdurch tiefe Gruumlndlichkeit und Gediegenheit durch eine4 dasInnerste der Sache treffende5 eine das Objekt penetrierendeuumlberwaumlltigende Kraft ndash eine Kraft die nur der Idealismus ver-leihen kann das Bewuszligtsein daszlig der Intelligenz kein DingWiderstand leisten kann da der Geist in Wahrheit alle Dingeselbst ist Selbst Schell[ing] nennt6 die Kritik der Fichtesch[en]Philos[ophie] in s[einer] Schrift uumlber d[ie] verbesserte Fichte-sche Lehre v[om] Jahre 1806 eine treffliche K[ritik] von ein-dringender Kraft und daszlig er sie ihrem Gehalte nach vollkom-men unterschreibe7 H[egel] anerkannte stets mit groszliger Hoch-achtung d[ie] Fichtesche Philos[ophie]) In jener8 Zeit wo jeneKritik9 erschien trat die Subjektivitaumlt des F[ichteschen] Idea-lism[us] in den populaumlren Schriften F[ichtes] wie in der Be-stimmung des Menschen10 am grellsten hervor in dem schonihrer Tendenz nach das spekulative Interesse dem moralischen145 weichen muszligte ja in diese moralische Tendenz alle Rea-litaumlt aufging Die Fichtesche Phil[osophie] hatte an dem abso-luten Ich ein absolutes spekulatives Prinzip Aber statt beidiesem zu verweilen und in sich zu vertiefen geht er sogleichzur Deduktion des bestimmten subjektiven Ich uumlber dem dasNicht-Ich als eine tote nichtige und zu vernichtende Welt als 1 Im Ms folgt gestr dem2 G W F Hegel Glauben und Wissen oder die Reflexionsphiloso-

phie der Subjectivitaumlt in der Vollstaumlndigkeit ihrer Formen alsKantische Jacobische und Fichtesche Philosophie In KritischesJournal der Philosophie hrsg von F W J Schelling u G W FHegel 2 Bd 1 St Tuumlbingen 1802

3 Im Ms folgt gestr vom Denken4 Im Ms folgt gestr in5 treffende eindringende Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr ihn7 F W J Schelling Darlegung des wahren Verhaumlltnisses hellip a a O

S 1618 In jener aber namentlich bei der Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr auf10 J G Fichte Die Bestimmung des Menschen Berlin 1800

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eine Schranke gegenuumlberstand Die Schellingsche Naturphilo-sophie bildete gegen diese subjektive Richtung1 einen direktenGegensatz indem sie das Reale als ein mit dem Geiste Ver-soumlhntes ansah oder stellte vielmehr die houmlhere Wahrheit derEinheit dar Ein so objektiver Idealist wie H[egel] war muszligtesich natuumlrl[ich] zu dem Identitaumltssyst[em]2 hingezogen fuumlhlenund in das Verhaumlltnis der Krit[ik] gegen den Id[ealismus] ins[einer] subj[ektiven] moral[ischen] Richtung treten H[egels]3

Kritik ist schneidend negativ Sein penetrierender Verstands[eine] tiefe Gruumlndlichkeit und Gediegenheit seine d[as] Ob-jekt bewaumlltigende Kraft eine Kraft die nur der Idealismusgeben kann4 kurz die Eigenschaften die in H[egel] auch demoberflaumlchlichsten Blick den Denker erkennen lassen und ihnv[on] Schell[ing] unterscheiden bei dem wenigstens d[as]Charakteristisch[e] des Denkers nicht so entschieden hervor-tritt der Gedanke in den Nimbus eines poetischen Dunkels sichhuumlllt so daszlig es nicht zu verwundern [ist] wenn selbst Maumlnnernvon nicht gerade gemeiner Urteilskraft durch diese Eigentuumlm-lichkeit der Schellingschen Schr[iften] ndash sei sie nun Scheinoder Wirklichkeit ndash wir lassen es dahingestellt sein Eigen-schaften die er spaumlter so sehr entwickelt hat s[ind] bereits inihnen ausgepraumlgt Eine5 andere Schrift H[egel]s um diese Zeitw[ar]6 uumlber die Differenz zwischen dem Schell[ingschen] undFichtesch[en] System7 Hegel bedient sich hierin Schell[ing-scher] Formen wie z B Potenz Abgesehen von den persoumln-l[ichen] Verhaumlltnissen die d[ie] Literatur nicht interessierenwaren es diese ersten Schriften in denen sich H[egel] gegend[en] Fichtesch[en] Idealismus uumlberh[aupt] d[ie] Philos[ophie]der Subjekt[ivitaumlt] aussprach und fuumlr d[as] System der Identitaumltwelche ihn in den Ruf eines unbegreiflich Schuumllers sprachen8

1 Im Ms folgt gestr unleserl Wort2 Im Ms folgt sich3 Im Ms folgt gestr hat auch vortrefflich diese Maumlngel dargestellt4 Im Ms folgt gestr sich5 Im Ms folgt gestr spauml[tere]6 Im Ms folgt gestr s[eine] Sch[rift]7 G W F Hegel Differenz des Fichtersquoschen und Schellingschen

Systems der Philosophie In Beziehung auf Reinholdrsquos Beytraumlge zurleichtern Uumlbersicht des Zustands der Philosophie zu Anfang des 19Jahrhunderts Jena 1801

8 welche sprachen welche ihn [unbegreiflich] in den Ruf einesSchuumllers sprachen A

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obwohl schon in diesen Kritiken H[egel] keineswegs den Cha-rakter und die Manieren eines Schuumllers [zeigte] sondern dieeines selbststaumlndigen1 aber gleichdenkenden Mannes einesFreundes der in den Worten seines Freundes wenigstens fuumlrden naumlchsten Augenblick weil er gerade keine bessern Wortefindet nicht deswegen weil er nicht bessere treffendere sagenkoumlnnte sondern weil er Zeit braucht um bessere zu sagenseine eigene Gesinnung ausgesprochen findet

146 Aber dieses Phaumlnomen kann als ein Beispiel gelten wieoberflaumlchliche und leichtfertige Ansichten selbst in der Litera-tur wie im Leben [durch] uumlbelwollende[s] Klatschen2 in Um-lauf kommen Glauben finden und endlich zu Wahrheitenw[erden]3 Ein Schuumller ist nur der der nicht nur im Wesentli-chen sondern selbst im Formellen das Gepraumlge s[eines] Leh-rers traumlgt oder der nur das sagt was sein Lehrer gesagt hatoder wenigstens4 haumltte sagen koumlnnen wenn er es haumltte so sagenmoumlgen oder die Zeit und Lust dazu gehabt haumltte Aber jeneKritiken tragen schon ein so bestimmtes eigentuumlml[iches] Ge-praumlge daszlig sie nie ein Schuumller Schellings ja nicht einmalSchell[ing] selbst sie haumltte schreiben koumlnnen denn jene pene-trierende auch gar keinen Punkt mehr als einen moumlglichenAngriffspunkt uumlbriglassende kritische Intelligenz ist nicht imVermoumlgen Schellings Im J[ahre] 18075 erschien H[egel]s Phauml-nomenologie des Geistes Diese Schrift laumlszligt an Originalitaumlt anGroszligartigkeit des Gedankens an Erhabenheit des Stils allesandere hinter sich zuruumlck was je aus H[egel]s Feder floszlig Erkuumlndigt sich hier als einen durchaus selbststaumlndigen Denkerals einen urkraumlftigen Geist an6 Die Vorrede ist nur Polemikgegen die Schellingsche Naturphilos[ophie] und ihre MethodeAber7 H[egel] hatte ein aumlhnliches Schicksal mit Kant dessenKritik der reinen Vernunft8 acht volle Jahre zur Schande derdeutschen Liter[atur] unbeachtet im Buchladen9 liegenblieb 1 Im Ms folgt gestr Mannes der2 Klatschen Geruumlchte Korr im Ms3 Am Rande abgebroch Erg wenn man sich freilich4 gesagt wenigstens auch Korr im Ms5 1807 1806 Ms ndash G W F Hegel Die Phaumlnomenologie des Geistes

In System der Wissenschaft Thl 1 Bamberg ndash Wuumlrzburg 18076 an [so auch A] aus Ms7 Im Ms folgt gestr es ging8 I Kant Kritik der reinen Vernunft Riga 17819 Buchladen Buchhandel Korr im Ms

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Die Erscheinung des Hegelschen Geistes ereignete sich1 uumlbri-gens2 zu einer Zeit wo es schwer war literar[ischen] Ruhm zuerlangen Die groszligen politisch[en] Ereignisse verschlangenalles Interesse Es wird wohl unter den Aumlltern keinen der3 be-deutenderen Namen in der Lit[eratur] geben dessen Zelebritaumltnicht schon fruumlher als aus [dem] Jahr 1806 herstammt ZurZeit wo Sch[elling] auftrat war bei allem noch vorhandnenPedantismus ein jugendlich aufstrebender Geist in Welt Kunstund Wissensch[aft] eingedrungen In einer solchen Zeit findetalles was nur uumlber die Grenzen des Bisherigen dessen manuumlberdruumlssig ist sich emporschwingt findet Teilnahme Aner-kennung Erscheinungen die jetzt unbeachtet bleiben wuumlrdendamals Epoche gemacht Gluumlck und Ehre gebracht haben ImZustand des Werdens Strebens ist der Geist gereizt exaltiertund bewundert oder verachtet leidenschaftlich Die Schrift er-weckt nicht bloszlig Gedanken sondern Talente Und gewoumlhnlichnennt man nur die erweckenden nicht die erweckten Talentesollten auch diese die ersten uumlberbieten Der literar[ische] Na-me erbt4 sich fort wie die Wuumlrde eines Peers5 noch bei Leb-zeiten des Traumlgers wenn er auch schon geistig tot ist er wirdzu einer Kategorie unter die man kapselt der Bequemlich[keit]1786 halber um nicht sich das Gedaumlchtnis mit zu vielen Un-terschieden zu belasten was auch nur einigermaszligen Aumlhnlich-keit hat und so w[urde] denn auch H[egel] commoditatis causa[der Bequemlichkeit halber] nicht nur in dieselbe Kategorie mitSch[elling] sondern als ein Subalternbeamter ihm untergestelltund als Epitheton7 ornans [schmuumlckendes Beiwort] s[einem]Namen beigefuumlgt Uumlberdem trat H[egel] mit einer Anforderungan die Menschheit auf die ihr zu jeder Zeit namentlich aber zuseiner8 Zeit ungelegen kam mit der Forderung das bdquoKreuzldquodes Begriffs auf sich zu nehmen zu denken und zu denken inder demuumltigen Unterwerfung unter die Notwendigkeit der Sa-

1 ereignete sich erschien Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr schon3 Im Ms folgt gestr groumlszligeren4 Der erbt Literar[ische] Namen erben Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr sch[on]6 Am Rande r o Verweis auf 18ste [18ste 19ste Korrim Ms] Vor-

les[ung]7 Epitheton [so auch A] Epitethon Ms8 Im Ms folgt gestr und zu unserer

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che mit der Entsagung aller Blendwerke der Phantasie und desGefuumlhls der Entaumluszligerung aller subjektiven Willkuumlr undSchoumlngeisterei Schell[ing] forderte als1 Bedingung s[einer]Philosophie eine unmittelbare Naturgabe den Sinn die intel-lektuelle Anschauung wer das Absolute nicht erblickt nichtsieht dem kann ich nicht helfen der mag sich weiter begebenDas war hart Aber man konnte sich daruumlber noch beruhigenund troumlsten Fehlt es mir am Sinn nun gut so kann ich nichtsdafuumlr Alle Menschen koumlnnen nicht Neujahrskinder sein Ist diePhilosophie ein Geschenk des Gluumlcks der Philosoph2 ein Phi-losoph von Gottes Gnaden so wird sie ohne eignes Verdienstund Arbeit erworben aber auch ohne besondre Gemuumltsschmer-zen entbehrt Sie ist ein individuelles Gut Aber die Forderungdes Denkens stoumlszligt den Menschen aus dem Paradiese oder derEinfalt oder wenn man lieber will dem vornehmtuenden Duumln-kel der intellekt[uellen] Anschauung wo man dem absolutenWesen vertraulich in die Augen guckt wie einem seinesglei-chen in eine Welt unendlicher Not aber auch unendlicherKraft und Taumltigkeit verweist den Menschen auf sich selbst sieist die Forderung des konsequenten3 mit eiserner Strengedurchgefuumlhrten und geltend gemachten Idealismus des Inhaltsdaszlig die Wahrheit der Geist kein Unmittelbares kein PositivesGegebnes sondern nur durch Selbsttaumltigkeit vermitteltes undhervorgebrachtes ist Schelling erhob sich auf den Pfauenaugender aumlsthetischen Anschauung4 empor zu dem Gipfel der Phi-los[ophie] und des Ruhmes Schoumln ist s[eine] Darstellungschoumln wie eine Braut die eben zum Altar gefuumlhrt wird5 An-schauung die subj[ektive] Bedingung der Philos[ophie]6 Aumls-thetik als der houmlchste Gipfel 179 der Philos[ophie] die abso-lute Taumltigkeit die Synthesis der bewuszligten und bewuszligtlosenIntelligenz So sehr die Forderung der intellekt[uellen] An-sch[auung] bei vielen Anstoszlig erregte so lag sie doch wie dieBedeutung die dem Aumlsthetis[chen] gegeben w[urde] ganz imSinne der Zeit Jacobi schon machte das Gefuumlhl die unmit-

1 als eine Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr nun so bin ich3 die Forderung des konsequenten nichts als das konsequente Korr

im Ms4 aumlsthetischen Anschauung Poesie Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr intellekt6 Im Ms folgt gestr Kunst

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telb[are] Uumlberzeugung den Sinn mit andern Worten die intel-lekt[uelle] Anschauung zum Organ des Absoluten Kant schoballen Inhalt alles Positive der Anschauung in den Sack1 underklaumlrte2 d[as] Denken im Widerspruch mit seiner Erkenntnis3

der Kategorien als immanenter Bestimmungen fuumlr leer alskoumlnnte das Denken denken wenn es nicht sich selbst bestim-mende und erfuumlllende Kraft waumlre als konnte eine leere Kraftwirken taumltig Kraft sein selbst der klare entschieden ideali-stisch[e] Denker Fichte4 macht die intell[ektuelle] Anschauungzur subj[ektiven] Bedingung wenigstens des Anfangs s[einer]Philos[ophie] So arbeiteten die Philosophen den Poeten alleRealitaumlt in den Sack Die Zeit wo der denkende Geist selbstvon sich alle Realitaumlt5 in die Anschauung verwies war es da-her wo sich alle Kraft der ganze Mensch in die Poesie ver-senkte und konzentrieren konnte und in ihr sein Heil und seineRuhe fand Nur diese Zeit konnte einen Goethe einen Schillerhervorbringen Die Kunst w[ar] das ecirctre suprecircme [houmlchsteWesen] Schill[er] stellte die aumlsthet[ische] Bildung als die wah-re Bildung hin Im6 Zus[ammen]hang mit dieser Zeit ist zuerkennen die Bedeutung die Schell[ing] in der Philosophie derKunst gibt und der leichte Eingang Beifall und Ruhm zu be-greifen die bei den jungen Geistern so schnell Sch[elling]fand Was Wunder wenn das aumlsthet[ische] Gefuumlhl die An-schauung das Praumldominierende wurde das Interesse am Ge-danken der Sinn fuumlr das ernste Denken zuruumlcktrat7 Hegel tratdarum in absoluten Gegensatz mit s[einer] Zeit mit dem kate-gorischen Imperativ denkt nur im Denken ist die Wahrheit inihrer wahren Gestalt zu finden Die Forderung zu8 denken warden Leuten ein wahres Memento Mori Sie erschraken undentsetzten sich vor ihm als waumlre es der Sensenmann Selbstjetzt haben sie sich noch nicht erholt als ein Knochengerippeschwebt der Begriff9 noch immer vor ihrer Phantasie Sie haben 1 in den Sack Im Ms gestr2 erklaumlrte machte Korr im Ms3 seiner Erkenntnis Unleserl Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr versetzte5 Im Ms folgt gestr abwies und6 Im Zu Korr im Ms fehlt in A7 zuruumlcktrat [so auch A] auftrat Ms8 zu Hervorgehoben im Ms9 als Begriff das Knochengerippe des Begriffs schwebt Korr im

Ms

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keine andern Namen fuumlr ihn als tot duumlrr1 abstrakt schola-stisch Worte die trivial und nichtssagend [sind] in Bezug aufdie Philosophie 147 denn jede Philos[ophie] die auftrittmacht2 neue Begriffsunterschiede3 die zunaumlchst als scholasti-sche Distinktionen erscheinen jede neue Philos[ophie] abge-sehen davon daszlig d[ie] Phil[osophie] an und fuumlr sich insofernabstrakt ist als die Abstraktion ein unerlaumlszligliches Moment derErkenntnis ist ist abstrakt denn sie geht uumlber das hinaus wasbereits bekannt ausgemacht in die4 Anschauung uumlbergegangenist Mundus vult decipi [Die Welt will betrogen werden] DieWelt w[ird] nur durch den Schein fuumlr das Wesen einer Sachegewonnen Aber so einfach schlicht und anspruchslos H[egel]im Leben war so resigniert5 auch als Schriftsteller Es ist ihmum nichts als die Sache zu tun Seine Sprache ist die Spracheder Wahrheit und Notwendigkeit sie ist nicht reizend undlockend aber voller Energie nicht mild und weich wie Speck-stein sondern hart granitkoumlrnig

Schellings Charakter6 ist der der Rezeptivitaumlt H[egel]s derder Spontaneitaumlt S[chelling] geht darum von Voraussetzungenaus Er pruumlft nicht7 die Bestimmungen die der Philos[ophie]s[einer] Zeit von der Anschauung vom Denken vom Begrifffeststanden er geht nur daruumlber hinaus zur Idee und Anschau-ung des Absoluten er laumlszligt sie aber hinter sich bestehenH[egel] lieszlig es nicht beim Alten bewenden und verknuumlpfte nuraumluszligerlich das Neue mit dem Vorhandenen aber nahm die phi-los[ophischen] Untersuch[ung]en von vorne wieder auf er gingauf die Quelle zuruumlck er unternahm eine Reformation derneuen Philos[ophie] von ihrer untersten Grundlage an derKritik der reinen Vernunft Durch diesen Ruumlckgang auf denIdealismus bekam d[ie] Philos[ophie] jetzt wieder einen ent-schieden idealistischen Charakt[er] aber als vermittelt durchd[ie] Naturphilos[ophie] und die Identitaumlt des Realen und

1 duumlrr leblos Korr im Ms2 macht unterscheidet Korr im Ms3 Begriffsunterschiede Begriffsbestimmungen -beziehungen Korr

im Ms4 in die Unleserl Korr im Ms5 resigniert wenig blendend und in die Augen glaumlnzend ist der Geist

Korr im Ms6 Charakter Im Ms gestr7 pruumlft nicht setzt Korr im Ms

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Idealen als nicht mehr den Charakter eines subjektiven son-dern objektiven Idealismus

203

[XIX Vorlesung]1 [Hegel]2

148 Die Phaumlnomenologie ist der erste historische Markstein3

oder Grenzscheide zwischen dem gluumlckseligen Lande wo diekoumlstlichsten Fruumlchte ohne die saure Arbeit des Denkens durchdie generatio aequivoca der intellektuellen Anschauung vonselbst gedeihen und vom Baume der Erkenntnis ohne durchd[as] Instrument der Hand gepfluumlckt w[erden] sondern wo[sie] dem Menschen in den Mund fallen und zwischen demkalten Nordlande des Begriffs wo der Mensch sich erst imSchweiszlige seines Angesichts seinen Boden schafft wo er erstdurch die Selbsttaumltigkeit des Idealismus als ein Resultat sicherzeugt was in der intellekt[uellen] Ansch[auung] dem Men-schen noch ehe er zum Denken erwacht im Traume bei derNacht beschert wird Die Phaumlnomenologie beginnt daher aucham fuumlglichsten die Darstellung d[er] Hegelsch[en] Phi-los[ophie] In der Vorrede polemisiert H[egel] gegen den da-maligen Standpunkt der Philos[ophie] namentlich gegen dieErkenntnisweise der Naturphilos[ophie] als einen bloszligenSchematismus und Formalismus und gegen das Absolute bdquoIr-gend ein Dasein wie es im Absoluten ist betrachten bestehthier in nichts anderem als daszlig davon gezeigt w[ird] es seizwar jetzt von ihm gesprochen worden als von einem Etwasim Absoluten dem A = A jedoch gebe es dergleichen garnicht sondern darin sei alles Eins Dies Eine Wissen daszlig imAbsoluten alles gleich ist der unterscheidenden und erfuumllltenoder Erfuumlllung suchenden und fordernden Erkenntnis entge-genzusetzen ndash oder sein Absolutes fuumlr die Nacht auszugebenworin wie man zu sagen pflegt alle Kuumlhe schwarz sind ist dieNaivitaumlt der Leere an Erkenntnisldquo4 Daszlig wir endliche Dingesehen daszlig wir sie nicht im Absoluten sehen daszlig wir ihre Un-terschiede fixieren uumlber sie als eigene Wesen nachdenkendies5 1496 ist nach Sch[elling] nur unsere Reflexion an sichim Wesen im Absoluten sind die Dinge nicht viele nicht un- 1 Am Rande l o Verweis auf 19 Vorlesung2 So auch A3 Im Ms folgt gestr zwischen dem4 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes In System der

Wissenschaften Thl 1 Bamberg ndash Wuumlrzburg 1807 S XIX5 Im Ms folgt dies6 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 75

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terschieden Sie im Absoluten betrachten heiszligt daher sie nichtin ihrer Besonderheit betrachten heiszligt sie in die Nacht dernicht unterscheidenden Einheit versenken Aber diese Be-trachtungsweise ist keine Erkenntnis ein wesentliches Momentder Erkenntnis ist die Besonderheit Nach Sch[elling] ist daherdie Reflexion die absolute Suumlnde der Suumlndenfall sie ist dasPrinzip der Endlichkeit Alle Schuld waumllzt er auf das arme Ichdas Subjekt ndash das ist der leibhaftige Teufel selbst Allein damitist was erklaumlrt w[erden] soll nicht erklaumlrt Was ist denn derGrund der Reflexion Warum komme ich dazu die Dinge nichtin Gott zu sehen Weil ich mich abtrenne es wird also daswas erklaumlrt w[erden] soll die Trennung durch das selbst erst zuErklaumlrende ndash eben durch die Trennung erklaumlrt Das Raumltsel kanndaher nur dadurch geloumlst werden daszlig die Reflexion selbst alsein Moment d i als ein wesentliches gewichtiges Ingredienzdes Absoluten erkannt w[ird] bdquoEs ist ein Verkennen der Ver-nunftldquo sagt H[egel] bdquowenn die Reflexion aus dem Wahrenausgeschlossen und nicht als positives Moment des Absolutenerfaszligt wirdldquo(p 24)1 Wesentlich unterscheidet sich also H[egel]darin von Sch[elling] daszlig H[egel] das Erklaumlrungsprinzip derEndlichkeit der Pluralitaumlt der Differenz der Verstandesweltwelches bei Schell[ing] nur im Subjekte liegt nur auf Rech-nung des menschlichen subjektiven Verstandes geschobenw[ird] daher in Schell[ing] ein Unerklaumlrtes Unbegreiflicheswillkuumlrlich Angenommenes ist ndash denn wie gesagt woher istdenn dieser kuumlnstliche Verstand ndash als ein objektives Prinzipeine Bestimmung des Absoluten selbst erkennt Die Differenzzwischen Sch[elling] und H[egel] ist daher keine formelle dienur in der Form liegt so daszlig etwa H[egel] die Schelling[schen]Ideen nur in eine Schulform in [ein] System gebracht habe sieist eine 150 Differenz im Prinzip es ist nicht mehr dasselbees ist ein anders bestimmtes ein reicher erfuumllltes in Wahrheitein andres Prinzip denn eine Philosophie unterscheidet sichuumlberhaupt nur dadurch daszlig sie zu dem Begriff des Absoluteneinen Begriff der im fruumlhern Systeme ausgelassen w[ar] d hwohl da war aber nicht auf wahrhafte Weise synthetisch hin-zugefuumlgt So hat wie wir sahen Leibniz zu dem Begriff derSubstanz den Begriff der Unterscheidung der selbsttaumltigenKraft hinzugefuumlgt Bei Spinoza war auch der Unterschied daaber bei ihm ist es auch nur der menschliche Verstand eigent- 1 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes a a O S XXIV

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lich wie bei Schelling der die Substanz in denkende und aus-gedehnte Substanz begreift der uumlberhaupt Unterschiede setztdie Dinge als unterschiedne selbststaumlndige Substanzen fixiertan sich der Substanz nach ist kein Unterschied L[eibniz] un-terscheidet sich daher nur dadurch von Sp[inoza] daszlig er diesessubjektive Erklaumlrungsprinzip den Unterschied verobjektivierteals eine Bestimmung der Substanz selbst erkannte und setzteEbenso unterscheidet sich Hegel von Schelling wie Leibnizvon Spinoza1 dieses Gleichnis findet [sich] in vielen StudienStatt Reflexion koumlnnen wir das Wort Verstand gebrauchen derVerstand ist es der den Unterschied festhaumllt fixiert der sichdaher auch so gegen den Pantheismus straumlubt die Identitaumltnicht begreift der nur das Endliche sieht Wir muumlssen abernicht an uns bloszlig denken sondern uumlberhaupt den Verstand2

setzen [als] das allgemeine Principium discernendi Das Unter-scheidungsprinzip ist aber ndash und hiermit kommen wir an einwichtiges Wort an eine Gedankenbestimmung die in der He-gelschen Philosophie eine bedeutende Rolle spielt auf derenErkenntnis daher alles ankommt ndash das Prinzip der Negativitaumltoder Andersheit Wenn ich unterscheide so behaupte ich daskommt dem3 Gegenstande zu das nicht Die Behauptung istunmittelbar zugleich Verneinung bdquoAlle Dingeldquo4 sagt derSchuster Jakob B[oumlhme] 1515 bdquobestehen aus Ja und Neinldquo6

In jedem Unterschied liegt notwendig ein Nicht ein Nein alsoeine Negation Ja den Unterschied in aller Schaumlrfe gefaszligt so istjustement das Eine nicht was das Andre ist Determinatio estnegatio sagt S[pinoza] die Bestimmtheit ist Verneinung7Nichtsein im Gebiete der bestimmten Dinge ist das nicht im-mer ein bestimmtes Nicht eine eigene Beschaffenheit dieNegation ist immer ein Positives Aber an sich betrachtet ab- 1 Spinoza [so auch A] Schelling Ms ndash Im Ms folgt obwohl2 Wir Verstand Statt Korr im Ms ndash Im Ms folgt Verstand setzen

wir3 dem einem Korr im Ms4 Im Ms folgt bestehen5 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 766 Vgl J Boumlhme Betrachtung Goumlttlicher Offenbarung In Alle theo-

sophischen Wercken hellip T 14 Amsterdam 1682 3 Frage 2 S 18ndash Im Ms folgt gestr Ich verneine ich w[ill]

7 Vgl B Spinoza Epistolae doctorum quorundam virorum ad B DS hellip In Opera quae supersunt omnia Vol I Ienae 1802Epistola L (versio) S 634

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gezogen von den verschiedenen Dingen ist die BestimmtheitNegatio Verneinung schlechtweg Nichtsein ein absolutesNicht Der Unterschied ist daher eins mit dem Begriffe derSchranke Grenze oder der Beschraumlnkung und Begrenzung derLimitation Ein Ding unterscheiden heiszligt es begrenzen DerUnterschied eines Dings ist die Grenze desselben innerhalbwelches es ist was es ist mit deren Aufhebung das Ding selbstverschwaumlnde Der Unterschied ist eben damit das Prinzip derGrund der Endlichkeit Der Unterschied ist aber wieder wiewir schon bei Leibn[iz] sahen eins mit dem Begriffe des Fuumlr-sichseins Indem ich unterscheide isoliere fixiere1 separieresetze [ich] ein Ding fuumlr sich selbst mache es zu einem Subjek-te gleichsam zu einem Ich Ich selbst erfasse mich ja nur alsIch als fuumlr mich seiend indem ich andere von mir ausschlieszligeund mich von ihnen absondere Das Prinzip des Unterschiedsist daher eins mit dem Grunde der Subjektivitaumlt Hegel setztealso das Prinzip der Negativitaumlt der Subjektivitaumlt des Unter-schieds der Endlichkeit als ein wesentliches Moment des Ab-soluten Hieraus ergeben sich nun die weiteren Unterschiedezwischen Schell[ing] und H[egel] und hieraus werden wir so-gleich den Sinn gewisser Ausdrucksweisen bei H[egel] erken-nen die dem der sie nicht versteht als bloszlige Formeln erschei-nen H[egel] gebraucht die Formen oder Denk- und Wesensbe-stimmungen Ansichsein Fuumlrsichsein An- und Fuumlrsichsein sehrhaumlufig Diese sind nichts weniger als Formeln sondern houmlchstein- und angreifende Spezifika An sich d h2 im Absolutensind die Dinge nicht unterschieden sie sind es nur fuumlr uns dasAbsolute ist daher das Ansichsein der Dinge der Unterschiedihr Fuumlr-uns-sein So ist es auch mit der Substanz Der Gegen-satz 152 dagegen ist das Fichtesche System in dem das Fuumlr-sichsein die wesentl[iche] Bestimmung ist Das Ich ist fuumlr sichdas Sein der Dinge ist nur ein Sein fuumlr uns daher man derFichteschen Philos[ophie] auch im Allgemeinen den Namender Reflexionsphilosophie gab F[ichte] koumlnnen wir sagendaher erfaszligte das Absolute als Fuumlrsichsein Sch[elling] alsAnsichsein denn er laumlszligt zwar das Ich bestehen als Absolutesaber im Fortgang seiner Philosophie hebt3 er nur das Ansich-sein die Identitaumlt hervor er verknuumlpft daher nur mechanisch 1 Im Ms folgt gestr unleserl Wort2 d h sind Korr im Ms3 hebt erhebt Korr im Ms

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nicht organisch den Idealism[us] mit dem Pantheismus so wieer an die Identitaumlt kommt so schwindet ihm aus den Augen dasPrinzip des Fuumlrsichseins des Unterschieds der IdealismusH[egel] dagegen indem er das Prinzip der Reflexion des Fuumlr-sichseins als Moment des Absoluten faszligt sagt das Wahre istnur als An- und Fuumlrsichsein zu fassen Die Philos[ophie]H[egel]s ist daher eine wahrhaft dynamische nicht mechani-sche Durchdringung und Vermittlung des Idealism[us] mitdem Pantheism[us] Schell[ing] rezipierte aumluszligerlich denF[ichte] F[ichte] lag ihm wie ein Stein im Magen er ist ihmein Gegebnes er kommt nur los von ihm in der absolutenIdentitaumlt er verbindet in s[einer] Philos[ophie] allerdingsI[dealismus] und P[antheismus] aber da wo sein Ide[alismus]ist ist nicht d[er] Panth[eismus] und umgekehrt wo seinPanth[eismus] ist da ist nicht s[ein] Idealis[mus] H[egel]erzeugt aus sich den F[ichte] wieder hervor er ist ein ur-spruumlngliches selbsteignes Produkt Der Charakter H[egel]s istuumlberhaupt der der Spontaneitaumlt Schellings der der Rezeptivitaumlteine Verschiedenheit des Charakters die schon ihre Spracheausdruumlckt Weibliche Milde bezeichnet Schell[ings] maumlnnlicheKraft H[egels] Spr[ache] Sie ist oft hart schwerfaumlllig unver-staumlndlich abstoszligend aber voller Energie gedraumlngt granitkoumlr-nig oft wahrhaft groszligartig Eigenschaften die schon aus ihrenobersten Prinzipien flieszligen uumlber der Schelling[schen] Dar-stell[ung] schwebt die Indifferenz aber H[egel] setzt schon indas oberste Prinzip die Kraft der Differenz das Prinzip desunterscheidenden Verstandes Analysieren wir nun was allesin jenem einfachen Begriff des An- und Fuumlrsichseins liegt DasAnsichsein ist uumlberhaupt die Einheit das Fuumlrsichsein der Un-terschied1 Nicht die unmittelbare Einheit die Einheit an sichsondern die Einheit durch den Unterschied die vermittelteEinheit ist die wahre In bezug auf das Wissen ausgesprochen2

hat dies folgenden Sinn das Wahre macht sich selbst zumGegenstande aber eben weil das Fuumlrunssein ein3 objektivesMoment des Absoluten selbst ist so ist dieses Fuumlr- 1534 uns-

1 Das Unterschied Das Fuumlrunssein ist also eine objektive Bestim-

mung des Seins selbst oder der Substanz oder des Wahren d hnichts anderes als Korr im Ms

2 Im Ms folgt gestr heiszligt dieses3 ein [so auch A] eine Ms4 Am Rande r o Hinweis auf 19 Vorles[ung] und Paginierung S 77

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sein sein Fuumlr-sich-sein sein Ruumlckgang in sich selbst seineBeziehung auf sich sein An- und Fuumlrsichsein1 Wenn wir sa-gen alle Dinge sind an sich oder im Absoluten identisch oderdas Absolute ist die Identitaumlt so ist das nur eine Behauptungeine Assertion es ist nicht nachgewiesen es muszlig aus demUnterschiede bewiesen oder erzeugt w[erden] Der Beweis istdie Vermittlung wie von selbst erhellt Die intellektuelle An-schauung ist kein Beweis sie schlieszligt vielmehr die Vermitt-lung aus sie setzt schlechtweg gleich am Anfange das Absolu-te sie sagt ich kann Dir kein Mittel an die Hand geben Dumuszligt es sehen alles Mittelbare gehoumlrt nur der Reflexion anDagegen heiszligt es jetzt erst das als das Absolute als das Wahrebewiesene Absolute ist das Wahre Das Absolute soll nichtbloszlig fuumlr die Anschauung sondern auch fuumlr die Reflexion seinEs ist nicht so vornehm daszlig2 nur der Geburtsadel der An-schauung bei ihm Zutritt hat es ist auch auf dem Wege derMittelbarkeit zu erreichen Denn bdquodaszlig das Wahre nur als Sy-stem wirklich oder daszlig die Substanz wesentlich Subjekt ist istin der Vorstellung ausgedruumlckt welche das Absolute als Geistausspricht ndash der erhabenste Begriff der der neuern Zeit undihrer Religion angehoumlrt ndash das Geistige allein ist das Wirklichees ist das Wesen oder an sich seiende ndash das sich Verhaltendeoder Bestimmte das Anderssein und Fuumlrsichsein ndash und in die-ser Bestimmtheit oder seinem Auszligersichsein in sich bleibendeoder es ist an und fuumlr sichldquo Der Geist ist diese Bewegungsich ein anderes d h Gegenstand s[eines] Selbsts zu werdenund dieses Anderssein aufzuhebenldquo3

Die4 Reflexion ist selbst5 ein Moment des Absoluten d halso die Vermittlung6 ein Moment des Wahren Es ist also Re-

1 Im Ms folgt gestr Oder mit anderen Worten das Absolute ist kein

ruhiges Ansichsein das nur wir von dem Fuumlrunssein unterscheidensondern es selbst macht diesen Unterschied es entzweit sich inObjekt und Subjekt es erzeugt den Standpunkt der Reflexion dasPrinzip der endlichen Verstandeswelt aber diese Reflexion ist jasein eignes Moment es ist darin in sich selbst zuruumlckgekehrt

2 Im Ms folgt gestr es3 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes a a O S XLIII4 Die die Korr im Ms5 selbst jetzt Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr ist

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sultat1 der Vermittlung durch den Unterschied Das Wahre istdas sich mit und durch sich selbst Vermittelnde es ist Resultatseiner selbst es ist das Wahre nur als [das] sich selbst bewei-sende Wahre es ist nur als sich selbst erzeugende Taumltigkeit Eskommt darauf an daszlig das Wahre das was es an sich ist auchfuumlr sich selber sei So ist es erst An und fuumlr sich sein Die Re-flexion geht aus dem Absoluten heraus und setzt die endlichenDinge das Mittelbare aber nicht so d[as] Absolute geht aussich selbst heraus und in sich wieder zuruumlck und so als in sichselbst Zuruumlckgekehrtes ist es erst das Wahre2 Es moumlge H[egel]sprechen s[eine] Worte muumlssen jetzt verstaumlndlich sein bdquoEskommt nach meiner Einsicht alles darauf an das Wahre nichtbloszlig als Substanz sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassenund auszudruumlckenldquo3 Eben bei Sp[inoza] bei Schell[ing] tretendie Dinge nur 154 fuumlr das denkende reflektierende Subjektaus der Substanz hervor aber nach H[egel] ist die Substanzselbst Subjekt die Subst[anz] geht fuumlr sich selbst aus sich her-aus bdquoDie lebendige Substanz ist Subjekt nur insofern sie dieBewegung des sich selbst Setzens oder die Vermittlung dessich anders Werdens mit sich selbst istldquo4 bdquoNur diese sich wie-derherstellende Gleichheit oder die Reflexion im Anderssein insich selbst ndash nicht eine urspruumlngliche Einheit als solche oderunmittelbare als solche ist das Wahre Es ist das Werden seinerselbst der Kreis der s[ein] Ende als s[einen] Zweck voraus-setzt und zum Anfang hat und nur durch die Ausfuumlhrung unds[ein] Ende wirklich istldquo5 bdquoDas Wahre ist das Ganze DasGanze aber ist nur das durch s[eine] Entwicklung sich vollen-dende Wesen Es ist von dem Absoluten zu sagen daszlig es we-sentlich Resultat daszlig es erst am Ende das ist was es in Wahr-heit ist und hierin eben besteht s[eine] Natur WirklichesSubjekt oder sich selbst Werden zu seinldquo6 bdquoSo widersprechendes scheinen mag daszlig das Absolute wesentlich als Resultat zu 1 Wahren Resultat Wahren erst das bewiesene Absolute ist das

wahre Absolute er ist aber das Resultat Korr im Ms2 Am Rande Oder die Einheit ist nur als den Unterschied selbsttaumltig

setzende und den Unterschied wieder in sich zuruumlcknehmende Ein-heit wahre Einheit So als Resultat der Vermittlung durch den Un-terschied ist sie die wahre

3 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes a a O S XX4 Vgl ebenda S XXI5 Vgl ebenda S XXI6 Vgl ebenda S XXIII

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begreifen sei so stellt doch eine geringe Uumlberlegung diesenSchein von Widerspruch zurecht Der Anfang d[as] Prinzipoder d[as] Absolute wie es zuerst und unmittelbar ausgespro-chen w[ird] ist nur d[as] Allgemeine Sowenig wenn ich sagealle Tiere dies Wort fuumlr eine Zoologie gelten kann ebenso faumllltes auf daszlig die Worte des Goumlttlichen Ewigen Absoluten uswdas nicht aussprechen was darin enthalten ist und nur solcheWorte druumlcken in der Tat die Anschauung als das Unmittelbareaus Was mehr ist als ein solches Wort der Uumlbergang auch nurzu einem Satze ist ein Anderswerden das zuruumlckgenommenwerden muszlig ist eine Vermittlung Diese aber ist das was per-horresziert [verabscheut] w[ird] als ob dadurch daszlig mehr ausihr gemacht w[ird] denn nur dies daszlig sie nichts absolutes undim Absoluten gar nicht sei die absolute Erkenntnis aufgegebenwaumlreldquo1 Dieses letztere ist nun so zu verstehen wenn ich 1552

das Absolute an die Spitze oder am Anfang gleich setze so istdieses zunaumlchst nur ein Wort es kommt auf die Bestimmungan Ich gebe daher dem Subjekt ein Praumldikat ich bestimme esz B als den Geist3 ich gehe daher uumlber das Subjekt hinaus zueinem Verschiedenem Anderem das Subjektive ist zunaumlchstdas Unbestimmte Sein an sich Unmittelbarkeit sein Be-stimmtsein ist sein Anderssein Der Geist4 ist nicht dasselbemit dem Absoluten das waumlre eine bloszlige Tautologie ich will jaeben Etwas von ihm Bestimmtes wissen und gehe eben des-wegen uumlber es hinaus Aber zugleich gehe ich in dem Praumldikatewieder auf das Subjekt zuruumlck erst im Praumldikate wird mir dasSubjekt Objekt wird es mir als das was es ist Gegenstand ichbegreife es jetzt erst im Praumldikate verschwindet mir das Sub-jekt nicht sondern ich beziehe es wieder zuruumlck auf das Sub-jekt Ich vermittle aber5 ich hebe die Vermittlung auf DieErkenntnis ist eine mittelbare nur vermittelst eines Praumldikatserkenne ich das Subjekt aber ich hebe zugleich diese Vermitt-lung auf indem ich im Praumldikate6 auf den Anfang zuruumlckgeheindem ich bei dem Subjekte bin Diese Bewegung diese Taumltig-keit erscheint nun als eine Taumltigkeit meiner selbst als eine nur

1 Vgl ebenda S XXIII-XXIV2 Am Rande r o Verweis auf 19 Vorles[ung] und Paginierung S 783 den Geist das Einfache Wahre Korr im Ms4 Der Geist Das Einfache Korr im Ms5 Ich aber Diese Taumltigkeit diese Bewegung Korr im Ms6 auf in Korr im Ms fehlt in A

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subjektive Taumltigkeit Aber H[egel] sagt Nein Diese Taumltigkeitist das wahre das Absolute selbst und das Absolute ist darumder Geist Denn die Natur des Geistes ist nur durch Unter-scheidung Einheit mit sich selbst zu sein Nur die Unmittelbar-keit die Resultat der Vermittlung ist ist die wahre die geistigeUnmittelbarkeit

Das Organ oder die Form des Absoluten ist daher bei Hegel1

nicht die Anschauung sondern der Begriff Er ist die Selbst-bewegung des Gegenstandes eben jene Taumltigkeit der Vermitt-lung mit sich selbst Er ist ihm eine objektive Form er verstehtdaher etwas ganz andres unter dem Begriffe als in den ge-woumlhnlichen2 Logiken darunter verstanden w[ird] die nur einfa-che Vorstellungen wie H[egel] sie nennt sind Der Begriff istihm wesentlich die Einheit 156 unterschiedener Bestimmun-gen keine Abstraktion keine leere sondern eine fruchtbareEinheit er ist ihm das was dem Leibniz die Monaden sind dieer urspruumlngliche Kraumlfte Entelechien nennt Der Begriff ist ihmdas was ein System ein Organismus in sich [ist] Am anschau-lichsten koumlnnen wir es aus dem organ[ischen] Leben machenwie denn H[egel] selbst d[as] Beispiel des Keimes gebraucht ndashein Beispiel das zugleich ein Bild von der Methode der Hegel-schen Philos[ophie] gibt Der Zweck einer Sache ist ihr BegriffDer Zweck der Pflanze ist die Frucht Dieser Zweck ist ihreSeele ihr Bewegungsprinzip Die Pflanze waumlchst bis sieFruumlchte bringt dies ist ihr Trieb Pflanzen die man in der Luftaufhing und ihnen so alle Nahrung entzog aus dem Boden sahman alle ihre Kraumlfte und Saumlfte noch zusammenraffen und kon-zentrieren um eine Frucht hervorzubringen und ihre Zweckbe-stimmung so3 zu erreichen Mit der Frucht ist ihr Lebenslaufbeschlossen Aber die Frucht existiert schon [] implizit imKeime der Keim ist der Inbegriff der Pflanze sie entwickeltsich aus ihm aber in ihm existieren die Unterschiede die sichspaumlter ausbreiten zusammengefaszligt in einfacher Einheit derKeim ist der Kraft der potentia nach schon die ganze Pflanzeer ist die Monade die Vis primitiva Aber die Pflanze faszligt sichwieder in der Frucht in die erste Einheit zusammen die Ent-wicklung hat keinen Zweck als die Frucht Es ist also einKreislauf eine in sich selbst zuruumlckgehende Taumltigkeit eine am 1 Im Ms folgt gestr die2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort3 so zu Korr im Ms

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Ende in den Anfang zuruumlck sich wendende Bewegung eine1

zur Unmittelbarkeit sich aufhebende VermittlungDer Begriff ist daher wesentlich nach Hegel als die in2 sich

zuruumlckkehrende Taumltigkeit3 erst das Resultat Erst im Resultatoffenbart sich nur das wahre Prinzip der wahre Begriff einerSache

1574 Der Begriff ist dem H[egel] daher nicht die dem We-sen Gegenstande aumluszligerliche Taumltigkeit eines Subjekts er ist dieimmanente Subjektivitaumlt die Selbstheit die Seele des Gegen-standes selbst Der Begriff ist daher die adaumlquate Form dieselbst absolute Form des Absoluten Die in diesem Sinne be-greifende Erkenntnis ist die mit ihrem Gegenstande5 identi-sche Erkenntnis die wahre die absolute Erkenntnis Die wahreErkenntnis ist aber uumlberhaupt die wo das6 Gewuszligte7 selbst dasWissende ist Das Wissen des Geistes von sich selbst ist daherdas houmlchste Wissen die SelbstndashBeschauung die Selbsterkennt-nis des Geistes die houmlchste Erkenntnis Die Phaumlnomenologieist nun die Wissenschaft die vermittelt diese Erkenntnis sie istdie Wissenschaft von dem erscheinenden Geist von dem Be-wuszligtsein wo der Geist sich nicht zu sich selbst verhaumllt son-dern zu einem Andern einem Gegenstande der Weg wie derGeist durch verschiedene Stufen sich zur Erkenntnis des Gei-stes als des Absoluten zum absoluten Idealism[us] erhebt Dieunterste Stufe ist die sinnliche Gewiszligheit und der Zweifel anihrer Realitaumlt

1 Im Ms folgt gestr Vermittlung2 H[egel] in H[egels] System Nur die ganze entfaltete Wissen-

schaft gibt erst den Begriff der Wissenschaft aber weil der Begriffdie sich Korr im Ms

3 Im Ms folgt gestr ist4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 795 Im Ms nur teilw unterstr6 Im Ms folgt gestr Wissen und ndash Im Ms folgt das7 Im Ms folgt gestr identisch sind

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XX Vorlesung1 [Hegel]2

Die Phaumlnomenologie ist die Geschichte von dem Befreiungs-kampfe des Geistes mit der gegenstaumlnd[lichen] Welt als einervon ihm unterschiednen und entgegengesetzten Welt ihr Zielist den Geist als die absolute Realitaumlt zu erkennen Sie ist derWeg wie der Geist zu sich selbst kommt Der Fichtesche Idea-lismus aber nicht mehr in einer beschraumlnkten subjektiven Formsondern in3 absoluter Bedeutung ist die4 zugrundeliegendeIdee Der bei sich selbst nicht bei einem Objekte als einemandern seiende Geist ist der sich selbst zum Objekt habendeder sich selbst denkende Geist Hier ist das Gedachte und Den-kende identisch die absolute Identitaumlt ist nur der sich selbstdenkende Geist ndash das Denken des Denkens Aber das Denkenist nicht mehr in dem subjektiven Sinne genommen 158 wiebei F[ichte] es bedeutet nicht mehr den sich als Ich wissendenGeist sondern den Geist an und fuumlr sich den Geist gedacht alsWesen als Substanz Die Wissenschaft die das Denken desDenkens zu ihrem Gegenstande hat ist die Logik Die Logik istdaher die erste5 Wissenschaft Sie ist es aber nicht in dem Sin-ne wie die gewoumlhnliche Logik die sich nur mit den Formendes subjektiven menschl[ichen] Geistes beschaumlftigt sie hat dieBestimmungen des Denkens zugleich als Wesensbestimmungenzu ihrem Objekt sie ist daher Metaphysik bdquoDenken ist einAusdruck der die in ihm enthaltene Bestimmung vorzugsweisedem Bewuszligtsein beilegt Aber insofern gesagt w[ird] daszligVerstand daszlig Vernunft in der gegenstaumlndlichen Welt ist daszligder Geist und die Natur Gesetze haben nach welchen ihr Le-ben und ihre Veraumlnderungen sich machen so wird zugegebendaszlig die Denkbestimmungen ebenso sehr objektiven Wert undExistenz habenldquo Einleitung zur Logik (p 15)6 D h7 Bestim-mungen die8 unser subjektives Denken selbst zu seiner Vor-

1 Am Rande Verweis auf 20 Vorlesung2 So auch A3 Im Ms folgt gestr einer4 die [so auch A] der Ms5 Im Ms folgt gestr und houmlchste6 G W F Hegel Wissenschaft der Logik 1 Th Die objektive Logik

Nuumlrnberg 1812 S 14-157 dh die Korr im Ms8 die Unles Korr im Ms fehlt in A

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aussetzung hat die der Grund desselben wie der Realitaumlt derDinge sind Sein Wesen Ursache Quantitaumlt Qualitaumlt dieBeschaffenheit sind Bestimmung[en]des Denkens BegriffeFormen nur durch sie ist mir ein Objekt gegeben ohne siekann ich nichts denken und nicht nur ohne sie (negativ) neinnur durch sie kann ich ein Objekt denken sie sind OrganeInstrumente1 In den gemeinsten sinnlichsten Urteilen undSaumltzen sind sie nur unbewuszligt wirksam sage ich dieses Blattist gruumln gefaumlrbt oder es hat gruumlne Farbe so unterscheide ichBlatt und Farbe und denke mir das Blatt einmal als ein unmit-telbar bestimmtes Subjekt ich denke die Farbe als eine unmit-telbare Affektion das andre mal unter einem lockern Verhaumllt-nisse unter der Kategorie des Habens Haben druumlckt keineunmittelbar[e] sondern eine mittelbare trennbare Identitaumlt ausEbenso wenn ich sag[e] die Seele ist einfach unteilbar sodenke ich die Seele unter2 der Kategorie der Einfachheit DieseBestimmung[en] sind Gedanken Die Erfahrung zeigt mir[nicht] die3 Quantitaumlt nicht die Qualitaumlt sondern immer nureine bestimmte Groumlszlige eine bestimmte Qualitaumlt ebenso ist dasWesen nie Objekt der Sinnlichkeit es ist keine sinnliche Sub-stanz Die Welt enthaumllt nur bestimmte Wesen Dies gilt vonallen4 allgemeinen Begriffen wie Verschiedenheit EinheitAber gleichwohl sind diese Bestimmungen 159 reale objekti-ve Bestimmungen bdquoDie notwendigen Formen und eigenenBestimmungen des Denkens sind die houmlchste Wahrheit selbstldquo5bdquoWenn sie nicht Bestimmungen des Dings an sich sein koumln-nen so koumlnnen sie noch weniger Bestimmungen des Verstan-des sein dem wenigstens die Wuumlrde eines Dings an sich zuge-standen werden sollteldquo (p 9)6 Das System der Logik ist dasReich der Schatten die Welt der einfachen Wesenheiten vonaller sinnlichen Konkretion befreitldquo (p 27)7 Sie ist das bdquoSy-stem der reinen Vernunftldquo das bdquoReich des reinen Gedankensldquo(p13)8 bdquoSie ist die reine Wiss[enschaft] befreit von dem Ge-

1 Im Ms folgt gestr Sage ich2 Im Ms folgt gestr einem3 die keine Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr B[egriffen] Fehlt in A5 Vgl G W F Hegel Wissenschaft der Logik a a O S 136 Ebenda S 87 Ebenda S 278 Vgl ebenda S 13

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gensatze des Bewuszligtseinsldquo Sie beruht auf dem Begriffe daszligbdquodas an sich Seiende der Begriff und der Begriff das an sichSeiende istldquo1

Wie koumlnnte ich auch etwas erkennen wenn die Bestimmungenin denen ich denke und denken muszlig nur subjektive nicht ob-jektive an und fuumlr sich seiende Bedeutung haumltten Sie sind2

aber nicht subjektiven Ursprungs also nicht subjektive Wesensubjektiver Bedeutung denn sie entspringen nicht durch Ab-straktion die Abstraktion wie all3 unser bestimmtes bewuszligtesDenken setzt sie voraus als ihre Moumlglichkeit oder richtigerGrundprinzipien Es sind bdquoobjektive Gedankenldquo Vires primiti-vae Entelechien bestimmende Urkraumlfte bdquoSeelenldquo wie sieH[egel] nennt und sie bestimmen nicht nur unser Denken siebestimmen die Dinge selbst die logischen Formen sind uumlber-sinnliche Wesenheit[en] in denen alles was real ist seinenGrund und sein Bestehen habe

Diese Auffassung und Bedeutung der Logik ist es nun wo-mit H[egel] am meisten ebensowohl gegen den delikaten andie Suumlszligigkeiten der aumlsthetisch[en] und intellekt[uellen] An-schauung als gegen den an die Hausmannskost der Empiriegewoumlhnten Geschmack Anstoszlig bei s[einer] Zeit erregte Inwessen Munde waren denn nicht Goethes Worte uumlber die Lo-gik im Fauste die aufgeblaumlhte Genialitaumlt und Vornehmtuerei160 glaubte sich ja laumlngst uumlber alle logischen Gesetze erha-ben empoumlrte sich in die alte Knechtschaft der Logik wiederzuruumlckgefuumlhrt zu w[erden]4 Allein die Logik im Sinne Hegelsin der Art wie er sie auffaszligte ist nicht die alte L[ogik] sieweicht dem Inhalte und der Methode [nach] unendlich von ihrab schon dadurch daszlig sie Metaphysik eigentliche Philosophieist Und es ist toumlricht zu glauben daszlig der menschliche Geist inirgendeiner Produktion uumlber die logischen Gesetze hinauskoumln-ne die man aber nicht als Gesetze sondern als Selbstbestim-mungen der Vernunft fassen muszlig5 so toumlricht als wenn einSeiltaumlnzer glaubte [sich] bestimmten Gesetzen der Natur ent-

1 Ebenda S XII2 sind haumltten Korr im Ms3 all alles A4 Vgl J W v Goethe Faust Eine Tragoumldie neue Aufl Stuttgart ndash

Tuumlbingen 1825 S 118-1195 Uumlber der Zeile Man muszlig nur nicht darunter die trocknen Schluszlig-

formen und die formelle Konsequenz verstehen

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ziehen [zu koumlnnen] daszlig die mannigfaltigen Wendungen undStellung[en] s[eines] Koumlrpers absolut willkuumlrlich nicht ge-setzmaumlszligig bestimmte Bewegungen waumlren1 Selbst in demphantastischsten2 Maumlrchen in dem freisten Spiele der Phantasieherrscht wenn es nicht barer Tollhaumluslerunsinn ist HarmonieEinheit in den disparatesten Elementen herrscht Gesetz Not-wendigkeit herrscht Logik Auch der Kuumlnstler ist ein Logiker3Des4 denkenden M[enschen] ist es unwuumlrdig durch die Viel-heit Beweglichkeit Mannigfaltigkeit der Dinge sich den Kopfverwirren zu lassen und die Unrealitaumlt der einfachen logischenFormen deswegen zu glauben Das Leben ist freilich Freiheitja ein Spiel der Willkuumlr aber ein Spiel in dem ein Sinn liegt indem Gesetz Gedanke herrscht Eine Freiheit die nicht Ver-nunft ist ist die Freiheit des Wahnsinns La nature de Dieu esttoujours fondeacutee en raison [Die Natur Gottes begruumlndet sichimmer in der Vernunft] sagt schon Leib[niz] Die vernunftloseFreiheit ist der5 absolute Wahnsinn unserer Zeit Die Vernunftnegieren heiszligt Gott leugnen6 Alles7 in der Natur strebt nachGestalt nach Form Selbst der Wassertropfen braucht nur ausdem Zus[ammen]hang mit der ganzen Masse herausgerissen[zu werden] um zur Kugelgestalt zu streben Aber wo Formist Ordnung und Wahrheit ist Sinn und Verstand8 Unser Koumlr-per selbst ist ein System aber wo System ist ist Logik DieUnterbrechung selbst eines Gesetzes in der Natur in der Ge-schichte ist selbst wieder ein Gesetz nur ein houmlheres GesetzDas innigste seelenvollste ist der Ton Aber worauf reduziert

1 ein waumlren man glaubte irgendein Koumlrper koumlnne sich dem Ge-

setze der Schwere entziehen Korr im Ms - Am Rande unleserlErg

2 phantastischsten tollsten Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr Selbst die Natur ist nicht bloszlig ein Geometer und

Mechaniker sondern ein Logiker Am Rande Man muszlig unter logi-scher Notw[endigkeit] nur nicht die formelle Konsequenz verste-hen

4 Des Eines Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Wahn6 Vgl G W Leibniz Lettres agrave M Thomas Burnet hellip In G G

Leibnitii Opera Omnia hellip Tom VI Pars I Genevae 1768 LettreXI S 274

7 Einfuumlgung am Rande Selbst die Natur ist nicht bloszlig ein Geometerund Mechaniker sondern auch Logiker

8 Ordnung Verstand Vernunft Korr im Ms

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sich der Ton Auf mathematische Gesetze auf 1611 Zahlender Ton der Saite auf eine bestimmte Anzahl von Schwingun-gen Wie maumlchtige Naturwirkungen bringen die chemischenStoffe hervor Aber ein bestimmter chemischer Stoff kommtnicht dadurch zustande daszlig ich gesetz-2 und vernunftlos Massemit Masse vermische3 sondern nur dadurch daszlig die ihn kon-stituierenden Stoffe unter einem ganz genau haarscharf be-stimmten quantitativen Verhaumlltnis miteinander gemischt wer-den Nicht in dem Stoffe den der sinnliche M[ensch] allein fuumlrdas Reale das Imponierende haumllt in dem bestimmten Zahlen-verhaumlltnis unter welchem die Teile gemischt w[erden] liegtdas konstituierende Prinzip So ist uumlberall das Abstrakte dieBasis des Konkreten das Abstrakte aber eben deswegen keinAbstraktes kein Totes sondern eine Entelechie Selbst imIndividuellsten im Gebiete der Neigungen herrscht nicht derZufall der Willkuumlr Selbst Baco der sinnliche Baco4 betrachtetdas was gewoumlhnlich die M[enschen] allein fuumlr das Konkrete anden Dingen halten nur fuumlr eine Maske und bestimmte als dieAufgabe der Naturwissenschaft daszlig sie der Maskerade ein5

Ende machen und auf die ewigen und einfachen Gesetz[e] dieer auch Formen nennt die Mannigfaltigkeit der Naturerschei-nungen reduziere6 Er sagt daher deswegen ist die Metaphysik 1 Am Rande r o Verweis auf XX Vorlesung und Paginierung S 812 gesetz- [in A gesetz] Gesetz Ms3 vermische [so auch A] vermischt Ms4 Im Ms folgt gestr der so sehr auf die empirische5 ein [so auch A] eine Ms6 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

Francofurti 1665 lib II Aph XXXV S 366 Zitat lautet bdquoAt In-stantiae Foederis ostendunt operationes amp effectus quae deputan-tur alicui ex illis Heterogeniis ut propria competere etiam aliis exHeterogeniis ut convincatur ista Heterogenia (quae in opinioneest) vera non esse aut essentialis sed nil aliud esse quam Modifi-catio Naturae communis Optimi itaq sunt usus ad elevandum ampevehendu Intellectum agrave Differentiis ad Genera amp ad tollendum lar-vas et simulachra rerum prout occurrunt amp prodeunt personatae insubstantiis Concretisldquo [bdquoZeigen die verbuumlndeten Faumllle wie Tauml-tigkeiten und Wirkungen die von einer dieser ungleichartigen Ei-genschaften als nur zu ihr gehoumlrig ausgesagt werden sich ebensoauf die entgegenstehenden Eigenschaften erstrecken Daraus ergibtsich daszlig diese vermeintliche Ungleichartigkeit nicht echt und we-sensbedingt ist sondern nur die Abwandlung einer beiden gemein-samen Eigenschaft Dies hilft nun dem Verstand sehr sich von den

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ndash die Metaph[ysik] nennt er die Wiss[enschaft] der einfachenNaturf[ormen] ndash die herrlichste Wiss[enschaft] weil sie denmensch[lichen] Geist am wenigsten mit der Vielheit der Dingebelastet denn sie betrachtet hauptsaumlchl[ich] nur die einfachenFormen der Dinge die so wenige ihrer auch sind doch durchdie verschiednen Grade und Weisen ihrer Verbindung unter-einander die mannigfaltigen konkreten Koumlrper begruumlndenLeibn[iz] war schon uumlberzeugt von der hohen Wichtigkeit undRealitaumlt der allgemeinen Termini oder Notiones L[eibniz] sagtdaszlig die scheinbar bekanntesten Bestimmung[en] die1 ab-strakt[esten] und zweideutigsten sind daszlig die Menschen oftmetaphys[ische] Ausdruumlck[e] im Munde fuumlhren durch einegewisse Notw[endigkeit] dazu gezwungen 162 und sichschmeicheln sie zu verstehen was doch nicht der Fall istUnter diesen Begriffen fuumlhrt er an die der Ursache der Aktionder Substanz der Relation der Aumlhnlichkeit Von der Erkennt-nis dieser Formen macht er das Schicksal der Philos[ophie]namentlich der ersten vorzuumlglichsten der Metaphysik abhaumln-gig2 K[ant] machte diese Formen zum Gegenstande aber erbetrachtete sie bloszlig als Formen des subj[ektiven] Denkensnahm sie unkritisch aus der alten Logik auf in ihrer dortigenDuumlrrheit und Eingeschraumlnktheit F[ichte] deduzierte sie ausdem Ich aber sie blieben bei ihm auch in der Schranke derSubjektivitaumlt Erst Hegel machte sie an und fuumlr sich zum Ge-genstande er realisierte so erst die Idee des Leibniz Er machtsie an und fuumlr sich selbst ohne in bezug auf ein Objekt oder einSubjekt zum Gegenstande3 Es ist ganz gleichguumlltig sagtH[egel] ob sie subjektiv sind es kommt darauf an was ihrGehalt ihr Wert fuumlr sich selber ist Ehe ich an einen positivenGegenstand gehe muszlig ich die Bestimmungen unter denen ichuumlberh[aupt] denke schon untersucht haben um zu wissen obich an ihnen etwas Reales habe Zum Beispiel die Bestimmungder Grenze wenden Unzaumlhlige ohne Bedenken auf die Vernunftan sie sagen d[er] M[ensch] ist beschraumlnkt das ist falsch Die

Unterschieden zum Allgemeinen zu erheben So werden die Larvenund Trugbilder der Dinge beseitigt die gleich Personen in den fe-sten Substanzen sich zeigen ldquo]

1 Im Ms folgt die2 Vgl G W Leibniz De primae philosophiae Emendatione hellip In G

G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I a a O S 193 Am Rande Notwendig ist aber diese Betrachtung

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Bestimmung der Grenze faumlllt in eine unendlich tiefere Sphaumlreein Ding mit so und so einer Beschaffenheit ein chemisch[er]Stoff eine Spezies eine Art hat an ihrer Bestimmtheit ihreGrenze Aber nicht die Vernunft D[as] Indiv[iduum] ist be-schraumlnkt eine beschraumlnkte Ver[nunft] ist nichts als eine in-div[iduelle] Art des Denkens ein Modus Cogitandi Alle Philo-sophen vor H[egel] gingen insofern als sie nicht diese Urbe-stimmungen der Untersuchung und Kritik unterwarfen vonVoraussetzungen aus Nichts ist auch schwerer als dieseleichtbeweglichen Formen zu fixieren daszlig sie dem Denkenstille und standhalten es gehoumlrt eine auszligerordentliche Geistes-und Denkkraft dazu diese Gasarten der Vernunft aufzufangenund sichtbar darzustellen Und dieses hohe Verdienst w[ird] dieNachwelt 1631 unbezweifelbar anerkennen und ihr nicht nureine negative kritische Bedeutung wie viele jetzt ungeachtetihrer Abneigung gegen H[egel] wenigstens ihm einzuraumlumensich gezwungen sehen sondern eine positive Bed[eutung]einraumlumen2 Unsre Zeit hat eine Scheu vor dem Abstraktenwenn es auch nur der Form nach ein Abstraktes ist eine Scheuder wir bereits es zu verdanken haben daszlig die Hexen und an-deres Gesindel des Aberglaubens in die Akademie der Wis-sensch[aften] wieder rezipiert w[urden] und noch andre loumlbli-che Erscheinungen jetzt und in Zukunft zu verdanken habenwerden

Die Logik hat also zu ihrem Gegenstande die reine Vernunftin ihrer Entfaltung oder die Vernunftbestimmungen in ihrerTotalitaumlt oder die Idee die Vernunft im Elemente des reinenDenkens Die Form oder die Methode der Logik ist die Dialek-tik Sie ist die Aufzeigung wie eine Denkbestimmung notwen-dig in ihre entgegengesetzte uumlbergeht sie ist die Verknuumlpfungdie Synthese der Thesis und Antithesis die Vereinigung derGegensaumltze sie ist3 es die die Philos[ophie] zur spekulativenPhilos[ophie] erhebt Nur durch die Dialektik werden dieDenkbestimmungen4 die auszligerdem endliche Verstandesbe-stimmungen sind faumlhig die Natur des Unendlichen des Wah-ren auszudruumlcken Getrennt auseinandergehalten und fixiertsind sie endlich mit Recht hielt sie K[ant] weil er sie so be- 1 Am Rande r o Paginierung S 822 einraumlumen einzuraumlumen Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr die4 Denkbestimmungen Verstandesbestimmungen Korr im Ms

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trachtete fuumlr unfaumlhig zur Erkenntnis des Unbedingten DieDialektik ist es daher auch die Leben in die Wiss[enschaft]bringt Denn die Dialektik ist die reine Form des Lebens selbstsie ist keine subjektive Kunst Sie ist daher auch in derWiss[enschaft] oder als Form des Denkens nicht ihrem Gegen-stande aumluszligerlich Sie ist die eigne Natur der Denkbestimmun-gen wie aller Dinge und alles Endlichen bdquoAlles Endliche istdiesldquo sagt H[egel] bdquosich selbst aufzuhebenldquo1 d h in seinGegenteil uumlberzugehen Alles in der Welt sehen wir der Veraumln-derung unterworfen Hier aber ist zwischen 164 den Gegen-saumltzen die Zeit die Grenzlinie Etwas wird ein anderes geht insein Gegenteil uumlber aber zwischen s[einem] So- und Anders-sein liegt die Zeit es hat nicht zu gleicher Zeit die entgegenge-setzten Bestimmungen Aber dies aumlndert nichts an der Naturder Sache am Begriffe Die Veraumlnderung ist nichts als diesinnliche Erscheinung der Dialektik bdquoDie Dialektik ist diesimmanente Hinausgehen worin die Einseitigkeit und Be-schraumlnktheit der Verstandesbestimmungen sich als das was sieist naumlmlich als ihre Negation darstellt Das Dialektische machtdaher die bewegende Seele des wissensch[aftlichen] Fortge-hens aus und ist d[as] Prinzip wodurch allein immanenterZus[ammen]hang und Notwendigkeit in den Inhalt der Wissen-schaft kommt so wie in ihm uumlberhaupt die wahrhafte nichtaumluszligerliche Erhebung uumlber das Endliche liegtldquo2 (p 97 Ency-klop[aumldie]) Da die Dialektik darin besteht von einer Bestim-mung auszugehen aber sie nicht stehen zu lassen in aumluszligerlicherTrennung von der entgegengesetzten sondern sie in diese hin-uumlberzuleiten oder diese aus jener zu erzeugen und so entge-gengesetzte Bestimmungen zu verknuumlpfen so schreitet dieMethode vom Einfachen Abstrakten zum Konkreten Verwik-kelten fort denn konkret ist die Einheit entgegengesetzter Be-stimmungen oder sie besteht darin das was zunaumlchst selbst-staumlndig ist und betrachtet w[ird] zu einem bloszligen Momente zueiner Teil-Bestimmung herabzusetzen und so zur Totalitaumlt sichzu erheben Die Methode ist daher wesentlich EntwicklungEntwicklung ist nur dort wo in sich selbst zuruumlckkehrendeTaumltigkeit wo der Anfang in dem Ende das Ende schon imAnfange liegt wo das Ende das Resultat nur der entwickelte 1 G W F Hegel Encyclopaumldie der philosophischen Wissenschaften

im Grundrisse 2 Ausgabe Heidelberg 1827 sect 81 S 972 Ebenda S 97

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der konkrete Anfang ist1 Jeder Keim jede Anlage jedes Ta-lent jedes Vermoumlgen ist das schon was aus ihm w[ird] abernur an sich noch nicht konkret entwickelt (Das Kind ausdem ein Dichter w[ird] ist auch schon ein Dichter aber einunentwickelter Im Resultate in dem es ein konkreter wirkli-cher Dichter w[ird] ist dasselbe was schon in der Anlage waraber entwickelt An sich d i der Moumlglichkeit nach ist dasKind schon Dichter aber nicht fuumlr sich es ist sich noch nichtals des Dichters 1652 bewuszligt noch nicht erscheinenderwirklicher Dichter Das Konkrete das Wirkliche3 ist An- undFuumlrsichsein) Resultat das Ende und der Anfang unterscheidensich nur wie der Zweck in der Vorstellung und der4 realisierteZweck Der ausgefuumlhrte Zweck unterscheidet sich von demvorgestellten nur dadurch daszlig dasselbe was in der Form desGedankens zuerst existierte nur als Innerliches Moumlglichesjetzt in der Form des Daseins existiert bdquoDie Vernunft ldquo sagtdaher H[egel] bdquoist das zweckmaumlszligige Tunldquo5 So schreitet dennauch die Logik von der Sphaumlre oder dem Begriff des Seinsworin die Bestimmungen der Quantitaumlt und Qualitaumlt fallen zudem Begriffe des Wesens fort worin die Reflexionsbestim-mungen des Grundes und der Folge der Ursache und der Wir-kung usw gehoumlren6 und von da zum Begriff des Begriffes oderder Idee sie geht von der einfachsten Bestimmung der desSeins zu der verwickelteren des Wesens ndash ein Begriff der nurdurch Reflexion uumlber das Sein entsteht ndash und vom Wesen zuden Bestimmungen des Geistes die die absolut konkreten oderrealen sind denn der Geist ist allein die houmlchste die absoluteRealitaumlt Die houmlchste Kategorie aber ist die der Idee Aber inder Logik w[ird] nicht eine bestimmte Idee betrachtet sonderndie Natur der Idee an und fuumlr sich Das Resultat der Logik istdaher die absolute Idee Die Idee entwickelt sich aus dem Seindurch das Wesen Aber das Sein ist an sich der Moumlglichkeitnach schon Idee das Wesen ebenso es ist nur noch die unent-

1 Im Ms folgt gestr So entwickelt sich der vollkommene Dichter aus

dem Anfange dem Talente das er als Knabe hat2 Am Rande r o Paginierung S 833 Wirkliche [so auch A] Wirklichkeit Ms4 der das Korr im Ms5 Vgl G W F Hegel Die Phaumlnomenologie des Geistes In System

der Wissenschaft 1 Theil Bamberg ndash Wuumlrzburg 1807 S XXV6 Im Ms folgt gestr fort

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wickelte Idee oder die Idee in der Form der UnmittelbarkeitDie Idee ist daher die Totalitaumlt das Ganze der Logik Sein undWesen sind nur ihre Momente Anfangs w[ird] das Sein selbst-staumlndig betrachtet aber es erhebt sich zum Wesen und w[ird]dann zuletzt als nur eine Bestimmung der Idee gesetzt1 DieserGang H[egel]s nun hat allerdings seine Realitaumlt Im Anfangs[eines] Lebens steht der 166 Mensch auf der Stufe desSeins2 Von dem Kinde kann man weiter gar nichts sagen als esist Die Seele des Kindes ist unmittelbar bestimmt HungerDurst Verlangen und dessen Befriedigung sind die Veraumlnde-rungen die in ihr vorgehen die Bestimmungen s[einer] Seele3

sind Beschaffenheiten Qualitaumlten4 nicht durch Vorstellungendurch Reflexion durch den Willen vermittelte Bestimmungenund diese Beschaffenheiten unterscheiden sich nach verschie-denen Graden die Empfindungen des Hungers sind baldschwaumlcher bald staumlrker groumlszliger geringer und die theoretischeTaumltigkeit ist nur Anschauung die Anschauung hat aber nur zuihrem Objekt d[as] Sein nicht das Wesen Kurz s[eine] Seele5

bewegt sich in den Kategorien der Quantitaumlt Qualitaumlt die indie Sphaumlre des Seins fallen Aber das Kind6 bleibt nicht beimersten Teil der Logik stehen es7 erhebt sich dialektisch in denzweiten Das Kind faumlngt an zu reflektieren uumlber das was essieht es fragt nach Gruumlnden das Sein befriedigt nicht mehr dieSeele es erwacht der Begriff des Wesens Aber so w[ird] esselbst jetzt wesentlicher Mensch Aber am spaumltesten erhebt sichder M[ensch] zu dem Gedanken der Idee zum Begriffe desGeistes weil er obwohl an sich oder in bezug auf sich derreellste konkreteste reiche doch in bezug auf das Sinnlichsteabstrakter Begriff ist Und so w[ird] der Mensch erst geistigerM[ensch] Das erste Bewuszligtsein ist das Gefuumlhl daszlig ich bin ndashdas Bewuszligtsein des Seins ndash das zweite Bew[uszligtsein] die Re-flexion was bin ich das dritte oder das Bewuszligtsein auf derhoumlchsten Potenz die Erkenntnis ich bin Geist mein Wesen ist

1 gesetzt betrachtet Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr Der3 Die Seele Seine Bestimmungen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr die5 Im Ms folgt gestr best Fehlt in A6 Im Ms folgt gestr geht7 es [so auch A] sie Ms

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Geist1 Der Gedanke des Geistes aber ist Idee denn dieserGedanke ist selbst Geist Und die Idee ist die Einheit der Form2

und des Inhalts des Gegenstandes und des Subjektiven desDenkenden und Gedachten Die Idee ist3 nicht mehr die in derForm des Seins oder des Wesens sondern in der Form desreinen Gedankens in der reinsten Vernunftform oder in derdem Wesen der Vernunft absolut entsprechenden d i ad-aumlquaten Form sich wissende Vernunft Die Idee ist das reineSelbstbewuszligtsein der Vernunft aber hier als logische 167Idee sie ist das Resultat der Logik aber auch ihr wahres Prin-zip Das Sein als die erste einfachste Bestimmung ist wohl derAnfang aber der Anfang der als seinen immanenten Zweckals seinen Trieb sein Bewegungsprinzip schon die Idee vor-aussetzt

Dieser Entwicklungsgang ist im Allgem[einen] der Gang derPhilosophie gewesen vom Abstrakten zum Konkreten Einfa-chen zum Verwickelten emporzusteigen aber keiner hat ihn sotief erfaszligt und ausgefuumlhrt als H[egel] [er] hat ihn als einenKreislauf erfaszligt Es ist dieser Entwicklungsgang4 der beiSchell[ing] in dem Gedanken des Grundes den er der Intelli-genz in Gott voraussetzt ein Gedanke den er in s[einen] spaumlte-ren Schriften aussprach auch zugrunde liegt und5 deswegenauch6 beide in diesem Punkte fuumlr wesentlich identisch erkannteMit wenigen Worten muumlssen wir daher hier noch diese7 LehreSchell[ings]8 erwaumlhnen9 und sie wenn auch nicht mit seinen

1 Am Rande Erst auf dieser Stufe erhebt sich der Mensch zu Ideen

gleichwie auch die Philos[ophie] bei den Griechen erst in Plato sichzu Ideen erhebt

2 Der Form [so auch A] des Forms Ms3 Im Ms folgt die Fehlt in A4 Am Rande und uumlber der Zeile Diese Idee ist es nun auch die

Schelling zugrunde liegt wenn er der Intelligenz die Idee einesnicht-intelligenten Grundes voraussetzt

5 und man Korr im Ms Im Ms folgt gestr hat6 Im Ms folgt auch7 diese [so auch A] diesen Ms8 Im Ms folgt gestr ent9 Am Rande Unleserl teilw gestr Satz Es ist daher [] der Ort hier

[] In dieser Lehre ist es bei Schelling in Gott selbst ein negativesPrinzip [Im Ms folgt selbst] das Prinzip der Endlichkeit (p 98)eine Lehre auf die wir fruumlher nur anspielten weil wir [wir obgleichKorr im Ms] schon Spuren derselben in den fruumlhern Schriften [Im

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doch mit so klaren Worten als moumlglich anzugeben suchen Wasist kann sein und ist nur darum weil es sein kann Dem Seingeht die Moumlglichkeit die Kraft des Seins voraus Dies ist einalter Satz1 Dem Sein Gottes geht daher auch die Moumlglichkeits[eines] Seins voraus Er ist weil er sein kann Dieses Koumlnnendiese potentia liegt aber in Gott selber Gott ist causa suiGrund seiner selbst und dieser Grund ist2 eben die innere realeMoumlglichkeit sein Koumlnnen seine Macht zu sein Der moumlglicheGott ist aber noch nicht der wirkliche er ist nur der Gott impli-zite der sein-sollende und sein-koumlnnende nicht der expliziertereale Gott Der reale Gott ist Gott als Intelligenz Aber dieIntelligenz setzt Natur voraus Wir muumlssen also auszliger s[einer]Intelligenz in Gott eine Natur setzen Und diese Natur ist ebenseine Moumlglichkeit sein Vermoumlgen Gott zu sein der GrundZur Annahme dieser Natur zwingt uns das Dasein der Naturder Materie des dunkeln verworrnen Lebens das wir in derNatur sehen Wie kann das Unvollkommne aus dem Voll-kommnen die3 Finsternis aus dem Lichte entspringen dasNicht-Intelligente aus der reinen Intelligenz das Irrationale ausdem Rationalen Wir muumlssen also annehmen daszlig die Intelli-genz selbst in Gott 168 aus dem Nicht-Intelligenten sich ent-wickelt das aber selbst schon die potentia zur Intelligenz insich hat daszlig Gott also sich in sich selbst aus dem Unvoll-kommnen zum Vollkommnen entwickelt bdquoDie Gottheit ist keinLichtldquo sagt wirklich schoumln und geistreich Schell[ing] bdquodasWolken macht sondern ein Licht das schon daseiende Wolkenzerteiltldquo4 Diesen moumlglichen den intelligenten Gott faszligt nun

Ms folgt sich] finden und die Entwicklungsgeschichte der Philoso-phie sich eben an den [den jeden Korr im Ms] Mangel des Prinzipsder Endlichk[eit] wie er in den fruumlhern Darstellung[en] d[er]Schellingschen Philos[ophie] sich vorfand mit Hegel anschloszlig[Vgl F W J Schelling F W J Schellingrsquos Denkmal der Schriftvon den goumlttlichen Dingen [et]c des Herrn Friedrich Heinrich Ja-cobi und der ihm in derselben gemachten Beschuldigung eines ab-sichtlich taumluschenden Luumlge redenden Atheismus Tuumlbingen 1812 S98]

1 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia Francofurti 1620lib I cap VII S 23-24

2 Im Ms folgt gestr aber3 die das Korr im Ms4 Vgl F W J Schelling F W J Schellingrsquos Denkmal der Schrift von

den goumlttlichen Dingen a a O S 108

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Sch[elling] als die Unterlage die Folie den Grund der Intelli-genz Schelling erkannte mit andern Denkern von denen wirnur den Lessing nennen wollen die Notwendigk[eit] Unter-schiede in Gott zu setzen sonst ist kein Bewuszligtsein moumlglichweil er sonst ein leeres bewuszligtloses lebloses nur abstraktesWesen ist Seine Lehre die1 eine Wiedererweckung der JacobBoumlhmesch[en] Lehre ist ist auch in der Tat gegen den ab-strakten Theismus eines Jacobi und anderer Gleichgesinntergegen den einseitigen Rationalismus der eine dem Sein derNatur der Materie entgegengesetzte Intelligenz an die Spitzestellt und fuumlr den daher das Dasein einer Natur ein absolutunbegreifliches Raumltsel ist ein positiver Fortschritt der Erkennt-nis zu nennen Aber die Fassung dieser Unterscheidung istwirklich zu anthropomorphistisch zu sinnlich2 Aber die Vor-stellung einer Unterlage ist eine truumlbe unlautere der Intelli-genz widersprechende unlogische die hinab in den Abgrundeines mystischen Realismus stuumlrzt indem er den Dualismuszwischen dem Intelligenten und Nicht-Intellig[enten] zu loumlsen[versucht] beruht sie selbst wieder auf einem Dualismus desDenkens und Seins und indem sie vieles erklaumlrt3 ebenso vielunerklaumlrt laumlszligt Fragen unbeantwortet laumlszligt die sich notw[endig]ergeben uumlberh[aupt] zu keinem befriedigenden Organism[us]der Wiss[enschaft] fuumlhrt Jene notwendige Folge dieser Lehreist daszlig die wirkliche Natur eigentlich nur durch einen Purzel-baum der in Gott vorgeht zum Dasein kommt (p 95 DenkmalJacobis)4 Schell[ing] geht aus von dem Gegensatz des Voll-k[ommnen] und Unvollkommnen des Ration[alen] und Irrati-on[alen] (und so den Standpunkt gestellt so hat er wie er ins[einer] Schrift gegen Jacobi verfaumlhrt ganz recht5 Aber Sch[el-ling] geht immer von Voraussetzungen aus er laumlszligt die Begriffebestehen ergaumlnzt sie durch andere auszliger ihnen statt daszlig er indiese Begriffe selbst einzugehen und eine Reformation mit

1 Im Ms folgt gestr im Grunde2 Schelling sinnlich Diesen Gedanken liegt tiefe Idee zu Grunde

Wir muumlssen allerdings Unterschiede in Gott setzen sonst ist keinBewuszligtsein moumlglich Im Ms korr und teilweise gestr

3 vieles erklaumlrt [so auch A] erklaumlrt vieles Ms4 Uumlber der Zeile nicht zuzuordnende Erg indem der Grund der vor

Gott uumlber Gott herunterpurzelt als Prinzip der endlichen Welt5 Vgl F W J Schelling F W J Schellingrsquos Denkmal der Schrift von

den goumlttlichen Dingen a a O S 95

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ihnen vornehmen sollte Indes hat aber Schell[ing] nie die Na-tur des Denkens des Logischen der Vernunft selbst untersuchtdiese Probleme beschaumlftigten ihn nicht) Das Irrationale ist keinreines Irrationales1 es sind nur Stufen des Rationellen es kannalso wohl aus ihm abgeleitet w[erden]

1 Irrationales Rationales Korr im Ms

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[Zur I Vorlesung ndash Begeisterte Anschauung]1

1692 Zur Erlaumluterung dieses Gedankens wollen wir nunfolgendes an die Hand geben Denken wir uns einen wahrenaber enthusiast[isch]en Kunstkenner vor einem Bilde stehenDas Bild entzuumlckt ihn setzt ihn auszliger sich vor Bewunderunges reiszligt ihn mit sich fort in s[einer] Seele ist nichts als diesesBild er houmlrt und sieht sonst nichts er ist verloren in d[as] Bildversenkt in s[eine] Anschauung eins mit ihm ist in diesemMomente der Begeisterung nichts als diese Anschauung selbster hat sie nicht er ist sie selbst ndash denn das ist uumlberhaupt d[er]Charakter der Begeisterung daszlig an die Stelle des Habens dasSein die unmittelbare Einheit tritt ndash aber das Bild ist ihmnichts Totes es ist Lebendiges es erweckt Bewunderung eswirkt es bestaumltigt sich die bewundernde Anschauung ist nichtsals die sich selbst betaumltigende Schoumlnheit und Wahrheit desGemaumlldes (ich leihe nur Worte dem stummen Bild ich bringees nur zur Sprache meine Anschauung ist in Wahrheit dieSelbst-Anschauung des Gemaumlldes)3 Wenn nun aber schon hierzwischen einem so aumluszligerlichen der Form nach wenigstenssinnlichen Gegenstand wie ein Gemaumllde und dem Subjekte einso inniges gegenseitiges Verhaumlltnis stattfindet daszlig die in dasObjekt eingehende und sich versenkende Taumltigkeit des Sub-jekts nichts andres ist in Wahrheit als die Selbst-Betaumltigungdes Gegenstandes um wie viel mehr muszlig zwischen einemObjekt das an und fuumlr sich geistiger Natur und zwischen die-sem Subjekt das sich zu ihm nur auf geistige s[einer] Natur170 entsprechende Weise verhalten kann ndash auszligerdem ist ihmja gar nicht der Gegenstand4 gegeben ndash eine solche Gegensei-tigkeit stattfinden so daszlig das Verhalten des Subjekts zu demObjektiven nur das Verhalten des Obj[ektiven] zu sich selberist was man nur so wieder nicht verstehen muszlig als sei derabsolute Geist an sich bewuszligtlos ndash der Mensch fuumlgte erst das

1 Am Rande r o [Einschub] zur 1 Vorlesung [moumlglicherweise von

fremder Hand]2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 853 Im Ms folgt gestr indem er bewundert erfaszligt er den Sinn des

Gemaumlldes erkennt s[eine] Bedeutung s[eine] Idee dieses Erkennenist die Taumltigkeit des Beschauens aber diese Taumltigkeit ist die Rezep-tivitaumlt des Bildes

4 Im Ms folgt Gegenstand

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Bewuszligtsein hinzu was freilich ein absurder Einfall waumlre Undunter dem Subjekt muszlig ich nicht verstehen das endliche ein-zelne Subjekt Zur Anschauung oder Erkenntnis des Geisteserhebt sich der M[ensch] nur auf dem houmlchsten Moment wo eraufhoumlrt Subjekt zu sein wo er sich verliert und vergiszligt wieder Kunstbeschauer in d[er] Anschauung des Bildes sich ver-liert und vergiszligt wo er also selbst Geist w[ird] Nur die Er-kenntnis des Geistes macht1 uns zu Geist Dem Geiste ist alsonur der Geist folglich in Wahrheit der Geist nur sich selbstGegenstand

1 Im Ms folgt gestr z[u]

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[Zur III Vorlesung ndash Das Wesen der Materie]

Das Wesen der Materie gesetzt wird Gott ein materielles1

Wesen ndash die Materie selbst eine Bestimmung d[es] unendlichenWesens d h die Materie ist eine Realitaumlt eine goumlttliche We-senheit Gott als immateriell bestimmen heiszligt nichts andres alsdie Materie als nichtig als Non-Ens bestimmen denn Gott nurist Ens und das Maszlig des Wirklichen nur was in Gott ist Sein2Wahrheit Wesen Das Sein als nicht materiell erkennen heiszligtdas Materielle als nicht seiend erkennen Die Materie aus Gottableiten heiszligt daher nichts andres als aus ihrem Nichtsein ihrSein begruumlnden wollen denn die Frage wirft sich nur auf weildie Materie trotz ihrer Negation in Gott dennoch ist ndash Gott3

zum Trotz und ableiten hieszlige nichts andres als einen Grundvon etwas angeben Etwas begruumlnden Aber diese Begruumlndungist eine Unmoumlglichkeit Die Antwort ist Gott hat sie gemachtAber wie woraus warum ndash darauf keine Antwort Die Mate-rie ist ein unerklaumlrliches Dasein Die Materie ist die Grenzedas Ende der Theologie an ihr scheitert sie wie im Leben soim Denken Wie will ich also aus der Theologie ohne sie zunegieren die Negation der Theologie ableiten4 Wie will ichwo der Theologie der Verstand ausgeht auslaumluft Erklaumlrungs-gruumlnde suchen wie aus der Verneinung der Materie welchedie Theologie ist aus dem Satze die Materie ist nicht dieBehauptung Bejahung derselben den Satz sie ist ableiten Esist doch5 nur der Materialismus der den theologischen Spiri-tualisten wider Willen und Wissen die Frage nach dem Grundder Materie aufdraumlngt6 Die Frage ist hier selbst ein Wider- 1 Am Rande 22 Sein Realitaumlt Korr im Ms3 Gott Sein[] Korr im Ms4 Am Rande Cartes[ius] ist Vater der neuern Philos[ophie] ndash nur im Be-

sondren ndash in der Theol[ogie] steht er auf dem alten Standpunkt der Meta-physik indem er die Materie nur zu einer Bestimmung der geistlosenendlichen Dinge macht Er negiert die Theologie nur in der Physik

5 Im Ms folgt gestr M6 Am Rande Spinozismus ist theologischer Materialismus ndash abstrakter

Materialism[us] ndash empirischer ndash Hobbes ndash qualitativer ndash Hegel ndash franzoumlsi-scher sinnlicher Genuszlig Spinozistische Subst[anz] [Im Ms folgt unleserlkorr Wort] ndash Theologie ist nicht Theologie Die Spekulation ist abernichts andres als die mediatisierende [] umgekehrte Spekul[ation] vomWesen der Realitaumlt Also ist die Materie [] der Real[itaumlt] d[er] Dingheit

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spruch eine Unwahrheit1 ihre Loumlsung desgleichen Die Mate-rie hat nur Dasein fuumlr den Spiritualisten indem er nicht aufdem Standpunkt der Theologie steht auszliger s[ein] System istseinem Gott untreu im Momente der Gottlosigkeit ist im Ge-gensatz der Theolog[ie] sich befindet im Widerspruch mit sichselbst wie will er also Andres als sich selbst Widersprechendesvorbringen weil dem M[enschen] alles Elend von s[einer]Verwicklung in die Welt seiner Liebe seinem Motiv kommter ebendeswegen das immaterielle aller Bande entledigte We-sen als sein houmlchstes erhabenstes Ziel und Wesen feiert sowird Gott indem er nicht mehr als Begriff auf e[in] menschli-ches Elend nicht mehr als der Erretter Erloumlser von diesemJammer und folglich nicht mehr als das von dem Grund diesesJammers erloumlste Wesen gedacht wird als ein reales Wesengesetzt Der Mensch uumlberzeugt durch die Intelligenz von derNotwendigkeit und Realitaumlt der Materie verknuumlpft mit Gottaus einem Vernunftbeduumlrfnis was der M[ensch] aus einemHerzensbeduumlrfnis an Gott [] laumlszligt Der M[ensch] setzt Gott alsein Wesen der Intelligenz oder umgekehrt er setzt ndash unbewuszligtndash die Intelligenz als goumlttl[iches] Wesen Aber das aumluszligere ge-genstaumlndliche Wesen der Vernunft ist die Materie die Weltuumlberh[aupt] Einen vernuumlnftige[n] Inhalt hat die Vernunft in derWelt nur Die Vernunft wird sich ihrer selbst und ihrer Realitaumltnur an dem vernuumlnftigen die Vernunft zu denken vollends []Gegenstand2 ndash am Stoff bewuszligt oder [der] stofflose Gott derTheologie bekommt3 daher indem er sich lediglich zum Objektder Intelligenz bestimmt mit der Vernunft zugleich den Stoffder Vernunft und wird zum Erkenntnisprinzip der RealitaumltWie laumlszligt sich die Welt die Materie aus einem unweltlichenimmateriellen Wesen erklaumlren erkennen Nur durch einenSalto mortale durch einen Verstoszlig gegen die Vernunft Es istkein Uumlbergang da objektiv begruumlndet ich gehe nur uumlber weildie Materie da ist ich habe keinen innren Grund der Uumlbergangist willkuumlrlich Die Materie ist ein Produkt der Willkuumlr ndash derErschaffung Aber damit ist nichts gesagt nichts erkannt DieseFrage laumlszligt sich nur loumlsen indem in Gott selbst4

1 Daruumlber unleserl Erg2 Gegenstand Inhalt Korr im Ms3 bekommt Unleserl Korr im Ms4 Der Text bricht ab

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[Zum Ende der III Vorlesung] Hobbesrsquo Logik1

1712 Da die Gedanken der Menschen im houmlchsten Grade fluumlchtigund vergaumlnglich sind so ist es eine notwendige Bedingung derPhilosophie daszlig gewisse sinnliche Merkmale3 [vorhanden] sindwodurch die vergangenen Gedanken zuruumlckgerufen und gehoumlriggeordnet werden koumlnnen Diese4 Merkmale muumlssen aber zugleich5

gemeinsam sein damit ich andern meine Gedanken mitteilen undbeweisen kann sie muumlssen also zugleich Zeichen (Signa) sein ausdenen der andere erkennt6 was ich gedacht habe oder denke sonstwuumlrde ja mit jedem Einzelnen7 die Wissenschaft zugrunde gehenein Zunehmen und Fortschreiten der Wissenschaften daher unmoumlg-lich sein (Logica c I sect 1 2)8

Diese Merkmale nun die zugleich Zeichen sind sind die NamenDiese Namen haben aber nur in der menschlichen Willkuumlr ihrenUrsprung denn was ist fuumlr ein Zusammenhang zwischen den Din-gen und Worten oder Namen die sie bezeichnen Sie sind Zeichenunserer Begriffe oder Vorstellungen aber nicht Zeichen der DingeIn welchem andern Sinn kann z B der Ton des Wortes Stein9 einZeichen des Steines sein10 als in dem daszlig ich wenn ich einen die-ses Wort11 aussprechen houmlre schlieszlige daszlig er an den Stein gedachthat12 (l c sect 3-5)1

1 Am Rande r o Zum Ende der 3 Vorlesung [moumlglicherweise von

fremder Hand] ndash Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 873 Merkmale Gedankenzeichen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Gedank[en]5 Im Ms folgt gestr wenn sie der Philosophie d[er] Menschheit

nuumltzlich sein sollen6 erkennt erkennen kann Korr im Ms7 jedem Einzelnen eine andere Korr im Ms8 Vgl Th Hobbes Computatio sive Logica In Elementorum

Philosophiae Sectio Prima De Corpore Pars prima Londini 1655Cap II sect 1-2 S 8-9

9 Im Ms folgt gestr als10 sein gedacht werden Korr im Ms11 Im Ms folgt gestr von [] einem12 wenn hat bei diesem Worte an den Stein denke Korr im Ms ndash Am

Rande In seinem Leviathan c 4 wo H[obbes] denselben Gegenstand wiein seiner Logik behandelt nur kuumlrzer deutlicher geistreicher bestimmt erdaher den Gegenstand also bdquoIntellectus enim aliud non est praeter con-ceptam natum a Sermoneldquo [Die Erkenntnis ist naumlmlich nichts anderes als

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Mit Unrecht halten2 die Metaphysiker Gattung und Art fuumlr Dingeund die Definition fuumlr das Wesen des Dings da sie doch nur Anzei-gungen unserer Gedanken von der Natur der Dinge sind Der3

allgemeine4 Name ist nicht der Name eines wirklichen Dings nochder Name einer besondern von den Vorstellungen 172 der einzel-nen Dinge unterschiedenen Idee oder Vorstellung sondern nur derName eines Namens Wenn es daher z B heiszligt daszlig das Tier oderder Stein oder das Gespenst dieses Allgemeine5 sei so ist das nichtso zu verstehen als ob irgendein Stein oder Tier Allgemeines seioder sein koumlnne sondern nur so daszlig diese Worte Stein Tier allge-meine d h mehrerer Dinge gemeinsamer Namen sind und die6

ihnen in der Sache entsprechenden Begriffe sind immer nur dieBilder oder Vorstellungen der einzelnen Dinge (l c sect 9 10)7

Aus der Verbindung zweier oder mehrerer Namen entsteht einSatz Ein wahrer Satz ist der dessen Praumldikat das Subjekt in sichenthaumllt oder dessen Praumldikat der Name irgendeines Dings ist dessenName das Subjekt ist So ist der Satz der Mensch ist ein Tier einwahrer weil8 der Name des Tieres auch den Namen des Menschenin sich begreift (l c c III sect 7)9 Die Worte wahr Wahrheit wahrerSatz bedeuten dasselbe Wahrheit ist keine Eigenschaft des Dingsoder Gegenstands sondern des Satzes10 denn obgleich die Wahrheitbisweilen der Erscheinung oder Erdichtung entgegengesetzt wird soreduziert sie sich doch auf die Wahrheit des Satzes denn nur des-wegen wird geleugnet daszlig das Bild oder die Erscheinung des Men-schen im11 Spiegel der wahre Mensch ist weil der Satz das Bild

eine der Sprache entstammende Auffassung] [Th Hobbes Leviathansive de Materia Forma et Potestate Civitatis Ecclesiasticae et CivilisAmsterdam 1668 S 19]

1 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap II sect 3-5 S 9-102 halten setzen Korr im Ms3 Der Das Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Z[eichen]5 Allgemeine Allgemeines Ms6 Im Ms folgt in7 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap II sect 9-10 S 12-138 Im Ms folgt gestr alles was Mensch heiszligt9 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap III sect 7 S 22-2310 Im Ms folgt gestr Wahrheit und Falschheit findet bloszlig unter den

Wesen statt die sich der Worte bedienen denn obgleich die Tierewenn sie das Bild des Menschen im Spiegel sehen ebenso affiziertwerden koumlnnen als wenn sie den Menschen selbst sehen

11 Im Ms folgt gestr Spi[egel]

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oder die Erscheinung ist ein Mensch nicht wahr ist denn die Wahr-heit der Erscheinung als Erscheinung1 kann nicht geleugnet werdenWo daher wie bei den Tieren die Sprache wegfaumlllt kann auch vonWahrheit und Unwahrheit keine Rede sein (l c)2

Da ein wahrer Satz der ist in welchem zwei Namen3 desselbenDings verknuumlpft sind ein falscher aber der in welchem Namenverschiedener Dinge verknuumlpft sind so gibt es so viele Arten vonfalschen Saumltzen als es Verbindungsweisen von Namen verschiede-ner Dinge gibt Die benannten 1734 Dinge bestehen aber aus einerKlasse aus Koumlrpern aus Akzidenzien aus Phantasmen und NamenIn jedem wahren Satze muumlssen daher die beiden verbundenen Na-men entweder Namen von Koumlrpern oder von Akzidenzien oder vonPhantasmen oder Namen sein Falsche Saumltze sind5 also z B die6die Wahrheit ist ein Wesen der Koumlrper ist eine Groumlszlige denn hierwerden abstrakte Namen mit konkreten Akzidenzien mit Koumlrpernverbunden ferner7 die das Gespenst ist ein Koumlrper oder Geist d hfeiner Koumlrper die Farbe ist ein Objekt des Gesichts der Ton desGehoumlrs der Raum oder Ort ein ausgedachtes Ding denn die Ge-spenster die Toumlne die Farben der Raum sind keine aumluszligeren Dingesondern nur Phantasmen es koumlnnen daher ihre Namen nicht mit denNamen von Koumlrpern zu einem wahren Satz verbunden werden (cV sect 2-4)8

1 Denn Erscheinung Denn daszlig die Erscheinung keine wahre Er-

scheinung sei [] Korr im Ms2 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap III sect 7-8 S 233 Im Ms folgt gestr eines und4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 885 Falsche sind Ein falscher Satz ist Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr der Satz das W[ahrheit]7 ferner falsche Saumltze Korr im Ms8 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap V sect 2-4 S 36-37 ndash

Am Rande Ich habe in der alten Ausgabe die Logik H[obbe]s nurmit einer fluumlchtigen Anmerkung abgefertigt Ich war ihr daher dieseEhre schuldig sie wenigstens [Im Ms folgt gestr zum] ihrenHauptgedanken nach zum Gegenstand eines besonderen Paragra-phen zu machen H[obbes] beweist sich gerade darin als einen reel-len Denker daszlig er die Logik in der Identitaumlt mit der Sprache be-greift ob er gleich diese Identitaumlt sogleich dadurch zerreiszligt daszlig erdie Willkuumlr zum Prinzip der Sprache macht daszlig er nicht zwischenWort und Bedeutung [Wort Bedeutung zwischen der BedeutungKorr im Ms] des Wortes unterscheidet und sich hierdurch in Wi-derspruumlche und sonst[ige] Absurditaumlten verwickelt

234

[Zur IV Vorlesung ndash Die Renaissance]1

1742 der christlichen Menschheit von der andern Es wareine eigne selbstaumlndige Zeit die aus- und in sich selbst mitEntfernung alles Fruumlhern und alles Fremden sich entwickelteund sich entwickeln sollte Der christliche Geist w[ar] ein ei-gentuumlmlicher Geist dieses sein eigentuumlmliches Wesen undLeben entwickelte er und stellte er dar im Mittelalter Wie dasLicht der Natur in die heiligen Versammlungsstaumltten der glaumlu-bigen Christen nicht durch ein klares durchsichtiges sondernbuntfarbig getruumlbtes Medium fiel um gleichsam durch dieseseigentuumlmliche3 Licht das Gefuumlhl der eignen Abgeschlossenheitzu erhoumlhen so war nur Aristoteles und zwar in der sonderba-ren Gestalt die er in den damaligen Uumlbersetzungen hatte dastruumlbe Medium durch welches der4 Geist des5 Altertums wie erin Denkbestimmungen und philosophischer Erkenntnis seinWesen niedergelegt in die Anschauung der Christen fiel

Aristoteles w[ar] eben deswegen auch die einzig gemein-schaftlich anerkannte Autoritaumlt fuumlr die Denker des Mittelalterser war gleichsam der Repraumlsentant des Verstandes selbst Dereigne Geist war nur der christlich-religioumlse Geist Die selbst-bewuszligte allgemeine nicht in der Christlichkeit abgeschlosseneund sich selbst abschlieszligende Vernunft war nur noch fremderGeist Als Repraumlsentant des 1756 Verstandes selber und alsder Geist der alten Welt in abstracto muszlig man den Aristot[eles]fassen um zu begreifen s[eine] Herrschaft Denn ein Mediumnur konnte der Geist des Mittelalters dessen eigentuumlmlicherund eigner nur der relig[ioumlse] Geist war konnte es sein in demder denkende Geist und der damit unzertrennliche Geist derklassischen Welt im Mittelalter seine Wirklichkeit hatte DieAutonomie der Vernunft und die Autopsie der Natur wie desLebens in der unmittelbaren Wirklichkeit der klass[ischen]Welt w[ar] unmoumlglich innerhalb des religioumlsen nur in sichselbst seienden Geistes Wenn auch die Philos[ophie] eines

1 Am Rande r o Gesch[ichte] d[er] P[hilosophie] [moumlglicherweise

von fremder Hand] ndash Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 893 Im Ms folgt gestr Bewuszligtsein4 der das Korr im Ms5 des dem Ms6 Im Ms folgt des

235

Volks den houmlchsten Geist eines Volks enthaumllt so ist doch dasbesondere eigentuumlmliche Volksleben und Volkscharakter erlo-schen im Reich der Abstraktion und des reinen Denkens unddie Produkte des Denkens haumlngen daher mit1 dem allgemeinenInnern der Mensch[en] auch von den unterschiedensten Voumll-kern Charaktern und Zeiten naumlher und inniger zusammen alsdie uumlbrigen Produkte des menschl[ichen] Geistes Und es laumlszligtsich erklaumlren warum im Mittelalter gerade die Philosophie eswar welche fast nur allein noch einen Zus[ammen]hang derchristlichen Menschheit mit der heidnischen erhielt2

1763 Italien ist bekanntlich das Land wo die Griechen undRoumlmer ihre Auferstehung feierten Die ersten die Liebe undSinn fuumlr das4 klassische Altertum erregt[en] waren5 DanteAlighieri (dagger 1321) Franz Petrarca (dagger 1374) der von einemMoumlnche namens Barlaam aus Kalabrien das Griechische lernteund besonders Cicero und Seneca studierte besonders derFreund des Petrarca Boccaccio (dagger 1375) der den LeontiusPilatus der nachmals zuerst zu Florenz oumlffentl[icher] Lehrerder griechischen Sprache wurde zu s[einem] Lehrer hatte ZurErweckung des Beduumlrfnisses des Studiums d[er] griech[ischen]Sprache Nahrung und Verbreitung dieses jungen Sinns trugennicht wenig bei die Verbindungen die die griech[ischen] []von Arabern und Tuumlrken bedraumlngten Kaiser mit den abend-l[aumlndischen] Fuumlrsten6 eingingen wie die Gesandtsch[aften] dieeben jene an diese7 schickten Manuel Chrysoloras w[ar] dererste der in Gesandtschaftsangelegenheit nach Italien kam imJahre 1395 aber selbst als oumlffentl[icher] Lehrer d[er] grie-ch[ischen] Sprache und Literatur in Venedig angestellt w[ar]8

1 Im Ms folgt mit2 Am Rande Es gehoumlrt schon ein weit ausgebildetes und zur Univer-

salitaumlt ausgearbeiteter Geist und Gemuumlt dazu die Kunstprodukteeiner Nation wenn sie die d[en] Charakter derselben tragen zu ge-nieszligen selbst noch z B in dem armen Liede eines Lapplaumlndersetwas Vertrautes zu empfinden und zu erkennen

3 Am Rande r o Gesch[ichte] d[er] neueren Philos[ophie] und Ver-weis auf Paginierung S 90

4 das die Korr im Ms5 Im Ms irrtuumlmlich gestr6 abendl[aumlndischen] Fuumlrsten Papste Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr Fuumlrsten8 Am Rande Emanuel Chrysol[oras] war zwar auch Schriftsteller

wirkte aber mehr durch s[einen] muumlndlichen Unterricht

236

Seine histor[ische] Bedeutung gewann aber erst durch die Ein-wanderungen der griech[ischen] Gelehrten in den Jahren 1438ndash 1453 dem Jahr der Eroberung K[on]st[antino]pels DieseGelehrten w[aren] Georgius Gemistus oder Pletho Bessarion(dagger 1472) Theodor[us] Gaza (dagger 1478 ausgezeichnet als Gram-matiker)1 Georg[ius] von Trapezunt (Peripatetiker)2 JoannesArgyropolus (dagger 1486) Constantinus und Janus (Joannes) La-scaris Demetrius Chalcondylas Michael Apostolius Androni-cus Callistus 177 Ratgeber derselben waren LaurentiusValla (dagger 1457) Roumlmer (dialectica contra Aristoteleos) Fran-ciscus Philelphus (dagger 1481) Poggius Bracciolini (dagger 1459) Ru-dolph Agricola (dagger 1485) aus Friesland (vulgo Peurlin d iBaumluerlein) Angelus Politianus Hermolaus Barbarus (dagger 1493)welche von Aristoteles von des Themistius Auslegung derPhysik des Aristoteles und [des] Diskorides Uumlbersetz[ungen]aus d[em] Griechisch[en] lieferten Durch die Bestrebungendieser Maumlnner w[urden] die sogen[annten] Humaniora3 mit derPhilosophie in Verbindung gesetzt durch die Kenntnis dergriech[ischen] Sprache w[urde] Aristot[eles] in einer ganzandern Gestalt erkannt als er bei den Scholastikern bekanntwar Aristot[eles] w[ar] nicht mehr die einzige Autoritaumlt in derPhilos[ophie] sondern Plato und die andern Philosophien tra-ten nun mit gleichem Rechte und Anspruch auf Autoritaumlt anseine Seite und sank natuumlrlich nun die alte scholastischeSchulphilosophie Auszliger an letztgenannten Maumlnnern die4 sichdem Scholastizismus streng entgegensetzten koumlnnen noch

1 Am Rande 1430 kam Theodorus Gaza nach Italien besonders als

Uumlbersetzer vorzuumlgl[ich] des Aristoteles bekannt denn er war Peri-patetiker Nicolaus V gebrauchte ihn zu seinem groszligen Uumlberset-zungsplan

2 Am Rande Georg von Trapezunt 1420 oder [14]30 in Ital[ien]angekommen Streitsuumlchtig bdquoComparatio inter Arist[otelis] etPlat[onis]ldquo [Georg von Trapezunt Comparationes philosophorumAristotelis et Platonis Venetiis 1528] heftige Invektive gegen letz-tern Fleiszligiger Uumlbersetzer d[er] Griechen (dagger 1484) verlor im Alters[ein] Gedaumlchtnis Auch Joh Argyropolus kam noch vor dem Fallvon K[on]st[antino]pel nach Italien entschiedner Anhaumlnger d[er]peripat[etischen] Ph[ilosophie] Uumlbersetzer des Aristot[eles] 177Auch Gemistus Pletho und Bessarion kamen noch vor dem Fallv[on] K[on]st[antino]p[el] nach Ital[ien]

3 Studien der griechischen und lateinischen Sprache und Literatur4 die unleserl Korr im Ms

237

genannt w[erden] Joann[us] Picus von Mirandola1 Henric[us]Cornel[ius] Agrippa v[on] Nettesheim (geb 1486) d[er] sichzuerst auf Kabbala Alchemie und Magie verlegte weil er esbewies in s[einen] Werken De occulta philos[ophica]2 spaumlteraber schrieb De incertitudine et vanitate scientiarum3

1 Am Rande Uumlber den Joh[annes] Pic[us] v[on] Mirand[ola] aumluszligert

sich Lucius Phosphorus Pontifex Signinus in e[inem] Brief an An-gel[us] Polit[ianus] (Lib IV S 81) Is enim unus est in quo naturaomnia causa congresisse et ubi omnes suas vires exercuise videtur[Vgl A Poliziano Epistolarum Lib III In Omnium Angelipolitiani operum Tom I [Parisii] 1519 Fol XXVI Brief XIV]Und [Im Ms folgt gestr Polita] Polit[ianus] an die gelehrte Venezi-anerin Cassandra (Ep L III 86) quo nec pulchrior alter mortali-um nec in omnibus (arbitrior) doctrinis excellentior[Vgl A Politi-anus Epistolarum Lib IV a a O Fol XXVIII Brief XVII]

2 Vgl H C Agrippa v Nettesheim De occulta philosophia lib 3 oO 1533

3 Vgl H C Agrippa v Nettesheim De incertitudine et vanitatescientiarum declamatio invectiva [Coloniae] 1531

238

[Zur VndashVI Vorlesung ndash Bruno Cardanus]

1 Aber auch Wittenberg verlieszlig er [Giordano Bruno] wiederund ging nach Prag 1589 aber nach Braunschweig zu denbeiden Herzoumlgen Julius und Heinrich Julius und w[urde] nachHelmstedt als Privatlehrer mit einem Gehalt geschickt Auchdiesen Ort verlieszlig er wieder und ging 1591 nach Frankfurt amMain von da man weiszlig nicht warum nach Italien was keinWunder ist daszlig ihn die Inquisition wegen seines unruhigenGeistes seiner2 ausgesprochenen Verachtung gegen Pfaffentumund d[er]gl[eichen] ins Auge faszligt und nach Venedig und dannnach Rom auf den Scheiterhaufen brachte3

Hieronymus Cardanus geb[oren] 1501 zu Pavia dagger zu Rom1576 der Arzt Mathematiker und Philosoph war ein nicht nurwegen seiner Gelehrsamkeit sondern auch wegen seineshoumlchst merkwuumlrdigen seltsamen originellen Charakters be-ruumlhmter Mann Card[anus] 4 hat nicht sowohl ein System einoriginelles Ganzes aufgestellt5 wie J Bruno aber die Richtungauf die Natur des Sinns fuumlr Natur das Verlangen in ihre Ge-heimnisse zu dringen das Interesse an ihren Erscheinungenund an der eigenen Beobachtung Inspektion gibt ihm docheine Stelle in dieser Ordnung Auch braucht wohl nicht beson-ders entwickelt zu w[erden] daszlig auch derselbe Geist dasselbePrinzip sich in den abweichendsten mannigfaltigsten beson-dersten Arten und Weisen sich aussprechen kann Was vor-zuumlglich diese Maumlnner charakterisiert ist daszlig in diesen Indivi-duen noch der Geist nicht entwickelt sondern erst in Entwick-lung in Trieb und Gaumlrung war daszlig in ihnen das Licht der Zu-kunft und die Schatten der Vergangenheit sich paaren in ihnender Geist nur noch in der Unruhe des Werdens war welcher

1 Am Rande r o Leben und Lehrmeinungen beruumlhmter Physiker am

Ende des XVI und am Anfange des XVII Jahrh[underts] Heraus-gegeben v[on] Thad[daumlus] An[selm] Rixner und Thaddauml[us] Siber[T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen beruumlhmterPhysiker am Ende des XVI und am Anfange des XVII Jahrhun-derts Sulzbach 1819ndash1829]

2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort3 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft

V Sulzbach 1824 S 18-244 Card[anus] Da Card[anus] Ms5 Im Ms folgt hat

239

sich auch sogar in dem Charakter und dem Leben derselbenzB in dem des Cardanus und Brunos die freilich selbst wiederentgegengesetzt sind abspiegelte Daher auch in diesen Maumln-nern wenn sie gleich zu bestimmten Erkenntnissen kamen dieentgegengesetztesten Elemente das Unvereinbarste vereint istwie zB in Cardan Scharfsinn Geist Beobachtung Kenntnismit Aberglauben den sonderbarsten Einfaumlllen den aus denGedanken unvereinbarsten Phantastereien zB TeufeleienHexereien und d[er]gl[eichen] vereint ist Bei Card[anus] istalso keine solche Spekul[ation] zu erwarten1 wie bei BrunobdquoEs seind allein zwo erste Qualitaumlten naumlmlich die Waumlrme unddie FeuchteDas Duumlrrrsquo und das Kalt seiend Privationes [Beraubungen] desWesens aber nicht Qualitates [Qualitaumlten] Alles Leben derNatur beruht auf Sympathie und Antipathie mitleidenderGleichfoumlrmigkeit und Widerwaumlrtigkeit Die Ursachen undGestalten der Antipathie und Sympathie sind aber verschiedenunter diese Ursachen gehoumlren eben die beiden QualitaumltenSympathie kommt her von Gleiche der Substanz und Wesensalso erbarmt sich ein Mensch uumlber den kranken Menschen esw[ird] auch2 das Leben eines Kindes von dem Leben einesstarken Mannes geaumlndert

Ein ander Gleichfoumlrmigkeit ist deren so von einer Ursachherkommen also bekuumlmmert sich ein Bruder von wegen desabwesenden Bruders Unfall darum daszlig sie von gleichen Elternerboren seind Dann was wir vermeinen durch die Weite unter-schieden zu sein seind in der Substanz Eines und betruumlgt unsdarum der Sinn Also daszlig auch ihren Viele von mir gewarnetsolliche Einigkeit so an unterschiedlichen Orten und voraus soweit von einander gelegen nicht verstehen mochten danndurch die Exempel

Ein ander ist zwischen dem gebietenden und dienenden alsdem Herzen und den andern Gliedern zwischen der Sonnenund dem andern Gestirn dann es laumlszligt sich ansehen als wannetwas mit dem andern Mitleiden haumltte dann sie nehmen dengroumlszligten Teil ihrer Kraumlfte davon

1 Am Rande (Offenbarung der Natur und Natuumlrlicher Dinge auch

mancherl[ey] subtiler Wirkungen verteuumltscht Basel) [G CardanoOffenbarung der Natur unnd Natuumlrlicher dingen auch mancherleysubtiler wuumlrckungen Basel 1559]

2 Im Ms folgt auch

240

Die andre ist zwischen der Speise Nahrung und dem dasernaumlhrt wird darum zeucht ein jedes Gewaumlchs an sich was ihmwohl dienet also daszlig die Feigenbonen die Erden saumlubern vonder Bitterkeit und solch ihr Einhelligkeit w[ird] am meistengespuumlrt an den Tieren

Die ander ist die Waumlrme eines jeden gegen dem durch wel-ches sie erhalten w[ird] also sehen wir das Feuer ob es wohlnicht lebt sich neiget1 wie die lebendigen gegen dem Teil dadie Nahrung ist und strecket sich wunderbar zu derselben aus

Wie in dem menschlichen Koumlrper alles miteinander stimmtund das aus mancherlei Ursache also geschieht auch in derWelt Es ist ein Sympathie und Gleichfoumlrmigkeit in der Weltwie auch in menschl[ichem] Koumlrper es stimmen auch alle Teilderselbigen miteinander Es ist von Natur in gemein allen Din-gen eingepflanzt daszlig eins auf das andere folge entw[eder] vonwegen der gemeinen Entspringung oder daszlig eins dem anderndiene So jemand dieses wohl behaltet mag er auch wohl dieEigenschaft der Antipathie und Widerwaumlrtigkeit verstehn danneine jede Gleichfoumlrmigkeit ist in der Widerwaumlrtigkeit bestimmtDeshalben haben weise Leutrsquo viel aus den Koumlrpern Toter ge-nommen so den Lebenden zuwider gewesen dann einem jedenDing ist nichts mehr zuwider dann eben es selb[st] so es totoder verderbt oder uumlberfluumlssig istldquo2

bdquoHomo non plus est animal quam animal planta Si enimanimal quamvis nutriatur et vivat plantae nomen non mereturnec omnino planta est quia animam qua sensit habet praeterplantam homo quam praeter animal animam habeat desinitposse animal (De subt[ilitate] rer[um] XI) [Der Mensch ist sowenig ein Tier wie das Tier eine Pflanze Wenn naumlmlich dasTier egal wie es sich naumlhrt und lebt den Namen Pflanze nichtverdient und uumlberhaupt keine Pflanze ist weil es eine Seeledie fuumlhlt der Pflanze voraus hat so kann der Mensch nachdemer dem Tier die Seele voraus hat auch kein Tier sein]ldquo3

bdquoDes Gemuumlts Wolluumlste und Schmerzen seind viel groumlszligerdann des Leibs um so viel mehr daszlig doch diese von des Ge-muumlts Kraumlften moumlgen hinterhalten w[erden] des Gemuumlts abervon dem Leib keineswegs nitldquo4

1 Im Ms folgt gestr gegen2 H Cardano Offenbarung der Natur S 5-73 H Cardano De subtilitate Liber XI Basel 1554 S 3504 Zitat nicht nachgewiesen

241

[Zur V Vorlesung ndash Cardanus Paracelsus]1

Cardanus (Von des Menschen Wunderwerk) bdquoIch habevier Dinge von Natur an mir welche alle nach meinem Ver-stand wunderbar sind Das erste ist daszlig ich so oft ich willauszligerhalb den Sinnen verzuumlckt werde Das andere ist daszlig ichwann ich will alles sich [sehe] was ich will und solches mitden Augen und nicht aus des Gemuumlts Kraft Das dritte ist daszligich durch Einbildung in dem Traum alle Ding sich [sehe] somir begegnen sollen Ich darf auch mit der Wahrheit sagen daszligmir schier gar nicht begegnet es seis gut oder boumls oder mit-telmaumlszligig daszlig mir nit oft zuvor in den Schlaf fuumlrkommen Zumvierten seind deren Dinge Anzeigungen so mir begegnensollen in den Naumlgeln doch gar klein Der boumlsen Dingen seindschwarz und blau in dem Mittelfinger der gluumlcklichen seindweiszlig Ob ich wohl uumlber d[as] 52ste Jahr kommen weiszlig ichdoch nicht einen Tag an welchem ich recht gesund gewesensondern ich hab allwegen einen Mangel gehabt Ja viel mehrbin ich froumlhlich wann mir etwas Schmerzen bringt und wannich nicht empfind bin ich traurig sonst bin ich uumlber alleMaszligen von Natur zu Wohlluumlsten und Spielen2 geneigt Es miszlig-faumlllt mir auch nicht die Ehrguumltigkeit und die Begierd desGewinns Doch bin ich aus Gewohnheit dahin kommen daszligich den Reichtum wenig und den Ehren gar nicht nachfragDieses halt ich fast fuumlr ein Wunderwerk daszlig mir meine Ge-schaumlft auszurichten nie Zeit uumlbrig geblieben und nie keinegemangelt Denn es begibt sich daszlig ich allewegen eben rechtmein Ding zu dem End bring wann es nit mehr Verzug erlei-den mag Ich hab so viel wunderbar Ding gesehen ich habsoviel Anlaszlig gehabt ich bin bei so viel Sachen gewesen dieman billig behalten also daszlig ich in kurzer Zeitmehr gesehenals vielleicht nach mir viel Welten nicht sehen w[erden] Ichbin zu einer seltsamen Zeit geboren da die ganze Welt erfun-den worden da man auch d[ie] Buchdruckerei und viel andreKuumlnste so den Alten verborgen hervorbrachte Ich bin fleiszligiggewesen begierlich zu wissen ein Verachter der Reichtum undEhren und hab bei den Gelehrten gewohnet ndash D[ie] Wahrheithabrsquo ich also geliebt daszlig ich mich selbs viel lieber dann dieWahrheit hassen wollte denn ich hab mich selbst 100mal ge- 1 Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort

242

hasset und die Wahrheit nie Demnach hat mich bedaumlucht esnehme sich ein Gott meiner an Von meiner Jugend an undden achten Jahr bis auf diesen Tag ist keine Zeit gewesen woich von Krankheiten waumlr verhindert je daszlig ich nicht haumltt zujeder Stunde lesen und schreiben moumlgen Dann in meiner Ju-gend wann ich erwachet (was auch einem Greise taumlglich be-gegnet) hab ich in der finstern Nacht alles ersucht als wenn esTag gewesen Doch ist mir solche Kraft bald entzogenw[orden] Ich sich [sehe] auch jetzt Etwas in der Nacht aberich mag nit Alles wohl unterscheidenldquo1

Bernardinus Telesius2 1508 geb[oren] zu Consenza im Kouml-nigreich Neapel aus einem adligen Geschlechte gest[orben]15883 Seine Naturphilosophie die er der aristotel[ischen]Physik hauptsaumlchlich entgegensetzte beruht auf heraklitischparmenideischen Grundsaumltzen Drei Prinzipien der Naturnimmt er an Kaumllte und Waumlrme als zwei unkoumlrperlich[e] undtaumltig[e] Prinzipien und die Materie als ein koumlrperliches diefuumlr Waumlrme und Kaumllte gleich empfaumlnglich gleich durch siebestimmbar ist (de Nat[ura] rerum juxta propria principia)4

Des Telesius Freund und juumlngerer Zeitgenosse war Franz Pa-tritius geb[oren] 1529 zu Clissa in Dalmatien und gestorben zu 1 Vgl G Cardano Offenbarung der Natur unnd Natuumlrlicher dingen

auch mancherley subtiler wuumlrckungen Basel 1559 S 364-3662 Am Rande Tel[esius] schr[ieb] [] libr[is] (unicus) de his quae in

aere fiunt de terrae motibus Neap[el] 1570 ib De Colorum (quodomnes e principios caloris et frigoris deducit) Generatione[Opusculum] Neap[el] 1570 de natura maris [De Mari] lib[e]runic[us] (salsum illud esse natura contra Aristot[elis] disput aquamvero elementorum numero ejuscientam) ibid[em] 1570 - Caloremfrigus et materiam tria principia esse ait in quibus omnia confistantvariasque fieri diversasque operationes ratione locorum in quibusillae fiant ac temperia et moderatione frigoris Hinc siccitatem ethumiditutam declucit et mare solis calore e terra produci ascenditSiccitatem a calore provenire negat quia calor liquefacit humidita-tem a frigore quia friquor acficcat

3 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen beruumlhm-ter Physiker am Ende des XVI und am Anfang des XVII Jahrhun-derts Beytraumlge zur Geschichte der Physiologie in engerer und wei-terer Bedeutung Heft III Sulzbach 1820 S 3 12

4 Die ersten beiden Buumlcher von bdquoDe rerum natura iuxta propriaprincipialdquo erschienen 1565 in Rom eine erweiterte Ausgabe 1570in Neapel die gesamte aus neun Buumlchern bestehende Schrift er-schien 1586 in Neapel

243

Rom 1593 Pat[ritii] nova de universis philosophia1 DasLicht ist das Prinzip von dem er ausgeht

Thomas Campanella 1568 geboren zu Stylo in Calabrienberuumlhmt sowohl durch seinen Geist als seine traurigen Schick-sale indem er die grausamsten Foltern und 27jaumlhrige2 Gefaumlng-nisstrafe ausstehen muszligte weil die spanische Regierung inVerdacht ihn hatte als korrespondiere er mit den Feinden desKoumlnigs Durch die Berufung des Paps[tes] Urbani VIII 1626kam er auf freien Fuszlig nach Rom als er auch hier den Argwohnder Spanier wieder erregte ging er nach Paris wo er von Lud-wig XIII gnaumldig empfangen w[urde] wo er 1639 starb3 Er4

fing des Telesius Lehre in der Naturphilosophie an hatte abereine universelle Reformation der Philos[ophie] im Sinne erwandte daher auch groszligen Fleiszlig auf die Metaphysik selbst diesein beruumlhmtestes Werk5 ist Er hat auch Gedichte gemachtHerder in s[einem] Adrastea6 hat davon Frag[mente] uumlbersetzt

Hieher7 kann auch gerechnet w[erden] Lucilius Vaninigeb[oren] 1585 zu Tauroxano im Neapolitanischen1 1619 zu

1 F Patritius Nova de universis philosophia Ferrariae 15912 27jaumlhrige 25jaumlhrige Ms3 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft

VI Sulzbach 1826 S 3-264 Im Ms folgt gestr hatte5 T Campanella Universalis philosophiae seu metaphysicarum

rerum iuxta propria dogmata partes 3 Libri 18 hellip Parisiis 16386 Adrastea hrsg v J G v Herder 6 Bde Leipzig 1801ndash18037 Am Rande Zu den Novatoribus [Novatoribus Noventoribus Korr

im Ms] in Philos[ophia] gehoumlrt auch Carpentarius Anglus Philo-sophia libera triplici Exercitationum Decade proposita in qua ad-versus hujus temp[oris] Philosophos Dogmata quaedam novadiscutiuntur Londinio 1672 [Ausgabe nicht nachgewiesen] Erbringt folg[ende] Saumltze z[um] B[eispiel] vor Non duri naturales na-titias locum esse nihil omnes res ex nihila fieri sensus non posseerrare ignem esse humidum omnia ab menta esse graviaFerner Joh[annes] Espagnet Autor hic totus quantus chymicus estDuos libr[i] scrips[it] bdquoEnchiridion physicae restitutaeldquo [ Genevae1673] er scheint unzaumlhl[ige] Welten anzuerkennen wie vor ihmBruno in [] und bdquoArcanum hermeticae philos[ophiae opusldquo Gene-vae 1673] Ferner Joh[ann] Amos Comenius [] doctrinam et phi-los[ophiam] reformare valuit Pansophiam molitus est scriptum ipsiperiit Prodromum tamen ejus in lucem edidit Amstelod[ami] fo-l[iae] von ihm bdquoPhysica ad lumen divinum reformandae [synopsisldquo

244

Toulouse verbrannt als Ketzer und Atheisten S[eine] Werkesind am beruumlhmtesten Amphitheatrum aetern[a]e providen-tiae divino-magicum christiano physicum etc Lugduni 1615 Das andre De admirandis naturae reginae deaeque mortali-um arcanis Dialogorum inter Alexand[rum] et Jul[ium] Caesa-rem2 lib[ri] IV cum adprob[atione] facult[atis] SorbonicaeLutet[iae] 1616 8deg Unter dieses Verhaumlltnis setze ich auch denParacelsus der sonst nur unter den Theosophen neben FluddJac[ob] Boumlhm[e] angefuumlhrt w[urde] aber erst in neuern Zeitengewuumlrdigt w[urde] und als Vater einer neuen Medizin erkanntund geschaumltzt w[ird]

Philippus Aureolus3 Theophrastus Bombast Paracelsus v[on]Hohenheim4 geb[oren] 1493 zu Maria Einsiedeln in der

Amstelodami 1663] Die Prinzipien aus I Gen[esis] Lucem primae-vam materiam et spiritum tria statuit mundi principiam

1 Im Ms folgt ungefaumlhr 15852 Lucilius Vanini nannte sich in seinen Dialogen gewoumlhnlich selbst

Julius Caesar3 Im Ms folgt gestr von4 Am Rande Obgleich Paracel[sus] vieles Schwaumlrmerische Phanta-

stische Aberglaumlubische Irrige enthaumllt ja [Im Ms folgt von] Vielennur fuumlr einen Schwaumlrmer galt so ist doch gerade er es in dem dasPrinzip der Erfahrung welches selbst wieder das zum Grunde hatwas als Prinzip der neuern Welt bestimmt w[ar] lebendig regewurde und gerade d[ie] individuellen Eigentuumlmlichkeiten der-selb[en] sein wildes rauh selbstaumlndiges Wesen sind nur eine Folgedieses Prinzips Die Erfahrung hat uumlberhaupt zum Prinzip dieSelbstgewiszligheit die Selbststaumlndigkeit des Individuums sie setzt dasSelbst voraus Nur was das Selbst in seiner unmittelbaren sinnlichenEinzelheit die unbezweifelte Gewiszligheit seiner selbst seiner Realitaumlthat ist ihm auch das allein reell mehr was es selbst erfahren hatDie Erfahrung geht nicht aus Einheit Glaube Vertrauen Gemein-schaft mit Andern sondern aus Zweifel hervor aus einer Isolierungdes [] aus der allein unbedingten Gewiszligheit seines Selbsts DasSelbst ist sich das Maszlig dessen was wahr ist was wahr sein sollmuszlig Ich selbst mit meinen Augen meinen Haumlnden kennengelernthaben Die Empfindung ist die Tuumlr zur Wahrheit nur durch michselbst soll und darf die Sache das Objekt in mich kommen Die Er-fahrung scheint das objektivste Verhaumlltnis zur Sache [zu] sein weilihre Organe die Sinne sind allein in den Sinnen bin ich selbst im-mer nur allein als dieses Selbst als dieses Einzelwesen praumlsent inden Sinnen bin ich nur in meinem einzelnen Selbst bin immer nurwirklich und taumltig als Individuum als sinnliches Selbst Die Sinnesind wohl im Ganzen und Wesentlichen gleich diese Farbe die mir

245

Schweiz S[ein] Vater Wilhelm Bombast von Hohenheim sollder natuumlrliche Sohn eines Fuumlrsten gewesen sein und war selbstArzt und Gelehrter Er trieb von Jugend auf schon1 Heilkundeund Alchemie2 Er genoszlig des Unterrichts vieler guter Lehrerbesonders aber den3 seines eignen Vaters Er besuchte mehre

Schwarz erscheint erscheint auch so den Andern und diese Uumlber-einstimmung meiner Sinne mit denen des Andern macht ihre objek-tive Wahrheit insofern aus denn dies ist nur eine aumluszligerliche for-melle Wahrheit und Objektivitaumlt Denn die Andern verhalten sichimmer nur darin als einzelne sinnliche Selbste und der Skeptikerkann mit vollem Rechte sagen diese Uumlbereinstimmung selbst allerMenschen uumlber diese Farbe daszlig sie schwarz sei ist mir kein Zeug-nis von der Wahrheit denn alle diese verhalten sich nur als selbsti-sche Einzelwesen diese Uumlbereinstimmung Aller hat nicht mehrGewicht als wenn Du allein es mit Deinen Augen saumlhest zwischenallen jenen Andern und zwischen Dir ganz allein ist gar kein Unter-schied diese Uumlbereinstimmung wuumlrde mir nur dann Zeugnis gebenwenn sie nicht eine formelle waumlre denn sie waumlre eine Uumlberein-stimmung von Unterschieden dh wenn die Andern [] wirklichAndere waumlren wenn sie sich anders verhielten zu dem Objekte alsDu Da sie sich aber eben so zu den Objekten verhalten wie Du soist kein Unterschied also auch keine Uumlbereinstimmung es ist ebenso viel als ob Du ganz allein es saumlhest ganz allein urteilst DieErfahrung ist daher die subjektivste Erkenntnisweise und erst inneurer Zeit daher konnte diese Weise so an Autoritaumlt kommen mitsolchem Erfolg Eifer ausschlieszliglichem Geiste gehandhabt []w[erden] Die Beschaffenheit meines Auges Ohres daszlig ich dieFarbe schwarz sehe haumlngt zwar nicht von meiner willkuumlrlichen Lustauf Glaubenstaumltigkeit ab sondern ist von der Natur und deswegenerscheint diese Erkenntnisweise als die wahrste weil ich dabeinichts tue es nicht von mir abhaumlngt allein die Natur selbst ist sub-jektiv ich bin nur als ein Einzelwesen in meinen Sinnen und als einsubjektives sich auf sich beziehendes Subjekt Das Objekt der Er-fahrung ist daher auch nicht Allgemeines Notwendiges Wahrheitsondern Einzelnes die Natur in ihren Erfahrungen weil ich selbstmich nicht allgemein d i denkend verhalte Das sinnende Subjektverhaumllt sich also nur leidend aber was ist das Leidende ein Subjektein Einzelnes Selbst das Leiden ist also selbst ein Zustand des Ein-zel[nen] ein Einzel[nes] ein subjektives Leiden welches der Naturnach selber subjektiv ist

1 Im Ms folgt gestr unleserl Wort2 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

Sulzbach 1819 S 33 Im Ms folgt des

246

hohe Schulen in Deutschl[and] Frankreich Italien gab sichmit den Lehren des Avicenna Galenus1 ab erkennt aber baldeinen andern Weg2 Unzufrieden mit dem damaligen Zustandder Arznei und Naturwissenschaft und mit den hohen Schulenbegab er sich auf Reisen durchzog fast ganz Europa und holtebei allen Leuten ohne Unterschied des Standes des Charaktersbei Badern Fieber Doctorn Weibern [] Erkundigungen ein3

1527 w[urde] er in Basel als ordentl[icher] Stadtarzt und Pro-fessor der Medizin angestellt4

Aumlrgerliche Umstaumlnde Verdrieszliglichkeiten mit den Aumlrztenund Apothekern vertrieben ihn aus Basel er hielt sich hieraufin mehren Orten auf5 Nachdem er sich so fluumlchtig und unstetin der Welt herumgetrieben hatte fand er einen Freund undGoumlnner an dem Erzbischof von Salzburg er starb daselbst1541 im 48st[en] Lebensjahr 6

1 Galenus Gallenus Ms2 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 43 Vgl ebenda S 54 Vgl ebenda S 65 Vgl ebenda S 86 Vgl ebenda S 25

Am Rande [Im Ms auf der ersten Seite] Zu Paracelsus Die Vor-stellung von der allgem[einen] Sympathie und Harmonie desMensch[en] mit der Natur die Par[acelsus] hatte gehoumlrte schon denGriechen Die Verbindung der Chemie mit der Medizin ist schon beiden Arabern Das Haupteigentuumlml[iche] und [] ist nach Schulz(Damerow D[ie] Elemente d[er] naumlchsten Zukunft der Medizin[Berlin 1829])([] und Schulz [] N 27 Februar 1830) bdquoHippo-krates und Galen erwarteten alle Genesung von der Heilkraft derNatur oder mit Huumllfe derselben Paracelsus im Gegenteil erwartetevon der Heilkraft der Natur nichts und fand nur in den heftigen Ein-griffen heroischer Arznei gegen die Krankheit Huumllfeldquo [Zitat nichtnachgewiesen] Dies lag in s[einer] Ansicht von der Krankheit DieKrankheit ist eine Pflanze welche im Koumlrper keimt und wurzelternaumlhrt bluumlht und Fruumlchte traumlgt ein Mikrokosmos im Mikrokos-mos nun heilt der Koumlrper daran indem man sie vergiftet Daherseine heroischen mineralischen chemischen Arzneipraumlparates[eine] Anwendung der Quecksilbergifte gegen d[ie] Lustseuchedie er entdeckte und zuerst versuchte Hippokrates und Galen unter-stuumltzten die Heilkraft der Natur houmlchstens durch Brech- oder Pur-giermittel weil sie sahen daszlig dieses die Wege waren durch welchedie Natur in gelinden Krankheiten haumlufig gegen sie reagiert und sich

247

Was den Paracelsus so sehr auszeichnet und ihm keine unbe-deutende Stelle am Anfang der neuern Zeit anweist ist dieselbststaumlndige alle Autoritaumlt alles Herkoumlmmliche in der ge-meinen Meinung und Achtung Anerkannte und Bestehendeverschmaumlhend aus sich selbst anfangende Energie seines Gei-stes Daszlig er keine andre Autoritaumlt keinen andren Lehrer aner-kannte als Gott und die Natur Man houmlre nur zB wie er sichgegen diejenigen die ihn einen Landstreicher und Vagabundennannten wegen seiner vielen Wanderungen verteidigt bdquoMeinWandern welches ich bisher verbracht habe hat mir wohlerschlossen weil keinem der Meister im Hause waumlchst odereiner seinen Lehrer hinter dem Ofen hat So sind sie auch dieKuumlnstrsquo nicht verschlossen in Eines Vaterland sondern sie sindausgeteilt durch die ganze Welt ndash Die Kunst geht keinem nachihr muszlig nachgegangen w[erden] Darum habrsquo ich Fug undVerstand daszlig ich sie suchen muszlig und sie nicht mich Auchglaubrsquo ich daszlig ich bisher mein1 Wandern billig verbrachthabe und mir dieses ein Lob und keine Schande sind Denn

von ihnen befreit Par[acelsus] war der Meinung daszlig in den gelin-den Faumlllen wo die Heilkraft der Natur von selbst Herr uumlber d[ie]Krankheit war d[er] Arzt und Arzneimittel unnuumltz seien D[ie] ara-bische Medizin durch Erfindung der stark wirkenden chemisch mi-neralischen Arzneien und Gifte war eine Vorbereitung der Pa-rac[elsischen] Reformation und Par[acelsus] selbst houmlchste Ent-wicklung der alchimistischen Schule Die drei Elemente desPar[acelsus] Mercurius [Quecksilber] Salz Schwefel erhi[elten]ihre Bedeutung im Gegensatz der Elemente und Elementarqualitauml-ten der giech[ischen] Aumlrzte Von den ganz allgemeinen und ab-strakten Beziehungen der Elementarqualitaumlten nach d[em] beson-dren Gegenstand des menschlichen Organismus macht Par[acel-sus] den Fortschritt zur Auffassung des Krankheitsprozesses unterdem Bilde eines chemischen besondern und eigentuumlml[ichen] Vor-gangs Die Krankheit ist in der hippokr[atisch]-galenischen Vor-stellung bloszlig eine Disharmonie in den Elementarqualitaumlten desKoumlrpers selbst bei Paracels[us] hingegen ein persoumlnlicher Feindder sich als ein Keim im Koumlrper gebildet und dann verschanzt hatnur um erst eine Stoumlrung d[er] Qualit[aumlten] zu bewirken die Wahr-heit in d[er] Mitte In einzelnen Faumlllen [] [Vgl Paracelsus DasBuch Paragranum In Der Buumlcher und Schriften des Edlen Hoch-gelehrten und Bewehrten Philosophi unnd Medici Philippi Theo-phrasti Bombast von Hohenheim Paracelsi genannt Ander TheilBasel 1589]

1 mein Im Ms gestr

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das will ich bezeugen mit der Natur wer sie durchforschenwill der muszlig mit den Fuumlszligen ihre Buumlcher treten Die Schriftw[ird] erforscht durch ihre Buchstaben Die Natur aber durchLand zu Land so oft ein Land so oft ein Blatt Also ist codexnaturae also muszlig man ihre Blaumltter umkehrenldquo1 Selbst dieVerachtung Par[acelsi] gegen alle Gelehrsamkeit alles Buuml-cherwesen ist nicht etwa daszlig man sie zu entschuldigenbrauchte sie ist an und fuumlr sich gerechtfertigt dadurch daszlig inihr der neue Geist seine Staumltte fand im Bewuszligtsein jener Pro-duktivitaumlt und der Gewiszligheit aus sich selbst Wahres zu findenbdquoMein Buumlchervorratldquo sagt er bdquoist Jedem bekannt Ich vermagnicht sechs Blaumltter und habe doch soviel vor daszlig ich mit denNamen allein einen Bogen uumlberschreiben koumlnnteldquo2 Auch w[ar]zu seiner Zeit allgemein bekannt daszlig er in 10 Jahren kein Buchgelesen habe ndash Gegen die Aumlrzte gegen die er den schneidend-sten Gegensatz bildete sagte er unter anderem bdquoSaget mirwelches ist zur rechten Tuumlr hineingegangen in die ArzneiDurch den Avicennam Galenum Mesue3 Rhasim etc oderdurch das Licht der Natur Denn da sind zwei Eingaumlnge dereine Eingang ist in den bemalten Buumlchern der andre Eingangist in der Natur Ob es nun billig sei daszlig da ein Aufsehengehalten werde welche Tuumlr der Eingang sei welche nichtNaumlmlich4 das ist die rechte Tuumlr welche das Licht der Natur istdas Andere heiszligt oben zum Dach hineingestiegen denn siestimmen nicht zusammen Anderst sind die Codices scribenti-um [Handschriften] anderst lumen naturae [das Licht der Na-tur]ldquo5

Desgleichen bdquoDer Arzt suche s[eine] Kenntnisse nicht ausBuumlchern sondern aus der Erfahrung zu holen denn derMensch w[ird] nicht aus dem Menschen sondern aus der gro- 1 Vgl Paracelsus Das Erste Buch Die Verantwortung uumlber etliche

Unglimpfungen seiner Miszliggoumlnner In Der Buumlcher und Schriftendes Edlen Hochgelehrten und Bewehrten Philosophi unnd MediciPhilippi Theophrasti Bombast von Hohenheim Paracelsi genanntAnder Theil Basel 1589 S 173-177

2 T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I S 43 Im Ms folgt gestr Rhasim4 Im Ms folgt gestr ist5 Vgl Paracelsus Das Ander Buch Labyrinthus Medicorum genant

In Der Buumlcher und Schriften des Edlen Hochgelehrten und Be-wehrten Philosophi unnd Medici Philippi Theophrasti Bombast vonHohenheim Paracelsi genannt Ander Theil Basel 1589 S 195

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szligen Welt kennengelernt Lesen hat nie einen Arzt gemachtsondern die Praktik Alles Lesen ist nur ein Schemel der Prak-tik und ein Federwisch und waumlre latein[isch] griech[isch] undhebraumlisch Lesen und Schwaumltzen zu einem Arzte genug soglaube ich auch daszlig ein Jeder ganz allein durch d[as] Lesendes Livius ein guter Feldherr w[erden] koumlnnte Die Natur alleinsei unsere Lehrmeisterinldquo1

bdquoAus Gott und der Natur muszlig man sein Wissen nehmen Weranderswoher als aus diesem Grunde lernen will der ist imIrrtum

Das Lernen von Menschen ist aber kein (eigentliches) Ler-nen Es liegt alles schon vorher im Menschenldquo2

bdquoDer wahre Grund aller Erkenntnisse liegt in der mit derWissenschaft vereinigten Erfahrenheit Die Theorie und Praxismuumlssen immer zugleich miteinander gehen Entw[eder] sind siebeide wahr oder beide falsch denn die Theorie ist nichts alsspekulative Praktikldquo3 bdquoWer eine vollendete Kenntnis hatder muszlig zB nicht bloszlig wissen was schwarz ist sondern auchwas schwarz macht etc kurz er muszlig das Aumluszligere ins Innerewenden (aus der Ursache d[ie] Erscheinung erkennen) Dierechte Erfahrenheit ist alle Dinge im Unsichtbaren zu erken-nenldquo4 ndash bdquoD[ie] Philos[ophie] erwaumlchst nicht aus der Spekulati-on sondern aus der wahren Erfahrung welche das Innerezeugt ndash Der einzig wahre Weg zur Wissenschaft (Kunst) istnur die Erfahrung der Naturldquo5 Die Scienz muszlig daher von derArt sein das auch die Augen den Verstand begreifen daszlig sie indie Ohren toumlne wie der Fall des Rheins und die sausendenWinde des Meeres daszlig die Zunge sie fuumlhle wie Honig undGall daszlig die Nase schmecke jeden Geruch des ganzen Sub-jekts denn die Philosophie muszlig auf Erfahrung sich gruumlndenund in ihr enden

Von Paracel[si] eigentlichen Ansichten nehmen wir beson-ders die uumlber Makrokosmos und Mikrokosmos heraus (Rixner56)

1 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 422 Vgl ebenda S 313 Vgl ebenda S 334 Vgl ebenda S 345 Vgl ebenda S 34-35

250

bdquoJeder Stern am Himmel ist nichts als ein geistig gewachsenes(spiritualisches) Kraut dem ein Kraut bei uns auf der Erdenentspricht und jener zieht durch s[eine] anziehende Kraft dasihm entsprechende Kraut auf der Erde an und jedes Kraut istdaher ein irdischer Stern und waumlchst uumlber sich dem Himmel zu

Das Gestirn ist den Kraumlften und der Form nach der Ursprungalles Gesteins und an sich selbst nur ein Stein und das irdischeGestein nur ein Auswurf des himmlischen Die ganze Erdeselbst ist Nichts als ein in Truumlmmern ausgeworfenes und wie-der zusammengeschmolzenes Steinwerk welches in der Mittedes Firmamentes in Ruhe gekommen istldquo1

bdquoBesonders und im vollsten Sinne ist aber der Mensch Mi-krokosmos denn der Mensch ist nach Gottes Bilde geschaffenworden damit er die kleine Welt sei nicht zwar der Form undleiblichen Substanz nach sondern nach allen Kraumlften und Ei-genschaften der groszligen Welt gleich

Im Himmel und [auf] der Erde ist die Form abgerechnetnichts was nicht auch im Menschen waumlre und es ist zwi-schen der groszligen Welt und dem Menschen nur der Unter-schied daszlig der Mensch in eine andre Form Gestalt und Sub-stanz geschaffen ist ohne daszlig deswegen die Eigenschaftenveraumlndert w[orden] waumlren ldquo2

bdquoEr ist also der Sohn der ganzen Welt und verhaumllt sich zuderselben wie ein Extrakt zu dem woraus es gezogen wordenund die Welt ist in dem Grade schwaumlcher als sie vom fuumlnftenWesen verloren hat (Naumlmlich der Mensch ist aus den VierenErde Luft Wasser und Himmel gezogen und daher die quintaessentia)ldquo3

bdquoDer Mensch ist daher in der Mitte und d[er] Mittelpunktaller Kreaturen um welche alle aumluszligern Sphaumlren und Kreisegehen denn seinetwegen sind sie erschaffen Deswegen nimmtsie der Mensch auch alle auf

Daher hat der Mensch viele tausend Vaumlter und Muumltter wel-che alle in ihm sindldquo4

bdquoUumlber die Prinzipien aller DingeDas Wort Fiat [Es werde] durch welches alles entstanden

ist war dreifach denn die Dreieinigkeit hat es ausgesprochen 1 Vgl ebenda S 562 Vgl ebenda S 573 Vgl ebenda S 584 Vgl ebenda S 59

251

Daher ist jede Kunst welche in der Natur mehr als drei Prinzi-pien sucht falsch Diese drei sind erste Materie und Eins wieGott Eins ist Wie aber in der Gottheit drei1 Personen sindwelche nach ihren persoumlnlichen Funktionen oder Verrichtungen(officio) verschieden sind also auch die drei Ersten2

Diese drei haben Eine Mutter naumlmlich das WasserIhre Namen sind Sulphur [Schwefel] Mercurius [Quecksil-

ber] und Sal [Salz] (oder Resina [Harz] Liquor (Gotaronium)und Balsam[icum]) Dem physischen Koumlrper koumlmmt auszligerihnen nichts mehr hinzu als das Leben und was zum Lebengehoumlrt - Nur im Tode der Dinge offenbaren sie sich

Zwar koumlnnen wir die materia prima [Urstoff] nicht erklaumlrenAber der Sulphur spiegelt sich ab in unserm gewoumlhnlichenSchwefel der Mercurius in unserm Quecksilber das Sal in

1 Im Ms folgt Per-2 Am Rande Par[acelsus] nimmt (Tennemann S 213 IX B[and])

[W G Tennemann Geschichte der Philosophie IX Bd Leipzig1814 S 213-214] 3 oder 4 Uranfaumlnge der Dinge an d[as] astrumdie radix d[as] elementum und das Sperma d[as] Vehikel des wah-ren Samens Alle diese Uranfaumlnge w[erden] in dem Chaos oder wiees Par[acelsus] nennt dem myster[ium] magnum eingeschlossendas astrum ist s[eine] taumltige Kraft d[ie] der formlosen Materie dieForm mitteilte und ihre Bildung vollendete Diese Astra s[ind] wievernuumlnftige Wesen anzusehen sie sodomieren und adultieren aberso wie andere Kreaturen Jedes Astrum zieht d[as] Kraut und Me-tall nach Willkuumlr aus dem Myst[erio] magno hervor mit welchemes verwandt ist und gibt der Wurzel derselben astrali[sche] FormD[ie] wahren Elemente s[ind] S[al] Mer[ciurius] Sulph[ur] nichtdiese sichtbaren Koumlrper sondern die unsichtbaren astralischen Dasastralische Salz ist der Grund der Konsistenz der Koumlrper und ihresRuumlckstandes nach dem Verbrennen Der siderische Schwefel machtdurch astralische Einfluumlszlige belebt den Grund des Wachstums derKoumlrper und des Verbrennens selbst aus Das siderische Quecksilberist der Grund der Fluumlssigkeit und des Verrauchens D[ie] [Im Msfolgt gestr Zus] Zusammenkunft dieser 3 Koumlrper macht d[en]Koumlrper aus Daraus bildeten sich die Nachfolger des Paracels[us]folgende 3 Harmonien

Seele Geist LeibQuecksilber Schwefel SalzWasser Luft Erde

252

unserm Salze Aber alle drei zusammen sind der Ursprung(Limbus) der Elementeldquo1

bdquoSulphur ist naumlmlich der Grund der Koumlrperlichkeit Sal derGrund des Zusammenhangs (congelation [Verdichtung]) undder Farben Mercurius der Saft in dem er lebt (Liquor in demer steht) und gibt d[ie] Eigenschaften Kraumlfte und verborgenenWirkungen (Arcana)

Daszlig alle Dinge aus Dreien bestehen muumlssen ist schon darausklar weil sie nicht vergehen koumlnnten wenn sie Eins waumlrenwas doch allein geschiehtldquo2

Nahrung des M[enschen]bdquoIm Leibe verteilt sich alles was von auszligen und innen

kommt in die Glieder Von innen koumlmmt alles was durch denMund eingeht Allein dieses reicht nicht hin den Menschen zuerhalten Von auszligen kommt alles was der Mensch durch dieHaut an sich zieht Dadurch koumlnnen Menschen wie Beispielelehren mehrere (bis auf 20) Jahre ohne Nahrung von innenleben Was nun (auf diese oder jene Art) in den Mensch[en]koumlmmt verteilt sich in alle3 Teile wo es sich durch die Wir-kung der Glieder selbst in sie verwandelt

Unsere Nahrung ist also das was wir selbst sind und wiressen daher uns selbst Ohne Nahrung waumlre kein Ding was esist Die Nahrung ist aber keine Anfuumlllung sondern eine For-merstattung denn die Form stirbt ohne die Hinzusetzung vonauszligen weil in uns ein Feuer ist welches Bild und Form ver-zehrt Daher muszlig das was wir essen alle Glieder in sich ha-ben Was der bildenden Kraft zur Ersetzung der Glieder taugtnimmt sie daraus und wirft d[ie] uumlbrigen durch den Stuhl ausldquo4

An den Paracelsus schlieszligen sich an Johann Baptista vanHelmont 1577 geb[oren] zu Bruumlssel (ortus medicinae ieinitia physicae inaudita)5 dagger 1644 Ferner Franciscus Mercurius

1 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 622 Vgl ebenda S 643 Im Ms folgt gestr Glieder4 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 1115 J B v Helmont Ortus medicinae Id est initia physicae inaudita

Amsterodami 1648

253

van Helmont (Opuscula philosophica)1 geb[oren] zu Vilvorden1618 Ferner ist hieher zu zaumlhlen Robert Flud[d] geb[oren]1574 ein gebor[ner] Englaumlnder medicina catholica2 - Rob[ert]Flud[d] alias de fluctibus Utriusque cosmi majoris scilic[et] etminoris metaphysica physica atque technica historia [Op-penhemii] 1617 Sie gehoumlren hierher inwiefern Natur wesent-licher Gegenstand und Zentrum ihres Geistes ist ihre An-schauungsweise ist aber Mystizismus Vereinigung von pla-ton[ischen] und kabbalist[ischen] Gedanken

Dem Paracelsus dem wiefern bei aller Tiefe und Spekulationdoch die sinnlich wirkliche Natur wesentliches Objekt desGeistes ist und in ihm und in dem das Prinzip der neuern Zeitwie es in sich das Prinzip der Erfahrung und die Erfahrungselbst als ein Moment in sich begreift zuerst und eben deswe-gen auf diese und keine andere Weise aussprach und verwirk-lichte kann [man] gegenuumlberstellen den Lord Baco v[on]Verulam den Apollo den heiligen Schutzpatron und Messiasaller Empiristen der das bloszlige Moment der Erfahrung Entdek-kung und Beobachtung fuumlr sich allein fixierte als das einzigeHeil der Menschheit aussprach und in dem daher das Prinzipder neuern Zeit nur als das Prinzip der Erfahrung sich aus-sprach Er kann wohl als der Erste genannt werden der denSchleier am Tempel der Isis der so lange die Natur dem Augeder in die eigne Tiefe oder die Tiefe Gottes versenktenMenschheit entzog luumlftete und die Natur in ihrer sinnlichenGestalt zum Objekte sinnlicher Erfahrung und sinnlicher Be-obachtung3 erhob Das Prinzip einer Philosophie ist ihr Geistdieser Geist ist aber naumlher die Methode Abgesehen von denvielen brillanten Saumltzen und Sentenzen die wie Vorstecknadelndaher auch an4 den Vorreden und Titelblaumlttern unzaumlhlig vielernaturwissenschaftlichen Buumlcher prangen abgesehen davondaszlig Baco schon einen Organismus der Wissenschaft zu gebenversuchte so ist wenn man weiszlig was Geist und Wesen istund wie man nach Geist und Wesen charakterisieren muszlig die

1 F M v Helmont Opuscula philosophica Quibus continentur

Principia philosophiae antiquissimae et recentissimae ac Philoso-phia vulgaris refutatae Amstelodami 1690

2 R Fludd Medicina catholica seu Mysticum artis medicandi sa-crarium In t divisum 2 Francofurti 1629ndash1631

3 Beobachtung Anschauung Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr un

254

Baconische Philosophie damit ganz in ihrem Wesen charakteri-siert und dargestellt wenn man sagt sie ist eine Anweisungaber freilich nicht zum seligen Leben sondern dazu Erfindun-gen und Erfahrungen zu machen seiner Philosophie Inhalt istdas Prinzip die Methode der Erfahrung schlecht ausgedruumlcktund gefaszligt das Mittel zu erfahren als den Inhalt derselben derBaconischen Philosophie kann man ansehen alle Entdeckungenund Erfindungen die in neuern Zeiten gemacht worden sindDie Erkenntnis der Natur die sein Prinzip ist ist die durchErscheinungen vermittelte innerhalb des Kreises der Erschei-nungen bleibende durch Erscheinung die Erscheinung begruumln-dende Erkenntnis der Erscheinungen Die Erfahrung wie sie indiesen Zeiten aufkam und noch lebt stellt man sich oft vor alseinen Standpunkt der sich von selbst versteht als ein unmittel-bar Erstes dem Geiste oder dem Menschen Zunaumlchstliegendesja man wundert sich daruumlber wie sich die Menschen sosehrvon der Quelle von ihrer naumlchsten Bestimmung und Be-ruf[ung] entfernen konnten Aber der Standpunkt der Erfah-rung ist nicht ein absoluter ein erster sondern ein selbst ge-setzter abhaumlngiger vermittelter vielmehr setzt die Art derErfahrung die in unsern Zeiten gilt als die einzig wahre unddem Menschen moumlgliche Erkenntnis eine Entfremdung Ali-enation eine Entfernung des Geistes und des Menschen vonsich weg voraus In der Erfahrung ist der Geist auszliger sich Daswahrhaft Erste Naumlchste wahrhaft Unmittelbarste in dem We-sen der Menschen ist die Philosophie wie auch die Geschichtebeweist Das Sinnliche ist nicht durch sich selbst unmittelbarernaumlchster Gegenstand des Menschen er ist nur Gegenstanddurch den Geist setzt also diesen voraus sowenig das Sinnli-che selbst Erstes Unmittelbares ist sowenig ist die sinnlicheErkenntnis wahrhaft erste unmittelbare Erkenntnis von demwas nicht selbst Erstes ist1 ist auch die Erkenntnis nicht dieErste Das Sinnliche ist nur ein mittelbares und die sinnlicheErkenntnis nicht nur ihrer Natur nach eine mittelbare ohneAnfang und Ende sondern auch ihrem Grunde nach eine ver-mittelte Das Selbstbewuszligtsein des Geistes2 war und ist dasimmanente und verborgene Prinzip der3 Zeit die geistig sinnli-che Existenz derselben ist das Selbst das empirische gemein- 1 Im Ms folgt gestr gilt2 Im Ms folgt gestr war und3 Im Ms folgt gestr neuern

255

same Ich die sinnliche Erscheinung davon daszlig im Grunde undWesen der Weltgeschichte [] der Geist sein Selbstbewuszligtseinfuumlr sich rein erfaszligt war daszlig das eig[ent]l[iche] Selbst sicherfaszligt das einzelne Selbst erfaszligt sich nur im Wesen und Geistsich entfremdend sich herausziehend aus aller Tiefe ein Ge-gensatz ist unzertrennlich von s[einen] Gegensaumltzen Das In-sichsein des Selbstes ist das []1 an-sich-Sein des GeistesBaco beginnt daher mit der Ausrottung der menschl[ichen]Idole

1 Durch Beschaumldigung des Ms nicht lesbar

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[Zur V Vorlesung ndash Bruno Campanella ndash Monismus]1

bdquoIntelligentia est divina quaedam vis insita rebus omnibuscum actu cognitionis qua omnia intelligunt sentiunt et quo-modocunque cognoscunt2 In omnibus vel minimis est cognitioquamvis intelligentiam in quibusdam propter defectum orga-norum non videmus actuldquo3

bdquoDie Intelligenz ist eine gewisse goumlttliche Kraft allen Dingeneingepflanzt vermoumlge deren sie Alles verstehen empfindenund in irgendeiner Weise erkennen In allen auch den gering-sten ist Erkenntnis obgleich wir in einigen die Intelligenzwegen des Mangels an Organen nicht taumltig erblickenldquo (Gior-dano Bruno)

Alles ist der Substanz nach Eins sagt Giordano Bruno4 diegeistige und koumlrperliche Substanz obwohl verschieden redu-zieren sich doch zuletzt auf Ein Sein und Eine Wurzel DieMaterie ist nicht ausgeschlossen von den unkoumlrperlichen Din-gen und der Geist nicht von den materiellen Nein der Geistfindet sich vielmehr in allen Dingen jedes Ding sei es auchnoch so gering hat etwas Geistiges in sich alle Dinge sindbelebt und beseelt wenn auch nicht der Tat der Erscheinungso doch dem Wesen nach Die Welt sagt Campanella5 ist ganzSinn Leben Seele alle ihre Teile empfinden und erfreuen sichdes gemeinsamen Lebens Koumlnnen Wissen Lieben oder Wollen(zuerst die Potentia das Daseinkoumlnnen dann die Sapientiaoder Intelligenz zuletzt der Amor das Verlangen) ist das We-sen aller Dinge denn Alles was ist kann sein will und weiszligdaszlig es ist Was nicht weiszlig was ihm zutraumlglich oder verderblichist kann nicht existieren Selbst die Pflanze unterscheidet dieassimilierbaren Stoffe von den unbrauchbaren den auszuschei-denden selbst der Knochen fuumlhlt denn er ernaumlhrt sich undwaumlchst Keine Ernaumlhrung ist aber moumlglich ohne Wahrnehmung

1 Text aus BwN 1 Bd S 317-318 uumlbernommen Dort unter dem

Titel Giordano Bruno und Campanella uumlber die houmlchsten Prinzipi-en Der Traum des Monismus Beilage in A nicht beruumlcksichtigt

2 G Bruno Jordani Bruni Nolani Opera Latine Conscripta 1 Bd4 Tl Stuttgart-Bad Cannstatt 1962 S 103

3 Ebenda S 1074 Vgl G Bruno De la causa principio et Uno Venetia [ie London]

15845 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia Francofurti 1620

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ohne Empfindung der passenden Nahrungsmittel ja selbst diehaumlrtesten Dinge die Steine sind nicht ganz empfindungslos1

So schreibt der Italiener allen Dingen Seele allen ObjektenSubjektivitaumlt zu Er kennt keinen Unterschied zwischen sichund dem Objekt2 keinen Gegensatz zwischen Mensch undNatur zwischen Geist und Materie er lebt und webt nur imGedanken der Einheit Und er bleibt nicht nur bei dem Allge-meinen dieses Gedankens stehen er fuumlhrt die Identitaumlt desGeistes und der Materie der Vernunft und Sinnlichkeit bis insSpezielle durchEs gibt nicht sagt Campanella eine vernuumlnftige eine zuumlrnendeund eine begehrende Seele es gibt nur Eine Seele die sinnli-che Begierde ist nicht unvernuumlnftig oder der Vernunft entge-gengesetzt denn sie hat einen vernuumlnftigen Zweck die Erzeu-gung und wird durch den Anblick der Schoumlnheit erweckt aberdie Wahrnehmung der Schoumlnheit ist eine Sache der VernunftEbenso wenig ist der Sinn der Vernunft entgegengesetzt derSinn ist vielmehr Weisheit oder ein Funke der goumlttlichen Weis-heit Nur das sinnliche Wissen ist gewisses zweifelloses Wis-sen Der Sinn braucht keinen Beweis er ist selbst der BeweisDer Sinn ist das vorzuumlglichste Licht nur er klaumlrt alle Dunkel-heiten und Zweifel auf Niemand fragt disputiert und raumlsoniertjetzt noch daruumlber ob es eine neue Welt gibt nachdem sie vonColumbus entdeckt worden [ist]

1 Der Glaube des Volkes an Nixen Feen Kobolde u dgl die ganze

ehrbare Maumlrchenwelt des Volkes ist nicht ein aberglaumlubisches son-dern tiefes Naturgefuumlhl von der Alleinheit und Allgegenwart desGeistes das darin kindlich ist daszlig es den Geist der Natur in der Ge-stalt und Bestimmtheit der Persoumlnlichkeiten faszligt

2 Gleichwohl sagt Campanella daszlig alle Irrtuumlmer davon herruumlhrendaszlig wir die Dinge so denken wie wir sind Aber wie dies zu verste-hen ergibt sich sogleich aus dem folgenden Beispiel Ventos nil vi-dere putamus quoniam oculos non habent sicut nos bdquoWir glaubendie Winde sehen nichts weil sie nicht Augen haben wie wirldquo [TCampanella] De Sensu rerum et Magia II c 21 [T CampanellaDe sensu rerum et magia hellip a a O Lib II cap XXI S 130]

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[Zur V Vorlesung ndash Bruno ndash Vom Unendlichen]1

[hellip]2 bdquoes gehoumlrt nicht gefaszligt w[erden] zu koumlnnen und wederGrenze noch Ende noch irgend eine letzte Bestimmung zuhaben Es ist also unendlich und unermeszliglich folglich auchunbeweglich Seinen Ort kann es nicht veraumlndern weil auszligerihm kein Ort vorhanden ist Es w[ird] nicht erzeugt weil allesDasein sein eignes Dasein ist Es kann nicht untergehen weilnichts ist worin es uumlbergehen koumlnnte Es kann weder wachsennoch abnehmen weil sich das Unendl[iche] zu dem keineVerhaumlltnisse passen sowenig vermindern als vermehren laumlszligtEs ist keinem Wechsel unterworfen weder von auszligen da ihmnichts aumluszligerlich ist noch von innen weil es alles was es seinkann zugleich und auf Einmal ist Seine Harmonie ist eineewige Harmonie und die Einheit selbst Es ist nicht Materieweil es keine Figur keine Grenze hat noch haben kann Es istnicht Form und erteilt keine Form noch Gestalt weil es selbstJedes und das Gesamte Eins und Alles ist Es kann3 wedergemessen noch zum Maszlig genommen w[erden] Es faszligt undumfaszligt sich selbst nicht weil es nicht groumlszliger ist als es selbstEs w[ird] nicht gefaszligt noch umfaszligt weil es nicht kleiner ist alses selbst Es vergleicht sich nicht4 und kann nicht verglichenw[erden] weil es nicht eins und ein andres sondern Eins unddasselbe ist

Da es Eins und dasselbe ist so hat es nicht ein Sein und einandres Sein und weil es nicht ein Sein und ein andres Sein hatso hat es auch nicht Teile und andre Teile und weil es nichtTeile und andre Teile hat so ist es nicht zus[ammen]gesetzt Esist auf gleiche Weise das Gesamte und ein Jedes Alles undEins also Grenze und dennoch keine Grenze Form und den-noch keine Form Materie und dennoch keine Materie Seeleund dennoch keine Seeleldquo5 bdquoWo kein Maszlig ist da sind keineVerhaumlltniss[e] noch uumlberhaupt Teile welche sich vom Ganzenunterscheiden Ein Teil des Unendlichen waumlre selbst ein Un- 1 Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Text beginnt im Satz Vorangehende Seite fehlt3 Im Ms folgt gestr so []4 Im Ms folgt gestr noch5 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno von Nola Beylage I zu den

Briefen uumlber die Lehre des Spinoza In Friedrich Heinrich JacobirsquosWerke 4 Bd 2 Abth Leipzig 1819 S 35-36

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endliches also Eins mit dem Ganzen Es kann folglich 1 in derunendlichen Dauer auch d[ie] Stunde nicht vom Tag d[er] Tagnicht2 vom Jahr d[as] Jahr nicht3 vom Jahrh[undert] d[as]Jahrh[undert] nicht vom Augenblick unterschieden w[erden]denn das Eine hat zur Ewigkeit nicht mehr Verhaumlltnis als dasandre Auch du bleibst immer eben weit vom Unendlich[en]entfernt und auszliger allem Verhaumlltnisse geg[en] dasselbe dumagst Mensch eine Ameise oder eine Sonne sein Dasselbegilt von allen einzeln[en] Ding[en] ohne Ausnahme weil derBegriff des Unendlich[en] alle Einz[e]lheiten und Verschie-denheit[en] alle Zahl und Groumlszlige aufhebt Im Universo ist derKoumlrper nicht vom Punkt d[as] Zentrum nicht von der Periphe-rie das Endliche nicht vom Unendlichen d[as] Groumlszligte nichtvom Kleinsten unterschieden Es ist lauter Mittelpunkt odersein Mittelpunkt ist uumlberall und sein Umkreis nirgend Darumwar es keine leere Rede wenn jene Alten von dem Vater derGoumltter sagten er erfuumllle alle Dinge hab[e] in jedem Teil desWeltalls s[einen] Sitz sei d[er] Mittelpunkt eines jedes We-sens Eins in Allem und derjenig[e] durch welchen Eins Allesist Die einzelnen Dinge welche sich unaufhoumlrlich veraumlndernsuchen kein neues Dasein sondern nur eine andre Art des Da-seins Sie sind aber sie sind nicht alles was sein kann in derTat und zugleich Dieselbe Kontraktion der Materie d[ie] d[ie]Form eines Pferdes bestimmt kann nicht zugleich d[ie] Formeines Mensch[en] einer Pflanze oder sonst eines einzelnenDings4 bestimmen Alle gehoumlren zu Einem Dasein nur nichtauf dieselbe Weise Das Universum begreift aber nicht alleinalles Dasein sondern auch alle Weisen des Daseins in sich esist Alles was sein kann in der Tat zugleich vollkommen undauf eine schlechterdings einfache Weise Was die Verschie-denheiten der Dinge Zahl Maszlig und Verhaumlltnis ausmachtberuhet auf Zus[ammen]setzung Figur und andern Modifika-tionen der Substanz welche in sich immer dieselbe bleibt Indiesem Sinne sagt Salomo es gescheh[e] nichts Neues unterder Sonne Alles ist Eitelkeit auszliger dem unvergaumlnglich allge-

1 Im Ms folgt gestr nicht2 nicht o Ms3 nicht o Ms4 Im Ms folgt gestr sein

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genwaumlrtigen Einzigen seine Substanz ist die Einzige Substanzalles auszliger ihm ist Nichts1

Die zahllose Menge der Wesen befindet sich also im Weltallnicht wie in einem bloszligen Behaumllter oder Raume sondern essind diese Heere der einzelnen Dinge gleich den Saumlften unddem Blute in dem Leben eines Leibes2 Wie die menschlicheSeele unteilbar und nur Ein Wesen dennoch jedem Teile ihresLeibes ganz gegenwaumlrtig ist indem sie zugleich d[as] Ganzedesselben zusammenhaumllt traumlgt und bewegt so ist auch d[as]Wesen des Weltalls im Unendlichen Eins und nicht weniger injedem der einzelnen Dinge welche von uns als Teile desselbenangesehen w[erden] gegenwaumlrtig so daszlig in der Tat das Ganzeund jeder Teil der Substanz nach nur Eins ist Diese nanntedaher Parmenides mit Recht das Eine Unendliche Unwandel-bare3 hellip

1 Vgl Prediger 12 und 192 Leibes Lebens Korr im Ms3 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 36-40 ndash

Parmenides Fragmente des Parmenides Gesammelt uumlbersetzt underlaumlutert von G G Fuumllleborn Zuumlllichau 1795 Kap I S 56-58

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[Zur IX Vorlesung ndash Pascal ndash Aus seinem Leben1]

2 Blasius Pascal zu Clermont geb[oren] 1623 Schon in fruumlh-ster Jugend Proben auszligerordentl[ichen] Geistes Nach dem Tods[einer] Mutter 1626 wandte sich der Vater mit groumlszligter Sorgfaltauf s[eine] Familie (er hatte nur noch 23 Schwestern) und gabihm selbst Unterricht er hatte nur seinen Vater zum Lehrer1631 zog4 der Vater nach Paris was vorteilhaft natuumlrl[ich] fuumlrdie Erziehung war Der Vater lehrte ihn im Allgemeinen wasdie Sprachen seien Oft sprach der Vater mit ihm von auszligeror-dentl[ichen] Wirkungen der Natur5 Er hatte groszlige Freude andieser Unterhaltung aber er wollte den Grund von allen Din-gen wissen Schlechte Gruumlnde befriedigten ihn nicht Immerund in allen Dingen war die Wahrheit sein einziger Gegen-stand denn nichts konnte ihn befriedigen als seine ErkenntnisPuisque jamais rien ne6 le pu satisfaire que sa connaissanceAinsi degraves son enfance il ne pouvait se rendre qursquoagrave ce qui luiparaissait vrai eacutevidemment de sorte que quand on ne lui disaitpas de bonnes raisons il en cherchait lui-mecircme et quand ilsrsquoeacutetait attacheacute agrave quelque chose il ne la quittait point qursquoil nrsquoeneut trouveacute quelqursquoune qui le put satisfaire Une fois entre autresquelqursquoun aiant frappeacute agrave table un plat de faiumlence avec un cous-teau il prit garde que cela rendait un grand son maisqursquoaussitocirct Qursquoon eut mis la main dessus cela7 lrsquoarrecircta Ilvoulut en mecircme temps en savoir la cause et cette expeacuterience leporta agrave en faire beaucoup drsquoautres sur les sons Il y remarquatant de choses qursquoil en fit un traiteacute agrave lrsquoacircge de 12 ans qui futtrouveacute tout agrave fait bien raisonneacute8 [Fast niemals konnte ihn etwaszufriedenstellen als sein Wissen Seit seiner Kindheit konnteihn nichts mehr interessieren als das was ihm wirklich alswahr erschien solcherart daszlig man ihm nicht die wahren Hin-

1 G Perier La vie de M Pascal eacutecrite par Madame Perier sa soeur

In Penseacutees de M Pascal sur la religion et sur quelques autres su-jets La Haye 1743

2 Am Rande r o Zur Geschichte der Philosophie3 2 Eine Korr im Ms4 Im Ms folgt sich5 Im Ms folgt gestr unleserl Wort6 Im Ms folgt la ( le)7 Im Ms folgt lrsquoarresta8 G Perier La vie de M Pascal hellip a a O S 7-8

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tergruumlnde sagte die er in ihnen vermutete und wenn er sich anetwas festgemacht hatte verlieszlig er es nicht bis zu dem Punktan dem er etwas gefunden hatte was ihn befriedigen konnteEinmal von vielen Malen hatte jemand am Tisch eine Fayence-Schuumlssel mit einem Messer angeschlagen er paszligte darauf aufdaszlig dies einen groszligen Klang abgab aber sobald wie jemanddie Hand daruumlber gelegt hatte houmlrte er auf Er wollte in dem-selben Augenblick den Grund davon wissen und dieses Expe-riment bewegte ihn dazu noch viel mehr andere [Experimente]daruumlber zu machen Er stellte dabei so viele Dinge fest daszlig erdavon eine Abhandlung im Alter von zwoumllf Jahren machte diedurch und durch fuumlr gut durchdacht befunden wurde] Schonim zwoumllften Jahr zeigte sich sein Genie zur Geometrie DerVater der gelehrt in d[er] Mathem[atik] war wollte weil erihn in den Sprachen unterrichten wollte und wuszligte daszlig dieMathematik eine den Geist befriedigende W[issen]schaft istwollte nicht daszlig er eine Kenntnis davon habe Trotz aller Vor-sichtsmaszligregeln des Vaters w[urde] der Sohn neugierig batden Vater sie ihn zu lehren er aber schlug es aus Einst fra-gend was diese Wiss[enschaft] waumlr[e] und wovon sie handleunter[richtete] der Vater daszlig sie waumlre das Mittel gerade Figu-ren1 zu machen und die Verhaumlltnisse dersel[ben] untereinanderzu finden zugleich verbot ihm aber der Vater davon mehr zusprechen und daran zu denken Nach dieser einfachen Eroumlff-nung uumlber die Mathem[atik] fing er selbst an daruumlber nachzu-denken in den Stunden der Erholung und indem er allein ineinem Saale war in dem er sich zu ergoumltzen pflegte nahm erKohle und machte Figuren indem er die Mittel suchte Figurenzu machen z B ein[en] vollkommen runden Zirkel ein Drei-eck2 deren Seiten und Winkel gleich waumlren Er fand dies allesallein endlich suchte er die Proportionen der Figuren unterein-ander Allein er wuszligte selbst nicht die Namen Er w[urde]gezwungen sich selbst Definitionen zu mach[en] er nannteeinen Kreis3 eine Runde eine Linie eine Stanze Nach diesenDefinitionen machte er sich Axiome und endlich machte ervollkommen[e] Beweise er trieb so s[eine] Untersuchungenbis zum 32 Satz im ersten B[uch] Euklids Einst traf ihn seinVater uumlber diesem Geschaumlft Erstaunt voll Freude uumlberlieszlig er 1 Erg im Ms justes fig[ures]2 Dreieck Δ Ms3 Im Ms darunter gestr Zirkel

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ihn s[einer] Neigung und gab ihm Euklid um in den Erho-lungsstunden ihn zu lesen Er las und verstand ihn ganz alleinIndes [ver]wandte er nur die Erholungsstunden auf das Studi-um der Geometrie denn er lernte Latein nach den Regelns[eines] Vaters Die Mathem[atik] befriedigte ganz s[einen]Geist und trotz der wenigen Zeit die er darauf verwendetemachte er im 16ten Jahr eine Abhandl[ung] des coniques[die] Kegelschnitte welche galten fuumlr die houmlchste Kraft desGeistes W[urde] aber nie gedruckt Waumlhrend dem [uumlber]setzteer immer fort Latein und Griechisch der Vater unterrichtet[e]ihn in Physik Philosophie

Seit dem 18 [Lebensjahr] verdarb s[eine] Gesundheit dochhatten die Unpaumlszliglichkeiten noch keine groszlige Wirkung in dieserZeit und im 19 Jahr erfand er eine Rechenmaschine durchwelche man nicht nur jede Art von Rechnung macht ohne Fe-der und Rechenpfennige (jetton) sondern auch selbst ohnearithmetische Regel zu verstehen und mit einer unfehlbarenSicherheit Durch die Anstrengungen die ihm besonders dieseArbeit machte kam er in Unpaumlszliglichkeiten die ihn nie verlie-szligen er selbst sagte seit meinem 18 Jahr verging kein Tagohne Schmerz minus Im 23 Jahre sah er das Experiment des Torri-celli er erfand und bewerkstelligte hernach die anderen Ex-per[imente] Dies war die letzte Beschaumlftigung wo er seinenGeist fuumlr die menschliche Wissensch[aft] anwand[te] dennobgleich er nachher erfand das Walzenrad la Roulette so fander sie doch ohne daran zu denken Unmittelb[ar] nach diesenExperiment[en] und im 24 Jahr noch nicht lieszlig die VorsehungGottes die Gelegenheit kommen die ihn veranlaszligte freie Buuml-cher zu lesen die Wahrheit der christl[ichen] Relig[ion] nurfuumlr Gott zu leben keinen andern Gegenstand als ihn zu habenschien ihm so evident notwendig und nuumltzlich daszlig sie alles[eine] Unters[uchungen] endigten so daszlig er von dieser Zeit anaufgab alle andern Erkenntnisse um sich allein auf die Sachezu legen die J[esus] C[hristus] notwendig nennt Er war bisherbewahrt w[orden] vor allen Lastern der Jugend und vor derFreigeisterei Sein Vater hatte ihn seit s[einer] Kindheit Ach-tung eingefloumlszligt fuumlr die1 Religion indem er ihm zum Prinzipgab daszlig alles was Gegenstand des Glaubens ist nicht Ge-gen[stand] der Vernunft sein darf Da er2 obwohl noch jung 1 Im Ms folgt gestr Tugend2 Da er Daher Ms

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die Freigeister als Leute ansah die in dem falschen Prinzipsind daszlig die menschl[iche] Vernunft uumlber allen Dingen ist unddie nicht die Natur des Glaubens erkennen Und so war diesergroszlige so umfassende vaste [unermeszligliche] und von Kenntnis-sen curiosites erfuumlllte Geist der mit solcher Sorgfalt denGrund und die Ursache von allem suchte zu fruumlher Zeit allenDingen der Religion wie ein Kind unterworfen und diese Ein-fachheit herrschte in ihm sein ganzes Leben durch so daszlig erselbst seitdem daszlig er sich entschloszlig kein anderes Studium alsdas der Religion zu treiben in sich legte auf die neugierigenFragen der Theologie und er alle Kraft seines Geistes daraufsetzte zu erkennen und auszuuumlben die Vollkommenheit derchristl[ichen] Moral welcher er geweiht hatte alle Talente dieGott ihm geschenkt hatte indem er nichts andres tat in demganzen uumlbrigen Leben als dem Gesetz Gottes Tag und Nachtnachzudenken S[eine] Krankheiten mehrten sich immermehr Seiner Gesundheit wegen begab er sich in die Weltallein er zog sich bald zuruumlck aus der Welt und bestimmte bisan sein Ende sein Leben nach den zwei Maximen allen Ver-gnuumlgen und allen Uumlberfluumlssig[em] zu entsagen Er w[urde]jedoch in seiner Zuruumlckgezogenheit von Leuten von groszligemGeist die den Gedanken hatten sich zuruumlck[zu]ziehen und umseinen Rat baten und solchen die zweifelten [aufgesucht] Eruumlbte die groumlszligte Strenge gegen sich aus Seine letzten vier Jahrew[aren] nur fortgesetzte Mattigkeit1 Sein Uumlbel erneuerte sichmit Zahnschmerzen Er w[ar] schlaflos In diesen Nacht-wach[en] kamen ihm2 eine Nacht auch ohne Vorhaben einigeGedanken uumlber die Lehre von der Walze Roulette in denGeist Ein Gedanke folgte dem andern und diese Menge vonnacheinanderfolgenden Gedanken entdeckten ihm gleichsamgegen seinen Willen die Demonstration von allen diesen Din-gen Waumlhrend seiner langen Krankheit hatte er immer die zweigroszligen Maximen vor Augen allem Vergnuumlg[en] und allemUumlberfluszlig zu entsagen Quand la necessiteacute le contraignait agrave fairequelque chose qui pouvait lui donner quelque satisfaction ilavait une adresse merveilleuse pour deacutetourner son esprit afinqursquoil ne prit point de part par exemple ses continuelles mala-dies lrsquoobligeant de se nourrir3 deacutelicatement il avait un soin tregraves- 1 fortgesetzte Mattigkeit Mattigkeit fortgesetzte Ms2 ihm ihn Ms3 nourrir noutrir Ms

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grand de ne point goucircter ce qursquoil mangait1 [Als die Notwen-digkeit ihn dazu zwang irgend etwas zu tun was ihm Befriedi-gung verschaffen konnte hatte er eine wunderbare Adresse umdorthin seinen Geist hinzuwenden so daszlig er sich erholenkonnte zum Beispiel zwangen ihn seine staumlndigen Krankhei-ten sich vorsichtig zu ernaumlhren er hatte eine sehr groszlige Sorgenichts von dem zu schmecken was er aszlig]

1 G Perier La vie de M Pascal a a O S 28-29

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[Zur X Vorlesung ndash Spinoza ndash Gott und Natur]1

2512 Gott in Beziehung auf die daseiende Welt beilegenkoumlnnen wir ihm nicht beilegen vor der Welt Also um abzuse-hen von andern christl[ichen] Lehren daszlig Gott Mensch gewor-den ist usw so w[ird] doch selbst in Gott tief genug eine Artvon Entwicklung und Geschichte gesetzt Wo keine Persoumln-lichkeit keine Individualitaumlt ist da ist kein Werden keineEntwicklung im eigentlich[en] Sinn denn die Individualitaumlt istdas Principium und die Moumlglichkeit des Endlichen erst miteinem persoumlnlichen Gott wird Endliches uumlberhaupt gesetzt erstmit dem Dasein eines persoumlnlichen Gottes ist3 selbststaumlndigesDasein des Endlichen des Bestimmten des Besondern moumlg-lich denn um nur daran zu erinnern Persoumlnlichkeit Indi-vid[ualitaumlt] ist Sammlung auf sich selbst Ausscheidung einesandern des Gegenstaumlndlichen uumlberhaupt erst mit ihr ist Unter-scheidung Trennung Entzweiung gegeben eben in der Tren-nung Entzweiung liegt die Moumlglichkeit eines selbstaumlndigenfuumlr sich bestehenden Endlichen Das zeigt sich so Der Menschist ein endliches einzelnes hinfaumllliges uumlberallhin unterworfnesWesen so ist er aber sinnlich insofern er aber Person [ist] sohat dieses endliche Wesen in seiner Persoumlnlichkeit erst Beste-hen er ist bewuszligtes endliches bewuszligtes einzelnes Wesen d him Bewuszligtsein bejahe affirmiere ich mich im Bewuszligtsein erstmeiner halte ich dieses Einzelne Realitaumlt in diesem halte ichmeine Endlichkeit fest oder so der einzelne Mensch als einzel-ner ist sinnlicher sterblicher indem er aber bewuszligt Person isterst da faszligt er sich unsterblich sich den Einzelnen 252 odererst als Person ist der einzelne nach allen Seiten hin unter-worfne Mensch selbstaumlndig unabhaumlngig aber eben so faszligt derMensch als Person andere und Anderes unabhaumlngig Erst alsomit Persoumlnlich[keit] Indiv[idualitaumlt] ist moumlglich Endliches erstmit ihr hat es Bestehen Von allem dem ist nun nichts in derLehre der Substanz die Persoumlnlichkeit ist nicht als wesentlichals unendlich gefaszligt w[ird] nicht in Gott angeschaut das Be-wuszligtsein die Persoumlnlichkeit ist nur ein Modus Cogitationis Im 1 Am Rande r o Uumlberschrift Spinoza moumlglicherweise von fremder

Hand2 Vorhergehende Manuskriptseite fehlt ndash Am Rande r o Verweis auf

Paginierung S 1223 Im Ms folgt gestr End[liches]

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System1 ist daher alles an und fuumlr sich ohne alle Vermittlungohne alle Geschichte von Ewigkeit her vollbracht abgeschlos-sen ohne daszlig2 ein Vollbringendes vorherging die Welt istnicht geworden ewig war sie da denn in dem Sinne als GottUrsache seiner selbst ist ist er Ursache der Dinge gleichwiedie Blume von Ewigkeit her begriffen und enthalten ist in derNatur der Pflanze als ihrer Ursache Die Blume ist nicht aussich selbst gekommen noch aus andern Teilen noch aus demSamen denn der Samen setzt schon selbst als eine Wirkung dieNatur der Pflanze voraus ewig notwendig folgt die Blume ausder Natur der Pflanze aus dem Wesen nur kann etwas entste-hen das Wesen der Blume und aller andern Affektionen3 ist diePflanze ist die Natur aus der ist Alles entstanden aber ewigliegt im Begriffe der Pflanze der Begriff der Blume enthaltennur als Ursache als Natur dem Begriff bloszlig nach ist die Pflan-ze fruumlher als das Einzelne 2534 Fuumlr uns fuumlr unsre sinnlichenAugen entstehen in der Zeit nacheinander die einzelnen Teileund fuumlr einen der noch nie einen Begriff der Pflanze gehabtwuumlrde wenn er einer Pflanze von Anfang bis zu Ende zusaumlhedie Pflanze sich gleichsam zusammensetzen Das Ganze5 wuumlr-de spaumlter erscheinen Allein fuumlr das sinnliche Auge Totumparte sua prius est [Das Ganze geht dem Einzelnen voran]Denn die Pflanze selbst ist ein unteilbarer Begriff ein Wesensie w[ird] nicht zusammengesetzt der Keim ferner das Blattdas sich aus ihm entwickelt zuerst ist ja selbst schon Pflanzli-ches dieser Keim dieser Teil gehoumlrt ja zu keinem andernDing paszligt nirgends hin als zur Pflanze die Pflanze ist schonim Keim und jedem bestimmten Teil da zugleich ist aber derKeim6 nur eine Seite ein Moment ein Teil am Ganzen derPflanze der Keim und jeder daraus hervortretende Teil setztschon das Dasein der ganzen Pflanze ihrem Wesen nach vor-aus waumlre nicht die hier sinnlich sichtbare sukzessiv sich ent-wickelnde Pflanze aus einer Natur die Pflanze hervorgegan-gen waumlre das Ganze nicht fruumlher als der Teil das Wesen fruumlherals die Erscheinung so wuumlrden also die einzelnen nacheinan-

1 Im Ms folgt der System2 Im Ms folgt es3 Im Ms folgt der4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1235 Im Ms folgt gestr ist6 Im Ms folgt gestr sch []

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der sich entwickelnden Teile die Pflanze erst machen zusam-mensetzen allein so kaumlme nie eine Pflanze ein Ganzes herausdenn waumlre nicht schon in dem einzelnen bestimmten fuumlr dasAuge hervortretenden Teil das unteilbare Ganze der Pflanzeauf unsichtbare Weise vorhanden und folglich das Ganze nichtfruumlher als der Teil 254 so wuumlrde die Pflanze aus selbstaumlndi-gen Teilen zusammengesetzt von denen jeder einzelne fuumlrsich an sich von dem andern abgetrennt waumlre jeder waumlre fuumlrsich nicht Pflanze sondern alle einzelnen zusammen setzenerst das Aggregat einer Pflanze zusammen allein so kaumlme einHaufen heraus von Teilen die fuumlr sich jeder einzelner nichtPflanze waumlre und die erst alle zusammen Pflanze waumlren wasaber unsinnig [ist] es kaumlme kein Ganzes kein unteilb[ares]Wesen heraus was die Pflanze ist Und das Ganze das Wesendie Natur der Pflanze ist daher fruumlher als die sinnlich einzelnenerscheinenden Teile denn als Natur als Pflanze als Wesen istschon seinem1 Begriff nach die Pflanze vollstaumlndig da in jedemeinzelnen Teil2 Die Welt ist also ewig in Gott die Wirkung3

ewig in der Ursache da die Wirkung ist nicht getrennt von derUrsache so wenig als die Blume je getrennt war von der Pflan-ze als ihrer Ursache Eben darum ist alles wie und was es seinsoll denn nur dort wo sich die Wirkung abtrennt von der Ur-sache und das Abgetrennte Selbstaumlndigkeit bekommt ist es 1 Im Ms folgt gestr Wesen2 Am Rande Das Ganze ist fruumlher als seine Teile das Ganze aber der

Pflanze ist ihre Natur inwiefern Blaumltter Blume usw als Wirkungder Natur betrachtet und inwiefern sie Pflanze ist und die Pflanzeals Ursache so ist die Pflanze als Ursache fruumlher aber nicht derZeit nach die Wirkungen aber die aus der Natur der Pflanze folgenfolgen notwendig aus der Natur der Pflanze sind nicht aumluszligerlichezufaumlllige wie etwa solche Wirkungen wenn ich ein Haus baueHolz spalte mir nicht aus meinem Wesen folgende zufaumlllige mirentlegene Wirkungen sind Wirkungen die notwendig aus der Naturder ursaumlchlichen Sache folgen sind innere wesentliche Wirkungendie in der Sache selber liegen [Im Ms folgt liegen] Wirkungen undUrsache machen zusammen Eines aus oder alle Wirkungen zu-sammen Blaumltter Ast Blatt etc zusammen machen das Wesen derUrsache die Pflanze selbst aus sie machen das Wesen aus das We-sen ist aber unteilbar Eines sie sind also nicht spaumlter sie sind zu-gleich mit der Ursache die Pflanze selbst ist Blatt Ast es liegt alsonichts zwischen der Ursache und der Wirkung in der Mitte das sieabhielte voneinander eine Zeit 255 dazwischen

3 Im Ms folgt gestr aber

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moumlglich daszlig das Abgetrennte nicht ist wie es sein soll dieBlume ist wie sie sein soll aber das von einer persoumlnlichenUrsache Gewirkte kann sein wie es nicht sein soll denn dieUrsache ist das1 Wesen der Wirkung indem sich die Wirkungvon der Ursache 2552 abtrennt trennt sie sich von ihrem3

Wesen ab und kann damit sein was sie nicht sein soll z Bich eine persoumlnliche Ursache bringe eine Wirkung hervor ichtue eine Handlung allein da eben die Handlung einer per-soumlnl[ichen] Ursache sich von der Ursache trennt so kann dieseHandlung etwas ganz anders sein als ich wollte und meintesie kann in der Wirklichkeit anders sein als sie in mir ihrerUrsache war

Also in dem spinoz[ischen] System ist alles vollkommendenn alles ist notwendig gefolgt aus der vollkommensten Ursa-che d h die Natur der Ursache ist in ihrer Wirkung nicht ver-lorengegangen sondern erhalten da alles ist real oder nur dasVollkommne das Reale ist Suumlnde Fehler liegt nur in der Ver-gleichung in der subjektiven Ansicht des Menschen ist nichtsWirkliches Aber das ist eben die wesentliche Bestimmung derCharakter der Natur daszlig sie ist wie sie sein soll es ist dies dasWesen der Natur daszlig die Wirkung nicht von der Ursache dieMoumlglichkeit nicht von der Wirklichkeit das Auszligen die Aumluszlige-rung die Handlung nicht getrennt ist von dem4 Innern Das istdas Wesen der Geist der Natur daszlig alles ist was es sein sollDer Baum wirkt nur tut nur bringt nur hervor was in ihmunmittelbar liegt und enthalten ist nichts ist in seiner Wirkungwas nicht in seiner Moumlglichkeit liegt er ist Baum dies ist seinalles was er wirkt Frucht Blatt trennt loumlst sich nicht entferntsich nicht von ihm weg er ist die immanente5 Ursache 256dessen was er wirkt in seinem Begriff liegt nicht mehr undnicht weniger als in seiner Wirkung Es ist ein in sich unent-zweites seliges einiges in sich selbst befriedigtes alles an undfuumlr sich erreicht habendes Leben es ist alles erfuumlllt kein Ster-ben keine Entzweiung kein Schmerz der Trennung Alles istEins in und an dem Baume denn die Affektionen die Modides Baumes trennen sich ja nicht als etwas Selbstaumlndiges von

1 das die Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr Wirkung2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1243 Im Ms folgt ihrem4 dem der Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr Wirk[ung]5 Im Ms folgt gestr Wirkung

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ihm ab sie druumlcken nur das Wesen der Pflanze ihren Begriffauf eine gewisse und bestimmte Weise aus

Die Welt ist wie sie sein soll Gott ist immanente Ursacheder Welt Gott ist also nichts als reine Natur Gott ist die wahreNatur es ist kein Wille kein Verstand kein persoumlnliches Be-wuszligtsein in ihm alle Dinge in sich in ihrer Natur d h in ihrerUrsache betrachtet sind vollkommen gleichwie die niedrigstePflanze in sich betrachtet ebenso vortrefflich und vollkom-men1 ist als das Houmlchste denn in ihrer Moumlglichkeit in demwas sie sein soll liegt nichts andres als was sie wirklich ist

Eine wesentliche Bestimmung der Natur ferner ist daszlig dasEinzelne vergeht das Allgemeine das Innre die Substanzunvergaumlnglich ist Die Wirkung trennt sich in der Natur nichtvon ihrer Ursache hieraus folgt eben daszlig die Ursache als diein ihren Wirkungen innewohnende Substanz ihre Wirkungeninwiefern sie einzeln auftreten verschwinden laumlszligt vernichteteben indem die Substanz gegenwaumlrtig ist in ihren Wirkungenin ihnen bleibt 2572 so trennen sich nicht als selbstaumlndig fuumlrsich bestehend die Teile oder die einzelnen [Wirkungen] vonihren Ursachen sie sind inwiefern sie einzelne sind in der inihnen innewohnenden Substanz aufgehobne unselbstaumlndigeverschwundne verlorne die Wirkungen einer persoumlnlichenUrsache weil sie sich trennen von der Ursache sind selbstaumln-dig bestehen haben Dasein fuumlr sich die Werke die ich tuebleiben wenn ich auch auf ewig von ihnen wegtrete die Wir-kungen aber einer Natur bleiben in ihrer Ursache Da aber dieUrsache die totale Einheit die unteilbare Substanz ist ihrerWirkungen die Wirkungen aber einzeln in der Wirklichkeiterscheinen so verschwinden sie gehen sie in der Zeit unterdenn sie sind ja ihrem Wesen nach schon verflossen ver-schwunden in die Substanz Die Natur der Pflanze als Naturdie Substanz ist ganz unteilbar in der Bluumlte in den Blaumlttern dadenn der Substanz nach der Natur nach ist das Blatt nicht vonder Blume und den andern Teilen unterschieden so vergehendiese Teile wiefern sie sinnlich einzeln existieren denn siesind ja in ihrer Substanz schon vergangen aufgehoben fuumlr dieSinne sind sie einzelne selbstaumlndige allein sie sind unselb-staumlndig ihrem Wesen nach sie muumlssen daher auch fuumlr das Auge

1 vollkommen unvollkommen Ms2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 125

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verschwinden weil sie schon fuumlr die Vernunft1 dem Wesennach verschwunden sind Was nun von den Blaumlttern Keim inbezug auf den einzelnen gilt gilt vom einzelnen Baum in Be-ziehung auf s[eine] Gattung s[eine] Substanz 258 und souumlberhaupt von der Natur Zugleich sind aber ebenso die einzel-nen Modi der Pflanzennatur inwiefern sie nicht einzelne vomsinnlichen Auge getrennte sind ewig zugleich der Begriff derPflanze befaszligt dies alles in Einem sie machen alle zusammenals Eins gedacht das Wesen selber aus dieses Blatt das ichsehe vergeht aber das Blatt in diesem Blatt liegt ewig in demWesen des Baumes ist ewig in ihm ist Teil seines Wesens

Spinoza also2 erkannte Gott in Bestimmungen der Naturoder den Geist in der Form der Natur3 Das lautet paradox DerGeist in der Form der Natur Wie kann der Geist der Geist inder Form der Natur sein Was soll das sein4 heiszligt das nichteben so viel als eine Pflanze in Form des Wassers oder Lichtin Form der Finsternis Kann man so Entgegengesetztes zu-sammenreimen Milder wird es schon erscheinen wenn ichsage Gott oder der5 Geist in der Form der Seele6 oder als See-le Die Natur in ihrer Wahrheit d h in der Vernunft geschautoder die Natur wie sie Gegenstand nur der Vernunft ist istnichts als durchaus lautere Seele die Natur ist7 der Geist uumlber-haupt als Seele8 oder in der Form der Seele Der Mensch unter-scheidet sich nur durch sein Bewuszligtsein als persoumlnlicher vonder Natur seine Seele ist nicht unterschieden als Seele von derNatur wie wir denn taumlglich 2599 im Schlaf aus dem Bewuszligt-sein in die bloszlige Seele zuruumlckkehren daszlig allerdings die Seeledes Menschen10 inwiefern sie Seele eines bewuszligten Geistes istalso auch im Schlaf noch durch bewuszligtes Denken bestimmt istund insofern wohl unterschied[en] ist von der Natur ist nur zu 1 Im Ms folgt gestr fuumlr2 Spinoza erkannte hellip nichts als Seele BwN 1 Bd S 323-324 SW

BJ 4 Bd S 394-395 ndash also [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ3 der Natur oder den Geist in der Form der Natur [so auch A] der

Natur oder den Geist in der Form der Natur BwN SW BJ4 sein [so auch A] bedeuten BwN SW BJ5 der [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ6 Seele Hervorgehoben in BwN SW BJ7 Im Ms folgt gestr als8 Seele Hervorgehoben in BwN SW BJ9 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 12610 des Menschen [so auch A] der Menschheit BwN SW BJ

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erwaumlhnen gehoumlrt aber weiter nicht hierher Was ist aber dieSeele1 Die Substanz ihres Koumlrpers das Wesen des Koumlrpers2in dem alle seine Teile nicht getrennt unterschieden nichtselbstaumlndig sind wie das Auge die Eva des Geistes uns dieszu glauben verfuumlhrt sondern alle zugleich beisammen eingoumlttliches Leben sind in dem3 die Teile als besondere selb-staumlndige aufgehoben verschwunden sind Der Koumlrper stirbtdaher nur deswegen weil er eine Seele hat seine Substanz dieSeele ist d h weil er an sich dem Wesen nach schon vor demsinnlichen Tod gestorben idealiter geistig auf unsichtbareWeise vergangen ist d h4 in der Seele das was man eigentlichMaterie Koumlrper nennt Teilbarkeit selbstaumlndige Trennung derTeile das Auszligereinandersein aufgehoben5 ist Was ist nun aberdie Pflanze Ist das etwa ein materielles totes Ding Sie istlauter Leben6 Was ist sie Substanz die materiellen sinnli-chen unterschiednen Teile sind nur Ein Sein Ein Leben ma-chen zumal zusammen nur Ein Wesen aus Ganz ist die Pflan-ze Leben ganz Wesen ganz Seele nicht hier oder da Und dieSubstanz dieser Teile dieser sichtbaren Materie ist eben daswas sie zum innigen Leben 260 zur Pflanze macht ist dieNatur der Pflanze ist ihre Seele Das Wesen der Pflanze istPflanze zu sein ihrer Substanz nach sind die Teile nicht au-szligereinander nicht materiell diese Substanz aber ist eben dieSeele Die Pflanze ist Seele7 Die Seele ist aber auch Geist sie

1 Seele Hervorgehoben in BwN SW BJ2 Die Substanz ihres Koumlrpers das Wesen des Koumlrpers [so auch A]

Die Substanz des Koumlrpers das Wesen des Koumlrpers BwN SW BJ3 dem [so auch A] der BwN SW BJ4 d h [so auch A] mit anderen Worten weil BwN SW BJ5 aufgehoben [so auch A] aufgegeben BwN SW BJ6 lauter Leben Hervorgehoben in BwN SW BJ7 Am Rande [so auch A] Die Pflanze ist ganz Pflanze ganz Sub-

stanz ganz Seele denn an der Pflanze gibt es nirgends einen Punktoder Ort wo bloszlige unbestimmt[e] Materie waumlre sondern die Mate-rie ist durchaus pflanzliche substantielle wesentlich innerlich gei-stig bestimmte seelenhafte Materie wir koumlnnen aber zugleich un-terscheiden an der Pflanze Innres und Aumluszligres Ausdehnung undSeele als solche wiefern sie als Innres abgetrennt betrachtet [wird]wollen wir nun annehmen daszlig jenes Innre auch Denken ist daszlig diePflanze wie sie eine Seele habe so auch denke Gefuumlhl Bewuszligtseinihrer selbst habe allein [hellip] indem die Pflanze Bewuszligtsein ihrerselbst hat so hat zugleich jeder Teil von ihr Bewuszligtsein seiner

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ist aber1 noch der einfache der nicht in2 Wissen und Bewuszligt-sein getrennte und unterschiedne der noch nicht sich selbstGegenstand seiende [sich] auszliger die3 Materie setzende Geistsie ist selbst nichts als lautere reine geistige Natur Nun muszligman aber absehen von den bestimmten Beispielen an denenwir dies zeigten und an Gott selbst denken Gott selbst istlautere Wesenseinheit reine Natur lauter Seele4

Wenn man dem Spinoza vorwerfen will daszlig er die Natur mitGott konfundiert habe so ist zu bemerken 1) daszlig wenn manunter Natur wie die Leute tun die ihm dies vorwerfen dieMaterie die Maszlige drauszligen oder das sichtbare in die Sinnefallende Universum [ver]steht Gott allerdings gewaltig auchbei Spinoza unterschieden ist von der Natur sowenig als diesichtbare Pflanze die unsichtbare ist sowenig ist diese Naturda die wir tasten fuumlhlen sehen Gott wenn Spinoza das ge-wollt haumltte so haumltte er kein System zu denken gebraucht allein

selbst oder indem alle Teile zusammen als Eines die Pflanze aus-machen so ist der Verstand aller einzelnen Teile zugleich der Ver-stand d[as] Bewuszligtsein der Teile von sich selbst alle Teile habenein Innres denken das Denken aller zusammen ist also das Denkender Substanz selber indem ich den Teil fuumlr sich betrachte sage icher hat Bewuszligtsein seiner selbst inwiefern der Teil aber nur eine Af-fektion der Substanz ist so sage ich wenn ich sage der Teil denktnichts andres als die Substanz denkt hat die Idee ihrer inwiefern[sie] als Modus da ist inwiefern sie das Wesen des M[enschen]ausmacht Zugleich sehen wir daszlig es in diesem Wesen keinen frei-en Willen geben koumlnne denn jedes besondere ist unteilbar 261 vondem andern hat also keinen Grund in sich aus dem es zu handelnanfinge denn die Seele das Denken des bestimmten Teiles waumlrenur bestimmtes aber nicht von der denkenden Subst[anz] abge-trenntes unterbrochnes selbststaumlndiges Denken denn das Denkenist ja unteilbar wie die Pflanze selbst das Herrlichste Houmlchste desTeils inwiefern er Geist ist Modus cogitandi waumlre daher die Ein-sicht d[as] Denken und [] diesen [] Verstand kann man sich den-ken als das Licht das durch alles geht dieses Licht ist unteilbarund obgleich d[as] Denken des Einzelnen nur ein Modu[s] einStrahl ist so erstreckt er sich ja mit diesem Licht des Einzelnenuumlber das Ganze saumlhe das Ganze Fehlt in BwN SW BJ

1 sie ist aber [so auch A] nur BwN SW BJ2 in [so auch A] im BwN SW BJ3 die [so auch A] der BwN SW BJ4 Nun hellip Seele [so auch A] So ist im Sinne Spinozarsquos Gott selbst

lautere Wesenseinheit reine Natur nichts als Seele BwN SW BJ

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die Substanz im Sinne des Spinoza ist unsichtbar unsinnlichuumlberhaupt geistig ist nur Gegenstand der Vernunft nur dasDenken 2611 sieht sie (Das Denken ist ja selbst AttributGottes freilich ist das kein persoumlnliches Denken Von denbestimmten Beispielen die ich angebe muszlig man eben nur dasAllgemeine das reine Wesen festhalten sonst wird es schwerzu begreifen wie d[as] Denken der Substanz zukomme)2

2) Wenn man das dem Spinoza vorwirft so kann man ebensodenen die Gott von der Natur unterscheiden und ihn als per-soumlnliches Wesen persoumlnliche Ursache fassen vorwerfen daszligsie Gott mit dem Menschen konfundieren Allein ebensowenigals man diesen dies vorwerfen kann und darf sowenig darfman [es] Spinoza vorwerfen wie diese [Gott] in Bestimmun-gen des bewuszligten Geistes die Bestimmungen des Menschensind und sein Wesen ausmachen fassen so faszligt eben Spi-noz[a] Gott in Bestimmungen oder in der Form der reinenNatur Gott ist ein persoumlnlicher Gott was heiszligt das anderes alsGott ist reine absolute vollkommene Person reines Bewuszligt-sein der Mensch ist endliches beflecktes schmutziges Be-wuszligtsein oder Gott ist die Person wie sie unendlich ist dieunendliche Person Gott ist Substanz d h er ist die unendli-che die reine vollkommne Natur nicht diese schmutzige undbefleckte Natur Wie man nun das Bewuszligtsein die Persoumlnlich-keit in ihrer Reinheit und Unendlichkeit in Gott schauen kannschauen darf schauen muszlig So kann darf muszlig man auch inGott die Natur in ihrer Unendlichkeit 262 anschauen Werbloszlig an Gott in seiner Persoumlnlichkeit festhaumllt der hat an ihmbloszlig einen Protektor einen Schutzpatron an seiner Personseiner Endlichkeit Gott ist dann3 ein absoluter Heiliger Esmuszlig einen Punkt einen Ort sozusagen in Gott geben wo derMensch die Vernichtung seines Selbsts seiner Persoumlnlichkeitanschaut denn sonst befreit er sich in der Anschauung Gottesnicht von sich selbst und dieser Ort ist eben Gott als Bewuszligt-loser als reine Natur die nichts vom Menschen weiszlig Gott hatnicht bloszlig ein Bewuszligts[ein]4 sondern auch eine Seele Waumlre ernur persoumlnlicher so waumlre der Mensch tiefer anbetungswuumlrdi-

1 Am Rande r Verweis auf Paginierung S 1272 Das Denken zukomme (Das Denken zukomme) A Im Ms

Klammern gestr3 Im Ms folgt gestr der4 ein Bewuszligts[ein] eine Seele Korr im Ms

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ger inhaltsvoller als dieser nur persoumlnliche Gott denn derMensch hat doch eine Seele noch im Hintergrund seines Be-wuszligtseins die in die Tiefe der Natur hinunter reicht Allein wiedem Menschen oder in ihm seine Seele seinem Bewuszligtseinvorausgeht so muszlig man in Gott vor sein Bewuszligtsein eineunendliche Wesenstiefe setzen und in Gott Bestimmungenanschauen die uns nicht widerspiegeln sondern in denen wirverschwinden in denen uns das Licht ausgeht mit dem wir nuruns selbst sehen Alle tiefern Denker haben daher in Gott selbstunterschieden wie Jacob Boumlhm[e] der von einem Grunde inGott wo Gott noch nicht als Gott der persoumlnlicher ist spricht

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[Zur X Vorlesung ndash Zur Kritik des Pantheismus]1

2472 Die Philosophie des Spinoza bezeichnet man alsPantheismus und als das charakteristische Kennzeichen desPantheismus daszlig er die wesentlichsten Unterschiede ndash diewelche die Grundlage aller menschlichen Empfindung undVernunft enthalten ndash ausloumlsche und daher das Goumlttliche ver-weltliche das Unendliche verendliche und umgekehrt die Weltvergoumlttere das Endliche zum Unendlichen erhebe3 DenPantheisten trifft jedoch dieser Vorwurf nicht allein er kannihn mit demselben wo nicht mit groumlszligerem Rechte4 zuruumlckge-ben seinen Gegnern sie seien welcher Art sie wollen dennjede Bezeichnung und Benennung jeder Gedanke5 ndash und set-zen wir auch in trivialer und irriger Weise das Empfindungs-vermoumlgen uumlber das Denken ndash jede Empfindung jede Ahnungkurz jede Weise der Wahrnehmung des Unendlichen sie seiund heiszlige wie sie wolle ist notwendig eine Verendlichung desUnendlichen sonst ist es uns gar nicht Gegenstand Ist es unsaber Gegenstand so ist es uns als Etwas Gegenstand oder wirsind Goumltzendiener eines sinnlosen Namens eines6 gedankenlo-sen Nichts Selbst das Gemuumlt das nicht so frei und offen wieder Kopf ist der gerade heraussagt was und wie er denkt dasvielmehr ein Geheimnis aus seinen Angelegenheiten machtsich vor sich selbst verschweigt und aus edler aber falscherobwohl eingeborner Scham [] 2487 den Gegenstand seinerhoumlchsten Liebe und Verehrung mit keinem bestimmten weilgemeinen Namen anredet unterliegt dieser NotwendigkeitDenn das Organ womit8 Gegenstaumlnde wahrgenommen werdenkann als die Gattung als der allgemeine Bestimmungsgrundderselben angesehen werden Das Gefuumlhl ist nun aber nicht daseinzige und ausschlieszliglich fuumlr das Goumlttliche und Unendliche als

1 Im Ms Uumlberschrift Zur 10 Vorlesung moumlglicherweise von fremder

Hand ndash Uumlberschrift in A [Zur X Vorlesung] [Spinoza]2 Am Rande Verweis auf Paginierung S 1213 Am Rande der Seite befinden sich unleserliche Zitate und Anmer-

kungen zu Spinoza aus spaumlterer Zeit So auch A4 Im Ms folgt gestr denen5 jeder Gedanke jede Vorstellung Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr lee[ren]7 Am Rande l unleserl Zitate und Anmerkungen8 Im Ms folgt gestr der

277

solches das Organ sondern auch fuumlr das Endliche wie z B dieLiebe das Gefuumlhl der Andacht der Bewunderung Ist das Ge-fuumlhl des Unendlichen auch ein besonderes ein sich unterschei-dendes so hat es doch wenn auch nicht die Art doch die Gat-tung das Wesen mit den Gefuumlhlen des Endlichen gemein1Wenn daher die Identifikation des Unendlichen mit dem Endli-chen das Charakteristische des Pantheismus ist so ist derPantheismus das Charakteristische jeder Vorstellungsweise desUnendlichen Denn wenn2 das Gefuumlhl des Unendlichen demWesen nach identisch ist mit dem Gefuumlhl des Endlichen wasnicht geleugnet werden kann wofern man nicht ein Luumlgner istdenn wie sollte ich z B mein Verhaumlltnis zu Gott mit demWorte Liebe zu bezeichnen [mich gedrungen fuumlhlen] wenn ichnicht in der Natur der Liebe wie ich sie zu dem mir teuerstenWesen trage die Bedeutung und die Art meines Verhaumlltnisseszum Unendlichen richtig getroffen und ausgesprochen faumlndeso muszlig auch zwischen dem Gegenstande in dem Gefuumlhle desUnendlichen und dem in dem Gefuumlhle des Endlichen eine ge-wisse Verwandtschaft ndash wo aber Verwandtschaft ist aber Ein-heit der Gattung der Natur ndash eine gewisse Identitaumlt stattfindenDas Gemuumlt ist durchaus pantheistischer Na- 2493 tur aber inden Menschen die nur in der Weise des Gefuumlhls und derPhantasie zum Unendlichen sich verhalten ist der Verstand ndashund zwar notwendigerweise ndash der Diable boiteux und sarkasti-sche Antagonist ihres Herzens was sie mit diesem bekennenleugnen sie mit dem Verstand rund weg ab So war Fr[iedrich]H[einrich] Jacobi obwohl der leidenschaftlichste Gegner desPantheismus selbst Pantheist4 obwohl in ganz andrer Weiseals Spinoza und andre Pantheisten Die spekulative Vernunft istihm nur der Verstand des Endlichen und daher die Mutter despantheistischen Greuels Das Organ fuumlr das Goumlttliche ist nachihm nur das unmittelbare Gefuumlhl der Glaube die Uumlberzeu-gung Das Goumlttliche ist ihm das unmittelbar das schlechthinGewisse Aber eben dieses ist fuumlr ihn auch die sinnliche Weltder Dinge Ein und dasselbe Organ fuumlr die Existenz und Reali-taumlt des Sinnlichen und Uumlbersinnlichen Aber wie koumlnnte erdieselbe Gewiszligheit von Gott und den sinnlichen Wesen be- 1 gemein uumlberein Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr was nicht geleugnet werden kann3 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1284 Pantheist Gegner Korr im Ms

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haupten wenn nicht auch er selber sich zuschulden kommenlieszlige was er dem Pantheisten vorwirft nicht auch ndash freilich aufseine Weise ndash das Unendliche mit dem Endlichen identifiziertePersoumlnlichkeit ist ihm Alles ist ihm allein Sein WahrheitRealitaumlt er macht also ebenso gut wie Spinoza Einen nur sichselbst als Realitaumlt alles Andre nur als Endliches und Negativessetzenden Begriff zur Substanz auch nach ihm ist das Unend-liche denn die Persoumlnlichkeit ist die Bestimmung Gottes nichtdem Wesen nach von 250 dem Endlichen unterschieden denndie reale Bestimmung des Endlichen ist die menschliche Per-soumlnlichkeit Der Unterschied zwischen dem sogenanntenPantheismus besonders dem des Spinoza und den wirklichoder vermeintlich ihm entgegengesetzten Anschauungen be-steht lediglich in der Art und Weise unter welcher das Unend-liche verendlicht wird hauptsaumlchlich darin ob die Idee desGoumlttlichen lediglich in der Beziehung auf sich selbst und dar-um als Objekt der Erkenntnis oder in der Beziehung auf denMenschen sein unmittelbar persoumlnliches Leben und darum alsObjekt des Gemuumlts personifiziert und vergegenstaumlndlicht ob ndashum an beliebte Unterschiede uns zu akkomodieren ndash das Herzoder die Vernunft zu Gott gemacht wird ndash eine Materie derenEroumlrterung ebenso wenig in den Zweck dieses Werkes1 gehoumlrtals die Eroumlrterung der Frage welche Weise der Verendlichungdie der Idee des Unendlichen entsprechendste ist

Es fragt sich nun aber ob es wirklich begruumlndet ist daszlig derPantheismus namentlich der des Spinoza alle wesentlichenUnterschiede in den geschmacklosen Brei einer leeren Identitaumltaufloumlse Die gewoumlhnliche Vorstellung ist dies allerdings DerSatz Alles ist Eins mit allen jenen laumlcherlichen Konsequen-zen die man daraus zieht gilt fuumlr den konsequenten adaumlquatenAusdruck des pantheistischen Systems und jede Unterschei-dung jede Besonderung die der Pantheist mache ja schon seinVersuch den Pantheismus als ein wissenschaftl[]2

1 Im Ms folgt gestr paszlig[t]2 Der Text bricht ab

279

[Zur XI Vorlesung ndash Jacobi zu Spinoza]

2981 Fried[rich] H[einrich] Jacobis Vorbericht zu den Brie-fen uumlber d[ie] Lehre des Spinoza IV B[and] I Abth[eilung]2

bdquoGleich wie Religion den Menschen zum M[enschen] machtund allein ihn uumlber das Tier erhebt so macht sie ihn auch zumPhilosophen Strebt d[ie] Religiositaumlt mit andaumlchtigem Vorsatzden Willen Gottes zu erfuumlllen so strebt d[ie] Religionseinsichtstets sicherer von Gott zu wissen und den Verborgenen zuerkennen Um diese Religion den Mittelpunkt alles geistigenLebens war es meiner Philosophie zu tun nicht um Erwerbungandrer wissenschaft[licher] Erkenntnisse welche auch ohnePhilos[ophie] zu haben sindldquo3 bdquoIch berufe mich auf einunabweisbares unuumlberwindliches Gefuumlhl als ersten und un-mittelbaren Grund aller Philosophie und Religion auf ein Ge-fuumlhl welches den M[enschen] gewahren und inne w[erden]laumlszligt er habe einen Sinn fuumlr das Uumlbersinnliche Diesen Sinn4

nenne ich Vernunft zum Unterschiede von den Sinnen fuumlr diesichtbare Welt Nur w[o] Selbstsein und Persoumlnlichkeit ndash beideEins auch nach Kant ndash vorhanden kann eine solche Berufungund mit ihr Vernunft sich kundgebenldquo5

hellip bdquoWurzel der Philos[ophie] muszlig bleiben Menschl[iche]Erkenntnis gehet aus von Offenbarung die Vernunft naumlmlichoffenbaret Freiheit indem sie Vorsehung offenbaret und alleAumlste der Lehre treiben aus dieser Wurzel hervorldquo6 hellip

299 bdquoWenn die Geschichte der Menschh[eit] eine Religion-geschichte ist warum nicht die innere Geschichte7 jedes ein-zelnen M[enschen] die Geschichte seiner Religion

Wo starke Persoumlnlichkeit hervortritt da w[ird] in ihr unddurch sie die Richtung zum Uumlbersinnlichen und die Uumlberzeu-

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1482 Im Ms am Rande ndash F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des

Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn In FriedrichHeinrich Jacobirsquos Werke 4 Bd 1 Abth Leipzig 1819 S VI-LIV

3 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a aO S XX-XXI

4 Im Ms folgt gestr nahm5 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XXI-XXII6 Ebenda S XXII-XXIII7 innere Geschichte Geschichte innere Ms

280

gung von Gott am entschiedensten zur Sprache gebracht So-krates Christus Feacutenelon beweisen mir mit ihrer Persoumlnlichkeitden Gott welchen ich anbete er ist mir als Schoumlpfer dieserPersoumlnlichkeiten erhabner denn als Urheber des Sternenhim-mels nach Gesetzen innerer Notwendigkeit denen er selbst ins[einen] Werken unterworfen ist Der Gott der Bibel ist erhab-ner als der Gott welcher nur ein Absolutes ist wie sehr mandieses auch schmuumlcke und mit Flitterwerk der Phantasie umge-be

Darum fragt meine Philosophie Wer ist Gott nicht Was ister Alles Was gehoumlrt der Natur anldquo1 bdquoEs gibt keine Vernunftals in Person also weil Vernunft ist so ist ein Gott und nichtbloszlig ein Goumlttlichesldquo2

bdquoNaturdienst ist d[ie] Religion des Heidentums Gottesdienstdie Religion des Christen[tums] Die Tugend ist mit der letz-tern unzertrennlich Eins Wir erfahren daszlig ein Gott ist so oftsich in uns d[as] Gewissen ndash unvertilgbar die freie Persoumlnlich-keit bezeugend ndash uumlbermaumlchtig regt durch ein goumlttl[iches] Le-ben w[ird] der Mensch Gottes inneldquo3

3004 bdquoErkenne dich selbst ist nach d[em] Delphischen Gottund nach Sokrates d[as] houmlchste Gebot und sobald es in An-wendung kommt w[ird] d[er] Mensch gewahr Ohne goumlttlichesDu sei kein menschliches Ich und umgekehrtldquo5

D[er] Glaube bdquoist eine feste Zuversicht zu dem was mannicht sehet Wir sehen nie d[as] Absolute wir glauben es DasNichtabsolute d[as] Bedingte sehen wir und nennen diesesSehen Wissen In dieser Sphaumlre herrscht d[ie] WissenschaftDie Zuversicht zu dem was wir nicht sehen6 ist groumlszliger undgewaltiger als d[ie] Zuversicht zu dem was wir sehenldquo7 bdquoDie wahre Wissenschaft ist der von sich selbst und von Gottzeugende Geist Wie ich von der Objektivitaumlt meiner Gefuumlhledes Wahren Schoumlnen Guten und von einer d[ie] Natur beherr- 1 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XXIII-XXIV2 Ebenda S XXIV-XXV3 Ebenda S XXV4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1495 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XLII6 nicht sehen sehen nicht Ms7 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XLIII

281

schenden Freiheit uumlberzeugt bin so bin ich von dem DaseinGottes uumlberzeugt und so wie diese Gefuumlhle ermatten so er-mattet auch der Glaube an Gottldquo1 ndash bdquoDie Vernunft bejahtwas der Verstand verneint Inzwischen kann der Verstand dieBejahung nicht auf d[ie] Seite bringen ohne daszlig ihm alles ingeistlose Notwen[di]gkeit versinkt Also D[as] Nichts oder einGott Der Verstand wenn er nicht2 geradezu der Vernunft denRuumlcken kehrt hat ein oft miszligratnes Wissen von Gottldquo3

301 bdquoWenn Vernunft nur in Person sein kann und die Welteinen vernuumlnftigen Urheber Allbeweger Regierer haben sollso muszlig dieses Wesen ein persoumlnliches Wesen sein Ein solchesWesen laumlszligt sich nur unter dem Bilde menschl[icher] Vernuumlnf-tigkeit und Persoumlnlichkeit vorstellen ihm muumlssen die Eigen-schaften welche ich im Menschen als die houmlchsten anerkennebeigemessen werden Liebe Selbstbewuszligtsein Verstand freierWilleldquo4 ndash bdquoWenige Menschen erwaumlgen was ihnen Alles mitdem Glauben an einen persoumlnlichen Gott verloren geht Unsresittlichen Uumlberzeugungen gehen alle unter wenn uns das sittli-che Urwesen als ein sittliches d h persoumlnliches Wesen wel-ches das Gute will und wirkt verschwindetldquo5 bdquoD[as] Chri-stentum ist wesentlich anthropomorphistisch es lehrt alleineinen die Welt mit Wissen und Willen erschaffenden Gottd[as] Heidentum ist kosmotheistischldquo6

bdquoEs gibt so gut eine unsichtbare Kirche der Philosophie alseine unsichtbare Kirche des Christentums ndash eine Gemeinschaftder Glaumlubigen D[as] sichtbare Philosophentum wie das sicht-bare Kirchentum will den Verstand abrichten ihm die Wahr-heit erfinden mit Haumlnden greifen lassen will Gott machenEsset und ihr werdet sein wie Gott 3027 Meine Philosophiebekennt sich durchaus zur unsichtbaren Kircheldquo8

1 Ebenda S XLIII2 nicht o Ms3 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XLIV4 Ebenda S XLV-XLVI5 Ebenda S XLVII6 Ebenda S XLVIII-XLIX7 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1508 Vgl F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a

a O S LIII

282

Uumlber eine Weissagung Lichtenbergs1

bdquoEin Sein ohne Selbstsein ist durchaus und allgemein un-moumlglich Ein Selbstsein aber ohne Bewuszligtsein und wieder einBewuszligts[ein] ohne Selbstbew[uszligtsein] ohne Substantialitaumltund wenigstens angelegte Persoumlnlichkeit vollkommen ebensounmoumlglichldquo2 ndash bdquoAlso Gott ist nicht ist das Nichtseiende imhoumlchsten Sinne wenn er nicht ein Geist ist und er ist keinGeist wenn ihm die Grundeigenschaft des Geistes d[as]Selbstbewuszligts[ein] Substant[ialitaumlt] und Pers[oumln]lichk[eit]mangelt Ist er aber kein Geist so ist er auch nicht der Anfangder Dinge insofern sie Wirklichkeit und wahres Wesen habendenn d[as] Erste ist notwendig uumlberall wo etwas wahrhaft istder Geist Es ist kein wahres Sein noch Dasein moumlglich auszligerim Geiste und durch einen Geistldquo3

Jacobi an Fichte [1]7994

bdquoAlle M[enschen] insofern sie uumlberhaupt nach Erkenntnisstreben setzen sich ohne es zu wissen jene reine Philosophiezum letzten Ziele denn d[er] Mensch erkennt nur indem erbegreift und er begreift nur indem er ndash Sache und bloszlige Ge-stalt verwandelnd 303 ndash Gestalt zur Sache Sache zu Nichtsmacht5

bdquoWir begreifen eine Sache nur insofern wir sie konstruierenin Gedanken vor uns entstehen werden lassen koumlnnen Insofernwir sie nicht konstruieren in Gedanken nicht selbst hervor-bringen koumlnnen begreifen wir sie nicht

Wenn daher ein Wesen ein von uns vollstaumlndig begriffenerGegenstand w[erden] soll so muumlssen wir es objektiv ndash als fuumlrsich bestehend ndash in Gedanken aufheben vernichten um esdurchaus subjektiv [unser]6 eignes Geschoumlpf ndash ein bloszligesSchema ndash werden zu lassen Es darf nichts in ihm bleiben undeinen wesentlichen Teil seines Begriffs ausmachen was nicht

1 Am Rande r o S 240 III B[and] [F H Jacobi Uumlber eine Weis-

sagung Lichtenbergs In Friedrich Heinrich Jacobirsquos Werke 3Bd Leipzig 1816 S 240]

2 Ebenda S 2403 Ebenda S 2404 Im Ms am Rande ndash F H Jacobi Jacobi an Fichte Hamburg 17995 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 206 [unser] [so auch bei Jacobi] im Ms unleserl Wort

283

unsere Handlung jetzt eine bloszlige Darstellung unsrer produkti-ven Einbildungskraft waumlreldquo1

bdquoAller2 Reflexion liegt Abstraktion dergestalt zum Grundedaszlig Reflexion nur durch Abstraktion moumlglich w[ird] Umge-kehrt verhaumllt es sich ebenso Beide sind unzertrennlich und imGrunde Eins eine Handlung des Aufloumlsens alles Wesens imWissen3 progressive Vernichtung (auf dem Wege der Wissen-schaft) durch immer allgemeinere Begriffe Was nun auf dieseWeise involvierend vernichtet w[urde] kann evolvierend auchwieder hergestellt w[erden] Vernichtend lernte ich erschaffenDadurch naumlmlich daszlig ich aufloumlsend zergliedernd zum Nichts-Auszliger-Ich gelangte zeigte sich mir daszlig 3044 Alles Nichtswar auszliger meiner nur auf eine gewisse Weise eingeschraumlnk-ten freien Einbildungskraft Aus dieser Einbi[ldun]gskraftkann ich dann auch wieder hervorgehen lassen alleintaumltig alleWesen wie sie waren ehe ich sie als fuumlr sich bestehend fuumlrNichts erkannteldquo5

bdquoIch6 verstehe unter dem Wahren etwas was vor und auszligerdem Wissen ist was dem Wissen und dem Vermoumlgen des Wis-sens der Vernunft erst einen Wert gibt Vernehmen setzt einVernehmbares Vernunft das Wahre zum voraus Sie ist d[as]Vermoumlgen der Voraussetzung des Wahren Eine das Wahrenicht voraussetzende Vernunft ist ein Unding Mit se[iner]Vernunft ist dem M[enschen] nicht das Vermoumlgen einer Wis-senschaft des Wahren sondern nur d[as] Gefuumlhl und Be-wuszligt[sein] seiner Unwissenheit desselben Ahndung des Wah-ren gegebenldquo7

bdquoDarum ist denn auch meine und meiner Vernunft Losungnicht Ich sondern Mehr als Ich Besser als ich ndash ein ganzAnderer ndash Ich bin nicht und ich mag nicht sein wenn Er nicht

1 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 212 Am Rande S 233 Im Ms folgt gestr prog[ressive]4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1515 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 236 Am Rande S 327 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 32

284

ist - Ich selbst wahrlich kann mein houmlchstes Wesen mir nichtsein So lehrt mich meine Vernunft instinktmaumlszligig Gottldquo1

bdquoUumlber2 sich selbst erhebt den Menschen doch nur sein Herzwelches das eigentliche Vermoumlgen der Ideen ndash der nicht leerenistldquo3

1 Vgl ebenda S 352 Am Rande [S] 413 Vgl F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 41

285

[Zur XI Vorlesung ndash Mechanismus]

3061 bdquoIch verstehe unter Mechanismus jede Verkettung vonbloszlig wirkenden Ursachen welche eo ipso eine notwendige2

Verkettung ndash so wie eine notwendige Verkettung insofern sienotwendig eo ipso eine mechanische istldquo3

bdquoEine nicht mechanische Verkettung ist eine Verkettungnach Absichten oder vorgesetzten Zwecken Sie schlieszligt diewirkenden Ursachen folglich auch Mechanism[us] und Not-wendigkeit nicht aus sondern hat allein zum wesentlichenUnterschiede daszlig bei ihr das Resultat des Mechanismus alsBegriff4 vorhergeht und die mechanische Verknuumlpfung durchden Begriff und nicht wie im andern Fall der Begriff im Me-chanismus gegeben w[ird] Dieses System w[ird] das Systemder Endursache oder der vernuumlnftig[en] Freiheit genannt Jenesdas System der bloszlig wirkenden Ursache oder der Naturnot-wendigkeit Ein drittes ist nicht moumlglich wenn man nicht zweiUrwesen anneh[men] willldquo5

1 Am Rande r o Jacobi Beilage V zu Brief [] [F H Jacobi Bey-

lage V zu den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza In FriedrichHeinrich Jacobirsquos Werke Bd 4 Abth 2 Leipzig 1819 S 81-96]und Verweis auf Paginierung S 183

2 Im Ms folgt gestr Verknuumlpfung3 F H Jacobi Beylage V zu den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza

a a O S 934 Im Ms folgt gestr fuumlr5 F H Jacobi Beylage V zu den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza

a a O S 94-95

286

[Zur XndashXI Vorlesung ndash Exzerpte aus Jacobi]1

3072 Die Bedingung der Moumlglichkeit des Daseins einersukzessiven Welt (in Beziehung auf Spinoza auf die ewige []Schoumlpfung der Scholastiker) liegt auszliger dem Gebiete der Be-griffe der Vernunft naumlml[ich] auszliger d[em] Zus[ammen]hangbedingter Wesen d i der Natur Sie sucht also wenn sie jenerBedingung nachforscht das Auszligernatuumlrliche oder Uumlbernatuumlrli-che in ein Natuumlrliches oder auch das Natuumlrliche in ein Uumlber-natuumlrliches zu verwandeln Indem sie auf diese Weise auszligerihrem Berufe taumltig ist kann sie um keinen Schritt ihrem Zwek-ke naumlherkommen sondern immer nur Bedingungen des Be-dingten Naturgesetze Mechanismus3 zutage bring[en]1

1 Am Rande Friedr[ich] H[einrich] Jacobi Beilagen zu den Briefen

uumlber d[ie] Lehre d[es] Spinoza Beilage VII Jac[obi] Werke IVB[and] II Abtheil[ung] 1819 [F H Jacobi Beylage VII zu denBriefen uumlber die Lehre des Spinoza In Friedrich Heinrich JacobirsquosWerke 4 Bd 2 Abth Leipzig 1819 S 125-162]

2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1543 Anm[erkung] bdquoWir begreifen eine Sache wenn wir sie aus ihren

naumlchsten Ursachen herleiten koumlnnen oder ihre unmittelb[aren] Be-dingungen der Reihe nach einsehen was wir auf diese Weise einse-hen oder herleiten koumlnnen stellt uns einen mechan[ischen]Zus[ammen]hang dar So begreifen wir z B einen Zirkel wenn wiruns den Mechanismus s[einer] Entstehung oder s[eine] Physikdeutlich vorzustellen wissen d[ie] syllogist[ischen] Formeln wennwir d[ie] Gesetze welchen der menschl[iche] Verstand im Urteilenund Schlieszligen unterworfen ist s[eine] Physik s[einen] Mecha-nism[us] wirklich erkannt haben oder den Satz des zureichendenGrundes wenn uns d[as] Werden die Konstruktion eines Begriffsuumlberhaupt s[eine] Physik s[ein] Mechanism[us] einleuchtet D[ie]Konstruktion d[es] Begriffs uumlberhaupt ist das a priori aller Kon-strukti[onen] und d[ie] Einsicht in s[eine] Konstrukt[ion] gibt unszugleich auf das gewisseste zu erkennen daszlig wir unmoumlglich begrei-fen koumlnnen was wir zu konstruieren nicht [nicht o Ms] imstandesind 308 Darum haben wir von Qualitaumlten als solchen keine Be-griffe sondern nur Anschauungen oder Gefuumlhle Selbst von unse-rem eigenen Dasein haben wir nur ein Gefuumlhl aber keinen BegriffEigentliche Begriffe haben wir nur von Figur Zahl Lage Bewe-gung und den Formen des Denkens Wenn wir sagen das wir eineQualitaumlt erforscht haben so sagen wir damit nichts andres als [ImMs folgt gestr daszlig] wir haben sie auf Figur Zahl Lage und Bewe-gung zuruumlckgefuumlhrt und darin aufgeloumlst also wir haben die Quali-

287

bdquoIhr Geschaumlft uumlberhaupt ist progressive Verknuumlpfung und ihrspekulat[ives] Geschaumlft Verknuumlpfung nach erkannten Gesetzender Notwendigkeit d i des Identischen denn von einer andernNotwendigkeit als dieser welche die Vernunft selbst mit Huumllfedes bei ihren Progressionen unentbehrlichen Absonderns undWiedervereinigens durch abwechselndes Halten und Lassenerschafft und in identischen Saumltzen darstellt hat sie keinenBegriffldquo2 bdquoAlles was die Vernunft durch Zergliedern Ver-knuumlpfen Urteilen Schlieszligen und Wiederbegreifen herausbrin-gen kann sind lauter Dinge der Natur und die menschlicheVernunft selbst gehoumlrt als eingeschraumlnktes Wesen mit zudiesen Dingen Die gesamte Natur aber der Inbegriff allerbedingten Wesen kann dem forschenden Verstande mehr nichtoffenbaren als was in ihr enthalten ist naumlmlich mannigfaltigesDasein Veraumlnderungen Formenspiel nie einen wirklichenAnfang nie ein reelles Prinzip 309 irgendeines objektivenDaseinsldquo3

(S 152)4

bdquoIch nehme den ganzen Menschen5 ohne ihn zu teilen undfinde daszlig sein Bewuszligtsein aus zwei urspruumlngl[ichen] Vorstel-lungen der Vorstellung des Bedingten und des Unbedingtenzus[ammen]gesetzt ist Beide sind unzertrennlich miteinanderverknuumlpft doch so daszlig die Vorstellung des Bedingten dieVorstellung des Unbedingten voraussetzt und mit dieser nurgegeben w[erden] kann Wir brauchen also d[as] Unbedingtenicht erst zu suchen sondern haben von seinem Dasein diesel-be ja eine noch groumlszligere Gewiszligheit als wir von unserem eige-nen bedingten Dasein haben

Da unser bedingtes Dasein auf einer Unendlichkeit von Ver-mittlungen beruht so ist damit unserer Nachforschung einunabsehliches Feld eroumlffnet welches wir schon um unsrerphys[ischen] Erhaltung willen zu bearbeiten genoumltigt sind Allediese Nachforschungen haben die Entdeckung dessen was dasDasein der Dinge vermittelt zum Gegenstande Diejenigen

taumlt objektiv vernichtetldquo [F H Jacobi Beylage VII a a O S149-150 Auch bei Jacobi als Anmerkung]

1 Vgl ebenda S 148-1492 Ebenda S 1503 Ebenda S 1514 Ebenda S 1525 Im Ms folgt gestr wie er ist

288

Dinge wovon wir das Vermittelnde eingesehen d i derenMechanismus wir entdeckt haben die koumlnnen wir wenn jeneMittel in unsern Haumlnden sind auch hervorbringen Was wir aufdiese Weise wenigstens in der Vorstellung konstruieren koumln-nen das begreifen wir und was wir nicht konstuieren koumlnnendas begreifen wir nichtldquo1 bdquoWenn alles was auf eine unsbegreifliche Weise entstehen und vorhanden sein soll auf einebedingte Weise entstehen und vorhanden sein muszlig so bleibenwir solange wir begreifen in einer Kette bedingter Bedingun-gen Wo diese Kette aufhoumlrt da houmlren wir auf zu begreifen310 und da houmlrt auch der Zus[ammen]hang den wir Naturnennen selbst auf Der Begriff der Moumlglichkeit des Daseinsder Natur waumlre also der Begriff eines absoluten Anfangs oderUrsprungs der Natur er waumlre der Begriff des Unbedingtenselbst insofern es die nicht natuumlrlich verknuumlpfte d i fuumlr unsunverknuumlpfte ndash unbedingte Bedingung der Natur ist Soll nunein Begriff dieses Unbedingten und Unverknuumlpften ndash folglichAuszligernatuumlrlichen moumlglich w[erden] so muszlig das Unbedingteaufhoumlren d[as] Unbedingte zu sein es muszlig selbst Bedingungenerhalten und das absolut Notwendige muszlig anfangen das Moumlg-liche zu w[erden] damit es sich konstruieren lasseldquo2

Da hellip bdquodas Unbedingte auszliger der Natur und auszliger allemnatuumlrlichen Zus[ammen]hange mit derselben liegt die Naturaber d i der Inbegriff des Bedingten dennoch im Unbeding-ten3 gegruumlndet folglich mit ihm verknuumlpft ist So w[ird] diesesUnbedingte das Uumlbernatuumlrliche genannt und kann nicht andersgenannt w[erden] Aus diesem Uumlbernatuumlrlichen kann denn auchdas Natuumlrliche oder das Weltall nicht anders als auf eineuumlbernatuumlrliche Weise hervorgehen und hervorgegangen sein

Und ferner Da alles was auszliger dem Zus[ammen]hange desBedingten des natuumlrlich vermittelten liegt auch auszliger derSphaumlre unserer deutlichen Erkenntnis liegt und durch Begriffenicht verstanden w[erden] kann So kann das Uumlbernatuumlrlicheauf keine andere Weise von uns angenommen w[erden] als esuns gegeben ist naumlmlich als Tatsache Es ist 3114 DiesesUumlbernatuumlrliche dieses Wesen aller Wesen nennen alle Zun-gen den Gott 1 F H Jacobi Beylage VII a a O S 152-1532 Ebenda S 154-1553 Im Ms folgt gestr unleserl Wort4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 156

289

Der Gott des Weltalls kann nicht bloszlig der Baumeister desWeltalls sein er ist Schoumlpfer und s[eine] unbedingte Kraft hatdie Dinge auch der Substanz nach gewirkt Haumltte er die Dingenicht auch der Substanz nach gewirkt so muumlssen zwei Urhebersein1 die man weiszlig nicht wie miteinander in Verbindunggeraten waumlrenldquo2

bdquoDer Kern der Kantischen Philosophieldquo (Von goumlttl[ichen]Dingen und ihrer Offenb[arung] S 351)3 bdquoist die von ihremtiefdenkenden Urheber zur vollkommensten Evidenz gebrachteWahrheit daszlig wir einen Gegenstand nur insoweit begreifenals wir ihn in Gedanken vor uns werden lassen ihn im Ver-stande4 zu erschaffen moumlgen Nun vermoumlgen wir auf keineWeise sowenig in Gedanken als wirklich auszliger uns Substan-zen zu erschaffen sondern wir vermoumlgen nur auszliger uns Be-wegungen und Zusammensetzungen von Bewegungen dadurchGestalten in uns aber nur sich auf Wahrnehmungen durch denaumluszligern oder innern Sinn beziehende Begriffe und Zus[am-men]setzungen v[on] Begriffen hervorzubringen Woraus dennfolgt das es nur zwei Wiss[en]schaften im eigentlichen undstrengen Verstande Mathematik und allgemeine Logik gebenkann und daszlig alle andern Erkenntnisse nur in dem Maszlige wis-senschaftliche Eigenschaft erwerben 312 als sich ihre Gegen-staumlnde durch eine Art von Transsubstantiation in mathemati-sche und logische Wesen verwandeln lassen

Offenbar laumlszligt eine solche Verwandlung und Transsubstantia-tion sich nicht vollbringen mit den eigentlichen Gegenstaumlndender5 Metaphysik Gott Freiheit und Unsterblichkeit Diese dreiIdeen liegen ganz auszligerhalb dem Kreise jener zweiWiss[en]schaften und koumlnnen aus ihren Mitteln schlechterdingsnicht realisiert w[erden] d h es laumlszligt sich daszlig diesen dreiIdeen Wirklichkeit entspreche aus den Prinzipien der Ma-them[atik] und allgemeinen Logik ebensowenig dartun als sichdiese Wirklichkeit unmittelbar vor Augen stellen mit den Sin-nen aumluszligerlich erfahren laumlszligtldquo6

1 Im Ms folgt so muumlssen zwei Urheber sein2 F H Jacobi Beylage VII a a O S 155-1563 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen und ihrer Offenbarung In

Friedrich Heinrich Jacobirsquos Werke 3 Bd Leipzig 1816 S 3514 Im Ms folgt gestr vor5 Im Ms folgt gestr Mathematik6 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 351-352

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Lange vor Kant zu Anfange des 18 Jahrh[underts] schriebJoh Bapt Vico zu Neapel ( Joh Bapt a Vico Neapoli regeloq Professor de antiquissima Italorum sapientia ex linguaelatinae originibus eruenda lib tres Neap 1710) Geometricaideo demonstramus quia facimus Physica si demonstrarepossemus faceremus hinc impiae curiositatis notandi quiDeum a priori probare student Metaphysici veri claritas eademac lucis quam non nisi per opaca cognoscimus nam nonlucem sed lucidas res videmus Physica sunt opaca nempeformata et finita in quibus metaphysici veri lumen videmus[In der Geometrie deshalb beweisen weil wir hier hervorbrin-gend taumltig sind wenn wir in diesem Sinne auch in der Naturer-kenntnis beweisen koumlnnten muumlszligten wir auch hier in diesemSinne hervorbringend taumltig sein Daher sind hier eines ganzunfrommen Forschergeistes diejenigen zu bezichtigen dieeinen apriorischen Gottesbeweis fuumlhren wollen Die Klarheitdes metaphysisch Wahren und des Lichtes das wir auch nur imMedium des Schattenhaften erkennen Naumlmlich nicht das Lichtsondern die leuchtenden Dinge sehen wir Die Naturdinge sinddunkel naumlmlich geformt und somit begrenzt und in dieserihrer Geformtheit und Begrenztheit werden wir des Lichtes desmetaphysischen Wahren ansichtig]1 3132 Pascal Ce quipasse la Geacuteomeacutetrie nous surpasse [Denn was uumlber die Mathe-matik geht uumlbersteigt uns] (Penseacutees de Pasc[al] Part I Art IIReflex[ions] sur la Geacuteomeacutet[rie] en geacuteneacuteral Ed d 1779)3 Vglauch Kaumlstner (Eberhards phil Magaz[in] 2 Bd 4 St S 402)4

bdquoAllemal5 und notwendig ist der Beweisgrund uumlber dem wasdurch ihn bewiesen werden soll er begreift es unter sich aus 1 Vgl G Vico De antiquissima Italorum sapientia ex linguae Latinae

originibus eruenda liber primus Metaphysicus Neapoli 1710 S51-52 [Uumlbersetzung nach G Vico Liber metaphysicus De anti-quissima Italorum sapienta liber primis 1710 Muumlnchen 1979 S69]

2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1573 B Pascal Penseacutees In Œuvres de Blaise Pascal T 2 La Haye

1779 Art II Reacuteflexions sur la Geacuteomeacutetrie en Geacuteneacuteral S 134 Vgl A G Kaumlstner Was heiszligt in Euklids Geometrie moumlglich In

Philosophisches Magazin hrsg V J A Eberhard 2 Bd 4 StHalle 1790 S 402 ndash Vgl F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 352-353

5 Am Rande Uumlber den Beweis (V[on] goumlttl[ichen] Dingen bei Gele-genheit []) [F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O]

291

ihm flieszligen Wahrheit und Gewiszligheit auf das zu beweisendeerst herab es traumlgt seine Realitaumlt von ihm zu Lehnldquo1 bdquoWennd[as] Dasein eines lebendigen Gottes sollte bewiesen w[erden]koumlnnen so muumlszligte Gott selbst sich aus etwas dessen wir uns alsseines Grundes bewuszligt w[erden] koumlnnten das also vor2 unduumlber ihm waumlre dartun ableiten als aus seinem Prinzip evolvie-ren lassenldquo3 ndash

bdquoEs4 kann nur zwei Hauptklassen v[on] Philos[ophen] gebensolche welche das Vollkommnere aus dem Unvollkommnerenhervorgehen und sich allmaumlhlich entwickeln lassen und solchewelche behaupten das Vollkommenste sei zuerst und mit ihmund aus ihm beginne alles oder es gehe nicht voraus als An-beginn eine Natur d[er] Dinge sondern es gehe voraus und essei der Anbeginn 314 von allem ein sittliches Principium einemit Weisheit wollende und wirkende Intelligenz ndash ein SchoumlpferGott

Die Lehre der einen dieser zwei Hauptklassen ist der Lehreder andern dergestalt entgegengesetzt daszlig keine Annaumlherungzwischen beiden noch weniger eine Vereinigung derselben zueiner dritten in welcher sie sich ausglichen oder indifferen-zierten moumlglich ist ndash Es gilt die Entscheidung der Frage obam Anfang war die Tat und nicht der Wille oder ob am An-fang w[ar] der Wille und erst nach ihm wurde als seine Folgedie Tatldquo5 bdquoSoll angenommen w[erden] mit Spinoza daszlig derWille die Tat nur begleite so daszlig diese jenen verursache leiteund regiere oder soll angenommen w[erden] mit Platon dasgerade Entgegengesetzteldquo6 (Tim 304 305 Vol IX ed Bipde legib p 92 Definit ibid 287 Vol XI)7

1 Ebenda S 3672 Im Ms folgt gestr ihm3 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 3684 Am Rande von goumlttl[ichen] Dingen 382 [F H Jacobi Von den

goumlttlichen Dingen a a O S 382]5 Ebenda S 382-3836 Ebenda S 3837 Vgl Ebenda S 383 [Fuszlignote bei Jacobi] ndash Platon Timaeus Sive

De Natura vel De Universitate In Platonis Philosophi QuaeExstant Vol IX Biponti 1786 S 304-305 Platon De LegibusIn Platonis Philosophi a a O S 91-92 Platon Definitionis In Platonis Philosophi Vol XI Biponti 1787 p 44 S 287

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bdquoWille setzt Verstand voraus Einsicht und Absicht Einewillenlose unvorhergesetzte Handlung ist eine blinde Hand-lung es moumlge sich Bewuszligts[ein] dazugesellen oder nicht

D[ie] Frage stellt sich so Besteht d[as] Weltall durch eineninnern in sich beschlossenen selbst[aumlndigen] Mechanism[us]und hat es auszliger sich weder Ursache noch Zweck oder ist esum des Guten und des Schoumlnen willen vorhanden das Werkeiner Vorsehung die Schoumlpfung eines Gottes

3151 Die letztere bejaht die bloszlig gesunde sich selbst nochunbedingt vertrauende Vernunft Es war daher diese Meinungdie aumlltere und der Theismus als Glaube ging dem Natura-lism[us] als Philosophie voraus Dieser d[er] Naturalism[us]entstand zugleich mit der2 Wissenschaft er begann so wiediese sich zu entwickeln anfing und wurde (etc ) die erstePhilosophieldquo3

bdquoSollte je die Wissens[chaft] vollkommen w[erden] ein ausEinem Prinzip abgeleitetes in sich vollendetes alles Erkennba-re umfassendes System ndash so muumlszligte der Naturalism[us] zugleichmit ihr s[eine] Vollkommenh[eit] erhalten Alles muumlszligte erfun-den w[erden] als nur Eines und aus diesem Einen nun allesbegriffen alles verstanden w[erden] koumlnnen

Es ist demnach d[as] Interesse d[er] Wissenschaft daszlig keinGott sei kein uumlbernatuumlrl[iches] auszligerweltl[iches] supramun-danes Wesen Nur unter dieser Bedingung naumlmlich daszlig alleinNatur diese also selbstaumlndig und alles in allem sei ndash kann dieW[issen]schaft ihr Ziel der Vollkommenheit erreichen kannsie ihrem Gegenstande gleich und selbst alles in allem zuw[erden] sich schmeicheln

316 Selbstaumlndigkeit der Natur setzt als wissenschaftl[icher]Naturforscher auch d[er] Theist4 insofern und dergestalt vor-aus daszlig er sich streng untersagt irgend etwas in der Naturanders als aus ihr selbst verstehen und erklaumlren zu wollen Erzumal erkennt an als Gesetz der Wissenschaft daszlig sie vonGott nicht duumlrfe wissen wollen uumlberhaupt von keinem Uumlber-

1 Am Rande r o 5 Jac[obi] v[on] d[en] goumlttl[ichen] Dingen [F H

Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis auf Pagi-nierung S 158

2 Im Ms folgt gestr Philos[ophie]3 Vgl F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 383-

3844 Im Ms folgt gestr voraus

293

natuumlrlichen weil sie gleich der Natur deren Reflex sie istnotwendig da aufhoumlrt wo dieses beginnt1 Mit Recht aber for-dert er ein Gleiches von dem Naturalisten der dogmatischbehauptet Alles sei Natur und auszliger und uumlber der Natur seinichts ndash er fordert naumlmlich von ihm daszlig er sich gewissenhaftenthalte dem Theismus abgeborgte2 Ausdruumlcke bei d[em]Vortrag s[einer] Lehre zu gebrauch[en]ldquo3 etc

bdquo d[as] Schoumlpferwort des naturalist[ischen] Gottes welcheser von Ewigk[eit] zu Ew[igkeit] ausspricht ist Es werdeNichts Er ruft hervor aus dem Sein das Nichtsein wie der Gottdes Theismus aus dem Nichtsein hervorruft d[as] Seinldquo4

Die hervorbringende Ursache (d[as] naturalist[ische] [hellip])3175 bringt in Wahrheit nichts hervor sondern macht sichewig nur eine Veraumlnderung mit sich selbst d h sie gebiertewig nur die Zeit Diese zu erzeugen in einem ununterbrochnenWechsel das ist all ihr Leben und ihres ganzen Lebens Inhaltnur damit sie lebe tut sie alles was sie tut sie hat keinen houml-hern Zweck k[einen] Lebensinhalt6

bdquoWir fanden auf d[em] Grunde den Ungedanken einer Iden-titaumlt (eines idem esse) des Seins und Nichtseins welche Iden-tit[aumlt] aber sein sollte nicht d[ie] Identitaumlt des offenb[aren]Nichts sondern die Identit[aumlt] des Unbedingten und Bedingtender Notw[endigkeit] und der Freiheit in Wahrheit die Identitaumltndash der Vernunft und d[er] Unvernunft des Guten und Boumlsendes Dinges und Undingsldquo7 ndash bdquo denn allein auf jenem Gegen-satze und unvertilgbarem Dualismus des Uumlbernatuumlrl[ichen]und Natuumlrl[ichen] d[er] Freiheit und Notw[endigkeit] einer 1 Am Rande Anm[erkung] Wohl gibt es ein Wissen von dem Uumlber-

natuumlrlichen von Gott und goumlttl[ichen] Dingen und zwar ist diesesWissen das Gewisseste im menschlichen Geiste ein absolutes ausder menschl[ichen] Vernunft unmittelbar entspringendes Wissenaber zu einer Wissenschaft kann dieses Wissen sich nicht [nicht oMs] gestalten [F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a OS 385 Auch bei Jacobi als Anmerkung]

2 Im Ms folgt gestr Saumltze3 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 384-3864 Ebenda S 3925 Am Rande r o 6 von d[en] goumlttl[ichen] Dingen [F H Jacobi Von

den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis auf Paginierung S159

6 Vgl F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 3937 Ebenda S 394

294

Vorsehung und des blinden Schicksals oder Ungefaumlhrs1 beru-het d[ie] menschliche Vernunft sie gehet aus diesen Gegensaumlt-zen die miteinander nur Einen und denselben Gegensatz aus-machen hervor so 318 daszlig mit der Realitaumlt Objektivitaumlt undvollkommenen Wahrhaftigkeit dieses Urgegensatzes des Na-tuumlrl[ichen] und Uumlbernatuumlrlich[en] oder der Notwendigkeit undFreiheit oder einer Vorsehung und des blinden Schicksals dieRealitaumlt der Vernunft selbst ihre Wahrhaftigkeit und Wuumlrdeverlorengehen und der Mensch alsdann mit ihr und durch sievon dem vernunftlosen Tiere nichts als Irrtum und Luumlge zumVoraus fuumlr sich haben wuumlrdeldquo2

bdquoDer Mensch unstreitig dem Natur- und Tierreich angehoumlriggehoumlrt ebenso unstreitig auch dem Geisterreiche an und istnach einem allgem[ein] bekannten treffenden Ausdruck einBuumlrger zweier verschiedener wunderbar aufeinander sich be-ziehender Welten einer sichtbaren und unsicht[baren] einersinnlich[en] und einer uumlbersinnl[ichen]ldquo3

bdquoDer im Menschen uumlber d[ie] Natur sich erhebende Geist istaber keineswegs ein der Natur widerwaumlrtiger und ihr feindli-cher Geist er will nicht scheiden den M[enschen] von demM[enschen] Eine solche Scheidung wuumlrde Vernichtung seinAlles was ist 4 auszliger Gott gehoumlrt der Natur an und kann nurim Zus[ammen]hang mit ihr bestehen denn alles auszliger Gott istendlich die Natur aber ist der Inbegriff des Endlichen DieNatur vernichten wollen wuumlrde demnach so viel heiszligen als dieSchoumlpfung vernichten wollenldquo5

bdquoGott selbst schuf den Menschen und gab ihm unmittelbar

aus s[einem] Geiste den Geist Das ist der Mensch daszlig in ihmist der Atem Gottes des Allmaumlchtigen des Urhebers der Naturdes Beginnenden des absolut Unabhaumlngigen und Freien

1 Am Rande (Anm[erkung] bdquoD[as] Ungefaumlhr ist d[as] Entgegenge-

setzte der Absicht nicht d[er] Notwendigkeitldquo) [F H Jacobi Vonden goumlttlichen Dingen a a O S 394 Auch bei Jacobi als An-merkung]

2 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 394-3953 Ebenda S 3984 Am Rande r o 7 Jac[obi] v[on] d[en] goumlttl[ichen] Dingen etc [F

H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis aufPaginierung S 160

5 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 398-399

295

Geistesbewuszligtsein heiszliget Vernunft Der Geist aber kann nursein unmittelbar aus Gott Darum ist Vernunft haben und vonGott wissen Eins so wie es Eins ist von Gott nicht wissen undTier seinldquo1

bdquoAlso wie der Mensch sich selbst erkennt als ein freies dh als ein durch Vernunft uumlber die Natur erhabenes Wesen alsein Wesen dem geboten ist zu schaffen das Gute und Schoumlnenach einem ihm inwohnenden Urbilde wie er dergestalt sichselbst erkennt so erkennt er auch daszlig uumlber der Natur und uumlberihm selbst sein muszlig ein allerhoumlchstes Wesen Gott2 Und wieer sich nicht erkennt 319 als ein freies durch s[einen] Geistvon der Natur unabhaumlngiges Wesen so erkennt er auch Gottnicht sondern erblickt uumlberall bloszlig Natur

Natur ist die Macht die im Weltall alle Teile auszliger einanderund zugleich in Verbindung erhaumllt Trennung und Verbindungsetzen sich in ihr gegenseitig voraus und in einer Mitte zu seinist das Wesen aller Naturwesen Daher Raum und Zeit undjene ununterbrechbare Verkettung von Allem mit Allem derGrund und Abgrund menschl[icher] W[issen]schaft und Er-kenntnis mit ihr[er] unendl[ichen] Fuumllle und unendl[ichen]Leerheit Was in der Natur erfolgt erfolgt nach dem Gesetzedes Zus[ammen]hangs aller ihrer sich gegenseitig vorausset-zenden Teile d h auf eine durchaus notw[endige] bloszlig me-chan[ische] Weise3 Von sich selbst uumlbt sie weder Weisheitnoch Guumlte aus sondern uumlberall nur Gewalt sie ist was ohneFreiheit ohne Wissen und Willen wirkt in ihr herrscht alleind[as] Gesetz der Staumlrke Wo aber Guumlte und Weisheit mangelnund nur d[as] Gesetz der Staumlrke4 waltet da ist sagt ein alterSpruch keine wahre Erhabenheit da ist keine Majestaumlt bdquoSinebonitate nulla majestasldquo 1 Ebenda S 4002 Am Rande bdquoWer das Genie der Liebe und d[er] Tugend hat der

glaubt notw[endig] an Gott an Vorsehung an Unsterblichkeitldquo Zu-faumlllige Ergieszlig[ungen] eines einsamen Denkers II Jacobi I B[and][F H Jacobi Zufaumlllige Ergieszligungen eines einsamen Denkers IIAn Ernestine In Friedrich Heinrich Jacobis Werke Bd 1 AllwillsBriefsammlung Leipzig 1812 S 296]

3 Am Rande (Anm[erkung] Der lebendige von Innen heraus sichentwickelnde Mechanismus w[ird] Organismus genannt) [F H Ja-cobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 402 Auch bei Jacobials Fuszlignote]

4 Im Ms folgt gestr mangelt

296

3201 Weil die im Weltall sich darstellende und mit ihmidentische Natur lauter Anfang und Ende ohne Anfang undEnde in diesem Sinne also offenbar ein negatives Unendlichesist so ist es unmoumlglich sie in ihr selbst zu ergruumlnden sie ausihr selbst zu erklaumlren unmoumlglich ihr Ur- und Anbeginnen ausihr selbst zu erforschen und hervorzuholen dergestalt daszlig ihrSein und Wesen sich als ein durchaus selbstaumlndiges Sein undWesen ja als das absolut alleinige Wesen welches alles inAllem und auszliger welchem nichts sei unwidersprechlich of-fenbarte

Aber ebenso unmoumlglich ist es auch das Gegenteil darzutundaszlig naumlmlich die Natur ein Werk und nicht2 Gott daszlig sie nichtSchoumlpfer und Geschoumlpf zugleich nicht in Wahrheit d[as] allei-nige Wesen seildquo3

bdquoDaszlig alles Werden notw[endig] voraussetze ein Sein oderSeiendes welches nicht gew[orden] ist alles Veraumlnderlicheund somit Zeitliche ein Unveraumlnderliches Ewiges alles Be-dingte zuletzt ein nicht4 bedingtes Absolutes Diese Wahrheitw[ird] als eine unmittelb[are] Voraussetzung der Vernunft oderals eine positive Offenbarung durch dieselbe von allen Philo-so[phen] einstimmig anerkannt und sie trennen sich nur uumlberder Frage 321 ob dieses Absolute ein Grund oder ob es eineUrsache sei Daszlig es Grund sei und nicht Ursache behauptetd[er] Natur[alismus] daszlig es Ursache sei und nicht Grund derTheismus

Es ist aber die Voraussetzung eines Absoluten oder Unbe-dingten vor allem Bedingten und die Erkenntnis daszlig diesesnicht sein koumlnne ohne jenes so wie eine in jedem vernuumlnf-tig[en] Bewuszligts[ein] notw[endige] Voraussetzung und ihmwesentlich inwohnende Erkenntnis so auch und zugleich einedem menschl[ichen] Verstande durchaus unbegreifliche Vor-aussetzung und Erkenntnis

Die Voraussetzung des Unbedingten ist eine unbegreifl[iche]Voraussetzung deswegen weil sie eine Beziehung alles Be-dingten auf ein Unbedingtes zwar apodiktisch behauptet den

1 Am Rande r o 8 Jacobi v[on] d[en] g[oumlttlichen] D[ingen] idem etc

[F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis aufPaginierung S 161

2 Im Ms folgt gestr ein3 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 401-4034 nicht o Ms

297

wirkl[ichen] Zus[ammen]hang zwischen beiden aber keines-wegs offenbartldquo1

Versuch zu erklaumlrenbdquoDieser allein seiende Gott aber der erworben wuumlrde durch

die Vertilgung d[es] Zeitlichen d i alles endl[ichen] Daseinsund Wirkens d[er] erblickt wuumlrde allein mittelst eines absolu-ten Hinwegsehens vom Gesetze der Erzeugung dieser Gott daer keine Natur keine Welt auszliger sich uumlberall nichts wahrhafthervorbraumlchte uumlberhaupt und durchaus nicht Ursache waumlreldquo2

1 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 403-4052 Ebenda S 407 ndash Der Text bricht ab

298

[Zur XIndashXIV Vorlesung ndash Vernunft und Glaube]

1 Sein Leben war die Natur sein bezeichnendster Ausspruchist Gebt dem Glauben was des Glaubens ist2 nachgemachtdem Ausspruch Christi Gebt dem Kaiser was des Kaisers istund Gott was Gottes ist3 Aber so wie dieser Ausspruch Christi 1 Am Rande r o L[eibniz] bemerkt selbst in s[einer] Praefat[io]

[Vorrede] zur Theod[icee] daszlig s[ein] System nicht neu sei sondern[] an das des Zoroaster der aus dem Mithras nicht nur das Lichtsondern auch die Finsternis d i die Grenzen und Negationen ab-leitete [Vgl G W Leibniz Essais de Theacuteodiceacutee sur la bonteacute deDieu la liberteacute de lrsquohomme et lrsquoorigine du mal Amsterdam 1710Preface]

Nullum artem malum esse in mundo quod non respecta totiusbonum evadat adeoque mundum hunc esse optimum dixit jamBrunus [Zitat nicht nachgewiesen]

Kahl Examen comparationis Voltaireanae Gottingae 1741 [VglL M Kahle Vergleichung der Leibnitzischen und NeutonischenMetaphysik hellip und dem Herrn von Voltaire entgegen gesetzet vonLudewig Martin Kahlen Goumlttingen 1741] Setzte in dem StreitLeibniz vor Clarke

Fundamentum omnium veritatem mathematicarum est principiumcontradictionis sive identitatis ut vero mathesos traduratur ad phy-sicam opus est principio rationis sufficientis [Vgl G W LeibnizEpistolarum pentas una cum totidem responsionibus D SamuelisClarckii hellip Groningae 1740 Epistola II Nr 1 S 14]

Quod necessarium esse tale est per essentiam suam quiaoppositur contradictionem implicat quod autem contingens estdebet existentiam suam principio melioris quae est ratio sufficiensrerum [Vgl ebenda Epistola V sect 1amp2 Nr 9 S 115]

Causa harmoniae universalis quaerenda est in natura substantiaesimplicis sive monadis verae quae in eo consistit ut status sequensexoriatur ex statu antecedente [Vgl ebenda sect31 Nr 91 S 159]

Uumlber d[as] [] s[iehe] auch Lettre agrave Mr de Remond T[ome] IV[Vgl G W Leibniz Lettre de M de Leibniz sur la philosophie chi-noise agrave M de Remond In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Bd IVPars I Genevae 1768 S 173-174] wo [wo er gibt Korr im Ms]einen guten Sinn ich gab (sect11 255 8 sect ) Wenngleich L[eibniz]hierin die Chinesen zu milde nach d[er] Vorstellung deutet so istdoch die Tendenz groszligartig und wahr Er nimmt vgl s[einen] []Begriff [hellip] von Gottheit das ihm nicht nur das [hellip]

2 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia Francofurti 1665 Praefatio S 275

3 Mt 222

299

etwas ganz andres enthaumllt als man gewoumlhnlich aus ihm dedu-ziert so1 auch mit dem Bacons Er hat ihm daher gesagt was ernicht sagen wollte aber eben damit wider Willen und Wissendie Wahrheit eingestanden Jener Ausspruch Christi enthaumlltnaumlmlich offenbar eine Anerkennung des Staates die zugleicheine Abfertigung desselben ist Gebt dem Staate - ist der Sinn -was des Staates ist damit ihr von ihm ungestoumlrt religioumlsenZwecken leben koumlnnt Gebt es ihm denn es ist blutwenig wasihr ihm zu geben habt es sind ein paar Schilling etwas das imGrunde euch gar nichts angeht aber Gott gebt was Gottes istd h eure Kleinodien euern Schatz euer Selbst eure Seele2

Der Apostel sagt Wenn du ein Sklave bist so bleibe ein Skla-ve3 Es waumlre toumlricht daraus die Rechtmaumlszligigkeit oder Christ-lichkeit des Sklavenstandes folgern zu wollen Der Sinn ist nurSei Christ das andre ist gleichguumlltig So ist es auch mit demAusspruch Christi zu nehmen Das Christentum anerkannte denpolitischen Status quo und den Staat aber nicht deswegen weilihm der Staat Etwas sondern gerade deswegen weil er ihmNichts war So muumlssen wir auch den Satz Bacons fassen Diebeste d[er] objektiven Auslegung davon ist sein Leben selbstEr gab allerdings dem Glauben was des Glaubens ist aber seinWesen seine besten Kraumlfte sein Leben widmete er nur derErkenntnis dieser Natur4 Es war eine Anerkennung die nuraus einer innerlichen Entfremdung nur daher kam daszlig er nichtden Glauben zum Objekte seines Geistes machte indem erdiese andern Angelegenheiten gewidmet hatte die ihm mehrauf dem Herzen lagen eine Anerkennung die wie ein Dahin-gestelltseinlassen war Dadurch gerade wodurch man der Re-ligion die groumlszligte Ehre zu erweisen suchte tat man ihr diegroumlszligte Unehre an Man machte sie zu etwas ganz Besonderemman lieszlig ihr sozusagen keinen Anteil an den oumlffentlichen An-gelegenheiten sperrte sie wie der Orientale das Weib in dasGemach der subjektiven Gesinnung und trennte sie ab von denGegenstaumlnden des Nachdenkens und Untersuchens machte mitihr in allem dem was man sonst als notwendig gut und heil-sam erkannte eine Ausnahme schloszlig sie von den Gesetzenvon den Schicksalen alles Menschlichen aus aber entfremdete 1 Im Ms folgt gestr ist es2 Im Ms folgt gestr Man kann daher nur diesen Ausspruch3 1 Kor 7 20-224 dieser Natur dieses Staates Korr im Ms

300

eben dadurch die Religion dem Menschen denn nur dadurchwird etwas mein objektives Wesen daszlig ich es zum Objekt desDenkens mache nur der als Gesinnung sich bewaumlhrende Ge-danke ist der wahre Mensch So nahm der fromme Pascal dieReligion von dem Gesetze fortschreitender Entwicklung ausAber liegt nicht in dieser Ausnahme eine1 Furcht eine Angstes moumlchte die Religion das Feuer der Kritik nicht ertragenWenn ein armer Mensch der gerade in der groumlszligten Not bei derNacht auf der Straszlige eine Muumlnze findet2 sich wenn er nachHause3 kommt kein Licht macht4 [um] die Muumlnze5 zu bese-hen ob sie echt oder falsch ist6 sondern sich zur Ruhe legt sogesteht er wenn er andres kein Schlechter7 ist durch diese Handlung ein daszlig er nur aus Furcht sein Gluumlck moumlchte eineIllusion sein die Pruumlfung unterlaumlszligt Es war daher notwendigdaszlig um nicht spaumltere Erscheinungen zu antizipieren sondernim Zeitalter [von] Leibniz stehenzubleiben daszlig diese8 Ent-zweiung des Geistes9 dieser Widerspruch zwischen Wissen-schaft und Glauben der in den genannten Geistern schon ansich aber noch nicht fuumlr sie existierte zum offenkundigenBruch wurde10 Der in dieser Beziehung houmlchst unbewuszligte und 1 Im Ms folgt gestr Gefahr2 Im Ms folgt gestr so wird3 Im Ms folgt gestr oder an eine Lampe4 kein macht mit bangendem Herzen den Fund Korr im Ms ndash

[um] und die Tasche Ms5 die Muumlnze ziehen um sie bei Licht Korr im Ms6 Im Ms folgt oder gar7 Im Ms folgt gestr so eben8 diese jene Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr die d[em] Bacon Cartesius ein ruhiges Dahinge-

stelltseinlassen war10 Am Rande Je suis de sentiment les Thomistes et autres philosophes

qui croyent que tout est preacutedeacutetermineacute et je ne vois pas lieu drsquoendouter Cela nrsquoempecircche pourtant pas que nous nrsquoayons [pas] uneliberteacute exemte non seulement de la contrainte mais encore de la neacute-cessiteacute et en cela il en est nous comme de Dieu lui mecircme qui estaussi toujours deacutetermineacute dans ses actions car il ne peut manquer dechoisir le meilleur Mais srsquoil nrsquoavoit pas de quoi choisir et si ce quifait eacutetoit seul possible il seroit soumis agrave la neacutecessiteacute [Ich bin der-selben Meinung wie die Thomisten und andere Philosophen dieglauben daszlig alles vorherbestimmt ist und ich sehe keinen Grunddaran zu zweifeln Trotz allem jedenfalls haben wir keine [wirkli-che] Freiheit nicht nur vom Zwang als auch von der Notwendigkeit

301

merkwuumlrdige Bayle war es der es direkt aussprach daszlig derGlaube unvernuumlnftig vernunftwidrig sei daszlig die Vernunft dasNichts des Glaubens und umgekehrt der Glaube1 das Nichts derVernunft2 sei Aber obgleich Bayle aufs scharfsinnigste dieinneren Widerspruumlche des Glaubens aufzeigt mit der Kraft desDenkens ihn negiert so unterwirft er doch zugleich - so sehrwar die Menschheit zerfallen und zerrissen - sich3 wieder demGlauben als einer unbezweifelbaren Autoritaumlt So lange dieOrthodoxie eine herrschende bindende Macht war konnte demdenkenden Geist nur eine formelle Taumltigkeit uumlbrigbleibendaher kannte die Philosophie des Mittelalters nichts als schola-stischen Formalismus Es fehlen die prinzipielle die freie dieauf den Uranfang zuruumlckgehende die von Grund ausschoumlpfen-de Taumltigkeit Es fehlte4 Quellenstudium Die erwachte Freiheitund Selbstaumlndigkeit des Geistes begriff daher ihr Positives inder neuern Zeit anfaumlnglich hauptsaumlchlich nur in der Physik undMathematik In den stillen Raumlumen der Mathematik konntedie Vernunft sich selbst Genuumlge leisten der Geist sein Wesenentfalten ohne unmittelbar und direkt mit der Macht der Kir-che in Beruumlhrung und Bruch zu kommen5 Laszligt uns darum die

und von dem was wir von Gott selber wissen der immer in seinenHandlungen vorherbestimmt ist denn er kann nicht versaumlumen dasBeste zu waumlhlen Aber wenn er nicht etwas auswaumlhlen koumlnnte undwenn das was er erwaumlhlt hat allein moumlglich waumlre waumlre er an dieNotwendigkeit gebunden] (Feder p 127) [Lettre de Leibnitz agraveBayle sans date XXXII Lettres choisies de la correspondance deLeibnitz In Commercii Epistolici Leibnitiani hrsg v J G HFeder Hannover 1805 S 126-127]

1 der Glaube die Vernunft Korr im Ms2 der Vernunft des Glaubens Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr der4 Im Ms folgt gestr das Hauptstuumlck5 Am Rande Comme la Nature de chaque substance est telle que son

eacutetat suivant est une conseacutequence de son eacutetat preacuteceacutedent voilagrave lacause de lrsquoHarmonie toute trouveacutee Car Dieu nrsquoa qursquoagrave faire que lasubstance simple soit une fois et drsquoabord une repreacutesentation delrsquoUnivers selon son point de vue puisque de cela seul il suit qursquoellele sera perpeacutetuellement et que toutes substances simples auronttoujours une harmonie entre elles parce qursquoelles repreacutesentent touttoujours le mecircme univers [Da es in der Natur einer jeden Substanzliegt daszlig sein folgender Zustand eine Konsequenz des vorangehen-den Zustandes ist so ist damit die Ursache fuumlr die Harmonie schonvollstaumlndig gefunden Gott braucht nunmehr nur zu bewirken daszlig

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lauten unzweideutigen Lehren der Weltgeschichte denn ihreLehren sind das wahre Wort Gottes nicht verkuumlmmern undverdrehen Sie lautet der Glaube an die positive ausgemachteWahrheit ist der Tod aller Wissenschaft Nur an den Untergangder Orthodoxie war darum das Heil der Wissenschaft gebun-den Die deutsche klassische Literatur beginnt wo der alteGlaube1 aufhoumlrt Solange der Mensch nicht im Houmlchsten inden houmlchsten Gegenstaumlnden frei solange sind ihm Haumlnde undFuumlszlige gebunden er mag auch zappeln wie er will solange wirder auch in Kunst und Wiss[enschaft] nicht das Houmlchste errei-chen Es fehlt der Segen von oben Aber nur der Dichter ist einreligioumlser Dichter dem seine Poesie nur der Philosoph einreligioumlser Philosoph dem die2 Philosophie seine Religion ist

In diese Zeit nun wo der Glaube an eine unbezweifelbareein fuumlr alle Mal aus- und abgemachte buchstaumlblich houmlchsteWahrheit den Aufschwung der Geister darniederhielt so daszligder Gegensatz dagegen sich in keiner positiven Gestalt son-dern nur in der negativen leeren Form des Atheismus undpraktischen oder theoretischen Materialismus aumluszligern konntewo der menschliche Geist innerlich sich losriszlig3 von der Kircheund doch zugleich von ihr als einer aumluszligerlichen fremden dun-keln Macht beherrscht war wo er daher die widernatuumlrlichstenTorturen sich auferlegte eben weil er im Wesen unfrei [] war

die einfache Substanz einmal und im Anfange nichts anderes alseine Vorstellung des Universums aus einem bestimmten Gesichts-punkte heraus ist daraus folgt schon von selbst daszlig sie es immer-waumlhrend sein wird und daszlig alle einfachen Substanzen stets inHarmonie untereinander stehen werden weil sie stets ein und das-selbe Universum vorstellen] (T II P I p 163) [G W Leibniz Oc-casio controversiae inter Leibnitium et Clarkium Cinquieme ecritde Mr Leibnitz on Reacuteponse agrave la quatrieacuteme Replique de Mr ClarkeIn G G Leibnitii Opera Omnia hellip T II Pars I a a O sect 31 Nr90 S 162-163 Uumlbersetzung nach G W Leibniz Schriften zur Pho-ronomie und Dynamik Streitschriften zwischen Leibniz und ClarkeIn Philosophische Werke in vier Baumlnden Bd I Hauptschriften zurGrundlegung der Philosophie Teil I hrsg von E Cassier Ham-burg 1996 S 148-149] Die Har[monie] ist ein Wunder nur im An-fang (P 162 ibid) [Vgl G W Leibniz Occasio controversiae interLeibnitium et Clarkium hellip a a O Nr 89 S 162]

1 Im Ms folgt gestr faumlllt2 die seine Korr im Ms3 losriszlig losband Korr im Ms

303

um sich im Einklang mit dem Glauben zu erhalten wie Bayleund Pascal wo er in der aumluszligersten Zertrennung und Zerrissen-heit mit sich selbst war in diese Zeit faumlllt Leibniz1

1 Am Rande [] setzt auch den Raum der Platz der Ideen ist

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[Zur XIV Vorlesung ndash Kant Erkenntnistheorie Logik]1

2632 Wie sollte ich denn ihn bekommen Etwa durch diewiederholte Erfahrung sich oumlfter wiederholender Erscheinun-gen Wenn ich ihn das erste Mal nicht habe so bekomme ichihn auch das zweite Mal nicht und durch die weitere Wieder-holung auch nicht Ich sehe3 z B daszlig wenn es kalt ist dasWasser friert daraus schlieszlige ich also daszlig das Gefrieren alsdie Wirkung auf die Kaumllte als seine Ursache folgt Aber sokann ich nur schlieszligen unter der Voraussetzung daszlig der Be-griff der Ursache schon in mir ist Aus dieser Wahrnehmungkann ich unmoumlglich den Begriff selbst der Ursache abstrahie-ren denn daszlig ich das Gefrieren als eine Folge von der Kaumlltewahrnehme dem ist schon vorausgesetzt4 die KausalitaumltAuszlig[er] dieser wenn auch hundertfaumlltig sich wiederholendenErfahrung und Wahrnehmung von allen andern kann ich nichtserkennen als daszlig auf Kaumllte Gefrieren folgt aber nicht selbstdieses Gedankenverhaumlltnis abstrahieren Dieses Erscheinendein einer bestimmten Zeit Gewordene kommt zum Begriff diesesBegriffs zur Erkenntnis dieser Erkenntnis d i zum Bewuszligt-sein erst mit der Erfahrung aber es selbst entsteht nicht aus ihrDasselbe ist nun mit dem Begriff der Substanz Dieses ich dasich zum Objekt meines Geistes machen kann es als einen Ei-genschaften 264 habenden Koumlrper als ein Ding mit Akziden-zien wahrnehmen kann ist ja schon diesem Begriff vorausge-setzt5 Darin haben wir also einen wesentlichen UnterschiedKants von dem Empirismus daszlig er die Vernunft als ein selbst-bestimmendes Wesen als eine selbsttaumltige Quelle von Er- 1 Am Rande r o Zur 14 Vorlesung Kant [moumlglicherweise von frem-

der Hand] ndash Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1293 Am Rande r 84 Im Ms folgt gestr der Begriff5 Dieses vorausgesetzt Sich dieser erscheinenden [] einer be-

stimmten Zeit geworden [] kann zum Begriff dieses Begriffs zurErkenntnis dieser Erkennt[nis] d i zum Bewuszligtsein erst mit derErfahrung aber er selbst entsteht nicht aus ihr Dasselbe ist nun mitdem Begriff der Substanz Dieses ist ich [Im Ms folgt gestr einObjekt] ein Koumlrper ein zum Objekt meines Geistes [Geistes Im Msgestr] mach[en] kann es wahrnehmen als einen Eigenschaften264 habenden Koumlrper als ein Ding mit Akzid[enzien] ist ja schondiesem Begriff vorausgesetzt Ms

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kenntnissen daszlig er in ihr einen Ursprung von Erkenntnissenfindet K[ant] nennt diese Erkenntnisse a priori und die Ver-nunft ist also das Prinzip oder im Besitze gewisser Erkenntnis-se a priori bdquoWenngleich also alle unsere Erkenntnis mit derErfahrung anhebt so entspringt sie darum noch nicht eben alleaus der Erfahrungldquo1 Die Vernunft ist daher geschweige nieTabula rasa wie die Seele bei Locke vielmehr die Moumlglichkeitder Erfahrung in dieser Bestimmung nun wie wir sie hierausdruumlcken liegt zugleich der Unterschied vom Emp[irismus]in der die Vernunft einen Vorzug hat vor der Bestimmung d[es]Emp[irismus] laumlszligt zugleich aber noch die Herkunft aus d[er]Empir[ie] oder den Ruumlckfall in sie

Es gibt synthetische Urteile a priori d h Urteile in denenmit dem Subjekt des Urteils ein Praumldikat verbunden synthe-tis[iert] wird die2 sich auf die sinnliche Anschauung oder Er-fahrung beziehen ohne doch aus ihr selbst geschoumlpft zu seindenn sonst waumlren sie 2653 ja nicht a priori Daraus folgt daszliges allgemeine und notwendige die Erfahrung bedingende odermoumlglich machende oder auf Gegenstaumlnde der Erfahrung sichbeziehende Begriffe gibt Kategorien die er unter vier Haupt-titel bringt 1) d[er] Quantitaumlt Einheit Vielheit Allh[eit] 2)d[er] Qualitaumlt Realitaumlt Negation Limitation 3) d[er] RelationInhaumlrenz und Subsistenz subst[antia] et accidens Kausal[itaumlt]und Dependenz (Urs[ache] und Wirk[ung]) Gemeinschaft(Wechselwirkung zwischen den Handelnden und Leidenden)4) Modalitaumlt Moumlglichk[eit] und Unmoumlglichkeit Dasein ndashNichtsein ndash Notwendigkeit ndash Zufaumllligkeit4 Diese haben in derVernunft ihre Quelle sind bdquoFunktionen des reinen Verstandesrdquo5

Selbsttaumltigkeiten Selbstbestimmungen desselben Aber dieseBegriffe sind nur Formen sind fuumlr sich selber leer ihren Stoffihren Inhalt ihre realen Gegenstaumlnde schoumlpft die Vernunft ausder sinnlichen Anschauung aus der Erfahrung Und hierin istKant eins mit den Empirikern Nur in den Prinzipien weicht erab in dem was Objekt Inhalt d[er] Vernunft ist stimmt er mitihnen uumlberein Und eben hierin liegt der groszlige WiderspruchKants der sich also ausdruumlcken laumlszligt die Vernunft schoumlpft nur

1 I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 12 das die Ms3 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1304 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 1065 Vgl ebenda S 187

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aus sich um nicht aus sich sondern d[er] Erf[ahrung] schoumlpfenzu koumlnnen 266 nur selbstaumlndig um (un)abhaumlngig zu sein nura priorisch um nicht a posteriorisch sein zu koumlnnen Denn dieKategoriata oder Stammbegriffe sind ja nur insofern und darina priori als er damit sie die Erfahrung begruumlnden und bedin-gen [kann] obwohl sie aus der Vernunft stammen beziehen siesich nur auf die Objekte moumlglicher Erfahrung sind fuumlr sichselber gehaltlos

Das Naumlhere nun wenn die Kategorien die Erfahrung bedin-gen ist Folgendes bdquoBegriffe ohne1 Anschauung sind leer DieAnschauung ohne Begriffe aber blindldquo2 Vermittelst der Sinn-lichkeit werden uns Gegenstaumlnde gegeben und sie allein liefertuns Anschauungenldquo3 Die allgemeinen Formen nun unsrer4

Sinnlichkeit oder der Rezeptivitaumlt (Faumlhigkeit) (S 75 S 33)Vorstellungen zu empfang[en] sofern wir auf irgendeine Artvon den Gegenstaumlnden affiziert w[erden] sind Raum und ZeitSie sind Formen der Anschauung der Raum ndash das Aumluszligeredurch die wir die Dinge auszliger uns seh[en] die Zeit ndash die Formder inneren Anschau[ung] oder die Form des inneren Sinnes di des Anschauens unsrer selbst und unseres innern Zustandes5

Sie ist bdquoeine Bedingung a priori von aller Erscheinung uumlber-haupt und zwar die unmittelbare Bedingung der innern(uns[rer] Seelen) und eben dadurch mittelbar auch der aumluszligernErscheinungenldquo (S 50)6 2677

Das heiszligt also [die] notwendigen Weisen wie wir Dingeanschauen und wie uns also Gegenstaumlnde gegeben sind dennnur die Anschauung gibt uns Gegenstaumlnde sind Raum undZeit Durch sie8 allein ist dem an sich leer[en] Denken oderBegriffe ein Mannigfaltiges gegeben Die Anschauung alssolche aber ist blind sie stellt ein bloszliges Mannigfaltiges einenbloszligen Stoff dar Die Einheit nur dieses Mannigfaltigen diesesVielerlei der Sinnlichkeit wodurch das Mannigfaltige ein

1 Am Rande der Zeile 9 Kant2 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 753 Ebenda S 334 Im Ms folgt gestr Anschauung5 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 36-37 S 42 und

S 756 Vgl ebenda S 507 Am Rande r o Verweis auf Paganierung S 1318 sie unleserl Korr im Ms

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Denkbares ein Gedachtes ein Objekt erst wird ist der bdquoreineVerstandesbegriffldquo1 die Kategorie Durch sie w[ird] vermittelstder Einbildungskraft deren Wirkung die Synthesis ist dasMannigfaltige der Anschauung in eine Einheit in eine be-stimmte Einheit zusammengefaszligt und diese Zusammenfas-sung diese Verknuumlpfung ist der Begriff die Kategorie Ob-gleich durch die Anschauung die Gegenstaumlnde erst gegebenwerden so werden doch erst durch die Einheit des Begriffesdiese Gegenstaumlnde zu Objekten denn erst durch sie werden sieein Gedachtes d i ein Objekt Denn der Gegenstand nur alsein sinnlicher oder nur als Objekt d[er] sinnlichen Anschauungist nur ein Vielerlei [so] daszlig er mir als ein Gegenstand underst so ist er eigentl[ich] Objekt als ein bestimmtes Objekterscheint dies kommt nur her von 268 der Bestimmung desDenkens die Bestimmung des Mannigfaltigen des Vielerlei istnur die Einheit also von der Kategorie die eine Einheit ist DieSinnlichkeit gibt eben den bloszligen Stoff aber erst durch dieForm w[ird] der Stoff ein Bestimmtes ein Objekt ein be-stimmter Gegenstand aber diese Form ist die Einheit

Die Kategorie ist also eine bestimmte Einheit des Mannig-faltigen denn es gibt mehrere Kategorien Die Kategorie be-zieht sich daher selbst auf die Einheit urspruumlngl[ich] der Ap-perzeption des Bewuszligtseins des Ich denke oder auf die abso-lute2 Spontaneitaumlt des Verstandes Wie das Mannigfaltige dieKategorie so setzt wieder die Kategorie die Einheit des Selbst-bewuszligtseins voraus Diese ist nun der letzte Grund aller Er-kenntnis und Erfahrung denn nur durch die Verbindung desMannigfal[tigen] ist mir ein Objekt gegeben der Grund aberaller Verbindung ist die Einheit des Selbstbew[uszligtseins] wel-che wie Kant sagt alle meine Vorstellungen begleitet d i inallen ist sie alle zu den meinigen macht denn ohne diese Ein-heit waumlre ich ein so vielfaumlrbiges Subjekt als ich Vorstellungenhaumltte3 Alle Erkenntnis und Erfahrung alle Objek-ti[vi]er[bar]keit beruht daher auf der Autoritaumlt und Spontaneitaumltdes Verstandes oder Selbstbewuszligtseins denn alle Einheit isteine Funktion des Verstandes 2694 Aber gleichwohl liefertden Stoff die Gegenstaumlnde nur die Sinnlichkeit oder die An- 1 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 104-1052 Im Ms folgt gestr Idee3 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 129-1344 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 132

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schauung die bei uns nur eine sinnliche ist die Kategoriendurch die allein Dinge1 denkbar werden geht daher nur aufsinnliche Gegenstaumlnde auf Objekte moumlglicher Erfahrung siegeht nicht auf uumlbersinnliche Objekte oder sie geht nur auf dieDinge wie sie erscheinen wie sie in der sinnlich[en] Anschau-ung die nur unsre Anschauung ist aber nicht die Dinge ansich Diese sind daher unerkennbar Hier liegt also auch dieGrenze der Kategorie und des Verstandes Kant geht nun aberauch uumlber diese Grenze hinaus indem er von dem Vermoumlgender Kategorien das er Verstand nennt das Vermoumlgen der Ide-en z B des Unbedingten die Vernunft abnimmt Alle dieseIdeen sind nur Ideen eben nicht2 ihre Realitaumlt nicht in derSinnlichkeit die gleichwohl nur Erscheinungen darstellen oderErfahrungen nachgewiesen haben sie haben nur einen regula-tiven aber keinen konstitutiven Gebrauch wir koumlnnen durchsie kein Objekt bestimmen oder etwas Objektives von ihnenaussagenAber was Kant der theoretischen Vernunft nimmt das gibt erwieder in reichlich[em] Maszlige der praktischen die das Sollen-gesetz in sich hat die nicht an die Schranken der Erkenntnisund Sinnenwelt gebunden ist

Doch nun zur Beziehung Kants auf die Logik Die Logik diealte wie sie gewoumlhnlich und uns3 270 aus oberflaumlchl[ichen]Modifikationen noch [hellip] richtig Kant als eine vorzuumlglichformale Wiss[enschaft] daszlig sie abstrahierend von allen Er-kenntnissen die bloszlige Form des Denkens betreffe bdquoDie Krite-rien oder logischen Regeln betreffen nur die Form der Wahr-heit d i des Denkens uumlberhaupt und s[ind] sofern ganz richtigaber nicht hinreichend Denn obgleich eine Erkenntnis derlogischen Form voumlllig gemaumlszlig sein moumlchte d i sich selbst nichtwiderspraumlche so kann sie doch noch immer dem Gegenstandewidersprechen Also ist das bloszlige logische Kriterium einerWahrheit naumlmlich die Uumlbereinstimmung einer Erkenntnis mit

1 Im Ms folgt gestr erkennbar2 nicht auch Ms3 Am Rande r u von dieser Trennung des Erkennens und Denkens

entsteht diese Beziehung bdquoWir koumlnnen uns k[einen] Gegenstanddenken ohne Kategorie wir koumlnnen k[einen] gedachten Gegenstanderkennen ohne durch Anschauung[en] d[ie] jenen Begriffen ent-sprech[en]ldquo (S 165) [Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a aO S 165]

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den allgem[einen] und formalen Gesetzen des Verstandes undd[er] Vernunft zwar die conditio sine qua non mithin die ne-gative Bedingung aller Wahrheit weiter aber kann d[ie] Logik1

nicht gehen und den Irrtum der nicht die Form sondern denInhalt trifft kann die Logik durch keinen Probierstein entdek-kenldquo2 K[ant] hat darin vollkommen recht aber unrecht daszlig erdoch wieder dieses formale3 Denken diese formale Logikgeltend laumlszligt wenn auch nur als die formalen Bedingung[en]denn das wahrhaft Logische kann aber kein bloszliges formalessondern muszlig auch das Kriterium des Inhalts enthalten darfkein von der Erkenntnis Abgezogenes sein Denn was ist mitbloszlig formalen negativen Bestimmungen der Wahrheit undgleichwohl bdquodie Grenze der Logik ist dadurch ganz bestimmtdaszlig sie eine Wissenschaft ist welche nichts als die formalenRegeln allen Denkens (es mag a priori oder empirisch seineinen Ursprung oder4 Objekt haben welches es wolle in unse-rem Gemuumlte zufaumlll[ige] oder natuumlrl[iche] Hindernisse antref-fen) ausfuumlhrl[ich] darlegt und strenge beweisetldquo (Vorrede IX)5

1 Am Rande der Zeile r (S 84)2 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 843 dieses formale diese formales Ms4 Im Ms folgt gestr Ursprung5 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S VIII-IX

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[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Ich und Nicht-Ich]

3281 Fichte geht mit Jacobi vom Begriff der Freiheit ausaber Jacobi gibt demselben zum Substrat und Unterlage diePersoumlnlichkeit oder Individualitaumlt die Freiheit existiert nur alsIndividuum und im Individuum das Reelle und Wirkliche istallein die freie von sich wissende uumlber die Natur erhabne insich seiende Individualitaumlt und diese hat wieder Dasein undWirklichkeit als unendliches Individuum und als endlicheauszligereinander existierende freie endliche Individuen IndemJacobi von der Substantialitaumlt des Individuums ausgeht allesauf diese konzentriert so ist begreiflich daszlig Jacobi gegen alleobjektive Gestaltung in der Wissenschaft nur ein negativesVerhaumlltnis haben konnte daszlig sowohl im Charakter des Jacobiselber als in s[einem] geistigen Prinzip nicht das Prinzip einesSystems einer Wissenschaft liegt kurz daszlig er den Begriff derFreiheit nur subjektiv faszligte nur in der Gestalt und Form derSubjektivitaumlt2 den [er] 329 in seiner Wahrheit und Objektivi-taumlt erfaszligte und daher wie Fichte das Prinzip der Spontaneitaumltund Freiheit das sich in Kant und Jacobi aussprach zu einem

1 Am Rande Joh[ann] Gottl[ieb] Fichte geb 1762 bei Bischofswerda

in der Lausitz dagger 1814 zu BerlinJacobi sagt von sich selbst bdquoIn d[ie] Klagen uumlber d[ie] Unzu-

laumlnglichkeit alles unseres Philosophierens stimme ich leider vonganzem Herzen ein weiszlig aber doch keinen andern Rat Dies oderkathol[isch] werden es gibt kein Drittes Durchaus ein Heide mitdem Verstande mit dem ganzen Gemuumlte ein Christ schwimme ichzwischen zwei Wassern die sich mir nicht vereinigen wollen sodaszlig sie gemeinschaftlich mich truumlgen sondern so wie das Eine michunaufhoumlrlich hebt so versenkt auch unaufhoumlrlich mich d[as] andreldquoS[iehe] I[mmanuel] H[ermann] [von] Fichtes Beitraumlge zur Charak-teristik der neuern Philosophie zu Vermittlung ihrer Gegensaumltze [IH Fichte Beitraumlge zur Charakteristik der neueren Philosophie ZuVermittelung ihrer Gegensaumltze Sulzbach 1829 S 184-185]

Tatsachen des Bewuszligtseins nach Fichtes Tod erschienen [J GFichte Die Thatsachen des Bewuszligtseins Vorlesungen geh an derUni zu Berlin im Winterhalbjahre 1810-11 Stuttgart ndash Tuumlbingen1817] Wichtiger ist von ihm D[ie] Wissenschaftslehre in ihremallgemeinen Umrisse Berlin 1810 [J G Fichte Die Wissen-schaftslehre in ihrem allgemeinen Umrisse dargestellt Berlin1810]

2 Im Ms folgt gestr festhaumllt

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System einer applizierten Gestaltung einer Wissenschaft aus-breiten konnte Das Beste das Houmlchste laumlszligt sich nicht ausspre-chen es ist nur im Subjekt mit ihm Eins kann sich nicht vonihm abloumlsen das Begreifen und Erkennen geht nur fort in einerKette von endlichen Zus[ammen]haumlngen und Vermittlungensoll daher das Unbedingte in den Begriff erhoben w[erden] sow[ird] es ein Bedingtes es w[ird] vernichtet aufgeloumlst es istalso nur in unserem Sinn und Gefuumlhl des Subjekts in seinemGlauben Alle Wissenschaft hat uns Totes Bedingtes Aufgelouml-stes nichts Erstes Urspruumlngliches d i Freies zu seinem In-halt dies existiert nur im Freien und Ersten des Subjekts selbstdieses Freie und Erste aber im Subjekt ist uumlberhaupt seine un-teilbare lebendige Subjektivitaumlt selbst Im Fichte nun ist nichtPrinzip die Individualitaumlt sondern die Ichheit die eine Intelli-genz [ist] 3301 Das Objekt als Objekt ist nur ein Sein fuumlrandres es ist nicht fuumlr sich selbst nicht durch sich selbst dasObjekt ist nur fuumlr ein Subjekt nicht fuumlr sich selbst Das Objektist darum nicht ein Erstes Urspruumlngliches es ist nur ein Ge-setztes urspruumlngliches Sein Realitaumlt Wirklichkeit kommtallein dem Ich zu denn das Ich ist nur fuumlr sich selbst unddurch sich selbst Ich bin nur Ich nur fuumlr mich nicht fuumlr einmoumlglich[es] Andres auszligerdem fuumlr ein Andres sein heiszligt aberuumlberhaupt gesetzt sein dem Ich kommt aber kein Sein fuumlr and-res zu es ist also nur das Setzen seiner selbst nur die Taumltigkeitist Realitaumlt Taumltig sein aber und sich selbst setzen d h nichtbewirkt gesetzt durch ein Andres vermittelt sein nicht dieFolge eines Andren oder nur die Beziehung auf ein Andres istEins das Ich ist aber reine Identitaumlt es ist absolute Selbstaumln-digkeit es ist nur Ich als nur auf sich selbst bezogen sein Seinist nur als selbst es ist aber kein Ding kein Determinierteskein 331 Abstraktes [] dem Ich kommt allein Taumltigkeit alsoRealitaumlt zu das Objekt ist Objekt nur fuumlr ein Andres es ist alsounter der Voraussetzung nur dessen wofuumlr es ist Objekt seinaber und Sein uumlberhaupt ist Eins es ist also wenn und weil dasist wofuumlr es Objekt ist sein Sein ist abhaumlngig vermittelt hy-pothetisch ein nur Gesetztsein Die Intelligenz ist aber sichselbst anschauend sie ist sich selbst Objekt Gegenstand die-ses ihr sich selbst Objektsein ist unmittelbares Bewuszligtseinihrer selbst sich selbst wissen[de] Anschauung ihrer selbstWissen Anschauung Sein ist mit ihr und aus sich selbst und 1 Am Rande r o Fichte II

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ihr identisch ihr Sein ist das []1 der Anschauung ihrer selbstdiese ihre Selbstanschauung ist aber zugleich ihr Wesen sie istsie2 sie ist nicht etwa von dieser Anschauung Verschiedenesunabhaumlngig von ihr Existierendes die Intelligenz als die Ein-heit ihres Seins und Wesens als diese Anschauung ihrer selbstist Ichheit das Ich ist also Objekt 3323 seiner selbst wasObjekt ist ist es ist also aber dieses sich Objekt Sein machteben den Geist selbst aus das Ich aus ist es selbst es ist alsoweil es ist sein Sein hat keinen Grund es ist das schlechthinUnbedingte das absolut Erste es ist nur fuumlr sich selbst es istnicht weil Etwas andres ist so waumlre es ja Objekt es selbstsein Wesen und sein Sein identisch also ist sein Sein keinvermitteltes es ist das Setzen seiner selbst das Ich ist dahernicht bloszliges Subjekt sondern Subjektobjekt es ist ja Anschau-ung Objekt seiner selbst das Ich ist daher allein die Substanzdie absolute Realitaumlt denn nur das ist was4 fuumlr sich selbst istwas sich selbst Objekt ist und das was es ist nur fuumlr sichselbst ist das Objekt ist aber nur fuumlr das Ich kein Geist keinObjekt es ist nur ein Vermitteltes Negatives durch den GeistGesetztes ein Produkt es ist nur in der Intell[igenz] und fuumlrsie es ist nur eine Selbstbeschraumlnkung des Geistes der sich aufdiese und diese Weise bestimmt erschaut 3335

bdquoAlles moumlgliche Bewuszligtsein als Objektives eines Subjektssetzt ein unmittelbares Bewuszligtsein in welchem Subjektivesund Objektives Eins seien voraus und auszligerdem ist das Be-wuszligtsein schlechthin unbegreiflich man wird immer vergeb-lich nach einem Bande zwischen Subjekt und Objekt suchenwenn man sie nicht gleich urspruumlngl[ich] in ihrer Vereinigungaufgefaszligt hat Darum ist alle Philosophie die nicht von demPunkte in welchem sie vereinigt sind notwendig seicht undunvollstaumlndig und vermag nicht zu erklaumlren was sie erklaumlrensoll und ist sonach keine Philosophie

Dieses unmittelbare Bewuszligtsein ist die Anschauung des Ichin ihr setzt das Ich sich selbst notwendig und ist sonach dasSubjekt[ive] und Objektive in Einem Alles andre Bewuszligtseinw[ird] an dieses angeknuumlpft und durch dasselbe vermittelt

1 das [] daszlig [] Ms2 sie ist sie ist sie ist Ms3 Am Rande r o Fichte III4 Im Ms folgt was5 Am Rande r o Fichte IV

313

wird lediglich durch die Verknuumlpfung zu einem Bewuszligtseindieses allein ist durch nichts vermittelt oder bedingt es istabsolut 334 moumlglich und schlechthin notwendig wenn ir-gendein andres Bewuszligtsein stattfinden1 soll Das Ich ist nichtzu betrachten als bloszliges Subjekt sondern als Subjektob-jektldquo2

bdquoDas Selbstbewuszligtsein ist unmittelbar in ihm ist Subjektivesund Objektives unzertrennlich vereinigt und absolut EinsEin solches unmittelb[ares] Bewuszligtsein heiszligt mit dem wissen-schaftl[ichen] Ausdruck eine Anschauung ldquo 3bdquoIch bin diese Anschauung und schlechthin nichts weiter unddiese Anschauung selbst ist Ichldquo4

bdquoDer Begriff oder das Denken des Ich besteht in dem auf sichHandeln des Ich selbst und umgekehrt ein solches Handeln aufsich selbst gibt ein Denken des Ich und schlechthin kein and-res Denken der Begriff eines in sich zuruumlckkehrenden Den-kens und der Begriff des Ich erschoumlpfen sich gegenseitig DasIch ist das sich selbst Setzende und nichts weiter das sichselbst Setzende ist das Ich und nichts weiterldquo5

bdquoDas Ich kommt nur durch das Zuruumlckgehen des Denkens aufsich selbst zustande ldquo6

bdquoDas Bewuszligtsein meines Denkens ist meinem Denken nichtetwas nur zufaumllliges erst hinterher dazu gesetztes 335 unddamit verknuumlpftes sondern es ist von ihm unabtrennlichldquo7

bdquoDie Intelligenz schaut sich selbst an bloszlig als Intelligenzoder als reine Intelligenz und in dieser Selbstanschauung ebenbesteht ihr Wesen Ich bediene mich statt des Wortes Intelli-genz lieber der Benennung Ichheit weil diese das Zuruumlckge-hen der Taumltigkeit in sich selbst fuumlr jeden der nur der geringstenAufmerksamkeit faumlhig ist am unmittelbarsten bezeichnetldquo8

1 stattfinden sein Korr im Ms2 Vgl J G Fichte Versuch einer neuen Darstellung der Wissen-

schaftslehre Fortsetzung In Philosophisches Journal Bd VII1 Heft Jena ndash Leipzig 1797 1 Kap Abschn II Nr 4 S 12-13

3 Ebenda S 11-124 Ebenda S 135 Vgl ebenda Abschn I Nr 3 S 46 Ebenda Nr 4 S 57 Ebenda Abschn II Nr 4 S 118 Vgl ebenda S 14-15

314

bdquoSelbst setzt den Begriff vom Ich voraus und alles was dar-aus von Absolutheit gedacht wird ist aus diesem Begriffe ent-lehntldquo1

Ichheit und Individualitaumlt s[ind] sehr verschiedene Begriffeund die Zus[ammen]setzung des letzteren laumlszligt sich sehr deut-lich bemerken Durch den ersteren setzen wir uns allem wasauszliger uns ist nicht bloszlig Personen auszliger uns entgegen und wirbefassen unter ihm nicht nur unsre bestimmte Persoumlnlichkeitsondern unsre Geistigkeit uumlberhauptldquo2

In der Wissenschaftslehre ist die Vernunft das einige ansich und die Individualitaumlt nur akzidentiell die Vernunftzweckeund die Persoumlnlichkeit 336 Mittel die letztere nur eine beson-dre Weise die Vernunft auszudruumlcken die sich immer mehr inder allgemeinen Form derselben verlieren muszlig Nur die Ver-nunft ist ihr ewig ndash die Individualitaumlt aber muszlig unaufhoumlrlich3

absterben Wer nicht in diese Ordnung der Dinge zufoumlrdersts[ein] Wollen fuumlgen w[ill] der w[ird] auch nie den wahrenVerstand der Wissenschaftslehre erhalten

Die Ichheit (in sich selbst zuruumlckgehende Taumltigkeit Subjekt= Objektivitaumlt oder wie man will) w[ird] urspruumlnglich dem Esder bloszligen Objektivitaumlt entgegengesetzt und das Setzen dieserBegriffe ist absolut durch kein andres Setzen bedingt thetischnicht synthetisch Auf etwas das in diesem ersten Setzen alsein Es als bloszliges Objekt als etwas auszliger uns gesetzt wordenw[ird] der in uns selbst gefundene Begriff der Ichheit uumlberge-tragen und damit synthetisch vereinigt nur durch diese be-dingte Synthesis erst entsteht uns ein Du Der Begriff des Duentsteht durch Vereinigung des Es und des Ich Der Begriff desIch in diesem Gegensatze also als Begriff des Individuum[s]ist eine Synthesis des Ich aus sich selbst das in dem beschrie-benen Akte sich selbst nicht uumlberhaupt Setzende sondern alsIch setzend bin ich und das in demselben Akte durch michund nicht durch sich selbst als Ich gesetzte heiszligt Du 3374

1 Ebenda Fuszlignote 1 S 152 J G Fichte Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre In

Philosophisches Journal Bd VI 1 Heft Jena ndash Leipzig 1797 S21

3 Im Ms folgt gestr auf4 Am Rande r o Fichte V

315

bdquoDas Ich ist nur taumltig es ist bloszlig Ich inwiefern es taumltig istund wiefern es nicht taumltig ist ist es Nichtichldquo1 Das Ich ist ur-spruumlnglich nur ein Tun Alles Sein bedeutet eine Beschraumlnktheitder freien Taumltigkeit

Der Dogmatismus geht von einem Sein als Absolutem ausund sein System erhebt sich sonach nie uumlber das Sein DerIdealismus kennt schlechthin kein Sein als etwas fuumlr sich Be-stehendes Der erstere geht von der Notwendigkeit aus derletztere von der Freiheit2

bdquoSichselbstsetzen und Sein s[ind] vom Ich gebraucht voumllliggleich Der Satz Ich bin weil ich mich selbst gesetzt habekann demnach auch so ausgedruumlckt w[erden] Ich bin schlecht-hin weil3 ich bin

Das sich setzende Ich und das seiende Ich sind voumlllig gleichEin und eben dasselbe Das Ich ist dasjenige als was es sichsetzt und es setzt sich als dasjenige was es ist Ich binschlechthin was ich binldquo4 bdquoDas Ich setzt urspruumlnglichschlechthin sein eignes Seinldquo5

338 Das ist der erste schlechthin unbedingte Grundsatz derGrundsatz des Setzens der zweite ist die Handlung des Entge-gensetzens Das Ich setzt sich schlechthin ein Nicht-Ich entge-gen Der dritte Grundsatz ist der [der] Synthesis bdquoIch sowohlals Nicht-Ich w[ird] teilbar gesetzt So wie dem Ich einNicht-Ich entgegengesetzt w[ird] w[ird] demnach das Ich dem

1 J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 2 verb

Ausg Jena ndash Leipzig 1802 Zweiter Teil sect 4 D Nr 5 S 732 J G Fichte Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre a a

O S 273 Im Ms folgt am [] Verderbte Stelle im Ms4 Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre a

a O Erster Teil sect 1 Nr 9 S 11-125 Ebenda Nr 10 S 12 ndash Am Rande bdquoAller Realitaumlt Quelle ist das

Ich denn dieses ist das unmittelbar und schlechthin Gesetzte Erstdurch und mit dem Ich ist der Begriff der Realitaumlt gegeben Aberdas Ich ist weil es sich setzt und setzt sich weil es ist Demnachsind sich Setzen und Sein Eins und dasselbe Aber der Begriff dessich Setzens und der Taumltigkeit uumlberhaupt sind wieder Eins und ebendasselbe Also ndash alle Realitaumlt ist taumltig und alles Taumltige ist RealitaumltTaumltigkeit ist positive absolute (im Gegensatz gegen bloszlig relative)Realitaumltldquo [J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschafts-lehre a a O Zweiter Teil sect 4 C Nr 2 S 66-67]

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entgegengesetzt w[ird] und das Nicht-Ich das entgegengesetztw[ird] teilbar gesetztldquo1

bdquoDas Ich ist im Ich nicht gesetzt insofern d i nach denjeni-gen Teilen der Realitaumlt mit welchen das Nicht-Ich gesetzt istEin Teil der Realitaumlt d i derjenige der dem Nicht-Ich beige-legt w[ird] ist im Ich aufgehoben Insofern das Nicht-Ichgesetzt ist muszlig auch d[as] Ich gesetzt sein naumlmlich sind s[ie]beide uumlberhaupt als teilbar ihrer Realitaumlt nach gesetzt

Erst jetzt vermittelst des aufgestellten Begriffs kann manvon beiden sagen sie sind etwas Das absolute Ich des erstenGrundsatzes2 ist nicht etwas (es hat kein Praumldikat und kannkeins haben) es ist schlechthin was es ist 339 und dies laumlszligtsich nicht weiter erklaumlren Jetzt vermittelst dieses Begriffs istim Bewuszligtsein alle Realitaumlt und von dieser kommt dem Nicht-Ich diejenige zu die dem Ich nicht zukommt und umgekehrtBeide sind etwas das Nicht-Ich dasjenige was das Ich nicht istund umgekehrt Dem absoluten Ich entgegengesetzt (welchemes aber nur insofern es vorgestellt w[ird] nicht insofern es ansich ist entgegengesetzt w[erden] kann ) ist das Nicht-Ichschlechthin Nichts dem einschraumlnkbaren Ich entgegengesetztist es eine negative Groumlszligeldquo3

bdquoIch setze im Ich dem teilbaren Ich ein teilbares Nicht-Ichentgegenldquo4

Grundsatz des Theoret[ischen] bdquoDas Ich setzt sich selbst alsbeschraumlnkt durch das Nicht-Ichldquo5

In dem Satze welcher das Resultat der drei Grundsaumltze dergesamten Wissenschaftslehre ist d[as] Ich und d[as] Nicht-Ichbestimmen sich gegenseitig liegen folgende zwei bdquoD[as] ichsetzt sich als bestimmt durch das Nicht-Ich ldquo6 und dannbdquoDas Ich setzt sich als bestimmend das Nicht-Ichldquo7 welcherder Hauptsatz aller praktischen Wissenschaftslehre ist

1 Vgl ebenda Erster Teil sect 3 B Nr 9 S 28-292 Im Ms folgt gestr hat3 Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre a

a O Erster Teil sect 3 C Nr 1 S 29-304 Ebenda D S 305 Ebenda Zweiter Teil sect 4 A Nr 1 S 536 Ebenda B S 567 Ebenda S 56

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[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Wahrheit des Ideals]1

271 Nichts ohne Ich Der letzte Satz wird geleugnet Das Ichkann man wegdenken aber der Gegenstand ist ohne daszlig d[as] Ichist Klar hierin liegt eine Taumluschung und w[ir] bilden uns ein es seihelle auch wenn kein Auge waumlre denn es ist nur Einbildung ichdenke die Wirkung des Lichts auf d[as] Auge schon in den Gegen-stand hinein Wir haben die Vorstellung vom Licht von der Farbenur durch d[as] Auge und wir koumlnnen uns daher keine helle Weltohne Auge denken sondern nur glauben zu denken d h einbildenals koumlnnten wir was aber nicht der Fall ist Der M[ensch] kann hiernicht von sich abstrahieren und abstrahiert vom Organe aber dieWirkung des Organs versetzt er schon in den Gegenstand Darumw[ird] das Auge aus dem Gegenstand und der Gegenstand aus demAuge erkannt Der Gegenstand des Sehenden ist das Sichtbare undso unendlich mannigfaltig das Sichtbare dem Stoff nach ist ist eswesentlich doch dadurch bestimmt daszlig es ein Objekt des Auges istgleichwie es eine Bestimmung des Lichts ist daszlig es2 kein Gegen-stand des Objekts ist ndash rein durchsichtig aber nicht selbst sichtbarWenn man den M[enschen] individuell [] auffaszligt so mag die Leh-re D[ie] Welt ist nichts ohne Ich subjektiv hochmuumltig erscheinenaber wenn man es philosophisch erfaszligt wie Fichte wenn man sichdenn das Auge als Organ des Scheines nicht des Menschl[ichen]uumlberh[aupt] und das Bewuszligtsein als Bewuszligtsein nicht als meinesund deines sondern wie es selbst das Prinzip des M[enschen] istdas ohne welches der M[ensch] nicht Mensch ist so faumlllt dem Ver-nuumlnftigen d[as] Paradox a[uf] Der M[ensch] kann allerdings vonsich als Subjekt abstrahieren aber nicht vom Schall Houmlren vomBewuszligtsein Die Welt ohne Bewuszligtsein ist gleich nichts Aber wieviele Gegenstaumlnde sind von denen wir nichts wissen und vielleichtauch andre nichts wissen und doch3 sinnhaft [] werden [] IhrerSpezialitaumlt nach sind [sie] nicht Objekt des Bewuszligtseins Aber dieWelt im Ganzen im wesentlichen in der sie sich befinden ist Ob-jekt des Bewuszligtseins Sie stehen unter bekannten Kategorien ndash sosehr der besondre Inhalt verschieden sein mag ndash so wenn [] alleHimmelskoumlrper unter dem Gesetz der 272 Attraktion stehen daherauch ein absolutes ein Wesensunterschied zwischen den entfalteten 1 Uumlberschrift am Rande r o moumlglicherweise von fremder Hand ndash

Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 es sie Ms3 Im Ms folgt gestr nicht

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uns unbekannten und den [hellip] uns bekannten Gegenstaumlnden nicht[hellip] Dem Weisen genuumlgt die Kategorie der Gesetze dem sinn-lich[en] Menschen freilich nur die sinnliche Vielheit in Verschie-denheit im Grunde nur zu wissen wo er das Partikulaumlre wahrnimmtDem Wesen genuumlgt auch eine Liebe und Freundschaft in die Ferneohne unmittelbare persoumlnliche Bekanntschaft der sinnlicheM[ensch] muszlig die Person beschnuppern [] und betasten Den Mei-sten genuumlgt das Allgemeine er schlieszligt daraus daszlig sie auch wieandere nicht wesentlich verschieden sind daszlig sie Nase MundOhren haben [] Welche ist ihm gleichguumlltig darin daszlig wir vieleDinge nicht wissen liegt mehr Weisheit und Vernunft als wenn wires wuumlszligten (ob es gleich nicht Geheimnisse gibt d[ie] nur gemachtekuumlnstliche G[egenstaumlnde] sind hervorgerufen durch ungeschicktes(urspruumlngl[iches]) Verhalten und ungebuumlhrliches Fragen) Die Fra-ge Ist ein Schall ohne Ohr ein Geruch ohne Nase ist laumlcherlichebenso als die Antwort Ja Auch wenn die Geruumlche nicht waumlrenwuumlrden die Dinge riechbare Stoffe exhalieren Denn wir wissennichts ohne riechb[are] Eff[ekte] [] und [] nichts [] ohne GeruchDas wovon wir nur eine Vorstellung haben durch den Sinn dasdessen Dasein fuumlr uns eben nur dieser Sinn ist oder uns nur durchihn gegeben ist koumlnnen wir uns nicht denken ohne diesen Sinnohne uns einer albernen Einbildung schuldig zu machen ohne zufaseln Nicht mit Vernunft hat man gesagt D[er] Gegenstand derwahrgenommen w[ird] nimmt in dem Wahrnehmenden sich selbstwahr das Auge ist der Spiegel des Gegenstands ndash Bruno Sol seipsum videt [Die Sonne sieht sich selbst] Hegel Gott indem ergedacht w[ird] denkt sich selbst ndash Das Bewuszligtsein des M[enschen]von der Welt ist das Selbst-Bewuszligtsein der Welt die selbstbewuszligteWelt aber mit demselben Rechte kann man sagen weil derM[ensch] kein toter geistiger sondern ein sich selbst abspiegelnderein lebendiger selbsttaumltiger selbstbewuszligter Spiegel ist DerM[ensch] nimmt im Wahrgenommenen sich selbst w[ahr] dasm[enschliche] Bewuszligtsein von der Welt ist sein Selbstbewuszligtseindie Welt ist sein Ich Dem Gegenstand seines Selbstes dieses seinSelbst folgt [] Der Gegenstand 1

1 Text bricht ab ndash Am Rande quodcumque quod extra nos est pro eo ut

confirmatus a nobis ita nos sibi subjectos habet Epikt[eti] Arrian[i] LibIV c 4 p 44 [Jedes aumluszligere Ding welches es auch sei dem man einenhohen Wert beilegt macht von andern abhaumlngig Uumlbers aus EpictetusWas von ihm erhalten ist Epiktet nach d Aufzeichnungen Arrians Heidelberg 1926 Lib IV cap 4 S 287]

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[Zur XVIII Vorlesung ndash Differenzen Hegel und Schelling]1

3222 Die Entwicklung wie sie H[egel] in s[einer] wissen-schaftl[ichen] Methode befolgt und Schell[ing] als einen realenEntwicklungsprozeszlig des goumlttl[ichen] Wesens auffaszligt ist we-sentlich zu unterscheiden Auf ihrer Unterscheidung beruht dieErkenntnis uumlberh[aupt] der Differenz zwischen H[egel] undSch[elling] ndash eine Differenz die bereits keineswegs in derLiteratur schon befriedigend eroumlrtert ist Nur der Geist ist we-sentlich bei H[egel] wie er sagt Prozeszlig aus sich selbst sichentwickelndes Leben sich selbst hervorbringende TaumltigkeitResultat seiner selbst er ist nur das wozu er sich selbst machtAber dieses aus sich versubstantialisiert verselbstaumlndigt hypo-stasiert S[chelling] als ein nicht-intelligentes Prinzip er reali-siert fixiert die bloszlige Moumlglichkeit als ein Subjekt ein Substratdas er voraussetzt der Intelligenz Es ist an und fuumlr sich unlo-gisch unphilosophisch sich widersprechend mit dem Setzender Finsternis die Welt erleuchten und erklaumlren zu wollen wirhaben nur das Licht um die Welt hell zu machen und diesesist d[ie] Intelligenz es ist eine Inkonvenienz [Unschicklich-keit] ja ein Verstoszlig gegen die Idee und Vernunft an die aumluszliger-ste Spitze der Realitaumlt einen dunkeln Wolkengrund hinzustel-len aus dem wie ein Blitz die Intelligenz herausfaumlhrt DasAnfaumlngliche in der Bestimmung eines nicht-intelligenten Prin-zips wenn dieses gleich das moumlgliche Intelligente ist zu set-zen ist kein Akt der Intelligenz des Denkens die Intelligenzkann nur sich selbst3 setzen sie kann das4 Objektive auch nurals Intelligenz anschauen oder wenigstens als IntelligiblesVernuumlnftiges sie kann das Reale das Urspruumlngliche nur alsIntellig[enz] fassen was in uns so erscheint Denken koumlnnenwir nur das Denkbare Vorstellen Einbilden kann man sichalles Moumlgliche aber denken kann man nur das VernuumlnftigeWahre Denken ist die wahre houmlchste Taumltigkeit des Geistes siekann also nicht ihr Gegenteil denken sonst wuumlrde sie sichselbst aufheben der Irrtum als solcher fuumlr sich ist undenkbarDie Einsicht in den Irrtum ist nur moumlglich als die direkte oder 1 Am Rande r o Zur 18 Vorlesung [moumlglicherweise von fremder

Hand] In A folgt Uumlberschrift [Hegel Schelling]2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1623 Im Ms folgt gestr denke4 das sich Korr im Ms

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wenigstens indirekte Einsicht der Wahrheit Das Setzen einesnicht-intelligenten Prinzips ist also selbst eine Handlung derNicht-Intelligenz der Nicht-Philosophie denn die1 Intelligenzkann sich nicht selbst verneinen ist eine Handlung der Phanta-sie der Vorstellung Sch[elling] setzt so eine dunkle Vorstel-lung dem 3232 Gedanken voraus die Intelligenz den Gedan-ken selbst faszligt er nicht als ein entwickelndes Leben und weilkeine Bewegung also in dem intelligenten Wesen waumlre setzt erals das eigentlich unmittelbar Lebendige in die dunkle Vor-stellung eines Grundes Er wirft in den Kristallquell des goumlttli-chen Lebens einen dunkeln Erdklumpen hinein weil ihm dieBewegung die das Wesen fuumlr sich hat zu tot abstrakt lang-weilig ist er bringt auch wirklich durch diesen Hineinwurf einaufgaumlrendes aufbrausendes Wesen hervor aber er hat auchdadurch dem Kristallquell seinen schoumlnsten Schmuck genom-men s[eine] Hellig[keit] ihn getruumlbt Sch[elling] ist uumlber-h[aupt] ein Geist [der]3 mythologisiert nicht philosophiert derdie Ideen in Fabeln und Mythen verwandelt Seine Entwick-lungsgeschichte Gottes in Gott ist eine wirkliche Theogonie Ererfaszligt die Idee nicht in der Form des Begriffes Leben ist fuumlrihn nur in der Sage dem Mythos der Erzaumlhlung Tod im Be-griffe in der denkenden Erkenntnis H[egel] ist das Umge-kehrte das Entgegengesetzte Die Entwicklung die er als dieLebensform des Wahren faszligt muszlig daher bei ihm schon not-wendigerweise eine ganz andere Gestalt eine wesentlich ver-schiedne Form annehmen Bei H[egel] ist die Vernunft selbstdieses Leben in sich die absolute Idee ist ein Kreis ein in sichgeschloszlignes und vollendetes sie faumlngt mit sich an und endet insich Sie ist kein passiv sich entwickelndes Leben wie dieEntwicklung der Natur z B der Pflanze ihre Entwicklung istSpontaneitaumlt Selbsttaumltigkeit die Entwicklung Sich-Selbst-Hervorbringung sie setzt selbst das4 Niedere Untere Andereihrer was Sch[elling] als Substanz voraussetzt5 und6 ist darinnur ihrer selbst gewiszlig und bewuszligt sich zuruumlckziehend auf sich

1 Im Ms folgt gestr Nicht2 Im Ms folgt dem3 Im Ms folgt gestr der Idee4 Im Ms folgt gestr Nichtintelligente5 Im Ms folgt gestr als ihren Gegensatz6 und aber Korr im Ms

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selbst H[egel] faumlngt nun an 3241 von dem Unvollkommen-sten Abstraktesten um uumlber den2 Anfang hinaus zum Grundezum Prinzip desselben zu kommen Das Resultat ist das wahr-haft Erste Die Idee in der Logik ist nicht[s] anderes als derBegriff des absoluten Wesens wie es in der Logik Gegenstandist in der Logik w[ird] Gott nur als Idee betrachtet als absolutrealer Geist w[ird] er erst in den konkreten Teilen der Philoso-phie bestimmt3 in dem Elemente des reinen Denkens nimmtGott das absolute Wesen nur die Form der Idee an In derLogik kommt uumlberhaupt der Inhalt aller andern Wis-s[en]schaften schon vor aber lediglich nach s[einer] logischenBedeutung so kommt in ihr vor der Begriff des Guten desErkennens ebenso des Mechanismus des Chemismus aberlediglich nur nach der Bedeutung die sie fuumlr den Gedankenhaben nach der Stufe die4 sie im Ganzen einnehmen der Me-chanism[us] der Chemism[us] sind Kategorien so gut wie dieKategorien der Quantitaumlt der Qualitaumlt aber schon konkretereinhaltsreichere houmlhere Kategorien Kategorien die nicht mehreinfache Bestimmungen sind sondern selbst Totalitaumlten Soalso kommt der Begriff des absoluten Wesens das unter keinebestimmte Kategorie mehr faumlllt das die absolute Totalitaumlt undFuumllle aller Kategorien ist auch in der Logik [vor] aber hier indem Namen und unter der Form der absoluten Idee derenMomente und Bestimmungen nur Sein und Wesen sind Wasdaher von der absoluten Idee gilt das gilt auch von dem abso-luten Wesen wenn und wie es nicht mehr als Idee sondern alsabsolut konkreter und realer Geist gedacht w[ird] Houmlchstwichtig ist es wenn man H[egel] nicht Dinge aufbuumlrden willdie nicht in s[einem] wahren Sinne liegen So haben ihn aber325 die meisten verstanden als unterwuumlrfe er Gott dem Fa-tum einer Entwicklungsgeschichte so daszlig Gott sich aus einemunvollkommnern Zustande gleichsam zum vollkommnernBewuszligtsein fortentwickele oder wenn auch nicht einem Fa-tum da die Entwicklung aus ihm vor sich gehe der Grundderselben er selber sei doch wenigstens einer realen Entwick-lung Dies ist5 eine rohe krasse Auslegung Die absolute Idee

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1632 den [so auch A] dem Ms3 bestimmt realisiert Korr im Ms4 die in der Korr im Ms5 Die ist Im Ms irrtuumlmlich gestr

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ist das A und O der Logik die Idee des Seins setzt voraus alsihr Prinzip die Idee der Idee Man kann daher mit dem Schlusseder Logik anfangen und aus der Idee erst das Sein das Wesenkurz die endlichen Kategorien ableiten Hegel hat selbst ein-mal wie er selbst sagte die Logik so vorgetragen Also ist aufGott nicht dieser Entwicklungsprozeszlig anzuwenden Er ist dasabsolute Prius Die philosophischen Ideen w[erden] immer soverstanden daszlig man [ihnen] die Vorstellungen die man auszligerder Philosophie hat und die nur eine ganz entfernte Analogiemit ihnen haben unterschiebt so schiebt man der Idee H[egels]die Vorstellung unter die man von der Entwicklung einesMenschen aus dem Zustande der Unwissenheit zum Be-wuszligts[ein] die Entwicklung der Pflanze die nur als Bild ge-braucht w[erden] kann unter und vergiszligt daszlig diese Entwick-lung in dem Kreise der selbsttaumltigen Intellig[enz] vor sich gehtdie nicht unmittelbar bestimmt ist sondern sich selbst be-stimmt daszlig die Bestimmungen in die sich die Idee versetztSelbst-Bestimmungen derselben sind Nun ist allerdings nichtzu leugnen daszlig die Darstellung H[egel]s selbst diesen Miszligver-stand diesen Schein1 als unterwuumlrfe er das absolute W[esen]der Entwicklung wie einer aumluszligern Naturnotwendigkeit erregtund mit sich fuumlhrt Es gibt Miszligverstaumlndnisse denen notwendigdie Philos[ophie] ausgesetzt ist um die sie sich daher auchnicht zu kuumlmmern hat weil2 nicht ihr Schuld gegeben w[ird]sondern in dem Unverstand3 ihre Quelle haben Aber es gibtMiszligverstaumlndnisse die in einem objektiven Mangel ihren Grundhaben Und dieser scheint bei H[egel] darin zu liegen daszlig erdie Kreisbewegung der goumlttlichen Idee nicht bloszlig im Begriffezu erfassen und nachzuweisen 3264 sondern auch selbst inder Darstellung5 versinnlichte daszlig also nicht die Idee nursondern auch die Darstellung der Idee selber eine Kreisbewe-gung sein soll daszlig er selbst formell diese Beweg[ung] gleich-sam nachmachte Daher kommt es auch daszlig seine Methode solebendig und tief und objektiv sie an sich ist doch in einengewissen Formalismus und Mechanismus verfiel Daher kames daszlig man die Darstellung der Idee fuumlr die Idee selbst hielt

1 Schein Schein A2 Im Ms folgt sie3 Im Ms folgt gestr der Phil[osophie]4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1645 Im Ms folgt gestr zu

323

daszlig man das Subjektive1 und Objektive miteinander verwech-selte2 daszlig man die Logik selbst in ihrer Ausbreitung auf demPapier fuumlr das absolute Wissen in selbsteigner Person hielt dadoch subjektiv d h in Bezug auf den Philosophen die Logiknur das Wissen von dem absoluten Wissen ist Eben dadurchdaszlig H[egel] in der Darstellung selbst die Idee vergegenwaumlrtig-te wurde [sie]3 unvermeidlich eine Verendlichung des Unend-lichen eine Veraumluszligerung und Zerteilung des an sich Identi-schen eine Zerlegung in nacheinander auftretende Momenteund Stufen wenigstens wenn auch nicht der Idee dem Inhaltedoch der Form nach so daszlig der der4 sich nur an die Darstel-lung haumllt allerdings auf solche Vorstellungen verfaumlllt als sichviele von H[egel] machen Es haumlngt damit zusammen daszligH[egel] uumlberhaupt zu sehr sondert und teilt daher auch derUumlbelstand kommt daszlig dieselben Gegenstaumlnde mehrmals vor-kommen muumlssen weil sie jedesmal nur in einer besondernBestimmtheit die nicht ihr ganzes Wesen ausdruumlckt betrachtetwurden Ein Uumlbelstand durch den viele scheinbare aber auchwirkliche Widerspruumlche entstehen Die Idee der Einheit trittdaher uumlberhaupt zu sehr bei H[egel] in den Hintergrund Es istnotwendig daszlig5 fuumlr uns nur sukzessiv die Gedanken entstehen[wir] zum Bewuszligtsein eines Gegenstandes nur nach und nachkommen Aber eben in dem Gedanken der Einheit soll dieWiss[enschaft] die Sukzession vernichten nur dadurch beru-higt und befriedigt sie den Menschen Aber eben bei Hegelobwohl die Momente zuruumlckkehren in die Einheit in das Prin-zip woraus sie entspringen ist doch durch die Bedeutung6 dieder Darstellung gegeben w[ird] erloumlst die Wissensch[aft] nichtvon dem natuumlrlichen Uumlbel der sukzessiven Wahrnehmung327 Aber uumlber diesen Mangel der Form und Darstellung nachmuszlig man nicht das Tiefe und Wahre der Idee uumlbersehen diebei Hegel auch zugrunde liegt

1 Subjektive [so auch A] subjektive Ms2 verwechselte [so auch A] verwechselt Ms3 [sie] es im Ms gestr4 der [so auch A] wer Ms5 Es daszlig Im Ms gestr6 Im Ms uumlber der Zeile unleserl Erg

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[Die Kanzel-Moralisten]1

Die Moralisten auf der Kanzel gleichen den Rhetoren2 derAlten die hauptsaumlchlich nach dem Untergang der echten Rede-kunst3 erdichtete Faumllle willkuumlrlich ersonnene Verhaumlltnisseoder auch4 laumlngst vergangene Ereignisse so behandelten alswaumlren sie Ereignisse ihrer Zeit und ihrer naumlchsten UmgebungEs laumlszligt sich leicht vorstellen wie unappetitlich wie eindrucks-und bedeutungslos diese Reden uumlber fingierte Faumllle warenzumal wie hohl deklamatorisch diese Versetzung einer Ver-gangenheit in die Gegenwart dieser blinde Feuerlaumlrm uumlbereinen laumlngst verwesten Philipp oder Catilina diese Vorstellungvon fuumlrchterlichem Unheil und schrecklichen Gefahren diedoch nur den Worten nach existierten welche jedoch weiternichts in Bewegung setzen als die beiden Lungenfluumlgel undden Unter- und Oberkiefer des mutigen Rhetors Nichts ande-res und nichts besseres tut der moralisierende Redner auf derKanzel Gewaltig draumlngt sich aus seinem Mund der Stromseiner Rede hervor alle Springbrunnen Wasserleitungen Ka-naumlle und Schleusen werden wie Gefangene in Freiheit gesetztes blitzt und donnert er droht und beschwoumlrt er klagt undfrohlockt er schildert und verheiszligt er demonstriert und dekla-miert aber woruumlber5 Uumlber ganz unschuldige unschaumldlicheDinge die im friedlichen Gehege leerer Abstraktion ihr stillesSchattenleben fuumlhren und mit ihrer Gegenwart so wenig je dieWelt inkommodieren werden als ein Catilina im zweiten Jahr-hundert nach Chr[isti] Geburt den roumlmischen Staat6 so gefaumlhr-lich ihn auch [] muumlszligiger Tor schildert uumlber zwar gedachteaber sofern sie aller Existenz ermangeln nur erdachte Dingeuumlber ein Gesetz und eine Pflicht die nie wirklich ist7 nie wirk-lich wird8 und eigentlich auch wenn man so recht darauf ein-geht nie wirklich werden soll9 Denn sollte sich einmal der

1 Vgl BwN I S 328-329 ndash Am Rande von fremder Hand 183562 Rhetoren Rhetorikern Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr uumlber4 Im Ms folgt gestr uumlber5 Am Rande saumlmtlicher Geheimnisse Zauber und [] Kunst6 Im Ms folgt gestr wenn er auch noch7 ist sind BwN8 wird werden BwN9 soll sollen BwN

325

ungluumlckliche Fall ereignen daszlig1 Pflicht und Gesetz von einemIndividuum vollkommen erschoumlpfend ganz und rein erfuumllltworden ist so waumlre ja damit das Sollen2 die wesentliche Be-stimmung der Pflicht aufgehoben3 die erfuumlllte Pflicht ist keinePflicht mehr in seiner Erfuumlllung hat das Gesetz sein Ende DerMoralist predigt also nicht uumlber etwas Wirkliches uumlber Etwaswas ist und besteht uumlber ein daseiendes Reich Gottes uumlbereinen sichtbar gewordenen im Fleisch erschienenen SohnGottes eine vorhandene festgesetzte und bestimmte himmli-sche Welt nicht uumlber etwas Gegenwaumlrtiges denn entweder4

rhetorisiert er uumlber den demoralisierten Zustand so seiner Ge-meinde oder der ganzen Zeit uumlber die Verletzung und Uumlber-tretung also uumlber das Nichtdasein des 5 Pflichtgesetzes in denGesinnungen und Handlungen der Menschen oder uumlber Etwaswas noch nicht ist uumlber etwas Zukuumlnftiges was6 erst werdenund geschehen soll und immer werden soll aber nicht ist uumlberdie Pflicht und deren Erfuumlllung Wahrlich ein possierlicherAufenthalt und Standpunkt auf einem reinen Nichtsein undeinem Nochnichtsein Zwar greift der Moralist auch in dieblaue Zukunft hinein er antizipiert den Fall daszlig die Pflichterfuumlllt werde denn7 sie koumlnne und muumlsse8 erfuumlllt werden9 weilsie es solle und das auch dann wenn sie erfuumlllt worden aufdas Bewuszligtsein des Verdienstes die Pflicht mit Selbstaufopfe-rung und arbeitsvoller Taumltigkeit getan zu haben10 Ruhe Be-friedigung und Seligkeit so gewiszlig erfolgen werden als dieWetterprophezeiungen des Kalenders11 Doch mit dieserPflichterfuumlllung istrsquos nicht ernst das ist nur so hingesagt ohneselbst vom Moralisten wenn er sich aufs Gewissen fragt ge-glaubt zu werden sie ist eine von den vielen Moumlglichkeitenmit denen12 sich der Moralist zwar viel herumtreibt welche 1 Im Ms folgt gestr die2 Hervorgehoben in BwN3 Hervorgehoben in BwN4 Im Ms folgt gestr deklamiert5 Im Ms folgt des6 was das BwN7 denn und Korr im Ms8 koumlnne und muumlsse auch Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr unleserl Wort10 Am Rande unleserl Ergaumlnzung11 In BwN folgt eintreffen12 denen welchen BwN

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aber so wenig1 zur Existenz gelangen als die vielen als moumlg-lich angenommenen und vorgeschlagenen Mittel und Wege inden Mond hinauf- oder in den Mittelpunkt2 der Erde hinabzu-steigen Er muszlig daher einen anderen Weg einschlagen umseinen Juumlngern fuumlr das gespenstische Schweben von einemNichtsein zu einem Nochnichtsein den Besitz von Etwas zuverschaffen was so ziemlich die Art den Schein und Manier3

von einem Wirklichen hat der groszligmuumltige Moralist erlaumlszligtdaher ihnen4 das unaufloumlsliche Problem einer Pflichterfuumlllungaufzuloumlsen5 man braucht nicht nach dem zwar ausgesproche-nen aber nicht so gemeinten Comment das ganze Maszligglasausleeren6 der humane Kanzelpraumlses ist schon zufriedenge-stellt wenn man nur so viel daran genippt und geleckt hat alsin Kraumlften stand Strebet7 nur redlich gewissenhaft und ernst-lich nach der Pflicht euer Streben8 ist schon genug sowohl fuumlrdie Pflicht als auch fuumlr euch fuumlr euer Wohl und Heil in eue-rem Streben9 habt ihr eine reichliche Schuldentilgungskasse fuumlrden strengen Glaumlubiger das Gesetz10 und zugleich ist es fuumlreuch mit dem honigsuumlszligen Bewuszligtsein verknuumlpft getan zuhaben und zu tun soviel als ihr konntet und koumlnnt und mitdiesem wieder Ruhe und Befriedigung mit dieser wieder Se-ligkeit11 und mit der Seligkeit wieder ein Zustand in dem12

1 so wenig von Korr im Ms2 den Mittelpunkt Fehlt in BwN3 Manier die Materie BwN4 ihnen seinen Zuhoumlrern BwN5 aufzuloumlsen Unleser Korr im Ms6 ausleeren auszuleeren BwN7 Strebet Hervorgehoben in BwN8 Streben Hervorgehoben in BwN9 Streben Hervorgehoben in BwN10 Gesetz Hervorgehoben in BwN11 In BwN folgt euer Theil12 und mit diesem wieder dem und in diesem Bewuszligtsein ist wieder

Ruhe und Befriedigung mit diesen wieder Seligkeit euer TheilBwN ndash Text bricht ab

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II Studien Kritiken und Aphorismen

1 Eintrag in das Poesiealbum eines Ansbacher Freundes1

Unser Vaterland ist jetzt im Spital Alles darin leidet Frei-heit und Recht liegen auf dem Sterbebette und die alten erha-benen Tugenden schleichen nur noch wie blasse duumlrre Totenge-rippe daher und leider sind die Aumlrzte die zu seiner Heilungberufen sind teils selbst auf dem Hunde teils klaumlgliche Quack-salber Darum wollen wir uns zu gesunden und tuumlchtigen Aumlrz-ten bilden die nicht aus Lohnsucht sondern aus reiner Liebezum Vaterland an seiner Heilung arbeiten

Bloszlig in der Treue dieser Vorsaumltze wird die Treue unsererFreundschaft bestehen koumlnnen

Dein Freund und Bruder

Ansb Ludw Feuerbach30 Maumlrz 1823 St Th

1 Uumlbernommen aus G Vocke Feuerbach Erinnerungen Ansbach

1925 S XV ndash Widmung an Christian Heinrich Sixt

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2 Excerpten1 aus Herders Briefe das Studium der Theologiebetreffend anno 1823 im Winter2

[Aus] XIV3bdquoUnglaube4 mag die Pest des Christentums sein schlechte

Beweis-Metaphysik5 ist s[eine] garstige faule Seuche6 Essterben mehr Menschen an dieser wie viell[eicht] an jenerund in uns[ern] Tagen ist sie die Modekrankheit7ldquo8

[Aus] XVbdquoWerden Sie so gluumlcklich nur einige zu uumlberzeugen daszlig

sie sich ohne Schwaumlrmerei und Aberglauben entschloumlssendem Leben und der Lehre Christi maumlnnlich9 zu folgen nachs[einen] Grundsaumltzen zu leben in Wahrh[eit] und stiller Lie-be moumlgen Sie nun diese Leute kennen od[er] nicht10 ndash dasletzte immer um so besser Lasset uns Christi11 Juumlnger zie-hen nicht12 uns Lasset uns ihn nicht uns predigen Liebe istGeist des Christent[ums] nicht Gebraumluche allgemeinerreiner Geist der Wahrheit wo Wahrh[eit] sich finde keineeinzelne Klausur von Wortenldquo13

bdquoDie kuumlnftige Welt wird nur aus dem bestehen was in die-ser reell d i echtes Christent[um] war und als solches in sieuumlbergehen konnteldquo14

1 Exerpten Excerpta BwN2 J G v Herder Briefe das Studium der Theologie betreffend 4

Thle Weimar 1780ndash1781 [beiliegendes Titelblatt]3 In BwN folgt als Einleitung wo das Christentum als historische

Begebenheit gefaszligt wird zu deren glaumlubiger Annahme man nie-manden zwingen koumlnne die Bemerkung

4 Text im Ms am Rande unter der Uumlberschrift 1823 G Herder5 schlechte Beweis-Metaphysik Hervorgehoben in BwN6 garstige faule Seuche Hervorgehoben in BwN7 Modekrankheit Hervorgehoben in BwN8 J G v Herder Briefe das Studium der Theologie betreffend 2

Thl Weimar 1780 Brief 14 S 2489 maumlnnlich naumlmlich BwN10 nicht o Ms11 Christi Christo BwN12 nicht o Ms13 J G v Herder Briefe a a O Brief 15 S 25914 Ebenda S 262

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[Aus] XXIIIbdquoFliehen Sie es wie e[ine] Pest uumlber Relig[ion] zu strei-

ten denn uumlber das was eigentl[ich] Relig[ion] ist laumlszligt sichnicht1 streiten Weder erstreiten noch wegstreiten laumlszligt sichrsquosso wenig man das Licht houmlren od[er] den Geist malenkannrdquo2

1 nicht o Ms2 J G v Herder Briefe a a O Brief 23 S 391

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3 An meine erste Geliebte

Die unter dem Zunamen logische Idee weltbekannteSophia gegenwaumlrtig Hofschauspielerin in Berlin

Sophia Du bist fuumlrwahr von wunderherrlicher SchoumlnheitNie entzuumlckte mein Aug je noch so eine Gestalt

Ach wie zart ist Dein Fleisch wie ganz aumltherischen Wesens Daszlig es nimmer ist Fleisch sondern ein Schein nur1

von ihmAller Materie frei scheint mir Dein magischer

KoumlrperIhn belaumlstiget nicht Schmerz und irdischer Stoff

Ja er ist so subtil daszlig wenn ich umarme Dichzweifle

Ob Du bist Fleisch und Blut oder ein himmlisch Ge-spenst

Deine Augen Dein Mund vor allem aber die ZaumlhneUnerlaumlszliglicher Schmuck sind in dem trefflichsten

StandSchoumln wie die Venus erhaben wie Juno bist Du So-

phiaAber eitel bist Du Dich nur bespiegelnd in Dir

Als2 vor dem Spiegel Du stehst zu schaun Deineigenes Bildnis

Gleich dem eitlen Narziszlig nur in Dich selber ver[liebt]Ewig bleibst Du drum Jungfer Du wirst ach nie

mehr MutterDenn3 das mager Kind welches von Dir selb[st]4

1 Im Ms folgt gestr noch2 Als Stehst Im Ms gestr und korr3 Im Ms folgt gestr auch4 Text bricht ab

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4 Das Ens der NeuplatonikerUnterschied von dem Wesen der Wirklichkeit der alten und der

Hegelschen Metaphysik

Ein sehr klares Beispiel von dem Wesen des metaphysischenDenkens und seinem Unterschied von dem Wesen der Wirk-lichkeit gibt das Ens [Eines] der Neuplatoniker das sie als dashoumlchste Wesen aussprechen Alles was ist sagen sie bestehtnur dadurch daszlig es Eines ist nimm dem Haus die Einheit sofaumlllt es zusammen ist nicht mehr Haus nimm der Pflanze kurzirgendeinem Ding die Einheit so ist es nicht mehr es selbstWesen und Einheit ist identisch Jedes ist nur das was es istdadurch daszlig es Eines ist Aber alles Wirkliche ist zugleich einVieles eine Einheit von Vielem eben deswegen eine zerstoumlr-bare vergaumlngliche Einheit denn das Viele kann seiner Einheituntreu werden sich trennen Das wahre Wesen ist daher nurdas Eine schlechthin das nicht aus Vielen zusammengesetzteEine ndash Das Eine nicht von Vielen sondern von sich selbstAlle Einheit des Wirklichen ist nur eine Einheit durch dieseabsolute Einheit durch die Teilungen daraus Wir haben alsoein endliches und unendliches ein sinnliches und uumlbersinnli-ches ein konkretes oder objektives und ein metaphysischesoder nur intelligibles Eins Und die Realitaumlt dieses Eins scheinterwiesen indem die Einheit als ein Praumldikat der Realitaumlt derWirklichkeit aufgezeigt ist Alles ist nur dadurch daszlig es Einesist wie sollte also das Eine selbst nicht sein Allein schon dieVoraussetzung des absoluten Eins das Eine des Vielen daskonkrete Eins ist ein abstraktes ein nur gedachtes Das Haus istEins der Baum ist Eins [g]anz richtig aber das Eins des Hau-ses ist ein anderes als das Eins des Baumes Dadurch wodurchder Baum Eines ist dadurch ist es nicht das Haus es ist immerein Bestimmtes ein Verschiedenes was die bestimmten ver-schiedenen Dinge eint zusammenhaumllt oder wirkliche Einheitist Differenz Aber eben von dieser Differenz sieht ab das me-taphysische abstrakte Denken hat nur das beschaffen-heit[s]lose unbestimmte allgemeine aber ebendeswegen un-wirkliche Eins im Kopfe Es ist hier ebenso wie mit dem Seinder aumlltern Metaphysik Alle Dinge sind darin eins daszlig sie sindalso ist das Sein das Identische Unterschiedslose Allein dieseDinge an denen das Sein als Praumldikat ausgesagt wird sindselbst schon abstrakte Dinge an denen ihre Differenz wegge-

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lassen ist Es ist daher ganz in der Ordnung ja es ist notwen-dig daszlig das Subjekt endlich wegfaumlllt und das Praumldikat fuumlr sichselbst zum Subjekt gemacht wird wie es in der HegelschenLogik geschieht Die Dinge deren Wesensbestimmungen Ge-dankenbestimmungen sind loumlsen sich notwendig im Denkenauf haben keine Realitaumlt mehr auszliger dem Denken Der Schluszligder Metaphysik ist daszlig sie als Logik erkannt wird Die altenMetaphysiker hielten die Denkbestimmungen fuumlr reale Dingbe-stimmungen weil sie nur auf die Dinge nicht auf das Denkenreflektierend dieselben fuumlr keine Denkbestimmungen hieltenDer moderne durch die Kantsche Kritik der reinen Vernunftgewitzigte Metaphysiker erkannte die metaphysischen Be-stimmungen als Denkbestimmungen erklaumlrte sie aber geradedeswegen also aus dem entgegengesetzten Grunde als realeBest[immungen] Das Eine bestimmten die Neuplatoniker alsdas Selbstgenuumlgsame bdquoAlles was nicht Eines ist sondernVieles ist notwendig beduumlrftig da es selbst nicht Eines istsondern aus Vielem Eines wird Sein Wesen bedarf daherEines zu werden Aber dessen bedarf das Eine nicht denn esexistiert bereits Das Prinzip von allem bedarf nichts vonallem Die Ursache ist nicht dasselbe mit dem VerursachtenDie Ursache von allem ist nichts von allemldquo1 Aber diese Ursa-che von allem die doch Nichts von Allem ist nichts andres alsdas Wesen der Abstraktion ob sie gleich als ein nicht selbstdenkendes Wesen bestimmt wird dieses selbstgenuumlgsameWesen [ist] nichts andres als das eigne aber gegenstaumlndlicheWesen des einsamen selbstgenuumlgsamen Denkens denn imDenken als solchem ist uumlberhaupt der Mensch sich selbst ge-nug er braucht keinen andern er bezieht sich nur auf sichselbst Und wie der Mensch im Denken nicht das Beduumlrfniseines Andern hat in sich findet was er sonst auszliger sich hat -im Denken konversiert der Mensch mit sich numquam minussolus quam cum solus2 [niemals weniger allein als wenn al-lein] - so findet auch objektiv dieses Denken sein houmlchstesWesen darin daszlig es in Eines setzt was in der Wirklichkeit anzwei verteilt ist daszlig es also Ursache und Wirkung Subjekt und

1 Vgl Plotin Die Enneaden des Plotin Uumlbersetzt von Hermann

Friedrich Muumlller Vorangeht die Lebensbeschreibung des Plotinvon Porphyrius Bd 2 Berlin 1880 6 Enneade 9 Buch S 444-445

2 Vgl Cicero De Officiis 31

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Objekt Ich und Du Sein und Sollen in ein und dasselbe Wesenzusammenfaszligt identifiziert der Intellekt der Verstand hatnichts andres im Kopfe als was auch auszliger dem Verstandeexistiert ndash es ist derselbe Inhalt innen wie auszligen dieselbenVerhaumlltnisse dieselben Kategorien in Gott wie in der Welt -aber weil er abstrahiert von der Welt von den Dingen sich nurin der Einheit mit sich befindet so vergegenstaumlndlicht er dieseEinheit in der Identifikation der Unterschiede und Gegensaumltzeder wirklichen Welt So macht er das Praumldikat zum Subjekt vonsich dasselbe zur Ursache und Wirkung von sich

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5 Identitaumlt und Unterschied1

Die Hegelsche Philosophie stellt das logische Gesetz derIdentitaumlt auf gleichen Fuss mit den uumlbrigen sogenannten Refle-xionsgesetzen Die Saumltze jedes Ding ist ungleich verschiedenentgegengesetzt sollen gleichen Rang mit dem Satze bdquojedesDing ist sich selbst gleichldquo haben Allein die Sichselbstgleich-heit oder Identitaumlt steht zur Ungleichheit und Verschiedenheitim Verhaumlltnisse der Grundlage Die Eigenschaften wodurchich ein Ding unterscheide oder anderen Dingen entgegensetzemuumlssen mit dem Gesetze der Identitaumlt wornach es dieses undkein anderes ist uumlbereinstimmen sonst ist ja der Unterschiednicht sein Unterschied der Gegensatz nicht sein GegensatzDas Gesetz der Identitaumlt steht daher nicht neben sondern uumlberden uumlbrigen Reflexionsgesetzen es ist die Regel des Unter-schiedes des Gegensatzes Ich kann die negative Elektrizitaumltnur der positiven Elektrizitaumlt nicht irgend einer anderen Positi-vitaumlt das Suumlsse nur dem Saueren das Boumlse nur dem Guten dasWeisse nur dem Schwarzen d h nur die Farbe der FarbeMoralisches nur Moralischem einen bestimmten Geschmacknur einem anderen Geschmacke entgegensetzen Ein wahrernothwendiger naturbegruumlndeter Gegensatz ist nur der welcherdas logische Gesetz der Identitaumlt respektirt Dieses Gesetzverwerfen oder wenigstens dem Gesetze der Verschiedenheitund Gegensaumltzlichkeit gleichstellen heisst daher der WillkuumlrThuumlr und Thor oumlffnen bdquoAber die Logik hebt ja selbst durch denSatz des Grundes den Satz der Identitaumlt auf denn indem esheisst Alles hat seinen Grund so ist ja damit ausgesagt dasses nicht mit sich identisch also Anderes sein Grund seildquo Istdenn aber dieses Andere was als Grund gesetzt wird nichtauch durch das Gesetz der Identitaumlt bestimmt Kann ich ohneUnterschied was ich nur immer will als Grund von Etwasanfuumlhren Kann ich Gott z B als moralisches Wesen zumGrunde der Natur machen Ist nicht Gott als Grund der Naturselbst nothwendig ein Naturwesen Hebt also der Satz desGrundes das Identitaumltsgesetz auf Nein er hebt es nicht nurnicht auf son-dern bestaumltigt es Warum kann ich Gott als mo-ralisches Wesen nicht zum Grunde der Physik machen Weiles dem Begriffe desselben widerspricht weil ich dem Gesetzeder Identitaumlt zufolge aus einem moralischen Wesen auch nur 1 BwN I S 397-398

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moralische aber keine physischen Gesetze und Prinzipienableiten kann

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6 Gedanken 1834351

Der Glaube ist eben eine solche Wirklichkeit in der Gott istals irgend eine aumluszligere Wirklichkeit in der Natur In dem Glau-ben erkennen wir eine wesentliche Bestimmung Gottes

Die Religion ist die Tonkunst des Geistes die houmlhere Spra-che der Empfindung

Das Herz ist nichts als der Logos der Fleisch geworden

Das Herz ist der geistige Begattungstrieb

Die Geschichte Gottes muszlig man nicht als Historiker sondernals Metaphysiker denken Das sei dir gesagt lieber Daumer

Der Sinn ist die Phantasie der Vernunft

Das Allgemeine versteckt sich zum Zeitvertreib hinter dasEinzelne dieses ist die Lust die es bei scheinbarem Selbst-verlust an sich sich selbst hat

Die Hegelsche Logik mit ihren Distinktionen ist ein philoso-phisches Sprachlexikon eine Purganz des Verstandes Gottmag auch ein Metaphysiker sein da er nach Platon ein Geo-meter war

In der Vergleichung mit der Dicht- und Tonkunst laumlszligt sichdas Wesen der Philosophie anschaulich machen Von der be-schraumlnkten sich einengenden und das Eingeengte und Be-schraumlnkte sich unbeschraumlnkt ergehen lassenden Form der Idyllebis zur Tragoumldie von einem Walzer einem Schnaderhuumlpferleinem Liede bis zur Symphonie eines Beethoven - DasSchnaderhuumlpferl hat wohl auch sein Recht seine Stelle wie diebeschraumlnkte im engen Hauswesen der empirischen Psycholo-gie und Anthropologie sich sistierende Philosophie Wie dieeigentliche Philosophie aber ist dem zahllosen Haufen eineShakespearesche Tragoumldie ein Oratorium begreiflicherweiseetwas was ihn anwidert ein Gemachtes nur Kuumlnstliches odergar ein Nichtiges Unwahres was ihn zu studieren ekelt 1 Text uumlbernommen aus BwN I S 313-316

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Plebs du gibst doch zu daszlig zu einer Ode schon KlopstocksSchwung erfordert wird noch mehr zum Fuumlhlen und Fasseneiner Tragoumldie dennoch aber ein Hans Sachs oder ein Bauern-stuumlck von Voss so etwas nicht erfordert daszlig dagegen die Tra-goumldie die houmlhere Poesie die Unendliches zum Inhalt hat dieeigentliche die wahre ist

Fiat applicatio Auch zur Philosophie wird Schwung erfor-dert Begeisterung Enthusiasmus Ekstasis ist ihr Anfang werihrer unfaumlhig unfaumlhig der Philosophie

Der Bauer begreift keine Ode von Klopstock keine Tragoumldievon Shakespeare der gelehrte Bauer und Handwerksmannkeine Philosophie Aber du hilfst dir damit Sophist die Poesieist eben Kunst die Philosophie soll einfache Wahrheit enthal-ten Der Inhalt der Kunst ist eben so allgemein wie der derPhilosophie die Form die die Philosophie als System hat ihrebenso notwendig als der Dichtkunst die ihrige Und eben dieEinfachheit die wahre ist es die dem Plebs die Philosophieunbegreiflich macht Der Bauer fuumlhlt und begreift den Vossweil die Gegenstaumlnde im Kreise seiner Vorstellung bleiben

Wir sind nur so lange mit dem Leben unversoumlhnt als wir esals einen Schuldner betrachten der unsere Forderung nichtbefriedigt hat als wir noch etwas in ihm suchen was wir in unsselbst vermissen Hat es uns aber die Erfuumlllung der teuerstenletzten Wuumlnsche nicht gewaumlhrt hat es uns das Einzige genom-men was wir uns von ihm als die letzte Gnade ausbaten soversoumlhnen wir uns eben dadurch mit ihm daszlig wir nichts mehrvon ihm wuumlnschen und verlangen

Es ist schwach toumlricht durch Buumlszligungen und Entsagungeneinen begangenen Fehler gutmachen zu wollen Man machtden Fehler nur dadurch noch schlimmer als er in der Tat wardenn durch die Entsagung erneuert man fortwaumlhrend sein An-denken feiert man ihm zu Ehren im eigentlichen Sinne Ge-daumlchtnisfeste Die wahre Buszlige ist man vergiszligt ihn und be-ginnt als waumlre nichts vorgefallen von Neuem mit frischemLebensmut sein Tagewerk Sich durch die Buszlige von dem Ge-nusse und der Arbeit des Lebens abhalten lassen das heiszligt auseinem Fehler der an sich ein Nichts war ein bedeutungsvollesEtwas machen ihn bewahren ndash nicht vernichten Nicht durchden Fehler durch die Buszlige nehmen wir uns das Recht desGenusses Die Buszlige entzieht uns der Genuszlig gibt uns dem

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Menschen Und wahr gut ist nur was uns dem Leben gibt dh dem Genusse der Wahrheit und Wirklichkeit (Nov oderDez 1834ldquo)

Die erste Existenz des Menschen ist der Blick in dem zweiMenschen in Liebe zu einander entbrennen das ist der ersteFunke seines Lebens ndash die zweite Existenz des Menschen istein Druck er kommt aus dem Aumlther der reinen Liebe der Erdeimmer naumlher Der Wohllust verdankt der Mensch sein Daseindie Wollust ist selbst seine Seele ndash das Gefuumlhl der Befriedi-gung der Vollendung der Aufhebung des Unterschiedes - dieGeschlechtseinheit ist die Seele Der Mensch will noch ein-mal guter Dinge sein und sich sein Dasein recht wohl schmek-ken lassen ehe er ein Anderes an seine Stelle setzt Daher dieWohllust Und der Mensch will nicht auf die Welt kommenohne daszlig er fuumlr die Sorge die er ihr macht zum Voraus eineWohltat erwiesen hat Freilich geschah es wider sein Wissenund Wollen (bdquoOkt 1834ldquo)

Das sog Entstehen und Vergehen eines philosophischenSystems stellen sich die rohen Empiristen vor etwa nach Ana-logie der Entstehung und Vergehung der Insel Julia oder Neri-ta die im Juli 1831 erschien und den 12 Januar 1832 wiederunter den Wogen verschwand Leider ndash so wenig paszligt auchdieses rohsinnliche Beispiel ndash kam aber diese vulkanische Insel1833 wieder zum Vorschein

Der Instinkt ist nichts Anderes als der schlechthin bestimmteauf Einen Zweck nur gerichtete mit dem Lebensbeduumlrfnisidentische darum untruumlgliche Verstand Der Vogel baut zurBrutzeit ein kuumlnstliches Nest dessen Bau unsere Bewunderungerregt Aber zu einer andern Zeit oder unabhaumlngig von diesemZwecke vermag er es nicht Die Begierde wenn wir diese alsden allgemeinsten Ausdruck des Lebensbeduumlrfnisses setzen -die den menschlichen Verstand verdunkelt ist das Licht destierischen Der Vogel waumlhlt den passenden Stoff fuumlr sein Nester unterscheidet aber auch diese Unterscheidung ist eineschlechterdings bestimmte Der Instinkt ist ein schlechthinpraktischer Verstand

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Es gibt nur eine wahre vernuumlnftige Religion es ist die Le-bensfreude der durch nichts sich unterbrechen lassende Genuszligdes Positiven im Leben

Man muss auch in der Philosophie von Unten anfangen vonder Pike auf dienen nicht als ein Prinz geboren werden undschon in der Windel Major Oberst oder General sein wollen

Der Deus Crepitus bei den Roumlmern und Aumlgyptern Auch derGott der Pietisten ist ein Stoszligseufzer1

Die Geten glaubten nach Herodot an Unsterblichkeit - undwaren desshalb tapfer Es fehlte ihnen die Geschichte

Die sog unbegreiflichen Ratschluumlsse Gottes sind in der Thatnichts als die hypostasierten Perplexitaumlten in die sich das Sub-jekt verwickelt hat in Folge seiner Prinzipien die es aber un-geachtet es alle auch die naumlchsten Konsequenzen in die Irrefuumlhren nicht aufgeben will

Grenze = Kant2

Eine willkuumlrliche Grenze kann ich uumlberschreiten aber nichteine notwendige wesentliche eine Grenze der Natur ndash einemenschliche aber nicht eine goumlttliche Grenze3 Es4 ist die Zu-friedenheit mit sich selbst die Genuumlgsamkeit an sich5 dieK[ant] das Ding als an sich6 unerkennbar als1 nicht fuumlr uns

1 Crepitus ist Gott Berster d i der Wunsch des Bedruumlckten Der Gott

ist die Erfuumlllung wie Lucina die Entbinderin die ans Licht fuumlhrt2 Titel fehlt in BwN3 Eine willkuumlrlichegoumlttliche Grenze Es gibt Dinge uumlber die man

nicht hinausgehen kann ohne unter sie herunter zu kommen ndash einsolches Ding ist die Vernunft [In BwN folgt Absatz] Die wahreGraumlnze das Positive meiner Natur BwN ndash Am Rande Ist sie einewahre Grenze so konstituiert sie das Wesen die Natur desMensch[en] Sie konstituiert [] uumlber das er nicht hinausgehenkann nicht hinausgehen mag ndash die aber diese Grenze ist der Quellseiner Befriedigung Die Grenze existiert nur in uns[erer] Vorstel-lung sie ist an sich nichts als die Natur eines Dinges in Vergleichund Bezug auf ein andres gesetzt Fehlt in BwN

4 Es Fehlt in BwN5 In BwN folgt selbst6 als an sich an sich als BwN

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seiend abweist2 ndash nicht die Einsicht in die Unmoumlglichkeit derErkenntnis ist das Erste das Wichtigste wie es sich die Mei-sten ausbilden3 Es ist4 eine Indifferenz ndash ein Phlegma ndash einsich Wohl- und Behaglichfuumlhlen innerhalb dieser willkuumlrli-chen5 Grenze6 Die Vernunft zu erkennen ist wichtiger als dieDinge7 das Denken ist mehr wert als d[as] Ding an sich Sovon der einen Seite8 Von der anderen aber auch die Beschraumln-kung auf d[as]9 Praktische Sei gut sei einmal M[ensch]10Voila tout11

1 als Fehlt in BwN2 In BwN folgt Danach ist das Erste3 ist das Ersteausbilden Fehlt in BwN4 Es ist sondern BwN5 dieser willkuumlrlichen der BwN6 In BwN folgt Absatz7 Die Vernunftdie Dinge Fehlt in BwN8 SoSeite Fehlt in BwN9 aberauf das Seite heisst es Beschraumlnke Dich aufs BwN10 sei einmal Mensch Fehlt in BwN11 In BwN folgt (Zuletzt nicht ganz buchstaumlblich)

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7 Einleitung in die Geschichte der neuern Philosophie[Fragmente eines Entwurfes]

151 Die ferneren faktischen oder geschichtlichen Beweisesind drittens die scholastische Theologie und Philosophieselbst deren2 Hauptinhalt im wesentlichen doch immer derGlaube der Kirche war aber objektive Existenz hat jenes nurdann wenn es Objekt des Verstandes ist wenn es von ihmbestimmt ihn beschaumlftigt und Interesse fuumlr ihn hat

Viertens die Werke der Mystik Denn in ihnen sprach sichdas Christentum der damaligen Zeit als die unbedingte alleini-ge sich selbst genuumlge[nde] Substanz3 aus und produzierte derchristliche Geist unmittelbar seiner selbst als des christlichenbewuszligt und aus sich selbst gewiszlig im Besitze der christl[ichen]Wahrheit zu sein aus seinem eigenen mit der christl[ichen]Religion als seinem Wesen identischen Inneren christlichreligioumlsen Inhalt hervor der daher zum Nahrungs- und Erbau-ungsstoff allen spaumlteren Mystikern diente Aber nur das wasim Menschen seine Substanz sein objektiver Geist ist ist pro-duktiv und kann als ein Objekt ein Werk auszliger ihn treten

Nur aus dem selbst Substantiellen oder Wesenhaften selbstObjektiven kann man den wesenhaften den objektiven Geisteines Zeit- oder Weltalters erkennen Solche wesenhaften Wer-ke des Mittelalters sind z B die deutsche Theologie die Wer-ke eines Tauler eines Bonaventura eines Thomas a Kempisusw Denn Individuen wie diese muumlssen selbst angesehenwerden als Produkte und Organe des objektiven Geistes alsIndividuen in denen die4 Wesenheit ihres Zeitalters Fleischund Ichheit annahm ihr inneres Wesen wurde aus ihrer Ver-borgenheit ans Licht trat und sich ein adaumlquates Dasein gabund ihre Werke sind daher zu betrachten als Werke des Gei-stes der5 was das Geistige und Religioumlse betrifft der wesen-hafte Geist ihres Weltalters war In den Mystikern des Mittel-alters ist aber die Religion wie sie damals erfaszligt war die ab-solute Substanz und Energie ihres Geistes ihre Werke sind 1 Paginierung von L Feuerbach ndash Die vorhergehenden Seiten des Ms

fehlen2 Im Ms folgt gestr wesent[lich]3 Im Ms folgt gestr ist4 Im Ms folgt gestr verborgen5 Im Ms folgt gestr der

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daher auch in ihren Sphaumlren vollendet klassisch1 und ist dasunbedingte in sich selbst konzentrierte mit sich einige vonsich selbst anfangende und erfuumlllte in seiner Beschraumlnktheitund Einseitigkeit in sich selige seiner Geistesarmut sich selbstschaumlmende sich offen und ungeheuchelt als Verschmaumlhungalles Wissens alles sogenannten Weltlichen und Menschlichenaussprechende Christentum enthalten2 In der neueren Zeitdaher wo nicht mehr der ausschlieszliglich der beschraumlnkt dernegativ und abstrakt christliche Geist sondern der allgemeinealle seine Momente in Einheit mit Freiheit umfassende undausbildende Geist der wesenhafte 16 der weltgeschichtlicheGeist die Tendenz und das Ziel der Menschheit war wurde derMystizismus als verlassen von geschichtlicher Notwendigkeitjetzt nur ein Produkt krankhafter Partikularitaumlten PietismusDer neuere Mystizismus als unbegruumlndet in der geschichtli-chen Notwendigkeit dem Prinzip und der Tendenz der neuerenZeit obwohl bedingt durch voruumlbergehende partikulaumlre Er-scheinungen und Krisen ging daher jetzt nur hervor aus Despe-ration geistigen Banqueroutes miszliglungenen BestrebungenHypochondrien allgemeinem Uumlbelbefinden usw und ist sei-nem Charakter nach ein charakterloser ohnmaumlchtiger dieMystik affektierender Mystik sein wollender und doch nichtsein koumlnnender Mystizismus und hat daher auch keine andereBedeutung3 als eine aus den disparatesten sich widersprechen-sten Ingredienzen zubereitete Arznei fuumlr Gemuumltsleidende undGeisteskranke zu sein

sect11Die Negativitaumlt4 des kirchlich-religioumlsen Geistes oder des

katholischen Christentums gegen die wesentlichen unveraumlu- 1 Im Ms folgt gestr in ihren2 Am Rande Anm[erkung] Wenn alle Dinge eine zweifache sich

entgegengesetzte Bestimmung und Bedeutung haben so gibt es al-lerdings auch eine wahre und eine falsche Abstraktion und Negati-vitaumlt Heutigen Tages ist aber das Christentum bei den meisten ohnealle Abstraktion und Negativitaumlt ist es nur noch die Religion senti-mentaler Duzbruumlderlichkeit eine Verklaumlrung menschlicher Eigen-tuumlmlichkeiten kurz das Schmalz auf die Wassersuppe des Gemuumlts

3 Im Ms folgt gestr hat4 Am Rande [Im Ms folgt gestr Die Negativitaumlt des [] kurzsichtig

religioumlsen Geistes gegen das []] Als der negativ-religioumlse Geistsich in der Kirche zu einer weltbeherrschenden Macht erhoben hatteund seine anfangs nur innerlich in der Gesinnung existierende Ver-

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kennung und Verachtung alles sogen[annten] Weltl[ichen] endlichzur weltlichen gewaltsamen Unterdruumlckung des Weltlichen zurAnmaszligung der Suprematie der Kirche als des Inbegriffs der Geist-lichkeit uumlber den Staat als des Inbegriffs der Weltlichkeit wurdebestand seine Negativitaumlt gegen das wahre Mensch- und Weltwesennaumlher darin daszlig er Kunst und Wissenschaft die [Im Ms folgt gestrFaumlh[igkeiten]] Taumltigkeiten der houmlchst[en] Freiheit und des neurenMenschentums nicht frei gewaumlhren lieszlig sondern band und gefan-gennahm sich ihrer nur als Mittel einerseits zu seiner Verherrli-chung andrerseits zu seiner Begruumlndung und [seinem] Nutzen be-diente Allein gerade diese scheinbar dienstfertigen Geister warenes die den Sturz der Herrschaft jenes religioumlsen Geistes und seineraumluszligeren Existenz der Kirche [Im Ms folgt gestr herbei] von innenaus herbeifuumlhrte

Die scholastische Philosophie naumlmlich obwohl sie im Dienste derKirche stand ging doch hervor aus Interesse an der Wissenschaftsie befoumlrderte doch den Erkenntnistrieb und [Im Ms folgt gestr er-zeugte ndash Im Ms folgt und] befoumlrderte sie wieder Sie machte dieGegenstaumlnde des Glaubens zu Gegenstaumlnd[en] des Denkens hobden Menschen aus der Sphaumlre des unbedingten Glaubens in dieSphaumlre des Wissens und indem sie die Sache der bloszligen Autoritaumltzu beweisen und durch Gruumlnde zu bekraumlftigen sucht[e] begruumlndetesie gerade 17 dadurch wieder ihr Wissen und Willen die Autoritaumltder Vernunft und brachte sie dadurch ein anderes Prinzip in dieWelt als das Prinzip der alten Kirche war Nur erst da wo dieScholastik selbst nur noch eine historische Reliquie war ver-schmolz sie ganz im Widerspruch mit ihrer urspruumlnglichen ge-schichtlichen Bestimmung mit der Sache des alten Kirchentumszusammen wurde sie die Gegnerin des erwachten besseren GeistesSelbst die ganze Miszliggestalt der Scholastik selbst die vielen absur-den Quaumlstionen auf die die Scholastiker verfielen selbst die tau-sendfaumlltigen unnoumltigen und zufaumllligen Distinktionen ihre Kuriosi-taumlten und Subtilitaumlten muumlssen aus [Im Ms folgt gestr diesem] ei-nem vernuumlnftigen Prinzipe aus ihrem Lichtdurste ihr[em] Erkennt-nistrieb erkannt w[erden] der in jener Zeit und unter der Herrschaftdes alten Kirchengeistes sich so und nicht anders aumluszligern konnteAlle ihre Quaumlstionen und Distinktionen sind nichts [Im Ms folgtgestr als] andres [als] muumlhsam eingegrabne Ritze und Spalten indem alten Gemaumluer der Kirche um zum Genuszlig des Lichtes und fri-scher Luft zu kommen nichts andres als Aumluszligerungen einer Reg-samkeit des Verstandes eines Taumltigkeitstriebes des denkenden Gei-stes der wenn er in einem Gefaumlngnis ist entzogen dem Kreise an-gemessener Taumltigkeit und vernuumlnftiger Gegenstaumlnde jeden Gegen-stand den er aber zufaumlllig findet er sei auch noch so geringfuumlgig

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szligerlichen Lebenskreise des menschlichen Geistes wie StaatKunst und Wissenschaft als welche fuumlr es nur die Bedeutungeines Endlichen Weltlichen und Eiteln oder eines bloszligenMittels nicht eines sich selbst Zweck seienden hatten war derabsolute seinen Untergang erzeugende Mangel an ihm und alsdieser die Quelle aller Unruhe und Unzufriedenheit der Impulszu den gewaltigsten Gegenbestrebungen und Gegenkaumlmpfenund so wie jeder Mangel den Trieb erzeugt den Mangel aufzu-heben und daher Veranlassung der Taumltigkeit und Fortbewe-gung ist der Grund daszlig der menschliche Geist die Einheit derKirche die um als Einheit sich behaupten zu koumlnnen einebestimmte sein d i auf bestimmte Religionssaumltze sich stuumltzenmuszligte und wegen dieser Bestimmtheit aber empoumlrender Gei-steszwang widernatuumlrliche Unterdruumlckung aller freier Ent-wicklung unvernuumlnftiges Widerstreben gegen den unaufhalt-samen Gang der Geschichte und Notwendigkeit war endlichzersprengte die erst allgemeine und herrschende Kirche in dieSchranke einer besonderen zuruumlckwies und herabsetzte dieGrenze der speziellen und beschraumlnkten Christlichkeit als dereinzigen sein Wesen selbst konstituierenden Qualitaumlt durch-brach und so eine neue Zeit eine andere Welt sich schuf in der

noch so unwert der Aufmerks[amkeit] zu einem Objekte seiner Be-schaumlftigung macht

Die die scholastische Philosophie so erzeugte auch die Kunstobwohl sie im [Im Ms folgt gestr ihrem] Dienste der Kirche standund wie ihr nur als ein Erbauungs- und Verherrlichungsmittel derKirche [Im Ms folgt gestr []] angesehen wurde das dem Geiste[Geiste negativ Korr im Ms] und als das [Im Ms folgt gestr nega-tive Geist] [] entgegengesetzte Prinzip Nur in ihrer Unvollkom-menheit konnte die Kunst eine Dienerin der Kirche [sein] [Im Msfolgt aber] aber nicht mehr auf der Stufe ihrer Ausbildung undVollendung Denn hatte sie gleich auch [] da noch [einen] kirch-lich-religioumlsen Gegenstand zu ihrem Objekt so wurde doch auf demGipfel ihrer Ausbildung zugleich damit das Schoumlne als solches jetztGegenstand des Menschen es trat das kuumlnstlerische Interesse alsSelbstzweck hervor es erwachte das unabhaumlngige das lauteredurch keine fremden Influenzen und Beziehungen 18 getruumlbte Ge-fuumlhl der reinen Schoumlnheit und Menschlichkeit es bekam jetzt wie-der der Mensch in der Anschauung der herrlichen Schoumlpfungen sei-nes Geistes ein freies Selbstgefuumlhl das [Im Ms folgt gestr im-man[ente]] Bewuszligtsein seiner Selbstaumlndigkeit seines geistigenAdels das Gefuumlhl der immanenten s[einer] Natur eingeborenenGottaumlhnlichkeit

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er zum Bewuszligtsein seiner selbst seiner Freiheit und Selbstaumln-digkeit gelangt unbeschraumlnkt und universell in allen sein We-sen begruumlndenden und entfaltenden Lebenssphaumlre oder Mo-mente sich verwirklichte und entwickelte1

sect12Das erste Moment das2 in Betracht kommt ist der Staat und

zwar in Ruumlcksicht der Unabhaumlngigkeit seines Oberhauptes unddes freien Buumlrgerstandes Mit der unbedingten Unabhaumlngigkeitdes Staates von der Kirche 17 der unumschraumlnkten Selbstaumln-digkeit desselben bekam jetzt wieder notwendig das von derKirche unterdruumlckte Weltliche und vom abstrakt-religioumlsenGeist als eitel bestimmte Gegenwaumlrtige an und fuumlr sich Wertund Selbstaumlndigkeit und befestigte sich im Bewuszligtsein und inder Anschauung des menschlichen Geistes als ein Absolutesund erhob sich der Geist indem er uumlber die Kirche sich empor-schwang zugleich uumlber jene abstrakte und negative borniertenur in ihrer engen Besonderheit als Religion sich wissende undbehauptende Christlichkeit als die einzig absolute Wesenheitwofuumlr sie fruumlher galt Es entstand der Begriff des Staates alssolches und dieser Begriff wurde jetzt unabhaumlngig von reli-gioumlsen Unterschieden das leitende Prinzip der Staatshandlun-gen Waumlhrend fruumlher die Kirche die uumlber den Voumllkerunter-schieden und -gegensaumltzen und den flutenden Wogen ihrerstreitigen Elemente schwebende sie verbindende allgemeineEinheit war wurde jetzt vielmehr der Staat das Allgemeineund3 die Kirche trat dagegen in den Rang und die Stellungeines Partikulaumlren ein

Bekanntlich stand das Oberhaupt der Kirche der Papst bisauf Gregor den VII unter dem Kaiser Allein dem religioumlsemGlauben nach stand doch der Repraumlsentant des Geistlichen(freilich nicht in weltlicher Beziehung) uumlber dem Repraumlsen-tanten des Weltlichen daher auch die Kaiser vom Papste sichkroumlnen und salben lieszligen was erst spaumlter nur zu einer her-koumlmmlichen aumluszligerlichen Formalitaumlt wurde Schon bald nachKarl dem Groszligen wurde daher wie bekannt in der pseudoisi-dorischen Decretalensammlung (830ndash857) der Supremat des

1 Am Rande Anm[erkung] Die Maumlngel der neueren Zeit koumlnnen

nicht hier sondern nur in der Geschichte derselben angezeigt wer-den

2 Im Ms folgt gestr hier3 Im Ms folgt gestr trat

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Papstes seine Erhabenheit uumlber alle weltliche Macht und Un-abhaumlngigkeit von ihr ausgesprochen Wenigstens war die Supe-rioritaumlt des Kaisers und seiner Macht noch keine entschiedeneund bestimmte erst durch die Ausbildung ihres Gegensatzesdie Bekaumlmpfung und endlich Uumlberwindung derselben wurdesie als eine errungene und erkaumlmpfte jetzt eine bewaumlhrte undbestimmte eine selbstbewuszligte Superioritaumlt Wie identisch aberdie Bekaumlmpfung und Besiegung des kirchlichen Oberhauptesmit dem Geiste der neueren Zeit ist erhellt von sich selbstSchon der edle Hohenstaufe Friedrich II der heftigste Gegnerdes Papsttums stellte in seinem Wesen Leben und Charakterjenes Prinzip der Freiheit des Geistes des rein menschlichen1

Sinnes des allgemeinen Welt- und Selbstbewuszligtseins dar dassich spaumlter allgemeine und objektive Weltexistenz gab

Das reine Selbstbewuszligtsein des Staates d h seine voumllligeUnabhaumlngigkeit von der Kirche und Abtrennung vom kirchli-chen Interesse erhielten wie bekannt ihre ausgebildete Exi-stenz erst in neurer Zeit Man denke z B an2 Richelieu undLudwig XIV auf deren politische Handlungen3 das kirchliche184 Interesse keinen Einfluszlig aumluszligerte

Wie die Erkaumlmpfung und Behauptung der Vollstaumlndigkeitdes Staates so gab auch die Entstehung des Buumlrgerstandes unddie Entwicklung des Buumlrgertums und Buumlrgerlebens dem weltli-chen Leben und Dasein im Gegensatz gegen die Kirche unddas abstrakte Christentum des Katholizismus wieder absoluteBedeutung und Selbstaumlndigkeit und trug so maumlchtig bei zurEntwicklung der neueren Zeit und dem Untergang des christ-lich-katholischen Weltalters5 Denn es entstand mit ihm prakti-scher Weltsinn wie in der Welt sich findender mit der Ge- 1 rein menschlichen allgemeinen Menschen Korr im Ms2 Man denke z B an unleserl Korr im Ms3 Am Rande Anm[erkung] Vergl z B Heeren Entwicklung des

politischen Einflusses der Reformation auf die einzelnen Staatenvon Europa in Ruumlcksicht ihrer innern Verhaumlltnisse[Vgl A H LHeeren Entwicklung der politischen Folgen der Reformation fuumlrEuropa hellip In Historische Werke Thl 1 Goumlttingen 1821 S 59-7091-99]

4 Am oberen Rande Verweis auf Paginierung S 185 Am Rande Anm[erkung] In Betreff [In Betreff uumlber das Korr im

Ms] des Zusammentreffens des freien politischen oder republikani-schen und des antihierarchischen Geistes vgl z B Arnold von Bre-scia [Im Ms folgt gestr und seine Zeit]

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genwart zufriedener und in ihr sich einheimisch machenderGeist Liebe fuumlr das Zeitliche sinnreich erfinderische dasLeben erleichternde verschoumlnernde veredelnde und erweitern-de das Weltbewuszligtsein des Menschen und den Lebensgenuszligerhoumlhende Regsamkeit und Taumltigkeit Patriotismus Freiheits-sinn unumschraumlnkte Entfaltung der Individualitaumlt

sect13Aus dem freien Buumlrgertum und Buumlrgerleben oder demselben

Geiste der dieses erzeugte ging auch die Kunst hervor1 nichtbloszlig insofern als die Kunst praktische Kenntnisse technischeFertigkeit und Geschicklichkeit voraussetzt die sich nur inner-halb des Buumlrgerlebens2 ergeben sondern auch und hauptsaumlch-lich insofern als in dem Buumlrgerleben sich ein erfinderischerproduktiver Geist entwickelt wenngleich zunaumlchst die Pro-dukte desselben sich nur auf Nutzen und aumluszligere Zwecke nichtauf die Schoumlnheit sich beziehen insofern als in ihr die freiemenschliche Individualitaumlt zur Anschauung zum Selbstbe-wuszligtsein und Existenz kam und das Individuelle das Einzelneund Besondere das Sinnliche Welt und Natur die fuumlr denabstrakt religioumlsen Geist ein vom religioumlsen Leben Abziehen-des und Eitles sind in ihr wieder fuumlr den Menschen Realitaumltbekam und Objekt seines Geistes wurde denn nur wo produk-tiver Geist wo frei[e] menschliche Individualitaumlt wo heitererWelt- und Natursin[n] Interesse fuumlr das vom aumlngstlichen undabstrakt religioumlsen Geiste als eitel bestimmte Vergaumlngliche woErkenntnis oder Gefuumlhl und Anschauung des Unendlichen imEndlichen des Wesenhaften im Zeitlichen nur da gedeiht undentwickelt sich die Kunst Und so erhob sich denn jetzt wiederder menschliche Geist zur Idee und Anschauung der Schoumlnheitund deren Verwirklichung der Kunst die solange der abstraktchristliche Geist herrschender Weltgeist war nur eine ganzkuumlmmerliche der Kirche unterworfene und unterdruumlckte Exi-stenz haben konnte Denn die Kunst3 die Idee der Schoumlnheitwar4 keine dem Christentum immanente Idee sie hatte wenig-

1 Am Rande Anm[erkung] V[ergleiche] z B auch Leben Lorenzo

von Medici aus dem Englischen des William Roscoe von KurtSprengel S 372 [W Roscoe Lorenz von Medici Berlin 1797 S372]

2 Im Ms folgt ent[wickeln]3 Im Ms folgt gestr und4 war ist Korr im Ms

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stens in ihm nicht die Bedeutung eines Goumlttlichen und Wesen-haften eines um seiner selbst willen Seienden eines an und fuumlrsich Selbstaumlndig[en] sondern 19 nur die Bestimmung undBedeutung eines Erhebungs- und Erbauungsmittels im Diensteder Kirche eines Vehikels fuumlr den religioumlsen Inhalt Mit derKunst wurde also wieder Natur und rein Menschliches Gegen-stand dem Menschen und erweiterte sich so seine Seele uumlberdie Schranke der Christlichkeit hinaus in das unbeschraumlnkteGefuumlhl reiner Schoumlnheit und Menschlichkeit und den Glaubenan die Goumlttlichkeit der Kunst

Allerdings waren die Kloumlster ehe die Staumldte und mit ihnenBuumlrgertum und -leben aufbluumlhten die einzigen Sitze der Kuumln-ste aber in ihnen lagen nur die ersten vorbereitenden Anfaumlngederselben ihre Ausbildung ihre klassische Existenz ein ihremWesen der Idee der Schoumlnheit adaumlquates Dasein fand dieKunst erst in und mit der Ausbildung und Entwicklung desBuumlrgerlebens Allein koumlnnte man einwenden wie kann dieKunst als ein Produkt des Geistes der neuern Zeit oder als einerder Entstehungsgruumlnde und -weisen derselben und ein Befrei-ungsmittel vom Katholizismus angesehen werden da doch dieKunst sich in ihm entwickelte und in dem Kultus der katholi-schen Kirche eine so groszlige Rolle spielt Das Freiheitselementdas Element der Humanitaumlt und Subjektivitaumlt der Protestantis-mus im Katholizismus ist und war1 die Kunst denn in ihr fanddie in der Einheit der Kirche und dem abstrakten und negativenWesen des Katholizismus verneinte und unterdruumlckte Subjekti-vitaumlt und Menschheit ihre Selbstbefriedigung und Selbstbeja-hung machte sich gleichsam in dem bangenden Verschlage derKirche der freiheitsdurstige Mensch einen geheimen Ausgangund erbaute er sich auf ihr ein Belvedere wo die gepreszligte undbeengte Brust freien Atem heraufholen und frische Luft schoumlp-fen konnte und die Himmelsduumlfte rein und allgemein menschli-cher Gefuumlhle und Anschauungen einsog Die Kunst war dieMaja die scheinheilige Verfuumlhrerin die auf den Zinnen derKirche scheinbar ihre getreueste Dienerin dem Menschen diereizende Aussicht in die Herrlichkeit der irdischen Welt eroumlff-nete und eine andere Welt die Welt der Schoumlnheit der Frei-heit und Wissenschaft ihm aufschloszlig Die Zeit der houmlchstenBluumlte der Kunst faumlllt daher zusammen mit der Zeit wo die

1 ist und war war und ist Korr im Ms

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katholische Kirche und der religioumlse1 Glaube in den groumlszligtenVerfall geriet die Wissenschaften wieder aufbluumlhten und derProtestantismus entstand Raphael wurde in demselben Jahrgeboren in welchem Luther 1483 Die Kunst hatte wohl zuihrem naumlchsten Zweck die Verherrlichung der Kirche anfaumlng-lich bloszlig und spaumlter noch hauptsaumlchlich religioumlsen Inhalt zuihrem Inhalt zu ihrem Gegenstand die Gegenstaumlnde des Glau-

1 religioumlse katholische Korr im Ms ndash Am Rande Anm[erkung] Bei

Gelegenheit der bekannten Verschwoumlrung gegen das Leben derMedicaer deren Urheber Papst Sixtus IV und andre hohe Geistli-che waren und deren Opfer Julian von Medici war macht Voltairefolgend[e] Reflexion uumlber jenes Zeitalter bdquoQuand on voit un papeun archevecircque un precirctre meacutediter un tel crime et choisir pourlrsquoexeacutecution le moment ougrave leur Dieu se montre dans le temple on nepeut douter de lrsquoatheacuteisme qui reacutegnait alors Certainement srsquoilsavaient cru que leur creacuteateur apparaissait sous le pain sacreacute ilsnrsquoauraient oseacute lui insulter aacute ce point Le peuple [Im Ms folgt gestrador] adorait ce mystegravere les grands et les hommes drsquoEacutetats srsquoen mo-quaient toute lrsquohistoire de ces temps-lagrave la demontre Ils pensaientcomme on pensait agrave Rome du temps de Ceacutesar leurs passions con-cluaient qursquoil nrsquoy a aucune religion Ils fesaient tous ce deacutetestableraisonnement Les hommes mrsquoont enseigneacute des mensonges donc ilnrsquoy a point de Dieu Ainsi la religion naturelle fut eacuteteinte dans pres-que tous ceux qui gouvernaient alors et jamais siegravecle ne fut plusseacutecond en assassinats en empoisonnement en trahisons en deacutebau-ches monstrueusesldquo [Wenn man einen Papst einen Erzbischof ei-nen Priester sieht solch ein Verbrechen ausdenkend und fuumlr dieHinrichtung den Moment aussuchend wo ihr Gott sich im Tempelzeigt kann man den Atheismus nicht mehr anzweifeln der nunherrschte Sicherlich hatten sie geglaubt daszlig ihr Schoumlpfer ihnenunter dem geweihten Brot erschien sie haumltten es nie gewagt ihn andiesem Punkt zu beleidigen Das Volk betete dieses Geheimnis andie Groszligen und die Maumlnner des Staates machten sich daruumlber lu-stig die ganze Geschichte dieser Zeit beweist dies Sie dachten wieman in Rom zur Zeit Caesars dachte ihre Leidenschaften bewiesendaszlig er keine Religion hatte Sie machten alle diese verabscheu-ungswuumlrdige Uumlberlegung Die Menschen haben mir Luumlgen beige-bracht weil es keine Ahnung von Gott gibt So erlosch die natuumlrli-che Religion bei fast all denen die damals herrschten und keinZeitalter folgte hiernach mit mehr Ermordungen Giftmorden Ver-raten und abstoszligenden Ausschweifungen] (Essai sur les moeursTom II Chap CV) [Voltaire Essai sur les moeurs et lrsquoesprit desnations hellip Tom II In Œuvres Complegravetes de Voltaire o O 1784[Ed Kehl] Tom XVII Cap CV S 542]

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bens und der Verehrung aber indem die Gegenstaumlnde desGlaubens Gegenstaumlnde der Kunst wurden vermischte [] oderverband sich mit dem religioumlsen zugleich das kuumlnstlerischeInteresse es wurde in ihnen zugleich die Schoumlnheit das reinmenschliche als solches der Mensch sich selbst GegenstandDer menschliche Geist in der 20 Anschauung und Bewunde-rung seiner Schoumlpfungen sich seiner selbst und seiner Freiheitbewuszligt kurz die Kunst im Katholizismus war und ist die An-naumlherung oder richtiger die Versoumlhnung seines abstrakten undgegen den Menschen negativen Wesens mit dem Selbstgefuumlhlund Selbstbewuszligtsein des Menschen welche das Wesen desProtestantismus ist Leo in seiner Geschichte von Italien (IBand S 37) sagt daher sehr richtig bdquoDie groszligen italienischenKuumlnstler haben ebensoviel getan fuumlr die geistige Befreiung undEntwicklung der Welt als die deutschen Reformatoren dennsolange jene alten duumlsteren strengen Heiligen- und Gottesbil-der noch die Herzen der Glaumlubigen fesseln konnten solange inder Kunst die aumluszligere Ungeschicktlichkeit noch nicht uumlberwun-den war war darin ein Zeichen gegeben daszlig der Geist selbstnoch in einer engen Beschraumlnkung in druumlckender Gebundenheitbeharrte Die Freiheit in der Kunst entwickelte sich mit derFreiheit des Gedankens in gleichem Maszlige und beider Ent-wicklung war gegenseitig bedingt Erst als man in der Kunstwieder ein freies Wohlgefallen fand war man auch wiederfaumlhig die Klassiker der alten Welt aufzunehmen sich an ihnenzu erfreuen und in ihrem Sinne weiter zu arbeiten und ohne dieAufnahme der alten klassischen Literatur waumlre die Reformationnie etwas anderes als ein kirchliches Schisma geworden wiedas der Hussiten warldquo1

sect 14Aus demselben Freiheitssinn demselben rein menschlichen

Geiste derselben sich ihnen als selbstaumlndig bewuszligten Indivi-dualitaumlt welche sich im freien Buumlrgersinn und in der Kunstentwickelte oder mit welchen sich diese entwickelten ent-sprang auch die Reformation der katholischen Kirche die pro-testantische Religion Denn in ihr erfaszligte sich der Christ alskonkreten lebendigen Menschen und versoumlhnte sich die Reli-gion mit der Humanitaumlt das Christentum das im Katholizis-mus die Verneinung aller Freiheit des Geistes und aller Indivi- 1 H Leo Geschichte der italienischen Staaten Erster Theil Ham-

burg 1829 S 37

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dualitaumlt und damit im Gegensatze und Widerspruch gegen denMenschen und seine heiligsten Triebe und Interessen war mitdem Menschen Waumlhrend daher im Katholizismus die geistloseEinheit der Kirche und deren Behauptung als das Wesenhafteoder Substantielle zugrunde lag und dem Individuum daherinsofern nichts uumlbrig blieb als das selbstlose aumluszligerliche Beob-achten kirchlicher Vorschriften und Gebraumluche als die Ver-richtung aumluszligerlicher Handlungen und Werke so wurde dage-gen jetzt im Protestantismus der Glauben das Innre die Gesin-nung die Uumlberzeugung1 die Hauptsache das Wesenhafte DerIdealismus des Christentums trat daher erst im Protestantismusin vollendet ausgebildete Existenz Denn der Glaube der inihm nicht die Kirche die Quelle der Seligkeit ist ist ein reinidealistisches Prinzip 21 das mit dem Cartesianischen Cogitoergo sum2 und uumlberhaupt mit dem Idealismus in der neuerenPhilosophie in der innigsten Verwandtschaft steht indem wiein diesem3 das Denken in jenem das Glauben4 mit dem Seinidentisch ist

In dem Protestantismus wurde daher der λόγος [Wort] desChristentums erst σάρξ [Fleisch] Denn sein Mittelpunkt war5

daszlig der Mensch in Christus mit Gott versoumlhnt ist (d i identischist) daszlig die Versoumlhnung oder Identitaumlt mit ihm eine Tatsacheist die das Individuum nur sich anzueignen zu glauben hatum selig zu sein daszlig folglich nur Glaube nicht Buszlige FastenKasteiungen Werke und Werkheiligkeit etc noumltig und wesent-lich sind Durch die Reduktion der Religion auf dieses Bewuszligt-sein diesen Glauben des Versoumlhntseins wurde nicht nur aumlu-szligerlich durch die Vereinfachung und Beschraumlnkung des Got-tesdienstes dem Menschen der Raum und die Freiheit gegeben

1 Im Ms folgt gestr und nachher die Subjektivitaumlt2 R Descartes Principia philosophiae Pars Prima In Opera philo-

sophica Amstelodami 1656 S 2-33 diesem jenem Korr im Ms4 Am Rande So du glaubst sagt Luther irgendwo daszlig Christus deine

Zuflucht ist so ist er es so du es nicht glaubst ist er es nicht [VglM Luther Evangelium am vierdten Sonntag nach Epiphania hellip InD M Luthers Kirchen Postill di Auslegung der Epistel und Evan-gelien hellip I Theil In Des theuren Mannes Gottes D Martin Lu-thers saumlmtliche hellipSchrifften und Wercke Bd 13 Leipzig 1732 S371-373]

5 war ist Korr im Ms

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oder [hellip] zu menschlicher1 Taumltigkeit und Wirksamkeit undkonnte jetzt der Mensch der er nicht mehr in der Religion zutun hatte d h er unmittelbar durch den bloszligen Glauben imBesitz des Heils und der [] sich wuszligte so nicht nur zu erwer-ben und zu [] hatte [] freier weltlicher und geistiger Be-schaumlftigung sich widmen2 sondern es wurde auch die Befriedi-gung aller wesentlicher Beduumlrfnisse Triebe und Interessen desMenschen in der Religion und durch sie begruumlndet geheiligtund gerechtfertigt die Negativitaumlt mit der das Christentumanhub und die das Wesen des Katholizismus blieb gemildertund nur auf die Verneinung der schlechten unheiligen Interes-sen beschraumlnkt denn der ganze der lebendige Mensch im Um-fang aller seiner wesentlichen Interessen und Bestimmungenerfaszligte sich jetzt und wuszligte sich versoumlhnt mit Gott Wie derProtestantismus die Scheidung in Priester und Laienstand aumlu-szligerlich aufhob so uumlberwand er auch innerlich die Trennunguumlberhaupt in Weltliches und Geistliches den Zwiespalt inKirche und Staat wie Sokrates die Philosophie so fuumlhrte Lu-ther die Religion vom Himmel auf [die] Erde erst im Prote-stantismus buumlrgerte sich daher das Christentum wahrhaft in derWelt ein innerhalb des Staates nicht ihm entgegengesetztUnd eben deswegen wurde in ihm der λόγος des Christentumsσάρξ Fleisch und Blut eins mit dem eignen Geiste und Wollendes Menschen Um sich hiervon zu uumlberzeugen vergleicheman nur die geistige und religioumlse Persoumlnlichkeit Luthers wiesie sich in seinen Schriften und Leben aussprach mit einemThomas a Kempis oder dem Geiste der deutschen Theologiedie bekanntlich auch Luther sehr hoch schaumltzte In der letzterennamentlich spricht sich ein ganz in die Religion verstorbenesIndividuum aus das mit unendlicher Selbstverleugnung undVerneinungskraft sich aufgegeben 22 hat er [hat] sie als seineeinzige Substanz alle individuelle Faumlrbung ist in diesem einfa-chen Werke erloschen Es ist als spraumlche ein Verstorbener einGeist ohne Fleisch und Blut aus ihm Der Christus dagegen[an] den Luther glaubt der ist er selbst dieser Mensch ist einsmit seinem Joch seinem Wollen seiner Leidenschaft DasChristentum ist auch seine Substanz aber so daszlig sie seine VisVitalis das Prinzip seines Lebens der Puls seines Herzens istEben deswegen weil der Geist des Protestantismus darin be- 1 Im Ms folgt und menschlicher2 oder widmen verderbte Stellen im Ms unsichere Transkription

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steht daszlig das Christentum in ihm als Humanitaumlt in der Einheitmit dem Menschen in seiner ganzen Lebendigkeit erfaszligt wardist in dem Christentum wie es als Protestantismus sich entwik-kelte wenngleich der Protestantismus wie er sich als Kircheverwirklichte oder verendlichte und die protestantischenTheologen im Widerspruch gegen den Geist des Christentumsbillionenmal uns vorschreien und weismachen wollen daszlig diechristliche Religion etwas Apartes Separates und Unbegreifli-ches d i dem allgemeinen menschlichen Geiste etwas Frem-des nicht aus ihm Entsprungenes und mit ihm Identisches ausder Vernunft Hervorgegangenes sondern gleich einer Arzneioder richtigen Klistier ihm1 Eingegebenes sei dennoch dasPrinzip der freien Entwicklung des freien Denkens und derWissenschaft enthalten Der Protestantismus wurde daher dasAsyl wo die verscheuchten Musen vor dem Altar des christli-chen Gottes Schutz fanden und hauptsaumlchlich nur in den prote-stantischen Laumlndern2 gab sich der Geist der neueren Zeit welt-historisch Existenz konnten die Wissenschaften aufbluumlhen undgedeihen Selbst was in den katholischen Laumlndern fuumlr Kunstund Wissenschaft geschah selbst durch Katholiken das kommtnur auf Rechnung des protestantischen Geistes der uumlberhauptder Geist der neuern Zeit war und von dem die protestantischeKirche selbst nur eine besondere Erscheinung war wenn ersich selbst auch der Katholiken bewaumlltigte und innerhalb desKatholizismus sich Luft und Platz machte Denn der Katholi-zismus3 enthaumllt nicht nur nicht in seinem reinen Wesen so wieer sich in denen aussprach die selbst fuumlr Muster des katholischreligioumlsen Geistes bei den Katholiken galten4 das Prinzip derKunst und Wissenschaft sondern gerade zu der Verneinungderselben Daher auch der Katholizismus wegen dieser seinerGeist- und Gemuumltlosigkeit seiner Leerheit seiner Abstraktionund Negativitaumlt im Kultus notwendig und aus sehr begreifli- 1 ihm Im Ms gestr2 Im Ms folgt gestr gab haup[tsaumlchlich]3 Am Rande Anm[erkung] Mit Recht bemerkt daher Voltaire in

seinen Essai sur les moeurs et lrsquoesprit des Nations Tom III capCXXVII von Papst Leo X On peut dire que le pape Leacuteon X en en-courageant les eacutetudes donna des armes contre lui mecircme [Man kannsagen daszlig Papst Leo X indem er die Wissenschaft foumlrderte auchWaffen gegen sich selbst schuf] [Voltaire Essais sur les MœurshellipT III In Œuvreshellip Tom XVIII a a O Cap CXXVII S 155]

4 Im Ms folgt gestr enthalten []

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chen Gruumlnden geradezu in das Extrem in den eitelsten Pompund Schwall der Sinnlichkeit und Imagination verfaumlllt Organi-sche Produkte des Katholizismus d i aus seinem Prinzipehervorgehende1 und sein echtes Wesen unverfaumllscht darstellen-de Produkte sind z B ein Franziskus von Assisi ein Hierony-mus wie er befiehlt alle Bande der Liebe zu zerreiszligen mitVerschmaumlhung aller Gefuumlhle der Pietaumlt ans Kreuz hinzufliegenein Pascal in der Periode seines Lebens wo er nachdem erseine Wissenschaft seinen Geist und seine 23 Vernunft auf-gegeben ein sich selbst zerquaumllendes Leben fuumlhrte ist dasLeben der Anachoreten der Kartaumluser und sonstigen Moumlnchein dem gewiszlig kein Funke von Wissenschaft und Kunst undAumlsthetik zu finden ist2 sind noch jetzt die Fregraveres Ignorants undFlagellanten Aber ein katholischer Kuumlnstler oder ein katholi-scher Gelehrter oder gelehrter Katholik ist eine Contradictio inadjecto denn Katholik ist er nur als betender fastender beich-tender in die Kirche gehender etc aber soviel und soweit erGelehrter ist soviel und soweit ist er nicht Katholik und umge-kehrt Katholizismus und Wissenschaft sind zwei sich kontra-diktorisch entgegengesetzte Begriffe die nicht ohne Wider-spruch von einem3 und demselben Subjekte praumldiziert werdenund in einem und demselben Subjekte sich vereinen4 koumlnnenDie Wissenschaftlichkeit bei Katholiken war daher auch nurjene todhistorische aumluszligerliche trockne Gelehrsamkeit dienicht den Geist bildet und erleuchtet die Seele nicht erhebtden Menschen in seinem Wesen ganz unberuumlhrt laumlszligt ihn nichtin die Freiheit von der Abhaumlngigkeit von Autoritaumlten und zumSelbstbewuszligtsein erhebt Und wenn Katholiken wirklich wis-senschaftliche und philosophischen Geist hatten so war dieserGeist in ihnen eben der Geist des Protestantismus und dann ihrKatholizismus wenn er wirklich kein bloszlig aumluszligerliches5 durchbesondere Ruumlcksichten veranlaszligtes Bekennen war6 in Wider-spruch7 mit dem was ihr Geist ihre wahre Substanz war oder8

1 Im Ms folgt gestr Produkte2 Im Ms folgt gestr sind die Kartaumluser3 Im Ms folgt gestr Subj[ekte]4 sich vereinen vorfinden Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Bekennen war6 Im Ms folgt gestr stand7 Im Ms folgt gestr entweder8 Im Ms folgt gestr er

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war er nur noch ein historisches Anhaumlngsel von der Geburtd[er] Zeit her klebte er ihnen nur noch hinten an dem Ruumlckenan wie die Eierschale einem jungen Huhn wenn1 es gleichschon aus dem Ei herausgeschluumlpft und zu selbstaumlndigem Le-ben gediehen ist was z B2 bei Cartesius der Fall war obwohlsein besserer sein wahrer und wesenhafter Geist radicitus demWesen des Katholizismus entgegengesetzt war daher er auchvon den katholischen Theologen und Jesuiten so heftig ange-fochten und ihm Widerstand geleistet wurde doch so noch demGlauben seiner Vaumlter anhing daszlig er selbst der heiligen Marianach einer Wallfahrt gelobte und das Geluumlbde auch3 erfuumlllte

Der Geist des Protestantismus wie er sich als protestantischeKirche und Religion Dasein gab muszligte sich zunaumlchst selbstwieder auf eine aumluszligere Autoritaumlt stuumltzen was teils in einergeschichtlichen Notwendigkeit die aber hier nicht zu eroumlrternist teils in einer allgemeinen Notwendigkeit daszlig jede Volks-religion sich auf eine aumluszligere Autoritaumlt berufen und stuumltzenmuszlig seinen Grund hatte Die protestantische Kirche setzteaber4 an die Stelle der Autoritaumlt der Kirche die Autoritaumlt derBibel eines Buches das in ihr als die Quelle und Norm derWahrheit galt Die protestantische Kirche und Religion ver-setzte daher ebenso wie der Katholizismus 24 mit sich selbstund dem Geiste des Protestantismus der auf dem freien Selbst-bewuszligtsein des Menschen dem freien dem ewigen und allge-meinen Menschengeiste beruht im Widerspruch den menschli-chen Geist in eine druumlckend knechtische unvernuumlnftige empi-rische oder aumluszligerliche Abhaumlngigkeit von einer Autoritaumlt ineine ebenso geist- als gemuumltlose Abhaumlngigkeit die deswegenfuumlr den menschlichen Geist ein ebenso5 Empoumlrendes ihnAufwiegelndes zu Kampf und Bewegung Aufreizendes warwie fruumlher die katholische Kirche es war und den Stoff zu derFeuersbrunst hergab die endlich das ganze Gemuumlt ergriff undverzehrte das hohe wie gleich nur negative Verdienst inner-halb der protestantischen Kirche und Theologie den menschli-chen Geist von der empoumlrenden Knechtschaft der Abhaumlngigkeitvon der Bibel als der Norm und Quelle der Wahrheit erloumlst zu

1 wenn das Korr im Ms2 was z B wie es Korr im Ms3 auch selbst Korr im Ms4 aber daher Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr so wie fruumlher die katholische Kirche etwas

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haben gebuumlhrt dem1 Rationalismus die neuen Versuche undBestrebungen aus den laumlngst zu Asche verbrannten Kohlenwieder Feuer sammeln noch einmal den Stoff zur Erneuerungder alten schon durchgemachten Kaumlmpfe geben zu wollennoch einmal die alte Borniertheit den alten Widerspruch unddie alte Knechtschaft und Leibeigenschaft zu erneuern muumlszligtenals Erscheinungen die die Geschichte und Notwendigkeit []und gegen sie sich straumluben wollen und [] als wesenlose undvergaumlngliche Erscheinungen angesehen und ihr Grund teils inder allgemeinen [] Stagnation Desperation und [] Gewitter[]2 teils in ihr den besonderen Zustaumlnden der Individuen inihrer Furcht vor schweren [] Gewittern in ihrem Unvermouml-gen aus der Feuersbrunst und dem Wirrwarr der Gegenwarteinen Ausweg zu finden in ihrer Wahrheit- Wesen- Geist-und Charakterlosigkeit etc und noch in anderen teils psycho-logischen teils medizinischen teils historischen Erscheinun-gen die eine spezielle Krankengeschichte der Gegenwart auf-zuzeigen hat teils in houmlchst materiellen und politischen Gruumln-den und Ruumlcksichten3 gesucht werden

sect15Das4 seinem Wesen entsprechende die Befreiung des

menschlichen Geistes wahrhaft begruumlndende und vollendendeund unuumlberwindlich gesicherte Dasein fand oder gab sich derGeist der neuern Zeit erst in der Wissenschaft Denn wenn-gleich der Protestantismus als protestantische Religion diegeistlose Einheit der katholischen Kirche zersprengte und siesomit aus einer allgemeinen zu einer besonderen herabsetzteso war er gegen sie doch selbst wieder eine besondere Einheit25 eine besondere Kirche im Gegensatz nur gegen sie dem-gegenuumlber sich jene als Gegensatz mit gleichem Rechte undAnspruch auf Guumlltigkeit behauptete Erst die Wissenschaft abernahm der Kirche ihre historische Bedeutung die sie urspruumlng-lich allein darin hatte das sie als die die Voumllker verbindendeuumlber ihre Naturdifferenzen und ihre sich ausschlieszligende undgegenseitig bekaumlmpfende nicht auf das Allgemeine nur auf ihrpartikulaumlres Wohl sehender Besonderheiten erhabene Einheitdas allgemeine Bildungsmittel die Geiszligel Gottes die Zuch- 1 dem den Ms2 Im Ms folgt gestr erkannt werde3 Im Ms folgt gestr []4 Der Ein Korr im Ms

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trute der Voumllker und als die allgemeine Einheit insofern dieRepraumlsentantin der Vernunft und Humanitaumlt oder des Christusin den fruumlhern Zeiten war1 Denn die Wissenschaft die erhabenist uumlber alle nationalen und religioumlsen Zwiste und Differenzenweil sie den Geist selbst nicht den Menschen in seiner beson-deren Individualitaumlt mit seinen trostbeduumlrftigen Gemuumltsangele-genheiten zu ihrem Gegenstande und Prinzip hat trat jetzt andie Rolle der katholischen Kirche und der Kirche uumlberhauptsie wurde jetzt das allgemeine Bildungs- und Verbindungsmit-tel der Voumllker Die Wissenschaft ob sie gleich keine Kirche zuihrem Ausdruck keinen Koumlnig oder Papst zu ihrem Repraumlsen-tanten keine stehenden Heere keine Gendarmen und Polizei-diener uumlberhaupt keine Aumluszligerungsmittel sinnlicher Macht undkeine aumluszligerlichen Verbindungsmittel kennt und hat muszlig dochin der Totalitaumlt ihrer verschiedenen Zweige und in der Totalitaumltder Literatur aller Zeiten und Voumllker als die allgemeine Einheitder Menschheit als der wahre Geisterstaat und Geisterbund alseine gemeinsame Welt2 und zwar als die Welt des freien Gei-stes angesehen werden Nicht die protestantische Religionsondern der Geist der Wissenschaft oder die Wissenschaft als 1 Am Rande Anm[erkung] Z B der Geschichtsschreiber Froissart

aus dem 14 Jahrhundert bemerkt von dem Adel seiner Zeit daszlig erohne die Geistlichkeit wie das Vieh sein wuumlrd[e] les Seigneurs sontgouverneacutes par le clergeacute nrsquoils sauroient vivre et seroient comme be-stes si le clergeacute nrsquoestoit S Mainers histor[ische]Vergleichung derSitten und Verfassungen etc des Mittelalters usw II Band [CMeiners Historische Vergleichung der Sitten und Verfassungen hellipII Band Hannover 1793 S 564]

2 Am Rande Anm[erkung] Apud studiorum cultores minimum ha-bere momenti par est regionum discrimina quisquis communibusmusarum sacris initiatus est hunc ego [im Ms folgt gestr hὁμοπάτριδα duco Erasmus Epist [Erasmus von Rotterdam DEpistolae In Desiderii Erasmi Roterodami Opera OmniaEmendatiora et Auctiora Tomus Tertius Pars Prior Lugduni1703 Epistola CCCXCIII Sp 421] bdquoEs gibt keine patriotischeKunst und keine patriotische Wissenschaft Beide gehoumlren wie alleshohe Gute der ganzen Welt an und koumlnnen nur durch allgemeinefreie Wechselwirkung aller zugleich Lebenden in steter Ruumlcksichtauf das was uns vom Vergangenen uumlbrig und bekannt ist gefoumlrdertwerdenldquo Goethe Aus Makariens Archiv [J W v Goethe WilhelmMeisters Wanderjahre oder die Entsagenden Aus Makariens Ar-chiv Buch III In Goethersquos Werke Bd 23 Stuttgart ndash Tuumlbingen1829 S 259]

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das uumlber die Partikularitaumlten und Differenzen der bestehendenReligionsarten1 und Nationen erhabene Geisterreich muszlig da-her nicht nur als die wahre Gruumlnderin der neuern Zeit sondernals die neure Zeit als die wahre neure Welt selbst angesehenwerden

Es kann freilich wohl ein Schriftsteller aus Vorliebe fuumlr dieReligionssekte zu der er gehoumlrt bei der Behandlung gewisserPartien der Wissenschaft diese mit seiner religioumlsen Parteilich-keit infizieren allein dies ist wie sich von selbst versteht ganzzufaumlllig hat gar nichts gemein mit dem Wesen der Wissen-schaft die absolute Indifferenz ist hat seinen Grund nur in demunwissenschaftlichen Charakter 26 eines der Wissenschaftganz fremden und gleichguumlltigen Subjekts und solche vonreligioumlser Parteilichkeit und Partikularitaumlt infizierten Schriftenkoumlnnen daher nie auf den Rang wissenschaftlicher Werke An-spruch machen Ebenso stellen sich wohl auch in der Behand-lung der Wissenschaft die Nationalbesonderheiten dar alleinder Charakter die Besonderheit einer Nation wie sie sich inder Wissenschaft ausdruumlckt ist selbst schon eine allgemeineBesonderheit d i eine Besonderheit geistiger Natur denn nurein solches Volk arbeitet sich zur Wissenschaft empor dasseine Besonderheit zur Allgemeinheit zu allgemeiner Mensch-lichkeit und Geistigkeit ausbildet und ein klassisches Werk dh ein Werk das der Idee der Wissenschaft entspricht ist im-mer obwohl ein echtes Nationalprodukt zugleich ein allge-meines Werk

sect16 Das Erwachen des freien Geistes des Geistes der Wissen-

schaft und Humanitaumlt aumluszligerte sich daher sogleich darin daszlig erdie alten Heiden wieder aus dem Grabe auferweckte und sieaus der Houmllle der Verdammung und Vergessenheit in die sieder abstrakte und beschraumlnkt christliche Geist verstoszligen hattebefreite und an das offene Tageslicht des Bewuszligtseins wiederhervorzog Der Trieb zu dem Studium der klassischen Literaturund die groszlige Begeisterung fuumlr es ging aus einem Mangel desabstrakten Christentums hervor das sich nur als Besonderheitin der aumlngstlichen und bornierten Abscheidung von dem Wesendes Heidentums erfaszligt und als Christentum behauptet auseinem innern Beduumlrfnisse und dem Freiheitsgefuumlhle dem dieSchranke der Christlichkeit zu enge und zu beschraumlnkend war 1 Religionsarten Religionen Korr im Ms

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und welche daher der menschliche Geist zu durchbrechen undso sein besonderes1 christlich beschraumlnktes Bewuszligtsein zumallgemeinen Welt- und Menschenbewuszligtsein zu erweiterngetrieben war Der Zweck um deswillen das Studium der klas-sischen Literatur wieder erweckt wurde war daher auch keinanderer als das christliche Altertum in Form und Inhalt leben-dig sich anzueignen wieder zu produzieren und darzustellenkein anderer als den wahren Geist des Heidentums mit demdes Christentums zu vereinen und seine weltgeschichtlicheBestimmung deswegen allgemeines Bildungsmittel der neuernMenschheit zu sein

Der Zweck um2 dessen[t]willen man3 wieder das Studiumder klassischen Literatur der Griechen und Roumlmer erneuertewar kein so niedriger und beschraumlnkter wie spaumlter oder garjetzt wo 27 das Studium derselben groszligenteils nicht mehrSache des Geistes und der Menschheit sondern nur noch eineSchulsache wo es ohne Andacht und Resignation als eineaumluszligerliche den Geist die Gesinnung das Herz die innerstenAngelegenheiten des Menschen gleichguumlltig lassende Beschaumlf-tigung nicht mit ganzer Seele mit ganzem Geiste sondern mitunentschiedenem zerbrochnen in die [] Innerlichkeit einerbornierten aumlngstlichen beschraumlnkten Christlichkeit und dieinhaltslose Aumluszligerlichkeit eines nur formalen Sprachstudiumszerfallenen Geist betrieben wird der Zweck zu dem [man]besonders zur Zeit der wiedererwachenden Wissenschaften diealten Heiden studierte die uumlbrigens im Vorbeigehen gesagt obsie gleich nichts von der Person Christi wuszligten doch4 unend-lich mehr vom Geiste Christi bessere Christen waren als diebornierten Christen der modernen Welt d i von goumlttlichemGehalt und Wesen durchdrungenen und erfuumlllten Geister derZweck war um wie Heerens Worte zu gebrauchen zur groszligenEhre des Zeitalters zunaumlchst derjenige der er eigentlich seinsollte Bildung des Geistes bdquoMan erlernte kein Latein um diePandekten kein Griechisch um das neue Testament zu verste-hen die klassische Literatur war damals viel weniger Hilfsstu-dium als sie es nachmals ward man studierte sie zunaumlchst um

1 Im Ms folgt gestr be[schraumlnktes]2 um zu Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr fruumlher4 Im Ms folgt gestr mehr

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ihrer selbst willensldquo1 bdquoEs ward lebendigldquo sagt Creuzer vor-trefflich (in jener ersten Periode die er als die der Nachah-mung bezeichnet) bdquodie Idee von der Wuumlrde des Lebens unterden gebildeten Heiden man ward beruumlhrt von der Groumlszlige ihresDenkens und Redens Jene Vollendung des Lebens der Gedan-ken der Dichtung der Rede sollte zuruumlckgefuumlhrt werdenldquo2

Das Zeitalter des Wiederauflebens der Wissenschaften3 dasZeitalter Lorenzos von Medici [war] unstreitig bis jetzt dasschoumlnste und herrlichste im ganzen Verlauf des christlichenWeltalters von daher auch wirklich nichts andres als das glaumln-zende Auferstehungsfest die feierliche Wiederkehr und Wie-dergeburt der schoumlnen heidnischen Welt in Wort und Tat inEmpfindung und Anschauung im Denken wie im Leben Flo-renz selbst4 nichts andres als das wiedergekehrte Athen5

Da es sich bei dem Wiedererwachen des Studiums der altenklassischen Literatur um eine feierliche Assimilation der heid-nischen Welt und des heidnischen Geistes handelte so war esetwas ganz Natuumlrliches wenn der menschliche Geist entzuumlcktvon den Herrlichkeiten und Schoumlnheiten der heidnischen Weltmit ganzer Seele ihr hingegeben in6 jugendliche Gefuumlhle derFreiheit im einzelnen mit der innerlichen Verneinung des Ka-tholizismus7 zu einer Indifferenz oder Abneigung gegen dasChristentum oder selbst die Religion uumlberging So warf man z 1 Am Rande Anm[erkung] Heeren Geschichte des Studiums der

classischen Literatur II B[and] S 278 [A H L Heeren Ge-schichte der classischen Litteratur im fuumlnfzehnten Jahrhundert InGeschichte des Studiums der classischen Literatur seit dem Wieder-aufleben der Wissenschaften Bd II Buch 1 Goumlttingen 1801 S279]

2 Am Rande Anm[erkung] Vergl[eiche] Studien von Daub undCreuzer I L S 8 und des letzteren akademisches Studium des Al-tertums S 80 und 81 [F Creuzer Das Studium des Altertums alsVorbereitung zur Philosophie In Studien Hrsg K Daub F Creu-zer Bd I Frankfurt ndash Heidelberg 1805 S 8 ndash Vgl F CreuzerDas akademische Studium des Altertums Heidelberg 1807 S 80-81]

3 Im Ms folgt gestr namentlich4 Im Ms folgt gestr war5 Am Rande Anm[erkung] V[ergleiche] z B das Leben von Loren-

zo von Medici n[ach] Roscoe und die Vorrede dazu von Sprengel[W Roscoe Lorenz von Medici a a O]

6 Im Ms folgt gestr erste7 Katholizismus alten beschraumlnkten Glaubens Korr im Ms

361

B dem enthusiastischen Platoniker Pletho der auch eine Hym-ne an die Sonne verfertigte 1 vor 28 daszlig er vom Christentumzum Heidentum abgefallen sei und behauptet habe unam can-demque religionem universum orbem esse suscepturumnon agentilitato differentem2 Erasmus war in negatio religionisneutral3 Scaliger sagt von Muretus si tam bene crederet inDeum quam optime persuaderet esse credendum bonus essetChristianus4 Laurentius Valla soll gesagt haben Se haberequoque spicula in Christum5 Justus Lipsius obwohl er die divaVirgo Hellensis als seine gnaumldige Beschuumltzerin verehrte und ihrfuumlr ihre groszligen Wohltaten in seinem Testamente seinen schouml-nen Doktorrock und einen calamum argentum aus Dankbarkeitvermachte changierte dreimal seine Religion6 Der SimiaCiceronis Petrus Bembus geheimer Sekretaumlr Leo des X be-hauptete wer die Eloquenz und elegantiam scribendi liebesolle ja nicht die Episteln seruti lesen7 Bekannt ist die Sinnes-und Denkart des Medicaer Leo X und andrer HumanistenCharakteristisch ist die Sage oder Anekdote die von Hermo-laus Barbarus erzaumlhlt wird naumlmlich daszlig er als er an die Uumlber- 1 Vgl J A Fabricius Bibliotheca Graeca Bd XII Hamburgi 1809

Lib V 23 S 982 Am Rande Anm[erkung] Fabricius Bibl Graec (Vol X Tom X l

V) und Boivin Streit zwischen den Philosophen im 15 saec in ActPhilos X S 541 [Vgl J A Fabricius Bibliotheca Graeca Bd XIHamburgi 1808 Lib V c XXXIX S 390 ndash Vgl J Boivin de Ville-neuve Nachricht uumlber dem Streite der Philosophorum hellip In ActaPhilosophorum hellip X Stuumlck Halle 1719 S 541 ndash Vgl G PlethonTraiteacute des Lois Ou recueil des fragments en parte ineacutedits de cetouvrage Paris 1858 S XVI ]

3 Im Ms folgt gestr die Katholiken [] nannten ihn daher [] Athei-sten [] [Vgl A Clarmundo Desiderius Erasmus In Vitae claris-simorum hellip di Lebensbeschreibungen etlicher HauptgelehrtenMaumlnner Bd I Wittenberg 1704 S 30]

4 A Clarmundo Marcus Antonius Muretus In Vitae clarissimorumhellip a a O S 91

5 Vgl A Clarmundo Laurentius Valla In Vitae clarissimorum hellipBd IV Wittenberg 1711 S 18

6 Vgl A Clarmundo Justus Lipsius In Vitae clarissimorum hellip BdI a a O S 119

7 Vgl A Clarmundo Petrus Bembus In Vitae clarissimorum hellip BdII Wittenberg 1705 S 42 ndash Am Rande Anm[erkung] S[iehe][Adolphus] Clarmundi Vitae clarissimorum in re lit[erari] virorumTom I Tom II T[om] IV

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setzung des Wortes Ẻντελέχεια[Entelechie] kam und nachvergeblichen Bemuumlhungen nicht gewuszligt habe wie er es uumlber-setzen solle in dieser seiner Desperation und Verlegenheit sichendlich entschloszlig den Teufel um Rat zu fragen der ihm dannauch den Rat erteilte wie er es uumlbersetzen solle1 Wenn for-schende Vernunft wenn selbstaumlndiger freier denkender Geisteins ist mit dem Prinzip des Boumlsen dem Teufel so muszlig manbehaupten daszlig nicht nur Hermolaus Barbarus sondern allegroszligen Humanisten Philosophen und Naturforscher der neuernZeit den Teufel um Rat gefragt2 und bei ihm Collegia gehoumlrthaben und daszlig uumlberhaupt nur der Teufel den Menschen zumMagister oder Doctor Philosophiae promoviert

Da die Transsubstantiation der klassischen Welt die Er-kenntnis und das Studium derselben bedingt und vermittelt wardurch Sprach- und sonstige Gelehrsamkeit so war es eine na-tuumlrliche Folge daszlig in neurer Zeit das Mittel fuumlr den Zweckgenommen und der Zweck zum Mittel erniedrigt wurde daszligdas Wissen bis zur voumllligen Indifferenz gegen allen Inhalt fort-ging daszlig jetzt nicht mehr auf das Gewuszligte auf den Inhaltnoch auf den Geist des Wissens sondern auf das bloszlige Wissenals solches ohne Ansehung seiner Qualitaumlt auf die bloszlige Ge-lehrsamkeit als solche unendlicher Wert gelegt wurde und derSinn fuumlr das Wahre und Schoumlne und Vollendete der klassischenWelt sich in bloszlige Eitelkeit in den Wohlgeschmack an derbloszligen Form verlor das houmlchste Ziel der Eleganz und Korrekt-heit in Reden und Schreiben und die unbedingte Hingebung inden Inhalt und das Wesen 3

31 Anschauung seiner als eines Objektes d i durch dieAssimilation der geistigen Werke des Altertums zum Selbst-bewuszligtsein und zur Produktivitaumlt Ehe er produktiv wurdemuszligte er reproduzieren in sich eine geistige Welt die seinesGeistes seines Wesens und Ursprungs war Plato Aristotelesdie uumlbrigen Philosophien und Produkte der klassischen Weltwurden nur deswegen mit solchem Enthusiasmus aufgenom-men studiert und assimiliert weil die welche dieser Enthusi-

1 Am Rande S Clarmundus l c Tom IV [Vgl A Clarmundo

Hermolaus Barbarus In Vitae clarissimorumhellip Bd IV a a O S27]

2 gefragt fragten Korr im Ms3 Text bricht ab Ms S 29 und 30 fehlen

363

asmus ergriff die Befriedigung ihres eignen innersten Geistes-beduumlrfnisses in ihnen fanden weil der freie der universelle derdenkende Geist der in ihnen zum Dasein und zur Taumltigkeiterwachte in jenen Werken die Produkte seiner selbst seinWesen in ihnen und sie in seinem Wesen erkannte Zugleichwar aber auf dieser Stufe der Reproduktion der Geist gleichsambei sich und zugleich auszliger sich d h die Einheit seinesSelbstbewuszligtseins noch getrennt und auseinander gehalten inden Unterschied1 seiner selbst als des denkenden bewuszligtseien-den und seiner als des Bewuszligten des Objektes das [] seineseignen Wesens im Innersten ihm verwandt und gleich dochals ein Gegebenes und Empfangenes kurz als ein Objektivessich zu ihm als ein Andres verhielt Allein eben durch dieseAnschauung seiner als eines Objektes durch dieses Bewuszligt-sein und diese Erkenntnis seiner in einem Objekte oder objek-tiven Welt in der er sein eigenstes Wesen erkannte die Befrie-digung seiner eignen Beduumlrfnisse fand und die Assimilationund Aneignung dieser Welt wodurch sie eben aufhoumlrte eineandre eine fremde und gegebene zu sein gelangte dermenschliche Geist zur freien Einheit mit sich selbst und so erstwurde er produktiv-wissenschaftlicher oder denkender GeistDenn ein produzierender Geist ist eben nur der welcher nichtbei Anderen und der Aneignung eines Gegebenen2 und in derAbhaumlngigkeit davon3 im Unterschied und in der Trennung vonsich stehenbleibt sondern an die innerste Einheit mit sichselbst und damit zum freien Selbstbewuszligtsein und unabhaumlngi-ger Selbstaumlndigkeit gedrungen ist Ein nicht produktiver Geistist dagegen eben ein solcher der nicht mit sich selbst Einsgeworden ist denn nur [] diese Einheit ist4 die Quelle eignenfreien Lebens kraft der Produktivitaumlt denn diese Einheit mitsich [ist] wesentlich Spontaneitaumlt Selbsttaumltigkeit und damitProduktivitaumlt

sect 1932 Von dem Geiste des Mittelalters und seiner Philosophie

unterscheidet sich daher im Allgemeinen der Geist der Philo-sophie der neuern Zeit hauptsaumlchlich dadurch daszlig sie aus demjenseitigen Schattenreich der Logik und Metaphysik an den 1 Im Ms folgt gestr des denk[enden]2 anderen hellip Gegebenen und in Anderen und Anderen Korr im Ms3 davon von ihnen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr ist

364

lichten Tag der Wirklichkeit wie sie Geist und Natur ist her-vortretend die selbsttaumltige Einheit des Geistes mit sich denselbstbewuszligten lebendigen wirklichen Geist selbst zu ihremPrinzipe hat daszlig sie indem sie nicht wie die Philosophie desMittelalters das nur abstrahierende Denken sondern denselbstbewuszligten lebendigen Geist selbst zu ihrem Prinzipe hatnicht abstrakte Dinge abgezogene Wesenheiten nicht Ab-straktionen der Metaphysik keine sogenannten Universaliadenen zwar abstrakte Wahrheit aber nicht Wirklichkeit zu-kommt sondern Gegenstaumlnde zu ihrem Objekt und Inhalt hatderen Wirklichkeit unmittelbar mit dem Denken derselbengesetzt ist die sind indem sie gar nicht werden und gar nichtanders1 als seiend gedacht werden koumlnnen in denen also Seinund Denken identisch sind Gegenstaumlnde die gedacht in derForm des Gedankens zugleich in die Form und Gestalt objek-tiver gegenstaumlndlicher Wirklichkeit traten und so im Denkenzugleich in die Anschauung fallen wie z B die Substanz desSpinoza oder unmittelbar eins sind mit dem gegenwaumlrtigenselbstbewuszligten Geiste wie es im Cartesianischen cogito ergosum der Fall ist daszlig sie also2 nicht den nur distinguierendenfolgenden und schlieszligenden abstrahierenden und durch Ab-straktion zu abstrakten Universalia und in ihnen endendenlogisch-metaphysischen Verstand sondern den an der substan- 1 Am Rande Anm[erkung] Z B Si quis ergo diceret se claram et

distinctam h e veram ideam substantiae habere et nihilominus du-bitare num talis substantia existat idem hercle esset ac si diceretse veram ideam habere et nihilominus dubitare num falsa sitSpinoza Eth P I Prob VIII [] II [B Spinoza Ethica pars primaIn Opera quae supersunt omnia Vol II Jena 1803 Propos VIIISch II S 40] ndash Im Ms folgt gestrichen Lrsquoon ne peut donc voirDieu qursquoil nrsquoexiste on ne peut voir lrsquoessence drsquoun ecirctre infinimentparfait sans en lrsquoexistencehellip si donc on y pense il faut qursquoil soitMalebranche De la recherche de la veacuteriteacute Lib IV Chap XI [NMalebranche De la Recherche de la Veacuteriteacute hellip T I Paris 1721Lib IV Chap XI S 474] Dieser Gedanke kommt als sogenannterontologischer Beweis auch allerdings auch schon im Mittelalter vorder daher unstreitig auch sein geist[vollster] und lebendigster philo-sophischer Gedanke ist aber viel abstrakter und formeller Ein Bei-spiel ferner ist das cogito ergo sum des Cartesius kurz die ganzeGeschichte der neuern Philosophie Die Maumlngel der neuern Philo-sophie [] Geist und Inhalt koumlnnen nur innerhalb ihrer Geschichteselbst gezeigt werden

2 Im Ms folgt gestr der

365

tiellen unendlichen Einheit des Denkens und Seins anhaben-den und nur innerhalb dieser substantiellen Einheit denkendenGeist zu ihrem Prinzip hat

sect 20Mit dem Selbstbewuszligtsein des denkenden Geistes als dem

Prinzipe der neuern Philosophie und Wissenschaft war zu-gleich auch das Bewuszligtsein der Natur wieder gesetzt Denn einBewuszligtsein ist das Selbstbewuszligtsein des Geistes und das Be-wuszligtsein der Natur Die Natur die im Mittelalter in die Nachtder Ignoranz versenkt und vergraben war wurde jetzt wiederaus dem1 Dunkel ans Licht hervorgezogen und zu einem we-senhaften Objekte des Geistes Die Natur erhob sich aber damitjetzt auch wieder aus der Stufe eines Endlichen einer bloszligenNatur in den Rang eines an und fuumlr sich Wesenhaften undUnendlichen eines absoluten Wesens2

1 Im Ms folgt gestr Licht2 Text bricht ab

366

8 Zur Hegelschen Geschichte der Philosophie1

Hegel stellt alles so auch in der bdquoGeschichte der Philoso-phieldquo2 nur in einer sukzessiven Entwicklungsreihe dar dahersubordiniert er Systeme die doch nicht nur gleichzeitige son-dern auch gleichberechtigte sind So setzt er z B den Heraklituumlber Parmenides aber jener steht nicht houmlher als dieser beidestehen auf demselben Boden beide sehen denselben Gegen-stand aber nur unter verschiedenen Formen oder vielmehr mitverschiedenen Augen Halten wir uns nur an den bekanntenbdquoFluszligldquo des Heraklit Parmenides sieht so gut wie Heraklit denFluszlig des Lebens und der Dinge aber er sagt bdquoEs folgt immernur dasselbe auf dasselbe Welle auf Welle aber immer diesel-be Leier kein wesentlicher Unterschied ein Unterschied nurfuumlr das Auge aber nicht fuumlr meinen Verstand mein Verstandsteht stille bei dieser Bewegung sie bewegt sie affiziert ihnnicht unterschiedentlich er langweilt sich es ist also nur eineBewegung dem Scheine aber nicht dem Inhalt der Sache derWahrheit nach Wenn ich dieses Wasser das hier nacheinanderverlaumluft auf eine Flaumlche braumlchte so waumlre der Eindruck einabsolut einfoumlrmiger identischer Was mir jetzt als ein AnderesVerschiedenes erscheint weil ich es nacheinander wahrnehmewuumlrde mir auch als Eines und Dasselbe erscheinen wenn ichauf einmal es uumlberschauen koumlnnteldquo Heraklit dagegen abstra-hiert von der Identitaumlt des Inhaltes und haumllt sich bloszlig an dieForm des Kommens und Vergehens an die sinnliche Bewe-gung die immerwaumlhrend ist waumlhrend das Subjekt der Bewe-gung die Welle vergeht und entsteht Dem Heraklit ist dasFlieszligen das Fortwaumlhrende Bestehende dem Parmenides dasFlieszligende Aber beide Anschauungen sind gleichberechtigtbeide liegen ebenso in der Natur der Sache als in der Natur desMenschen beide repetieren sich in tausenderlei Weisen imLeben und Denken des Menschen Dem Einen genuumlgt z Bsein Weib um das Weib kennen zu lernen der Andere glaubtdas Weib nur zu kennen wenn er es im Plural kennen gelernthat Die eine Anschauung ist die des ruhigen besonnenen Ver- 1 Text uumlbernommen aus BwN I S 393-3972 G W F Hegel Vorlesungen uumlber die Geschichte der Philosophie

1-3 Bd hrsg von K L Michelet In Werke Vollstaumlndige Ausgabedurch einen Verein von Freunden des Verewigten XIII-XV BdBerlin 1833ndash1836

367

standesmenschen die andere die des sinnlichen feurigen Men-schen

Hegel opfert die inneren immer vorhandenen ewigen Gruumln-de den zeitlichen historischen Gruumlnden auf So begruumlndet er zB den Skeptizismus lediglich als Gegensatz gegen die epiku-reische und stoische Philosophie als dogmatische Systeme1

Aber dadurch wird nur der aumluszligere historische nicht der innerepsychologische Grund erkannt und angegeben Und gleichwohlhat der Skeptizismus einen solchen und es ist gerade die Auf-gabe des Philosophen zu fragen worin hat er seinen Grund Zujeder Zeit gibt es Skeptiker wenngleich der Skeptizismus nichtzu jeder Zeit gleiche Bedeutung hat dort ein organisches hierein Produkt einer generatio aequivoca ist Gibt man daher demSkeptizismus nur einen speziell-historischen nur durch denStandpunkt einer bestimmten zeitlichen Philosophie bedingtenUrsprung so ist es unmoumlglich ohne Willkuumlr mit der Empiriefertig zu werden So hat ein Schuumller Hegels den Skeptizismuseines Huet und Bayle lediglich auf Rechnung der CartesischenPhilosophie gesetzt als welche den Gegensatz zwischen Aus-dehnung und Denken Ding und Gedanke aufs aumluszligerste getrie-ben habe ein Gegensatz dessen notwendige Folge eben derSkeptizismus sei Und doch treffen wir schon vor Cartesius undgleichzeitig mit ihm aber unabhaumlngig von seiner Philosophieden Skeptizismus wie z B im Gassendi Aber wie mit demneueren ist es mit dem aumllteren Skeptizismus Pyrrho ist gleich-zeitig mit Aristoteles Notwendig wird daher der Skeptizismushoumlchst einseitig erfaszligt wie es von Hegel und seiner Schulegeschieht wenn nicht sein psychologischer Grund beruumlcksich-tigt wird Ich sage keck weg der psychologische ob ich wohlweiszlig daszlig die psychologischen Erklaumlrungen in Verruf sindaber ich sehe nicht ein warum man mit einer seichten psycho-logischen Erklaumlrung auch die psychologische Erklaumlrung uumlber-haupt verwerfen soll Die Hegelsche Methode hat uumlberhauptden Mangel daszlig sie die Geschichte nur als einen Fluszlig ansiehtohne den Boden zu betrachten uumlber den der Fluszlig hinstroumlmt Siemacht die Geschichte zu einem ununterbrochenen intelligentenAkt was sie doch nicht ist Die Geschichte der Philosophiewird unterbrochen durch antiphilosophische rein praktischeInteressen und Tendenzen durch rein empirische Beduumlrfnisse 1 G W F Hegel Vorlesungen uumlber die Geschichte der Philosophie

1 Bd In Werke XIII Bd Berlin 1833 S 187

368

der Menschheit In solchen Zeiten wird die Philosophie aller-dings auch erhalten aber geschwaumlngert mit den Bestandteilendes Bodens woruumlber sie flieszligt Wird diese Beschaffenheit desBodens nicht beruumlcksichtigt sondern nur der Fluszlig so wird alseine houmlhere Stufe gefaszligt was in ein ganz anderes Gebiet ge-houmlrt daher mit dem fruumlheren gar nicht verglichen werden kannund es ist dann unvermeidlich daszlig nicht das Wesentliche zumUnwesentlichen und umgekehrt das Unwesentliche zum We-sentlichen gemacht wird So ist es mit der Bedeutung die He-gel der neuplatonischen Philosophie im Gegensatze gegen diealtgriechische gibt Hier ist heiszligt es die absolute Idee erschie-nen aber in der Form der Gaumlrung der Ektase der Schwaumlrme-rei Die Ektase wird also zum Unwesentlichen zur bloszligenForm gemacht Allein wo die Form Schwaumlrmerei ist da istauch der Inhalt das Objekt ein schwaumlrmerisches phantasti-sches Objekt So wenn Plotin die bdquounmittelbare Annaumlherungldquound Vereinigung mit der Gottheit als das Ziel der Philosophiebestimmt ndash so kann man nicht sagen nur die Form der Un-mittelbarkeit der Vereinigung ist hier das Phantastische son-dern dieser Inhalt ist gar nichts auszliger dieser Form Ist dennnicht notwendig das Objekt selbst ein Unmittelbares Sinnli-ches oder wenigstens phantastisch Sinnliches wo eine unmit-telbare Annaumlherung stattfindet So wenn bei Plotin das Eineals das Vollkommene uumlberflieszligt und dieses Uumlberflieszligende seinProdukt ist1 so ist dieses Phantasiebild die Sache selbst eslaumlszligt sich nicht mehr der Gedanke vom Bilde absondern Daspositive Philosophische in den Neuplatonikern ist nur der In-halt aus der alten Philosophie aber jetzt versetzt aus dem Ele-mente des Denkens in das Zauberland der Phantasie wo erobgleich derselbe anders und schoumlner als in seinem fruumlherenElemente erscheint gleichwie uns im Traume dieselbe Sacheanders und unendlich schoumlner erscheint als im Wachen DieZeit der Neuplatoniker war eine Zeit des Ungluumlcks der Unzu-friedenheit mit der Welt der Krankheit Die Philosophie hat insolcher Zeit die Bedeutung der Medizin Sie wird nicht getrie-ben aus freiem Interesse mit dem Sinne mit welchem sie derGesunde der Gluumlckliche treibt nicht um ihrer selbst willen Siesoll die Beduumlrfnisse des kranken Herzens befriedigen Wundenheilen den Verlust der Welt der Realitaumlt ersetzen Dies ver- 1 G W F Hegel Vorlesungen uumlber die Geschichte der Philosophie

2 Bd In Werke XV Bd Berlin 1836 S 51-52

369

mag sie aber nur durch das Gemuumlt bezaubernde Vorstellungennur durch die Phantasie nicht durch die Vernunft Der Stand-punkt der Neuplatoniker ist also kein houmlherer sondern ein ganzanderer als der der alten Philosophen - kein theoretischersondern praktischer Aber ebenso waren schon der Stoizismusder Epikurismus und Skeptizismus Erscheinungen von demVerschwinden des philosophischen Geistes Erscheinungendavon daszlig das theoretische Interesse durch praktische Interes-sen verdraumlngt war Der Skeptizismus verdankt seine Entste-hung nicht einer einseitigen dogmatischen Philosophie son-dern der Richtung und Zeit wo der Mensch seinen naumlchstenInteressen das houmlchste Interesse zuwendet und daher gegendas Wissen gleichgiltig wird Was kuumlmmertrsquos mich ob dieSonne so groszlig oder groumlszliger ist als sie erscheint ob die Erde umdie Sonne oder die Sonne um die Erde laumluft Sie mag stehenoder laufen - deswegen geht mein Puls nicht langsamer ver-daut mein Magen nicht besser wird mein Herzeleid nicht ver-mindert Hieraus allein erklaumlrt es sich auch wie der Skeptizis-mus mit dem Pietismus und Mystizismus in Verbindung ge-bracht werden kann wie es von der neueren Zeit geschah

370

9 Neue Philos[ophie] Frankr[eichs] und Engl[ands]1

2 Locke Leibniz Empirism[us] Rationalism[us]Beide bestimmten sie nach ihnen bearbeitet d[ie] Philos[ophie]England[s] Frankr[eichs] Niederl[ande] Deutschl[ands]Schauplatz Aus Engl[and] und Frankr[eich] gingen d[ie] bei-den Hauptrichtungen Empir[ismus] und Rat[ionalismus] her-vor Deutschl[and] spielte anfangs untergeordnete Stellungdurch die Aneignung fremden Ertrags Allmaumlhlich erhob sichDeutschl[and] zum Mittelpunkt alles widersch [] StrebensDieser Geist der Rationalitaumlt sowie d[ie] Beschaffenheit d[es]Deutschen Reichs die Vielheit mehrerer unabhaumlngiger aberverbundener Staaten und d[er] Mangel einer Hauptstadt d[ie]den Ton angibt hat Einfluszlig auf d[en] Gehalt und d[ie] Formder Erschei[nun]gen gehabt so daszlig keine einseitige Richtungfestwurzeln konnte daszlig nicht3 eine Seite des menschl[ichen]Geistes mit Ausschlieszligung der andern fesselte daszlig k[eine]Wiss[en]schaft d[ie] andre daszlig d[as] Wissen nicht den Glau-ben verdraumlngte und dieser nicht jenes ausschloszlig daszlig d[ie]Philos[ophie] ein Bunde mit Mor[al] und Rel[igion] nicht denM[enschen] scheinbar erhob um ihn auf der anderen Seitedesto tiefer zu stuumlrzen

Frank[reich] National eher Hauptstadt die den Ton angibtnur die phys[isch]e Natur als Realit[aumlt] festgehalten Meta-phys[ik] verlacht endlich ganz aus d[em] Gebiete d[er] Phi-los[ophie] verstoszligen

In England haben4 Baco und5 Locke d[ie] Hauptrichtungbestimmt Psychologie mit Lust getrieben Materialis[mus]konnte nicht herrschende Denkart hier w[erden]

In Italien konnte Philos[ophie] nicht aufkommen In Nieder-landen w[urde] Philos[ophie] als Hilfswissensch[aft] getriebenD[ie] nordische[n] Reiche erhielten fast immer d[ie] wissen-schaft[liche] Aufklaumlrung aus d[en] suumldlichen Laumlndern beson-ders aus Deutschl[and]

Frankr[eich]1

1 Uumlberschrift im Ms am Rande r o2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S I3 nicht o Ms4 haben hat Ms5 Im Ms folgt gestr Verul[am]

371

Eacutetienne Bonnot de Condillac Lehrer d[es] Erbprinzen vonParma geb 1715 dagger 1780 einer der ersten d[er] Lockes Lehreeigentuumlml[ich] auffaszligt und in Frankr[eich] Epoche machtFruumlher w[ar] schon durch Gassendi und d[ie] Schulphi-los[ophie] d[ie] Ansicht vom empir[ischen] Ursprung der Er-kenntnis hervorherrschend Cartes[ius] unterbrach sie Con-dill[ac] stellte sie wieder [her] er wollte auch Lockes Lehred[er] Metaphys[ik] begruumlnden vereinfachte sie

Essai sur lrsquoorigine des connaissances humaines Am-sterd[am] 1746 2 Tom 12deg Deutsche Uumlbers[etzung] vonMich[ael] Hiszligmann Leipz[ig] 1780 8deg2

Die Sensation ist das Prinzip aller Erkenntnis Locke be-trachtet d[ie] menschlichen Wahrnehmungen d[er] Seele alsangeborne Qualitaumlten derselben Cond[illac] als erworbeneFertigkeiten Empfind[ung] w[ird] Aufmerks[am]keit Ge-daumlchtnis ist eine umgewandelte Empfindung Durch transfor-mation des sensations entsteht alle Taumltigkeit d[er] Seele 3

Traiteacute des sensat[ions]4 Encyclop[eacutedie] meacutethod[ique] Philo-sophie anc[ienne] et mod[erne] T II P I5

Charles Bonnet geb 1720 zu Genf (abstammend ausfranz[oumlsischem] Geschl[echt]) dagger 1793 Aumluszligerte fruumlhzeitigbesond[eren] Beobachtungsgeist macht Entdeckungen vonInsekt[en] und Pflanzen

S[ein] erstes ersch[ienenes] Werk Essai de psychologie ouconsideacuterations sur les opeacuterations de lrsquoacircme sur lrsquohabitude et surlrsquoeacuteducation Londres 1755 Deutsche Uumlbers[etzung] v[on]Dohm Lemgo 17756 ndash Essai analyt[ique] sur les faculteacutes delrsquoacircme Copenhague 1760 D[eutsch] v[on] Schuumltz Bremen

1 Vgl W G Tennemann Geschichte der Philosophie 11 Band

Leipzig 1819 [Bis Ende des Kapitels]2 Eacute B d Condillac Versuch uumlber den Ursprung der menschlichen

Erkenntnis Leipzig 17803 Am Rande r o II neue Philos[ophie] Frankr[eichs] und Engl[ands]4 Eacute B d Condillac Traiteacute des sensations Londres 17545 J A Naigeon Encyclopeacutedie meacutethodique ou par ordre de matiegraveres

par une Socieacuteteacute de Gens de Lettres de Savans et dArtistes hellip Phi-losophie ancienne et moderne T II Paris 1792 P I

6 C Bonnet Des Hrn Karl Bonnet psychologischer Versuch als eineEinleitung zu seinen philosophischen Schriften Aus dem Franzoumlsuumlbers und mit einigen Anm begleitet von C W Dohm Lemgo1773

372

17701 La palingeacuteneacutesie philos[ophique] ou ideacutees [sur lrsquoeacutetatpasseacute et] sur lrsquoeacutetat futur des ecirctres vivants Genev 1769Deutsch v[on] Lavater2 Sammlung saumlmtl[icher] Werke Œu-vres drsquohistoire natur[elle] et de philos[ophie] Neufchacirctel 17832 Bd 8 Voll

Richtete Taumltigkeit d[es] Geistes hauptsaumlchlich auf d[ie] Psy-chologie des Geistig[en] d[en] Mechanism[us] der Nervenndashund Gehirnbeweg[un]g[en] erklaumlrt d[ie] sinnliche Vorstel-lungstaumltigkeit durch d[ie] Bewegung d[er] Gehirnfibern D[ie]houmlchste Idee s[einer] nur sinnlich abgeleite[ten] Seele ist je-doch immateriell

Anders erscheint der Geist d[es] Empirism[us] bei den mei-sten andren Gelehrten der Zeit der Encyclopaumldisten Schilde-rung d[er] Zeit und d[er] franz[oumlsischen] Nation in dieserZus[ammenfassung] in Barante3 und Jayrsquos Abhand[lungen]uumlber d[ie] Litter[atur] Frank[reichs] im 18 Jahrh[undert]uumlbers[etzt] v[on] Ukert Jena 18104 S[iehe] auch ArtikelMeslier in d[er] Encyclop[eacutedie] meacutethod[ique] Philos[ophie]anc[ienne] et mod[erne] T III P I S 2185

Diderot und drsquoAlembert w[aren] Urheber der franzoumls[ischen]Encyclopeacutedie und d[ie] Tonangeber d[er] neuern Philos[ophie]

Denis Diderot 1713 geb[oren] zu Langres6 Er beganns[eine] liter[arische] Laufbahn mit d[em] Versuch uumlber d[as]

1 C Bonnet Herrn Karl Bonnets Analytischer Versuch uumlber die

Seelenkraumlfte Aus dem Franzoumlsischen uumlbersetzt und mit einigen Zu-saumltzen vermehrt von M Christian Gottfried Schuumltz Bremen 1770ndash1771

2 C Bonnet Herrn C Bonnets verschiedener Akademien MitgliedsPhilosophische Palingenesie Oder Gedanken uumlber den vergange-nen und kuumlnftigen Zustand lebender Wesen aus dem Franzuumlbers und mit Anm hrsg von Johann Caspar Lavater Theil 1 Zuuml-rich 1770

3 Barante Barente Korr im Ms4 A-G-P Brugiegravere de Barante M Jay Ueber die Litteratur Frank-

reichs im achtzehnten Jahrhundert Zwei Abhandlungen von Ba-rente und Jay Aus dem Franz uumlbers und mit Anm hrsg von F AUkert Jena 1810

5 J A Naigeon Encyclopeacutedie meacutethodique ou par ordre de matiegraverespar une Socieacuteteacute de Gens de Lettres de Savans et dArtistes hellip Phi-losophie ancienne et moderne T III Paris [ca 1803] P I ArticleMeslier S 218-239

6 Langres Langers Korr im Ms

373

Verdienst und d[ie] Tugend Uumlbersetzung d[er] Abhandlungdes ShaftesburyDarauf Penseacutee philosophiques Piscis hic non est omnium[La] Haye 1746 8degMehreres gedruckt von ihm im recueil philos[ophique] Hol-land 1770 erschienen1

Jean le Rond drsquoAlembert ein Findelkind geb[oren] 1717 zuParis beruumlhmter Mathem[atiker] von Friedr[ich] d[em] Gro-szligen Praumlsid[ent] d[er] Akad[emie] zu Berlin2 Beide w[aren]Deisten oder gar Atheisten hielten aber den Atheismus zuruumlckhielten d[ie] Relig[ion] fuumlr eine Kapricerie d[es] Volks siew[aren] wie die meisten Gelehrten Frank[reichs] d[er] Mei-nung Voltaires zugetan es sei nuumltzlich einen Gott zu glaubenund wenn keiner existiert muumlsse man einen erf[inden] D[ie]Encyclop[eacutedie] fand allgem[einen] Beifall ob sie wohl vomHof unterdruumlckt w[urde]

Systegraveme de la nature ou des loix du monde physique et dumond[e] morale Mirabaud Lond[on] 1770 8deg3 4 Mirabaudoder v[on] Holbach oder La Grange der Verfasser D[as] Buchw[urde] durch einen Parlamentsakt verboten und verbrannthalf nichts Helveacutetius verbreitete durch einen Auszug Le vraisens etc5 d[ie] atheist[ische] Denkart

de la MettrieVon der naturalist[ischen] Denkart d[ie] alles Uumlbersinnliche

leugnete s[o] nur ausgenommen Montesquieu und Maupertuissie lieszligen wenigstens Achtung fuumlr d[ie] Sinne und Vernunftblicken Zu diesen kann man auch6 drsquoArgens und Voltaire (mitBedenkl[ichkeit] zaumlhlen)

1 Recueil philosophique ou Meacutelange de pieces sur la religion amp la

morale Par diffeacuterents auteurs hrsg von J A Naigeon Londres1770 [Erschienen in Amsterdam]

2 DrsquoAlembert war Mitglied der Preuszligischen Akademie der Wissen-schaften

3 P H T dHolbach Systecircme de la nature Ou des loix du mondephysique et du monde morale London 1770 [Erschienen in Am-sterdam]

4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S III5 C A Helveacutetius Le vrai sens du Systecircme de la nature ouvrage

posthume de M Helveacutetius Londres 17746 Im Ms folgt gestr D

374

Newtons und Lockes Philos[ophie] w[urde] in England nichtohne Freiheit betrieben

Aber [das] Verhaumlltnis d[er] Sinnlichk[eit] und Verstand be-treffend [vgl die] Bemerkungen in Two Dissertations concer-ning Sense and Imagination with an Essay on ConsciousnessLondres 1728 8deg1

Einigen Behauptungen v[on] Locke widersprach BischofPeter Brown

Kritische Streitigkeit[en] vorzuumlg[lich] seit Lockes Zeit ArztWilhelm Coward behauptete daszlig d[ie] Immaterialitaumlt d[er]Seele unbegreiflich sei Der beruumlhmte Dodwell behaupteteauch die Sterblichkeit der Seele jedoch aus theolog[ischen]Gruumlnden a[uch] die Unsterblichkeit als eine Folge d[es] vonGott eingehauchten Geistes

Samuel Clarke dagegen bewies d[ie] Unsterblichkeit derSeele aus dem Begriff eines einfachen Wesens Cl[arke] ver-steht [] wenn [ein] einfaches Vermoumlgen wie d[as] Denkeneine Eigenschaft [ist] d[anach] nur ein einfach[es] Wesenexistieren [] kann Dagegen schrieb Anton Collins (dagger 1729)Freiheit [ist] Gegenstand d[es] []

Samuel Clarke 1675 geb bewies d[as] Dasein Gottes Wennheute Etwas existiert so muszlig das immer existiert haben Als[]Ewiger Gott ist d[as] Substrat d[es] unendl[ichen] Raums undd[er] unendl[ichen] Zeit

Theodicee des King2 um diese Zeit [] d[ie] Physikotheolo-gen Derham und RayIdealismus des Collier (Collier allgem[einer] Schluumlssel inEschenbachs Sammlung3) und des Georg4 Berkeley geb 1684Theory of vision by G Berkeley Lond[on] 1709 8deg5 [A]Treatise [concerning] the principles of human KnowledgeLond[on] 1710

1 Die anonym erschienene Abhandlung stammt von Zachary Mayne2 W King De origine mali Authore Guilielmo King S T D

Episcopo Derensi London 1702 [Diese Schrift beruumlcksichtigteLeibniz in seiner Theacuteodiceacutee vgl G W Leibniz Remarques sur lalivre du LrsquoOrigine Du Mal In Essais de Theacuteodiceacutee sur la bonteacute deDieu hellip P II Amsterdam 1710 S 24-99]

3 Im Ms folgt gestr 3474 Im Ms folgt gestr Berkely5 G Berkeley An Essay towards a New Theory of Visions Dublin

1709 2 Edition London 1732

375

Three Dialogues between Hylas and Philonous [London 1713]ndash Aleiphron or the minute philosopher Von d[en] Gespraumlchen2 deutsche Uumlbersetz[ungen] D[ie] erste ist in d[er] Sammlungd[er] vornehmsten Schriftsteller d[ie] d[ie] Wirklichkeit ihreseigenen Koumlrpers und der ganzen Koumlrperwelt leugnen enthal-tend Berkeleys Gespr[aumlche] zwischen Hylas und Philonous undd[es] Colliers 1 allgem[einen] Schluumlssel uumlbersetzt und mitwiderlegend[en] Anmerk[ungen] versehen etc v[on] JohChrist2 Eschenbach Rostock 1756 D[ie] zweite in Berkeleyrsquosphilos[ophische] Werke I B[d] Leipzig 1781 8deg davon nichtsmehr erschienenSkeptizismus David Hume in Grafschaft [Berwickshire]schottischer Graf geb 1711 dagger 17763

A treatise of human nature being an attempt to introduce theexperimental method of reasoning into moral subject by DavidHume Lond[on] 17404 David Humes Abhandl[ung] uumlb[er]d[ie] menschl[iche] Nat[ur] nebst krit[ischen] Versuchen uumlberdieses Werk v[on] L H Jacob Halle 1790 91 3 B[de] Humeuumlberarbeitete es und gab es dann unter d[em] Titel herausUntersuchung uumlber den menschl[ichen] Verstand5

Gegner Humes Reid Prof d[er] Ethik zu Glasgow (dagger 1796)[Standpunkt des] Gemeinsinn[s] Inquiry into the human mindon the principle of common sense by Th Reid [London 1764ndash1769] Deutsch Leipz[ig] 1782 bdquoD[ie] Philos[ophie] hatk[eine] Wurzeln als d[ie] Prinzipien d[es] gemeinenMenschenverstandesldquo6 D[er] common sense w[ar] ihm unds[einen] Nachfolgern Vermoumlgen Wahres unmittelbar zuempfinden Sinn fuumlr d[ie] Wahrheit D[er] zweite Bestreiter 1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S IV2 Im Ms folgt gestr Eschnbach3 [Am Rande] Er beschrieb selbst s[ein] Leben scherzte [] uumlber

s[einen] Tod mit derselb[en] Heiterkeit starb er The life of DavidHume written by himself Lond[on] 1777 franz[oumlsisch London]1777 latein[isch] das[elbst] 1787 Anekdoten und Charakterzuumlgeaus D Humersquos Leben v[on] C[hr] Fr Staumludlin in d[er] Berlin[er]Monatsschrift Nov[ember] 1791 (S Tenne[mann] S 423 11B[d]) [W G Tennemann Geschichte der Philosophie a a O S423-424]

4 1740 1738 Ms5 D Hume An Enquiry Concerning Human Understanding London

17486 Th Reid Untersuchung uumlber den menschlichen Geist Leipzig 1782

S 17

376

d[ie] Wahrheit D[er] zweite Bestreiter Humes James Beattie(Schottlaumlnder) geb[oren] 1735 1803 gest[orben]

Essay on the nature and immutability of truth in opposition toSophistry and Scepticism1 Edinb[urg] 1770 Versuch uumlberd[ie] Natur und Unveraumlnder[lichkeit] d[er] Wahrheit Ko-penh[agen] und Leipz[ig] 1772 8deg Auch in Beatties Werken17792

James3 Oswald ein schottl[aumlndischer] Geistl[icher] tritt ge-gen Hume auf besonders als Verteidiger d[er] Religion

Priestley (besonders in Theol[ogie] Physio[ologie] Phi-los[ophie] beruumlhmt) trat auf erst als Beurteiler der Gegner desSkeptikers dann dieses selbst4 tadelt bes[onders] das Prinzipdes Gemeinsinns ndash d[ie] Widerlegung d[es] Hume5 gelang ihmweniger weil er wie d[ie] schottischen Gelehrten nur d[ie]Folgesaumltze angreift den Grundsatz dagegen stehenlaumlszligt

Priestleys Briefe an einen philosophischen Zweifler in Be-ziehung auf Humersquos Gespraumlche d[as] System d[er] Natur undaumlhnliche Schriften Leipz[ig] 1782 86

1 Scepticism Skepticism Ms2 J Beattie Jakob Beattiersquos Professor der Moral und Logik in Aber-

deen neue philosophische Versuche aus dem Englischen uumlberseztmit einer Vorrede hrsg vom Herrn Professor Meiners 2 Bde Leip-zig 1779ndash1780

3 James Thomas Ms [Fehler bei W G Tennemann]4 Im Ms folgt gestr unleserlWort5 Hume Humes Ms6 J Priestley Briefe an einen philosophischen Zweifler in Beziehung

auf Humersquos Gespraumlche das System der Natur und aumlhnliche Schrif-ten Aus dem Englischen Leipzig 1782

377

10 Zu Hegels bdquoPhilosophie des Geistesldquo

(p 328-29) bdquoJe gebildeter ein M[ensch] desto weniger be-darf er d[er] unmittelb[aren]1 Anschauungldquo2 Das gilt aber dochbloszlig3 nur von besondern Anschauungen v[on] Hundskomoumldi-en Spektakelstuumlcken Kunstreitern geistl[ichen] undfuumlrstl[ichen] Festlichkeiten oder auch von besondern Naturer-scheinungen einem Wasserfall ein [hellip]4 einem RhinozerosEinmal ist genug weil nun die Bilder uns eingepraumlgt s[ind]Aber was von diesen optischen Leckerbissen gilt5 gilt das auchvon dem taumlglichen Brot d[er] Naturanschauung Genuumlgt unsdas Bild von Sonne Mond und Sternen Das Bild vom6 Blaudes Himmels und seiner im Gold der Abend- und Morgensonnestrahlenden Wolken Das Bild vom Gruumln der Wiesen undWaumllder vom Bau d[er] Berge und Taumller Ist diese Anschauungnicht eine stets uns neue so oft sie sich auch wiederholt7 nichteine unerschoumlpfliche Frische so lange wir selbst wenigstens8

noch nicht abgestumpft noch frisch und9 gesund sind D[ie]Masse10 wuumlrdigt nur das Auffallende der Anschauung derGebildete aber d[as] Gewoumlhnl[iche] Alltaumlgliche Profane []11Unbedeutende Die Naturwissensch[aft] ist nur dadurch ent-standen daszlig dem M[enschen]12 nicht mehr nur13 die Bilder14[die] er sich von der Natur gemacht genuumlgt[en]15 sondern1 [er]

1 Am Rande bdquoDie unmittelbareldquo ndash gibt es denn eine andere Anschau-

ung als die unmittelbare Auszliger der sinnlichen gibt es nur eine ein-gebildete imaginaumlre

2 Vgl G W F Hegel Encyclopaumldie der philosophischen Wissen-schaften im Grundrisse 2 Ausg Heidelberg 1827 sect 454 S 420

3 bloszlig Fehlt in BwN SW BJ4 ein [] Fehlt in BwN SW BJ5 gilt Fehlt in BwN SW BJ6 Im Ms folgt vom7 In BwN SW BJ folgt gewaumlhrt sie8 selbst wenigstens wenigstens selbst BwN SW BJ9 frisch und Fehlt in BwN SW BJ10 Die Masse Der grosse Haufe BwN SW BJ11 Profane [] Fehlt in BwN SW BJ12 Im Ms folgt sich13 nur Fehlt in BwN SW BJ14 die Bilder das Bild BwN SW BJ ndash In BwN SW BJ folgt welches15 genuumlgten genuumlgte BwN SW BJ

378

[er] s[ich] nicht oft genug2 nicht genau genug das Ding anse-hen konnte

Schmerz3

Zur Charakteristik d[er] Hegelschen Phil[osophie] gehoumlrtauch daszlig er4 Schmerz rein aus der Seele abgesehen vom Koumlr-per definiert und daher wieder an die Cartesische5 Vorstellungerinnert welche die Empfindung d[es] Houmlllenfeuers ohne Koumlr-per denkbar fand6 Wenn aber die Seele eine einfache alle ihreunterschiedenen Bestimmungen ideell setzende Identitaumlt mitsich ist so ist der Schmerz unbegreiflich Schon Hippokratessagt bdquoWenn der M[ensch] ein Eins waumlre so waumlre er schmerz-losldquo7 H[egel] setzt allerdings [den]8 Unterschied in die Einheitaber diese ist ja rein ideell den Unterschied die Beding[ung]endes Schmerzes also aufhebende ideelle []9 Ident[itaumlt] [hellip]Allerdings ist d[er] M[ensch] eine Einheit aber diese Einheitist zugleich wesentlich eine organische materielle Und10 nureine solche eben wegen dieses ungluumlcklichen Beisatzes []11

zerstoumlrbare zerreiszligbare verletzbare Einheit ist des Schmerzes12

faumlhig fuumlr eine13 Seele gibt es k[eine] Schmerzen Auch dergeistige Schmerz hat nur darin s[einen] Grund daszlig derMensch eine Einheit ist14 nur ein Resultat ist15 = harmonischzusammenwirkende verschiedene Organe Und Schmerz ent-

1 sondern dass BwN SW BJ ndash Am Rande d[ie] unmittelbare An

schauung sondern [hellip]2 genug Fehlt in BwN SW BJ3 Schmerz Fehlt in BwN SW BJ4 In BwN SW BJ folgtden5 Cartesische Descartische SW BJ6 Vgl R Descartes Meditationes de prima philosophia hellip In Opera

philosophica Amstelodami 1657ndash1658 Responsio ad sextas ob-jectiones S 186

7 Zitat nicht nachgewiesen8 So auch BwN SW BJ9 ideelle Fehlt in BwN SW BJ10 Und Aber BwN SW BJ11 Fehlt in BwN SW BJ12 Im Ms folgt gestr un-13 eine die BwN SW BJ14 Im Ms folgt gestr unleserl Wort15 ist Fehlt in BwN SW BJ

379

steht1 daher wenn ein Organ ein System ein Glied wie z Bdas Zeugungsglied2 der Magen die Gurgel die Oberherrschaftuumlber den Kopf bekommt der M[ensch] sonach uumlber dieseKnechtschaft [uumlber] s[ein] Hingerissenwerden3 SchmerzReue Scham empfindet Es gibt freilich viele Schmerzen zeu-gende Handlungen und Triebe welche nicht wie4 d[er] Ge-schlechtstrieb so bestimmte Organe so augenfaumlllig koumlrperlicheTatsachen zur Voraussetzung haben welche als[o] gleichwohlmittelbar sich auf dieselben bez[iehen] und einen5 materiellenGrund haben ohne daszlig man deswegen6 wie [Franz Joseph]Gall dem Diebstahl dem Mord7 einen besondern Mord- oderDiebssinn vorauszusetzen brauchte8 So kann der Geschlechts-trieb einen M[enschen] zum Dieb9 zum Moumlrder zum [hellip]10zum Verleumder machen wenn die[se] Handlungen die Mittelzur Befriedigung s[einer] Leidenschaft s[ind] []

Auszligereinander11 habe ich aber12 vor mir beim13 Anblickeiner Ebene ein anderes beim Anblick eines Berges und wie-der ein anderes beim Anblick eines Basaltkegels als beimAnblick eines Floumlzgebirges Und gehe ich vom14 geognosti-schen Standpunkt zu dem mineralogischen wie ganz anders istdas Auszligereinandersein des Kalkspats und des Kristalls desKiesels15 Wie kann ich also von der Natur der Materie16 den 1 Schmerz entsteht Schmerzen entstehen BwN SW BJ2 das Zeugungsglied Fehlt in BwN SW BJ3 Im Ms folgt sich4 In BwN SW BJ folgt z B5 und einen [So auch BwN SW BJ] x Ms6 deswegen deshalb BwN SW BJ7 dem Diebstahl dem Mord dem Mord dem Diebstahl BwN SW BJ8 Vgl F J Gall J C Spurzheim Anatomie et physiologie du systegraveme

nerveux en geacuteneacuteral et du cerveau en particulier Vol 2 Paris1812 Section III S 133-209 und F J Gall Anatomie et physiolo-gie du systegraveme nerveux en geacuteneacuteral et du cerveau en particulier Vol 3 Paris 1818 Section III Cap V S 199-249

9 Dieb Diebe BwN SW BJ10 Fehlt in BwN SW BJ11 Auszligereinander bdquoAussereinanderldquo BwN SW BJ12 aber Fehlt in BwN SW BJ13 Im Ms daruumlber unleserl Erg14 Im Ms folgt gestr geol[ogischen]15 Kristalls des Kiesels Kieselkrystalls BwN SW BJ16 der Materie Fehlt in BwN SW BJ

380

Begriff eines bloszligen leeren Auszligereinanderseins abstrahierenund diesen ihr als ihre Grundbestimmung aufbuumlrden Werfeich meinen Blick auch nur1 oberflaumlchlich auf die nebenste-hend[en] Pflanze[n] und Tier[e]2 so erblicke ich in diesemAuszlig[er]- und Neb[eneinander] auch ein In- und Beieinander-sein ebenso ein Ober- und Uumlbereinandersein ich sehe denKopf auf den Beinen und dem Rumpfe nicht umgekehrt Waumlreaber d[as] Auszlige[reinander] d[as] Wesen d[er] Materie3 so waumlrees eines4 ob ein Materielles auf der Basis od[er] auf dem Kop-fe der Spitze stuumlnde denn es kaumlme nur darauf an daszlig Kopfund Beine auszliger- und nebeneinander waumlren Die Form desbloszlig[en]5 Auszlig[er-] und Neb[eneinander]6 ist also ein bloszligesGebilde des menschl[ichen] Kopfes ein selbstgemachtes Ab-straktum7 welcher8 nichts Objektives9 nichts Wirklichesnichts auszliger dem Kopfe Seiendes entspricht

Aber umgekehrt werden10 spekul[ative] Philosophen ebenso11

behaupten Nihil est in sensu quod non fuerit in intellectu sect 8Einleit Encyclop12 [Nichts ist in den Sinnen was nicht vorherim Verstand war] also gilt13 allerdings von der Hegel[schen][hellip] spekul[ativen] Philos[ophie] sie sieht nichts in der Naturals was sie schon vorher in der Logik gedacht hat [Wenn]14

uumlbrigens nichts im Sinne ist was15 schon (vorher) od[er]

1 Im Ms daruumlber unleserl Erg2 Pflanzen und Tiere [So auch SW BJ] Pflanze und Tier BwN3 Materie Motive BwN SW BJ4 eines einerlei BwN SW BJ5 Fehlt in BwN SW BJ6 Auszlig[er-] und Neb[eneinander] Neben- und Auszligereinander BwN

SW BJ7 ein selbstgemachtes Abstraktum eine selbstgemachte Abstraktion

BwN SW BJ8 welcher [so auch BwN SW BJ] welches Ms9 nichts Objektives Fehlt in BwN SW BJ10 Aber umgekehrt w[erden] Wenn BwN SW BJ11 ebenso Fehlt in BwN SW BJ12 G W F Hegel Encyclopaumldie der philosophischen Wissenschaften

im Grundrisse a a O sect 8 S 1313 also gilt so gilt dies BwN SW BJ14 So auch BwN SW BJ15 was als was BwN SW BJ

381

uumlberh[aupt] im Verstande ist so ist es sehr uumlberfluumlssig vomSinnlichen anzuheben

Die Hegelsche Philosophie ist entsprungen aus der Begattungdes1 Kant-Fichte[schen] Ichs mit der absoluten Identitaumlt desId[ealen] und Real[en] Das Ich welches nicht ein Ding an sichzu s[einem] Gegensatz2 hat sond[ern] dieses Ding als sichselbst oder als ein von sich3 gesetztes weiszlig ist der Begriff derHegelsch[en] Phil[osophie]

Subjekt = Objekt4

So verschieden d[as] Subjekt so verschieden das was dasSubjekt als d[as] Wesentliche von sich bestimmt so verschie-den ist bestimmt5 auch das Objekt Die Wesen s[ind] Zahlenheiszligt die Zahl ist d[as] Wesen unangesehen d[ie] Dinge Nurdas mathemat[ische] Subjekt macht daher die Zahl z[um] We-sen der Dinge weil d[ie] Zahl sein Wesen [ist] Was ist nun dasSubjekt von d[em] Absoluten we[lche]s Hegel als das Wesender Dinge und Philos[ophie] bestimmt6

Abstrakt HegelAbstrakt nennen wir und abstrakt ist alles was von s[einem]Subjekt od[er] Gegenstand abgetrennt ist Nun soll aber derBegriff des Subjektiven abgetrennt vom Subjekt das Subjekti-ve als nicht Subjektives d[er] Begriff als an sich ja als an undfuumlr sich seiendes Wesen gedacht w[erden] Ist das nicht diehoumlchste gewalttaumltigste Abstraktion7

Der Staat ist nach d[em] Prinzip d[er] Hegelschen Phi-lo[sophie] eigentlich ei[ne] Theokratie oder wenn man dieLogik nicht vergessen will ndash8 die Hauptsache Hegels ndash Theolo-gokratie

1 der Begattung des dem BwN SW BJ2 Gegensatz Gegensatze BwN SW BJ3 sich ihm BwN SW BJ4 Fehlt in BwN SW BJ5 ist bestimmt bestimmt ist BwN SW BJ6 Was ist nun das Subjekt von dem Absoluten welches Hegel als das

Wesen der Dinge und Philosophie bestimmt Hegel BwN SW BJ7 AbstraktAbstraktion Bei BwN SW BJ an anderer Stelle8 oder wenn will ndash Fehlt in BwN SW BJ

382

11 [Fragment Bretschneider]

Herr Bretschneider Die Theologie und die RevolutionbdquoNach Hegels Philosophie ist aber Gott nichts anderes als dieIdee Gottes im menschlich[en] Bewuszligtsein Die christl[iche]Vorstellung von Gott nach welcher ein Unterschied ist zwi-schen der subjektiven Vorstellung von Gott in dem Menschenund zwischen dem objektiven Wesen und Sein Gottes w[ird]v[on] Hegel verworfen und behauptet das Denken des WesensGottes sei sein Sein Gott existiere als Idee der Vernunft Es istin dieser Philosophie wesentlich daszlig d[er] Mensch sich Gottnicht als ein Jenseits und sich selbst als ein bdquoDiesseitsldquo d hsich in s[einer] Vernunft als von Gott verschieden sonderns[eine] Vernunft s[ein] Bewuszligtsein d[er] Idee Gottes als d[as]Wesen und Sein Gottes selbst vorstelle Dies ist aber geraded[as] Gegenteil von dem Gotte des Christentums der ein Jen-seits ist mit welchem d[er] Mensch im Glauben und in derLiebe aber nicht im Denken der Idee Gottes Eins w[erden]sollldquo P 1691

1 K G Bretschneider Die Theologie und die Revolution Oder die

theologischen Richtungen unserer Zeit in ihrem Einflusse auf denpolitischen und sittlichen Zustand der Voumllker Leipzig 1835 S 169-170

383

I Vorlesungen uumlber die Geschichte der neueren Philoso-phie [Erlangen 183536]

I Vorlesung [Vorbemerkung] 3II Vorles[ung] [Der Geist der neuern Zeit] 15III Vorlesung [Pantheistischer Sinn Geist und Materie]

25IV Vorl[esung] [Boumlhme Der Pantheismus in Italien] 37V [Vorlesung] [Telesius Campanella Bruno] 46VI Vorlesung [Bruno Descartes] 62VII Vorles[ung] [Descartes] 73VIII Vorlesung [Descartes] 84IX Vorles[ung] [Malebranche Geulincx] 93X [Vorlesung] [Descartes Spinoza] 104XI Vorles[ung] [Spinoza Leibniz] 114[XII Vorlesung] [Leibniz] 125XIV Vorlesung [Leibniz Kant] 143XV [Vorlesung] [Kant] 154XVI Vorles[ung] [Fichte Jacobi] 164XVII Vorles[ung] [Schelling] 179XVIII [Vorlesung] [Schelling Hegel] 188[XIX Vorlesung] [Hegel] 203XX Vorlesung [Hegel] 213[Zur I Vorlesung ndash Begeisterte Anschauung] 227[Zur III Vorlesung ndash Das Wesen der Materie] 229[Zum Ende der III Vorlesung] Hobbesrsquo Logik 231[Zur IV Vorlesung ndash Die Renaissance] 234[Zur VndashVI Vorlesung ndash Bruno Cardanus] 238[Zur V Vorlesung ndash Cardanus Paracelsus] 241[Zur V Vorlesung ndash Bruno Campanella ndash Monismus]

256[Zur V Vorlesung ndash Bruno ndash Vom Unendlichen] 258[Zur IX Vorlesung ndash Pascal ndash Aus seinem Leben] 261[Zur X Vorlesung ndash Spinoza ndash Gott und Natur] 266[Zur X Vorlesung ndash Zur Kritik des Pantheismus] 276[Zur XI Vorlesung ndash Jacobi zu Spinoza] 279[Zur XI Vorlesung ndash Mechanismus] 285[Zur XndashXI Vorlesung ndash Exzerpte aus Jacobi] 286[Zur XIndashXIV Vorlesung ndash Vernunft und Glaube] 298[Zur XIV Vorlesung ndash Kant Erkenntnistheorie Logik]

304

384

[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Ich und Nicht-Ich] 310[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Wahrheit des Ideals] 317[Zur XVIII Vorlesung ndash Differenzen Hegel und

Schelling]319[Die Kanzel-Moralisten] 324

II Studien Kritiken und Aphorismen

1 Eintrag in das Poesiealbum eines Ansbacher Freundes327

2 Excerpten aus Herders Briefe das Studium derTheologie betreffend anno 1823 im Winter 328

3 An meine erste Geliebte 3304 Das Ens der Neuplatoniker 3315 Identitaumlt und Unterschied 3346 Gedanken 183435 3367 Einleitung in die Geschichte der neuern Philosophie

3418 Zur Hegelschen Geschichte der Philosophie 3669 Neue Philos[ophie] Frankr[eichs] und Engl[ands] 37010 Zu Hegels bdquoPhilosophie des Geistesldquo 37711 [Fragment Bretschneider]382

Page 2: I. Vorlesungen über die Geschichte der neueren Philosophie ... - Ludwig-Feuerbach · 2015. 8. 5. · 5 deutung der Philosophie selbst lesen und daher mit der En t-wicklung der1 Begriffe

2

3

I Vorlesung [Vorbemerkung]1

1 Keine Wissenschaft hat daher solche Hindernisse zu be-kaumlmpfen wie die Philosophie um sich unter den Menscheneine Existenz zu verschaffen Vorurteile und Miszligverstaumlndnissealler Art stehen ihr im Wege Und2 nicht nur ihr Wert selbst ihrSein wird von vielen in Zweifel gezogen Sie gilt ihnen fuumlrkeine wirkliche Wissenschaft sondern nur fuumlr das Suchen einerWissenschaft die aber bis jetzt noch nicht gefunden sei viel-leicht auch nie gefunden werden koumlnne3 Waumlhrend die uumlbrigenWissenschaften ruhig und unangefochten im Besitze ihrer vonden Vaumltern uumlberlieferten Guumlter leben und deswegen belobtwerden daszlig4 [sie] sich friedlich im Lande5 naumlhren und dasAnsehn nuumltzlicher und brauchbarer aufrichtiger Buumlrger genie-szligen6 steht die Philosophie ndash weil7 ihr Gebiet8 nicht wie das deruumlbrigen Wiss[enschaften] ein beschraumlnktes9 sondern ein un- 1 So auch A ndash Am Rande r o Datierung 183536 von fremder Hand2 Und Ja Korr im Ms3 Am Rande Es sind uumlbrigens diese Urteile und Geruumlchte die uumlber

die Philosophie im Umlauf sind [wie gesagt Korr im Ms] eine Fol-ge ihres eigentuumlml[ichen] Wesens Die Philos[ophie] begreift aussich selbst diese Miszligverstaumlndnisse ohne daher daruumlber zu erzuumlrnensie sieht ein daszlig sie denen die sie nicht persoumlnlich kennen so er-scheinen muszlig als sie ihnen erscheint Um sich von der Realitaumlt ei-ner andern Wissenschaft zu uumlberzeugen dazu gehoumlrt keine besonde-re Kenntnis derselben Mag man auch von ihrem Werte denken wasman will man traumlgt wenigstens keine Bedenken ihr Realitaumlt zuzu-schreiben sollte man diese auch noch so sehr beschraumlnken

Aber die Realitaumlt der Philosophie einzusehen das ist selbst schonPhilosophie Die uumlbrigen Wissensch[aften] weil sie [weil sie Im Msgestr] einen [hellip] mehr oder weniger sinnlich anschaubaren 2 Stoffzu ihrer Basis haben haben [haben tragen Korr im Ms] die Zei-chen ihrer Bedeutung auch dem gemeinen Mann erkennbar aber diePhilosophie gleicht einem im Stillen wirkenden Privatmann daszlig eretwas ist und was er ist sein[en] Einfluszlig aufs Leben s[eine] Be-deutung erkennt nur der der in naumlherem Umgang mit ihm lebt

4 Im Ms folgt gestr es5 Im Ms folgt gestr lehr[en]6 genieszligen stehen Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr was uumlbrigens eine notwendige Folge ihres We-

sens ist denn8 Im Ms folgt gestr ist9 beschraumlnktes bestimmtes Korr im Ms

4

endliches ist sie keinen fixen Aufenthaltsort hat1 sie ist nichtglebae adscripta [der Scholle verhaftet] ndash bei Unzaumlhligen imRufe eines unbestaumlndigen und exzentrischen Kopfes der sichin die nun einmal notwendigen Schranken des Lebens nichtfuumlgen ganz unabhaumlngig nach seinem eignen Kopfe nur lebenund spekulieren2 wolle aber eben deswegen es auch zu nichtsbringe und in Wahrheit auch zu nichts Reellem zu gebrauchensei

Bei keiner Wissenschaft dringt sich daher auch ihrem Lehrerso sehr wie bei dieser das Beduumlrfnis auf selbst namentlichwenn er nur einen Teil derselben vortraumlgt allgemeine abweh-rende Bemerkungen erst vorauszuschicken um die Wahrheitvon der Meinung gereinigt herauszustellen um durch die Ne-gation des Unrichtigen und Verkehrten sich erst die Bahn zurpositiven Bestimmung zu bahnen Bei keinem Teile der Philo-sophie etwa die eigentliche Metaphysik ausgenommen ob-wohl alle auch die konkreteren Teile der Philos[ophie] immerMetaphysik bleiben ist aber selbst wieder dieses Beduumlrfnisdringender als bei der Geschichte der Philosophie namentlichaber bei der neuern Zeit denn wer hat wohl noch nie den treff-lichen Schluszlig gehoumlrt3 mit der Philos[ophie] kann es offenbar4

nichts sein5 Einer vernichtet in ihr den andern Sp[inoza] wi-derlegte den Cartes[ius] Leibniz der6 Kant den Kant Fichtedann kam Schelling der zeigte daszlig Fichte nichts [ist] hieraufHegel und kaum ist der bekannt [ge]worden 2 so tragen auchschon die juumlngern Philosophen diesen hinaus auf den KirchhofIndem nun diese Vorles[ungen] bestimmt sind von den we-sentlichen spekulativen7 Systemen der neuern Zeit eine ihrVerstaumlndnis erleichternde kurze Uumlbersicht zu geben so koumln-nen wir uns nicht enthalten erst einige kurze einleitende Vor-bemerkungen uumlber die Bedeutung der Philosophie vorauszu-schicken um so mehr als wir die Geschichte der Philosophienicht in der Bedeutung einer Geschichte8 sondern in der Be-

1 sie hat sie hat keinen Aufenthaltsort Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr wolle3 den gehoumlrt reden houmlren was kann wohl Korr im Ms4 offenbar affreux [schrecklich] A5 kann sein fuumlr ein Bewandtnis haben Korr im Ms6 der den Ms A7 Im Ms folgt gestr Philosophien8 Im Ms folgt gestr von Vergangenem

5

deutung der Philosophie selbst lesen und daher mit der Ent-wicklung der1 Begriffe dieser Systeme einen kurzen Inbegriffund Begriff von der Philosophie selbst zu geben beabsichti-gen2 Eins der allergewoumlhnlichsten und trivialsten Vorurteile ndashein Vorurteil welches mit dieser Bedeutung der Geschichte derPhilos[ophie]3 die ihr vorgegeben wird im schreiendstenKontrast gegenuumlbersteht ndash ist es die philo[sophischen] Syste-me als Meinungen als subjektive Anschauungen zu betrachtendie eigentlich nur so lange Geltung und Bedeutung haben alsbis ein anderer kommt der seine Vorfahren widerlegt und eineneue Ansicht aufstellt daher nur ein historisches aber keinwahrhaft gegenwaumlrtiges und lebendiges Interesse mehr habenAllein eben diese Ansicht von der Philosophie ist eine reinsubjektive Die Philosophie ist eine Notwendigkeit sie ist Be-stimmung des Menschen wenn auch nicht geradezu und un-mittelbar aller Menschen Der Mensch muszlig philosophieren ermag wollen oder nicht hierin ist er nicht frei Der Trieb zumDenken ist unwiderstehlich Diese Notwendigkeit erscheint imMenschen als Liebe Neigung Anlage Talent als Genie Denndas wozu der Mensch wahrhafte Anlage und Trieb hat daskann er nicht tun oder unterlassen indem das was Talent inihm ist seine urspruumlngliche innerste eigene Natur ist Die gro-szligen die wahrhaften Philosophen die selbstaumlndige Systeme ausdem Schacht ihres Innern hervorzogen waren also nicht durchihre Willkuumlr und Wahl Philosophen sie konnten nichts andressein als was sie waren sie philosophierten weil sie philoso-phieren muszligten Die Erfahrung lehrt daher daszlig schon in derfruumlhsten Jugendzeit bei den meisten so oder so die Neigungund das Talent die innere Noumltigung zur Spekulation sich of-fenbarte kurz daszlig sie sich so aumluszligerte daszlig mit der Zeit nichtsandres als Philos[ophen] sich aus ihnen entwickeln konntenDa nun aber die Philosophie wie nicht zu leugnen ist ausinnerer Notwendigkeit entspringt so hat sie keinen subjekti-ven sondern einen in einer houmlhern das Subjekt selbst 3 be-herrschenden Macht l[iegenden] Ursprung Was aber keinensubjektiven Ursprung hat das kann auch nicht eine subjektiveBedeutung haben Was ist nun aber diese Macht die den Men- 1 der dieser Korr im Ms2 selbst hellip beabsichtigen geben wollen Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr stehen ganz entgegengesetzte Ansichten von

d[er] Phi[losophie] gegenuumlber indem man

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schen zum Philosophieren antreibt Sie muszlig mit der Taumltigkeitzu der sie ihn antreibt verwandt oder identisch sein es gehoumlrtzu ihrer eigentuumlmlichen Beschaffenheit oder Natur diesenTrieb und keinen andern zu erwecken Diese Macht die denMenschen zum Philosophieren treibt und bewegt kann daherkeine andere sein als die Philosophie selbst wie die Macht dieden Kuumlnstler erfuumlllt und treibt keine andere ist und sein kannals die Kunst Aber ndash kann man entgegnen ndash wie kann das wasder Kuumlnstler der Philosoph ja erst erzeugen soll die Kunst diePhilosophie das Hervorbringende der Kunst der Philosophiesein Da erzeugt sich ja die Kunst die Philosophie selbst Wieist das moumlglich Waumlre das nicht ein unvernuumlnftiger Wider-spruch Allerdings ist es nicht nur moumlglich sondern es ist auchin der Tat und Wirklichkeit so und nicht anders Der Trieb desMenschen zur Kunst ist selbst schon Kunst der Trieb zur Phi-losophie selbst schon Philosophie oder Wirkung der Philoso-phie Aus einem leeren bloszligen Vermoumlgen oder Triebe wirdnichts produziert Dem Kuumlnstler ist die Kunst dem Philoso-phen die Philosophie vorausgesetzt Jener produziert einzelneKunstwerke von dieser oder jener Art dieser ein System vondieser oder jener Art aber die Gattung selbst um diesen Ter-minus anzuwenden die Kunst die Philosophie ist ihnen beidenvorausgesetzt sie koumlnnen nur unter dieser Voraussetzung etwastun und der Kuumlnstler der Philosoph produziert nicht als derMensch uumlberhaupt der er auszliger dieser seiner Beschaffenheitund Bestimmung naumlmlich der des Philosophen ist gleichandern Menschen oder als dieses einzelne Individuum oderSubjekt er produziert nur als Philosoph d i als [ein] von derPhilosophie erfuumllltes beseeltes und begeistertes IndividuumDas Produzierende in ihm ist also die Philosophie der Wahr-heit nach die Sache betrachtet Denn er fuumlr sich selber ist nichtsund vermag nichts Sein Vermoumlgen seine Kraft ist nur dieBegeisterung nur im Zustande der Begeisterung kann derMensch produzieren woher hat er aber die Begeisterung 4woraus entspringt sie Wofuumlr ich begeistert bin daher kommtauch die Begeisterung Also aus der Philosophie entspringt sieUnd was ist die Begeisterung selbst Nichts andres als derZustand oder die Kraft der Sache wo der Mensch von derSache oder Idee fuumlr die er begeistert ist so ergriffen und1 mitfortgerissen wird so seiner selbst beraubt so auszliger sich selbst 1 Im Ms folgt gestr mit sich

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in die Idee versetzt wird daszlig diese aus ihm selbst spricht da-her es1 nicht zu verwundern ist daszlig die Menschen in Zustaumln-den der houmlchsten und wahrsten Begeisterung auf andere eineungewoumlhnliche sie bis ins Tiefste erschuumltternde ihre Selbstaumln-digkeit vernichtende Gewalt ausuumlben eben weil sie in diesenMomenten nicht eine persoumlnliche sondern eine2 allgemeineMacht die Macht der Idee und Wahrheit selber sind weil indiesen Momenten das was sonst der Mensch bezweifelt dieMacht des Unpersoumlnlichen der Idee als eine persoumlnlichewirkliche Existenz ja als eine Macht uumlber der Persoumlnlichkeitihnen lebendig vor die Augen tritt und in die Ohren donnertDas Produzierende in dem Kuumlnstler dem Philosophen ist daherdie Kunst die Philosophie denn er begeistert sich nicht selbstwas ein Unsinn ist sondern sie ihn ndash So sehr dieser Gedankeden gewoumlhnlichen Vorstellungen widerspricht so sehr laumlszligt ersich doch durch die alltaumlglichsten psychologischen Tatsachenaus dem Leben des geistigen Menschen aus dem Leben groszligerDenker und Dichter beweisen3 Es sind nur die hohen Festtageim Leben wo der Mensch Vortreffliches produziert es sindnur die gluumlcklichen oder vielmehr seligen Tage Stunden oderAugenblicke wo er alle persoumlnlichen Angelegenheiten besei-tigt hat wo er ledig ist aller subjektiven ihn an sein individu-elles eingeschraumlnktes Dasein erinnernden Beschwerungen vonInnen oder4 Auszligen wo keine Sorge keine Leidenschaft ihnzerstreut wo seine Seele so lauter so klar und fleckenlos istals der wolkenlose Himmel Aber warum sind es nur die hohenFesttage im Leben wo der Mensch produzieren kann Warumkann er es nicht an jedem gemeinen Werktage Warum nicht injeder Stimmung Warum gehoumlren dazu besondere guumlnstigeBedingungen Nur darum weil der Mensch der produziert diesich selbst produzierende Idee ist und die Idee nur da wirkenund schaffen Mensch gleichsam werden kann wo der Mensch

1 Im Ms folgt gestr kommt2 eine die Korr im Ms3 Es sind nur in uns abhaumlngen In BwN 1 Bd S 317 SW BJ 4

Bd S 387-388 ndash entsprechender Hinweis im Ms am Rande vonfremder Hand bdquoabgedruckt SW 4 387ldquo ndash unter bdquoDie Macht derIdeeldquo mitgeteilter Abschnitt aus den Erlanger Vorlesungen Hin-weis fehlt in A

4 oder [so auch A] und BwN SW BJ

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ihr Platz gemacht1 wo er sich alles aus dem Kopfe geschlagenhat was ihr 5 im Wege stehen und ihr den Durchgang sozu-sagen2 durch ihn erschweren koumlnnte Waumlren die geistigenWerke des Menschen ndash es ist natuumlrlich nur3 hier von den gro-szligen unsterblichen Geisteswerken die Rede ndash wirklich nursubjektiven Ursprungs ach wie bestialisch-gluumlcklich waumlrendann die Menschen In welchem leichten ununterbrochenenFlusse ging4 dann die geistige Produktion vonstatten welchenSchmerzen welchen Opfern5 waumlre der Denker wie der Kuumlnstleruumlberhoben Denn Subjekte sind wir immer und6 sie hingehoumlchstens7 bloszlig von unserm Willen unserm Fleiszlige ab Aberwie wir in materieller Hinsicht keine Nuumlrnberger Dukatenma-cher sind sondern sauer der Erde ihr Metall abgewinnen muumls-sen abhaumlngig8 von einer fremden Macht auszliger uns so sind wirauch im Geistigen keine Dukatenmacher nur daszlig wir9 hier voneiner Macht in uns abhaumlngen

Gegen die hier aufgestellte Theorie lieszlige sich einwendenwenn die Kunst die doch offenbar das Vollkommne ist dasProduzierende ist wie kommt es denn daszlig es eines so muumlhse-ligen Arbeitens und Fortschreitens bedarf bis man vom Un-vollkommnen zum Vollkommneren kommt wie wir z B beiden Griechen die Bilderhauerkunst von den plumpsten unbe-holfensten rohsten Kloumltzen erst allmaumlhlich nach vielfaumlltigenVersuchen und Arbeiten bis zu den Goumlttergestalten eines Phi-dias sich anstrengungsvoll emporringen sehen Eben daherkommt es weil der Mensch sich erst abarbeiten durchbildenreinigen von allen Schlacken befreien alle subjektiven Hin-dernisse Unbehuumllflichkeiten Haumlrten und Ecken an sich ab-streifen muszlig ehe er tuumlchtig und faumlhig wird das durchsichtigeOrgan der Idee zu werden gleichwie der Schriftsteller wenn erauch noch nicht in der erforderlich[en] Stimmung sich befin-det d h in dem subjektiven Zustande der zur geistigen Pro- 1 Im Ms folgt gestr hat2 so zu sagen [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ3 nur [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ4 ging gingen Korr im Ms5 welchen Opfern [so auch A] welcher welcher Opfer BwN

SW BJ6 Im Ms folgt gestr wie jede aumluszligerliche Arbeit7 houmlchstens [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ8 abhaumlngig [so auch A] abhaumlngen BwN SW BJ9 Im Ms folgt gestr haumlngen

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duktion gehoumlrt die Feder ergreifen muszlig um nur wacker draufzu schreiben wenn er auch spaumlter wieder ausstreicht um end-lich in die Sache hineinzukommen und von ihr ergriffen undbemeistert zu werden Aber auch in den unvollkommenstenAnfaumlngen der Kunst ist doch die Kunst selbst schon wirksamaber nur soweit als sie es nach dem Grade der Bildung Emp-faumlnglichkeit und Geschicklichkeit der Individuen sein kann sodaszlig also diese geschichtliche Tatsache keineswegs eine Instanzgegen die ausgesprochene Idee ist

Der Satz uumlbrigens bdquodie Idee produziert sich selberldquo hateinen dem Verstand widersprechenden Sinn wenn er so un-mittelbar wenigstens genommen w[ird] als er hier ausgespro-chen w[urde] 6 denn kann man sagen die Idee ist hier ein-mal als Subjekt naumlmlich vorausgesetzt als seiend denn nurwas ist kann produzieren das andremal als Objekt in dembdquosich selbstldquo als nicht seiend denn nur was nicht ist brauchtproduziert zu werden Aber das Produzieren bewegt sich nichtinnerhalb des Gegensatzes von Sein und Nichtsein sondern nurinnerhalb des Gegensatzes zwischen verschiedenen Arten desSeins im Produzieren handelt es sich nur um den Gegensatzvon Sein in sich und Dasein oder Sein fuumlr Andres bestimmtesSein Die Idee produziert sich heiszligt also nichts andres als siebestimmt sich oder sie macht sich zu einer bestimmten wirkli-chen Idee verwandelt ihr Insichsein in Dasein vermenschlichtvergegenwaumlrtigt veranschaulicht sich Schieben wir hier1 daherden Menschen zwischen ein zwischen die sich selbst produzie-rende Idee als ihr Verwirklichungsmittel oder Organ so ergibtsich in betreff unsers Themas2 das Resultat3 der Philosophproduziert nicht aus sich selbst als leerem sondern aus sich alsvon der Philosophie begeistertem Subjekte d h4 aus der Phi-losophie selbst und zwar da diese nicht eine bestimmte ist einSystem denn dieses bringt er ja erst hervor aus der mit derWahrheit selbst identischen ewigen goumlttlichen Philosophiealso aus der unendlichen unerschoumlpflichen Idee der Philoso-phie sein System ndash oder ndash dieses bdquooderldquo bedarf keiner Recht-fertigung ndash die an sich unbestimmte Idee realisiert sich ver-

1 hier wir A2 unsers Themas unseres Thuns A3 ergibt Resultat bestimmt sich das Gesagte dahin Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr ohne Medium im reinen Lichte betrachtet

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mittelst eines bestimmten Individuums als ihres Organs zueiner bestimmten Idee1

Die philosophischen Systeme sind aber nicht nur ihrem Ur-sprunge sie sind auch ihrem Inhalte nach notwendig Die Phi-losophen muszligten nicht nur philosophieren sie muszligten auch sophilosophieren als sie philosophierten Und diese Notwendig-keit ist selbst wieder eine doppelte obwohl an sich ungetrenn-te eine innere und aumluszligere Eine bestimmte Idee2 tritt naumlmlichnur zu einer bestimmten Zeit in die Welt Insofern hat ein3

System in einer aumluszligern Notwendigkeit seinen Grund es wardurch den Grad der Bildung die Art des Denkens die allge-meine Weise des Lebens oder bereits durch ein andres schonvorhandnes System der Philosoph[ie] notwendig auf denStandpunkt seiner Philosophie gefuumlhrt worden Aber dieseaumluszligere Notwendigkeit hat selbst wieder zu ihrer Bedingungund Voraussetzung eine houmlhere eine innere Notwendigkeitinsofern als eben die ewige Idee selbst als diese bestimmteIdee als welche sie 7 sich in einer gewissen Zeit aussprichtnur in dieser und keiner andern Zeit sich so aussprechen konn-te insofern also als diese aumluszligere Notwendigkeit es ist die denMenschen veranlaszligte4 und noumltigte die Wahrheit in einer an-dern oder wenigstens noch nicht so bekannten Bestimmtheitauszusprechen und sie daher ndash diese aumluszligere Notwendigkeitnaumlmlich ndash das Vehikel ist fuumlr die Offenbarung der Idee

Zur Erlaumluterung und Entwicklung dieser Idee ist es noumltig5einen houmlchst wichtigen weit um sich eingreifenden in allen6

Wissenschaften einfluszligreichen Punkt zu beruumlhren7 ndash den Un-terschied zwischen Apriorischem und Aposteriorischem zwi-schen Vernunft und Erfahrung positivem Recht und Natur-recht positiver Relig[ion] und natuumlrlicher Religion Fangen8

wir bei diesem letztern Gegensatz an Man hat der natuumlrlichenoder sogen[annten] Vernunftreligion vorgeworfen daszlig sie vielzu negativ zu abstrakt und unbestimmt sei als daszlig sie sich

1 Im Ms folgt gestr Die philos2 Idee Zeit Korr im Ms3 ein das Korr im Ms4 veranlaszligte trieb Korr im Ms5 Zur noumltig Und hiemit kommen wir zu sprechen auf Korr im Ms6 in allen fuumlr alle Korr im Ms7 Punkt beruumlhren Unterschied Korr im Ms8 Fangen Bleiben Korr im Ms

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eigne fuumlr das Leben daszlig sie das religioumlse Beduumlrfnis nicht be-friedigen koumlnne man hat ferner mit einer gewissen Schaden-freude der Vernunft vorgehalten daszlig sie wenn sie auch dieLehren der positiven Religion begreifen koumlnne sie doch nieaus sich haumltte erzeugen [koumlnnen] oder auf sie gekommen waumlre1

Der Gegensatz so ausgesprochen ist ganz ungeschickt aufge-faszligt Die Kraft das Vermoumlgen der Vernunft kommt hierbei garnicht in Betracht Es reduziert sich der Gegensatz nur daraufdaszlig der Mensch zu einer Zeit nicht kann und vermag was er zueiner andern Zeit wohl vermochte weil diese Zeit eine andereist als jene war und eine bestimmte Idee Wahrheit Anschau-ung nur zu einer bestimmten fuumlr diese Realisation geschicktenZeit sich vermittelst des Menschen verwirklicht gleichwie derMensch als Individu[um] nicht gleichguumlltig in jeden Momen-ten sondern in besondern Momenten der Not des Drangs derAufforderung von auszligen der geistigen Aufregung und Exalta-tion zeigt was er ist und vermag sein Wesen offenbart Als dasChristentum in die Welt trat war eine Zeit wie sie wohl sonstnie mehr war Die alten Religionen und Staaten waren im Un-tergange begriffen der in groszligen Taten wie in Kunst und Wis-senschaft sich entfaltende produktive Geist der Griechen undRoumlmer war dahin2 die Pietaumlt des Familienbandes des Natio-nalinteresses kurz alles was sonst die Menschheit belebtebekraumlftigte und was sie sonst3 an die Erde als der guumltigen undgeliebten Mutter alles Lebens band 8 ging zugrunde DieMenschheit war vor lauter Genuszlig uumlbersaumlttigt und uumlberdruumlssigdes Lebens und eben in diesem Ekel in dieser Leere uumlbergabsie sich zum Hohne ihrer und der sie nicht mehr befriedigenkoumlnnenden Natur den raffiniertesten Kuumlnsten und Sophismender Wollust Die Menschheit war damals in jener Periode undStimmung des Dr Faust wo er sagte bdquoDem Taumel weihrsquo ichmich [dem schmerzlichsten Genuszlig] verliebtem Haszlig erquik-kendem Verdruszligldquo4 Es war eine Zeit der Desperation der haumlr-

1 Im Ms folgt gestr daszlig sie also schlechterdings geoffenbart sein

muumlszligten Uumlber der Zeile vom Himmel herab2 dahin verschwunden Korr im Ms3 und sonst kurz Korr im Ms4 J W v Goethe Faust Eine Tragoumldie neue Aufl Stuttgart ndash Tuuml-

bingen 1825 S 110 ndash Im Ms irrtuumlmlich bdquo hellip verzweifeltem Ge-nuszligldquo Vgl auch GW 8 S 166

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testen geistigen und politischen Miszligverhaumlltnisse1 des tiefsteninnern Ungluumlcks und Elends Aber diese Not war die Staumltte inwelcher allein der Heiland der Welt geboren werden konnteDieser Heiland war die Religion Was sonst die Erde demMenschen heiligte war verschwunden er hatte nichts mehr aufihr er nahm also seine Zuflucht in den Himmel der ReligionDie Religion ging daher damals aus einem wahren ebenso tiefsubjektiv als objektiv begruumlndeten Beduumlrfnis hervor Der reli-gioumlse Sinn hat sich hier daher fuumlr alle Zeiten verewigt nirgendssich so klassisch so zu sagen so rein kraumlftig original2 soidentisch mit dem Wesen der Religion in Wort und Tat ausge-sprochen als hier eben weil hier der Mensch kein anderesInteresse neben der Religion hatte weil nur sie fuumlr den etwasja alles alles andre nichts war und jene Zeit eben durch sichselbst bestimmt das eigentuumlmliche Wesen der Relig[ion]3 wassie ist und was sie vermag durch kein fremdartiges Interesseverfaumllscht oder getruumlbt zu offenbaren Man hat daher insofernrecht wenn man der natuumlrlichen Religion d h dem was einMensch der neuern Zeit nach seinen Beduumlrfnissen fuumlr das We-sentliche d[er] Relig[ion] halten mag4 [entgegenhaumllt] daszlig sienicht die Forderungen erfuumlllen koumlnne die der Geist und dieLehre in der positiven Relig[ion] namentlich in den religioumlsenUrkunden jener Zeit in so reichem Maszlige erfuumllle man hat Rechtgehabt [das] zu sagen Allein darin5 hat man Unrecht daszlig mandies nur fuumlr ein partikulares spezifisches Merkmal der positi-ven Religion haumllt Es gilt dies mehr oder minder von jedemklassischen Ausdruck der Idee in dem Verlauf der Weltge-schichte und daszlig der Mensch fuumlr sich selbst d h unabhaumlngigvon der Geschichte lediglich nur seinen allgemeinen natuumlrli-chen Anlagen und Beduumlrfnissen [nach] nicht haumltte daraufkommen koumlnnen und daszlig sie nicht Beruhigung und Befriedi-gung zu gewaumlhren im Stande sei Wenn aber jene Zeit be-stimmt war das Wesen der Relig[ion] auszusprechen so hattedie roumlmische Welt die Bestimmung den Begriff des Rechts inseiner ganzen Strenge und Schaumlrfe zu erfassen zu bestimmen

1 geistigen Miszligverhaumlltnisse [] Not Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort3 Im Ms folgt gestr und4 halten mag hielt die Urkunden jener Zeit und den Geist der aus

ihnen spricht Korr im Ms5 darin dies gilt nicht Korr im Ms

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und auszubilden die griechische Welt das Wesen der Kunst zuoffenbaren Die Werke namentlich der griech[ischen] Plastiks[ind] nach dem Urteil der tiefsten Sachkenner durch die neue-re Kunst nicht erreicht und wenn sie erreicht werden solltenoder wirklich schon erreicht sind so hat man dies nur durchdas Studium und die Anschauung der Antike erreichen koumlnnenAuf diese obwohl sie nur fuumlr Menschenwerke gelten koumlnnenwir auch nicht durch und aus uns selbst kommen Toumlricht ist esdaher eine falsche oberflaumlchliche Auslegung der Erscheinungwenn man dies Nichterreichenkoumlnnen eines positiven Zustandses sei in der Sphaumlre des Rechts oder der Philos[ophie] fuumlr eineGrenze und Beschraumlnktheit der Vernunft ausgibt Die Vernunftist nichts als die Selbstbestaumltigung der ewigen unendlichenIdee sei es nun der Kunst oder Religion oder Philosophie aberdiese Betaumltigung 9 ist immer die Betaumltigung der Idee in einerbesondern Bestimmung und daher auch in einer besondern Zeitdenn eben nach den besondern Bestimmungen die von derIdee1 sukzessiv ins Bewuszligtsein der Menschheit treten unter-scheiden wir die Perioden und Epochen der Geschichte DieserTadel der Vernunft ist gerade so laumlcherlich wie wenn einer derdie Werke eines Philosophen der in der Geschichte Epochegemacht hat studiert hat zu einem der ohne Buumlcherkenntnisoder wenigstens ohne Kenntnisse dieses Philosophen sozusa-gen auf eigne Faust spekuliert hintraumlte und ihn fragte sage mireinmal wie heiszligen die Werke dieses Philosophen was hat ergeschrieben was ist der Inhalt seiner Lehre und darin eineSchwaumlche seiner Vernunft finden wollte daszlig er nicht vonselbst darauf gekommen und wenn er auch vielleicht im All-gemeinen denselben Inhalt gefunden haumltte doch nicht so be-stimmt so spezifisch so vorzuumlglich ihn ausgesprochen habewie dieser die Idee in ihrer Selbstbetaumltigungskraft die Vernunftsagt nicht zum zweitenmale2 was sie einmal so trefflich ausge-sprochen hat als es nur immer gesagt werden kann in ihremLexikon kommen lauter ἅπαξ λεγόμενα [einmal Gesagte] vorDas Historische kann nur auf historische Weise erkannt wer-den Es waumlre gerade die tiefste Schmach der Vernunft wennder Mensch in dem Sinne wie man es gewoumlhnlich versteht apriori eine Geschichte konstruieren koumlnnte Eine solche Repe-tition raubte der Geschichte wie der Vernunft allen Wert 1 Idee Zeit Korr im Ms2 sagt zweitenmale predigt nicht zweimal Korr im Ms

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Die philosophischen Systeme sind1 also besondere Bestim-mungen der absoluten und unendlichen Idee der Idee derWahrheit sie sind bestimmte Wahrheiten oder wahre Erkennt-nisse die als bestimmte nur zu einer bestimmten besondernZeit vermittelst bestimmter Individuen die den ihrem Inhaltgemaumlszligen Charakter und Geist haben ausgesprochen werdenkoumlnnen Sie sind deswegen notwendig und zwar ebensowohlan und fuumlr sich innerlich notwendig insofern2 sie in der Ideeder Wahrheit selbst begruumlndet und Weisen sind wie die Wahr-heit nicht nur gefaszligt werden kann sondern weil sie so gefaszligtwerden kann auch einmal so gefaszligt werden muszlig als auchaumluszligerlich oder geschichtlich notwendig als die Systeme selbstuntereinander selbst in einem notwendigen uumlber subjektiveWillkuumlr erhabnen Zusammenhang stehen eben weil sie dieabsolute Idee zu ihrem gemeinschaftlichen Ursprung undGrund hatten Und eben deswegen ist auch obwohl d[ie] Phi-losophie im Stillen steht 10 die Geschichte der Philosophieselbst Philosophie ndash eine Bedeutung in welcher wie am An-fang gesagt wurde die Geschichte der neuern Philosophie indiesen Vorlesungen vorgetragen werden soll

1 Die sind Dasselbe gilt nun von den philosophischen Systemen

Sie Korr im Ms2 insofern als Korr im Ms

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II Vorles[ung]1 [Der Geist der neuern Zeit]2

Der Inhalt der gestrigen Vorles[ung] war kurz noch einmalzus[ammen]gefaszligt dieser Die Philosophie ist eine Notwendig-keit Die Erscheinung dieser Notwendigkeit im Subjekte ist derunwiderstehliche Trieb zum Philosophieren Der Trieb setzteine vom Subjekte unterschiedne Macht voraus ein Etwas dasder Trieb des Triebes ist Ein leerer Trieb fuumlr sich erzeugtnichts Die Beschaffenheit des Triebes muszlig der Beschaffenheitder Natur dieses treibenden Etwas adaumlquat sein Die Macht desTriebes zum Philosophieren ist daher die Philosophie abernicht eine bestimmte Philosophie nicht ein System denn umdie Hervorbringung einer bestimmten Philosophie handelt essich ja erst sondern die Philosophie in ihrer Idee oder die Ideeder Philosophie ndash Die Erklaumlrung des Wortes Idee wurde wievieles andre auf der Seite liegen gelassen Hier nur so viel WerIdee im Sinn faszligt derer die nicht in die philosophische Sprech-und Denkweise eingeweiht sind wird sich wundern die Ideeals die treibende urspruumlngl[iche] Macht [bezeichnet zu sehen]da sie eben ein3 Produkt der Philosophie des Denkens desMensch[en] erst sei Aber das ist eben die falsche Ansicht derIdee Das Denken des Menschen setzt die Idee voraus keinDenken ohne Idee der Gedanke ist selbst erst Produkt DieIdee ist das Wesen der Dinge oder das Wesen schlechtweg oderdas goumlttliche Wesen wie es Objekt des Denkens [ist] der Aus-druck fuumlr Gott im Denken ist bei den Philosoph[en] die Ideedasselbe Wesen das uns auf dem praktischen Standpunkt aufdem Standpunkt des Lebens und des persoumlnlichen Verhaltensals ein4 Wesen oder in der eigentlichen Bedeutung des Wesensgegenuumlbertritt dasselbe wird5 auf dem Standpunkt der Speku-lation als Objekt des Gedankens in der Bedeutung und in derGestalt und unter dem Namen bdquoIdeeldquo Gegenstand Die Idee derPhilosophie ist also das Wesen der Philosophie aber diesesWesen ist kein abgezognes Abstraktum sondern ist die als diegoumlttliche Intelligenz existierende Wahrheit wie sie durch dasDenken und im Denken fuumlr den Menschen Gegenstand seines 1 Im Ms kein Absatz2 So auch A3 ein [so auch A] eine Ms4 Im Ms folgt gestr besonderes5 wird tritt Korr im Ms

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Bewuszligts[eins] wird und so sich realisiert und bestimmt ndashNach dieser erklaumlrenden Abschweifung wieder zuruumlck auf denGegenstand unserer gestrig[en] Vorles[ung]

111 Ohne Trieb w[ird] Nichts produziert aber die Machtjenes Triebs ist die Philosophie oder die Idee derselben DasProduzierende in dem Philos[ophen] ist also die Idee Darumproduziert der Mensch nur in der Begeisterung Die Begeiste-rung [ist] der Zustand wo die Idee die persoumlnliche Aktivitaumltwird der Mensch s[eine] Selbstaumlndigkeit verliert bloszliges Organwird Die philosoph[ischen] Systeme sind daher notwendigenUrsprungs ihr Ursprung ihre Notwendigkeit ist die Idee DerTrieb des Menschen zu erkennen ist zugleich der Trieb derWahrheit erkannt zu werden Die Idee obwohl sie alle Be-stimmungen in sich faszligt produziert d h realisiert sich nurvermittelst eines bestimmten Menschen in einer bestimmtenZeit zu einer bestimmten Idee Die philosoph[ischen] Systemes[ind] darum auch ihrem Inhalte nach notwendig die Wahrheitmuszlig einmal so erfaszligt werden als sie dieses vielleicht ganzbeschraumlnkte System erfaszligt weil diese Bestimmung als einemoumlgliche in der Idee selbst liegt Hinzu kommt die aumluszligereNotwendigkeit daszlig ein System nur [in] dieser bestimmten Zeiterscheinen konnte welche aumluszligere Notw[endigkeit] aber inWahrheit identisch ist mit der innern denn diese Zeit war ebendie dieser Idee angemessene Zeit und diese bestimmte Idee2

selbst ihren Grund in der goumlttlichen Idee hat in ihr notwendigenthalten ist Die Geschichte der Philos[ophie] ist darum selbstPhilosophie denn obgleich dieselbe Quelle die dem erstenDenker floszlig auch uns noch offen steht oder vielmehr die spauml-testen Denker aus derselben Quelle mit den ersten schoumlpfenobwohl eine und dieselbe Idee eine und dieselbe Vernunft inuns allen taumltig ist so verwirklicht sich die Idee doch als beson-dre Idee oder ihre besondern Bestimmungen nur in besondernZeiten und wenn auch die Idee da sie ein Ganzes ist ein Un-teilbares mit allen ihren besondern Bestimmungen zu jederZeit und folglich auch uns gegenwaumlrtig sein sollte so sind dochdiese nur unbestimmt nur im Allgemeinen uns gegenwaumlrtig istdoch das Interesse sie in der spezifischen Gestalt zu erfassenin welcher sie in ihren besondern Zeiten erschienen kein histo-risches sondern ein gegenwaumlrtig-lebendiges Interesse ein 1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 6 ndash Im Ms kein Absatz2 Idee Zeit Korr im Ms

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Interesse von1 dem die Erkenntnis des Wesens der Idee undVernunft selbst abhaumlngt in dem die spezifische historischeGestalt eine ideale Notwendigkeit selbst ausdruumlckt

So ist es nun mit der Philosophie der neuern Zeit auch DiesePhilos[ophie] konnte nur in der neuern Zeit erscheinen siehaumlngt aufs innigste mit dem Geiste der neuern Zeit zusammenWir muumlssen daher zuerst im Allgemeinen2 d[as] Wesen derneuern Zeit und fruumlhern kuumlrzlich beruumlhren und dies ist derGegenstand unserer II Vorlesung 12 denn vor allem draumlngtsich uns die Frage auf3 wo beginnt [sie] wo ist der Anfang4

der Philosophie [der] neuern Zeit zu suchen und als Antwortwieder auf diese Frage [draumlngt sich] der Satz auf offenbar dawo der allgemeine Geist der neuern Zeit der Geist wodurchsie sich bestimmt von der sogen[annten] Zeit des Mittelaltersunterscheidet wo dieser Geist sich zuerst im Gebiete des Den-kens also der Philos[ophie] ausgesprochen findet so ausge-sprochen findet wie die Denker ihn aussprachen die wir alsRepraumlsentanten der Philos[ophie] der neuern Zeit betrachtenoder wenn auch nicht genau so doch wenigstens auf eine ihnenunverkennbar verwandte Weise Aber was ist nun der Geist derneuern Zeit wodurch unterscheiden wir sie von der fruumlhernZeit5

1 Im Ms folgt gestr dessen Bef2 Im Ms folgt kuumlrzlich uumlber3 auf Fehlt in A4 Im Ms folgt gestr der Geschichte5 Am Rande Der Gott des Mittel[alters] d h d[as] herrschende

Prinzip war ein juumldisch-christlich monotheistisches Prinzip Wiedie Juden sich als d[as] auserwaumlhlte Volk Gottes ansahen sich da-her von allen Voumllkern absonderten und die Vermischung mit ihnenscheuten wie sie Jehova als eine heilige Privatsache als ihr Eigen-tum betrachte[te]n und den Goumlttern der uumlbrigen Voumllker als den wah-ren Herrn gegenuumlberstell[ten] kurz wie der Geist der Juden einGeist d[er] Partikularitaumlt Absonderung und Ausschlieszligung war sowar der Geist d[er] mittelalterl[ichen] Christen ein partikulaumlrer aus-schlieszligender sich gegen alles andre was als nicht-christlich be-stimmt w[urde] negativ verhaltender in Christen und Heidenweltdie Welt zerteilender Geist Der Gott der Christen war nicht der all-gemeine Gott der Gott auch der Heiden der uumlberall seiende derallgegenwaumlrtige er war ihnen ein partikulaumlres Wesen das sich da-her auch nur zu einer besondern Zeit an einem besondern Ortdurch besondre Individuen auf eine besondere Weise sich geof-

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Um diesen Unterschied kuumlrzlich auszudruumlcken muumlssen wiruns eines Namens bedienen der in einem sehr uumlblen Geruchbei den meisten1 gelehrten Herrn steht bei dessen Laut schonviele angstbeklommen sich an die Brust fuumlhlen um zu erfah-ren ob noch ihr liebes eignes Herz schlaumlgt das punctum sali-ens [der springende Punkt] ihrer eigentuumlmlichen und interes-santen Persoumlnlichkeit und Verschiedenheit von Gott und sich[be]kreuzigen um das schreckliche ihre Privatexistenz mitVernichtung drohende Gespenst das es ihnen vor die Augenzaubert zu verscheuchen eines Namens das aber um so freu-diger und houmlher das Herz eines Lessings Bruno und Spinozaund ihnen gleichdenkende Maumlnner schlagen macht je mehr esihren Kopf erweitert und je weniger es sie an irgend etwasPartikulares und Pers[oumlnliches] erinnert eines Namens dessenObjekt uumlbrigens die wenigsten naumlher und tiefer kennen das dasich hier viele Miszligverstaumlndnisse auch hier verbinden aber weilsich bis bessers vorhanden hier [] werden muszlig d[as] aberhier mehr in symbol[ischer] als eigentl[icher] Bedeutung ge-nommen w[ird] des Namens Pantheismus Da sage ich wowir pantheistisch[en] Sinn antreffen da haben wir die neuereZeit

fenb[art] und [dem] einzig und allein auf eine besondere Weise zudienen sei

Schon die Kirchenvaumlter waren von diesem Geiste ergriffen Ter-tullian findet nicht genug 13 starke Farben um den jammervollenZustand eines Pindar Sophokles in der Houmllle zu schildern und keineWorte um s[eine] Freude daruumlber [] entsprechend ausdruumlcken zukoumlnnen Hieronymus verbietet die Lektuumlre der Heiden denn fragter was hat d[as] Licht mit der Finsternis gemein Wie stimmt Chri-stus mit Belial zusammen Was tut bei den Psaltern Horaz bei denEvangelien Virgilius bei den Aposteln Cicero Unter dieses Nicht-Christliche darum Nicht-Heilige Nicht-Goumlttliche w[urde] abernicht das bloszlig eigentlich Heidnische sondern uumlberh[aupt] die Naturder Welt und des Menschen daher selbst die tief[en] und reinmenschlich[en] Triebe Empfindungen so Humanitaumlt unbefangneLebensfreude Liebe Geschmack Schoumlnheitssinn gerechnet Sogalt Ehelosigkeit fuumlr ein Zeichen echter christlicher Froumlmmigkeitso daszlig es kein Wunder ist ja eine notw[endige] Folge daszlig Christ-lichkeit und Ehelosigkeit die laumlngst identische Begriffe warenendlich identische Institute wurden [So] verbannten die Christen zB Tertullian und Clemens die Kunst als solche das aumlsthetische Ge-fuumlhl als solches als gottlose heidnische Eitelkeit

1 Im Ms folgt gestr gef

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131 Als daher dieser negativ-religioumlse Geist herrschenderWeltgeist wurde war es eine notw[endige] Folge daszlig als er2

[sich] als Kirche eine weltliche Existenz und Macht gegebenhatte [sich] dem Staate feindlich gegenuumlberstellte und dasSupremat [die Oberherrschaft] gegen ihn sich anmaszligte undbehauptete da der Staat im religioumlsen Geiste und vor ihm nurzu einem untergeordneten aumluszligerlichen weltlichen Institutherabgesetzt w[urde] es war ferner der Verfall alles Ge-schmacks aller Bildung alles Kunst- und Natursinns allerfreien konkreten und menschlichen Anschauung der Weltalles echt wissenschaftlichen und selbstaumlndig forschendenalles produktiven Geistes eine notwendige Folge oder Erschei-nung dieses Geistes w[urde] daher unvermeidlich daszlig selbstda als Kunst und Wissenschaft wieder zum Vorschein kamensie dennoch eine houmlchst beschraumlnkte kuumlmmerliche niederge-druumlckte verkruumlppelte Existenz sich verschaffen konnten Denndie Philosophie die Repraumlsentantin und allgemeine Mutter derWissenschaften galt nur fuumlr eine weltliche d h an sich odervor Gott eitle Wissenschaft sie galt der Kirche nur wie dieKunst nur als Mittel insofern als sie sich zur Zierde oder [zu]nuumltzlichen Zwecken der Kirche verwenden lieszlig

Der Mensch kann nur das mit wahrem Erfolge betreiben waser mit einem wahren Ernste ja mit religioumlser Andacht Hinge-bung und Aufopferung betreibt wovon seine ganze Seele er-fuumlllt ist was ihn3 ungeteilt in Beschlag und Besitz nimmt Aberwas kann4 so fuumlr sich den Menschen gewinnen was kann ermit solchem Ernste treiben auszliger das was fuumlr ihn das HoumlchsteLetzte oder wenigstens etwas Wesenhaftes an und fuumlr sichWahres und Positives ist Dies bestaumltigt selbst die alltaumlglichsteErfahrung Wer die an sich 14 wertlosesten Beschaumlftigun-g[en] treibt muszlig sich wenn er anders nicht selbst ein ganzwertloser eitler Mensch ist wenigstens die Einbildung vorma-chen daszlig er etwas Wichtiges und Bedeutungsvolles treibtDaher jeder Mensch seinen Stand jeder Gelehrte s[eine] Wis-senschaft jeder Soldat seine Waffengattung fuumlr die erste houmlch-ste wichtigste haumllt und sie halten muszlig weil er nur dann mitFreude und folglich mit Erfolg seinen Beruf erfuumlllen kann 1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 72 Im Ms folgt in3 Im Ms folgt gestr ganz und4 Im Ms folgt gestr er

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Bestimmen wir das absolute Wesen Gott mit den aumlltern Meta-physikern als den Inbegriff aller Realitaumlten oder mit Spinozaals das Wesen welches alles was Wesen was Realitaumlt aus-druumlckt in sich begreift so laumlszligt sich dieser Gedanke so ausspre-chen der Mensch kann nur das mit wahrem Erfolg betreibenwas ihm sei dieses nun seinem denkenden Bewuszligtsein Gegen-stand oder nicht als eine goumlttliche Realitaumlt gilt1 was in demabsolut2 realen Wesen zwar nur eine Realitaumlt eine Bestimmungist zur Substanz s[eines] Lebens und Geistes wird aber es ebennur dadurch werden kann weil es in Gott wenigstens eineRealitaumlt ist daher es zu begreifen ist [wie] wir weiter nochsehen w[erden] daszlig in neurer Zeit von denen die ihren Geistnur auf die Erforschung der materiellen Dinge konzentrierendie Materie fuumlr sich selbst zum obersten und letzten Prinzipselbst ihrer Anschauungen wurde

Wie konnten also Kunst und Wissenschaft unter der Herr-schaft des negativ-religioumlsen Geistes gedeihen da sie in dieKlasse des nur Weltlichen d h des im Wesen Wesenlosenherabgesetzt da die edelsten und unuumlbertrefflichsten Reprauml-sentanten und Priester derselben ein Sophokles Pindar So-krates Aristoteles in die Houmllle verstoszligen waren Wie konnte ersich hingeben dem tiefern und ernsten Studium der Natur dajedes ernste Studium eine Seele fordert die Seele aber nurjedem negativen Gotte gehoumlrte nur der Leib der Erde und ihrenBeschaumlftigungen blieb Wie konnte er3 der Natur die Bedeu-tung geben die ein Gegenstand fuumlr uns haben muszlig wenn wir[ihn] zum Objekte wahrhafter Hingebung machen wollen dadie Natur4 155 die Leidenschaft in ihrem houmlchsten Affekteallein in der Sprache vorfindet um sich Luft zu machen undsich auszudruumlcken sind Goumlttlichkeit und Seligkeit und wasdie von ihrem Gegenstande ganz erfuumlllte Leidenschaft sprichtist wahr denn was anders soll denn wahr sein als was derMensch in den houmlchsten Momenten ausspricht in den Mo-menten6 wo er ganz von seinem Gegenstande ergriffen ist undseine Natur daher am treusten darstellt die die Momente seiner 1 Im Ms folgt gestr oder das2 in dem absolut er obwohl es fuumlr ihn die Substanz Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr uumlberh[aupt]4 Im Ms folgt in5 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 86 Im Ms folgt gestr geistiger Ekstase

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houmlchsten und wahren Freiheit sind1 Und solcher Enthusias-mus der seinen Gegenstand bis in den siebenten Himmel er-hebt war es mit dem die Versoumlhnung der Christenheit mit derMenschheit Kunst und Natur gefeiert wurde und die von denKirchenvaumltern verstoszlignen Heiden als naumlchste2 Anverwandteals Lehrer und Freunde als nachahmungswuumlrdige Vorbildervon der Christenwelt begruumlszligt und aufgenommen wurden3 Abereben dieser Enthusiasmus ohne welchen wir jetzt noch in deralten Barbarei saumlszligen dieser universale Mensch mit Menschliebevoll verbindende Nahes und Fernes4 Gegenwart und5

Vergangenheit6 alles7 Vortreffliche und Gute es finde sichauch wo es wolle mit inniger Hingebung als die eine und selbeWahrheit in den mannigfaltigsten unterschiednen Gestaltenumfassende Sinn ist ein pantheistischer Sinn denn der Panthe-ismus8 verbindet der Monotheismus ndash die ausschlieszliglicheHingebung an ein herrschsuumlchtiges Prinzip ndash trennt und iso-liert

Sehen wir nun wie das was wir pantheistischen Sinn nann-ten9 sich als Philosophie aussprechen muszligte Das monotheisti-sche Prinzip des Mittelalters hat sich in der Philosophie ausge-sprochen als die ausschlieszligliche Herrschaft der scholastisch-aristotelischen Philo[sophie] 1610 Aristoteles11 und nochdazu der verstuumlmmelte in den Geist und die Sprache derScholastik uumlbersetzte und eigenmaumlchtig interpretierteA[ristoteles] war die Basis ja die Autoritaumlt und noch dazu dieeinzige Autoritaumlt in der Philosophie gleichsam der Repraumlsen-tant der Vernunft wenn auch von Plato und andern aumlltern Phi-losophen einzelne Saumltze bekannt waren ja einige fruumlher wie

1 Im Ms folgt gestr ausspricht2 naumlchste teure Korr im Ms3 Im Ms folgt senkrecht gestr Aber eben der scholastisch-

aristotelischen Philo[sophie]4 Nahes Fernes Zeit mit Zeit Korr im Ms5 und mit Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr liebevoll verbindende7 Im Ms gestr alles8 Im Ms folgt gestr ist9 nannten hatten Ms10 Im Ms gesamter folgender Textkorpus senkrecht gestr Aristote-

leshellip Statuiertes war11 Im Ms folgt gestr allein

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Abaumllard eine tiefere Kenntnis von Plato namentlich hatten1dessen Studium aber schon nach Abaumllard wieder verschwandbis zum Wiedererwachen der Wissenschaften Der pantheisti-sche Sinn konnte sich daher in der Philos[ophie] nicht andersaumluszligern als darin zunaumlchst daszlig auch die uumlbrigen Philosophiendes Altertums Gegenstand des Studiums wurden und daher dieausschlieszligende bornierte den Geist bedruumlckende Herrschaftdes Aristot[eles] zerstoumlrt [wurde] und eben mit diesem Sinn fuumlrverschiedene Arten der Philosophie ein freier umfassenderSinn fuumlr Philosophie uumlberhaupt entstand Allein da dies mehrnur eine negative Bedeutung hat so muumlssen wir positiver zubegruumlnden suchen wo der Geist der neuern Philos[ophie] sichzeigt und wir daher mit ihm beginnen muumlssen 2

Es wurde eben als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmalzwischen der mittelalterlichen und der neuern Zeit angefuumlhrtdaszlig die Welt eine andere Bedeutung erhielt und zur Bezeich-nung dieser Bedeutung der metaphysische Ausdruck gebrauchtdaszlig die Welt in ihrer3 Einheit mit Gott erkannt wurde wasnatuumlrlich nicht so zu verstehen ist als haumltten sich die Menschenuumlberhaupt zu dieser metaphys[ischen] Erkenntnis erhoben die4

die Philosophen der neuern Zeit aussprachen sondern5 so zuverstehen daszlig uumlberhaupt das was von dem negativ-religioumls[en] Geiste als ein Eitles Nichtiges oder nur um des 1 Im Ms folgt gestr so kann man hier2 Am Rande senkrecht gestr Wo wir diesen freien universellen

anti-scholastischen nach eignen Prinzipien philosophierenden dasWirkliche als Natur durch Sinn und Vernunft das Wirkliche alsGeist durch selbstaumlndiges Denken in wirklichen aus dem Lebendes Gegenstandes selbst geschoumlpften nicht in abgezognen formelllogisch-metaphys[ischen] Bestimmungen zu erfassen bestrebtenGeist erblicken haben wir die Philos[ophie] der neuern Zeit oderwenigstens ihre Anfaumlnge

Der universale offene allem Eindruck sich hingebende undaufnehmende rege Sinn dieser Geist der so unendlich wie seinObjekt das Weltall sein wollte war offenbar auch die Ursache daszligwir bei ihnen so widersprechende Ansichten und Meinungen in ih-ren Schriften und selbst in ihrem Charakt[er] so nicht zusammenvereinbare [zusammen vereinbare zusammeneinbare A] Eigen-schaften antreffen So beschaumlftigen und okkupiert [Text bricht ab]

3 Im Ms folgt gestr Bedeutung4 Im Ms folgt gestr einige5 Im Ms folgt gestr uumlberhaupt

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irdischen Notbedarfs willen Statuiertes war 171 eitle Kreaturwar die ohne im Wesen Gottes begruumlndet [hellip] [ohne] mitNotwendigkeit aus ihm hervorgegangen zu sein lediglich einProdukt seines Willens war Wie konnte er sich versenken indie Tiefen des Denkens und Forschens da jede Versenkung inWahrheit ein Akt religioumlser Hingebung und Aufopferung istGott und Religion aber nur in einer partikulaumlr beschraumlnktenund beschraumlnkenden Weise2 Gott nur als ein exklusives au-szligerweltliches als das wahre Wesen die Verehrung und Anbe-tung der3 Dienst an diesem Wesen4 fuumlr den wahren Gottes-dienst und dieser Gottesdienst als die Bedingung der ewigenSeligkeit als das einzig Nottuende und das einzige Heil derSeele erfaszligt w[urde] und daher solcher Dienst der Wissen-schaft und Kunst wie er die unerlaumlszligliche Bedingung ihresGedeihens zur Vollkommenheit ist von dem juumldisch-christlichen Geiste fuumlr nichts weniger als fuumlr Goumltzendienstangesehen werden konnte Wie konnte uumlberhaupt der be-schraumlnkte negative ein- oder vielmehr nur jenseitige ChristBuumlrger dieser Welt werden wie die Angelegenheiten diesesLebens sich zu Gemuumlte ziehen wie die Blumen und Fruumlchte imGarten der Natur warten und genieszligen da das Schwert desWeltrichters stets uumlber s[einem] Haupte schwebte da ihm dasLeben nicht als Selbstzweck nicht an und fuumlr sich sondern umseiner Folgen willen nur als vorbereitender Zustand Bedeutunghatte da das ganze Leben eines frommen Christen wie Augu-stin sagt ndash eben der Augustin der der eigentliche Vater diesesChristentums war welches im Mittelalter herrschte das wasAristoteles in der Philos[ophie] in der Theologie war ndash nur einfrommer Seufzer nach Gott sein sollte5 und zwar nach Gott inder Bedeutung dieses gegen die Wirklichkeit negativen We-sens

Eine wesentliche Veraumlnderung eine Revolution des mensch-l[ichen] Geistes konnte daher erst entstehen und entstand wirk-

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 92 Im Ms folgt gestr als das einzig Wahre und Wesenhafte aufgefaszligt

waren3 der dieser Korr im Ms4 diesem Wesen dieses Wesens Ms5 Vgl Augustinus Expositio diui Aurelij Augustini in Epistolam beati

Iohannis In Sermonum Opera plura et diversa Basileae 1495 CIV Vgl GW 2 S 12 15 GW 9 S 210 und GW 18 S 433

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lich erst da wo1 mit dem Begriffe des absoluten Wesens nichtmehr der Begriff eines partikulaumlren herrischen ausschlieszligen-den auszligerweltlichen oder weltfremden Wesens verbundenGott in einem freieren weiteren universalem allgegenwaumlrti-gen Sinne erfaszligt wo2 das Christentum nicht mehr als einechinesische Mauer zwischen der neuen und alten und uumlbrigenWelt nicht mehr als ein Widerspruch gegen die urspruumlnglichewahre Natur der Menschheit 18 sondern das tief und wahr-haft Menschliche in Uumlbereinstimmung mit dem Christentumund das Christliche umgekehrt auch als das wahrhaft Mensch-liche angeschaut wurde wo nicht mehr Jerusalem mit Aus-schluszlig der gesamten uumlbrigen Welt fuumlr die einzige Stadt Gottesfuumlr den einzig heiligen Wallfahrtsort der Christenheit galt woman auch in Athen3 in Rom auch in den Tempeln der Heidenden Schauer des goumlttlichen Wesens nicht mehr Teufel undDaumlmonenspuk4 vernahm in den Tugenden der Heiden ndash undihre edelsten Tugenden waren ihre klassischen Werke in Kunstund Wissenschaft ndash nicht mehr wie der Kirchenvater Augustinsplendida vitia [glaumlnzende Laster] sondern Strahlen des goumlttli-chen des alle Menschen erleuchtenden Lichtes erkannte wodie Welt nicht mehr fuumlr eine Traumlne Gottes angesehen wurdewie sie ein mittelalterlicher und nach ihm ein neurer fran-zoumls[ischer] Mystiker nannte sondern oder ndash wenn man [in]dem Bilde stehen [bleiben] will ndash5 sie wohl auch mit6 einerTraumlne Gottes versinnlicht wurde aber nicht als Traumlne des Mit-leids oder der Barmherzigkeit ndash denn diese meint man nureinem von sich getrennten einem fremden andern ungluumlckli-chen Wesen sondern als eine Freudentraumlne

1 wo als Korr im Ms2 wo als Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr auch4 Tempeln der Heiden Daumlmonenspuk Tempeln der Heiden nicht

mehr Teufel und Daumlmonenspuk sondern den Schauer des goumlttlichenWesens Korr im Ms Fehlt in A

5 Im Ms folgt gestr wo6 mit fuumlr Korr im Ms

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III Vorlesung [Pantheistischer Sinn Geist und Materie] 1

Wie es nur ein pantheistischer Sinn ndash wohlgemerkt nur Sinnnicht foumlrmlicher systematischer bewuszligter Pantheismus ndash warder jene schneidende Differenz zwischen christlich und un-christlich2 jene Differenz in welcher der Geist des Altertumsals ein profaner bestimmt und verneint3 war und daher auchzugleich mit der Verehrung und Wertschaumltzung der Werkedesselben4 die Liebe der Geschmack der Sinn fuumlr ihr Studiumsich verlieren muszligte ausloumlschte und durch die Anschauungund Aneignung des selbstbewuszligten kraumlftigen selbstaumlndigenGeistes der klassischen Welt in der Christenheit das Bewuszligt-sein ihrer eignen Kraft und damit selbstschaffenden Geist imSinne des Altertums erweckte so war es eben nur dieserpantheistische Sinn in dem wir den wahren Grund aller groszligenErfindungen und Entdeckungen der neuern Zeit zu5 erkennenhaben6 Der negativ-religioumlse Geist der einen auszliger- odervielmehr gegenweltlichen Gott zu seiner Basis hatte und daherauch ein auszligerweltliches ein betendes und fastendes sichkasteiendes von der Wirklichkeit abgezognes kloster-geistli-ches Leben als das gottselige Leben d h als das Muster deswahren Lebens ansah betrachtete die Welt nur als eine Stationauf der Fahrt des Lebens Wie kann man aber da Staumldte bauenden Boden veredeln Baumlume pflanzen wo man sich nicht zuHause findet und festen Fuszlig fassen will Eine ganz andre An-schauung der Welt eine andre Bedeutung des Lebens als eswenn auch nicht in den Augen doch im Sinne des negativenChristen hatte war daher vonnoumlten um alle jene groszligen Ent-deckungen und Erfindungen der neuern Zeit hervorzubringen

1 So auch A ndash Am Rande von fremder Hand Vorles[ungen] uumlber

Geschichte der neuern Philos[ophie] wahrschein[lich] aus d[em]Jahr [18]3536 Fehlt in A

2 Im Ms folgt gestr ausloumlschte3 verneint umgestoszligen Korr im Ms4 der Werke desselben derselben Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr verdanken6 Der negativ-religioumlse Geist uumlberhaupt erwarb In BwN 1 Bd S

319-321 SW BJ 4 Bd S 390-392 ndash entsprechender Hinweis imMs am Rande von fremder Hand bdquoWerke 4 390ldquo ndash unter bdquoDerpantheistische Geist der neueren Zeitldquo mitgeteilter Abschnitt ausden Erlanger Vorlesungen Hinweis fehlt in A

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Wie haumltte man um solchen geringen Preis als die Welt in sei-ner Anschauung hatte solche rastlose Taumltigkeit entwickelnsolche schweren Opfer bringen solche groszligen Unternehmun-gen unternehmen koumlnnen1 Und diese neue Bedeutung desLebens war die Bedeutung desselben als Selbstzweck Die Weltwurde als goumlttlich und unendlich sie wurde nicht mehr als einetranseunte sondern2 immanente 20 Wirkung Gottes ange-schaut ndash eine Anschauung die es notwendig mit sich brachtedaszlig nun auch die Materie ndash als die allgemeine sinnliche Basisder Welt ndash eine wesentlich von ihrer fruumlhern Stellung verschie-dene Bedeutung erhielt Der Geist des fruumlhern Christentumswar ndash betrachtet in und nach seinem Wesen ndash ein abstrakt un-und uumlbersinnlicher Geist Der metaphysische Ausdruck diesesGeistes war unter andrem hauptsaumlchlich die Lehre von derSchoumlpfung der Welt aus Nichts Gott schuf die Welt ausNichts3 nicht aus einer vorhandnen Materie und dieses Nichtswar das Nichts der Materie Der praktische Nihilismus desmateriellen Lebens der auf mannigfaltige Weise in der Periodedes negativen Christentums zum Vorschein kommt war nurein Ausfluszlig oder Verwirklichung jener metaphysischen An-sicht gleichwie die Metaphysik der Scholastiker mit ihrenabgezognen Universalien aufs Innerste mit jenem abstrakt-unsinnlichen Geiste des Christentums zusammenhing

Mit der veraumlnderten Anschauung von der Welt erhob sichdaher jetzt auch die Materie wieder aus dem Staube in dem sieunter den Folianten der Mystiker und Scholastiker des Mittel-alters begraben lag aus dem elenden Knochenskelett das sieihnen war und ihnen nur das Memento Mori [Gedanke desTodes] vergegenwaumlrtigte entstand zur Verwunderung undEntzuumlckung4 der Menschheit eine Goumlttergestalt in Fleisch undBlut d h in bildlosen Ausdruumlcken die Materie wurde in ihrerSubstantialitaumlt und Realitaumlt sie wurde nicht als von Gott ne-

1 Wie haumltte koumlnnen [so auch A] Wie haumltte man solche grossen

Unternehmungen beginnen solche rastlose Thaumltigkeit entwickelnsolche schwere Opfer bringen koumlnnen um solchrsquo geringen Preis als[als wie SW BJ] ihn die Welt in jener Anschauung hatte BwNSW BJ

2 In BwN SW BJ folgt als eine3 Nichts nichts BwN4 Verwundrung Entzuumlckung [so auch A] Verwunderung und zum

Entzuumlcken BwN SW BJ

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giert sondern von ihm bejaht nicht als von ihm durch s[einen]grundlosen Willen geschaffen sondern als in ihm begruumlndetangeschaut Die groszligen1 Fortschritte und Erfindungen im Ge-biete der Mathematik Physik und Astronomie die uns sogleicham Eingang der neuern Zeit in Erstaunen setzen lassen sichnur dadurch genuumlgend erklaumlren daszlig man erkennt daszlig die Ma-terie und hiermit auch der Raum der2 die allgemeine Formaller Materialitaumlt und mit der Zeit die Basis oder das Mediumder Mathematik ist als ein reales wesenhaftes Objekt sich imGeiste der Menschheit fixierte und so [der] von der Materieabgezogne und abstrahierende sie nur als Nichtiges setzende3

Menschengeist der daher auch in dieser Ein- und Abgezogen-heit nicht faumlhig war sogen[annte] reale Wissensch[aft] zuerzeugen sich mit dem Weltgeiste der schaffenden Naturver-nunft die in Maszlig Gewicht und Zahl alles gesetzt hat wiederversoumlhnte und so eine die Realitaumlt selbst bestimmende undumwandelnde 21 Macht wurde Δὸς μοι ποὺ στῶ καὶ κινήσωτὴν γὴν 4 [bdquoGib mir wo ich stehen kann und ich werde die Erdebewegenldquo] sagte Archimedes Die Maumlnner die sich im Mittel-alter mit Erfolg auf Chemie und Mechanik legten wie derenglische Moumlnch Roger Baco5 Gerbert nachheriger SylvesterII Papst6 galten wegen der ihre Zeit befremdenden Wirkungenfuumlr Zauberer die mit boumlsen Geistern im Bunde standen Dieserboumlse Geist diese dem Mittelalter unbekannte dunkle Machtwar aber nichts andres als die materielle Macht die Macht derGeist der Natur mit dem sich jetzt wieder der Mensch verbuumln-dete und in dem er das δὸς μοι ποὺ στῶ des Archimedes unddamit das Mittel fand die Erde die dem7 Menschengeiste infruumlhrer Zeit eine unbewegliche unuumlberwindliche Masse war in 1 groszligen erstaunlichen Korr im Ms2 der als Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr Geist4 Vgl Plutarch Marcellus In Plutarchus Chaeronensis opera quae

exstant omnia cum Latina interpretation Hernanii Cruserii BdI Francofurti 1620 S 415 Vgl C M Brandelius Dissert hist-math sistems Archimedis vitam eiusque in mathesin merita Gry-phiswaldiae 1789 ndash In BwN SW BJ folgt bdquoGib mir wo ich steheund ich werde die Erde bewegenldquo

5 Im Ms folgt gestr der Franzose6 nachheriger Papst [so auch A] nachheriger Papst Sylvester II

BwN SW BJ7 Im Ms folgt gestr fruumlh

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Bewegung und gleichsam in Fluszlig zu bringen Die Entdeckungdaszlig die Erde um die Sonne kreist war vor allem der groszligekuumlhne Schritt durch den sich der menschliche Geist in Freiheitsetzte die Fesseln seiner bisherigen Denkart und Anschau-ungsweise der Welt zerbrach und mit Adlersflug sich zur1 An-schauung der weltbeherrschenden himmlischen Maumlchte undGesetze erhob und dadurch sich die Herrschaft der Erde undder Materie2 uumlberhaupt erwarb Denn eben nur der Geist befreitsich von dem Druck und den Fesseln der Materie der in sieeingeht der sich mit ihr befreundet der ihr schoumln tut undschmeichelt der sie als ein verwandtes Wesen anerkennt nichtder sie sich wie einen boumlsen Daumlmon aus dem Sinne schlaumlgt dersie scheut und verflucht Natura non nisi parendo vincitursagte Baco[n]3 nur der sich der Natur unterwirft gehorsam istwird ihr Sieger Die Entdeckung der Erde geht parallel derVervollkommnung der Schiffahrtskunde den groszligen Laumlnde-rentdeckungen die man zur See machte Die Erde wie derMenschengeist war gebunden gefesselt beschraumlnkte Kuumlsten-fahrt seine Forschungen im Weltall Indem aber die Erde inBewegung versetzt wurde eroumlffnete sich dem Menschen derBlick in den unendlichen Ozean des Weltalls und machte sich[der Mensch] im Bunde mit den himmlischen Maumlchten zumHerrn und Besitzer der Erde auf der der negative Christ nurWirtsmann der sich eben deswegen nicht sehr um ihren Standund Befund nur oberflaumlchlich um die Stuben bekuumlmmert dieer gerade bewohnte nicht Hausherr war Und gerade dadurchuumlberwand der Mensch die Materie 22 in ihrer Erscheinungdie besondere Materie4 daszlig er die Materie in ihrem Wesenerkannte und anerkannte Die Erscheinungen die Materie imBesondern konnte er naumlmlich nur dadurch uumlberwinden daszlig erdie Gesetze der Materie erkannte denn wie Baco von Verulamsagt ndash er der eine der bedeutendsten Autoritaumlten in dieser An-gelegenheit ist ndash der Mensch kann nur soviel als er weiszlig

1 zerbrach zur [so auch A] zerbrach sich mit Adlerflug zur BwN

SW BJ2 der Erde der Materie [so auch A] uumlber Erde und Materie BwN

SW BJ3 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

Francofurti 1665 lib I Aph III S 279 Vgl auch GW 3 S 266und GW 10 S 134

4 besondere Materie besonderen Erscheinungen Korr im Ms

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tantum potest quantum scit1 potentia [humana] et scientia inidem2 coincidunt3 [Das [menschliche] Koumlnnen und Wissenergaumlnzen einander] Aber wie haumltte er die materiellen Dingezum anhaltenden und wesenhaften Objekte seiner Forschungseines Nachdenkens machen koumlnnen haumltte er nicht die Wesen-haftigkeit und Realitaumlt der Materie anerkannt Unter den be-sondern Ursachen warum das Naturstudium in fruumlherer Zeit sodanieder lag [fuumlhrte er] unter anderm ndash auszliger4 dem Umstanddaszlig fruumlher der Aberglaube und der blinde unvernuumlnftige Reli-gionseifer von jeher der laumlstigste und heftigste Gegner derNaturphilosophie gewesen sei schon bei den Griechen die derIrreligioumlsitaumlt und des Atheismus beschuldigt wurden5 die Blitzund Donner aus natuumlrlichen Ursachen ableiteten und bei denKirchenvaumltern die verketzerte[n] [Auffassungen] welche be-wiesen daszlig die Erde rund sei und es folglich notwendig Anti-poden gaumlbe und neben der Erscheinung6 daszlig seit der christli-chen Zeit allein die Theologie die vortrefflichsten Koumlpfe inBeschlag und Anspruch genommen habe ndash mit Recht auchdieses Vorurteil7 an daszlig der menschliche Geist sich von seinerWuumlrde etwas zu vergeben glaubte wenn er sich mit Experi-menten und die8 besondern sinnlichen in die Materie ver-senkten9 Dinge10 zum Objekte anhaltender Beschaumlftigung ma-che11 Ein ganz richtiger Grund Nur als der Mensch mit derMaterie wieder eine wuumlrdigere Vorstellung verband [sie] nichtmehr als eine elende schmutzige veraumlchtliche Vettel ansahnicht mehr der Geist in diesem feindlichen Gegensatz zumKoumlrper sich erfaszligte daszlig er sich12 als den Christ den Koumlrper als 1 F Bacon Cogitata et Visa In Opera omnia hellip a a O S 592

Vgl auch GW 2 S 4722 in idem in unum Ms3 F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

a a O lib I Aph III S 2794 auszliger hielten Korr im Ms5 wurden habe Ms6 der Erscheinung dem Umstande Korr im Ms7 dieses Vorurteil diesen Grund Korr im Ms8 die den Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr Geistern10 Dinge [so auch A] Dingen Ms11 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip a

a O lib I Aph LXXXIX S 306 und Aph LXXIX S 29912 Im Ms folgt gestr nur

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den heillosen verruchten Juden ansah der nur ihm zur Kreuzi-gung diene nur da konnte der Geist es nicht mehr unters[einer] Wuumlrde halten sich mit der Materie abzugeben undeinzulassen konnte die Beschaumlftigung mit ihr aufhoumlren einenicht koschere verunreinigende zu sein Die materiellen Be-schaumlftigungen Entdeckungen und Erfindungen konnten nur aufdem Standpunkt des Geistes entstehen wo die Materie diedem Geiste der Mystiker Scholastiker und negativ[en]Chr[isten] 23 eine aumluszligerliche Macht war zu der1 er kein and-res Verhaumlltnis hatte als von ihr zu abstrahieren wofuumlr aber dieMaterie um so mehr ihm manchen fatalen Possen spielte undum so mehr mit Anfechtungen aller Art ihm2 zusetzte demGeiste sozusagen eine innerliche Macht wurde von ihm selbstmit in die Anschauung des absolut realen Wesens mit aufge-nommen wurde3 Es war daher eine notwendige Folge daszlig wiewir bei Cartesius4 sehen werden die mathematische und mate-rielle Anschauung uumlberhaupt in den ersten Jahrhunderten derneuern [Zeit] bis auf Leibniz ja zum Teil selbst in diesem nochund noch in Kant die allgemeine die Geister beherrschendeAnschauung wurde daszlig ferner Gott nicht mehr als ein fernesjenseitiges sondern als ein unmittelbar praumlsentes Wesen undder Raum selbst als die unendliche Gegenwart Gottes erfaszligtwurde So nennt der beruumlhmte Mathematiker Newton dessenErfindungen die allgemeinen wurden der5 fuumlr den mathemati-schen und physikalischen Genius angesehen6 den Raum dasSensorium Dei7 indem er sagt in s[einer] Optik Quaest 268daszlig das allgegenwaumlrtige Wesen in spatio infinito tanquamsensorio suo res ipsas intime cernat totasque intra se prae-

1 Im Ms folgt gestr nur abge2 Im Ms folgt gestr aussetz3 Es war daher Aufgabe geben wollte In BwN 1 Bd S 321-323

SW BJ 4 Bd S 392-394 ndash entsprechender Hinweis im Ms amRande von fremder Hand bdquoWerke 4 392ldquo ndash Fortsetzung des untermitgeteilten Abschnittes aus den Erlanger Vorlesungen Hinweisfehlt in A

4 Cartesius [so auch A] Descartes BwN SW BJ5 der [so auch A] den man BwN SW BJ6 angesehen [so auch A] ansah BwN SW BJ7 In BwN SW BJ folgt das Wahrnehmungs-Organ Gottes ndash Vgl GW

3 S 74 und GW 6 S 1348 26 20 A

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sens praesenter complectatur1 eine Behauptung die Leibnizdann2 anfocht und daruumlber mit dem Englaumlnder Clarke einemFreunde und Anhaumlnger Newtons der den unendlich[en] Raumeine proprieteacute de Dieu [Eigentuumlmlichkeit Besitztum Gottes]nannte3 in Streit kam4 D[as] Wort sensorium ist soviel alsd[as] griech[ische] αἰσητήριον das organon sensationis [Sin-nes- Empfindungsorgan] So beherrschte auch den englischenmehr mystischen als philosophischen Metaphysiker den Hen-ricus Morus5 der Begriff der Ausdehnung als eine absoluteMacht Er unterscheidet sie zwar scharf von der Materie als einunterschiednes Wesen aber die Ausdehnung ist doch der ab-strakteste uumlbersinnlichste Begriff der Materie sie ist die letztedem Geiste naumlchste Form oder Attribut der Materie daher sieauch Cartesius6 wie wir spaumlter sehen werden die letzte Eigen-schaft ist von der wir nicht mehr abstrahieren koumlnnen ohne dieMaterie aus dem Gesichte zu verlieren7 zur einzigen wesentli-chen Bestimmung der Materie gemacht w[urde]8 Von dieserAusdehnung sagt nun Morus9 [Quod] extensum illud immobi-le quod demonstratum est a materia mobili distinctum non estimaginarium quiddam sed Reale saltem si non Divinum10 Ja 1 I Newton Optice sive de reflexionibus hellip Lausannae ndash Genevae

1740 liber III Quaest 28 S 298 ndash indem er complecatur in-dem er in seiner Optik Quaest 26 sagt daszlig das allgegenwaumlrtigeWesen im unendlichen Raume gleichsam seinem Wahrnehmungs-Organe die Dinge selbst innerlich anschaut und als gegenwaumlrtigessie in sich erfaszligt SW BJ

2 Im Ms folgt gestr daruumlber3 S Clarke Abhandlung von dem Daseyn und den Eigenschaften

Gottes Braunschweig ndash Hildesheim 1756 S 53-544 nannte kam [so auch A] nennt geriet BwN SW BJ ndash Vgl

Occasio Controversiae inter Leibnitium amp Clarkium hellip In G GLeibnitii Opera Omnia hellip Genevae 1768

5 Henricus Morus [so auch A BwN] Henry More SW BJ6 Cartesius [so auch A] fuumlr Descartes SW BJ7 In BwN SW BJ folgt und deshalb von ihm8 w[urde] [so auch A] wird BwN SW BJ9 Morus [so auch A BwN] More SW BJ10 H Morus Enchiridion metaphysicum In Henrici Mori

Cantabrigiensis Opera Omnia hellip T I Londini 1679 C VIII S165 ndash Extensum Divinum fehlt in SW BJ ndash In BwN SW BJfolgt bdquoJenes unbewegliche Ausgedehnte von dem gezeigt wurdedaszlig es von der beweglichen Materie verschieden sei ist nichts Ima-ginaumlres sondern mindestens Real wo nicht Goumlttlichldquo

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diese Ausdehnung hat so seinen Geist fasziniert daszlig er selbstsagt jeder Geist ist ausgedehnt unter welcher Ausdehnung ernatuumlrlich nicht eine sinnlich teilbare1 bestimmte Ausdehnungd i Groumlszlige verstand Aber diese Ausdehnung ist doch nichtsandres als die Materie wie sie zwar nicht in Fleisch und Blutaber als ein Gespenst im Kopfe des englischen Metaphysikersherumspukt So ist es der Hauptpunkt in der Baconischen Re-stauration der Wissens[chaften] die er lediglich von der wah-ren auf Erfahrung gegruumlndeten Naturphilosophie abhaumlngigmacht 24 daszlig man nicht abstrakte uumlbersinnliche sondernselbst materielle Prinzipien zum Prinzip der Natur nehmenmuumlsse2 daher er auch den Prinzipien der Atomisten die unteil-bare Koumlrperchen von bestimmter Groumlszlige und Gestalt bei ihrerAnschauung zugrunde legten3 den Vorzug vor den aristoteli-schen gab4 [und] daher er die5 allgemeinen6 Gesetze und For-men nicht das Besondere als das wesentliche Objekt der Na-turphilosophie setzte aber solche Formen die wesentlich ma-teriell-bestimmt sind7 So war es auch im innersten Zusammen-hang mit diesem Geiste wenn Bacon und andere der Wissen-schaft wesentlich auch8 materielle Zwecke als eine notwendigeAufgabe geben9 wollten So sagt Baco[n] ausdruumlcklich bdquoDerwahre und vernuumlnftige Zweck der Wissenschaft ist dem

1 sinnlich teilbare [so auch A] sinnliche teilbare BwN SW BJ2 muumlsse [so auch A] muszlig BwN SW BJ3 legten [so auch A] legen BwN SW BJ4 In BwN SW BJ folgt was dieser in die Materie versenkte duumlrfe

Vgl folgende Fuszlign 11 Am Rande5 Im Ms folgt gestr diejen[igen]6 er allgemeinen er allgemeine A ndash [und] daher allgemeinen

Bacon setzte daher auch die allgemeinen BwN SW BJ7 sind [so auch A BwN SW BJ] ist Ms ndash Am Rande Dieser in die

Materie versenkte die Dinge in ihrer konkreten materiellen Einheitzu erfassen bestrebte Geist [Im Ms folgt gestr zeigt sich] [sich] da-durch besonders zeigt daszlig er die Materie des Aristoteles als eineMaterie ohne Form und Bewegung [Im Ms folgt gestr erklaumlrte] fuumlreine Fiktion erklaumlrte und dagegen geltend macht[e] [erklaumlrte macht[e] erklaumlrt und dazu geltend macht BwN SW BJ] daszlig mandie urspruumlngl[iche] Materie mit der Form und Bewegung in ur-spruumlngl[icher] Einheit denken muszlig [muszlig muumlsse BwN SW BJ] siewohl unterscheiden aber nicht trennen duumlrfe

8 auch fehlt in BwN SW BJ9 geben [so auch A] stellen BwN SW BJ

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menschlichen Leben Nutzen zu bringen es mit neuen Erfin-dungen und Schaumltzen zu bereichernldquo1 bdquoIhr Zweck ist dahernicht etwa Befriedigung der Neugierde oder Amuumlsement oderRuhm und Fertigkeit oder die Fertigkeit gut parlieren unddisputieren zu koumlnnen oder Geld und Brot uns zu verschaffenDie Wiss[enschaft] soll nicht sein ein Ruhebett fuumlr den vonNeugierde beunruhigten Geist oder ein Spaziergang zum Ver-gnuumlgen oder ein hoher Turm von dem man veraumlchtlich herab-blickt oder eine Burg und Schanzwehr fuumlr Wortstreit und Ha-der oder eine Werkstatt fuumlr die Gewinnsucht und den Wuchersondern ein reicher Samenbehaumllter eine Schatzkammer zurEhre des Werkmeisters aller Dinge und zum Nutzen derMenschheit Der2 Zweck der Wiss[enschaft] ist daher die Ver-einigung der beschaulich spekul[ativen] Taumltigkeit mit derpraktischen eine Verbindung die der Conjunction der beidenhoumlchsten Planeten gleicht des Saturnus des Fuumlrsten oder Prin-zips der ruhigen Beschauung und des Jupiters des Fuumlrsten destaumltigen Lebensldquo3 bdquoDie Naturwissenschaft[en] haben daherkeinen andern Zweck als die Macht und Herrschaft des Men-schen uumlber die Natur zu erweitern und fester [zu] gruumlndenDenn die Herrschaft des Mensch[en] uumlber die Natur besteht nurin der Wissenschaftldquo4

Der anstoumlszligige paradoxe Satz des Spinoza die Materie istebensogut eine Eigenschaft ein Attribut der goumlttlichen Sub-stanz wie das Denken5 ist daher nicht andres als das in denGedanken und einen abstrakten metaphysischen Ausdruckgefaszligte Wesen und Treiben des Geistes der neuern Zeit DiePhilosophie hat keine6 andre Bedeutung als in der Form desGedankens zum Bewuszligtsein zu bringen was der innere ver-borgne Geist der Menschheit einer besondern Zeitperiode istdie Philosophen tun 25 nichts anders als daszlig sie sich erkuumlh-

1 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera Omnia hellip

a a O lib I Aph LXXI S 3002 Im Ms folgt der3 Vgl F Bacon De dignitate et augmentis scientiarum In Opera

omnia hellip a a O lib IX S 224 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

a a O lib I Aph CXXIX S 324-3255 Vgl B Spinoza Ethica pars secunda In Opera quae supersunt

omnia Vol II Ienae 1803 Propos I S 786 hat keine ist nichts Korr im Ms

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nen was die andern auf der Seele haben aber als ein Geheim-nis in sich verschweigen weil die Menschen im Ganzen dasDunkel oder Helldunkel lieben am wenigsten uumlber sich klar1

zu werden ausdruumlcklich in geraden deutschen Worten auszu-sprechen weswegen sie von jeher so verfolgt und verketzertwurden2 So entgegengesetzt auch der praktische die Spekula-tion verschmaumlhende Realismus in den Systemen3 des so-gen[annten] Sensualismus und Materialismus der Englaumlnderund Franzosen dem Geiste des ganzen Spinoza ist4 so habensie doch ihren letzten Grund in jener Anschauung von der Ma-terie die Spinoza als Metaphysiker in dem beruumlchtigten Satzdie Materie ist ein Attribut Gottes5 aussprach6 Es war notwen-dig daszlig in dem Charakter der Englaumlnder und Franzosen ohnedaszlig sie sich selbst dieses Grundes natuumlrlich7 bewuszligt warenjene metaphysische Bedeutung der Materie sinnliche Bedeu-tung und Gestalt annahm daszlig die Materie fuumlr sich selbst nichtals Attribut Gottes sondern als selbstaumlndiges Subjekt das ober-ste und wesenhafteste Objekt und Prinzip ihres Denkens undselbst8 Lebens wurde es war eine notwendige und insofernnicht zu beklagende Folge daszlig die Materie und zwar nichtbloszlig in abstracto wie z B bei dem Englaumlnder Hobbes9 son-dern in concreto die sinnliche Materie zum Kriterium derWirklichkeit selbst erhoben wurde das nur was materiell wassinnlich und sinnfaumlllig fuumlr wahr und wirklich was nicht mate-

1 Im Ms folgt gestr auszusp[rechen]2 Der folgende Abschnitt So entgegengesetzt auch als Art stuumlnde

In BwN 1 Bd S 324-326 unter bdquoSpinoza der Vater des Sensua-lismusldquo SW BJ 4 Bd S 395-396 ndash entsprechender Hinweis imMs am Rande von fremder Hand bdquoWerke 4 395ldquo ndash unter bdquoSpinozaund der Sensualismusldquo mitgeteilter Abschnitt aus den ErlangerVorlesungen Hinweis fehlt in A

3 die Systeme in den Systemen A BwN SW BJ4 sind ist A BwN SW BJ5 Vgl B Spinoza Ethica pars secunda In Opera quae supersunt

omnia hellip a a O Propos II S 796 Satz aussprach [so auch A] Satze aussprach Gottes BwN

SW BJ7 sie natuumlrlich [so auch A] sie selbst sich natuumlrlich dieses Grundes

BwN SW BJ8 selbst fehlt in BwN SW BJ9 bei Hobbes [so auch A] durch Hobbes bei den Englaumlndern BwN

SW BJ

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riell fuumlr unwirklich galt Der oberflaumlchliche platte1 abspre-chende2 alles Tiefere3 alle Metaphysik und Spekulation verla-chende4 Verstand eines Voltaire der uumlbrigens seine groszligenVerdienste hat samt seinem Beifall und groszligem Anhang5 dener in ganz Europa fand war hiervon ein unausbleibliches Phauml-nomen denn wenn das Sinnliche als solches folglich dasHandgreifliche das Augenscheinliche zum Kriterium der Rea-litaumlt erhoben wird was hat das tiefere Denken noch fuumlr eineBedeutung die Plattheit ist ja zum Prinzip gemacht6 Voltaire7

machte sich lustig uumlber den Pantheismus des Spinoza als einesmetaphysischen Traumlumers er sah nicht ein ndash und keiner siehtes ein wenn er nicht die Erscheinungen in ihren groszligen Zu-sammenhaumlngen8 betrachtet ndash daszlig er eigentlich nur ein Kind desSpinoza oder wenigstens des9 Geistes der sich in einemSp[inoza] ein10 reelleres Dasein gab als in ihm und zwar einrecht loses ungezogenes ausgelassenes Kind11 das sich des-wegen selbststaumlndig duumlnkt weil es zu kurzsichtig ist12 seinenVater zu erkennen ja wir koumlnnen ihm nicht einmal die Ehre26 lassen ihn13 ein Kind des Spinoza zu nennen14 wenn wirnaumlher auf seine und seinesgleichen Abstammung eingehen DieMutter des Spinoza war die Materie15 den sie in16 der Vereini-gung mit dem denkenden Geiste aus ihrem geheimnisvollen 1 platte glatte A2 Im Ms folgt absprechende3 platte Tiefere fehlt in BwN SW BJ4 verlachende [so auch BwN SW BJ] entbehrende A5 seinem Anhang [so auch A] dem groszligen Beifall und Anhang

BwN SW BJ6 die Plattheit gemacht fehlt in BwN SW BJ7 Im Ms folgt gestr spottete und8 ihren Zusammenhaumlngen [so auch A] ihrem groszligen Zusammen-

hang BwN SW BJ9 des Spinoza des [so auch A BwN] des naumlmlichen SW BJ10 ein [so auch A] einen Ms11 In BwN SW BJ folgt war12 In BwN SW BJ folgt um13 Im Ms folgt gestr ohne Einschraumlnkung14 wir koumlnnen zu nennen [so auch A] es fragt sich ob wir ihm die

Ehre der Kindschaft lassen koumlnnen BwN SW BJ15 Die Mutter die Materie [so auch A] Die Materie war die Mutter

des Spinoza BwN SW BJ16 in [so auch A] nach BwN SW BJ ndash Im Ms folgt gestr Ge-

mei[nsamkeit]

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Schoszlige gebar denn die Materie ist mit dem Denken nur Attri-but der Substanz Aber Voltaire hatte nur die Mutter mit demSp[inoza] gemein er war eine1 Frucht der Lust der Vater warnicht der wahre der rechtmaumlszligige Vater der es sein sollte der2

gemeine Menschenverstand Die Materie die bei Sp[inoza] dieFrucht des tiefsten Denkens war die er daher auch nur als eineSpezies faszligte und sie3 auf eine houmlhere Gattung reduzierte wur-de von4 Voltaire und den franzoumls[ischen] Materialisten so der5

Gegenstand ihrer Anschauung daszlig sie sich ganz und gar in sievergafften sie fuumlr eine Frucht6 hielten die gar nicht unt[er]7

einem houmlheren Gattungsbegriff als Art stuumlnde8

1 eine die Korr im Ms2 der rechtmaumlszligige der [so auch A] rechtmaumlszligige Vater sondern

SW BJ3 sie fehlt in BwN SW BJ4 von [so auch A] bei BwN SW BJ5 so der [so auch A] in dem Maszlige BwN SW BJ6 eine Frucht [so auch A] ein Wesen BwN SW BJ7 unter zu Korr im Ms8 die gar stuumlnde [so auch A] das gar nicht im Verhaumlltnisse der Art

zu einem houmlheren Gattungs-Begriffe staumlnde BwN SW BJ

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IV Vorl[esung] [Boumlhme Der Pantheismus in Italien]1

Die Idee von der Einheit der Welt mit Gott war daher die imInnern der Menschheit herrschende Idee Nur daher kam esdaszlig die Welt fuumlr sich selbst die Materie an und fuumlr sich alsoberstes Prinzip sich in den Menschen die die Welt nicht alsMetaphysiker nicht in ihrer Synthesis mit diesem2 Prinzipselbst betrachteten fixieren konnte daszlig uumlberhaupt die Welt sodas Objekt praktischer und theoretischer Taumltigkeit werdenkonnte als sie es in neuerer Zeit war Und diese Idee war sosehr die innere Substanz der neuern Zeit d h die den Men-schengeist im Innersten beherrschende Macht daszlig sie3 selbstbis in die Huumltte des gemeinen Mannes eindrang daszlig sie selbstdem befangnen nicht durch wissenschaftl[ichen] Geist befrei-ten religioumlsen Gemuumlte und zwar dem im strengsten Sinne desChristentums religioumlsen Gemuumlt so sehr es sich auch dagegenstraumlubte als ein ihm zunaumlchst widersprechendes Wesen mitGewalt sich aufdrang Die merkwuumlrdigste Erscheinung in die-ser Art ist der bekannte Goumlrlitzer Schuster Jakob Boumlhm[e] SeinDichten und Trachten ist kein anders als Gott als ein wirkli-ches gegenwaumlrtiges Wesen und damit das Wirkliche als seinemPrinzip nach mit Gottes Wesen Identisches zu begreifen Erspricht sich hieruumlber mit aller ihm zu Gebote stehender Kraftja selbst mit sinnlicher Derbheit und Grobheit aus bdquoAlso koumln-nen wir mitnichten sagenldquo spricht er bdquodaszlig Gottes Wesen et-was Fernes sei das eine sonderliche Staumltte oder Ort besitzeoder habe dann der Abgrund (d i das Prinzip d[as] Wesen)der Natur und Kreatur ist Gott selberldquo4 bdquoSo Du einen Stern einTier Kraut Stein oder irgend eine Kreatur betrachten5 willstsollst Du nicht denken daszlig sein Schoumlpfer irgend weit uumlber denSternen in einem Himmel wohne sondern er ist in dem Ge-schoumlpfe selbstldquo6 bdquoWann Du ansiehest 271 die Tiefe und die

1 So auch A ndash Am Rande l Verweis auf IV Vorlesung2 diesem ihrem [] Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr sich4 J Boumlhme Der Weg zu Christo Buch 7 In Alle theosophischen

Wercken T 8 Amsterdam 1682 cap 3 13 S 1875 betrachten begreifen Korr im Ms6 Vgl J Boumlhme Aurora In Alle theosophischen Wercken T 2 a

a O cap 2 18 Vorrede vgl ebenda cap 3 8 S 15 vgl ebendacap 23 10 11 und 13 S 300-301 vgl ebenda cap 25 17 S 328

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Sternen und die Erden so siehest Du Deinen Gott und in dem-selben Gott lebest und bist Du auchldquo2 bdquoEs duumlrfte mancher wohlsagen Was waumlre das fuumlr ein Gott dessen Leib Wesen undKraft in3 Feuer Luft Wasser und Erde stuumlnde Siehe Du unbe-greiflicher Mensch ich will Dir den rechten Grund der Gottheitzeigen Wo dieses ganze Wesen nicht Gott ist so bist Du nichtGottes Bild[e] wo4 irgend ein fremder Gott ist so hast Dukeinen Teil an ihm[e]ldquo5 bdquoSo Du eine andere Materia bist alsGott selber wie wirst Du denn sein Kind seinldquo6 bdquoGott hat alleDinge aus Nichts geschaffenldquo ndash Nichts steht hier nur dem Et-was was in der alten Sprache Ichts bedeutet entgegen undbedeutet soviel als unbestimmtes Wesen entgegengesetzt ei-nem schon bestimmten und besondern Wesen ndash bdquound dasselbeNichts ist er selberldquo7 Endlich bdquoDa nun Gott diese Welt samtallem hat erschaffen hat Er keine andere Materiam8 gehabtdaraus er es machte als sein eigen Wesen9 als aus sichselbstldquo10 bdquoDenn man kann nicht sagen daszlig in Gott sei Feuerbitter oder herbe viel weniger Luft Wasser oder Erde alleinman siehet daszlig es daraus geworden ist Man kann auch nichtsagen daszlig in Gott sei Tod oder houmlllisch Feuer oder Traurig-keit allein man weiszlig daszlig es daraus ist worden So muszlig manforschen den Quell der Ursachen was prima materia ist zurBosheit und dasselbe in Urkund Gottes sowohl als in Kreatu-ren Denn das ist im Urkund alles ein Ding es ist alles ausGottldquo11 bdquoWir befinden wie wir also ganz irrig und blind ge-

vgl auch J Boumlhme Hohe und tieffe Gruumlnde von dem DreyfachenLeben In Alle theosophischen Wercken T 4 a a O cap 1 51S 16

1 Am Rande Verweis auf IV Vorlesung2 Vgl J Boumlhme Aurora a a O cap 23 9 S 3003 in im Ms fehlt in A4 Im Ms folgt gestr Du5 J Boumlhme Aurora a a O cap 23 3-4 S 2996 Ebenda cap 23 6 S 2997 J Boumlhme De Signatura Rerum In Alle theosophischen Wercken

T 10 cap 6 8 S 448 Materiam Materie Ms9 Im Ms folgt als10 Vgl J Boumlhme Beschreibung der drey Principien In Alle theoso-

phischen Wercken T 3 cap 1 3 S 1111 Vgl ebenda cap 1 5 S 12

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fuumlhrt werden da man uns viel von Gottes Willen1 sagt undbildet die Gottheit immer als ein fremd Wesen fuumlr das fernevon uns sei als ob Gott ein fremd Ding seildquo2 bdquoWie wolltest Du[denn] nicht Macht haben zu reden von Gott der Dein Vaterist des Wesen Du selber bistldquo3 bdquoEs ist eine Hoffart die Dirdas Suchen verbeut4 [verbietet]ldquo5 bdquoLaszlig Dich ja nicht betoumlrendie Gleisner die nur Historiengelehrte sind sie verstehen nichtihre6 Muttersprache verstuumlnden sie die recht so erkennetensie darinnen die Naturldquo7 Schon aus diesen wenigen Stellenerhellt [sich] daszlig auch der fromme Schuster Jak[ob] Boumlhm[e]der eine so merkwuumlrdige Erscheinung ist wie es wenige indieser Art gibt kein geringeres Objekt sich zu s[einer] Aufgabestellte als das was wir mit einem Worte Materie nennen koumln-nen in ihrer Wesenhaftigkeit und damit in Gott zu begreifenSein Bestreben ist kein andres als es nicht bei dem WillenGottes zu belassen der Wille ist nicht Grund sondern an demBestimmten an der Materie den bestimmten Grund in Gott8 zufinden

Man hat die neure Zeit als deren9 Geist man gewoumlhnlich denProtestantismus bezeichnet was aber ein zu beschraumlnkter undselbst negativer Ausdruck ist daher wir auch den Namenpantheistischer Sinn waumlhlten als einen Suumlndenfall bezeichnetSelbst Rixner nennt sie so jedoch mit der Beschraumlnkung daszligsie bdquoein notwendiger und in s[einen] Folgen durch Gottes 28gnaumldige Verfuumlgung auch sogar wohltaumltiger Suumlndenfall seildquo10

1 Willen Wesen Korr im Ms2 Vgl J Boumlhme Von der Menschwerdung Jesu Christi 2 Thl In

Alle theosophischen Wercken T 6 cap 6 16 S 143-1443 Vgl J Boumlhme Beschreibung der drey Principien a a O cap 4

7 S 284 verbeut verbaut A5 J Boumlhme Hohe und tieffe Gruumlnde a a O cap 2 2 S 186 ihre die Ms7 Vgl J Boumlhme Hohe und tieffe Gruumlnde a a O cap 2 2 S 18 ndash

verstuumlnden Natur in der Muttersprache erkennt man die NaturMs

8 in Gott Gottes A9 deren dessen Ms A10 Th A Rixner Geschichte der Philosophie der neuern und neuesten

Zeit In Handbuch der Geschichte der Philosophie Bd 3 Sulzbach1823 S 6

40

Es ist dies eine ganz oberflaumlchliche1 Betrachtung der Ge-schichte [daszlig] das was in seinen Folgen gut und wohltaumltig seinicht auch in seinem Grunde und Prinzip gut es ist trivial undoberflaumlchlich das was notwendig ist notwendig in houmlhermSinne nicht auch per se als etwas Gutes und Positives zu be-greifen sondern es erst durch seine Folgen als ein solches zuerkennen denn entweder waren diese Folgen accidentel [zufaumll-lig] d h nicht in dem selbst gelegen dem man gute Folgen2

zuschreibt sondern in aumluszligern davon unterschiednen Gruumlndenund es bleibt aber als etwas an sich Uumlbles stehen oder es warenseine eignen Folgen sie lagen in seinem Wesen aber dann wares eben fuumlr sich selbst etwas Gutes Notwendiges abgesehenvon seinen Folgen die3 alleroberflaumlchlichste und4 Gottes un-wuumlrdigste Vorstellung ist es aber zu meinen daszlig Gott etwasgeschehen lasse etwas an sich Uumlbles zulasse dann aber hin-tendrein nachflicke5 es so6 hin und her zu drehen und zu win-den wisse daszlig doch noch etwas Passables und Ertraumlglichesherauskomme Man unterwirft dann Gott den Grundsaumltzen derJesuiten bei denen das Mittel den Zweck7 heiligt Ein Suumlnden-fall war allerdings die neure Zeit wie jede Zeit die8 ein neuesPrinzip hervortreibt indem das Alte immer und von jeher alsdas Heilige galt und die Eva die den Menschen verfuumlhrte wardie Materie Aber es war gut an und fuumlr sich notwendig undheilsam an und fuumlr sich selbst goumlttliche Ordnung und Bestim-mung daszlig bdquoder schoumlne phantastische Traum des gemuumltlichenVolkslebens des Mittelalters das im Glauben und Gefuumlhl mehrals in der Anschauung und im Begriffe lebte und sich seligfuumlhlte ohne sich zu begreifen auf immer zerstoumlrt wardldquo9 Wiegroszlig und tief uumlbrigens die Gemuumltlichkeit jener Zeit war be-weist hinlaumlnglich die diabolische Grausamkeit und Verrucht-heit der Inquisitions- und Hexenprozesse

1 Im Ms folgt gestr Anschau[ung]2 Folgen [so auch A] Folge Ms3 die am Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr auff []5 nachflicke nachflecke A6 Im Ms folgt gestr zu7 Im Ms folgt gestr ver8 Im Ms folgt gestr sich9 Th A Rixner Geschichte der Philosophie der neuern und neuesten

Zeit a a O S 6

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Die Philosophie der neuern Zeit beginnt daher wo wir denPantheismus oder wenigstens pantheistischen Sinn sich als undin der Philosophie ausgesprochen finden Dies ist aber der Fallin Italien

29 Dort war es uumlberhaupt wo der Mensch wieder zuerst aufdas Quellenstudium im weitesten Sinne des Wortes zuruumlckgingauf die Quellen die die Quellen des Lebens der Ursprungselbst der Geschichte sind auf das eigne Selbstbewuszligtsein aufdas selbststaumlndige Denken d h auf die eigne autoritaumltsfreieAnschauung und Betrachtung der Welt und Natur und damitauf die Quellen denn nur dort beginnt die Geschichte wo derMensch Selbstdenker wird wie das Individuum1 erst da ausdem Traum der Kindheit tritt erst da der Begriff der Zeit ihmentsteht sein Leben in sukzessiver Entwicklung wahrnimmtwo er2 sich als Ich erfaszligt d i zu denken anfaumlngt Dort zwei-felte er zuerst an dem was ihm seine Lehrer und Ammen alswahr eingepraumlgt und namentlich von den fernen Landen derGriechen und Roumlmer welche sie nur aus der Tradition kanntenerzaumlhlt hatten machte sich neugierig selbst auf die Beine uman Ort und Stelle die Wahrheit ihrer Erzaumlhlungen zu pruumlfenDort trennte er sich zuerst von seiner bisherigen Heimat lerntemit fremden Zungen reden und erweckte aus dem Staube einealte laumlngst vergeszligne oder wenigstens nur dunkel bekannteZeit um dadurch eine neue Zeit zu begruumlnden Dort uumlberzeugteer sich daher auch zuerst daszlig es ganz anders in der Welt aus-sieht als es ihm seine Beichtvaumlter und Scholastiker vorgestellthatten gewahrte er wieder zu seiner groumlszligten Uumlberraschung ndashman sollte nicht denken daszlig so etwas die Menschheit verges-sen kann aber es ist doch so daszlig er eigne Augen zum Sehenund eignen Geschmack zum Pruumlfen und Untersuchen der Dingehat verwarf er daher auch mit jugendlicher uumlbermuumltiger Lei-denschaft was seinen Vaumltern teuer ja heilig war dort beganner demnach ndash und muszligte er nach dem Gesetz der Einheit unddes Zusammenhangs das alle Phaumlnomene und Aumluszligerungen desGeistes zu einem Ganzen verbindet beginnen ohne historischeUnterlage und Vorschrift zu philosophieren

30 In Italien wurde das Studium des Altertums dessen Be-deutung wir schon fruumlher gruumlndlich zu erklaumlren suchten be-kanntlich wieder erweckt Wir muumlssen sie noch aus einer an- 1 das Individuum der Mann Korr im Ms2 er es Korr im Ms

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dern1 Seite betrachten Fried[rich] Schlegel in s[einer] Ge-schichte der alten und neuen Literatur lehnt sich dagegen aufdaszlig man die Epoche des 15 und 16 Jahrh[underts] oft imallgemeinen eine Wiederherstellung oder gar Wiedergeburt derWiss[enschaften] nenne Eine Wiederherstellung der grie-ch[ischen] Liter[atur] und des Altertums sei es wohl gewesenindem das historische Wissen erweitert worden sei aber nichteine Wiedergeburt da diese nur ein neues von Innen empor-flammendes Leben sein koumlnne2 Allerdings beginnt die eigent-liche Wiedergeburt des menschl[ichen] Geistes als ein vonInnen selbstaumlndig entspringendes Leben erst spaumlter oder we-nigstens die Fruumlchte derselben treten erst spaumlter auf nachdemman das klass[ische] Altertum sozusagen verdaut hatte Aberdoch war es schon eine Wiedergeburt Was fuumlr uns jetzt einGegebenes ist was sich fuumlr uns sozusagen von selbst verstehtwas von Mund zu Mund von Hand zu Hand jetzt geht als einererbtes das wurde damals erzeugt3 Und dazu gehoumlrte aller-dings ein neuer von Innen wirkender Geist Friedr[ich] Schle-gel sucht ebendaselbst den Vorwurf der Traumlgheit von demMittelalter zu entfernen Allein diese Traumlgheit kann man anihm nicht leugnen wenn Traumlgheit es ist sich mit der Uumlberliefe-rung zu begnuumlgen statt die Urkunden zu studieren4 Aristoteleswar so allgemein verehrt und bewundert ja galt als eine Auto-ritaumlt und doch bekuumlmmerte man sich nicht einmal darum washat denn eigentlich Aristoteles selbst gesagt was ist denn derSinn der objektive eigentliche nicht hineingetragne Sinnseiner Lehrsaumltze Man hat diese Unbekanntschaft mit demQuellenstudium nicht auf Rechnung aumluszligrer Hindernisse undUmstaumlnde zu bringen denn die Verbindung mit Griechenlandwar nie ganz unterbrochen und waumlre es auch mit groszligenSchwierigkeiten verbunden gewesen was sind aumluszligre Hinder-nisse dem Wissenstriebe der sich uumlberall hin Bahn bricht demkeine Berge zu hoch keine Wuumlsteneien5 zu schrecklich sindEs war nur die Traumlgheit daszlig sie auf den Eselsbruumlcken der

1 einer andern einandern Ms2 Vgl F Schlegel Geschichte der alten und neuen Literatur Thl 2

Wien 1815 S 77-783 Im Ms daruumlber gestr von Innen heraus geholt4 der studieren dem zu begnuumlgen daruumlber nicht hinauszugehen

was andre gedacht haben Korr im Ms5 Wuumlsteneien Wuumlstereien A

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Uumlbersetzungen und Kommentare des Aristot[eles] stehen blie-ben Aber diese Traumlgheit selbst worin hatte sie ihren GrundEs war uumlberhaupt die Macht der Autoritaumlt die Macht der Tra-dition die die Geister beherrschte Es fehlte dem Mittelalter diehohe Kraft des Zweifels die Kraft sich selbst durch eigne Pruuml-fung und Untersuchung und Anschauung mit einem Wortedurch Autopsie sich von der Beschaffenheit oder dem Weseneiner Sache zu uumlberzeugen es fehlte ihm 31 der Mut der He-terodoxie Daher auch namentlich im Gebiete der Naturwis-senschaften wir solchen Tollheiten und wirklichen Albernhei-ten1 selbst die ersten freien Denker2 denen noch das Mittelalterin dieser Beziehung anklebte ohne alle Kritik Glauben schen-ken sehen Wie der Priester [als] der Mittler zwischen Gott unddem Laien wirkte so blickte3 uumlberhaupt der menschliche Geistdurch ein Medium durch die Physik des Aristoteles die Naturdurch Uumlbersetzungen selbst den Aristoteles an Es fehlte dieunmittelbare Anschauung die unmittelbare Uumlberzeugung mandachte und schrieb selbst in einer fremden uumlberlieferten Spra-che und dachte und sprach selbst diese Sprache nicht in ihrerselbsteignen originalen urspruumlnglichen Form und Gestalt manbegnuumlgte sich selbst in den dem Menschen eigensten naumlchstenAngelegenheiten mit Dolmetschern Die Wiedererweckung desStudiums der alten Sprachen und Literatur hat daher nicht nureine Bedeutung der bloszligen Bereicherung und Erweiterung eshatte nicht bloszlig eine quantitative sondern wesentlich qualitati-ve eine unendlich tiefere und allgemeinere Bedeutung Esgehoumlrte dazu damals ein neuer wiedergeborner Geist derGeist der nichts andres4 keine Mittelsperson zwischen sichund den Gegenstaumlnden seines Interesses duldet der kein Dingin einem fremden sondern in seinem eigenen Lichte schauenwill waumlhrend es fuumlr uns jetzt wo dieses Studium selbst eineaumluszligere Notwendigkeit geworden ist fuumlr alle die sich zu Staats-aumlmtern ausbilden als etwas ganz Natuumlrliches erscheint5 Der-selbe Geist der die Reformation erzeugte indem man hier aufdie ersten historischen Urspruumlnge und Quellen des Christen-

1 Im Ms A folgt wir2 Denker [so auch A] Denkern Ms3 blickte erblickte Korr im Ms4 andres Fremdes Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Aber das Ei des Kolumbus hat auch hier seine

Anwendung

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tums zuruumlckging der die Entdeckungen in der Physik undNaturwissenschaft erzeugte indem man hier auf1 die Quellenauf eigne Beobachtung Erfahrung und Untersuchung zuruumlck-kehrt[e] der die neuere Philosophie hervorrief indem man ausdem Born der Vernunft schoumlpfte nachdem man den Strom derGeschichte bis auf seine Quelle verfolgt hatte derselbe Geistwar es der auch das Studium des Altertums wieder erweckteund daszlig dieser Geist ein neuer von innen emporflammenderein wiedergeborner Geist war wird man wohl nicht in Abredestellen2 Und wie wenig urspruumlnglich dieses Studium ein toteswar und s[einem] Wesen nach ist wie sehr [es] eins ist mitdem selbst schaffenden Geiste beweist die Tatsache daszliggleichzeitig und in denselben Individuen zuerst die eigne pro-duktive Kraft und das Studium und die Lehren des Altertumserwachten Man denke nur an Dante Petrarca der das Grie-chische von einem Moumlnch erlernt hatte den Cicero und Senecafleiszligig studierte und besonders an Bocca[c]cio

32 Die erste Erscheinung des neuern Geistes in der Philoso-phie war daher (und es konnte auch keine andre sein) die daszligman den Aristoteles von Angesicht zu Angesicht kennenlernteihn in seiner urspruumlnglichen Gestalt wiederherstellte ndash was fuumlrdamals schon ein wichtiger bedeutender Schritt war so geringer uns jetzt erscheint ndash und nicht den Aristoteles allein sondernauch die uumlbrigen Philosophien des Altertums namentlich diePlatonische Neuplatonische und selbst orientalisch-kabba-listische Philosophie erneuerte und unmittelbar sie3 selbst inihren Originalwerken studierte Das exklusiv-monotheistischePrinzip des Mittelalters hatte sich in der Philosophie4 in deralleinigen5 ausschlieszliglichen Herrschaft des Aristoteles ausge-sprochen Jener universale pantheistische Sinn aumluszligerte sichdaher darin in der Philosophie daszlig6 sich jetzt in ihr7 ein allge-meiner Sinn fuumlr Philosophie uumlberhaupt und damit auch fuumlrunterschiedene Arten oder Systeme der Philosophie eine8

1 Im Ms folgt gestr eigne2 stellen [so auch A] reden Ms3 sie aus sie Ms aus sich A4 Im Ms folgt gestr auch5 Im Ms folgt gestr Herrs[chaft]6 Im Ms folgt gestr er7 Im Ms folgt gestr als8 eine als Korr im Ms

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Faumlhigkeit sich die Gedanken anderer anzueignen1 ja die ver-schiedenartigsten sich entgegengesetztesten Anschauungen insich zu vereinen entwickelte2 der Geist eben durch diesen3

erweiterten Sinn4 fuumlr Philosophie uumlberhaupt die Idee selbst derPhilosophie wieder erfaszligte und durch die5 Befreiung von derSchranke eines bestimmten Systems sich uumlberhaupt von einerbindenden historischen Macht und Unterlage6 losmachte und sonach eignen Prinzipien zu philosophieren begann in der innernGewiszligheit und Uumlberzeugung daszlig die Vernunft kein monothei-stisches sondern pantheistisches Wesen ist daszlig sie sich nichtin einem oder in einigen mit Ausschluszlig der uumlbrigen In-div[iduen] ebensowenig in einem bestimmten Prinzip konzen-triert und inkorporiert daszlig sie ein allgemeines jedem sichoumlffnendes jeden erleuchtendes Licht und Wesen ist

Ein so wichtiges wesentliches und erfolgreiches Moment inder Geschichte der Philosophie aber auch die Wiederherstellerdes Platon Aristoteles und andrer Philosophen waren so habendoch die reinen und echten Peripatetiker und Platoniker nur einhistorisches kein gegenwaumlrtig[es]7 philosophisch[es] Interessekein Interesse in dem Sinne als der Geschichte der Phi-los[ophie] zukommt Wie der Anfang der Geschichteuumlberh[aupt] so ist der der Geschichte der Philos[ophie] erst dazu suchen wo der Mensch juxta propria principia [gemaumlszlig denihr eigenen Prinzipien] philosophiert Als ein solcher Anfaumlngerbegegnet uns zuerst Bernardinus Telesius 1508 geb[oren] zuCosenza im Neapolitanis[chen] der s[eine] Schrift unter demTitel De natura [rerum] juxta propria principia8 sch[rieb]

1 Im Ms folgt gestr aussprach2 entwickelte [so auch A] aussprach Korr im Ms3 der diesen und dann eben die Folge dieses Korr im Ms4 Sinn Sinnes Korr im Ms5 die die fuumlr die Idee der Philosophie und die Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr sich7 gegenwaumlrtig[es] gegenwaumlrtig A8 Die ersten beiden Buumlcher von bdquoDe rerum natura iuxta propria

principialdquo erschienen 1565 in Rom eine erweiterte Ausgabe 1570in Neapel die gesamte aus neun Buumlchern bestehende Schrift er-schien 1586 in Neapel

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V [Vorlesung] [Telesius Campanella Bruno]1

Aber2 eben deswegen wegen dieser Einheit sozus[agen] derKunst mit der Natur schrieb P[aracelsus] ihr eine houmlhere Be-deutung und Macht zu Und ob dieser Bedeutung die er ihrgab steht P[aracelsus] im innigsten Zusammenhang mit demallgemeinen Prinzip der neuern Zeit3 Denn wie die Einheit derNatur mit dem Geiste das wesentliche Objekt und Ziel derneuern Philosophie nicht eine Einheit der Vermischung oderGleichsetzung ist sondern eine Einheit der Subordination inder der Geist das Prius die Substanz der Natur ist so ist zugleich das Bewuszligtsein von der Natur das Selbstbewuszligtseindes Geistes die Erkenntnis von ihr die Macht uumlber sie Unddieses Selbstbewuszligtsein des Geistes muszligte sich auch notwen-dig aussprechen als Bewuszligtsein von der Hoheit und Macht derKunst das auch Baco wie Paracelsus hatte indem er mit derBegruumlndung der Naturwissenschaft der Kunst zu experimen-tieren zugleich die Macht des Menschen uumlber die Natur zubegruumlnden sich strebte bdquoPotentia et scientia in unumcoincidunt Natura enim non nisi parendo viciturldquo [Wissenund Macht laufen auf dasselbe hinaus Die Natur wird naumlmlichnicht ohne ihr nachzugeben besiegt]4

Verwandt mit den beiden von Helmont und Paracelsus inHinsicht besonders des Ursprungs der Erkenntnisse ist ValentinWeigel (dagger 1588) der uumlbrigens mehr in religioumlser Beziehung in

1 So auch A2 Aber zu betrachten ist Einschub aus Feuerbachs handschriftli-

chem Nachlaszlig (Einlageblatt zu v Helmont Paracelsus V Weigelohne Paginierung) Fehlt in A

3 Im Ms folgt gestr Denn mit dem Sichselbsterfassen dem Selbst-bewuszligtsein des Geistes wurde auch notwendig gesetzt das Bewuszligt-sein von der Hoheit und Macht der Kunst ein Bewuszligtsein das auchBaco so lebendig aussprach wenn er die Restauration der Naturwis-senschaft zugleich eine Restauration der menschlichen Macht nenntder daher auch in dieser Beziehung im Zusammenhang mit Paracel-sus steht

4 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellipFrancofurti 1665 lib I Aph III S 279 Zitat lautet bdquoScientia ampPotentia humana in idem coincidunt quia ignoratio causae destituiteffectum Natura enim non nisi parendo vincitur ldquo

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einer Geschichte der Mystik zu betrachten ist 331 Koumlrperohne bestimmte Figur aber bereitwillig und faumlhig zu jedweder2

Form denn die Materie des Aristoteles die selbst kein Koumlrpersein soll ist dem sinnlichen Italiener [Telesius] eine bloszligeChimaumlre Materialitaumlt ist ihm Koumlrperlichkeit doch die der Ma-terie entgegengesetzten wirkenden Ursachen Waumlrme also und

1 Am Rande Verweis auf Paginierung S 17 ndash Am Rande Wie der

Anfang der griech[ischen] Philos[ophie] die jonische Naturphiloso-phie so war auch die Naturphilosophie der Anfang der Phi-los[ophie] der neuern Zeit Die Natur ist uumlberh[aupt] das erste Ob-jekt welches den Menschen frappiert sie muszligte es aber um so mehrin der neuern Zeit sein je laumlnger ihr der Menschengeist entzogenw[urde] je groumlszliger die Uumlberraschung war als er sich ihr wieder mitoffnem Sinne nahte und je tiefer die Bedeutung war in der sie demMenschen Gegenstand wurde eine Bedeutung die wir fruumlher [vglVorlesung IV S 37f] schon angaben Der unmittelbaren und freienAnschauung und Philos[ophie] der Natur stand aber die damals all-gemein geltende Physik des Aristoteles entgegen Gegen sie muszligtedaher vor allem sich gewendet w[erden] Und so wurde ihr denn[Und denn Ihr wurde daher Korr im Ms] auch von den erstenfreien philos[ophischen] Koumlpfen Italiens aus allen Kraumlften oppo-niert [Im Ms folgt gestr und] Lebendigere einfachere wahre ausden Sinnen aufgegriffne Prinzipien wurden den scholastisch-aristot[elischen] Prinzipien entgegengesetzt Der Sinn uumlberh[aupt]und die sinnliche Anschauung auch im Gebiete des Denkens [wur-den] zum Teil uumlber ihre gebuumlhrenden Grenzen zu ihrem Rechte undihrer Bedeutung die sie verloren hatte[n] erhoben So sind Waumlrmeund Kaumllte die der sinnl[ichen] Wahrnehmung am meisten durch ihreWirkung auffallende und einsichtige Maumlchte [und MaumlchteMaumlchte und einsichtig Korr im Ms] und es ist [es ist sie habensich Korr im Ms] daher nicht zu verwundern wenn wir sie von den[Im Ms folgt gestr ersten Denkern] Anfaumlngen der Naturphiloso-phie selbst zu den allgemeinen Prinzipien wie dies schon in aumlltererZeit von Hippokrates und andern getan erhoben sehen

Der genannte Telesius war es der sie im Gegensatz gegen diearistot[elische] Physik zu Prinzipien machte und nach ihm ThomasCampanella (geb 1568) ein Mann von groumlszligerer Bedeutung undumfassenderem Geiste der die Philosophie in allen ihren Teilenumzugestalten bemuumlht [war] ein Mann beruumlhmt 34 auch durchseine harten Schicksale die [er] in nicht weniger als einer27jaumlhrigen martervollen Gefangenschaft zubrachte [zubrachte [er-litt] A]

2 Koumlrper jedweder Im Ms daruumlber unleserl Erg

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Kaumllte welche1 die Materie2 als die gemeinschaftliche Basisoder das koumlrperliche Substrat ihrer Wirkungen bearbeiten umsie zu der ihrigen zu machen und so zwei urspruumlngl[iche]Weltkoumlrper bildeten die Waumlrme den Himmel aus der uumlber-wundnen und verduumlnnten Materie die Kaumllte die Erde aus den3

verdichteten Teilen Diese beiden Koumlrper4 oder ElementeHimmel oder die Sonne und die Erde haben aus sich alle man-nigfaltigen und besondern Dinge erzeugt durch gegenseitigenKampf gegeneinander Denn die von der Sonne ausstroumlmendeWaumlrme strebt auf die Vernichtung der Erde und die aus demInnern der Erde hervorstroumlmende Kaumllte arbeitet an dem Ruindes Himmels Weil aber keines das andre bewaumlltigen kannentstehen aus diesem Kampf Mittelwesen entia media Aberweil die Sonne bei weitem maumlchtiger ist als die Erde so gieszligtsie in alle ihre Erzeugnisse ihre eigne Natur die Waumlrme einDenn alle Wesen haben im Innern Waumlrme omnia enim entianostra natura calida sunt und an einer andern Stelle omniaocculto vivunt calore [in allem was lebt ist Waumlrme verbor-gen] Die Sonne durchdringt naumlmlich die Erde aber weil ihr dieKaumllte und Dichtigkeit Widerstand leistet so kann sie den irdi-schen Wesen nicht denselben Grad der Waumlrme Duumlnnheit undWeiszligheit (Lichtheit) geben 34 den sie selbst besitzt sie gibtihnen daher einen mittleren zwischen der Dichtigkeit der Erdeund ihrer eignen Duumlnnheit zwischen5 innen stehenden Gradeine mittlere Bewegung eine mittlere Waumlrme Denn obgleichdie Waumlrme der Sonne weit die Kraft der Kaumllte uumlberwiegt sokann sie doch nicht die Erde verbrennen und in sich selbstverwandeln weil die Waumlrme sich mit reiszligender Schnelligkeitfortbewegt und nie dieselbe Oberflaumlche der Erde bescheint6

Torheit7 ist es daher dem Camp[anella] Waumlrme und KaumllteLicht und Finsternis wie die Scholastiker und Aristoteliker fuumlr 1 Im Ms folgt gestr auf2 Im Ms folgt gestr indem []3 Im Ms folgt gestr zusammengerafften und4 Im Ms folgt gestr unleserl Wort5 zwischen mitten Korr im Ms6 Vgl B Telesio Bernardini Telesii Consentini De Rerum Natura

Iuxta Propria Principia Libri IX Neapoli 1586 lib I cap I-VIS 2-10

7 Am Rande Alle Farben sind zusammengesetzt dem C[ampanella]aus dem Licht der Sonne und der Finsternis der Materie Das Lichtselbst ist nichts andres als die Farbe die Gestalt species gleichsam

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Akzidenzen zu halten da sie vielmehr die wesentlichsten Ten-denzen der Natur [sind] maxime sunt intenta a natura undohne sie die Welt nichts waumlre

Die sinnliche Tendenz der italienischen Naturphilosophiespricht sich in ihrem Gegensatze gegen die abstrakte Formu-larmethode der Scholastik am deutlichsten und1 schaumlrfsten inder Auffassung der Erkenntnis des Allgem[einen] und der2

Sinne aus Die Erkenntnis des Allgemeinen sagt Campanellaerheben die Scholastiker auf eine houmlchst ungeschickte Weise

das Antlitz facies die Erscheinung der Waumlrme Ja Licht und Waumlr-me s[ind] synonym bedeuten dieselbe Sache Die Waumlrme wie sieden Augen Gegenstand ist heiszligt Licht wie dem Gefuumlhl Waumlrme dieFinsternis aber ist die Farbe der Materie

Das Ungenuumlgende dieser Naturansicht [Im Ms folgt braucht nichtbesonders] erhellt [sich] von selbst Schon Baco von Verulam hattriftige Gruumlnde dagegen erhoben Aber es [Im Ms folgt gestr istganz] kommt nicht immer gerade auf das Was an auf das Be-stimmte was einer ausgesprochen sondern vorzuumlgl[ich] bei allenAnfaumlngen auf die Tendenz Auch das bloszlige Wagnis ist schon Ge-winnst Und aus diesem Gesichtspunkt als ein selbstaumlndiger Ver-such als d[as] Wagnis einer Philos[ophie] juxta propria principia istes zu schaumltzen und zu betrachten Man hat dem Telesisch[en] Sy-stem vorgeworfen daszlig es wohl d[er] arist[otelischen] Physik 35vorwarf [vorwarf [so auch A] unleserl Korr im Ms] sie [verwen-de] nur abstrakte Prinzip[ien] wie die Materie Form Privation diekeine Entia die als sinnliche Entia nicht existieren anfocht unddoch selbst solche Abstrakta wieder annahm denn die Materie daskoumlrperl[iche] Substrat sei selbst nichts Wirkliches ebenso wenigeine absolute Kaumllte und absolute Waumlrme da diese immer nur in be-stimmten Graden vorkaumlmen kein letzter Grad der Kaumllte und Waumlrmesich angeben lieszlige die Empfindung der Waumlrme sehr verschiedensubjektiv sei Allein man wird doch nicht leugnen daszlig Waumlrme undKaumllte wenn wir auch nicht auf den letzten Grad kommen so daszligwir [so wir bestimmte entgegengesetzte Wirkungen Korr imMs] sagen koumlnnen hier haben wir ein Stuumlck reiner Kaumllte in welcherdie Waumlrme rein aufgehoumlrt hat wir doch entgegengesetzte Wirkun-gen verspuumlren von den mindesten Graden und daszlig es Grade derKaumllte [gibt] wo die subj[ektive] Verschiedenheit verschwindet woMungo Park [brit Afrikaforscher dagger 1806] d[er] eine Temperaturheiszlig fand wo die Neger froren eben so gut frieren w[ird] als dieNeger

1 und in Korr im Ms2 der des Korr im Ms

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da sie doch eigentlich nur die Erkenntnisweise der1 Bestien2 istDenn wenn wir etwas von weitem sehen z B den Petrus sosagen wir Siehe hier ist ein Tier weil es sich bewegt und wirnur das Allgemeine aber nicht das Besondere er- 353 kennennaumlhert er sich so sagen wir es ist ein Mensch kommt er nochnaumlher so sagen wir es ist ein Moumlnch und kommt er uns amnaumlchsten so nennen wir ihn beim Namen es ist der FraterPetrus Verstehen Denken intelligere heiszligt daher nichts ande-res als etwas konfus und aus der Ferne fuumlhlen sentire fuumlhlenaber nahe und aus der Naumlhe erkennen sentire vero est intellige-re prope seu cominus [Spuumlren heiszligt wirklich nah oder hand-greiflich verstehen] Auch die noch nicht an die Unterschei-dung des Besondern gewohnten Kinder nennen jedes WeibMutter und jeden Mann Vater weil das Allgemeine ihnen be-kannter ist indem es mehr und oumlfter ihre Sinne beruumlhrt Toumlrichtist es daher zu waumlhnen daszlig die Wissenschaft in der Erkenntnisdes Allgemeinen ndash es braucht nicht erinnert zu werden in wel-chem rohen4 Sinne C[ampanella] das Allgemeine auffaszligt ndashbestehe Was weiszlig ich denn wenn ich vom Petrus weiszlig daszlig erein Mensch ein vernuumlnftiges Tier ist aber nicht seine Eigen-schaften und Eigentuumlmlichkeiten s[eine] Handlungen Tugen-den Fehler usw kenne Wahr ist es daszlig man da es unmoumlglichist alles Individuelle zu merken man sich mit einem Wissenim Allgemeinen und Konfusen begnuumlgen muumlsse Allein dieMedizin durch die Erfahrung uumlberwaumlltigt erinnert daszlig esnicht hinreicht zu wissen was dies fuumlr ein Fieber ist sonderndaszlig man auch das Wie und Wann s[einer] Entstehung dieallgemeine Beschaffenheit des Kranken und andere Partikula-ritaumlten wissen muumlsse Gott ist deswegen dem heili[gen] Tho-mas der weiseste 36 weil er nicht das Allgemeine sonderndie winzig kleinsten Einzelheiten minimissimas singularitatesweiszlig Der Verstand des Allgemeinen ist nur der matteduumlrflichte Sinn gleichsam denn der Sinn ist die Affektion (derEindruck) passio des gegenwaumlrtigen Objekts der Verstand die

1 der Im Ms gestr2 Bestien Weise Korr im Ms3 Am Rande Verweis auf Paginierung S 18 ndash Am Rande or Verweis

auf V Vorlesung4 Im Ms folgt gestr und selbst

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Affektion von dem abwesenden1 Der Sinn ist daher Wissen-schaft sapientia oder ein Funke der goumlttlichen Weisheit Nurdas sinnliche Wissen ist gewisses zweifelloses Wissen nichtdas Wissen des Verstandes oder des Gedaumlchtnisses oder derEinbildungskraft Der Sinn braucht keinen Beweis er selbst istder Beweis Der Sinn ist daher das vorzuumlglichste Licht wo-durch wir erkennen was im Dunkeln und Ungewissen liegtNiemand fragt jetzt noch nach Gruumlnden2 und zweifelt ob eineneue Welt es gibt nachdem sie von Columbus entdeckt ist3

C[ampanella] erinnert einen an das Lied eines in seine Hei-mat zu den Seinen sich zuruumlcksehnenden Kalmuumlcken wo esheiszligt4 Gedanken sind Betruumlger die sinnliche Empfindung nurist Wahrheit In persoumlnlichen Verhaumlltnissen gilt natuumlrlich nurdie persoumlnliche Naumlhe der Gedanke an die Person ersetzt nieden sinnlichen Anblick Der Gedanke oder richtiger die Vor-stellung ist hier ein mattes farbenverbleichtes geschossenesBild gegen die frische Farbenglut des sinnlich gegenwaumlrtigenAntlitzes aber in diesem Gebiete ist eben der Gedanke nurVorstellung Bild es ist 375 nicht der Gedanke der Erkennt-nis der Vernunft denn dieser ist selbst Wesen hier ist derGedanke nur Surrogat und alle Surrogate befriedigen nichthier ist der Gedanke nicht das einzige und notwendige in demGegenstand selbst liegende Mittel wie er fuumlr uns ist denn erkann ja auf sinnliche Weise uns Objekt sein ja eben diesesinnliche Weise ist die eigentuumlmliche hier ist er nur ein trauri-ger Schatten und6 alles will nur nach seinem eignen Maszligegemessen und geschaumltzt werden Suum cuique [Jedem das 1 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia hellip Francofurti 1620

lib II cap XXII S 131-1332 Im Ms folgt gestr ob3 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia hellip a a O lib II

cap XXX S 174-1764 Im Ms folgt gestr der5 Am Rande Verweis auf Paginierung S 196 Am Rande Ebenso gilt im Leben in der Konversation die Kenntnis

des Partikulaumlren Wenn ich freilich vom Petrus nichts weiter weiszligals daszlig er Mensch was hier so viel heiszligt als ein Individuum ist soweiszlig ich wenig von ihm hier gilt es das Besondere Partikulaumlre zuwissen hier ist dieses von wesentlichem Interesse Anders ist eseben fuumlr d[ie] Wiss[enschaft] fuumlr die Wahrheit hier ist das Ersteund Wichtigste zu dem sie allein Interesse [hat] d[as]Allg[emeine] der Mensch

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Seine] Das Sinnliche kann nur durch den Sinn das unmittelbarGegenwaumlrtige nur wieder durch unmittelbare Gegenwart er-kannt werden Hier ist die sinnliche Erkenntnis die einzigeVernunfterkenntnis und hier hat auch C[ampanella] vollkom-men recht Aber etwas ganz anderes ist [es] bei den Gegen-staumlnden die lediglich durch das Denken erst uns Gegenstandw[erden] bei denen die ihrer Natur nach allgemein sind hierbekommt der Gedanke nicht nur andere Bedeutung sondernuumlberh[aupt] erst die Bedeutung des Gedankens

Uumlbrigens darin hat C[ampanella] einen richtigen Blick daszligdas Allgemeine der Anfang der Erkenntnis ist daszlig man nichtvom Besondern und Einzel[nen] anhebt dem Kind ist der Be-griff des Baumes fruumlher Gegenstand als der Begriff einer Artdie Unterschiede hiemit das Besondere zu merken dazu ge-houmlrt Scharfsinn Aufmerksamkeit aber dieses Allgemeine istnicht das wahre Allgemeine d[as] Allgemeine der Wissen-schaft dieses ist wesentlich bestimmt hier ist es ein Genius mitspezifischen Diff[erenzen]

381 Campanella machte aber auch die uumlbrigen Teile derPhilos[ophie] zu s[einem] Objekte besonders die Metaphysik 1 Am Rande Omnia Entia Potentia Sapientia et Amore constitui et

unumquodque esse quoniam potest esse scit [scit sciat A] esse etamat esse [Alle Dinge sind aus Kraft Wissen und Liebe beschaffenund jedes einzelne besteht daraus weil es ja sein kann zu sein weiszligund es liebt zu sein] [T Campanella De sensu rerum et magia hellipa a O lib I cap VII S 23-24] Potentia und Neigung schreibendie Philosophen wohl den Dingen zu aber nicht Sensus nicht Intel-ligenz Dieser Satz daszlig allen Wesen allem Sein Wissen [Im Msfolgt gestr schaft] zukommt ist paradox C[ampanella] kam aufdiesen Gedanken also alle Dinge haben einen Trieb sich selbst zuerhalten ihr Sein zu behaupten sie lieben ihr Sein sie widerstehendem was sie vernichten will bekaumlmpfen ihr Gegenteil nehmen nurdas Verwandte das ihnen Nuumltzliche und Zutraumlgliche in sich auf dasEntgegengesetzte fliehen sie entfernen sie von sich es ist also inallen Dingen ein Prinzip der Unterscheidung ein Kriterium dessenwas ihnen paszligt ein Urteil gleichsam aber alle Unterscheidung be-ruht auf dem Gefuumlhl auf dem Verstand Kein Sein ist also ohneSinn ohne Gefuumlhl ohne Verstand wiewohl dieser Verstand keindiskursiver kein explizierender und syllogistischer sondern ein in-tuitiver unmittelbarer Verstand ist gleichwie auch wir Dinge unter-scheiden [Im Ms folgt gestr ohne] etwas verurteilen 39 alsfalsch oder schlecht verdammen wovon wir keinen Grund angebenkoumlnnen es ist ein unmittelbarer schlechtweg entscheidender unbe-

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dingter zweifelloser sozusagen unbesonnener mystischer mit un-serm Sein identischer Verstand ndash ein Verstand der also nicht all-gemeine Wahrheiten uumlberhaupt nicht das Allgemeine sondern dasBestimmte das Unterschiedne Begrenzte das Namenlose das Ein-zelne im Gebiet der Kunst und Sinnlichkeit zu s[einem] Objektemacht Dieser [Dieser Dieses Korr im Ms] praktische unmittelbarseiner selbst gewisse ohne Bedenken und Uumlberlegung ohne Wahlund Gruumlnde schlechtweg entscheidende unbedingt als gut bejahen-de oder als schlecht verneinende Verstand ist nichts andres als waswir Gefuumlhl Sinn nennen Analog mit diesem Verstande oder mit derin der Natur nach Zwecken wirkenden Vernunft die uns am be-wunderungswuumlrdigsten in unserm Organismus [deutlich wird] indem jedes Glied Zweck und Bedeutung hat muumlssen wir das Gefuumlhlden Sinn den Verstand denken den Camp[anella] als universelleKraft jedem Sein zuschreibt So sagt also z B C[ampanella] ins[einer] Schrift De Sensu Rerum et Magia Lib II c 14 Planta se-cernit utilem in inutili succo Ergo sentit quid servet quidve nonconservet [Die Pflanze unterscheidet nuumltzlichen vom unnuumltzen StoffAlso spuumlrt sie worauf sie achten und was sie nicht beachten muszlig][T Campanella De sensu rerum et magia a a O lib III capXIV S 252] und im 6 cap I Lib Non enim potest esse id quodignorat res sibi utiles et noxias nec quod sibi utile est amare potestnisi sciat utile est sibi [Das naumlmlich kann nicht sein was die nuumltzli-chen und die schaumldlichen Dinge nicht kennt und das was ihm nuumltztnicht lieben kann und auch nicht weiszlig was ihm nuumltzt][T Campanella De sensu rerum et magia hellip a a O lib I capVII S 24] 40 Selbst der Knochen fuumlhlt (sagt er 13 cap II L)[T Campanella De sensu rerum et magia a a O lib II capXIII S 97] denn er ernaumlhrt sich und waumlchst Aber nichts kann sichernaumlhren was nicht die passende Nahrung an sich zieht es fuumlhlt al-so das Simile weil es dasselbe kennt und anzieht c 15 omnis rescognoscit se ipsam esse et pugnat contra non esse et amat se esseErgo se ipsam per se ipsam cognoscit [cognoscit cognoscat A]abdita notitia [notitia nostra A] [Jedes Ding weiszlig von sich selbstdaszlig es ist und kaumlmpft dagegen nicht zu sein und liebt es zu seinAlso erkennt es sich selbst durch sich selbst ohne Begriff] [TCampanella De sensu rerum et magia a a O lib II cap XVS 106-107] Es ist also eine Erkenntnis nicht durch Schluszlig sonderndurch sein Wesen eine unmittelbare geheimnisvolle mit s[einem]Sein identische Kenntnis Es ist eine ganz richtige Idee die demCam[panella] zugrunde liegt aber in der Auffassung und Bestim-mung seiner Idee geht er zu weit und zwar darin daszlig er wasgleichnisweise allerdings von allen Dingen gesagt werden kann daszligsie sich selbst lieben daszlig sie unterscheiden doch wieder im eigent-lichen Sinne der Dinge also wirkliches Gefuumlhl wenn auch andrer

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Er statuierte in 3 Grundprinz[ipien] die1 Primalitaumlten allesSeins die Moumlglichkeit die Erkenntnis die Neigung und daszligdem Sein d[as] Nichtsein entgegengesetzt ist so stellte er auch[den] Primalitaumlten des Seins 3 des Nichtsseins [gegenuumlber]impotentia [Unfaumlhigkeit] insipientia [Unverstaumlndigkeit] Ab-neigung odium metaphysicale Bemerkenswert ist daszlig er auchschon auf den Gedanken kam2 von dem unmittelbaren Selbst-bewuszligtsein wie Cartes[ius] den Anfang der Philosophie zumachen Aber so viele treffliche und tiefe Gedanken wir auchbei C[ampanella] finden und ob er sich gleich zu bestimmtenGrundprinzipien erhebt so ist doch seine Philosophie mit al-lerlei populaumlren Vorstellungen unterlaufen ja s[eine] Philoso-phie zumal ist nicht nur unterlaufen und untermengt mit aller-lei3 unphilosophischen Gedanken sondern ist4 noch nicht reinals Philosophie bei ihm [ausgesprochen]5

Weit mehr als mit Camp[anella] ist dies der Fall noch miteinem andern geistvollen durch seine wunderliche Individua-litaumlt seine seltsamen Charakterwiderspruumlche besonders merk-wuumlrdigen6 Italiener dem Hieronymus Cardanus bei dem wirviele treffliche philosoph[ische] Gedanken und selbst Ab-handlungen (z B De Uno7 ) antreffen ohne daszlig doch vonPhilosophie in sensu strictiori bei ihm die Rede sein kann

Art als bei uns zuschreibt daszlig C[ampanella] also zwischen Bildund Sache zwischen Mensch und Ding nicht scharf genug unter-scheidet Die Idee selbst aber die bei Camp[anella] dieser Idee wie-der zugrunde liegt ist die bewunderungswuumlrdigen durch ihreZweckmaumlszligigkeit auffallendenden Wirkungen in der Natur nicht auseinem extramundanen Wesen sondern als der Natur immanente dhin ihrem Wesen liegende Wirkungen zu erkennen ndash zu erkennendaszlig die res a se agere [die Dinge sich auf ihre eigene Weise ver-halten] daszlig der Natur ein Prinzip der Spontaneitaumlt d i d[er] Selbst-bestimmung und -taumltigkeit innewohnt

1 die oder In A2 Im Ms folgt gestr aus3 Im Ms folgt gestr unleserl Wort4 Im Ms folgt gestr bei ihm5 ja [ausgesprochen] es bleibt mehr beim Philosophieren als daszlig es

zur Philosophie selbst kommt Korr im Ms ndash Im Ms folgen unleserlErg

6 Im Ms folgt gestr Mann7 G Cardano De uno In Opera quaedam lectu digna Basileae

1562 ndash Im Ms folgt an

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Eine reine philosophische Seele treffen wir erst in dem schondurch seinen Maumlrtyrertod auf dem Scheiterhaufen zu Rom1

zum innigen Andenken der aufgeklaumlrten Mit- und Nachwelt2

vom heil[igen] Vater zu Rom bestens empfohlenen JordanoBruno von Nola ndash ein Beweis wie viele Individuen die Ideeerst ergreifen muszlig bis sie eines findet das sie getreu ohneBei- und Zusaumltze kopiert3 das eine mit ihrer Gattung ihrerbestimmten Idee identische Individualitaumlt ist4

395 Er ist ein reiner Spiegel von der6 Idee die das Herz derneuern Menschheit beherrschte ein Brennspiegel der alle ihreStrahlen in seine Philosophie aufnahm und sie7 in sich konden-sierte selbst zum Feuer der Poesie ndash er trug ebenso in Prosa alsin Versen seine Philosophie vor ndash er ist vielleicht der hellsteund freieste Kopf seiner Zeit er ist Pantheist im reinsten edel-sten und vollsten Sinn des Wortes Pantheist mit Leib undSeele mit Kopf und Herz er ist eine personifizierte Idee ndash dieIdee des Pantheismus ndash ein Philosoph im Geiste und Sinne derantiken Philosophen im Sinne eines Heraklit und Parmenides ndashseine Philosophie ist sein Verstand sein Glaube seine Religi-on Er erkennt nicht nur er fuumlhlt er glaubt auch die Wahrheitseiner Philosophie er spricht sie darum auch in poetischerForm und Begeisterung aus mit der eigentuumlmlichen hinrei-szligenden und ergreifenden Kraft die jede Darstellung einer Sa-che hat die das Gepraumlge der innersten und tiefsten Uumlberzeu-gung an sich traumlgt Bruno ist wirklich8 als ein Repraumlsentant desganzen Geistes der neuern Zeit anzusehen Daher faszligte er auchmit solchem Feuer solcher Lebhaftigkeit Freiheit und Genia-litaumlt die wichtigsten Ideen der neuern Zeit in sich die Idee vonder Bewegung der Erde um die Sonne die Idee von der Un-endlichkeit der Welt und von ihrer Einheit mit Gott In den 1 Im Ms folgt gestr merkwuumlrdigen2 dem innigen Nachwelt dem innigsten Andenken und Herzen

seiner Nachwelt teuer Korr im Ms3 kopiert capirt A4 Am Rande Obgleich Br[uno] auch von vielen Vorstellungen

s[einer] Zeit noch beherrscht ist von ihnen [] erfuumlllt so sondertsich doch hier von diesen fremdartigen Bestandteilen ein philo-39sophischer Kern rein ab

5 Am Rande Verweis auf Paginierung S 206 Im Ms folgt gestr Grund-7 Im Ms folgt gestr dergestalt8 ist wirklich unterscheidet sich von den Korr im Ms

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uumlbrigen Italienern hat sich noch nicht so abgesondert und ge-reinigt der neue von dem alten Geiste so hing selbst Campa-nella noch fest an der Vorstellung von der Unbeweglichkeit derErde ndash eine Vorstellung die so fest eingewurzelt war dasselbst Baco von Verulam der heil[ige] Erzvater der Empirie40 diese Vorstellung noch hatte1 Es ist daher auch merkwuumlr-dig daszlig Bruno sich foumlrmlich von dem katholischen Glaubenlossagte und auf deutschem Grund und Boden wo er sich eini-ge Jahre aufhielt wie z B in Wittenberg wo er auch Vorle-sungen hielt und in Frankfurt a M zu dem Protestantismusuumlberging waumlhrend die uumlbrigen italienischen Philosophen wieCardan[us] Campanella es sei nun aus welchen inneren Gruumln-den es wolle in dem Glauben ihres Landes und [ihrer] Vaumlterblieben Sein Tod kann daher auch als ein wirklicher Maumlrty-rertod angesehen werden ndash er fiel als Opfer und Repraumlsentantder neuern Zeit ndash als Opfer einer Philosophie die in ihm Le-ben Glaube Religion geworden war ndash als Opfer des Pantheis-mus denn der Pantheismus ist die Philosophie die im Men-schen unmittelbar die Gestalt der Religion annimmt

Der Gedanke nun der Br[uno] beseelte und begeisterte istund bleibt der houmlchste Gedanke des Menschen der Gedankemit dem die Philosophie steht und faumlllt der Gedanke der Ein-heit Die Einheit zu erkennen ist sagt er der Zweck aller Philo-sophie und Erforschung der Natur2

bdquoDie bestehenden verschiednen Dinge fuumlhren uns notwendigauf ein Prinzip ihres Bestehens auf ein einfaches Grundwesenin welchem alle Unterschiede der einzelnen Formen ver-schwinden Wie nun die sinnlichen Dinge zusammen ein Sub-jekt (Grundlage) des Sinnlichen voraussetzen so setzen dieintelligible[n] ebenfalls ein Subjekt des Intelligiblen vorausBeide erfordern aber wieder notwendig einen Grund der ihnengemein sei weil kein Wesen sein kann welches nicht aus ei-

1 Im Ms folgt gestr Bruno2 Im Ms folgt gestr In dem obersten Prinzip oder in dem Wesen

welches wir als die Ursache der Welt annehmen haben wir dahervor allem die Einheit der unterschiedenen Weisen wie etwas Ursa-che sein kann zu begreifen ndash F H Jacobi Auszug aus JordanBruno von Nola Beylage I zu den Briefen uumlber die Lehre des Spino-za In Friedrich Heinrich Jacobirsquos Werke 4 Bd 2 Abth Leipzig1819 S 32

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nem Dasein hervorginge 551 und darauf beruhte mit Aus-nahme allein von dem Wesen dessen Wirklichkeit in s[einem]Wesen schon begriffen und vollstaumlndig gegeben ist Wenn derKoumlrper wie allgemein zugegeben wird eine Materie die nichtselbst Koumlrper ist voraussetzt diese also der Natur nach demkoumlrperlichen Dasein vorhergeht so sehe ich nicht ein was dieMaterie mit den Substanzen welche man unkoumlrperlich nenntso ganz unvertraumlglich machen sollte Es gibt ja auch der Peri-patetiker genug welche sagen da in den koumlrperlichen Substan-zen ein gewisses formelles und goumlttliches Etwas angetroffenwerde so muumlsse ein gewisses materielles Etwas auch in dengoumlttlichen sein damit die Ordnungen der niedern und houmlhernDinge ineinander greifen und sich gegenseitig bestimmen koumln-nenldquo2

Diese Materie nun oder dieses materielle Prinzip welcheswohl zu unterscheiden ist von der Materie der zweiten Gattungdie das Subjekt allein der natuumlrlichen veraumlnderlichen Dinge istist nun aber wie die Materie uumlberhaupt3 nicht als der einzigeGrund anzunehmen Anfangs hing ich wohl sagt Bruno denMeinungen des Demokrits und der Epikuraumler an welche dieMaterie als den einzigen Grund der Dinge annehmen sagensie selbst sei die goumlttliche Natur behaupten was nicht Koumlrpersei sei Nichts Aber spaumlter erkannte ich als notwendig mit denAristotelikern zwei Arten der Substanz anzunehmen wovondie eine Form die andere Materie waumlre4 Auszliger dem materiel-len Grunde oder auszliger dem materiellen Prinzip als dem ge-meinsamen Prinzip als der gemeinsamen Moumlglichkeit und 1 Am Rande ro Verweis auf V Vorlesung und Verweis auf Paginie-

rung S 282 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 29-30 ndash Im

Ms folgt gestr Diese Materie welche den unkoumlrperlichen wie denkoumlrperlichen Dingen zum Grunde liegt ist ein mannigfaltiges We-sen insofern es die Menge der Formen in sich faszligt in sich betrach-tet aber schlechterdings einfach und unteilbar Sie ist Alles wassein kann in der Tat und auf einmal und weil sie Alles ist kann sienichts insbesondere sein (Sie ist also das formelle Wesen von Al-lem ohne doch selbst eine Form zu haben) Die unendliche Mengeder einzelnen Dinge in der Welt macht daher nur Ein Wesen aus[Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 30-32]

3 Im Ms folgt gestr die nur nicht als Subjekt sondern als Potenzbetrachtet werden kann

4 Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 18-19

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Unterlage aller Dinge muszlig man also noch ein formelles Prin-zip anerkennen welches die erste allgemeine Form die Formund Quelle aller Formen ist Diese absolute Form ist nichtsandres als der allgemeine Verstand Mit andern Worten dieDinge setzen nicht nur ein materielles sondern auch geistigesdenkendes Prinzip voraus bdquoDie Werke der Natur wie solltensie hervorgebracht sein ohne Verstand und Geistldquo1 56 Allesist belebt2 und die Seele eines jeden Dings seine Form bdquoWirhaben zwar ich weiszlig nicht was fuumlr eine Abneigung die Weltals ein durch und durch lebendiges Wesen anzusehen da wiruns doch eine Form die nicht Wirkung nicht unmittelbareroder mittelbarer Ausdruck einer Seele waumlre ebenso wenig alsetwas uumlberhaupt ohne Form denken koumlnnen Bilden kann alleinder Geist Dinge der Kunst die nur mittelbare Wirkungen desGeistes sind fuumlr lebendige Formen auszugeben waumlre aller-dings abgeschmackt und laumlcherlich Mein Tisch ist als Tischmeine Kleidung als Kleidung nicht belebt da sie aber ihrenStoff aus der Natur haben so bestehen sie aus lebendigen Tei-len Kein Ding ist so gering und klein daszlig nicht Geist in ihmwohnte und diese geistige Substanz bedarf nur eines schickli-chen Verhaumlltnisses um sich als Pflanze auszubreiten oder alsTier zu den Gliedern eines regen Leibes zu gelangen Darausuumlbrigens daszlig in der Natur Alles bis zum kleinsten Teile ausForm und Materie besteht und nichts unbelebt ist folgt nochkeineswegs daszlig alles was ist eine tierische Natur oder einlebendiges Wesen sei Nicht alle Dinge welche Seelen habensind darum was wir beseelte Wesen nennen Aber alle besitzender Substanz nach Seele und3 Leben nur sind nicht alle imwirklichen Genusse des Lebens und der Anwendung der See-leldquo4 Dieser Verstand ist nun aber nicht ein der Welt und Mate-rie aumluszligerlicher Verstand er ist bdquoein innerlicher Kuumlnstler dervon Innen aus die Materie bildet und gestaltet die innerlicheUrsache derselben die nur insofern als aumluszligerliche Ursache zufassen ist als sie im Verhaumlltnisse zu den zusammengesetztenund hervorgebrachten Dingen nicht als ein Teil derselben ange-sehen folglich auszliger ihnen gedacht w[erden] muszligldquo5 Aber wie

1 Vgl ebenda S 92 Alles ist belebt Wenn Alles belebt Korr im Ms3 und [so auch A] oder Ms4 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 13-145 Vgl ebenda S 14

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haumlngt nun der allgemeine Verstand die Seele der Welt dieForm aller Formen mit dem materiellen Prinzip oder der Mate-rie allgemein1 zusammen bdquowie sind sie vereinigt unzertrenn-lich verschieden und dennoch Ein Wesenldquo2 bdquoDas Prinzipwelches Materie heiszligt kann auf zweierlei Weise gefaszligt wer-den einmal als Potenz hernach als Subjekt Wenn wir sie alsPotenz betrachten fallen alle moumlglichen Wesen auf gewisseWeise unter ihrem Begriffeldquo3 Denn es ist unmoumlglich einerSache Dasein zuzuschreiben welcher das Vermoumlgen da zu seingebraumlche4 bdquoWenn also von jeher ein Vermoumlgen zu wirkenhervorzubringen zu erschaffen da war so muszligte auch vonjeher ein Vermoumlgen bewirkt hervorgebracht und erschaffen zuwerden da sein

415 Der Begriff der Materie als eines passiven Wesens aufdiese Art gefaszligt laumlszligt sich mit dem Begriffe des houmlchsten uumlber-natuumlrlichen Prinzips ohne Bedenken vereinigenldquo6 bdquoDas ersteund vollkommenste Prinzip faszligt alles Dasein in sich kann allessein und ist alles Wenn es nicht Alles sein koumlnnte so waumlre esauch nicht alles Taumltige Kraft und Potenz Moumlglichkeit undWirklichkeit sind in ihm also ein unzertrenntes und unzer-trennliches Eins Nicht so die andern Dinge welche sein undnicht sein so oder anders bestimmt sein koumlnnen Jeder Menschist in diesem Augenblick was er in diesem Augenblick seinkann aber nicht Alles was er uumlberhaupt und der Substanz nachsein kann Was Alles ist was es sein kann ist nur ein Einzigeswelches in seinem Dasein alles andre Dasein begreift Dieuumlbrigen Dinge sind nur was sie sind und jedesmal sein koumlnneneinzeln besonders in einer gewissen Ordnung und Folgeldquo7

bdquoDiese Materie welche den unkoumlrperlichen wie den koumlrperli-chen Dingen zu Grunde liegt ist daher ein mannigfaltiges We-sen insofern es die Menge der Formen in sich schlieszligt in sichbetrachtet aber schlechterdings einfach und unteilbar Sie istalles was sein kann in der Tat und auf einmal und weil sie

1 Materie allgemein allgemeinen Materie Korr im Ms2 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 233 Ebenda S 23-244 Vgl ebenda S 245 Am Rande r o Verweis auf V Vorlesung und Verweis auf Paginie-

rung S 216 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 24-257 Ebenda S 25-26

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alles ist kann sie nichts insbesondere seinldquo1 bdquoSie ist (in ihrerIdentitaumlt mit der absoluten Form) das formelle Wesen vonallem ohne doch selbst eine Form zu haben Was sehen wirselbst in der Natur der Materie vor unsern Augen alles sein undwerden ohne daszlig wir sie nach einer der besondern Kontraktio-nen der Form benennen koumlnnte[n] Die Materie im houmlchstenVerstande nimmt also Formen an ohne durch eine dargestelltzu w[erden] Nullas habet dimensiones ut omnes habeat Aberjene Unendlichkeit von Formen nimmt sie nicht von einemandern und gleichsam nur aumluszligerlich an sondern sie bringt sieaus sich selbst hervorldquo2

Wenn nun aber alles eine gemeinschaftliche Ursache3 vor-aussetzt und diese Ursache der innre Grund das innre wesen-hafte Prinzip der Dinge ist und dieses Prinzip selbst ebensodas materielle als formale oder geistige Prinzip und in dieserIdentitaumlt das allgemeine Prinzip aller Dinge ist so sind bdquoalleDinge der Substanz nach Einesldquo4 die unendliche Menge dereinzelnen Dinge in der Welt macht nur Ein Wesen aus bdquoAlleswas zu den Verschiedenheiten der Geschlechter Arten undEigenschaften gehoumlrt was durch Geburt Aufloumlsung Wechselund Wandel zum Dasein gelangt ist kein wahrhaftes Wesenund sein Dasein kein eigentliches Dasein 42 sondern es ge-houmlrt nur zu den Beschaffenheiten und dem Zustande des We-sens welches in sich Eins unendlich unbeweglich SubjektMaterie Leben Seele uumlberhaupt das allein Wahre und Guteistldquo5

bdquoWie unser Aufsteigen zu dem unendlichen Wesen so istsein Herniedersteigen zu uns Wir erzeugen durch Zusammen-fassen des Mannigfaltigen Einheit des Begriffes das erstePrinzip erzeugt indem es seine Einheit entwickelt die Mannig-faltigkeit der Wesen Es nimmt aber dadurch daszlig es zahlloseArten und Geschlechter eine Unendlichkeit von einzelnenDingen hervorbringt fuumlr sich selbst keine Zahl kein Maszlig nochVerhaumlltnis an sondern bleibt Eins und unteilbar in allen Din-gen Wenn wir also einen einzelnen Menschen ansehen so

1 Ebenda S 30-312 Vgl ebenda S 31-323 Ursache Grund Korr im Ms4 Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 28 und

395 Ebenda S 41

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nehmen wir nicht eine besondre Substanz sondern die Sub-stanz im Besondern wahr

Demjenigen der unseren Betrachtungen bisher gefolgt istkann die Behauptung des Heraklit von der durchgaumlngigen Ko-inzidenz des Entgegengesetzten in der Natur welche alle Wi-derspruumlche enthalten aber zugleich sie in Einheit und Wahrheitaufloumlsen muszlig nicht mehr anstoumlszligig sein Von dieser Koinzidenzgibt uns nicht allein die Mathematik manche Beispiele undBeweise sondern wir finden ihre Wirklichkeit auch auf jedemandern Wege bestaumltigt Muszlig nicht das Principiatum [Angefan-gene] von seinem Principio [Anfang] allemal wesentlich ver-schieden seinldquo1

Die Idee daszlig Gott nicht bloszlig die aumluszligerliche sondern dieinnerliche Wesensursache der Welt damit der absolute Grunddas absolute Innre und Wesen der Welt selbst sei oder die Ideevon der Einheit der Welt mit Gott ndash eine Einheit die keinenSinn haumltte wenn der Unterschied zwischen Gott und Weltaufgehoben wuumlrde der Unterschied der notw[endig] zwischenihr als dem Principiatum und ihm als dem Prinzip stattfindet ndashdiese Idee war es die in Jordano Bruno die Idee von der Un-endlichkeit der Welt erzeugte die er mit aller ihm so eigen-tuumlmlich[en] Kraft der Begeisterung [vertrat] und ihn zu einemgenialen2 Anhaumlnger und Verbreiter des kopernikanischen Welt-systems machte indem [er] mit diesem System als Folge dieVorstellung von geschlossnen Welten leicht verknuumlpft unddiese Vorstellung der Unendlichkeit der Welt auf eine sinnli-che die Phantasie erregende Weise dem Menschen zu Gesichtebringt3

1 Ebenda S 43-44 ndash Am Rande Side [] in Text2 genialen begeisterten Korr im Ms3 indem bringt welchem er Folgerungen machte die eigentlich auf

spaumlter allgemeine [] und so zur allgemeinen Anschauung derMenschheit brachte Korr im Ms Unsichere Transkription

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VI Vorlesung [Bruno Descartes]1

43 Den Anfang der neuern Philosophie verlegten wir nachItalien und fanden ihn in dem Pantheismus des Jordan[o] Bru-no von Nola so daszlig2 wir den fruumlhern Ausspruch die Natur-philos[ophie] ist der Anfang dahin modifizieren koumlnnten derPantheismus ist der Anfang der neuern Philosophie DieserBestimmung des Anfangs tritt eine andere Auffassung gegen-uumlber die besonders in der Hegelschen Schule sich geltendmacht So hat Erdmann in s[einem] bdquoVersuch einer wissen-schaftl[ichen] Darstellung der Geschichte der neuern Philoso-phieldquo welches auch den besondern Titel hat bdquoDarstellung undKritik der Philos[ophie] des Cartes[ius]ldquo den Satz ausgespro-chen daszlig das Cartesische System das erste in der Geschichteder neuern Philosophie sei indem er den Protestantismus (inder allgemeinen uneigentlichen3 Bedeutung daszlig er sei dasProtestieren des Bewuszligts[eins] gegen alles was nicht durchdas Bewuszligts[ein] fuumlr es vermittelt und gegeben ist gegen allesAumluszligerliche Positive Traditionelle) als den allgemeinen Cha-rakter der neuern Philos[ophie] bezeichnet und demzufolgebehauptet daszlig nur das System der Anfang sei in dem der Ge-gensatz zwischen dem Bewuszligtsein und Dasein dem Ich undder Auszligenwelt bestimmt ausgesprochen sei4 Dies ist5 bei Car-tes[ius] der Fall6 Also

Allein dagegen ist einzuwenden Schon a priori laumlszligt sichfestsetzen daszlig der Anfang nie der Gegensatz der Unterschiedsondern stets nur die Einheit sein koumlnne Der Gegensatz setzt apriori seinem Begriffe seiner Natur nach die Einheit voraussie muszlig also auch in der Zeit ihm vorangehen Im Anfangekoumlnnen die Elemente nicht so bestimmt so entschieden so

1 So auch A2 Im Ms folgt gestr man sich3 Im Ms folgt gestr Bede[utung]4 Vgl J E Erdmann Darstellung und Kritik der Philosophie des

Cartesius nebst einer Einleitung in die Geschichte der neuerenPhilosophie In Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung derGeschichte der neuern Philosophie 1 Bd 1 Abt Riga ndash Dorpat1834 S 99

5 ist [so auch A] sei Ms6 Vgl J E Erdmann Darstellung und Kritik der Philosophie des

Cartesius hellip a a O sect 21 S 269-270

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different sein als sie es im Laufe der spaumltern Entwicklungnotwendig werden Die Menschheit beginnt uumlberall in und mitder Einheit Sie muszligte mit ihr auch in der Philosophie begin-nen und sollte dies Eine im Anfang selbst nur ein Glied desGegensatzes sein welches mit Ausschluszlig des andern allein denGeist erfuumlllte Diese apriorische Notwendigkeit tritt uns nun inItalien als wirkliches Faktum vor die Augen und wir sind alsodoppelt gezwungen Italien als den Boden zu erkennen wo derSame der Philosophie aufging Denn der Grundcharakter deritalienischen Philosophie liegt in der Idee oder Anschauung derEinheit die sie durchdrang erfuumlllte und begeisterte

44 Bruno sprach sie fuumlr jeden der Ohren zu houmlren hat un-verkennlich als ein System des Pantheismus aus in dem Ge-danken von der absoluten Identitaumlt der Dinge in ihrem Grundeund Wesen Aber die Einheit beherrschte nicht weniger denzweiten groszligen Denker ndash den Campanella und kommt bei ihmnicht nur in der Grundidee seiner Metaphysik sondern auch inandern Ideen zum Vorschein In der Grundidee darin daszlig erselbst all[en] Dingen allem was uns als bloszliges Objekt er-scheint Subjektivitaumlt zuschreibt ein offenbarer Beweis daszlig derMensch sich also hier noch nicht so getrennt hat von der Weltund entzweit mit ihr wie spaumlter daszlig der Geist sich nicht imGegensatze gegen die Natur und die Natur im Gegensatze ge-gen sich erfaszligt und bestimmt hat Alles ist dem Italiener belebter kennt keinen Tod kein seelenloses Objekt keinen reinenGegensatz des Lebens des Geistes die Auszligenwelt repraumlsen-tiert ihm selbst sein Innerstes er findet in ihr keinen Abbruchvon sich1 In den besondern Ideen aber darin daszlig er sich gegenalle Sonderungen und fixen Unterschiede namentlich was dieSeele betrifft wehrt und straumlubt So polemisiert er gegen denGalen der die rationale zuumlrnende und begehrende2 Seele alsdrei besondere Fakultaumlten unterscheidet Aber es ist nur EineSeele Nur die Verschiedenheit der Objekte bringt den Schein

1 Am Rande Mundus totus est sensus vita animus Ferner adfirmare

licet mundum esse animal totum sentiens omnesque portiones eiuscommuni gaudere vita [Die ganze Welt ist Gefuumlhl LebenGeist Ferner Man kann behaupten daszlig die Welt ein lebendes We-sen ist das alles fuumlhlt und dessen Teile alle gemeinsam sich des Le-bens erfreuen] [T Campanella De sensu rerum et magia Francofurti 1620 lib I cap IX S 36]

2 begehrende empfindende A

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hervor als waumlren viele Seelen und die Seelen der Tiere we-sentlich verschiedener Art Alle Handlungen und Wirkungenkommen nur von einer und derselben Seele Selbst die sinnli-che Begierde ist der Vernunft nicht entgegengesetzt und unver-nuumlnftig denn sie hat einen vernuumlnftigen Zweck und sie wirdnur durch den Anblick der Schoumlnheit erweckt aber die Wahr-nehmung der Schoumlnheit ist eine Handlung oder Sache der Ver-nunft Ebenso ist die zuumlrnende oder leidenschaftliche Seeleauch die vernuumlnftige denn sie sinnt nicht auf Rache wenn sieeiner beleidigt hat wenn er es nicht freiwillig getan hat undwenn der Beleidiger fuszligfaumlllig um Verzeihung bittet so besaumlnf-tigt sie sich leicht indem sie [ihn] nicht fuumlr verachtet ansiehtEbenso polemisiert er gegen die Annahme verschiedner SinneSo sagt er im 17 cap bdquoDie Verschiedenheit der Objekte be-weist keineswegs das Dasein verschiedner Sinne sondern nurverschiedener Arten und Weisen des Empfindens DieselbeWaumlrme die als Objekt des Gefuumlhls Waumlrme heiszligt heiszligt alsObjekt des Auges Licht als Objekt des Gaumens1 GeschmackUnd es ist ein und derselbe Lebensgeist der alle diese Objektewahrnimmt aber vermittelst verschiedner Organe gleichwiederselbe Mensch mit der Feder schreibt mit dem Messerschneidet mit dem Spaten graumlbt Wenn ich aufmerksam etwashoumlre so sehe ich nicht das 45 was an mir voruumlbergeht undwenn ich recht vertieft Jemand anschaue so houmlre ich nicht dieWorte dessen der mich ruft ndash ein Beweis also daszlig der Lebens-spiritus das gemeinschaftliche eine Prinzip alles Empfindensist der Brand wie dies2 hauptsaumlchlich in den Affekten sichtbarist in die Augen stroumlmt und sie feurig macht dann wieder nachinnen zuruumlckstroumlmt so daszlig die Extreme des Koumlrpers erkaltenwie z B im Zorn und ein Beweis daszlig das empfindende Prin-zip ein koumlrperliches bewegliches Prinzip istldquo3 Jenes Zusam-mendenken des Menschen mit den Dingen des Geistes mitdem Koumlrper jene Idee der Einheit kommt selbst in der Formdes groumlbsten Materialismus und Aberglaubens in den Koumlpfendieser Italiener in denen noch nicht der Geist des MittelaltersPlatz gemacht hat dem denkenden und pruumlfenden Geist zumVorschein Nur ein Beispiel bdquoDie Erfahrung lehrt daszlig ein 1 Gaumens Geschmacks Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr hoffen3 T Campanella De sensu rerum et magia hellip a a O lib II cap

XVII S 114-115

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unbewohntes Haus wenn es auch fest gebaut und in ganz gu-tem Stande ist eher altert und zusammenstuumlrzt als ein schlechtund leicht gebautes aber bewohntes Haus Denn der Menschist die wirkende die ideale und Zweckursache des HausesJede Wirkung wird aber durch die Gegenwart ihrer Ursachemehr belebt und im Wesen erhalten Das Haus w[ird] durchs[einen] Bewohner belebt und bleibt ohne ihn ein Kadaverldquo1

Daher auch die scheinbar widersprechende Erscheinung daszligwaumlhrend dem Camp[anella] alles Leben Gefuumlhl Bewuszligtseinist ihm die Seele selbst ein materielles Prinzip ein Spiritus einaumltherisches Fluidum nur ist Indem die Idee der Einheit undzwar der Einheit in ihrer Unmittelbarkeit nicht als durch denUnterschied und Kritik vermittelte Einheit die Grundidee die-ser ersten Periode der neuern Philosophie war so konnte dieseEinheit nicht die des gestaltenden sondernden und organisie-renden Begriffs sondern der alles in sich befassenden wie dergeduldige Raum alles ohne Distinktion in sich aufnehmendenAnschauung sein Mit Ausnahme des Jordan[o] Bruno in demsich das Licht von der Finsternis schied der Gedanke der Ein-heit in der reinsten Form sich aussprach obwohl er im Beson-dern selbst deutliche Spuren dieses Geistes in sich noch traumlgtlaumlszligt sich daher die erste Periode der Philosophie mit dem Cha-os vergleichen in dem alle Dinge noch ununterschieden inein-ander lag[en] πάντα ὁμὸςἦν [Alles ist einander gleich] Esfehlt alle Kritik alle Skepsis obwohl Camp[anella] die Zwei-felsgruumlnde des Pyrrho[n] im Anfang seiner Metaphysik vor-bringt2 Mit den trefflichsten feinsinnigsten philosophischenIdeen spukt3 in dem Kopfe eines Camp[anella] eines Car-dan[us] der altglaumlubige Sinn des Mittelalters mit allen seinenDaumlmonen Geistern Bildern Maumlhren und Zaubereien

Aber eben bei dieser Einheit konnte es sein Bewenden nichthaben Die wahre Einheit ist nur die aus dem Unterschiede undGegensatze wiederhergestellte und resultierende Einheit dieEinheit die nicht Ausgang sondern Ruumlckgang ist Es muszligtedaher zum Unterschiede zur bestimmten Scheidung der Ele-mente oder Momente der Einheit kommen Der Pantheismus

1 Zitat nicht nachgewiesen2 T Campanella Universalis Philosophiae seu Metaphysicarum

rerum juxta propria dogmata partes tres Parisiis 1638 lib I capIII S 30-31

3 spukt unleserl Korr im Ms

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schlieszligt keineswegs den Unterschied aus denn dann waumlre esein sinn- und verstandloses System Denn wo 46 kein Unter-schied ist ist kein Sinn und Verstand Er sagt nur Substanz istnicht der Unterschied sondern die Einheit Er leugnet nicht dasDasein des Unterschieds er leugnet nur daszlig der Unterschieddas wahre das letzte das prinzipielle substantielle Dasein istAber es ist notwendig ndash und keineswegs ist diese Notwendig-keit ein Widerspruch gegen den Pantheismus uumlberhaupt son-dern nur gegen den Pantheismus der die unmittelbare Einheitzu seiner Basis hat und daher auch mit einer Voraussetzungbeginnt die Einheit nicht genetisch aus dem Unterschiedeentwickelt ndash es ist notwendig ndash und diese Notwendigkeit liegtselbst in der Entwicklung des Pantheismus ndash daszlig der Unter-schied fuumlr sich selbst fixiert wird daszlig der Unterschied zu seinerBedeutung und Realitaumlt kommt namentlich der Unterschiedder beiden wesentlichen Ur-Momente der Identitaumlt des Geistesund der Materie Bruno leugnet keineswegs den Unterschiedzwischen Geist und Koumlrper sein Interesse ist aber nur zu er-kennen daszlig sie in ihrem letzten Grund und Wesen eine ge-meinschaftliche Basis haben er statuiert selbst Gegensaumltzeaber folgert gerade aus ihnen auf die Identitaumlt Die Philosophiemuszligte daher jetzt das Interesse haben oder die Aufgabe war ihrgestellt diesen Unterschied festzuhalten und zu sehen wasund wie ist der Unterschied wie unterscheiden sich Geist undMaterie Die Philosophie die diese Frage sich stellte und vonihrem Standpunkt aus loumlste ist die Philosophie des CartesiusDer Standpunkt des Cartesius ist der Standpunkt der Kritik derScheidung und Ausscheidung der Geist stellt sich auf diesemStandpunkt die Frage was ist mein was nicht mein was gehoumlrtmir an was gehoumlrt der Materie an wo houmlrt sie auf wo fangeIch an Aber eben deswegen kann man den Anfang der Phi-los[ophie] nicht mit seiner Philos[ophie] machen mit demStandpunkt der Kritik faumlngt die Menschheit nicht [an] Er istder Anaxagoras der neuern Zeit Alles war anfangs ὁμός Einsbeisammen unentschlossen aber da kam der Nοῦς der Ver-stand dazu der eben deswegen das Prinzip seiner Philosophie[wurde] nach welchem ihm daher auch die Alten schon denNamen des Nοῦςgaben und derNοῦς sonderte und schiedDieses πάντα ὁμὸςἦν [alles gleich sein] kann man aber eben-so auf den fruumlhern Zustand der griechischen Philosophie an-wenden wie auf die vorcartesianische Periode Mit dem Carte-sius die Philosophie der neuern Zeit anfangen [zu] wollen ist

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daher gerade so viel wie wenn man mit dem Anaxagoras nichtmit der Ionischen Schule den Anfang der griechischen Philoso-phie machen wollte Allerdings kann man sagen das Daseineines neuen antischolastischen abtruumlnnigen heterodoxenGeistes setzte Cartes[ius] erst auszliger allen Zweifel gab hiervoneinen sonnenklaren 47 Beweis denn seine Philosophie gabsich in einer Schule aumluszligerliche Existenz und erst die Cartesi-sche Schule stuumlrzte die Scholastik indem sie ins Leben trat unddie Katheder die allein diese in Beschlag genommen hattebesetzte Er setzte das Dasein eines neuen nur auf sich selbstsich verlassenden von allem Vorhandenen Geltenden Uumlber-lieferten abstrahierenden ja es als gar nicht vorhanden alsnichtig betrachtenden Geistes auszliger allem Zweifel und zwardurch seine Skepsis die ihn mehrere Jahre im Zweifel und inder peinlichsten Unruhe herumtrieb durch die1 Geringschaumlt-zung und Verachtung alles dessen was bisher in den Wissen-schaften namentlich in der Philosophie geleistet sei eine Ver-achtung die ihn zur Verzweiflung brachte und den Entschluszligeinfloumlszligte selbst die Wissenschaften wenigstens alle Buumlcher-gelehrsamkeit aufzugeben2 durch die Forderung die er aus-druumlcklich geltend machte daszlig man an allem wenigstens einmalin seinem Leben zweifeln muumlsse 3 durch die Behauptung diePhilosophie ist nicht sie muszlig erst erzeugt werden Und derMensch kann sie nur aus sich selbst schoumlpfen nicht aus Buuml-chern nicht von andern Alle Philosophen vor Cartes[ius] hat-ten die Autoritaumlt bekaumlmpft hatten geschuumlttelt und geruumlttelt andem was bisher unerschuumlttert dastand und als Fideikommiszligvon einer Hand in die andere ging hatten gezweifelt an demWert und der Wahrheit der vorhandenen Wissenschaft aberkeiner trieb den Zweifel so auf die Spitze machte das so zwei-felnde tadelnde unzufriedene kritisierende nur auf sich selbstsich verlassende nur aus sich selbst schoumlpfende Selbst oder Ichausdruumlcklich zum Prinzip Und insofern als Cartesius das wasdie fruumlhern Philosophen getan und vorausgesetzt hatten imStillen zum Bewuszligtsein und zur Gewiszligheit erhob laut undoffen aussprach das Dasein eines neuen seiner selbst gewissenphilos[ophischen] Geistes zu eine[r] sonnenklare[n] unleugba-

1 Im Ms folgt gestr Forderung2 Im Ms folgt gestr endlich3 Im Ms folgt gestr auszliger allem Zweifel

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re[n] Tatsache machte kann man1 allerdings mit dem Cartesiusden Anfang machen Die Menschheit muszlig wenn sie eine neueEpoche begruumlnden will mit der Vergangenheit brechen Siemuszlig voraussetzen das bisher Gewesene sei gar nichts Nur indieser Vorstellung des Nichtseins und der Leere entsteht ihr dieLust und Kraft zu neuen Taten Wer sich vorstellt2 er hat schonalles sucht und forscht begreiflicherweise nach nichts weiter3

Alle Anhalts- und Anknuumlpfungspunkte an das Vorhandne wuumlr-de[n] ihren Flug laumlhmen Sie muszlig daher zu Zeiten das Bad mitdem Kinde ausschuumltten sie muszlig ungerecht sein So war sie esgegen die Scholastiker und gegen Aristoteles namentlich Car-tesius und Baco waren es

48 Erst der spaumltern Nachwelt ist es aufbewahrt die Ver-kannten und Verworfnen wieder ans Licht zu ziehen und nachGebuumlhren zu schaumltzen wie wir sehen daszlig Plato und Aristotelesin neuern und neuesten Zeiten zu Ehren wieder kamen so ist esgegenwaumlrtig mit Hegel der Fall man ist mit blindem Hassegegen ihn eingenommen eine spaumltere Nachwelt wird ihn erstwahrhaft erkennen und zu schaumltzen wissen Aber es ist not-wendig daszlig jede Veraumlnderung mit dem Bewuszligtsein einerdurchgreifenden wesentlichen Reformation unternommenwerde daszlig die Gegensaumltze des Alten und Neuen mit der Schaumlr-fe des Gegensatzes von Sein und Nichtsein gegeneinanderauftreten So sagte Bacon von Verulam daszlig es jetzt ndash zus[einer] Zeit ndash das Heil der Wissenschaft nur von einer radika-len Wiedergeburt von einer Revolution die ihre unterstenGrundlagen erschuumlttere zu erwarten [sei] daszlig es sich um eineneue Basis neue Prinzipien der Wissenschaft handle denn daswuumlrde wenig die Wissenschaft foumlrdern wenn man das Neue4

auf das Alte pfropfen wollte5 und sprach daher als eine not-wendige Bedingung der Wiedergeburt der Wiss[enschaft] esaus daszlig der Mensch6 sich von allen Vorurteilen die bisher ihnerfuumlllt hatten so auch von dem Vorurteil das man fuumlr das Altehabe sich befreien seinen Geist zu einer tabula rasa machen

1 Im Ms folgt gestr ihn als den Anfaumlnger2 sich vorstellt denkt Korr im Ms3 weiter bessern Korr im Ms4 Neue Alte Korr im Ms5 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

Francofurti 1665 lib I Aph XXXI S 2826 Mensch menschliche Geist Korr im Ms

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muumlsse Mit einer solchen Skepsis am Vorhandnen am Positi-ven uumlberhaupt mit einer solchen Ausleerung und Purifikationdes Geistes begann nun auch die Philosophie des Cartesiusobwohl gleich von vorneherein1 er Ideen aufstellt von wel-chem ihm seine Gegner vorwarfen daszlig er sie aus Plato oderandern Denkern genommen habe die auch wirklich groszligeAumlhnlichkeit damit haben aber doch das Gepraumlge2 eigentuumlmli-che[r] Erzeugnisse seines Geistes an sich tragen so sind daszligallerdings C[artesius]3 aus s[einem] Standpunkt auf sie kom-men muszligte

C[artesius] erzaumlhlt selbst in s[einer] Schrift bdquoDe methodoldquos[einen] Entwicklungsgang Er war auf der Schule sehr fleiszligigsein Wissenstrieb beschraumlnkte sich nicht allein auf die ge-woumlhnlichen Schulgegenstaumlnde er las was ihm in die Haumlndekam nicht bloszlig die Klassiker In der Mathematik die ihmbekanntlich so viele Fortschritte verdankt hat er sich schon aufder Schule ausgezeichnet Aber am Ende seiner Schulstudienfand er sich in einer ganz andern Lage als er vor dem Studiums[ein] Wiss[en] erwartet hatte Ich sah mich in so viel Zweifelund Irrtuumlmer verwickelt daszlig all mein Lernen und Wissen mirzu nichts geholfen zu haben schien 49 als zur Einsicht meinerUnwissenheit4 Er faszligte daher den Entschluszlig keine Wissen-schaft in Zukunft mehr zu suchen er faumlnde sie denn entwederin sich selbst oder in dem groszligen Buche der Welt5 Demgemaumlszliglebte er denn auch eine Zeitlang in Paris bloszlig in jugendlichenAusschweifungen und den Vergnuumlgungen der vornehmen

1 Im Ms folgt gestr sich in ihm2 das Gepraumlge als Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr durch4 Am Rande Er fand nichts fuumlr [unbezweifelbar] [unbezweifelbar [so

auch A] unleserl Wort im Ms] gewiszlig in der Philosophie und nochungewisser als die Philosophie alle andern Wissenschaften weil sievon ihr ihre Prinzipien entlehnten und d[ie] Philosophie kam ihmvor wie ein Gebaumlude an welchem eine Menge verschiedner Bau-meister nach und nach gearbeitet und gebessert hatten dessen Teiledaher nicht zus[ammen]paszligten sondern vielmehr sich widersprauml-chen Es muszligte also ein neues Gebaumlude aufgestellt und von einemund demselben Kuumlnstler vollendet werden ohne daszlig dieser einschon bestehendes System zum Muster nehme [Vgl R DescartesSpecimina philosophica seu Dissertatio hellip In Opera philosophicaAmstelodami 1656 S 7]

5 Vgl ebenda S 1-7

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Welt Aber sein Geist lieszlig ihn nicht in Ruhe Er zog sich zu-ruumlck in die tiefste Einsamkeit versenkt in das Studium derMathematik und Philosophie Aber die Gegensaumltze die seinePhilosophie bewegen ndash der Materialismus und der Idealismus ndashbewegen auch sein Leben aus der Welt geht es bei ihm in dieEinsamkeit des Gedankens und wieder aus der Einsamkeit desGeistes in das Getuumlmmel der Welt So sehen wir denn denCartes[ius] wieder aus s[einer] Einsamkeit heraustreten und aufdem Theater der Welt als Volontaumlr in Kriegsdienste tretenAber die1 Qual und Sorge des nach Gewiszligheit und Wissen-schaft verlangenden Geistes2 verlieszlig ihn selbst im Kriegsge-tuumlmmel nicht So als er einst in Neuburg an der Donau lag imWinterquartier als Freiwilliger unter den bayrischen Truppendie von Tilly kommandiert wurden3 ergriff ihn die Idee diePhilosophie umzuschaffen und ein neues sicheres Prinzip zufinden so lebhaft daszlig er ndash dieser stoische abstrakte Philosophndash eine Wallfahrt nach Loretto zur Mutter Gottes zu tun gelobtewenn sie zur4 Ausfuumlhrung dieser Idee ihren gnaumldigen Beistandleisten wollte Aber er kam noch lange nicht zu der Ruhe diedie Realisierung eines solchen Unternehmens bedarf wie imGeiste so hatte er sich auch im Leben noch nicht fixiert undhinlaumlnglich orientiert Er verlieszlig zwar die Kriegsdienste abermachte noch mehrere groszlige Reisen wo er einst auch eine Pro-be von seiner Geistesgegenwart und s[einem] ritterlichen Mutgab5 Er kam dann wieder nach Paris und balancierte hier wie-der zwischen den Gegensaumltzen des einfachen und geselligenmateriellen Lebens herum Aber endlich entschied er sich umallen Bande[n] des Lebens allen Anspruumlchen von Freundenund Bekannten zu entgehen so verlieszlig er selbst sein geliebtesVaterland und begab sich nach Holland wechselte aber auchhier einen Ort um den andern damit sein Aufenthaltsort nichtbekannt und er mit Besuch uumlberhaumluft wuumlrde 1 Im Ms folgt gestr Sorge2 nach Geistes Wissenschaftstriebes Korr im Ms3 Im Ms folgt lag4 zur ihn die Korr im Ms5 Am Rande Seine Reisen hatten jedoch keine andre Uumlberzeugung in

ihm hervorgebracht als s[eine] Buumlcher daszlig alles ungewiszlig sei ja erfand hier noch eine groszlige Verschiedenheit von Ansichten und Mei-nungen uumlber die mathematischen Gegenstaumlnde und zugleich tau-sendfachen Wahn des Aberglaubens von dem er sich schon laumlngstbefreit hatte

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Dieser an nichts Aumluszligerlichem haftende von den Banden desLebens die sonst den Menschen mit der Wirklichkeit verstrik-ken abstrahierende unruhige Zweifelgeist den wir schon imLeben des Cartes[ius] ausgesprochen finden 50 ist es nunmit dem Cartes[ius] auch die Philosophie umzugestalten suchtund jene Bewegung der Geister hervorrief die mit Recht Cou-sin eine unsterbliche nennt1 da jene rastlose produktive Taumltig-keit die im Gebiete der neuern Philos[ophie] sich zeigte undbis auf unsre Tage sich erstreckt jene allgemeine Bewegungverdankt allerdings dem2 Geiste des Cart[esius] seinen erstenImpuls

Cartes[ius] beginnt s[eine] Philos[ophie] mit dem ZweifelbdquoSchon vor vielen Jahrenldquo sagt er in der ersten Meditatio deprima philosophia bdquohabe ich wahrgenommen wie viele Taumlu-schungen und Irrtuumlmer ich schon von Jugend auf als Wahrhei-ten3 annahm wie ungewiszlig daher alles sei was ich spaumlter daraufbaute und deswegen mich von der Notwendigkeit uumlberzeugtdaszlig ich wenigstens einmal im Leben alles von Grund ausverwerfen und von den ersten Grundlagen an von neuem an-fangen muumlsse wenn ich je etwas Festes und Bleibendes in derWissenschaft begruumlnden wollte Um mich daher von den vielenVorurteilen die ich schon in der Kindheit wo ich noch nichtim gehoumlrigen Gebrauch meiner Vernunft war zu befreien muszligich alles was nicht vollkommen gewiszlig ist in4 Zweifel ziehenDas hauptsaumlchlichste Vorurteil ist aber der Glaube an die Exi-stenz sinnlicher Dinge Allein die Sinne taumluschen bisweilenund die Klugheit gebietet dem der uns auch nur einmal ge-taumluscht hat nicht viel Zutrauen zu schenken Uumlberdem nehmeich taumlglich im Traume mit dem lebhaftesten Gefuumlhl unzaumlhligeDinge wahr ohne daszlig sie doch existieren so daszlig ich daherkeine zuverlaumlssigen Kriterien habe um das Traumlumen vom Wa-chen zu unterscheiden Ich muszlig daher die Existenz der sinnli-chen Dinge bezweifeln und nicht bloszlig diese sondern auch die

1 Vgl V Cousin Uumlber Descartes und sein Verhaumlltnis zur Philosophie

in Frankreich aus dem Prospectus der Œuvres compl de Descar-tes publ per V Cousin 1824 In P P Royer-Collard V CousinN de Massias Religion und Philosophie in Frankreich Goumlttin-gen 1827 S 7-8

2 Im Ms folgt gestr Zweifel3 Im Ms folgt [so auch A] ich4 in auszliger Korr im Ms

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einfachen und allgemeinsten Gegenstaumlnde wie die koumlrperl[iche]Natur die Ausdehnung ja selbst auch die mathematischen Wahr-heiten weil sich schon viele in Betreff ihrer taumluschten fuumlr gewiszlighielten was sich nachher als irrig erwies vor allem aber deswegenweil in unserm Kopfe die Vorstellung eines allmaumlchtigen Gottes alsunseres Schoumlpfers eingewurzelt ist Denn wir wissen nicht ob er unsnicht so erschaffen hat daszlig wir uns immer selbst in dem was wirfuumlr das Gewisseste und Allerbekannteste halten1 taumluschenldquo2 Es istaber nicht hinlaumlnglich bloszlig zu zweifeln Ich muszlig vielmehr umdesto sicherer zur Gewissheit zu kommen alles woran ich zweiflefuumlr falsch ja fuumlr nichts fuumlr gar nicht existierend annehmen Aberindem ich so von allem ab- 51 strahiere alles was als ein andresgegen mich sich bestimmt mir aus dem Kopfe und Sin[ne] schlageals haumltte es gar keine Existenz indem ich alles in Zweifel setze undziehe so kann ich doch nicht das Zweifeln nicht das Denken ndash denndas Zweifeln ist ja Denken ndash bezweifeln nicht das Denkende nichtdie erste3 Person die in dem Cogito steckt nicht Mich als Denken-den bezweifeln Ich denke ich bin ist also unzertrennlich ist unbe-zweifelbar gewiszlig Cogito ergo sum ist die erste die allererste undgewisseste Erkenntnis4

1 halten gestr im Ms2 Vgl R Descartes Principia philosophiae Pars Prima In Opera

philosophica Amstelodami 1656 Abs I-VI S 1-23 Im Ms folgt gestr Ich4 Im Ms kein Absatz

Am Rande Der Zweifel des C[artesius] an der Existenz sinnlicher Dingeund der darauf gebaute Satz der natuumlrlich nicht so zu verstehen ist alsleugne C[artesius] daszlig man mit den Haumlnden halte und man mit denAug[en] farbig Dinge wahrnimmt sondern nur als die Frage Ist das wasmeinen Sinnen eine Realitaumlt [ist] auch fuumlr den Geist fuumlr die Vernunftauch in der Wahrheit eine Realitaumlt [Im Ms folgt ist] ndash eine Frage die sicheng anschlieszligt an die besondere Bedeutung die bei Cartes[ius] der Zwei-fel hat wie wir sogleich ersehen werden Der Zweifelsatz hat schon zuseiner Zeit viel Anstoszlig erregt und erregt es noch heute bei allen die be-fangen oder oberflaumlchlich diesen Satz uumlberdenken Die einen sind gleichfertig mit dem Satze Er ist ihnen eine Hyperbel der Abstraktion Wie oftdenken sie bei sich oder sagen es laut wie oft habe ich schon nicht ge-dacht wie es in jenen Xenien Schillers [F Schiller Musen-Almanach fuumlrdas Jahr 1797 Tuumlbingen 1797 S 292] heiszligt und bin doch gewesen jadie gluumlcklichsten Stunden meines Lebens waren vielleicht gerade die woich nicht gedacht habe andere sind gnaumldiger aber sie schuumltteln bedenklichden Kopf und verwundern sich houmlchlich

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VII Vorles[ung] [Descartes] 1

Der Satz Cogito ergo sum2 hat bei s[einem] Auftreten in dieWelt und spaumlter noch Anfechtungen aller Art zu bestehen ge-habt Man hat sich gewundert und noch mancher wundert sichnoch jetzt daruumlber wie man aus einem solchen Satze3 ein sol-ches Wesen und Aufsehen habe machen koumlnnen und als einebesondere Wahrheit als ein Prinzip ausgesprochen [hat] denndas sei doch klar daszlig wenn ich denke ich auch sei denn dasDenken setze ja das Sein voraus es sei eine einzelne Aumluszligerungoder Handlung des Seins und ganz natuumlrlich ergebe sich daherder Schluszlig oder versteht sich von selbst daszlig wenn ich denkeich auch sei Aber dies Resultat ergaumlbe sich auch aus jederHandlung4 Ich gehe spazieren also bin ich So hat schon Gas-sendi ein Zeitgenosse des C[artesius] der ein empirischerepikureischer Denker [war] den Satz des C[artesius] aufge-faszligt5 Der sinnliche Mensch begreift freilich nicht den Satz desCartes[ius] er schlieszligt vielmehr also Edo bibo ergo sum Ichesse ich trinke ich sehe ich rieche ich gehe spazieren alsobin ich Allein die Schluumlsse aus solchen Handlungen sind sehrprekaumlr Wenn man mir die Beine abschlaumlgt so kann ich nichtmehr spazieren gehen aber ich houmlre deswegen nicht zu seinauf wenn ich die Beine verloren habe Kann ich auch zu mei-ner sinnlichen Existenz des Essens und Trinkens nicht entbeh-ren so kann ich doch den Geschmack durch Krankheit odergeistige Anstreng[ung]6 verlieren so daszlig mir der Appetit ver-geht sie mir houmlchst gleichguumlltig werden und ich die Lust ver-liere aus der Handlung des Essens und Trinkens stante pedeauf mein Sein zu schlieszligen Ja es kann so weit gehen daszlig ichsie vielmehr als eine traurige Notwendigkeit ansehe als einenTribut den ich dem Magen einem laumlstigen Schmarotzertiere in

1 So auch A2 R Descartes Principia philosophiae Pars Prima In Opera philo-

sophica Amstelodami 1656 S 2-33 Im Ms folgt gestr der er einerseits ganz richtig sei aber sich von

selbst verstehe4 Im Ms folgt auch5 P Gassendi Disquisitio metaphysica seu dubitationes et instantiae

adversus Renati Cartesii Metaphysicam et responsa In Operaomnia T III Lugduni 1658 S 285 minus Im Ms folgt gestr Allein

6 Im Ms folgt den Geschmack

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mir einem zudringlichen Fremdling der sich ich weiszlig nichtwoher und wie Anspruumlche auf mich1 anmaszligt und was ich mitsaurer Muumlhe im Schweiszlige meines Angesichts verdiene alswaumlre es sein Eigentum in seinen unergruumlndlichen Schlund d iden Magen verschlingt bezahle um ihn zufriedenzustellendaszlig er mich meiner Wege ungeschoren gehen lasse Aus demEssen Trinken Spazierengeh[en] [] verliert der Mensch alsoleicht den Appetit zum Sein 52 er schlieszligt2 Ich habe einenMagen eine Gurgel aber auf sein Sein macht3 er praktischhieraus keinen Schluszlig Der Mensch kann im Uumlberfluszlig allersinnlichen Guumlter das Leben satt bekommen es kann ihm daswas sonst im Leben fuumlr das Reellste gilt als wertlos4 erschei-nen er kann daher bei sich selbst denken und fuumlhlen ich lebezwar aber mein Leben ist kein Sein ich will daher meinegleichguumlltige ja meine ekelhafte widerliche Existenz aufge-ben ich will dem Gassendi ndash allen Epikureern ndash zum Trotz undHohn der Welt durch einen Schuszlig in meinen Schaumldel einenerschuumltternden Beweis von der Nichtigkeit der bloszligen Existenzgeben ich will freiwillig mein Leben d h meinen Ekel mei-nen Widerwillen enden5 Denken wir uns in die Seele einesedlen6 Menschen7 hinein der den Verlust der Freiheit seines8

Vaterlandes nicht mehr uumlberleben mag etwa eines Cato9 undsehen wir wie dieser schlieszligt was sonst der gemeine Menschunmittelbar fuumlr eins mit s[einem] Sein haumllt woraus er mit pa-storalischer Wohlbehaglichkeit mit epikureischer Selbstgefaumll-ligkeit schlieszligt10 daszlig er ist11 mangelt mir zwar nicht aber mir 1 Im Ms folgt gestr macht2 also schlieszligt Im Ms gestr und unleserl korr3 Im Ms daruumlber unleserl Erg4 als wertlos fuumlr Nichts Korr im Ms5 es enden bei sich fuumlhlen und denken ich habe Alles und bin

doch Nichts ndash mein Sein ist Nicht-sein ich will daher auch nichtmehr existieren Ich vernichte mein Nichts ich werde SelbstmoumlrderIm Ms gestr und korr

6 Im Ms folgt gestr aber beschraumlnkten7 Menschen Helden Korr im Ms8 Im Ms folgt gestr Staates9 Vgl Plutarch Cato Minor In Plutarchus Chaeronensis opera

quae exstant omnia cum Latina interpretation Hernanii Cruserii Bd II Francofurti 1620 S 484-485

10 mit schlieszligt schlieszligt und fuumlhlt Korr im Ms11 daszlig er ist Ruumlckgaumlngig gemachte Streichung im Ms

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fehlt der Zweck die Idee meines Lebens der ich allein michbestimmt und geweiht habe mir fehlt die Vernunft der Sinnmeines Daseins die Freiheit war meine Seele mein Lebenmein Sein mit ihrem Verluste habe ich mich selbst verlorenich bin ein Nichts ein stinkender Kadaver ich habe keineKraft keine Aufgabe mehr als mein Nichtsein zu vernichtenmeine Existenz die nur noch eine Sinnentaumluschung eine Luumlgeein Betrug ist aufzuheben Ein solcher1 Selbstmoumlrder endetnicht sein Leben er endet nur seinen Tod denn er war schonvorher Nichts auch Der Mensch erklaumlrt nur ein Sein fuumlr Seindas mit seinen Interessen Zwecken und Tendenzen uumlberein-stimmt mit einem Worte mit seinem Denken ndash habe diesesauch einen noch so beschraumlnkten und endlichen Inhalt ndash uumlber-einstimmt Er2 verneint in s[einem] Gefuumlhle unzaumlhlige Male imLeben3 die Realitaumlt der sinnlichen Dinge jede Traumlne die eruumlber einen groszligen und schweren4 Verlust5 vergieszligt wischt ihmdie Farben an dem Gemaumllde6 der Natur mit welchen er sonstdie Dinge unterscheidet weg mit jedem dieser Schmerzens-hauche verschwindet und zerstaumlubt sich ihm die sonst so festeMasse der Auszligendinge die Sonne verliert fuumlr ihn ihre allbele-bende Kraft der Himmel sein entzuumlckendes Blau die Erde ihrlachendes Gruumln kurz alle Dinge verlieren fuumlr ihn ihre Kraftihre Wirkung ihre Bedeutung ihre Realitaumlt sie existieren nichtmehr fuumlr ihn ndash denn was ist Existenz ohne Wirkung ohne Kraftndash es vergeht ihm Sehen und Houmlren ndash sein Schmerz ist die Ne-gation der Dinge Nur die uumlberflieszligende aus sich herausstrouml-mende7 flatterhafte geschwaumltzige Freude versetzt ihr Wesennach auszligen zerstreut sich in die Dinge und macht sich lustig8

an den tausenderlei buntfarbigen Spielsachen die an demBaume der Natur haumlngen nur ihr scheint die Sonne nur ihrduften9 die Blumen bluumlhen die10 Baumlume Aber der mit finstremErnste in sich gekehrte Schmerz will von den Dingen nichts 1 Ein solcher Der Korr im Ms2 Er Der Mensch Korr im Ms3 in Leben durch sein ganzes Leben Korr im Ms4 einen schweren den Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr eines geliebten Gegenstandes6 Gemaumllde Tableau Korr im Ms7 aus sich heraus nach auszligen Korr im Ms8 Im Ms folgt gestr uumlber ihre Kraumlfte und []9 duften bluumlhen Korr im Ms10 bluumlhen die und Korr im Ms

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wissen fuumlr ihn haben sie keine Realitaumlt er verschmaumlht sie alseine 531 Eitelkeit Und die Freude selbst woher stammt sieWas bedeutet sie Nichts als den Ausdruck von der Harmoniedes Aumluszligern mit dem Innern als das Gefuumlhl der Wahrheit daszligder Mensch nur ein mit seinem Innern seinem Geiste seinemDenken identisches Sein fuumlr Sein haumllt Aber so elend und ver-blendet ist der Mensch daszlig er die Wahrheit die er tausendmalim Leben und in seinem Gefuumlhle bekraumlftigt verleugnet undnicht mehr erkennt so wie sie als Gedanke in ihrer Allgemein-heit seinen bloumldsichtigen Augen vorgehalten wird daher diemeisten auch die2 Wahrheit des Cartes[ianischen] Satzes ver-leugneten ob sie sie gleich in ihrem Gefuumlhle haben und beken-nen3 Es erhellt naumlmlich auf der Stelle daszlig das Denken in die-sem Satze nicht in dem Sinne genommen in welchem Sinnewir gar nichts gegen den Cartes[ius] einzuwenden wuumlszligtenauszliger etwa daszlig ein solcher trivialer Satz gar nicht zu einemPrinz[ip] aus dem sich etwas folgern lasse4 erhoben werdenkoumlnne5 daszlig man eben so gut von ihm aus auf das Sein uumlberge-hen koumlnne wie man aus jeder andern Handlung als einer ein-zelnen Aumluszligerung auf es schlieszligen koumlnne es erhellt vielmehrdaszlig der Sinn des Satzes ist [daszlig] nur das Denken allein mitAusschluszlig aller uumlbrigen Handlungen von welchen aus sonstdie Menschen auf dem Standpunkt der gemeinen Sinnlichkeitsich als seiend erschlieszligen die Gewiszligheit des Seins in sichschlieszlige ndash nur das mit dem Denken identische Sein ist gewis-ses untruumlgliches konstatiertes unzweifelhaftes [] unabson-derliches Sein6 Denn das Denken allein ist von mir unabson-derlich Cogitatio sola a me divelli nequit7 von allem kann ichabstrahieren ndash vom Essen Trinken vom Sehen HoumlrenSchmecken und folglich auch von ihren Gegenstaumlnden ndash vonden allgemeinen mathematisch[en] Gegenstaumlnden selbst kann

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 27 und VII Vorles[ung]2 daher die wie er es auch mit der Korr im Ms3 Im Ms folgt gemacht hat Fehlt in A4 Im Ms folgt gestr sich5 werden koumlnne lasse Korr im Ms6 nur Sein eine Auffassung des Denkens die eben deswegen

Anstoszlig erregt obgleich unbewuszligt alle Menschen mehr oder weni-ger diese Wahrheit bestaumltigen und praktisch ausuumlben Korr im Ms

7 R Descartes Meditationes de prima philosophia hellip In Operaphilosophica Amstelodami 1657ndash1658 Meditatia secunda S 11

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ich abstrahieren ohne daszlig ich aufhoumlre zu sein1 aber vom Den-ken kann ich nicht abstrahieren2 ohne daszlig ich aufhoumlre zu seinnur im Denken bin ich meiner selbst gewiszlig und versichert nures ist meine Bejahung und Selbstbekraumlftigung es ist also einsmit meinem Sein Cogito Sum ist identisch Du entgegnestmir Aber ohne Essen kannst3 Du auch nicht sein Aber hieraufgebe ich Dir die kategorische Antwort Das Sein welches eineunmittelbare Wirkung des Essens oder Trinkens und in Aus-duumlnstungen und Blaumlhungen taumlglich wieder von mir geht dasmit der Bestie identische Sein halte ich auf diesem Standpunktwo es sich nicht vom Sinnlichen uumlberh[aupt] noch von mei-nem sinnlichen sondern um uumlbersinnlich[es] Sein handelt garnicht fuumlr mein Sein Und dann kann ich nicht freiwillig desHungertodes sterben Wie koumlnnte ich aber das Essen und dasmit ihm zus[ammen]haumlngende Sein von mir excernieren [aus-sondern] und verneinen und wie koumlnnte ich von ihm abstrahie-ren wenn ich nicht von ihm abstrahieren koumlnnte es4 nicht vonmir abtrennbar und unterscheidbar waumlre wirklich also nichtmein gewisses mit mir identisches Sein waumlre Der Entschluszlignicht mehr zu existieren dieses Denken dieses Wollen meinesEndes5 diese Macht6 der Verneinung meiner sinnlichen Exi-stenz diese Kraft7 der Unsinnlichkeit die Kraft des Denkens8nur diese ist meine Realitaumlt mein Sein Nur wenn diese nichtist bin ich nicht Aber entgegnest Du mir wieder ich kann Dirja auch das 54 Denken nehmen Du9 brauchst10 nur11 einebetaumlubende Substanz etwa ein Glas Opium12 auszuleeren umdamit ein Pereat [Sie moumlge untergehen] Deiner Denkkraftzuzutrinken Allein Du taumluschst Dich von dem bloszligen Scheinegeblendet Das Denken koumlnntest Du mir nur entreiszligen wennich noch uumlbrig bliebe nachdem das Denken weg ist wenn ich 1 Im Ms uumlber der Zeile unleserl Erg2 Im Ms folgt gestr es ist3 Im Ms folgt gestr ich4 Im Ms folgt gestr mit5 Im Ms folgt gestr ist meine Position [] meiner gemaumlszlig6 Im Ms folgt gestr diese Kraft7 diese Kraft die in Wahrheit die Kraft des Denkens Korr im Ms8 die Kraft des Denkens ist Korr im Ms9 Du ich Korr im Ms10 brauchst [so auch A] brauche Ms11 nur Dir Korr im Ms12 Im Ms folgt gestr einzugeben

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also den Verlust des Denkens so gut uumlberleben koumlnnte wie ichden Verlust meiner Beine und Haumlnde meines Gehoumlrs meinerSehkraft uumlberlebe wenn ich gleich dadurch defekt werde Daswas von mir nicht abgesondert werden kann ohne daszlig ichdamit selbst zugrunde gehe oder das mit dessen Verlust meinNichtsein notwendig verknuumlpft ist1 das ist wahrhaft unabson-derlich von mir So ist es nun in der Tat mit dem DenkenNimmst Du mir ndash was uumlbrigens nur eine bildliche uneigentli-che Redensart ist ndash das Denken so ist das was als Naturnach-laszlig von mir uumlbrig bleibt eine gleichguumlltige herrenlose SacheDu kannst damit machen was Du willst denn nur durch dasDenken ist das Ich ein Ich das Dies ein Dieses das Mein einMein So Dann2 waumlrst Du also eigentlich nur durch das Den-ken erst Herr und Besitzer Deines Leibes Allerdings Dukannst mir allerdings durch einen bloszligen Tritt auf meinen Fuszligoder einen Schnitt in3 mein Fleisch einen houmlchst empfindlichenBeweis geben daszlig dieser Leib den Du so beschaumldigt hastmein Eigentum ist aber wuumlrde dieser Schmerz diese besonde-re sinnliche Art wie ich meines Koumlrpers als meines bewuszligtwerde fuumlr mich selbst wenn nicht das Bewuszligtsein selbst dieabsolute und allgemeine Weise oder Form des Bewuszligtseinsdas Denken diese besondre Weise als eine Art unter sich sub-sumierte Tritt einen Ohnmaumlchtigen des Bewuszligtseins Be-raubten auf den Fuszlig und er wird nichts davon spuumlren OhneDenken bin ich darum Nichts Der Unterschied zwischen Seinund Nichtsein zwischen Etwas und Nichts ist nur das Bewuszligt-sein

Das Denken hat aber nun eine doppelte Bedeutung es isteine zweifache in sich selbst unterschiedne Kraft Es ist eineExpansions- und eine Kontraktionskraft Als Expansionskraftist es Kraft durch die wir uns uumlber uns selbst hinaus ausdeh-nen in Gegenstaumlnde in das Wesen uns vertiefen verlieren dieKraft durch die wir uns vergessen wie sich der Mathematikerder Philosoph vergiszligt Als Kontraktionskraft ist es die Taumltig-keit wodurch wir wir sind wodurch wir uns bejahen und set-zen wodurch wir andre von uns und von andern und den Din-gen unterscheiden wodurch wir Bewuszligte Selbste sind DieKraft des Bewuszligtseins ist nichts andres als die Kraft des Unter- 1 ist war Korr im Ms2 Dann [so auch A] das Ms3 in auf Korr im Ms

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schieds Die wenigsten Menschen reflektieren uumlber ihr Be-wuszligtsein es erscheint ihnen als etwas Fixes wie ein Zustandeine Eigenschaft sie verwechseln es mit ihrer Individualitaumltsie sehen nicht ein daszlig es nichts weiter als Denken ist Unddieses Denken durch das wir vermittelst der Sinne die Dingeihrer Existenz nach voneinander und uns von ihnen unterschei-den ist das bei jeder Sinnenwahrnehmung mitwirkend[e] denndie Sinne reichen zur Unterscheidung1 nicht hin ist allein2 dieGewiszligheit unsrer Exis[tenz] ja diese Gewiszligheit selbst ist unserSein Sein ist uumlberhaupt nichts andres als Gewiszligheit3

Das Denken nun in dem Cartes[ianischen] Satze ist das Den-ken in dieser letztern Bedeutung Ich kann mich unterscheidenund unterscheide mich wirklich von den Objekten namentlichden sinnlichen koumlrperlichen Dingen zu welchen 574 auchmein Koumlrper gehoumlrt und bin in diesem Misch-Selbst-Unterscheiden unmittelbar meiner als eines sich selbst von denDingen und dem Koumlrper Unterscheidenden und Unterschiednenbewuszligt und diese Selbst-Unterscheidungskraft dieses Be-wuszligtsein oder schlechtweg das Bewuszligtsein ist meine RealitaumltIch denke ndash denn unterscheiden ist Denken ndash Denken ist meinWesen ndash denn nur von ihm kann ich nicht abstrahieren ohneaufzuhoumlren zu sein ich bin Geist und dieses Geistsein ist meinunbezweifelbar gewisses Sein Die unbezweifelbare Realitaumltdes Geistes ndash aber nicht als ein Satz als ein Dogma sondernals ein wirklicher Actus dieser Akt des Denkens wodurch ichmich von allem Sinnlichen unterscheide und in diesem Unter-schiede mich selbst erfasse5 meiner gewiszlig und bewuszligt bin ndash istdas Prinzip der Philosophie

Das Ich in dem Cogito bei Cartes[ius] hat darum an sichurspruumlnglich in der Idee nicht die Bedeutung der Person desIndividuums des Ichs in dem Sinne in welchem einer6 auf dieFrage wer da antwortet ich wo das ich den Namen diesesMenschen vertritt obgleich C[artesius] auch von dieser Ideeherabsinkt und es spaumlter confundiert [vermischt] sondern eshat eine allgemeine Bedeutung die Bedeutung des Geistes

1 Unterscheidung unleserl Korr im Ms2 allein nicht Korr im Ms3 Im Ms kein Absatz4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 29 und VII Vorlesung5 erfasse erfasst Ms A6 in einer wie wenn drauszligen vor der Tuumlr Korr im Ms

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Daher1 der2 Vorwurf des Egoismus ein toumlrichter Vorwurf istund es auch ein ungeschickter zweideutiger Ausdruck istwenn man sagt dem Cartes[ius] habe sich zuvoumlrderst bdquodieUumlberzeugung von seinem eignen Daseinldquo3 aufgedrungen Wernur sein Denken als sein Eigen ansieht der hat nichts mehr zueigen kein eignes Dasein kein eignes Wesen sondern [ist]allgemeinen Wesens wie das Licht wie die Vernunft derGeist er hat die Dinge abgetan durch die [die] Menschen sonstals Iche sich voneinander trennen und ausschlieszligen Obwohlnur durch das Denken Ich als eigne Person das Eigentumuumlberhaupt im engsten und weitesten Sinne gesetzt ist so ist4

doch der Mensch der nur das Denken als sein Eigentum an-sieht kein eignes Ich er ist eins mit dem namenlosen Men-schen mit dem Menschen in uns allen denn er nennt ein Gutsein von dessen Genuszlig keiner ausgeschlossen ist das Jeder5

ohne Unterschied und Ausnahme sein nennt oder wenigstensnennen kann Unrichtig ist es auch wenn man behauptet wieneuerdings Kuhn C[artesius] habe die Gewiszligheit s[eines] Prin-zips6 gestuumltzt auf das Gesetz des Widerspruchs indem er sagedaszlig es unmoumlglich sei daszlig wir die wir denken nicht seiendenn es sei ein Widerspruch daszlig das was denkt zu derselbenZeit wo es denkt nicht existiere und daher etwas vorausge-setzt was fruumlher gewiszlig sei als sein Satz7 Das Denken bedeutetbei C[artesius] das Bewuszligtsein und das Bewuszligtsein ist ebendie8 unmittelbare Einheit zwischen Denken und Sein Ich den-ke oder [viel]mehr9 Ich denke mich Ich bin ist unzertrennlichWie sollte also das Bewuszligtsein 58 welches eben die unmit-telbare Gewiszligheit von der Einheit des Seins und Denkens istnoch eines besondern Grundes beduumlrfen um sich die Gewiszlig-heit zu verschaffen daszlig das Sein mit dem Denken verbunden 1 Im Ms folgt es2 der ein Korr im Ms3 Vgl P Gassendi Disquisitio metaphysica seu dubitationes hellip a a

O S 284-2904 ist hat Korr im Ms5 Jeder Alle Korr im Ms6 Prinzips unleserl Korr im Ms7 Vgl J Kuhn Jacobi und die Philosophie seiner Zeit Ein Versuch

das wissenschaftliche Fundament der Philosophie historisch zu er-oumlrtern Mainz 1834 S 67-68

8 Im Ms folgt un-9 [viel]mehr vielm[ehr] A

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sei Aber das widerspricht geradezu dem ganzen Geiste desC[artesius] C[artesius] stellt sich da wo er diesen Satz bdquoeswiderspricht sichldquo anfuumlhrt auszliger den Standpunkt hinaus aufdem er d[as] Cogito e[rgo] s[um] aussprach und fand wo er diewirkliche Handlung der Unterscheidung und des Selbstbewuszligt-seins ausdruumlckt wo das bdquoIch denke Ich binldquo schlechthin durchsich selbst gewiszlig ist er verobjektiviert diese1 Handlung re-flektiert daruumlber und fuumlhrt nun diesen allgemeinen und aumluszligerli-chen Grund der gar nicht mehr aus der Natur des Denkensgeschoumlpft ist nicht mehr der Bedeutung entspricht in derC[artesius] am Anfang das Denken nimmt denn der Grunddaszlig es sich widerspraumlche daszlig das Denkende in dem Augen-blicke wo es denkt nicht sei gilt von jeder sinnlich[en]Handlung es ist ein Widerspruch daszlig das was ist zu dersel-ben Zeit wo es ist nicht existiere Ebenso widerspricht dieBehauptung das der Satz C[ogito] e[rgo] sum eigentlich dieConclusio eines Schluszligsatzes sei der laute Alles was denktist nun denke ich also bin ich Waumlre dieses wirklich so sohaumltte der Satz gar keine Bedeutung Aber daszlig es ein Schluszlig istwiderspricht der Idee des C[artesius] geradezu denn in demObersatze Alles was denkt wuumlrde ja Cart[esius] das Denkenvon sich absondern und zur Bestimmung von auszliger ihm seien-den Wesen machen er wuumlrde das Denken in das Gebiet desBezweifelbaren und wirklich Bezweifelten versetzen er wuumlrdeaus dem Ungewissen also Gewiszligheit schoumlpfen wollen Selbstals Folgerungssatz betrachtet oder als ein allgemeiner Satz dererst aus dem speziellen Cogito ergo sum abstrahiert sei hatder Satz keinen rechten Sinn denn dann wuumlrde das Denken indem unbestimmten Sinne einer Eigenschaft oder Handlunguumlberhaupt genommen und das Sein2 in dem unbestimmtenallgemeinen Sinne wie es mit jeder Handlung als deren Vor-aussetzung verknuumlpft mit dem Denken verknuumlpft [werden] eswuumlrde ferner ganz dahin gestellt und folglich ungewiszlig seinwas das fuumlr ein Subjekt ist (in dem Satze das was oder alleswas denkt) welches denkt es koumlnnte dieses Subjekt am Endeauch der Koumlrper sein Aber das ist eben wieder ganz und gar imWiderspruch mit C[artesius] Nur der Geist istrsquos der denkt nurdieses und kein andres Subjekt nur Ich als Geist natuumlrlichdenke und dieses mein Denken ist selbst mein Sein ich gewah- 1 diese jene Korr im Ms2 Sein Denken Korr im Ms

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re es nicht als eines vom Denken unterschiednes1 so daszlig icherst durch einen Schluszlig durch Reflexion seinen Zusammen-hang mit dem Denken erkennte denn ich bin nur durch dasDenken was ich bin Geist Bewuszligtsein das Denken ist dasWesen des Geistes nicht eine Eigenschaft nicht eine Aumluszligrungwaumlre es nur dieses so waumlre mir natuumlrlich mein Sein im Denkennicht unmittelbar gewiszlig denn nur mit dem Wesen nicht miteiner Eigenschaft ist das Sein unmittelbar eins Vom Wesenlaumlszligt sich das Sein nicht absondern

Die Aufgabe des Cartes[ius] war den Unterschied des Gei-stes von der Materie zu begreifen deswegen muszligte er zwei-feln Der Zweifel war der notwendige Weg zur Erkenntnis desGeistes denn der Zweifel hat bei 592 ihm keine andre Be-deutung als die der Unterscheidung und Abstraktion Auf die-sem Wege fand er daher daszlig nichts Sinnliches nichts Koumlrper-liches zum Geiste gehoumlrt daszlig er immateriell ist daszlig dieseImmaterialitaumlt ndash denn die Immaterialitaumlt ist nur ein negativesein unbestimmtes Praumldikat ndash eben im Denken besteht3 ndash derUnterschied von der Materie lediglich die Selbstunterschei-dung das Bewuszligtsein ist der Wille die Imagination die Ge-fuumlhle sind daher dem Cartes[ius] nur Weisen nur Bestimmun-gen modi des Denkens denn auch in der Vorstellung in demGefuumlhle selbst einem sinnlichen Wahrnehmungsgefuumlhle neh-me ich mich selbst wahr unterscheide ich mich von den Din-gen bin ich meiner bewuszligt kein Gefuumlhl keine Vorstellungkein Wille ohne Bewuszligtsein ohne Denken es ist also das Factotum die allgemeine Einheit das allgemeine Wesen des Gei-stes Es ergibt sich ferner auf diesem Wege oder es ist nur eineweitere Explikation daszlig der Begriff des Geistes nicht abhaumlngtvon dem Begriffe irgendeines materiell[en] Dinges daszlig derGeist nur durch sich selbst d h durch den reinen Verstandnicht durch eine Vorstellung oder die Imagination gefaszligtw[erden] kann daszlig der Geist das Allerklarste und Begreiflich-ste ist ja daszlig seine Erkenntnis fruumlher und gewisser ist als dieirgendeines koumlrperlich[en] Dings daszlig ferner die Erkenntnis desGeistes mir ein Maszlig der Gewiszligheit in aller Erkenntnis ist daszligAlles was ich so klar und deutlich was ich in demselbenLichte schaue in welchem ich die Realitaumlt und das Wesen des 1 unterschiednes [so auch A] unterschiednen Ms2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 30 und VII Vorlesung3 besteht bestimmt Korr im Ms

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Geistes wahr ist daszlig also der reine der intellektuelle Begriffdem nicht das Dunkel und die Ungewiszligheit einer sinnlichenVorstellung beigemischt ist der wahre Begriff eines Gegen-standes der Begriff der mir die Buumlrgschaft gibt daszlig wahr seiwas ich mit ihm begreife1

1 Am Rande Der klare und deutliche Begriff ist dem C[artesius] der

rein geistige der mit dem Wesen des Geistes identische Begriff derBegriff dem nichts Sinnliches Materielles beigemischt ist welchesnach Cart[esius] das Ungewisse Undeutliche ist daher es demCart[esius] zufolge strenggenommen auch nur vom Unsinnlichenklare und deutliche Begriffe geben k[ann] Die erste Regel der Ge-wissheit die C[artesius] aufstellt naumlmlich daszlig das was ich klarund deutlich einsehe auch wahr [Im Ms folgt gestr und die er][ist] zieht er sogleich von dem Satz Cog[ito] ergo sum ab und gehtdann erst uumlber zur Bestimmung des Geistes Wir fuumlhrten sie zuletztan weil die Bestimmung der Klarheit und Deutlichkeit nicht in demSinne der gewoumlhnl[ichen] Logiken und Psychologieen sondern mits[einer] Auffassung des Geistes uumlberh[aupt] zus[ammen]haumlngt

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VIII Vorlesung1 [Descartes]2

Aber dieses Maszlig oder Prinzip der Gewiszligheit ist doch selbstnur noch ein subjektives es faumlllt ja nur innerhalb des Unter-schieds des Geistes von den Objekten hinein sein Bewuszligtseinist sein Unterschied von den Dingen was er also auch noch soklar einsieht was er selbst mit der Evidenz s[eines] Selbstbe-wuszligtseins behauptet und bejaht er bleibt doch in dieser evi-denten Klarheit in der Beziehung nur auf sich in dem Bewuszligt-sein seines Unterschieds von dem Objektiven Wie3 werde ichgewiszlig daszlig das was ich klar und deutlich einsehe auch wirk-lich objektiv wahr ist Wie komme ich zum Bewuszligtsein derExistenz der Realitaumlt von mir unterschiedner Objekte MeineRealitaumlt mein Bewuszligtsein besteht gerade nur in dem Bewuszligt-sein ihrer Unrealitaumlt wenigstens fuumlr mich besteht in meinerUnterscheidung 60 von ihnen ja wenn ich es gerade heraus-sage gerade in ihrer Negation4 denn der Geist ist unsinnlichdie Negation alles Sinnlichen und ich bin was ich bin nurdurch das Denken durch den Geist Wie komme ich also zudem Bewuszligtsein zu dem Glauben daszlig sie sind oder uumlberhauptwie werde ich gewiszlig daszlig meine Vorstellungen5 objektive Rea-litaumlt haben6 Offenbar nicht durch mich selbst durch meinSelbstbewuszligtsein noch durch die Dinge selbst denn sie sind javon mir unterschieden Ja beide Geist und Materie sind sichselbst radicitus [von Grund auf] entgegengesetzt ihre Attribu-te durch die7 sie das sind was sie sind schlieszligen sich geradezugegenseitig aus praumlzise das was das eine ist ist das anderenicht die Materie z B teilbar der Geist einfach unteilbar DerGeist wird daher in diesem Gegensatze gegen die Materie sei-ner Schranke seiner Endlichkeit sich bewuszligt denn er hat ja ander Materie sein Ende wo sie anfaumlngt8 ist er nicht aber imBewuszligtsein seiner Endlichkeit und der Endlichkeit der Materiewird er sich zugleich der Idee der Unendlichkeit bewuszligt ja das 1 Im Ms kein Absatz2 So auch A3 Im Ms folgt gestr ent4 Negation Negation A5 Im Ms folgt gestr etwas Rea[les]6 haben [so auch A] haben Ms7 die [so auch A] das Ms8 Im Ms folgt gestr houmlrt

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Bewuszligtsein des Endlichen setzt das des Unendlichen vorausUnd in dem Bewuszligtsein des unendlichen des nicht im Gegen-satze begriffnen ja des absolut gegensatzlosen Wesens wirddaher der Geist gewiszlig daszlig die Vorstellungen von den Dingennicht nur subjektiv1 gewiszlig sondern auch objektiv wahr sindwird er sich daher seiner2 Verbindung oder Einheit mit derMaterie gewiszlig Die Idee der Einheit ist das Prinzip3 der Ge-wiszligheit aller reellen und objektiven4 Erkenntnis5 wie uumlber-haupt das Prinzip alles realen Seins

Dies ist die Idee die bei C[artesius] zugrunde liegt indem ervon dem Prinzip der Gewiszligheit zu dem der Wahrheit von demsubjektiven Geiste zu dem objektiven oder absoluten Geisteund Wesen uumlbergeht Aber diese Idee faszligt Cart[esius] in ganzpopulaumlren theologischen Vorstellungen auf macht sich dabeider groumlbsten Inkonsequenzen6 und Nachlaumlssigkeit schuldig sodaszlig die Einwuumlrfe die man dagegen macht durch seine eignenschiefe[n] und unphilosoph[ischen] Ausdrucksweisen hervor-gerufen sind Er geht so zu Werke unter den Ideen die ich inmir finde finde ich auch die Idee eines absolut vollkommnenWesens Gottes in mir Diese Idee ist die vorzuumlglichste houmlch-ste wesenhafteste Idee denn ihr Inhalt ist selbst das Unendli-che sie ist zugleich die allerdeutlichste allerklarste denn siedruumlckt keine Einschraumlnkung keine Negation sondern reineRealitaumlt aus7 sie ist die absolute Idee die Idee aller Ideen dieUr-idee die alle anderen Ideen voraussetzen denn die Idee desUnendl[ichen] ist fruumlher in mir als die des Endlichen sie ist dieIdee κατ΄ἐξοχήν denn sie unterscheidet sich von allen andernIdeen wesentlich dadurch daszlig sie allein nur schlechthin not-wendige Existenz ausdruumlckt und enthaumllt Nur mit der Idee Got-tes ist die Existenz notwendig unzer- 618 trennlich verknuumlpftGott kann ich nicht denken ohne ihn als existierend zu denkensein Wesen und seine Existenz ist9 identisch waumlhrend sie bei

1 subjektiv [so auch A] subjektive Ms2 seiner der Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr aber4 aller objektiven und Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr aller Realitaumlt6 Inkonsequenzen Unkonsequenzen Ms7 aus ausdruumlckt Ms fehlt in A8 Am Rande r o Verweis auf VIII Vorlesung9 Im Ms folgt gestr allein

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allen andern Dingen unterschieden sind Gott denken und ge-wiszlig sein daszlig er ist ist identisch Idem est concipere Deum etconcipere quod existat Gott ist und die Gewiszligheit aller Er-kenntnis haumlngt daher von der Erkenntnis1 Gottes ab2 Die Artwie aber ein C[artesius] dies auffaszligt ist absolut unphiloso-phisch indem er solche subjektive menschliche persoumlnlichePraumldikate wie die Wahrhaftigkeit zu Praumldikaten macht be-hauptet daszlig Taumluschung Betrug eine Unrealitaumlt ausdruumlckefolglich nicht in dem absolut realen liegen koumlnne daszlig aberGott ein Betruumlger waumlre wenn er uns ein Erkenntnisvermoumlgengegeben haumltte das sich selbst im Evidentesten taumluscht wennunsere Uumlberzeugung von der Realitaumlt der Dinge die sich uns sostark aufdraumlngt keinen realen Grund haumltte und dglDie Frage wie wird der Geist der Existenz materieller Dingegewiszlig oder wie sind die subjektiven Vorstellungen zugleichobjektive reale haumlngt aufs innigste zusammen oder ist iden-tisch mit der Frage wie haumlngt der Geist mit der Materie dieSeele mit dem Leibe zusammen Denn nur durch meinen Leibwerde ich gewiszlig der Realitaumlt sinnlicher Dinge Die Schwierig-keit die3 namentlich auf dem Cart[esianischen] Standpunkt[besteht] die Verbindung beider zu begreifen ist demCart[esius] selbst nicht entgangen Denn beide sind unabhaumlngigihrem Begriffe nach sind sich radicitus entgegengesetzt unddoch sollen sie nun in ihrer Identitaumlt begriffen4 w[erden] bdquoSiemuumlssen ut unum quid [als eines] und zugleich ut duo diversa[als zwei verschiedene] gefaszligt werden duarum enim rerumconjunctionem concipere aliud non est quam illas ut unum quidconcipereldquo5 Einige Gedanken kommen allerdings bei C[arte-sius] vor die ihm einen Faden zur Verknuumlpfung beider an dieHand haumltten geben koumlnnen So sagt er vom organischen Leibedieser Koumlrper ist Eines unum et gewissermaszligen unteilbarindivisibile ruumlcksichtlich der Beschaffenheit und Anordnung

1 Im Ms folgt gestr alles2 R Descartes Epistola CXIII In Epistolae omnes Partim ab

auctore latino sermone conscriptae partim cum responsis doctorumvirorum ex Gallico translatae Pars tertia Editio secunda prioremendatior Francofurti ad Moenum 1692 S 367

3 die unleserl Korr im Ms fehlt in A4 begriffen eingesehen Korr im Ms5 R Descartes Epistola XXX In Epistolae omnes hellip Pars prima

a a O S 55

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s[einer] Organe die sich gegenseitig aufeinander dergestaltbeziehen daszlig wenn eines fehlt der1 ganze Koumlrper mangelhaftwird Er anerkennt also hier in der Materie als organischemKoumlrper eine der Materie wenn sie nur im Allgemeinen gedachtwird entgegengesetzte ihr abstraktes materielles Wesen ver-neinende Bestimmung die Bestimmung der Einheit2 und Un-teilbarkeit die er sonst nur dem Geiste zuschreibt3 Aber demGeiste kommt die Bestimmung der Unteilbarkeit nur4 als Be-wuszligtsein zu oder die Unteilbarkeit ist auf den Geist angewandtnur eine negative uneigentliche bildlich-materielle Bestim-mung diese negative in eine positive 62 dem Wesen desGeistes entsprechende Bestimmung verwandelt heiszligt sie undist sie Bewuszligtsein denn das Bewuszligtsein ist absolute Einheitmit sich ich kann es nicht teilen Aber auf die Materie ange-wandt ist sie eine sie vergeistigende dem Geiste befreundendeund annaumlhernde Bestimmung Hier war also C[artesius] aufdem rechten Wege5 Um begreifen zu koumlnnen die Vereinigungder Materie mit dem Geiste muszlig ich6 in der Materie selbstetwas gegen die Materie Strebendes etwas Negatives erken-nen wie umgekehrt auch in dem Geiste wenn ich lediglich beider positiven Bestimmung der Materie sie ist AusdehnungTeilbarkeit d h bei ihrem abstrakten Wesen stehen bleibe undsie7 so betrachte8 als waumlre dies ihre ganze einzige wahreBestimmung9 so ist es unmoumlglich einen Punkt zu finden andem man die Materie packen und mit dem Geiste in Verbin-dung setzen koumlnn[t]e Ebenso war Cart[esius] vom Geiste ausauch auf Gedanken gekommen die ihm die Schwierigkeiterleichtern konnten Er sagt bdquoDer Begriff der Seele ist ein reinintellektueller Begriff oder die Seele erfaszligt sich allein durchden reinen Verstand oder Gedanken der Koumlrper kann auchdurch den bloszligen Verstand gefaszligt w[erden] aber weit besser 1 der das Korr im Ms2 Einheit Einfachheit Korr im Ms3 Vgl R Descartes Passiones animae Gallice ab ipso conscriptae

nunc autem in exterotum gratiam Latina civitate donatae In Operaphilosophica Amstelodami 1656 Articulus XXX S 18

4 Im Ms folgt gestr ent5 rechten Wege [so auch A] Wege rechten Korr im Ms6 ich [so auch A] sich Ms7 Im Ms folgt gestr als8 betrachte betrachtet Ms A9 Im Ms folgt [so auch A] bestehen lasse

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durch den Verstand in Verbindung mit der bloszligen Einbil-dungskraft die Verbindung aber von Leib und Seele und wasdarauf sich bezieht kann nur dunkel durch den Verstand alleinoder in Verbindung mit der Imaginatio am klarsten aber durchdas bloszlige Gefuumlhl erfaszligt werdenldquo1 Hier war C[artesius] auf demWege im Geiste ein Medium selbst zwischen ihm und derMaterie zu finden denn das Gefuumlhl ist das wodurch der Geistgegen sich selbst negativ ist denn im Denken und Wollen istder Geist sich selbst bestimmend im Gefuumlhl ist er bestimmt imDenken ist die Seele2 bei sich Eines unteilbar3 in der Empfin-dung aber auszliger sich diffus wie wir ganz richtig sagen vorFreude verflieszligen vor Freude auszliger sich sein Man sagt dieFrage nach dem Zusammenhang der Seele mit dem Leibe seiunaufloumlslich Dies kommt nur auf die Weise4 an wie die Fragegestellt wird Wenn ich freilich bei der Seele im Allgemeinenstehenbleibe die Seele ist unsichtbar unausgedehnt der Koumlr-per ist materiell so muszlig ich allerdings die Haumlnde uumlber demKopf zusammenschlagen und ausrufen wie ist das moumlglichAber jede ungeschickte Frage macht eine Antwort unnoumlt[ig]Die Frage nach dem Zus[ammen]hang des Geistes mit derMaterie ist keine andere als die Frage nach dem Zus[ammen]-hang des Denkens mit dem Empfinden5 Aber C[artesius] hatte 1 R Descartes Epistola XXX In Epistolae omnes hellip Pars prima

a a O S 54-552 die Seele der G[eist] Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr aber4 Weise Frage Korr im Ms5 Am Rande Die Schwierigkeit reduziert sich also darauf die Emp-

findung abzuleiten aus dem Begriffe des Geistes Ist dies gefundenso [so hat Korr im Ms] ist das Medium zwischen Materie undGeist gefunden Die Empfindung ist das Mysterium die Quelle derMaterie selbst zwischen der Empfindung und dem Intellectus in derMitte liegt aber die Imaginationskraft die man sich aber nicht alseine eigne vom Denken abgesonderte Kraft [Im Ms folgt sich]vorstellen muszlig Derselbe Prozeszlig nun den wir [bei] uns erfahrenwenn der Gedanke in uns 63 sich zum Bilde entaumluszligert und als die-ses Bild ein Objekt unsrer Empfindung wird das uns ergreift ent-zuumlckt aufregt und so die Nerven affiziert und vermittelst dieserselbst ins Blut dringt derselbe Prozeszlig oder Weg ist es auf dem wirden Zus[ammen]hang des Geistes mit der Materie zu machen unduns zu denken haben Ebenso klar oder ebenso mysterioumls wennman will wie dieser Zus[ammen]hang der reinen Intelligenz mit derunmittelbaren Empfindung oder diese Entaumluszligerung des Gedankens

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nicht die Ruhe und allerdings auch nicht die Aufgabe die Seelein ihrem innern Unterschied bis in die Tiefe zu verfolgen erfaszligt nur die allen Bestimmungen der Seele gemeinsame Formdie naumlmlich daszlig sie in allen ihren Bestimmungen ndash allerdingsfuumlr sich im Unterschiede von den Objekten [sich] wahrnimmtbewuszligt ist er faszligt das Denken welches allerdings das univer-sale Wesen der Seele oder des Geistes die C[artesius] nichtuntersucht nur von seiner subjektiven nicht von der ihr auchentgegengesetzten Seite auf und statt nach Innen in den Geistden Blick zu wenden 63 geht er unmittelbar sogleich ohnesich nach einem Medium umzusehen zur Materie uumlber DieVereinigung des Geistes mit der Materie konnte daher bei ihmkeine andre als eine willkuumlrliche sein Es gehoumlrt nicht zumWesen der Seele daszlig sie mit dem menschlichen Koumlrper verei-nigt ist die Einheit ist daher nicht eine unitas naturae [Natur-einheit] sondern nur eine unitas compositionis [zusammenge-fuumlgte Einheit] d h ihre Einheit ist eine willkuumlrlich gemachtesie geht nicht mit Notwendigkeit aus ihrem Wesen und Begriffhervor Es ist nur Gott der sie ndash man weiszlig nicht warum ndash zu-sammengefuumlgt hat ndash eine Vorstellung die der Philosophieunwuumlrdig ist Etwas andres ist wenn man sagt Gott ist dasBand zwischen Materie und Geist nur das unendliche Wesenist als der Grund beider Gegensaumltze auch ihr reales Bandworin sie vereinigt sind obwohl auch dieser Satz nicht hinrei-chend ist denn man muszlig an der Materie selbst an dem Geisteselbst in ihrer Natur ihre Vereinigungspunkte finden aberwenn man es sich so vorstellt Gott hat beide zusammengefuumlgtso nimmt man zu dem bekannten Asyl der Ignoranz dem Wil-len Gottes seine Zuflucht womit man nichts Vernuumlnftigesnicht nur sondern auch eben viel Unvernuumlnftiges auch imhoumlchsten Grade der Idee Gottes Unwuumlrdiges gesagt hat Aller-dings liegt nun auch bei C[artesius] jene Idee zugrunde aberbei ihm schieben sich immer sogleich zwischen die Idee dieallerlosesten und unphilosophischsten Vorstellungen ein sohier zwischen die Idee des unendlichen Wesens als des realenMediums zwischen Geist und Leib die unangemeszligne Vorstel-lung des Willens der in Wahrheit statt ihre Verbindung zuerzeugen und damit begreiflich zu machen diese Verbindungunmoumlglich und unbegreiflich macht

in s[ein] Bild und die Empfindung ist ebenso klar und mysterioumls istauch der Zus[ammen]hang des Geistes uumlberhaupt mit der Materie

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In C[artesius] sind1 eigentlich nur zwei2 groszlige und philoso-phische Gedanke[n] der Gedanke des Cogito ergo sum nebstden unmittelbaren Folgen die sich in betreff des Geistes darananschlieszligen und der Gedanke daszlig die Idee des Unendlichenvorausgesetzt ist der Idee des Endlichen und daszlig die Idee desUnendlichen die Idee des Wesens ist welches unmittelbar dieExistenz in s[ein] Wesen faszligt obwohl auch diese Ideen ohnegehoumlrige Anwendung und Ausfuumlhrung bei ihm bleiben Es3

sind nur Blitze die ihn augenblicklich nur erleuchten um4

sogleich wieder den Nebeln der unphilosophischen Vorstellun-gen Platz zu machen Die Metaphysik war dem C[artesius]nicht sein Element er konnte es in ihrem Denken nicht langeaushalten wie er selbst in einem Briefe eingesteht ob er wohluumlberzeugt war daszlig sie die houmlchste Wissenschaft war Seinemetaphysischen Meditationen kommen einem so vor als 645

haumltte er nur in aller Eile und so gut als es anginge sein intelli-gentes Gewissen welches die Forderungen beunruhigten diedie Metaphysik an ihn als einen von der Wuumlrde und Wesenhaf-tigkeit derselben uumlberzeugten Kopf machten beschwichtigt6um [sich] dann um so ungestoumlrter und berechtigter an die Teiledes Wissens zu machen fuumlr die er mehr sich geschaffen hielt7Die Metaphysik war fuumlr ihn nur eine Kapelle in der er seineMorgenandacht verrichtete8 um dann den ganzen uumlbrigen Tagin seinem chemischen Laboratorium oder der Werkstatt derMechanik und Physik zuzubringen In der Mathematik PhysikDioptrik und Mechanik hat er groszlige Erfindungen gemacht oderdoch vorbereitet und veranlaszligt ob er wohl namentlich in derPhysik voreiliger Hypothesensucht nicht mit Unrecht huldigte9und sein Weltsystem bald durch das des Newton verdraumlngtwurde Es war jedoch nicht bloszlig eine Folge seiner subjektivenNeigung und Anlage fuumlr die Mathematik es war auch eineFolge seines metaphysischen Prinzips ja eine notwendige Fol- 1 sind [so auch A] ist Ms2 zwei Ein Korr im Ms3 Es Sie Korr im Ms4 um aber Korr im Ms5 Am Rande l o Verweis auf VIII Vorlesung6 Forderungen beschwichtigt Forderungen der Metaphysik an

seinen denkenden Kopf machten zu beschwichtigen Korr im Ms7 hielt [so auch A] hielte Ms8 verrichtete hielt Korr im Ms9 huldigte beschuldigte Korr im Ms

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ge desselben daszlig seine Anschauung von der Natur eine ledig-lich mathematische abstrakt-materielle nicht physikalischeAnschauung war bdquoAls die Materie der koumlrperl[ichen] Dingenehme ichldquo1 sagt Cartesius ausdruumlcklich bdquonur die Materie anwelche Gegenstand der Geometrie ist jene durchaus teilbarebildsame und bewegliche Materie welche die Geometer dieQuantitaumlt nennen und bringe bei ihrer Betrachtung nichts inAnschlag als2 diese Teilungen diese Figuren und Bewegun-genldquo3 Das Wesen der Materie und des Koumlrpers besteht dahernicht in s[einen] sinnlichen Beschaffenheiten sondern lediglichin seiner Ausdehnung in die Laumlnge Breite und Tiefe Das We-sen der Natur ist also die bloszlige Quantitaumlt Diese Betrachtungder Natur nun haumlngt aufs innigste mit seiner Metaphysik zu-sammen Fuumlr den nur von der Materie abstrahierenden und sichunterscheidenden ja diese Abstraktion diesen Unterschied alsseine einzig positive [Bestimmung] als sein Wesen erfassen-den Geist ist notwendig auch nur die abstrakte von der sinnli-chen Qualitaumlt abgezogne Materie die einzig reale Materie undals solche Objekt seines Denkens und Betrachtens Denn indieser Betrachtung und Anschauung der Materie als einer blo-szligen Quantitaumlt entaumluszligert sich nicht der Geist seiner selbst ervermengt sich hier nicht mit dem Schmutz der Materie erbleibt so bei sich selbst in der Abgezogenheit und Unterschie-denheit von der Materie Denn die Materie bloszlig betrachtetnach Groumlszlige Figur und Bewegung ist ja so nicht Objekt derSinne sondern nur Objekt des abstrakten mathematischenDenkens

654 Was ist hart weich suumlszlig bitter rot blau Das kann ichkeinem sagen und beschreiben es sind dunkle Vorstellungenes fehlt die Klarheit und Bestimmtheit durch welche eine Vor-stellung allein beschreibbar und mitteilbar wird wer es wissenwill5 muszlig es selbst fuumlhlen und fuumlhlen kann er es nur wenn ersich vermischt mit der Materie entaumluszligert versenkt in die Flu-ten der Sinnlichkeit Aber die Groumlszlige die Gestalt die Bewe-gung sind mitteilbare klare deutliche Vorstellungen sind

1 Im Ms folgt nur2 Im Ms folgt gestr ihr3 R Descartes Principia philosophiae Pars secunda In Opera

philosophica Amstelodami 1656 Abs LXIV S 55-564 Am Rande r o Verweis auf VIII Vorlesung und Paginierung5 Im Ms folgt gestr kann

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Begriffe keine Gefuumlhle Eine Maschine zu fassen dazu gehoumlrtnicht unmittelbare sinnliche Gegenwart und Anschauung ichbrauche nicht einmal die Augen aufzuschlagen ich kann sie inmeinem Kopfe mir konstruieren Diese quantitative Anschau-ung der Materie obwohl sie1 eine rein materielle oder mecha-nische Betrachtung derselben ist ist es also in der der von derMaterie abstrahierende Geist sich keine Gewalt antut sichnicht von sich entfremdet sondern bei sich selbst bleibt undwar daher die dem Cartes[ianischen] Standpunkt gemaumlszlige

1 obwohl sie obsie wohl Ms

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IX Vorles[ung] [Malebranche Geulincx] 1

Je weniger2 C[artesius] seine Ideen ausfuumlhrte und begruumlnde-te je3 leichter er sich die Loumlsung so vieler4 Schwierigkeiten5die sich dem darbieten der sich naumlher in s[einer] Philosophieumsieht machte so6 inkonsequent er auch verfuhr und je mehrer die wichtigsten7 Fragen wie die nach dem Ursprung derErkenntnis nach dem Zusammenhang des subjektiven Prinzipsder Gewiszligheit mit dem objektiven Prinzip der Erkenntnisuneroumlrtert lieszlig um so mehr trug d[ie] Philo[sophie]8 weiter dasBeduumlrfnis die Notwendigkeit einer gruumlndlicheren Ausfuumlhrungihrer Ideen in sich zumal da diese9 ihrer Beschaffenheit nachschon einer weitern Entwicklung nicht nur beduumlrftig sondernauch faumlhig waren (Die Philosophie des C[artesius]10 bedurftedaher nur eines empfaumlnglichen Gemuumlts eines11 aufmerksamenund konsequenten Denkers um ihre Luumlcken und Bloumlszligen zuenthuumlllen12) Als einer der13 dieses Beduumlrfnis in sich empfandund mit selbststaumlndigem Geist die Philos[ophie] ausbildetebegegnet uns zunaumlchst Nikolaus Malebranche (geb 1638)Mal[ebranche] geht wie C[artesius] von dem Gegensatz zwi-schen Geist und Materie aus er haumllt beide in den abstraktenBestimmungen fest daszlig das Wesen der Materie nur in derAusdehnung das des Geistes nur in der des Denkens besteheund zwar des Denkens nur in der Bedeutung des Bewuszligt-seins14 Beide sind als entgegengesetzte besondre Wesen beide 1 So auch A ndash Am Rande r Verweis auf IX Vorlesung ndash Im Ms kein

Absatz2 Je weniger So wenig Korr im Ms3 je [so auch A] so Ms Im Ms daruumlber gestr unleserl Erg4 je vieler so sehr er auch die Im Ms gestr5 Im Ms folgt gestr nicht loumlste oder uumlbersprang6 so Im Ms gestr7 und wichtigsten und die wichtigsten Korr im Ms8 Im Ms folgt gestr den Knoten der Entwicklung nicht mit zumal da

oder auch9 Im Ms folgt gestr an und fuumlr10 Die C[artesius] Die [] die C[artesius] ausgestreut hatte Korr

im Ms11 Gemuumlts eines Denkers wie Korr im Ms12 enthuumlllen [so auch A] verhuumlllen Ms13 der [so auch A] Denker Ms14 Im Ms folgt gestr der Subjektivitaumlt

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sind besondre Arten des Wesens1 Die Vorstellungen von denmateriellen Dingen kann daher der Geist weder von den Din-gen bekommen sie sind ihm ja entgegengesetzt ndash die Materieist nicht durch sich selbst sichtbar intelligibel sie ist dem Gei-ste ein absolut Andres Finstres und Dunkles ndash noch kann derGeist da er ja ebenso der Materie geradezu entgegensteht dieVorstellung materieller Dinge aus sich bekommen2 66 oder insich haben Die Seele erkennt3 ndash eine unleugbare Tatsache ndashallgemeine Wahrheiten sie erkennt das Besondere nur in undaus dem Allgemeinen das Endliche nur aus dem UnendlichenSo sehen wir alle sinnliche[n] Dinge ausgedehnt wir koumlnnenkein sinnliches Objekt wahrnehmen auszliger in der Idee Vor-stellung oder Anschauung der Ausdehnung Aller Wahrneh-mung ist daher die Idee der Ausdehnung des Raumes voraus-gesetzt der Raum die Ausdehnung oder die Idee derselben isteher in mir als die Idee der bestimmten ausgedehnten DingeDiese Idee ist eine allgemeine und unendliche Idee4 denn alleGeister schauen5 alle Dinge nur in ihr an Wie kommt nun dieseIdee in die Seele Die Seele ist als ein der Materie entgegenge-setztes Wesen ein besonderes ndash die Ideen oder Vorstellungensind Modifikationen Bestimmungen der Seele wenn ich6 eineVorstellung habe bin ich auf eine gewisse Weise modifiziertbestimmt Wie kann eine allgemeine7 eine unendliche Ideealso Modifikation eines besonderen Wesens sein wie in ihrihren Grund haben8 wie aus ihr kommen Es ist nur das allge-meine Wesen also das Wesen das schlechtweg Wesen ist dasWesen das in keinem Gegensatze steht9 das unendliche dasgoumlttliche Wesen in dem wir alle Dinge schauen Jede notwen-dige jede allgemeine Idee ist eine goumlttliche Idee Wie es aberallgemeine unendliche Ideen oder Anschauungen gibt wie die 1 Im Ms folgt gestr beide setzen daher voraus das Wesen schlecht-

weg das allgemeine Wesen das nicht dies oder das nicht ein derNatur entgegengesetzter Geist noch eine dem Geist entgegenge-setzte Materie sondern schlechtweg ist

2 kann bekommen kann er sie aus sich bekommen Korr im Ms3 erkennt hat Korr im Ms4 Im Ms unleserl Erg5 Im Ms gestr und unleserl Erg6 Im Ms folgt gestr ja7 Im Ms folgt gestr Idee8 ihren haben sein Korr im Ms9 steht stehen Korr im Ms

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unendliche Idee des Raumes in der wir alle Dinge schauen sogibt es auch allgemeine1 Vernunftwahrheiten Ich weiszlig z Bdaszlig zwei mal zwei vier ist daszlig man seinen Freund seinemHunde vorziehen muszlig und ich bin gewiszlig daszlig es keinen (ver-nuumlnftigen) Menschen gibt der es nicht ebenso gut wissen kannwie ich Nun erkenne ich aber diese Wahrheiten nicht in demGeiste der andern ebensowenig als sie sie in dem meinigenerkennen Es gibt also notwendig eine allgemeine Vernunft diemich und alle Geister beleuchtet Denn wenn die Vernunft dieich befrage nicht dieselbe waumlre die den Chinesen auf ihreFragen an sie antwortet so koumlnnte ich es doch offenbar nicht sobestimmt wissen als ich es wirklich weiszlig daszlig die Chinesendieselben Wahrheiten einsehen die ich einsehe Die Vernunftdie wir befragen wenn wir in uns gehen ist daher eine allge-meine Vernunft Ich sage wenn wir in uns gehen denn ichmeine nicht die Vernunft der ein leidenschaftlicher Menschfolgt Wenn einer das 692 Leben s[eines] Pferdes dem seinesKutschers vorzieht so hat er dazu wohl auch s[eine] Gruumlndeaber es sind nur besondere Gruumlnde vor denen jeder vernuumlnftigeMensch zuruumlckschaudert und die in Wahrheit unvernuumlnftigsind weil sie der houmlchsten oder allgem[einen] Vernunft diealle Menschen befragen widerstreiten

bdquoWenn es nun aber wahr ist daszlig die Vernunft an der alleMenschen teilnehmen allgemein ist wahr daszlig sie unendlichwahr daszlig sie ewig und notwendig ist so ist es gewiszlig daszlig sienicht von der Vernunft Gottes selbst unterschieden ist dennnur das allgemeine und unendliche Wesen enthaumllt in sich eineallgemeine und notwendige Vernunft Diese allgemeine Ver-nunft ist daher von Gott nicht unterschieden sie ist mit ihmvon gleicher Ewigkeit und Wesenheitldquo3 Gott ist nicht mehralso bloszlig wie bei Cart[esius] das Prinzip der Gewiszligheit er istalso nicht bloszlig ein Patent das sich der Geist4 ausfertigen laumlszligtum dann seine Gewerbe desto ungestoumlrter fuumlr sich auf eigneFaust fuumlhren zu koumlnnen er ist das reale Prinzip der Erkenntnisund Anschauung er ist die allgemeine Anschauung das allge-meine Gesetz die notwendige Vernunft das allgemeine Licht

1 Im Ms folgt gestr Wah[rheiten]2 Am Rande r o Verweis auf IX Vorlesung3 N Malebranche De la recherche de la veacuteriteacute hellip T IV Paris 1721

X Eclaircissement sur le livre III S 207-2084 Im Ms folgt gestr im Himmel

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aller Geister Maleb[ranche] nennt daher Gott den Ort der Gei-ster1

Es ist hier wesentlich gleich zu bemerken daszlig Ma-leb[ranche] unter Geist und Ich nichts anderes versteht als daseinzelne Ich das einzelne Selbst das Individuum2 SchonC[artesius] sinkt sogleich von der allgemeinen Bedeutung desIchs herab in die Bedeutung des Ichs als der IndividualitaumltC[artesius] ist eigentlich nur so lange Philosoph als er3 zwei-felt und die Philosophie sucht so wie er sich in ihrem Besitzduumlnkt so verliert er sie auch schon wieder und plumpst herun-ter in das Gebiet der bloszligen Vorstellung So lange Cart[esius]auf dem Standpunkt des Cogito ergo sum steht und nichts wei-ter tut als daszlig er analysiert was in dieser Wahrheit liegt denBegriff des Geistes daraus abstrahiert oder vielmehr darin fin-det ist er Philosoph aber sowie er weitergeht macht er es sichsehr kommod er versetzt den Geist in die Klasse der Erfahrun-gen selbst wovon er doch abstrahiert hat indem er von ange-bornen Ideen spricht identifiziert4 [er] den Geist mit sichdiesem Menschen und macht sich nun dadurch5 den Schluszlig aufdas Dasein eines unendlichen Wesens sehr leicht6 von demDasein eines Individuums als eines endlichen Wesens das alsonicht den Grund in sich haben kann ist der Uumlbergang auf dasDasein eines unend[lichen] Wesens Gottes sehr leicht In die-ser Bedeutung nun wie man auch im Leben den Geist das Ichversteht nimmt Malebr[anche] den Geist bei sich auf DieseVorstellung lag dem Malebranche um so naumlher als sein Kopf7

von theologischen besonders 70 Augustinischen Vorstellun-gen eingenommen worden in der Theologie aber das was 1 N Malebranche De la recherche de la veacuteriteacute hellip T III a a O

livre III part II chap VI S 3402 als das Individuums als das Ich im gewoumlhnlichen Sinne wo es

eins ist mit dem Individuum Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr sucht und4 identifiziert verwechselt Korr im Ms5 Im Ms folgt durch6 Am Rande Diese [Im Ms folgt gestr Verwechs[lung]] Identifikati-

on liegt sehr nahe denn das Ich hat hier konkret [hier konkret fehltin A] reale Existenz als Individuum weswegen beide zu unterschei-den sind Das Ich kommt nur durch das Denken zustande das Ichaber als bloszlig seiend vom Denken abgetrennt fuumlr sich betrachtet istIndiv[iduum]

7 Kopf Geist Korr im Ms

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man Geister Seelen auch wohl gar Intelligenzen nennt nichtsanderes bedeutet als die Personen menschliche1 Individuali-taumlten Maleb[ranche] nimmt den Geist also nicht in seiner Ein-heit mit der Vernunft obwohl Geist im houmlhern Sinne identischmit Vernunft ist Da Maleb[ranche] also den Geist abgetrenntvon der Vernunft denkt den Namen Geist auf das individuelleSelbst anwandte so war es ganz notwendig daszlig er den Ur-sprung der Ideen die allgemein und notwendig sind und derenDasein unleugbar nicht im Geiste des Menschen fand undfinden konnte sondern im Geiste Gottes denn nur dann koumlnn-ten diese Ideen im Geiste des Menschen ihren Grund habenwenn dieser Geist selbst allgemeiner Natur ist oder in seinerEinheit mit der Vernunft und die Vernunft in uns als allgemei-ne Vernunft als eine nicht nur subjektive Vernunft erkanntwird Alle Menschen die auf dem Standpunkt des Male-b[ranche] in dieser Beziehung stehen und die meisten denkensich unter Geist nichts anders als ihr Selbst muumlssen wenn siekonsequent sind wenn sie die Tatsache unendlicher notwendi-ger und allgemeiner Ideen gehoumlrig bedenken auf ein und das-selbe Resultat mit Maleb[ranche] kommen denn wollte mandieser Notwendigkeit damit entschluumlpfen daszlig man sagte alleMenschen haumltten gleiche2 Gesetze des Denkens so ist dies einebloszlige Ausflucht denn woher worin liegt diese Gleichheitdiese setzt eben selbst eine gemeinschaftliche allgemeine Basisvoraus

Aber die cartes[ische] Philosophie indem sie vom Ich aus-ging oder dieses ihre Idee war ob sie gleich d[as] Ich nicht ins[einem] idealen mit der Idee identisch[en] Begriff festhieltsondern es in s[einer] empirischen Gestalt eingefuumlhrt hattedamit kein andres Wort ausgesprochen3 als was der Weltgeistder neuern Zeit auf der Seele hat Die Philosophie betrachtetaber das in seinem Wesen seiner Wahrheit seinem Grundewas in den uumlbrigen Sphaumlren der Manifestation des Geisteseines Zeitalters4 nur als Wirkung als Folge als ErscheinungGegenstand ist So ist es ein wesentlicher Charakterzug derneuern Zeit daszlig der Mensch als Individuum sich fixierte und

1 menschliche [so auch A] menschlichen Ms2 Im Ms folgt gestr Anlagen3 Aber ausgesprochen Die Cartesische Philosophie indem sie vom

Iche ausging hatte damit nichts anderes ausgesprochen Korr im Ms4 eines Zeitalters Grunde was ein Zeitalter Korr im Ms

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Grundlage aller Forschungen Fragen und Interessen wurdeDer Grund des Individuums sein Wesen ist das denkende IchVon diesem nun ging C[artesius] aus Er erfaszligte daher denGeist seines Weltalters in seinem Grunde Aber das denkendeIch war bei C[artesius] nur ein Blitz nur ein Meteor das so-gleich in die niedere Atmosphaumlre herabsank und hier als 71irdisches Individuum niederfiel ndash in der Gestalt in welcher dasIch Objekt wurde in jeder nicht- oder auszliger-philosophischenAnschauung So1 war Montaigne 1533 geb in seinen Essais2

schon ein Portraumltmaler von sich selbst und Malebranche ver-denkt es ihm gewaltig daszlig er so viel von sich spraumlche machtihm daruumlber die groumlszligten Vorwuumlrfe So gab auch schon derItaliener Cardan[us] seine Individualitaumlt mit allen ihren furcht-baren Widerspruumlchen mit all ihren Schwaumlchen Fehlern jaLastern und Abscheulichkeiten ungescheut der Welt zum Be-sten Wie der Mensch als Kind sich fuumlrchtet wenn er sich indem Spiegel erblickt und vor dem Maler der es portraumltierensoll davonlaumluft so hatte der Mensch in der Befangenheit fruuml-herer Zeit religioumlse Scheu vor sich selbst3 dem Verbot desClemens4 sich5 im Spiegel zu betrachten kann man eine tiefreBedeutung geben und es als einen allgemeinen Ausdruck desbefangnen religioumlsen Geistes ansehen denn gerade dadurchdaszlig er so sich scheut ist er gerade ein subjektiver6 der Mensch 1 Im Ms folgt gestr ist es nicht unerheblich gab2 Vgl M E de Montaigne Les Essais de Michel Seigneur de Mon-

taigne hellip T I-III Paris 17253 Im Ms daruumlber unleserl Erg4 Gemeint ist der griechische Philosoph und Theologe Clemens Alex-

andrinus Titus Flavius (Clemens von Alexandria) und dessen erstechristliche Ethik (bdquoPaedagogusldquo) Vgl Clemens AlexandrinusContinens protrepticum ad Graecos et paedagogi In Titi FlauiClementis Alexandrini opera omnia Vol I Lipsia 1831 lib IIIcap 2

5 Im Ms A folgt nicht6 und subjektiver und dem Maler Mensch fruumlher eine religioumlse

Scheu ansehen Korr im MsAm Rande Dem befangnen religioumlsen Menschen der nicht philo-sophiert ist [nicht] das Ich im Sinne des Cartesius das Ich im Sinnedes denkenden Geistes sondern das ich als seine Person nur Ge-genstand [Im Ms daruumlber teilw unleserl Erg noch als Objekt []Objekt] und indem dieses ihm Gegenstand ist so entspringt ihm ge-rade der Trieb von diesem Ich sich wegzuwenden sich von sich zubefreien nicht an sich zu denken sondern nur an Gott Indem der

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Mensch so sich anschaut gewahrt er nur sein Elend sein Nichtsund dieses Nichts ist eben diese einzelne fuumlr sich fixierte Personmit ihren Schwaumlchen Fehlern Aber auf diesem Standpunkt w[ird]er nicht von sich frei denn der Standpunkt selbst ist schon Befan-genheit Beschraumlnktheit die [] liegt daszlig [Im Ms folgt gestr ihm]er sich Gegenstand ist wenngleich nur Gegenstand seines Mitleidsseiner Verachtung und Verabscheuung Eine solche von sich selbstwegfliehende und doch nicht von sich frei 72 werdende eine sol-che sich selbst quaumllende und durch Selbstqual sich von sich erloumlsenwollende und doch eben durch diese Tendenz nur in sich befangneungluumlckselige Subjektivitaumlt begegnet uns in einem juumlngern Zeitge-nossen des Cartesius in dem beruumlhmten Pascal Die wahre undeinzige Tugendldquo sagt Pascal bdquoist sich zu hassen [Im Ms unleserlErg] denn man ist haumlszliglich durch seine Begierdeldquo [Vgl B PascalPenseacutees de M Pascal sur la religion et sur quelques autres sujetsLa Haye 1743 Art XXVIII Penseacutees chreacutetiennes Nr 64 S 194]Es ist ungerecht daszlig man sich an uns anschmiegt mit Liebe ob esgleich freiwillig und mit Vergnuumlgen geschieht Wir enttaumluschen diein denen wir ein Verlangen nach uns erwecken denn wir sind nichtder Zweck der Person und haben keine Mittel in uns sie zu befrie-digen denn sind wir nicht stets zum Tode bereit und wuumlrden sie al-so nicht so den Gegenstand ihrer [ihrer unserer Korr im Ms] Zu-neigung verlierenldquo [Vgl B Pascal Penseacutees hellip a a O ArtXXVIII Penseacutees chreacutetiennes Nr 65 S 194] Wenn die Notwendig-keit ihn zwang etwas zu tun was ihm irgendwie Befriedigung ge-waumlhren konnte so hatte er eine bewunderungswuumlrdige Geschick-lichkeit seinen Geist so davon abzukehren daszlig er nicht daran teil-nahm z B als ihm s[eine] anhaltenden Krankheiten zwangen 73feine Speisen zu sich zu nehmen so gab er sich alle Muumlhe das nichtzu kosten (als etwas Wohlschmeckendes zu empfinden) was er aszligP[ascal] verbannte das Moi [mich] Diese Negation der Selbstheitist aber eine verkehrte und unvernuumlnftige daher gerade das Gegen-teil von dem was sie sein will sie ist die in sich befangenste Sub-jektivitaumlt Es erhellt daszlig wer sich jeden Genuszlig versagen will stetsauf sich ein Auge haben [Im Ms folgt gestr muszlig] stets an sichdenken stets es nur mit sich zu tun haben muszlig Er straumlubt sich ge-gen das Unvermeidliche gegen die Notwendigkeit Denn das ganzeLeben ist Genuszlig nur daszlig wir wegen seiner Ununterbrochenheit esnicht als Genuszlig fuumlhlen So ist das Atmen ein Genuszlig Daszlig es ein sol-cher ist erfahren wir wenn wir uns den Atem eine Zeit lang neh-men So ist das Gehen Laufen Genuszlig was wir erfahren wenn [ImMs folgt wir Fehlt in A] in einer verschraumlnkten Stellung unsreGlieder sich nicht bewegen koumlnnen Wer sich dem Genuszlig entziehtentzieht sich dem allgemeinen Leben reiszligt sich aus dem Ganzenheraus wird dadurch im houmlchsten Grade subjektiv Ja im Genuszlig

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war unfrei nicht seiner selbst bewuszligt Aber jetzt blickte derMensch mit Klarheit und Freiheit in den Spiegel er betrachtetesich wie1 ein anderes Wesen nahm ein objektives Interesse ansich aber er konnte sich auch war er von sich eingenommenmit Eitelkeit mit Interesse an sich wie ein Montaigne be-trachten Aber es ist nichts schlechter als zu moralisieren dieAufgabe ist den Menschen zu begreifen und darzustellen wieer ist und dieses wie er ist in s[einem] Grunde und Wesen zuerfassen Die Fehler sind nur verkehrte Tugenden es liegtihnen etwas Tiefes Gutes Positives zugrunde So auch in die-ser Richtung des Menschen auf sich selbst sollte sie auch ei-nen2 tadelswerten Charakter nehmen denn sie kam nur daherdaszlig der Mensch sich in s[einem] Wesen das3 Selbstbewuszligtseinals sein Wesen wenigstens sein naumlchstes Wesen erfaszligte Nurdie Idee von der Realitaumlt des Geistes des Selbstbewuszligtseinswar der houmlhere der wahre Grund daszlig der Mensch auch alsIndividuum sich Gegenstand wurde denn mit der Idee desSelbstbewuszligtseins mit der Erfassung des Geistes [hatte] dasBewuszligts[ein] sich als reell erfaszligt Das Individuum hat abereine mehrfache Existenz es muszligte daher von mehrern Seitenaus Objekt werden So wurde das Individuum als soziales oderpolitisches Gegenstand und Ausgangspunkt des NaturrechtsHobbesrsquo Naturzustand Grotius und Pufendorf nach ihm gingenvom Gluumlckseligkeitsprinzip oder richtiger der Selbstliebe ausSo wurde es als Empirisches Gegenstand und Ausgangspunktder Psychologie und der empirische Ursprung der Ideen undErkenntnisse selber wurde daher eine notwendige Folge denndas Individuum steigt nur vermittelst der Sinne zur4 Vernunftempor So wurde auch d[as]5 Individuum6 jetzt7 hauptsaumlchlicherst Objekt als religioumlses Objekt Der Mangel bei allen diesen72 war nur daszlig man das Individuum fuumlr sich fixierte bei ihm

w[ird] der Mensch mehr von sich frei als im Denken 74 an s[eine]Suumlndhaftigkeit sein Elend frei ist nur der der weder an s[eine] Tu-genden noch an s[ein] Suumlndenelend denkt Diese Freiheit ist alleinDemut

1 wie als Korr im Ms2 Im Ms daruumlber unleserl Erg Fehlt in A3 das sein Korr im Ms4 zur zum Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr religioumlse6 Im Ms folgt gestr als religioumlses7 Im Ms folgt d

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und folglich bei der Erscheinung stehen blieb es nicht aufseinen Grund zuruumlckfuumlhrte wo1 man uumlber es hinaus gekommenwaumlre sich nicht zur Philosophie erhob denn nur durch sie wirdman wahrhaft frei von der Individualitaumlt und gerade dadurchdaszlig2 man sie in ihrem Wesen erfaszligt Das Ich das philosophiertuumlberwindet seine Schranke es schlaumlgt geradezu in sein Ge-genteil um es bezieht sich auf einen Boden[] wo es [sich] ausdem Gesichte verliert es versenkt sich in dem Aumlther des Den-kens in die Anschauung des reinen unendlichen Wesens denndem Philosophen ist es an der Erkenntnis dem Objektivengelegen So sehen wir den Cartes[ius] auf eine freilich inkon-sequente dem Begriff des Cogito widersprechende Weise zurIdee des Unendlichen uumlbergehen So geht auch Maleb[ranche]vom denkenden Ich aus aber er verknuumlpft3 [die] Bedeutung derIndividualitaumlt4 aber nur um es aufzuheben und vielmehr seinBewuszligtsein zum Bewuszligtsein der goumlttlichen Substanz als seineres erleuchtenden Wesenheit als seiner Vernunft seiner An-schauung zu erheben Die Abstraktion von der Materie inwelcher das Ich als denkendes5 sich erfaszligt nimmt bei Ma-leb[ranche] aber einen Pascal-aumlhnlichen religioumlsen Charakteran Die Materie ist ein ungoumlttliches negatives Wesen die ma-teriellen Dinge sind die untersten der Wesen sich vom Sinnli-chen zu befreien ist daher die Tendenz des Geistes Alles wasdie Seele vermittelst des Koumlrpers erhaumllt ist fuumlr den Koumlrper DieMenschen sont faits pour penser [sind gemacht zu denken]denn sie sind fuumlr die Wahrheit bestimmt Mal[ebranche] hatdaher im Praktischen eine aumlhnliche Richtung mit Pascal aberda uumlber dieser praktischen Tendenz der freie Geist des Denkensbei ihm schwebte so verfiel er natuumlrlich nicht in diese asketi-sche ungluumlckliche befangne Subjektivitaumlt wie Pascal Wie diePhilos[ophie] des Cart[esius] in Maleb[ranche] einen mehrreligioumlsen Charakter annahm so in einem andern Schuumller des-selben Arnold Geulincx eine rigoristisch-moralische TendenzEr geht vom Denken in jener einseitigen Bedeutung und vomGegensatz der Materie aus Das Einzige was mein ist ist dasDenken Ich bin bloszlig Zuschauer dieser Welt ich kann nichts

1 Im Ms folgt gestr dan[n]2 Im Ms folgt gestr man sie anerkennt daszlig3 er verknuumlpft in einer Korr im Ms4 Im Ms folgt aus5 das denkendes das denkende Ich Korr im Ms

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auszliger mir hervorbringen denn wie koumlnnte ich auf das Materi-elle von dem ich streng unterschieden bin einwirken unsreWirkungen koumlnnen nicht uumlber uns hinaus die der Welt nichtuumlber ihr Gebiet ndash das Materielle hinaus denn wenn die Dingeauch in meinem Gehirn z B ein 73 materielles Bild hervor-bringen wie wird aus dem materiellen Bilde eine ideale gei-stige Vorstellung Gott ist es daher der im Geiste den materi-ell[en] Eindruumlcken entsprechende Wirkungen hervorbringt undumgekehrt den geistigen Bewegungen entsprechende Bewe-gungen im Koumlrper so daszlig wenn infolge eines Willensaktessich mein Arm bewegt diese Bewegung nicht von mir hervor-gebracht ist sondern Gott die Ursache dieser Uumlbereinstim-mung ist er der Leib und Seele Aumluszligeres und Innres auf einewunderbare unbegreifliche Weise miteinander zu einem Gan-zen harmonischer Wirkungen verknuumlpft hat Ich bin nur dieVeranlassung daszlig wenn ich dies oder jenes will diese oderjene entsprechende Bewegung erfolgt ebenso ist die Materienur die Veranlassung Occasio daszlig auf eine Bewegung in ihreine1 ihr entsprechende Bewegung in mir vorgeht Gott istallein die wahre Ursache Man nennt daher dieses System dasdes Occasionalismus welches Maleb[ranche] und Geulincxbesonders ausbildeten Aus diesen Praumlmissen entwickelt nun AGeulincx eine strenge rigoristische Sittenlehre eine Ethik desleidenden Gehorsams der unbedingten Unterwerfung unter dieGesetze die Bestimmungen des goumlttlichen Willens Wo Dubist das ist der Sinn s[einer] Ethik da bleibe verlasse nichtden Ort den Posten das Amt wo Du einmal hingestellt wor-den bist wenn es Dir auch nicht behagt wolle nichts aumlnderndurch Deinen Willen denn Du kannst nichts aumlndern es sindDir uumlberall die Haumlnde gebunden So schlaumlgt das Ich also in seindirektes Gegenteil in die haumlrteste Negation seiner selbst umOder die Anschauung seiner selbst ist unmittelbar die An-schauung seines Gegenteils Das2 Bewuszligtsein seines Denkensentaumluszligert sich sogleich in das Bewuszligtsein eines nicht-denkenden eines nur materiellen dem Denken entgegenge-setzten Wesens So schlug bei C[artesius] wie wir sahen derIdealismus sogleich in der Naturphilosophie um in reinen Ma-terialismus der Geist erblickt auf diesem Standpunkt in derNatur nicht ein befreundetes verwandtes Wesen ein Wesen 1 Im Ms folgt gestr harmo[nische]2 Das Mit dem Korr im Ms

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das wenn auch noch kein Bewuszligtsein wie er doch wenigstenseine Seele hat da er nichts Negatives in sich selbst findet soversetzt er das Negative auszliger sich er erblickt nur in der Ma-terie das Negative gegen sich Die Realitaumlt der Materie istdaher auf diesem Standpunkt keineswegs aufgehoben dennindem der Geist sein Wesen nur im Unterschied im Gegensatzzur Materie 74erfaszligt so ist ihm ja die Materie vorausgesetztund notwendig um sich von ihr zu abstrahieren und als Geistzu wissen

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X [Vorlesung]1 [Descartes Spinoza]2

Der Anstoszlig des Fichteschen Nicht-Ichs ist daher im Car-tes[ius] schon implizite enthalten3 Es ist daher auch nicht rich-tig wenn Cousin irgendwo ich glaube in seinem Prospectuszu C[artesius] behauptet daszlig die materialistische Tendenz diedie franzoumlsische Philosophie nach Cart[esius] annahm ihrenGrund in dem nach Frankr[eich] eingedrungnen Empirismusder Englaumlnder namentlich Lockersquos habe4 Die materialistischeund mechanische Anschauung von der Natur vom Lebenuumlberhaupt durfte nur abgetrennt von ihrem Zusammenhangmit dem metaphysischen Prinzip in welchem sie bei C[arte-sius] stand fuumlr sich fixiert werden um in bloszligen antimetaphy-sischen Materialismus uumlber[zu]gehen Und das ist uumlberhauptder geschichtliche Verlauf oder vielmehr Schicksal5 der philo-sophischen Systeme daszlig die Konsequenzen eines Systems diein ihm durch ein houmlheres Prinzip getragen werden isoliert 1 Am Rande l o Verweis auf X Vorlesung zwischen Randbemerkun-

gen und Text kein Absatz2 So auch A3 Am Rande Das Objekt der gestrigen Vorles[ung] war wie der

Mensch sich in d[er] [d[er] s Korr im Ms] neuern Zeit in s[einer]Selbstaumlndigkeit Realitaumlt und Wesenhaftigkeit erfaszligte wie das Indi-viduum als Individuum von d[er] Philosophie [erkannt] in den ver-schiednen Sphaumlren die Basis der Anschauung [als Anschauungin den verschiedensten Sphaumlren Basis Anschauung Korr im Ms]war [Im Ms folgt gestr diese ist [] eine] das Individuum welches[welches aber Korr im Ms] auf dem Standpunkt der Philosophieals Ich in seiner Einheit mit dem Denken erfaszligt wurde Wir sahenwie das Ich hierin [] aber auf dem Standpunkt der Philosophieeben weil es hier in s[einem] Grund und Wesen erfaszligt wird vonsich frei wird was schon daraus erhellt daszlig uumlberhaupt das Ichhierin in die Anschauung seines Gegenteils sich versenkt wie wirbei Arnold Geulincx in der strengen ethischen Notwendigkeit oderder unbedingten Unterwerfung unter das einmal Bestimmte zu wel-cher A[rnold] G[eulincx] uumlbergeht diesen Gegensatz des Ichs er-kannten

4 Vgl V Cousin Uumlber Descartes und sein Verhaumlltnis zur Philosophiein Frankreich aus dem Prospectus der Œuvres compl de Descar-tes publ Per V Cousin 1824 In P P Royer-Collard V Cousinund N de Massias Religion und Philosophie in Frankreich Goumlt-tingen 1827 S 8-9

5 Im Ms folgt der

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selbstaumlndig fuumlr sich herausgerissen werden wo sie dann schaumld-liche Wirkungen hervorbringen die im System selbst uumlber-wunden sind weil sie im Zus[ammen]hang mit einem houmlherngeistigen Prinzip stehen Solche Wirkungen kann aber auchund hat wirklich wie die Geschichte lehrt jede selbst religioumlseLehre1 wenn auch ihr Inhalt wahr und trefflich ist Die Men-schen halten sich uumlberall an die Folgen die Prinzipien liegenentfernt die Folgen aber ndash indem sich in ihnen ein Prinzip andas Praktische annaumlhert ndash fallen in die Sinne sie sind dasNaumlchste worauf man verfaumlllt Daher gibt es nichts Unvernuumlnf-tigeres und selbst Gemeineres als wenn man die Wahrheit undden Geist eines Philos[ophen] dadurch verdaumlchtigen will daszligman sagt er enthalte2 schaumldliche Konsequenzen3 und sie her-vorhebt Fuumlr den der in dieser Philosophie lebt und webt ndash undnur von einem solchen kann die Rede sein nicht von einemder auszliger ihr sich befindet ndash existieren diese Konsequenzen garnicht er ist uumlber sie hinaus er uumlberwindet sie indem er sie aufihr Prinzip zuruumlckfuumlhrt sie nur in dieser Verbindung schautund [sie] so bei ihm unter die Herrschaft eines houmlhern Prinzipsgestellt sind So verdaumlchtigt man den sogen[annten] Pantheis-mus dadurch besonders ndash obwohl diese Lehre gar nicht not-wendig zus[ammen]haumlngt mit ihm wie die Geschichte beweistndash daszlig man sagt die Negation der4 individuellen Fortdauer desMenschen nach dem Tode5 sei eine notwendige Konsequenzvon ihm Da nun aber diese Folge alle sittlichen Grundlagenerschuumlttere sei es ein falsches System 756 Aber diese Konse-quenz existiert nur fuumlr die welche auszliger dem Panth[eismus]stehen Das Bewuszligtsein des Endlichen entspringt bei demPantheismus nur aus dem Bewuszligtsein des Unendlichen derGlaube an7 das Ende seiner persoumlnlich[en] endlichen Existenzist unmittelbar eins mit dem Glauben an die allein wahrhafteuneingeschraumlnkte und darum ewige Existenz des goumlttlichenWesens Nicht mit den Sinnen mit dem Geiste nimmt derPantheist sein Ende wahr nur in der Anschauung des unendli-

1 Im Ms folgt haben2 sagt enthalte auf die Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr die es haben koumlnnte enthaumllt hinweist4 die der er habe die Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr auf6 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung7 Im Ms folgt gestr sein

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chen1 Lebens ndash eine Anschauung die unmittelbar mit Erhaben-heit und Reinigung der Gesinnung mit Erhebung der Seeleuumlber die endlichen Interessen und Leidenschaften der Men-schen verbunden ist eine Anschauung die also keine Wirkungeines Daumlmons sondern eines guten Geistes eine Anschauungin der der Mensch das Gefuumlhl seiner houmlchsten Wuumlrde hat undsein houmlchstes Gut erkennt nur in dieser sieht er sein Leben alseine einzelne Woge verrinnen Dieser Gedanke hat daher fuumlrihn keine schaumldlichen Konsequenzen denn er bleibt uumlber seinEnde hinuumlber in den Urquell seiner Existenz in das unend-lich[e] in immer neue Formen sich offenbarende Leben [ge-bunden] er findet einen reichlichen Ersatz fuumlr den Verlustseiner persoumlnlichen Existenz in dem Besitze2 und Genusse derIdee in der er sich3 als ein vergaumlngliches Wesen verschwindensieht er verliert in ihr den Verlust seiner Unsterblichkeit auszligerden Augen und dem Herzen Aber fuumlr den freilich der diesesBewuszligtsein des Endlichen abtrennt von der Idee des Unendli-chen der diese Konsequenz isoliert sie durch nichts zu ergaumln-zen und ersetzen weiszlig ist diese Lehre eine schreckliche Lehreeine Lehre des absoluten Nichts Fuumlr alle diejenigen die auszligerdem Pantheismus stehen ist daher4 dieses System allerdingsein System von houmlchst verderblichen Folgen ist es notwendigdarum auch ich sage notwendig ein ganz irriges nichtigesSystem

So war es nun auch bei C[artesius] der Fall5 Der Materialis-mus ist in ihm da aber uumlberwunden insofern als er mit einemantimaterialistisch[en] metaphys[ischen] Prinz[ip] verbundenwar Die materialistische Tendenz war nur die Isolierung derMaterie von ihrem Grunde und Prinzip an das sie inC[artesius] angeknuumlpft w[ar]

Die cart[esische] Philosophie griff darum wegen dieser idea-listisch[en] und materialist[ischen] Tendenz tief in das geistigeLeben der Menschheit ein6 Dies muumlssen wir nicht etwa in derVerbreitung die sie als Schule gewann allein finden Der Ge-

1 Im Ms folgt gestr Wesens2 dem Besitze der Idee Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr als ein endliches und sterbliches aus den Augen

[ver]liert4 Im Ms folgt gestr seine5 Im Ms folgt gestr Sein6 ein [so auch A] an Ms

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gensatz von Materialismus und Idealismus war eine allgemeineAngelegenheit der neuern Zeit der tief den Geist bewegt[e] Erbrachte ihn1 in den schaumlrfsten Formen zur Sprache Er be-maumlchtigt[e] sich daher der Geister 76 so viel Gegensatz auchC[artesius] fand Nicht bloszlig Gelehrte im strengen Sinne desWortes wie Bayle selbst Weltmaumlnner huldigten dem Car-tes[ius] d h fanden an ihm die Interessen ihres eignen Den-kens befriedigt und ausgesprochen So finden wir z B in denCharakteren des La Bruyegravere der sich durch seine feinen Beob-achtungen uumlber die Welt die Menschen ihr Treiben ihre Sit-ten ihre Leidenschaften in Frankr[eich] als Schriftsteller einenausgezeichneten Namen erwarb cartesische Gedanken entwik-kelt2

Die cartesianische Philosophie bezeichnet man gewoumlhnlichals Dualismus Und erst in diesem Jahre ist ein Schriftstelleraufgetreten mit der Behauptung der Dualismus sei die wahrePhilosophie und man muumlsse3 daher auf den Cartes[ius] als diewahre Heilquelle wieder zuruumlckgehen4 Aber der gute Mannuumlbersah in seinem Eifer daszlig C[artesius] selbst den Dualismusaufhob indem er von dem Gegensatze zur Einheit der Materieund des Geistes fortstieg indem er behauptete beide muumlszligtennicht bloszlig ut duo diversa [als zwei verschiedene] sondern auchut unum als Eins begriffen w[erden] Da er jedoch von demBegriffe ihrer Entgegensetzung ausging so konnte diese Ein-heit an sich nur eine mechanische sein und in Beziehung aufden Geist nicht ein Objekt des Begriffs sondern des Gefuumlhlsindem er sagte wie wir fruumlher anfuumlhrten diese Einheit wuumlrdeam besten durch das Gefuumlhl erfaszligt5 Und dieser Einheit lag beiihm zu Grunde der Gedanke der absoluten Einheit ndash der Ge-danke des unendlichen Wesens welches als das gegensatzlosedie absolute Macht uumlber beide Gegensaumltze ist und daher beide[sich] gegeneinander straumlubende wider Willen und Wissen

1 Im Ms folgt gestr aufs2 Vgl J La Bruyegravere Les Caractegraveres de Theacuteophraste Traduits du

Grec Avec les Caractegraveres ou les Moeurs de ce siegravecle Bd I-II Am-sterdam 1701

3 Im Ms folgt man4 Vgl C F Hock Cartesius und seine Gegner Ein Beitrag zur Cha-

rakteristik der philosophischen Bestrebungen unserer Zeit Wien1835ndash1836 S IV

5 erfaszligt bew[ahrt] Korr im Ms

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zusammenknuumlpft Ebenso schwebt bei Maleb[ranche] undArnold Geulincx uumlber dem Kampf der Gegensaumltze der Friededer Einheit Gott ist die Ursache daszlig Leib und Seele zusam-menstimmen die Quelle aller Harmonie Aber das Mediumzwischen L[eib] und S[eele] ist bei ihnen nur der Wille Undder Wille ndash er mag nun absolut uneingeschraumlnkt als WilleGottes oder eingeschraumlnkt als Wille des Menschen betrachtetw[erden] ndash ist kein principium cognoscendi [Prinzip der Er-kenntnis] noch essendi [des Seins] sage ich der Wille hat dieMaterie erschaffen und sie mit dem Geiste verbunden so istdas ein bloszliger Machtspruch ich habe nichts begriffen dieGegensaumltze sind nur willkuumlrlich verknuumlpft sie sind nur in mei-ner Vorstellung aber nicht an sich nicht wirklich verknuumlpftNur Notwendigkeit ist Erkenntnis Der Wille ist nur dann einereale Macht ndash keine leere 771 Willkuumlr die Kraft des Nichts ndashwenn er in Einheit mit der Notwendigkeit d h dem Wesender Vernunft gedacht w[ird] Gott kann nicht anders wollen alser ist koumlnnte er anders wollen als er ist als wie und was er istso waumlre er nicht Gott sein Wille ist also eins mit seinem We-sen Was er will will er notwendig Was als Wirkung Gottesbetrachtet werden soll muszlig daher unmittelbar als Wirkungs[eines] Wesens und erst mittelbar als Wirkung s[eines] Wil-lens betrachtet [werden] Der Wille fuumlr sich fixiert ist = NullDer Wille ist nichts Besonderes nichts fuumlr sich er ist nur dieMacht die Actuositaumlt des Wesens Hat also die Einheit vonL[eib] und S[eele] ihren Grund im Willen des unendlichenWesens so2 muszlig sie vor allem in seinem Wesen ihren Grundhaben hat sie aber im Wesen ihren Grund so muszlig ebenso wiedas Universalpraumldikat des Geistes das Attribut durch das derGeist ist was er ist Geist das Attribut des Denkens nicht vonGott ausgeschlossen w[erden] auch das Universalpraumldikat derMaterie das Attribut durch das sie ist was sie ist und diemateriellen Dinge sind was sie sind das Attribut der Ausdeh-nung nicht von ihr ausgeschlossen sondern vielmehr in3 ihrbegriffen werden Was in der Wirkung ist das muszlig auch in derUrsache sein denn woher kaumlme sonst das was in der Wirkungist Das Dasein einer Materie4 ist eine Wirkung des unendli- 1 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung2 so sie Ms ndash Fehlt in A3 in von Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr und ihre Verbindung mit dem Geiste

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chen Wesens es muszlig daher in Gott auch ein reales Prinzip derMaterie sein oder er haumltte sonst die Materie durch s[einen]bloszligen Willen d h aus Nichts hervorgebracht aber dieseVorstellung die nichts Bestimmtes gibt ist eine selbst nichtigeVorstellung eine Vorstellung von Nichts Oder die Verbindungder Materie und des Geistes zur Einheit ist eine Wirkung Got-tes sie hat also in seinem Wesen nicht bloszlig s[einem] Willens[einen] Grund es muumlssen daher an und fuumlr sich im Begriffedes absoluten Wesens die Begriffe der Materie und des Geistesenthalten und miteinander verknuumlpft sein Die Philosophie nundie also aus den Prinzipien des Cartes[ius] weiter schlieszligt undsich begruumlndet ist keine andre als die Philosophie des Spinoza

Wir fanden daszlig der Wille eine bloszlig negative Vorstellung istdaszlig die Materie und ihre Verbindung mit dem Geist1 also indem Wesen Gottes ihren Grund habe daszlig folglich beide Ge-genstaumlnde in dem Begriffe desselben verknuumlpft sein muumlszligtenSp[inoza] verknuumlpft sie nun so daszlig er die Ausdehnung eben-sowohl als das Denken zu Attributen der goumlttlichen Substanzmacht d i zu Eigenschaften die der Verstand als die das We-sen Gottes konstituierenden2 78 Grundeigenschaften begreiftDas Denken ist ein Attribut Gottes oder Gott ein denkendesWesen Ebenso ist die Ausdehnung ein Attribut Gottes oderGott ist ein ausgedehntes Wesen Deus est res cogitans Deusest res extensa3

Dieser Begriff von der Ausdehnung als einer goumlttlichen We-senseigenschaft scheint so zu widersprechen der Idee Gottesund ist auch wirklich so zuwider gewesen den herrschend ge-wordenen Vorstellungen von Gott daszlig es nicht zu verwundernist wenn Sp[inoza] und Atheist fuumlr identische Namen [ge-nommen] wurden wie denn wirklich in einem Lexikon Atheistmit assecla Spinozae [Anhaumlnger Spinozas] uumlbersetzt wurdeAber bei genaurer Eroumlrterung erscheint die Ausdehnung nichtin einem so gemeinen sondern einem himmlischen Licht Wirmuumlssen um dies zu begreifen wieder auf C[artesius] zuruumlckObwohl in Cart[esius] die Materie vom Geiste ausgeschlossenist der Geist vielmehr die Negation alles Materiellen ist so istdoch die Materie eine Realitaumlt ein Wesen eine Substanz Der 1 Geist [so auch A] Leibe Ms2 konstituierenden begreifen Korr im Ms3 Vgl B Spinoza Ethica pars secunda In Opera quae supersunt

omnia Vol II Ienae 1803 S 78-79

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substantia cogitans steht die materielle oder ausgedehnte Sub-stanz gegenuumlber Mit dem Begriffe des Wesens der Substanzvertraumlgt sich daher ebensogut der Begriff des Denkens wie derAusdehnung Der Begriff der Substanz ist beiden gemein Sowenig wir mit dem Begriffe des Denkens so wenig verlierenwir mit dem Begriffe der Ausdehnung den Begriff der Sub-stanz Was heiszligt das nun anders als die Ausdehnung ist eben-sogut etwas Substantielles Wesenhaftes als das Denken dennder Begriff der Substanz negiert ja nicht schlieszligt nicht vonsich aus den der Ausdehnung Die Ausdehnung ist daher eben-sogut eine Bestimmung der Substanz uumlberhaupt wie das Den-ken Mit dieser Erkenntnis kommen wir aber zur Erkenntnisder absoluten Substanz der Substanz die weder nur Denkenmit Ausschluszlig der Ausdehnung noch nur Ausdehnung mitAusschlieszligung des Denkens ist sondern die beides ist und seinkann die uumlber beiden als ihre Einheit ist die beide nur alsBestimmungen Eigenschaften in sich begreift Und diese ab-solute uneingeschraumlnkte Substanz deren wesentlichen Eigen-schaften oder Attribute Denken und Ausdehnung sind ist esdie mit dem Namen Gottes bezeichnet werden muszlig

Es ist daher unvernuumlnftig und schlecht ndash wie denn alles Un-vernuumlnftige auch moralisch schlecht und verwerflich ndash ich wie-derhole es es ist ebenso unvernuumlnftig als moralisch schlechteinen Philosophen wenn er von der letzten und houmlchsten Idees[eines] Denkens wenn er 791 von dem unendlichen Wesenwofuumlr er aus der Sprache den Namen Dei Gottes gebrauchtvon dem die meisten nur den Namen kennen verehren undanbeten weil sie nie das Objekt zum Gegenstande machenetwas verneint was bisher in dem Begriff Gottes rezipiert unddaher sanktioniert war oder bejaht was [von] den bisherigenoder allgemeinen Vorstellungen2 Gott nicht zugeschriebenw[urde] als einen Atheisten oder irreligioumlsen Menschen zuverschreien Denn er verneint es nur von Gott weil er es alsetwas Ungoumlttliches mit der houmlchsten Idee von der er erfuumlllt istnicht Uumlbereinstimmendes ihrer Unwuumlrdiges und bejaht es nurvon ihm weil er es als etwas Goumlttliches erkennt Nur die Maje-staumlt der houmlchsten Idee erfuumlllt ihn und nur in ihrem Namenverneint oder bejaht er So ist es mit Sp[inoza] wenn er dieAusdehnung zu einem Praumldikate Gottes macht Gott ist das 1 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung2 Im Ms folgt gestr von

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absolut reale Wesen das alle Realitaumlten alle Vollkommenhei-ten und Fuumllle in sich hat ndash ein Begriff der auch in der car-tes[ischen] Philosophie und selbst schon in der Philosophie derScholastiker sich vorfindet ndash oder wie Sp[inoza] sagt Gott istdas absolut nicht das in seiner Art unendliche Wesen zu demdaher alles gehoumlrt was Wesenheit ausdruumlckt und keine Negati-on keine Verneinung keine Schranke in sich enthaumllt1 Nun istaber die Ausdehnung des Wesen der Materie und aller materi-ellen oder koumlrperlichen Dinge das worin sie ihr Bestehenhaben das Reale in ihnen denn die sinnlichen Eigenschaftenkann ich wohl von einem Koumlrper wegnehmen ohne daszlig ichdadurch den Begriff des Koumlrpers verliere aber die Ausdeh-nung daszlig der Koumlrper ein Ausgedehntes kann ich nicht weg-nehmen ohne daszlig er Nichts wird Die Ausdehnung druumlckt alsoWesen Realitaumlt aus sie gehoumlrt also zu dem absolut realen We-sen es wuumlrde ihm etwas fehlen wenn2 ihm diese Realitaumlt fehl-te Dies erhellt naumlher durch die Definition der Substanz bdquoUnterSubstanz verstehe ich das was in sich ist und durch sich ge-dacht und begriffen wird d h das dessen Begriff nicht desBegriffs eines andern Dings oder Wesens bedarf um von ihmabstrahiert oder gebildet [zu] werdenldquo3 Nun ist aber der Be-griff der Ausdehnung ein schlechthin unabhaumlngiger durchkeinen andern Begriff vermittelter Die Ausdehnung wird nurdurch sich gedacht und gefaszligt Sie ist kein abgeleiteter son-dern urspruumlngl[icher] Begriff Denn wovon sollte der Begriffderselben abhaumlngen Doch nicht vom 80 Begriffe des Geistesoder Denkens Denn die Ausdehnung ist ja gerade das Entge-gengesetzte des Denkens wie sollte ich sie also vom Begriffedes Geistes abstrahieren oder aus ihm ableiten Ebensowenigkann ich sie aber von den materiellen Dingen abziehen undableiten denn alle Koumlrper muszlig ich als ausgedehnt wahrneh-men dazu daszlig ich eine bestimmte Ausdehnung eine endlicheGroumlszlige als Groumlszlige als Ausdehnung wahrnehme ist schon dieIdee der Ausdehnung notwendig und vorausgesetzt Der Be-griff der Ausdehnung ist daher ein unmittelbarer urspruumlngli-cher absoluter selbststaumlndiger Begriff Wie aber der Begriffso das Objekt des Begriffs Die Ausdehnung ist daher WesenSein sie ist selbststaumlndig urspruumlnglich unendlich nicht ge- 1 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 35-362 wenn was Korr im Ms3 B Spinoza Ethica pars prima a a O S 35

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setzt nicht abgeleitet sie ist also Substanz wenn sie fuumlr sichnur in Beziehung auf sich betrachtet [wird] Die Ausdehnungist aber nicht Denken oder sie ist nur Ausdehnung sie ist alsoin dieser Beziehung nur in ihrer Art unendlich wie das Denkennur in seiner Art d h als Denken unendlich ist die Ausdeh-nung ist daher nur ein Attribut des nicht in ihrer Art sonderndes absolut unendlichen Wesens das daher beide Realitaumltenoder Perfektionen als Eigenschaften in sich begreift

Die Ausdehnung ist nicht deswegen unvollkommen oderbeschraumlnkt oder endlich weil sie nicht denkt sagt [Spinoza]denn ihre Natur erfordert das nicht es gehoumlrt nicht zu ihremWesen sie ist vollkommen mangellos unbeschraumlnkt in ihrerArt sie druumlckt also Sein aus Und weil Gottes Wesen sagtSp[inoza] nicht in einer gewissen Weise oder Art oder Gattungdes Seins oder Wesens1 besteht non in certo entis genere son-dern in dem absolut uneingeschraumlnkten Wesen so forderts[eine] Natur id omne quod τὸ esse perfecte exprimit weilsonst s[ein] Wesen beschraumlnkt und defekt waumlre Es verstehtsich von selbst daszlig Gott deswegen nicht Gestalt bestimmteAusdehnung oder Groumlszlige zukommt sondern die unendlicheeinfache unteilbare Ausdehnung d i d[ie] Ausdehnung nichtin ihrer sinnlichen Erscheinung sondern in ihrem Wesen undGrunde gedacht2

Da nun aber die Ausdehnung und das Denken jene das We-sen und Prinzip der besondern materiellen dieses das allge-meine Wesen und Prinzip der denkenden Wesen ist Attributeoder3 Eigenschaften der Substanz sind so folgt notwendig daszliges im wahren Sinne der Substanz nur eine einzige Substanzgeben kann [] daszlig uumlberhaupt alle besondern Dinge nur Af-fektionen dieser Substanz oder nur4 bdquoAttribute sind d i Artenund Weisen modi die auf eine bestimmte Weise die AttributeGottes ausdruumlckenldquo5 keine selbstaumlndigen Substanzen oderWesen daszlig bdquoalles was ist nur in Gott ist und ohne Gott nichtgedacht werden kannldquo denn ohne die Begriffe der Ausdehnung

1 Im Ms folgt nicht2 Vgl B Spinoza Epistolae doctorum quorundam virorum ad B D

S hellip In Opera quae supersunt omnia Vol I Ienae 1802Epistola XLI (versio) S 596-597

3 Im Ms folgt gestr goumlttliche4 dieser nur dieser Korr im Ms5 B Spinoza Ethica pars prima a a O S 59

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und des Denkens kann nichts gedacht werden daszlig bdquoGott nichtdie voruumlbergehende transeuns sondern die immanente 811

Ursache d h d[ie] innewohnendeldquo innerliche mit [dem]Wesen der Dinge identische Wirkung ist2 daszlig die Welt daher(der Inbegriff der materiellen oder uumlberhaupt realen Dingeeben weil die Ausdehnung als das Wesen absolut der Dingeeine Eigenschaft der Substanz ist) nicht eine Wirkung desWillens sondern der Notwendigkeit d i des Wesens ist daszlig3

alles was ist als eine Folge des goumlttl[ichen] Wesens [begriffenwird] da dieses Ausdehnung und Denken in sich begreiftebenso4 ausgedehntes als geistiges Wesen ebenso beleibt alsbeseelt ist obgleich in sehr verschiedenen Graden daszlig aberLeib und Seele der Substanz nach identisch sind daszlig beide einund dasselbe Wesen bedeuten und ausdruumlcken welches unterder Form der Ausdehnung oder unter dem Attribut derselbenbetrachtet Leib heiszligt unter dem Attribut des Denkens be-trachtet Geist heiszligt daszlig aber endlich eben weil das Denkenund [die] Ausdehnung nicht durcheinander sondern jedesdurch sich selbst begriffen wird jedes die Substanz selbst istaber in certo genere entis die Seele und ihre Bestimmungenihre Bewegungen Vorstellungen nicht aus der Materie oderder5 Ausdehnung und umgekehrt die Bestimmungen der Aus-dehnung nicht aus der Seele abgeleitet werden duumlrfen die Ma-terie also nicht durch das Denken das Denken oder der Geistnicht durch die Materie bestimmt wird Wille und Verstandnegiert daher Sp[inoza] von der goumlttlichen Substanz aber ernegiert sie nur weil sie ihm ein Negatives Endliches ausdruumlk-ken weil sie ihm nur Modi des Denkens weil sie ihm nur einbeschraumlnktes Denken nicht das uneingeschraumlnkte unendlicheDenken ausdruumlcken das allein Gott zukommen kann und er-hellt auch daszlig Verstand und Wille so wie wir sie haben sowie sie in uns als Individuen erscheinen einem unendlichenWesen nicht zukommen koumlnnen6

1 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung2 B Spinoza Ethica pars prima a a O S 543 daszlig [so auch A] daszlig Ms4 Im Ms folgt gestr als5 der die Korr im Ms6 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 63 ndash Im Ms kein

Absatz

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XI Vorles[ung] [Spinoza Leibniz]1

Die2 Philosophie des Sp[inoza] hat man als das konsequente-ste und vollendetste System des Pantheismus bezeichnet DerAusdruck Pantheism[us] fuumlhrt eine schiefe dem Geiste derPhilosophie widersprechende Vorstellung mit sich ndash eine Vor-stellung die alle diejenig[en] auch mit dem Namen Pantheis-mus verbinden die ihn gebrauchen um damit3 jene Philoso-phie in Miszligkredit zu bringen Dieser Ausdruck fuumlhrt naumlmlichdie Vorstellung mit sich daszlig der Kern des Pantheism[us]4 indem Satze Alles ist eins Gott ist alles enthalten sei und dieVorstellung aller jener absurden Folgerungen die sich weiteran diesem Satze unmittelbar anknuumlpfen die zuletzt [hinfuumlhrt]auf das mir ist alles eins ob ich bin oder bin nicht gut oder

1 So auch A2 Am Rande Die Philosophie des Sp[inoza] ist eine der wichtigsten

Philosophien der neuern Zeit Wer den Spinoza nicht von Grundaus inne [Im Ms folgt gestr hat] oder von ihm nur ein historischeskein lebendiges Wissen hat wer nicht in innigster Gemeinschaft mitihm lebt oder wenigstens gelebt hat der bleibt stets im Anti- 82chambre der Philosophie stehen Wer nie den geistbefreienden undherzerhebenden Gedanken der Einheit gefaszligt und ergriffen hat niedie fixen Unterschiede und Vielfachheiten die sonst die sinnlicheAnschauung und Verstandesreflexion beherrschen in dem kaltenaber gesunden Wasser der spinozistischen Substanz ausgeloumlscht hatder erblickt vor lauter Baumlumen nie den Wald Stehenbleiben kannman nicht bei Sp[inoza] denn die Vernunftidee ist nicht vollstaumlndigin ihm realisiert ndash aber anfangen muszlig man mit ihm wenn man nichtin der Mikrologie befangen bleiben will

Sp[inoza] konnte daher auch von seiner Zeit nicht begriffenwerden Seine Zeit war zu pedantisch zu widerlogisch zu einge-schnuumlrt in den Formeln der Dogmatik Er fand daher nur wenigFreunde s[einer] Philosophie und diese s[ind] in der Literatur [ImMs folgt gestr ja] von keiner Bedeutung aber um so mehr heftigeGegner und Widersacher Erst als die deutsche Literatur eine freieselbstaumlndige universale Tendenz bekam fand Sp[inoza] eine aner-kennende Aufnahme Lessing Herder Jacobi Lichtenberg erfuumlllteer mit Begeisterung und Bewunderung Jacobi obwohl s[einer]Subjektivitaumlt die Substanz widerstand ein fremdes Ungeheuer warerklaumlrte doch s[eine] Philosophie fuumlr d[ie] einzige wirklich wissen-schaftliche

3 Im Ms folgt gestr etwas4 Im Ms folgt gestr sich

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schlecht dumm oder gescheit Tier Pflanze oder Mensch1 aufdas Goethische Ich hab mein Sach auf Nichts gestellt2 Alleinsolche Saumltze wie Alles ist Eins die der Panth[eist] schon solimitiert daszlig er zwischen das Alles und [das Eins] das Ist [als]3

Medium oder den Terminus medius des Wesens hineinstellt82 sind unbestimmte vage Ausdruumlcke Sie sind eigentlichAusdruumlcke des Affekts nicht des Begriffs der Poesie nicht derErkenntnis ndash Ausdruumlcke deren sich der Pantheist nur bedientindem er die Idee in die sinnliche Anschauung versenkt oderdie der Pantheismus nur in s[einer] Kindheit oder im Feuer derJugendkraft aber nicht wenn er in das ernste Mannesalter derPhilosophie getreten ist zur Bezeichnung4 seiner Empfindun-gen anwendet Der Satz Alles ist Eins im Ernste gemeint unddurchgefuumlhrt wuumlrde alle Vernunft alles Denken aufheben undes laumlszligt sich daher im Voraus erwarten daszlig da es5 ernste be-sonnene denkende Maumlnner waren die den Panth[eismus] aus-sprachen sie nicht so ihn fassen6 konnten wie die welche indem Satze Alles ist Eins das7 Raumltsel des Pantheis[mus] geloumlstfinden wollen Eine Grundeigenschaft des Denkens ist Unter-scheiden ja das Naumlchste was sich vom Denken darbietet istdaszlig es Unterscheiden ist wer nicht unterscheidet denkt nichtEs ist daher schon im voraus zu erwarten daszlig Maumlnner diedenken8 und zwar denken9 wie Sp[inoza] dem man wohl nichtdas Praumldikat eines Denkers streitig machen wird [nicht] ein dasDenken das Unterscheiden schlechthin aufhebendes Prinzipals das Erste und Wahre setzen werden es laumlszligt sich sage ichnicht erwarten daszlig sie10 werden unterscheiden um nichts zuunterscheiden d h denken um Nichts zu denken und folglichnicht zu denken denn wo kein Unterschied ist [ist] auch keinObjekt kein Etwas kein Gedanke Denken ndash Denken im stren-gen Sinne in dem in welchem es in der Philosophie gilt ndash laumlszligt 1 Im Ms folgt gestr Allein2 J W v Goethe Vanitas Vanitatum vanitas In Werke Bd I

Tuumlbingen 1806 S 983 [als] das Ms4 zur Bezeichnung zu seiner Korr im Ms5 da es Wesen Korr im Ms6 fassen denken [] Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr Ge[heimnis]8 denken Denker A9 denken Denker A10 Im Ms folgt gestr denken

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sich nichts was nicht zu Denken gibt Der Pantheismus beruhtauf dem Denken ndash die Geschichte schon lehrt es daszlig nur derMensch auf dieses verrufne System verfaumlllt wenn er Denkerwird ndash es muszlig daher notwendig auch in dem Objekte demrealen Prinzip des Panth[eismus] die Natur des Denkens folg-lich der Unterschied da zur Natur des Denkens dieser gehoumlrtenthalten sein Und so ist es denn auch in der Tat Eine Einheitohne Unterschied ist ein Non Ens ein Unding eine Einheit laumlszligtsich nicht denken ohne ein Etwas wovon sie Einheit ist aberein Etwas nicht ohne Unterschied Die Einheit muszlig wesentlicheinen Inhalt haben ndash dieser Inhalt aber ist und kann nichtsandres sein als der Unterschied ndash eine Einheit ohne Inhalt ist =Nichts Eine bloszlige Einheit haumltte kein Interesse keine Bedeu-tung keinen Sinn 831 Denn worin soll das Interesse die Be-deutung liegen wenn nicht in dem was sie vereint So ist auchdie Substanz die Unitas von Leib und Seele Ausdehnung undDenken wie uumlberhaupt von allen nur moumlglichen oder wirkli-chen Realitaumlten Der Pantheism[us] schlieszligt also uumlberhaupt denUnterschied nicht aus ja er erhebt sich nur vermittelst desUnterschieds zum Gedanken der Einheit (der Unterschied istein wesentlicher Begriff in ihm) So unterscheidet Sp[inoza]zwischen der unendlichen unteilbaren Ausdehnung und zwi-schen der endlichen in Teile zerleg- und unterscheidbaren undnur jene macht er zum Praumldikat Gottes Er unterscheidet alsozwischen Unendlich und Endlich Er sagt ferner nicht dieendliche Ausdehnung ist Nichts sondern er sagt nur sie ist dieAusdehnung wie sie in der sinnlichen Vorstellung existiertoder die Ausdehnung nur in ihrer Erscheinung nicht in ihrerWahrheit und Wesenheit2 Er setzt also einen Unterschied zwi-schen Unendlich und Endlich zwischen Wesen und Erschei-nung zwischen Vernunft und Vorstellung oder Einbildungoder Sinnlichkeit3 Der Substanz nach sind die Dinge identischoder vielmehr die Substanz ist ein absolutes Eins das also imMehreren im Vielen im Verschiednen nur Eines sein kann

1 Am Rande ro Verweis auf XI [Vorlesung]2 Vgl B Spinoza Epistolae doctorum quorundam virorum ad B D

S hellip In Opera quae supersunt omnia Vol I Ienae 1802Epistola L (versio) S 634

3 Im Ms folgt gestr Er (setzt nicht nur diesen Unterschied sondernsein System selbst beruht auf diesem Unterschiede) (Er setzt ihnaber nicht so wohl als er ihn vielmehr voraussetzt)

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der Erscheinung nach den Akzidenzen nach aber sind sie un-terschieden Der Pantheism[us] beruht daher auf dem Unter-schied zwischen Substanz und Akzidenz1 Aber damit daszlig ersagt der Unterschied ist die Erscheinung sagt er nicht derUnterschied ist Nichts etwas rein Unreelles er sagt nur er istallerdings2 aber er ist nicht das Sein nicht reines nicht daswahrhafte wesenhafte sondern beschraumlnktes negatives endli-ches Sein ndash ein Sein welches darum nur sein Wesen und seinenGrund nur in der Einheit nicht in sich hat Das Tadelnswerteam Pantheis[mus] des Spinoza3 ist nicht4 daszlig er den Unter-schied zwischen Denken und Ausdehnung5 negiert ndash denn dastut er nicht sondern6 unmittelbar aus der Cartes[ianischen]Philosoph[ie] aufnimmt ndash Spino[za] erzeugt wohl die Einheitaus dem Unterschiede sie resultiert aus dem Gegensatz zwi-schen Geist und Materie aber diesen Unterschied setzt er nochals seiend aus d[er] Cart[esianischen] Philos[ophie] voraus847 Und man hat daher auch dem Sp[inoza] vorgeworfen erstneuerdings wieder wie kommt Sp[inoza] zur Wahrnehmungeiner Vielheit Unterschiedenheit dies kommt nicht auss[einem] Prinzip das hat ihm die Erfahrung aufgedrungenWenn es sich bloszlig um Unterschied um Vielheit handelt so hates keine Schwierigkeit damit Die Substanz das identischeWesen ist8 keine leere abstrakte unterschiedslose Einheit sieist die Fuumllle aller Kraumlfte und Realitaumlten der Born aller Voll-kommenheit das ἓνκαὶπᾶνdas Ein und Alles] das absolut-unendliche Wesen das also auch unendliche Eigenschaften undBestimmungen haben muszlig je mehr Attribute ein Wesen hat 1 Im Ms folgt gestr Er setzt ihn aber die naumlhere eigentuumlmliche Be-

stimmung des Setzens dieses Unterschieds im Pantheism[us] ist ersetzt ihn voraus Es ist ihm eine unmittelbare Gewiszligheit der Unter-schied zwischen Wesen und Erscheinung und von dieser Gewiszligheiterhebt er sich zum Gedanken daszlig ndash Im Ms folgt das Wesen dieEinheit der Unterschied die Erscheinung ist

2 Im Ms folgt gestr Sein3 Im Ms folgt gestr daher4 nicht Im Ms gestr5 zwischen Ausdehnung aufhebt Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr daszlig er ihn verursacht7 Im Ms folgt gestr Der Pantheist reflektiert nicht daruumlber und er-

klaumlrt daher nicht fuumlr den gemeinen Menschenverstand wie das ansich identische Wesen als Vieles Unterschiedenes erscheint

8 Im Ms folgt gestr zwar

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desto mehr Realitaumlt hat es auch1 Der absoluten Substanzkommen daher auch unendliche Attribute zu von denen2 je-doch Spinoza nur zwei Denken und Ausdehnung anfuumlhrt3 undihr beilegt aber diese4 Attribute bringen keinen realen Unter-schied in die Substanz selbst gleichwie Denken und Ausdeh-nung nicht der Substanz nach unterschieden sind es sind nurverschiedene Ausdruumlcke und Formen die eine und dieselbeSache ausdruumlcken ohne im Wesen etwas zu aumlndern5 Die Er-scheinung einer unendlichen Vielheit ist als6 eine Folge von derSubstanz als von der unendlichen Realitaumlt zu begreifen eineunendliche Kraft populaumlr ausgedruumlckt hat auch nicht einebeschraumlnkte sondern unzaumlhlige Kraft-aumluszligerungen Je intensi-ver je reeller je kraumlftiger eine Kraft desto Mehreres bringt sieauch hervor Aber eine andre Frage ist es wie kommt es nundaszlig uns diese7 Kraftaumluszligerungen die nur Affektionen der Attri-bute Variationen und Modifikationen der Grundeigenschaftender unendlichen Substanz sind als wirkliche Dinge oder We-sen als Individuen erscheinen Fuumlr uns sind die an sich imWesen identische Wesen unterschieden besondere selbststaumln-dige fuumlr uns deren Geist nur endliche eingeschraumlnkte Denk-weisen sind befestigt sich das Endliche zur Realitaumlt Aberdiese Antwort loumlst nicht die Frage sie laumlszligt noch allerlei Fragenuumlber8 Denn eben die endlichen Dinge sind fuumlr uns besondereSubstanzen weil9 wir fuumlr uns selbst als solche erscheinen10

Reflektieren wir wieder so ergibt sich die Folgerung daszlig sienur so fuumlr uns sind weil sie fuumlr sich selbst so [sind] daszlig alsodiese Erscheinung selbst im objektiven Wesen der Dinge be-gruumlndet gefunden wird Die Philosophie nun die den Unter-schied der im System des Panth[eismus] nur ein Sein fuumlr uns 1 Vgl B Spinoza Ethica pars prima In Opera quae supersunt

omnia hellip Vol II Ienae 1803 S 412 Im Ms folgt gestr wir3 anfuumlhrt kennen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Unterschiede5 aber diese Attribute etwas zu aumlndern In A am Rande im Ms

Texteinfuumlgung ndash Am Rande Aber gleichwohl reicht dies hin um dieWahrnehmung und solche sind oder [] Text bricht ab

6 als also Korr im Ms7 Im Ms folgt diese8 uumlber uumlber Ms9 Im Ms folgt gestr sie10 erscheinen [so auch A] erscheinen Ms

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ist zu einem Fuumlrsich und Ansichsein erhebt ist die Philosophiedes Leibniz Unterschied ist wohl in der Substanz enthaltenaber es handelt sich auch darum den Unterschied zu 85 reali-sieren oder den Unterschied der Dasein wohl hat bei Spi-noz[a] aber nur das Dasein eines Accidens substantiell zumachen den Unterschied nicht als Erscheinung sondern alsWesen zu fassen

Die Substanz handelt mit Notwendigkeit es liegt in ihremWesen zu wirken Sie wirkt aber sie wirkt nur Akzidenzensie bringt nur Wirkungen hervor die unter ihr sind Modifika-tionen ihrer Attribute oder es sind nur Emanationen sie bringtnicht hervor was ihres Gleichen ist Sp[inoza] sagt wohl dieSubstanz ist causa sui [ihre eigene Ursache] aber dies ist nurein negativer Begriff nur im Unterschied von den endlichenDingen die ein Anderes zur Ursache haben von ihr ange-wandt bdquoUnter Ursache seiner selbst verstehe ich das dessenWesen die Existenz in sich schlieszligt oder dessen Wesen garnicht anders [als] seiend gedacht w[erden] kannldquo1 Ein Wesendessen Sein durch sein bloszliges Wesen schon gegeben oder inihm enthalten ist ist eben ein absolut selbstaumlndiges urspruumlngli-ches Wesen2 Sie ist schlechtweg sie ist was sie ist weil sieist nicht durch sich selbst durch Selbsttaumltigkeit durch die Tat3Ihr Sein ist wohl Tun Wirken aber Wirken eines von sichUnterschiednen das als ein von ihr der absoluten RealitaumltUnterschiednes nur ein Endliches Gesetztes eine unselbst-staumlndige Affektion ist nicht Hervorbringung einer Wirkungdie mit ihr identisch ist Die Substanz unterscheidet sich nichtvon sich selbst setzt sich nicht selbst entgegen sie ist nichtGeist sie ist absolutes ruhiges unveraumlnderliches Sein es fehltihr das Prinzip der Selbsttaumltigkeit4 ihre Taumltigkeit ist eine un-mittelbare Folge ihres Wesens keineswegs ihr Wesen eineWirkung ihrer Taumltigkeit Oder sie wirkt nicht nach Innen nichtauf sich selbst zuruumlck sie bestimmt nicht sich selbst sie wirdzwar nicht von Auszligen bestimmt sie ist frei weil sie nur nachder Notwendigkeit ihres Wesens handelt aber diese Handlun-gen folgen so aus ihr wie aus einer mathematischen Figur ihre

1 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 352 Unter Ursache urspruumlngliches Wesen In A am Rande im Ms

Texteinfuumlgung3 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 38-394 Im Ms folgt gestr sie ist nicht was sie ist durch ihre Taumltigkeit

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Beschaffenheiten folgen Es ist dies uumlberhaupt ein Mangel inder spinoz[istischen] Philos[ophie] daszlig er seine Notwendigkeitstets versinnlicht unter der mathematisch[en] Notwendigkeitund er haumltte nicht zu dieser Vergleichung stets seine Zufluchtnehmen koumlnnen wenn er nicht eine objektive Aumlhnlichkeitzwischen beiden anerkannt haumltte aber eben die Kette der geo-metrischen Notwendigkeit vertraumlgt nicht der feurige Lebens-geist1 die Qualitaumlt unterbricht das Gesetz der Stetigkeit undIdentitaumlt an welcher die Quantitaumlt fortlaumluft 862 Es laumlszligt sichnicht alles mathematisch bestimmen Der mathematische Mit-telpunkt ist nicht der physikalische Es gibt in der Natur keinenvollkommnen Kreis

Das Prinzip der Selbsttaumltigkeit der Selbstbestimmung derindividuellen Lebendigkeit ist es das dem Spinozisch[en] Sy-stem mangelt und dieses Prinzip ist es welches das Wesen derLeibnizschen Philosophie konstituiert An die Stelle der Ruheund Klarheit und Abstraktion der mathematischen Anschauungtritt jetzt die Lebendigkeit und Ruumlhrigkeit der metaphysischenAnschauung Schon die Individualitaumlt der beiden Philosophenstellt die Verschiedenheit ihrer3 Prinzipien dar Spinoza fuumlhrteein stilles abgezognes4 einfoumlrmiges sich immer gleiches Le-ben der Himmel seiner Substanz in der alle Differenzen auf-geloumlst sind war stets in der Seele er war Herr seiner selbst undseiner Leidenschaften man sah ihn nie sehr traurig oder sehrvergnuumlgt kein Gut wonach sonst die Menschen ringen undhaschen hatte fuumlr5 ihn Reiz und Interesse Nur die Erkenntniswar sein houmlchstes und alleiniges Gut Das Ziel des Geistes istdie Erkenntnis der Einheit die er mit der ganzen Natur hatsein houmlchstes Gut die Erkenntnis Gottes6 Nur im Denken imErkennen nicht im aumluszligeren Handeln sind wir frei die absoluteTugend oder Kraft des Geistes ist die Erkenntnis Denn freisind wir wo wir die alleinige Ursache unsrer Handlung[en]sind frei sind nur die Handlungen die mit Notwendigkeit7 aus

1 Kette Lebensgeist geometrische Notwendigkeit ist nicht das

allgemeine Band des Lebens Korr im Ms2 am Rande o l Verweis auf XI V[orlesung]3 ihrer der Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Leben5 fuumlr ihn[] Korr im Ms6 Das Ziel Erkenntnis Gottes In A am Rande im Ms Texteinfuumlgung7 mit Notwendigkeit rein Korr im Ms

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unsrer Natur aus dem Wesen des Geistes allein erfolgen wowir nicht von auszligen bestimmt w[erden] wie in der Leiden-schaft []1 Sein Leben war ein Bild dieses Gedankens Sowenig [s]ein Leben ein zerstreutes veraumlnderliches vielfachesso war auch der Kreis s[einer] Taumltigkeit kein vielfacher Philo-sophie und Mathematik waren s[eine] Hauptbeschaumlftigungenob wir gleich auch eine hebraumlische Grammatik von ihm [ha-ben] Ein bemerkenswerter Umstand ist es auch daszlig er sich mitder Verfertigung optischer Glaumlser beschaumlftigte und s[einen]Unterhalt sich [dadurch] verdiente Und wahrlich nur das Amteines Glasschleifers paszligt auch ganz fuumlr einen Mann dessenAufgabe2 s[eines] Lebens klare und gewisse Einsicht war Nuraus einem solchen Charakter3 und aus einem4 so einfachenleidenschaftslosen klaren 875 nuumlchternen in sich geschloss-nen beschaulichen Leben konnte eine solche philosophischeAnschauung entspringen wie Spinoza oder umgekehrt (undzwar dieser Weg ist ebenso richtig6) nur aus einer solchenAnschauung aus der Anschauung Gottes als eines rein objekti-ven von allen anthropomorphist[isch]en oder menschlich[en]Bestimmungen und Affektionen gereinigten nur nach innrerNotwendigkeit handelnden Wesens konnte ein solches Lebenein solcher Charakter entspringen sein Leben s[eine] geistigeIndividualitaumlt ist nur das reflektierte Licht der milde Wider-schein von dem Sonnenlichte der Substanz s[einer] Phi-los[ophie] die er uns in s[einen] Schriften hinterlassen hat undin der er jetzt noch ist und lebt denn nur das ist die wahreSeele des Menschen was er als sein Houmlchstes und Bestes er-kennt verehrt und liebt ndash der objektive Gehalt des Menschen

Ganz anders erscheint Leibniz Die Philosophie Sp[inoza]sberuht auf der einfachen aber doch so tiefen und in ihren Fol-gen so fruchtbaren Idee daszlig nur Ein dem Wesen und Sein nachwahrhaft selbststaumlndiges Wesen oder Substanz existiert unddiese eine Substanz Gott ist Die Leibniz[sche] Philosophie dieMonadenlehre ist im allgemeinen nichts weiter als die Unter-

1 in der Leidenschaft [] im Handeln Korr im Ms2 dessen Aufgabe der nur klar Korr im Ms3 Im Ms folgt und Leben4 einem seinem Korr im Ms5 Am Rande o r Verweis auf XI Vorles[ung]6 richtig richtiger Ms

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scheidung oder Aufloumlsung dieser einen Substanz in unzaumlhlige1

Diminutiva von Substanzen die uumlbrigens nur dem Grade nichtdem Wesen nach von einander unterschieden sind nichts alseine Zerstreuung des an sich einfachen Lichtes der Substanz indie Farben tausendfaumlltiger kleiner Einheiten oder Goumltter SeinSystem ist kein Sonnensystem sondern eine Milchstraszlige herr-licher glaumlnzender Welten eine Welt in der alle Wesen []2

Diesem polytheistischen Prinzipe seiner Philosophie entsprichtaber nun ganz das unruhige Feuer die Lebendigkeit und Be-weglichkeit die Gewandtheit und Elastizitaumlt s[eines] Geistesund Charakters seine immense Polyhistorie die Zerstreutheitund die buntfaumlrbige Mannigfaltigkeit und unglaubliche Viel-seitigkeit seiner wissenschaftl[ichen] Taumltigkeit wie seinerLebensbeziehungen Keine Wissenschaft ja kein Zweig einerWiss[enschaft] war es woran er nicht taumltigen schaffenden An-teil nahm Mathematik 883 Physik Mechanik Botanik Me-dizin Geographie Theologie Jurisprudenz Philologie Lingui-stik4 Historie ndash alles umfaszligt sein universaler Geist Er war eineigentliches Perpetuum mobile seine Taumltigkeit rastlos Als ernoch von der Gicht befallen war ging er nie zu Bette als spaumltnach Mitternacht ja oumlfters schlief er mit der Feder nur aufs[einem] Arbeitsstuhl Ja man ruumlhmt ihm nach daszlig er ununter-brochen fortstudierte und oft ganze Monate gar nicht oder nurauf Augenblicke von s[einem] Stuhl wegging Er exzerpierteunermeszliglich aber war sehr5 gluumlcklich nie mehr was er einmalaufgeschrieben nachlesen zu muumlssen er hatte es nicht demPapier sondern s[einem] Kopfe anvertraut Er fuumlhrte einenauszligerordentlich groszligen Briefwechsel er stand fast mit allenGelehrten Europas und selbst andern beruumlhmten Maumlnnern inVerbindung nahm an ihren Plaumlnen und Arbeiten Anteil er-munterte sie und gab ihnen selbst Gesichtspunkte an die HandSo vielseitig wie s[eine] wissensch[aftliche] Taumltigkeit warauch seine Konversation Er [diskutierte]6 mit Leuten aller Artund aus allen Staumlnden mit Hofleuten Bauern Handwerkern

1 Im Ms folgt gestr Sub2 Satz bricht ab ndash Sein System alle Wesen In A am Rande im Ms

Texteinfuumlgung3 Im Ms folgt Mathematik4 Im Ms folgt gestr Anhaumlu5 Im Ms folgt unleserl Wort6 [diskutierte] discutirte [] A im Ms unleserl Einfuumlgung

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Soldaten Dieser sein universaler Geist war es auch der denLeib[niz] alles in seinem gehoumlrigen Maszlige anerkennen undschaumltzen lieszlig Und hierin kann er als wahres Muster aufgestelltwerden Bei widerstreitenden Behauptungen und Meinungenmachte er stets den Vermittler Alles wuszligte er so lange zu dre-hen und wenden bis er ihm eine gute Seite abgewann bdquoIchverachte fast nichtsldquo (sagte er in einem Brief an Bourguet1)bdquo(ausgenommen die willkuumlrliche Astrologie und andere truumlge-rische Wissenschaft) Ich verachte selbst nicht die Mystikerdenn auch ihren verworrnen bilderreichen Gedanken kann mannoch eine gute Seite abgewinnenldquo2 bdquoNiemand ist wenigertadelsuumlchtig als ich Das meiste was ich lese billige ich undgefaumlllt mir Denn da ich weiszlig wie verschieden alle Dinge be-trachtet und aufgefaszligt w[erden] koumlnnen so finde ich immerwaumlhrend des Lesens Entschuldigungen und Entschuldigungs-gruumlnde fuumlr d[en] Schriftstellerldquo3

89 Nicht zu leugnen ist es indes daszlig eine solche allgemeineAnerkennung der Philosophie indem er zu vielerlei in ihr ver-knuumlpfen und miteinander vermitteln wollte selbst einenschwankenden unbestimmten inkonsequenten Charakter gabund daszlig die Vielseitigkeit und Zerstreutheit s[einer] wis-sensch[aftlichen] Taumltigkeit uumlber die Le[ibniz] selbst haumlufig inseinen Briefen klagte seiner metaphysischen Taumltigkeit nurnachteilig sein konnte Seine philosophischen Ideen sind daherzerstreut in einer Menge kleiner Aufsaumltze Briefe gelegentli-cher Aufsaumltze daher das Studium s[einer] Philos[ophie] schonaus diesem aumluszligerlichen Grunde mit Peinlichkeit und Muumlhselig-keit verbunden ist Ein Zeugnis seiner Groumlszlige und der Gedie-genheit seines Geistes und philosophischen Talents ist es aberdaszlig er ungeachtet der Zerstreutheit und Vielartigkeit s[einer]Taumltigkeit und Beschaumlftigung mit realen Wissenschaften die beiden meisten Gelehrten ihren Sinn fuumlr metaphys[ische] Ideenabstumpften ja mit Hochmut und Eitelkeit erfuumlllen so daszligihnen die Philos[ophie] eine unreale Wiss[enschaft] w[ird]doch nie die Metaphysik aus dem Auge verlor sie stets fuumlr die

1 Bourguet Burnet Ms A2 Vgl G W Leibniz Epistolae ad D Bourguet In G G Leibnitii

Opera Omnia hellip Tom VI Pars I Genevae 1768 Epistola IV S211

3 Vgl G W Leibniz Epistolae ad V Placii In G G LeibnitiiOpera Omnia hellip a a O Epistola 48 S 64

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houmlchste und wichtigste Wissenschaft hielt Dieser Punkt fuumlhrtuns nun sogleich zur Einleitung in die Philosophie bdquoSchon alsKnabe studierte ich den Aristoteles und selbst die Scholastikerschreckten mich nicht ab und ich aumlrgre mich heute noch nichtdaruumlber Aber auch Plato und Plotin gaben1 mir damals einigeBefriedigung zu geschweigen die uumlbrigen Alten die ich umRat frug Nachdem ich die Schule verlassen kam ich uumlber dieneuern Schriftsteller und ich erinnre mich noch daszlig2 ich einsteinen einsamen Spaziergang in einem Waumlldchen bei Leipziggenannt Rosenthal machte damals 15 Jahre alt um mich dar-uumlber zu beraten ob ich die substantiellen Formen beibehaltensollte Endlich bekam der Mechanismus die Oberhand und ichwarf mich auf die Mathematik In die tiefern mathemat[ischen]Untersuch[ungen] kam ich erst hinein nachdem ich mit Huy-gens in Paris verkehrt hatte Aber als ich die letzten Gruumlnde lesdernieres raisons des 90 Mechanismus und der Gesetze derBewegung selbst untersuchte wie war ich da erstaunt als ichentdeckte daszlig es unmoumlglich sei sie in der Mathematik zu fin-den und daszlig man zur Metaphysik seine Zuflucht nehmenmuszligte als ich mich uumlberzeugte daszlig die Quelle des Mechanis-mus in der Metaphysik enthalten istldquo3

1 gaben Unleserl Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr als3 Vgl G W Leibniz Lettres agrave MM Remond de Montmort In G G

Leibnitii Opera Omnia hellip Tom V a a O Lettre 1 S 9-10

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[XII Vorlesung]1 [Leibniz]2

340 Dem sp[inozischen] S[ystem] mangelt also d[as]Prinz[ip] der Realitaumlt des Unterschieds Wir haben also in ihmzwei Universalpraumldikate oder Attribute der Substanz ndash Denkenund Ausdehnung Er nimmt diese Attribute aus der car-tes[ischen] Philosophie auf Er deduziert sie nicht Er unter-scheidet sich aber dadurch streng von C[artesius] daszlig er nichtbeide als besondere Substanzen faszligt sondern als Eigenschafteneines und desselben Wesens Beide sind nur der Art nach un-terschieden aber nicht dem Wesen nach Das Genus sozusa-gen die Gattung3 die beide als Arten unter sich begreift ist dieSubstanz oder beide sind Formen die eine und dieselbe Sacheausdruumlcken aber in verschiedener Art die eine in ausgedehnterWeise die andere in denkender Weise Man kann sich das sodenken Eine Erkenntnis eine Wahrheit kann ich auf unter-schiedliche Weise ausdruumlcken Einmal als Bild wie4 ein Ge-maumllde fuumlr die Pinakothek das mir eine Gestalt ein Koumlrperli-ches etwas Ausgedehntes vorstellt das andre Mal als Gedan-ke ein wahres treues Bild gibt den Gedanken rein wieder ohneetwas beizumischen ohne ihn zu veraumlndern es ist nichts andresals der Gedanke in sinnlicher Anschauung das Bild und derGedanke jenes ein Ausgedehntes dieses ein Einfaches stellenmir also Ein und Dasselbe5 vor nur in unterschiedner Weisebeide sind der Substanz nach Eins Es ist ein formeller Unter-schied D[enken] und A[usdehnung] sind Synonyma nur daszligdas eine denselben Begriff sinnlich das andere unsinnlichauffaszligt und darstellt

1 Im Ms steht die Uumlberschrift Nachtrag zur XI V[orlesung] in der

XII Vorles[ung] Der folgende Text schlieszligt unmittelbar an ndash Demsp[inozischen]hellip selber zwischen Vgl W Schuffenhauer Aut Deusndash Aut Natura Zu Ludwig Feuerbachs Spinoza- und Leibnizbild InLo Spinozismo ieri e oggi Archivio di Filosofia dir da Marco MOlivetti Roma 1978 Anhang S 290-291 In B unter dem TitelLudwig Feuerbach Uumlber das spinozische System Nachtrag zur XIVorlesung u XII Vorles[ung] Nachtrag in A nicht vorhanden

2 So auch A3 Gattung Gattung B4 wie als B5 Ein und Dasselbe einu[nd]dasselbe B

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341 Wir haben also in der Substanz Unterschied aber for-mellen Die Substanz ist an sich gleichguumlltig indifferent dage-gen ob sie als Ausd[e]h[nung] oder Denken gefaszligt wird siebleibt immer dieselbe sie mag in dieser oder jener Form vor-gestellt und ausgedruumlckt w[erden] gleichwie eine gediegenewesenhafte Wahrheit in den unterschiedensten Formen ausge-druumlckt w[erden] kann ohne dadurch veraumlndert zu werden Esgehoumlrt zu ihrem Wesen der verschiedenartigsten Ausdrucks-weisen faumlhig zu sein eben wie sie1 indifferent gegen den Un-terschied ist sie kann in diese unterschiedensten Formen ge-faszligt ohne dadurch in ihrem Texte veraumlndert zu werden Einbeschraumlnkter Gedanke ist an diese oder jene beschraumlnkte Formgebunden und in sie gebannt ich kann ihn nicht verschieden-artig ausdruumlcken Es ist daher insofern ganz falsch wenn mansagt daszlig Sp[inoza] von Unterschieden rede sei ganz gegensein Prinzip ndash denn sein Prinz[ip] ist kein abstraktes keinbeschraumlnktes sondern die absolute unendliche Macht undWesenheit die daher dadurch ihre Unendlichkeit beweist daszligsie in alle Sprachformen uumlbersetzt werden kann ohne dadurchin ihrem Text sich zu veraumlndern Der Inhalt bleibt derselbe dumagst ihn nun in der abstrakten Sprache des Okzidentalen oderin der sinnlichen Sprache des Orientalen lesen Offenbar istaber eine solche Faumlhigkeit sich in die unterschiedenstenForm[en] zu fuumlgen ein Zeichen von der Universalitaumlt Gedie-genheit und Substantialitaumlt des Gedankens

Der zweite Unterschied in der spinoz[ischen] Philos[ophie]ist der Unterschied zwischen Attribut2 und dessen Modifikatio-nen3 selber4 zwischen5 916 Unendlichem und Endlichemoder Substanz und Akzidenz denn das Attribut ist im Verhaumllt-nis zu s[einen] Modifikationen das Unendliche die SubstanzDas Dreieck z B hat zu seiner Grundlage zu s[einer] Substanzdie Ausdehnung die ein Attribut der goumlttlichen Substanz istdas Dreieck7 ist eine endliche eine beschraumlnkte eine be-stimmte Art der Ausdehnung d h also eine Modifikation der-

1 eben sie Ebenso wie die Form B2 Im Ms folgt gestr oder3 Modifikationen Modifikationen B4 selber oder B5 Ende des Nachtrags vgl Fuszlignote zur Uumlberschrift6 Am Rande r o XII V[orlesung] A [XII Vorlesung] [Leibniz]7 Dreieck Δ Ms

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selben denn die Ausdehnung ist noch unzaumlhliger andrer For-men und Arten faumlhig1 Die Ausdehnung ist daher das Attribut[der] Substanz2 das Dreieck das Akzidenz Denn das Dreieck3

kann als eine bloszlige Art und Weise der Ausdehnung weder seinnoch gedacht w[erden] ohne die Ausdehnung es ist nur in derIdee der Ausdehnung sie ist und besteht nicht in sich sondernnur in der Ausdehnung sie ist nicht Selbst- nicht Fuumlrsichsein ndashsie ist nur eine Weise wie die Ausdehnung ist Was nun hiervon dem Dreieck4 beispielsweise gesagt wurde gilt von allenbesondern Dingen Die5 Dinge sind ndash jedoch nach verschiednenGraden groumlszligerer und geringerer Realitaumlt ndash Akzidenzen derSubstanz Und auf diesem Unterschied beruht der PantheismusKein Geist war mehr bemuumlht das Unendliche vom Endlichenzu unterscheiden keiner hat auch so scharfe Unterschiedegegeben wie Sp[inoza] So unterscheidet er dadurch die Sub-stanz wie wir sahen von den andern Dingen daszlig sie nur insich ist und durch sich gefaszligt w[erden] koumlnne die andern Din-ge dagegen nur in einem Andern sind eben darum keine Ressondern Modif[ikationen] daszlig die Substanz das Wesen istwelches gar nicht anders denn als seiend gedacht w[erden]kann das Endliche dagegen gedacht w[erden] kann ohne zuexistieren Aber ndash und hier kommen wir daher auf einen Man-gel und die Bedingung zu einer weitern Entwicklung in derPhilosophie ndash das von der Substanz Unterschiedne ist nur alsAkzidenz nur als Modifikation nur als ein Endliches Einge-schraumlnktes Negatives bestimmt und gefaszligt Warum soll aberdas absolute Wesen nur Wesenloses erzeugen Warum dasUnendliche nur Endliches Das Unendliche kann wie Brunosagte 92 nur Unendliches hervorbringen das Positive nurPositives6 Warum soll die Substanz nicht Substanzen zeugen 1 Am Rande Die Substanz ist nicht im Unterschied sich selbst gleich

er ist nicht sie selbst der Unterschied ist nur im Unterschied vonder Substanz gesetzt der Unterschied ist nur [nur keine Korr imMs] Wirkung nicht Objekt der Substanz nur als unter ihr in ihr

2 Die Substanz Das Attribut der Ausdehnung ist daher SubstanzKorr im Ms

3 Dreieck Δ Ms4 Dreieck Δ Ms5 Im Ms folgt gestr materiellen6 Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno von Nola Beylage I zu

den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza In Friedrich Heinrich Ja-cobirsquos Werke 4 Bd 2 Abth Leipzig 1819 S 35-37

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Warum nicht was ihres Wesens und Gleichen Wenden wirdas Verhaumlltnis des Ganzen und der Teile obwohl dieses Ver-haumlltnis nur ungeschickte Vorstellungen mit sich fuumlhrt auf dieSubstanz an und sagen die1 Substanz ist das Ganze die beson-dern Dinge die Modifikation[en] sind die Teile derselbengleichwie z B aber nur bildlich das Dreieck2 ein homoumlopathi-sches Teilchen der unendlichen Ausdehnung genannt w[erden]koumlnnte so fragen wir aber nicht im Namen des Leibniz denSpinoza Warum sollen und koumlnnen denn nicht die Teile desUnendlichen selbst Ganze selbst Totalitaumlten sein Warumsollten sich denn nicht mit dem Begriffe der3 Substanz auchendliche Substanzen vertragen Warum sollte nicht das was imUnendlichen ist zugleich in sich sein koumlnnen so gut als derTeil in unserm Koumlrper ein Organismus im Organismus istbegabt mit eignem Leben mit eignen Gefaumlszligen

Das Unterschiedne von der Substanz muszlig daher nicht alsbloszliger Unterschied sondern als Unterschiedenes oder es muszlignicht bloszlig im Unterschiede von der Subst[anz] und darum alsetwas an sich Unreelles Endliches sondern in der Einheit mitder Substanz begriffen4 werden Oder Der Unterschied der inSpinoza nur ein Praumldikat ist ein Adjektivum muszlig zum Sub-jekt zu5 einem Substantiv erhoben werden Gestern w[urde]der Unterschied so gemacht daszlig gesagt6 wurde Der Unter-schied habe wohl Dasein aber keine Realitaumlt Die Philosophennaumlmlich unterscheiden Dasein bedeutet ein aumluszligerlichesgleichguumlltiges wertloses Sein Realitaumlt das Gegenteil DerUnterschied ist nur fuumlr uns eingeschraumlnkte Denkweisen einSubjekt eine fixe Realitaumlt aber dieses Sein fuumlr uns dieses nurrelative Sein muszlig als Ansichsein oder Fuumlrsichsein = reellesselbststaumlndiges Sein begriffen w[erden]

In den Fragen die wir eben an Sp[inoza] stellten suchten wirim Uumlbergange zu Leib[niz] beide Philosophien miteinander zuvermitteln Aber in der Geschichte der Philosophie spricht sichdas naumlchst[]7

1 die das Korr im Ms2 Dreieck Δ Ms3 Im Ms folgt gestr unendlichen4 begriffen Unleserl Korr im Ms5 zu zum Korr im Ms6 daszlig gesagt [so auch A] daszlig ich sagt Ms7 Der Text bricht ab

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931 lasse sich wohl aus dem Gesagten Alles was sich be-wegt bewegt sich immerfort wenn nicht ein aumluszligerliches Hin-dernis in den Weg trete erklaumlren aber nicht die jaumlhrliche in-dem sie in der Sonnennaumlhe wieder umkehre Er behauptet da-her auch daszlig alle Substanzen drei urspruumlngl[iche] VermoumlgenVorstellung Trieb und Bewegung in sich haumltten Man hat des-wegen auch die Vermut[ung] aufgestellt daszlig Leib[niz] ausdiesem seltnen wenig bekannten Buch seine Ideen geschoumlpfthabe2 Allein ungeachtet3 einer Aumlhnlichkeit in der allgemeinenTendenz und selbst in vielen einzelnen Individu[alitaumlten] sosind doch die Leibniz[schen] Prinzip[ien] ganz spezifisch4eigentuumlmlich bestimmt Uumlberdies hat Glisson nur die Ideen desCampanella den er auch nennt weiter begruumlndet limitiert undausgefuumlhrt und L[eibniz] haumltte sie daher aus dem C[ampanella]selbst den er kennt und oumlfters anfuumlhrt schoumlpfen koumlnnen waumlh-rend der Name Glisson gar nicht oder nur houmlchst selten vor-kommt Erst in Leib[niz] aber konzentrierte sich dieser Gegen-satz gegen die nur mechanische oder mathem[atische] An-schauung der Natur den die genannten Maumlnner un- oder nurhalbphilosophisch aussprachen zu einem gediegenen philoso-phischen Prinzip

Die Substanz ist nur Kraft Selbsttaumltigkeit bdquoaller Substanzsei sie nun geistige oder koumlrperliche eine Kraft der Taumltigkeit5

[wohnt] inne ein nimmer ruhendes Prinzip der Taumltigkeitldquo 6bdquoInder Natur der Koumlrper muszlig man daher auszliger der Groumlszlige und derVeraumlnderung der Groumlszlige und der Lage d h auszliger den Begrif-fen der bloszligen Geometrie einen houmlhern Begriff [einfuumlhren]dies ist der Begriff der Kraft durch welche die Koumlrper handeln 1 Am Rande r o Verweis auf XII Vorlesung2 Vgl F Glisson Tractatus De Natura Substantiae Energetica Lon-

dini 16723 Im Ms folgt gestr der4 Im Ms folgt gestr verschieden5 Im Ms folgt gestr ein6 Vgl G W Leibniz Nouveaux Essais sur lrsquoentendement humain In

Œuvres Philosophiques latines hellip Ed R E Raspe Amsterdam ndashLeipzig 1765 Avant-Propos S 20 Vgl Ebenda Liv II Chap XXIsect 72 S 169 Vgl G W Leibniz Epistolae ad D Bourguet In GG Leibnitii Opera Omnia hellip Tom VI Pars I Genevae 1768 Epi-stola V S 215 Vgl G W Leibniz Essais de Theacuteodiceacutee sur labonteacute de Dieu la liberteacute de lrsquohomme et lrsquoorigine du mal P III Am-sterdam 1710 sect 393 S 592-593 Vgl GW 3 S 33-37

130

und Widerstand leisten koumlnnenldquo1 Lettre agrave M Pellisson2bdquoWenngleich ein Phaumlnomen der Natur z B die Schwere oderElastizitaumlt mechanisch erklaumlrt werden kann und z B aus derBewegung abgeleitet w[erden] muszlig so ist doch der letzteGrund der Bewegung in der Materie die jedem Koumlrper inwoh-nende Kraft Emend prim Philos3 bdquoDie Prinzipien der Me-chanik und der Gesetze der Bewegung liegen daher auszliger derMathematik und Mechanik sie sind in einem Begriffe enthal-ten der vor das Forum der Metaphysik gehoumlrt in dem derKraftldquo4

1 Vgl G W Leibniz Lettres de M Leibniz et de M Pelisson De la

toleacuterance et des diffeacuterens de la Religion hellip In G G LeibnitiiOpera Omnia hellip Tom I a a O S 719

2 Pellisson Pelsson A3 Vgl G W Leibniz De Primae Philosophiae Emendationes et de

Notione Substantiae In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom IIPars I a a O S 20

4 Vgl G W Leibniz Systegraveme nouveau de la nature et de la communi-cation des substances hellip In G G Leibnitii Opera Omnia hellip TomII Pars I a a O S 49-50 ndash Im Ms schlieszligt die XIII Vorlesungohne Absatz an

131

XIII Vorles[ung]1 [Leibniz]2

Was ist nun aber die Kraft die Leibniz hier aufstellt NichtsAusgedehntes Teilbares Zusammengesetztes Vielfachesnichts Mechanisches nichts Materielles denn eben daruumlbersind wir hinausgegangen indem die bloszlig materiellen Prinzipi-en zur Erkenntnis und Erklaumlrung der Phaumlnomene nicht hin-reichten 943 Die Kraft ist daher ein Einfaches Unteilbaresein metaphysisches (nicht physikalisches) spirituelles PrinzipWir haben daher in der Koumlrperwelt ein geistiges Prinzip selbstzu erkennen Die koumlrperliche Substanz ist nur Substanz durch4

dieses einfache geistige Prinzip Die Substanz ist identisch mitRealitaumlt Wesenhaftigkeit Nur was Substanz ist ist reell DasZusammengesetzte Ausgedehnte Koumlrperliche als solche[s] istaber nicht Substanz denn Substanz ist nur das Wirkende Taumlti-ge die Kraft Das Reale Wesenhafte in den Koumlrpern ist dahernicht das Vielfache sondern das Einfache nicht das Teilbaresondern das Atomon das Non-Dividendum [Nicht-Teilbare]das In-Dividuum [Unteilbare] ndash das Reale das Wesenhafte istaber das was besteht was Bestand hat die Koumlrper haben daherin dem Einfachen ihr5 Bestehen ihren Halt ihren Grund ihrWesen ihre Realitaumlt bdquoDas Zusammengesetzteldquo sagt Leibnizbdquosetzt das Einfache voraus denn ohne einfache kann es keine 1 Am Rande r u Verweis auf XIII Vorles[ung]2 So auch A3 Am Rande l o Verweis auf XIII [Vorlesung] ndash Am Rande r o

Verweis auf Paginierung S 464 Vielfaches durch sondern das Entgegenges[etzte] also ein Ein-

faches Unteilbares Metaphysisches Spirituelles Das MaterielleMechanische setzt einen houmlhern Begriff hervor als diesen fand erden der Kraft 94 Das Materielle Mechanische ist aber ein Vielfa-ches Zus[ammen]gesetztes Teilbares indem aber das Materielledie Kraft voraussetzt als Prinzip so setzt es also ein Einfaches vor-aus als sein Prinzip uumlberhaupt Die Vielheit kann nur haben ihreRealitaumlt in der Einheit Sie kann nicht fuumlr sich und durch sich beste-hen die Vielheit hat nur in der Einheit ihr Bestehen bdquoOhne einfa-che Substanzen kann es keine zusammengesetzten gebenldquo [Vgl GW Leibniz Principia Philosophiae seu Theses in Gratiam hellip In GG Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I Genevae 1768 Nr 1S 20] ndash Der Koumlrper ist zus[ammen]gesetzt das Prinzip der Koumlrperist daher die einfache Substanz Und diese ist es was wir vorherKraft nannten Korr im Ms ndash Im Ms folgt durch

5 dem ihr der Kraft das Korr im Ms

132

zusammengesetzten Substanzen d i keine Koumlrper gebenldquo1 Nurdie Einheit haumllt die Vielheit nur die einfache Kraft das Teilba-re2 nur der Geist den Koumlrper zusammen daszlig er nicht haltungs-und einheitslos ins Nichts sich zerstaumlubt Die Koumlrper sind dahernicht eigentlich Substanzen sondern nichts andres als Zusam-mensetzungen als Aggregate von3 Substanzen die einfache4unteilbare spirituelle Kraumlfte sind oder die Koumlrper bestehen auseinfachen Substanzen oder Elementen Diese einfachen Sub-stanzen nennt nun L[eibniz] Monaden Diese einfachen Ele-mente der Koumlrperwelt nennt nun L[eibniz] mit unterschiedenenNamen veras et reales unitates atomes de substance im Unter-schiede gegen die atomes de matiegravere points metaphysiquesFormas substantiales Vires primitivas Entelecheias primas[wahre und reale Einheiten Substanzteilchen Materieteilchenmetaphysische Punkte substantiale Formen primitive Kraumlftedie urspruumlnglichen Entelechien] auch Atomes formels Atomeder Form nach nicht der Masse er nennt sie ferner Seelen oderdoch den Seelen analoge Wesen

Populaumlr ausgedruumlckt ist also der Hauptsinn der LeibnizschenPhilosophie Nur die Kraft ist Sein Alles was existiert wasreal ist ist Kraft Was keine Kraft ist oder hat ist Nichts DieKraft 955 ist aber ein unmaterielles Wesen sie ist Seele Nurdie Seele ist Sein Realitaumlt Was keine Seele hat oder ist istNichts Nur die Seele ist das Wesen des Koumlrpers oder der Koumlr-per ist eine Realitaumlt Wesen Substanz nur durch die Seeledenn nur durch die Seele ist er eine Einheit ndash ja die Seele istdiese Einheit selbst ndash und ohne Einheit waumlre er ein sich Zer-streuendes Zerfahrendes in Nichts Aufloumlsendes Dissoluteskoumlnnte er keinen Widerstand keinen Druck keine Kraft aumlu-szligern denn wo Widerstand ist Kraft wo Kraft aber Seele waumlreer ein dissolutes wehrloses selbstloses sich gegen nichts and-res behauptendes Wesen was doch jede koumlrperliche Substanzist Toute la Nature sagt daher der Leibniz est pleine de vie

1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 1-2 S

202 das Teilbare den Koumlrper zusamm[en] Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr diesen4 Im Ms folgt gestr sind5 Am Rande r o Verweis auf XIII Vorles[ung] ndash Am Rande r o

Verweis auf Paginierung S 47

133

[die ganze Natur ist voller Leben]1 Alles ist daher plena ani-marum vel analogarum naturarum [voller Lebewesen oderverwandter Naturen]2 bdquoUnser Geist oder Seele hat die Kraftimmanente Aktionen d h Handlungen die untruumlglich unsresind nur von uns selbst kommen wie es die Gedanken undWillensbestimmungen sind hervorzubringen aber diese Kraftmuszlig man nicht nur der menschl[ichen] Kraft zuschreibensondern als eine allgemeine allen Substanzen zukommendeKraft anerkennen man muumlszligte denn3 der Meinung sein daszlig dasPrinzip immanenter oder lebendiger Handlungen allein mitdem Intellectus dem Verstande verbunden sei was aber nichtrichtig istldquo4 bdquoEs waumlre ganz im Widerspruch mit der Vernunftder Schoumlnheit und Ordnung der Natur wenn ein lebendigesund immanentes Taumltigkeitsprinzip vitale aliquid seu imma-nente agens nur in einem geringen Teil der Materie waumlre da esdoch offenbar zur groumlszligeren Vollkommenheit gehoumlrt daszlig es injedem Teile der Materie ist und nichts im Wege steht daszlignicht uumlberall Seelen oder doch den Seelen analoge Wesen exi-stierenldquo5 Um dies zu begreifen muszlig man nur nicht wie dieCartes[ianer] mit dem Begriffe des denkenden Bewuszligtseinsder klaren und deutlichen Vorstellung den Begriff der Seeleidentifizieren oder das Dasein einer Seele nur von dem Daseindes Bewuszligtseins abhaumlngig machen Zur Seele gehoumlrt6 nichtnotwendig Wille und Bewuszligtsein 96 zur Seele gehoumlrt nichtsandres als Spontaneitaumlt Auch in unsrer Seele gibt es bewuszligtlo-se Zustaumlnde gibt es dunkle verworrne Vorstellungen die abernicht weniger obgleich sie fuumlr uns nur als Passionen als Lei-den erscheinen in der Selbsttaumltigkeit der Seele ihren Ursprunghaben Und nach Analogie dieses bewuszligtlosen dunklen ver- 1 Vgl G W Leibniz Principes de la Nature et de la Gracircce fondeacutes en

Raison In G W Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I a aO S 32

2 G W Leibniz Meditationes observationes et crises hellip In OtiumHanoveranum sive Miscellanea Leibnitii Lipsiae 1718 Nr CS 189

3 Im Ms folgt gestr allein4 Vgl G W Leibniz De ipsa natura sive de vi insita actionibus

creaturarum pro dynamicis suis confirmandis illustramdisque InActa eruditorum anno 1698 publicata N IX Lipsiae 1698 sect 10S 433 und sect 12 S 436

5 Vgl Ebenda sect 12 S 4366 Zur Seele gehoumlrt Die Seele ist auch Korr im Ms

134

worrnen Lebens in unsrer Seele1 muumlssen wir die Seele uumlber-haupt die Monade denken wie sie nicht bloszlig in uns sondernauch auszliger uns in den koumlrperlichen Dingen existiert die Sub-stanz der Natur ist

Die Natur der Dinge besteht also nicht in der Materie in derGroumlszlige der Gestalt sondern in der Monade Alles was ist undbesteht ist eine Monade eine eigentuumlmliche individuelleselbsttaumltige Substanz In die Monade kann daher von auszligennichts eindringen Sie kann daher durch etwas Aumluszligres nichtveraumlndert werden Die Monaden haben keine Fenster durch dieetwas hinein oder herausgehen kann Wie entspringt nun aberVeraumlnderung in der Welt bdquoDie Monaden sind zwar einfachaber sie haben doch Qualitaumlten sonst waumlren sie keine WesenEntia Ja es ist notwendig daszlig jede Monade sich von jederandern unterscheide Denn es gibt nimmermehr in der Naturzwei sich vollkommen gleiche Wesen an denen eine innereVerschiedenheit aufzuzeigen unmoumlglich waumlreldquo2 Da nun dieMonaden keine Gestalt haben ndash sonst haumltten sie Teile ndash so kanneine Monade an sich betrachtet nur durch innerliche Qualitaumltenund Wirkungen sich von einer andern M[onade] unterscheidenbdquoUnd es darf uns nicht befremden daszlig die Monaden ungeach-tet ihrer Unteilbarkeit eine Mannigfaltigkeit in sich enthaltenDie Einfachheit der Substanz schlieszligt keineswegs die Vielfach-heit der Modifikationen aus die sich zusammen in eben diesereinfachen Substanz vorfinden muumlssen gleichwie in einemZentrum oder Mittelpunkt so einfach er ist eine unendlicheMenge von Winkeln ist welche die in ihm zusammenlaufen-den Linien bildenldquo3 bdquoDie natuumlrlichen Veraumlnderungen kommendaher aus einem innern Prinzip weil keine aumluszligere Ursache inihr Innres eindringen kann uumlberhaupt nur die Vis die Kraftdas Prinzip der Veraumlnderungen istldquo4 bdquoAlle einfachen Substan-zen kann man Entelechien nennen denn sie haben in sich einegewisse Vollkommenheit ἔχουσι τὸ ἐντελές 975 sie haben insich eine gewisse Selbstgenuumlgsamkeit αὐτάρκεια vermoumlge

1 in Seele unseres Lebens Korr im Ms2 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 8-9 S

213 Vgl G W Leibniz Principes de la Nature hellip a a O S 324 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 11 S

215 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 48

135

welcher sie die Quellen ihrer innern Aktionen sind wie auto-mata incorporea [koumlrpereigene Automaten]ldquo1 Was sind abernun diese Qualitaumlten der Monade ohne welche eine Veraumlnde-rung unmoumlglich waumlre Was sind diese Unterschiede derM[onade] wodurch sie eine so oder so beschaffne ist einebestimmte ist im Unterschied von einer andern M[onade] DieBeschaffenheiten die Bestimmungen einer Monade sind Kraft-aumluszligerungen sind Aktionen Handlungen Die Bestimmungeneiner selbsttaumltigen Kraft die Bestimmungen die nicht vonauszligen in eine Substanz kommen sondern aus ihr selbst ent-springen deren Prinzip sie selbst ist sind Selbst- Bestimmun-gen Bestimmungen nun aber einer Substanz die in dieserselbst vorgehen von ihr selbst hervorgebracht werden nichtvon auszligen kommen wie wenn ich z B in ein Wasser einStuumlck Zucker werfe und das an sich geschmacklose Wassernun dadurch die Bestimmung der Suumlszligigkeit erhalten hat diefolglich keine materielle sondern ideale immanente spontanekurz Selbst-Bestimmungen sind sind Vorstellungen Die M[o-nade] ist eine Vorstellungskraft Die Qualitaumlten der M[onade]sind Aktionen die Aktionen aber Perzeptionen [Wahrnehmun-gen] Die Bestimmung ist eine Passio aber eine Passio dieAktivitaumlt ist die zugleich Wirkung2 Spontaneitaumlt ist ist Vor-stellung Moumlge diese beispielsweise eroumlrtert w[erden] durch dieVorstellung wie sie in ihrer houmlchsten Form im Bewuszligts[ein]im Menschen erscheint Ein3 Mensch der nie eine Vorstellunggehabt haumltte nichts gesehen gehoumlrt geschmeckt gefuumlhlt haumlttewaumlre ein personifiziertes Non-Ens Nihil er haumltte keine Praumldi-kate keine Qualitaumlten und das Nichts ist eben was keine Be-stimmungen hat Ich bin nur Etwas dadurch daszlig ich Etwasvorstelle Ohne Vorstellung von Etwas bin ich auch ohne Be-gierde nach Etwas ohne Begierde ohne Willen bin ich Nichtsbin nicht gut nicht schlecht nicht dumm nicht reich Dadurchdaszlig ich Bestimmtes vorstelle Bestimmtes will bin ich selbstein bestimmtes Wesen Vorstellung ist Bestimmung Wenn icheine Kroumlte mir vorstelle bin ich anders bestimmt als wenn icheinen schoumlnen Vogel mir vorstelle Als Bestimmung aumluszligert sie

1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 18 S

222 Im Ms folgt der ndash Im Ms folgt gestr Aktivitaumlt3 Ein [so auch A] Eine Ms

136

sich daher in mir als Affekt Die Vorstellung des1 Haumlszliglichen istEkel Abneigung Haszlig die entgegengesetzte Freude Wohlbe-hagen Zuneigung Aber diese Bestimmung entspringt nur ausder Kraft 98 der Vorstellung Der Gegenstand der fuumlr michist d h den ich mir vorstelle ist nur durch mich fuumlr mich ndasheine Bestimmung aber die nur durch mich selbst durch meineSelbsttaumltigkeit in mir ist oder in ihr ihr Prinzip hat ist eineVorstellung Ein Simpel sieht houmlrt kurz erinnert das nicht wasein Mensch ein gesunder Mensch2 Warum nicht Weil fuumlr einvorstellendes Wesen Etwas nur durch es selbst durch s[eine]Selbsttaumltigkeit vermittelt ist weil seine Bestimmung[en] keineunmittelbare[n] Affektionen3 ndash materielle sondern durch dieSelbstkraft vermittelte ndash d i Vorstellungen sind Die Vorstel-lungen jedoch wie sie Vorstellungen der Monade uumlberhauptnicht der freien denkenden Monade sind sind zugleich alsunmittelbare Bestimmungen und4 Affektionen als Zustaumlndestatus zu denken gleichwie wir die Vorstellungen eines Nar-ren eines Simpels wohl unterscheiden muumlszligten5

Die Vorstellungen des Narren sind6 solche die fuumlr den Men-schen unmittelbar die Gestalt die Form der Objektivitaumlt desSeins eines Dings haben ndash der Narr haumllt die Einbildung fuumlrRealitaumlt ndash von denen er sich darum nicht frei machen kann dieihn vielmehr unmittelbar bestimmen und beherrschen vondenen er sein Wesen nicht absondern kann die in ihm haftenwie die Beschaffenheiten an einem sinnlichen Dinge nicht alsfreie ideale Selbstbestimmungen in ihm sind ndash Vorstellungendie fixe Ideen unmittelbare Seelenzustaumlnde sind Nach Analo-gie dieses Zustandes muumlssen wir die Vorstellungen der Monadedenken

bdquoAuszliger den Perzeptionen und ihren Veraumlnderungen gibt esalsoldquo wie Leib[niz] sagt bdquoin der einfachen Substanz nichts unddarin allein muumlssen alle innerlichen Aktionen einfacher Sub-

1 Im Ms folgt gestr Ekel2 Mensch [so auch A] Mensch Ms3 keine Affektionen Affektionen keine unmittelbaren Korr im Ms4 und als Korr im Ms5 Am Rande Was in niedern Dingen und Subj[ekten] [Im Ms folgt

gestr Sub] Gesundheit und richtiges Maszlig ist w[ird] in houmlhernKrankheit Miszligstand ndash Im Ms folgt kein Absatz In BwN folgt Ab-satz

6 Im Ms folgt gestr fixe Ideen Zustaumlnde

137

stanzen bestehenldquo1 bdquoDie Taumltigkeit des innerlichen Prinzipsaber wodurch die Veraumlnderung vor sich geht eine Vorstellungan die Stelle der andern tritt heiszligt Triebldquo2 Begierde Verlan-gen appetitus nisus Der Connexus zwischen Trieb oder Be-gierde und Vorstellung erhellt daraus daszlig eben die Vorstellungals eine Determination als Bestimmung der Seele3 (diesestimmt) unmittelbar als Stimmung sich aumluszligert angenehm oderunangenehm die Seele affiziert Die Monade ist aber in einembestaumlndigen Zustande des Strebens Denn da die Vorstellung zuihrem Wesen gehoumlrt so stellt sie immer vor sie geht 994

immer von einer zu einer andern Vorstellung uumlber Ihr Sein istewiger Wechsel kontinuierliche Veraumlnderung

Da nun die Monaden nur durch innre Qualitaumlten sich vonein-ander unterscheiden diese aber Vorstellungen sind so unter-scheiden sich die M[onaden] voneinander nur durch ihre Vor-stellungen ndash und da das Wesen der Monade hiermit aller Mo-naden die Vorstellung ist hiermit darin miteinander alle uumlber-einstimmen daszlig sie vorstellen ndash so koumlnnen sie nur durch unter-schiedene Grade oder Arten und Weisen der Vorst[ellung] sichvoneinander unterscheiden Sie unterscheiden sich also durchdie verschiedenen Grade der Deutlichkeit bis herab zur voumllli-gen Dunkelheit zum Stupor [Erstarrung] Die Monaden dienur eine einfache Perzeption ohne Apperzeption ohne Be-wuszligts[ein] und Gedaumlchtnis haben koumlnnen den Namen Seelenur uneigentlich und analogisch haben man unterscheidet sievon den houmlhern Stufen die eine deutlichere Vorstellung habendurch den Namen bloszliger einfacher nackter Monaden oderEntelechien In solchen Zustaumlnden wo wir uns an nichts erin-nern und keine deutliche Vorstellung haben wie im Zustandeder Ohnmacht des Traumes des Schlafs des Schwindels un- 1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 17 S

222 Vgl Ebenda Nr 15 S 223 Seele Monade Korr im Ms4 Am Rande r o Verweis auf XIII Vorles[ung] ndash Am Rande r o

Verweis auf Paginierung S 49 ndash Am Rande eine teilw unleserleingefuumlgte Anmerkung die nicht zuzuordnen ist [] Es ist demGeiste nach eine wahre echte Philos[ophie] es ist ihr nichts beige-mischt was fremdartig Daher der Horror vor Hegel Wie die ge-meinen Leute in den Wein Zucker und [] tun [] So viel ist ge-wiszlig daszlig die neuste Freiheitsschmiede in der sogen Spekulationkeine Fruumlchte tragen wird [] ndash Im Ms folgt geht

138

terscheidet sich unsre Seele was das Gefuumlhl betrifft nicht vonder einfachen Monade Wenn keine Deutlichkeit sozusagenkein houmlherer feinerer Geschmack in unsern Vorstellungenwaumlre so befaumlnden wir uns in einem bestaumlndigen Stupor wel-cher der Zustand der nackten Monade ist

Was ist denn nun aber die Vorstellung bdquoDie Repraumlsentationvon dem Zus[ammen]gesetzten oder dem Aumluszligeren in demEinfachenldquo Oder bdquoder voruumlbergehende Zustand der in derEinheit oder einfachen Substanz Vielheit involviert und reprauml-sentiert ist nichts andres als was wir Perceptio nennenldquo1

bdquoMannigfaltigkeit in der Einheit sonst nichts 1002 wird zurVorstellung erfordertldquo3 Vorstellen ist ein Zusammenfasseneines in sich Vielfachen zur Einheit wie denn schon in denSprachen wie z B in den Worten fassen begreifen Inbegriffcomprehendere concipere usw die Einheit der V[orstellung]angedeutet oder sinnlich vorgestellt ist Die Monade ist vor-stellend heiszligt also nichts andres als sie ist die Comprehensiodie Zus[ammen]fassung die Einheit des Vielen oder dessenwas auszliger der Monade ist Die M[onade] ist aber nicht be-schraumlnkt auf die Vorstell[ung] einer beschraumlnkten Vielheit DieM[onade] ist ihrer Idee4 nach an sich unbeschraumlnkt das Ob-jekt der M[onade] ist daher auch nicht beschraumlnktes Nicht imObjekt sondern in der Art und Weise der Vorstellung des Ob-jekts sagt L[eibniz] sind die M[onaden] beschraumlnkt Alle stre-ben verworren nach dem Unendlichen Jede M[onade] stelltdas ganze Universum vor bdquoJede M[onade] ist daher ein Spiegeldes Weltalls ein konzentriertes Universumldquo5 gleichsam einsummarischer Inbegriff des Weltalls (Jedes Ding in der Naturist gewissermaszligen alle Dinge jedes Einzelne absolut allgemei-ner Natur jedes Einzelne das Universum das Unendliche ineiner bestimmten Form oder Vorstellung) bdquoEs gibt kein indivi-duelles Wesen das nicht alle andern ausdruumlcken oder vorstel- 1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 14 S

21-222 Am Rande l eine unleserl eingefuumlgte Anmerkung die nicht zuzu-

ordnen ist3 G W Leibniz Epistola ad Des-Bosses In G G Leibnitii Opera

Omnia hellip Tom II Pars I a a O S 2714 Idee Natur Korr im Ms5 Vgl G W Leibniz G G Leibnitii animadversiones circa

Assertiones hellip In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II ParsII a a O S 154

139

len muumlszligteldquo1 bdquoDie Monaden sind daher Bilder des Universumsverkuumlrzte und zus[ammen]gezogne Welten des mondes enraccoursi fruchtbare Einfachheiten Einheiten der Substanznach aber unendlich der Kraft nach virtuellement infiniesdurch die Vielheit ihrer Modifikationen Centra welche eineunendliche Peripherie circonfeacuterence ausdruumlckenldquo2

Die Vorstellungen s[ind] also die rapports die Verhaumlltnisseund Beziehungen der M[onade] zur Welt und aus dem fruuml-her[n] erhellt daszlig die rapports der M[onade] als eines immate-riellen einfachen Wesens keine andre sein koumlnnen als Vorstel-lungen Allein wie und wodurch kommt denn die M[onade]die fuumlr sich ist unabhaumlngig und Auszligen abgesondert von denandern Monaden eine Welt fuumlr sich selbst ist []3

1014 [] bestimmt sich jetzt daher dahin die Seele dieMonade ist der konzentrierte Mechanismus des Leibs oder dieSeele ist nichts andres als der konzentrierte in einen unteilba-ren Punkt zus[ammen]gezogne Leib der Leib5 nichts als dieexplizierte auszligereinandergelegte die entfaltete Seele6 Die 1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 64 S

282 G W Leibniz Reacuteplique de Mr Leibniz aux reflexions contenues

dans la seconde eacutedition du Dictionnaire Critique de Mr Bayle Ar-ticle Rorarius sur le systecircme de lharmonie preacuteeacutetablie In G GLeibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I a a O S 86

3 Der Text bricht ab4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 505 der Leib die Seele Korr im Ms6 Am Rande die Fortsetzung einer hinzugefuumlgten Anmerkung []

Leidenschaft Gefuumlhl Affekt [Im Ms folgt gestr haben] sind iden-tisch mit der Materie Ein unabweisliches Gefuumlhl das Gefuumlhl einerSchranke einer Notwendigkeit weiter nichts ist die Materie Washat die M[aterie] mit dem Gefuumlhl zu schaffen Materie ist StoffWas ist denn aber Stoff Gefuumlhl und Gefuumlhl ist nicht ohne Schran-ke Wo ich an eine Schranke anstoszlige wo ich nicht weiter kann woich mich gehemmt wo ich Widerstand fuumlhle da ist Stoff Man muszligbei Materie nicht an Steinbloumlcke und Holzkloumltze denken Es gibtGefuumlhle im Menschen und in diesen Gefuumlhlen erfahren wir aberdaszlig wir endliche beschraumlnkte Wesen sind die mehr Gewalt uumlberihn ausuumlben als irgend etwas aumluszligerlich Materielles denen er unter-liegt wenn er nicht die houmlchste Kraft des Selbstbewuszligtseins an-wendet [Gefuumlhle] die ihn niederdruumlcken ohne aumluszligerliche Notwen-digkeit [aumluszligerliche Notwendigkeit Veranlassung Korr im Ms] ei-nes aumluszliger[n] Gegenstandes Zum Begriffe der Materie gehoumlrt nichts

140

Seele ist ein metaphysischer Punkt derselbe Punkt aber alsrealer als mathematischer oder physikalischer Punkt ist derLeib Oder1 Als Objekt der Metaphysik des klaren deutlichenDenkens ist die Monade Monade als Objekt der Physik ist sieLeib Die Seele ist daher ein geistiger Mechanismus der Leibein koumlrperlicher oder materieller bdquoDie Gruumlnde der Mechanikdie in den Koumlrpern entfaltet und entwickelt sind sind vereintund gleichsam konzentriert in den Seelen oder Entelechien undfinden fort selbst ihre Quelleldquo2 Aber sie enthalten nicht nur diePrinzipien des Mechanismus Leib weil sie selber spirituelleAutomate [sind]

Der fruumlhre Satz die Seele stellt das ganze Universum vor3bekommt nun auch jetzt seinen bestimmten realen S[inn]4 undder Leib ist nichts andres als der Gesichtspunkt der Monadeihr Standpunkt in der Welt das Schema nach welchem sievorstellt der Grad der Realitaumlt des Leibs ist daher auch derGrad der Realitaumlt des Geistes bdquoWie daher dieselbe Stadtldquo sagtLeibniz bdquovon verschiednen Orten aus gesehen anders er-scheint und gleichsam optisch vervielfaumlltigt wird so gibt esdaher auch wegen der unendlichen Menge von einfachen Sub-stanzen gleichsam ebenso viele verschiedne Welten die jedochnur stenographische Vorstellungen einer einzigen Welt sindnach den verschiedenen (eigentuumlmlichen) Gesichtspunkten derMonadeldquo5 Die M[onade] stellt nur vermittelst des Leibes undder Vorstellung von dem was in ihm passiert ndash eben deswegenist er ihr Gesichtspunkt ndash die aumluszligern Dinge vor Der Leib abersteht nicht isoliert abgeschnitten da In der Welt gibt es nichts

als der Begriff der Unfreiheit und Unklarheit denn Unfreiheit istwo keine Klarheit des Geistes ist

1 Im Ms folgt gestr die2 G W Leibniz Reacuteplique de Mr Leibniz hellip a a O S 863 vor Im Ms nicht hervorgehoben ndash Vgl G W Leibniz Principia

Philosophiae hellip a a O Nr 64 S 284 Am Rande chaque acircme se repreacutesente lunivers suivant son point de

vue et par un rapport qui lui est propre [Ebenso muszlig man zugebendaszlig jede Seele das Universum nach ihrem Blickpunkt vorstellt unddaszlig sie in einzigartiger Beziehung zu ihm steht] (Theod III P p552) [G W Leibniz Essais de Theacuteodiceacutee sur la bonteacute de Dieu laliberteacute de lrsquohomme et lrsquoorigine du mal Amsterdam 1710 P III sect357 S 552]

5 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 59 S27

141

Leeres Getrenntes sie ist ein absolutes Kontinuum bdquoAlles isterfuumlllt alle Materie verbunden Jede Bewegung affiziert nicht1

nur die naumlchsten Koumlrper sondern vermittelst dieser auch dieentfernten so daszlig sich gar kein Grad der Entfernung bestim-men laumlszligt auf den sie nicht noch mittelbar sich erstreckte JederKoumlrper w[ird] daher von allem ergriffen was im Universumvor sich geht 102 so daszlig das Auge das alles durchschaut injedem einzelnen Koumlrper lesen kann was im Universum2 ge-schieht selbst was schon geschehen ist oder noch geschehenwird Σύμπνοια πάντα [alles wirkt zusammen]ldquo sagte Hippo-krates3 bdquoWeil und wie nun aber dieser Leib wegen der durch-gaumlngigen Kontinuitaumlt d i Zus[ammen]hangs der Materie imerfuumlllten Raume das ganze Universum ausdruumlckt so stellt auchdie Seele das ganze Universum vor indem sie den Leib vor-stellt4 der sich unmittelbar auf sie bezieht Obgleich sie aberdas ganze Univ[ersum] vorstellt so stellt sie doch viel deutli-cher den Leib vor der ihr selbst auf besondere Weise angepaszligtistldquo5

Was ist nun aber der Leib selbst Nichts als eine Menge eineder Zahl nach unbestimmbare und unbegrenzbare Menge vonMonaden denn das Zusammengesetzte hat ja sein Bestehennur in den einfachen Substanzen und so viel Teile ich dahernur immer unterscheiden kann so viel Monaden muszlig ich an-nehmen jedes Faumlserchen meines Koumlrpers jedes auch das billi-onste Teilchen desselben hat seinen Grund in einem selbstunteilbaren von andern unterschiedenen fuumlr sich seiendenWesen Der Leib ist daher ein Aggregat wie wir schon fruumlhersahen ein Compositum eine Zusammenhaumlufung von Mona-den und das was wir die Seele eines bestimmten Leibes nen-nen ist nichts andres als die uumlber die andern untergeordnetenihren Leib konstituierende Monade herrschende Monade oder

1 Im Ms folgt nicht2 Im Ms folgt gestr vor sich geht3 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 63 S

274 vorstellt bezieht Korr im Ms5 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 64 S

28 ndash Am Rande Bei der Vorstellung L[eibnizrsquo] muszlig man nur nichtan ein [Im Ms folgt gestr dunkles] Bild denken ein[en] toten Ab-druck s[ondern] d[aszlig] zu Attri[buten] Substanzen Wirkung Le-benskraft Wirklichkeit

142

Entelechie1 Der Leib einer Monade ist daher obwohl er demWesen nach nur ein Aggregat ist der Form nach organischoder eine Maschine die sich aber dadurch von jeder kuumlnstli-chen wesentlich unterscheidet daszlig sie bis ins Unendliche bisin die kleinsten Teilchen noch Maschine ist denn die aller-kleinsten selbst dem Auge verschwindenden Teilchen sindnoch Organe von Seelen Wie der organische Leib ein Systemaus Systemen ist2 so ist der Leib eine Fuumllle von beseelten Lei-bern eine ganze Welt voll Seelen die aber zusammengebun-den sind durch die Eine herrschende Seele

1 Im Ms folgt gestr (Das was wir ein Tier ein lebendiges Wesen

nennen ist nichts andres als so eine mit einem Leibe verbundene[Im Ms folgt gestr die] uumlber andere Monaden herrschende Mona-de Leben gehoumlrt nur den organischen Leibern an) ndash Am RandeDas Atom ist der Rahmen in dem L[eibniz] den Begriff d[er] Seeleeinschlieszligt einfaszligt Daher die Uumlbelstaumlnde Die Materie ist eine Ge-muumltskrankheit der Monade

2 ist sind Korr im Ms

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XIV Vorlesung1 [Leibniz Kant]2

103 bdquoDer kleinste3 Teil der Materie sagt L[eibniz] ist nocheine Welt von lebendigen Kreaturen von Tieren EntelechienSeelenldquo4 bdquoJeder Teil der Materie kann vorgestellt w[erden] wieein Garten voller Pflanz[en] oder wie ein Fischteich vollerFische Aber jeder Ast der Pflanze jedes Glied des Tieresjeder Tropfen seiner Feuchtigkeiten ist wieder ein Fischteichoder Garten dieser Artldquo5 bdquoEs gibt daher auszliger nur dem Scheinenach kein Chaos im Universum keine Verwirrung nichtsTotes Wuumlstes nichts Ungegliedertes nichts was ohne Zweckund Bedeutung ohne Ordnung6 waumlreldquo7 bdquoEs gibt daher auch imUniversum keine reale Erzeugung keinen realen Tod im stren-geren Sinne Es gibt nur Metamorphosen nur8 Veraumlnderungendenn die Materie befindet sich gleich einem Flusse in bestaumln-diger Veraumlnderung und die Monaden gehen bald diese baldjene Verbindung ein9 Was wir Erzeugung nennen sind nurEvolutionen und Zuwaumlchse was wir Tod nennen nur Involu-tionen und Verminderungldquo10 Obwohl alles in derLeibn[izschen] Philosophie unterschieden fuumlr sich ist eineignes gesondertes Leben hat ja auf dieser unendlichen Dis-krimination das Prinzip s[einer] Philos[ophie] beruht so gibt esdoch keinen realen Unterschied keinen Unterschied dem We-sen nach sondern nur nach Graden und Zustaumlnden Der Unter-schied betrifft nur die Existenz nicht das Wesen der DingeDem Wesen nach s[ind] die Monaden nicht unterschieden 1 Im Ms kein Absatz Am Rande r o Verweis auf XIV Vorlesung und

Paginierung S 512 So auch A3 Der kleinste Jedes kleinstes Korr im Ms4 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae seu Theses in Gratiam

In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II pars I Genevae1768 Nr 69 S 28

5 Vgl ebenda Nr 70-71 S 286 Im Ms folgt gestr her7 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 72 S

288 nur der Seelen und Korr im Ms9 denn ein der Materie die gleich Veraumlnderung sich befindet

was wir so nennen Korr im Ms10 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 76 S

28

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sondern nur ihrem Sein ihrer Existenz nach d h darnach daszligsie fuumlr sich seiende oder richtiger sich selbst seiende Wesensind Selbst zwischen Leib und Seele ist kein realer wesentli-cher Unterschied Die Seele ist nur ein geistiger Mechanismusder Koumlrper ein materieller Mech[anismus] ihre Vorstellungenentwickeln sich der Reihe nach auseinander bis ins Unendlichefort wie die Bewegungen der koumlrperl[ichen] Maschine eine ausder andern bis ins Unendliche ruumlckwaumlrts und vorwaumlrts ent-springen Die koumlrperl[iche] und geistige Welt sind getrennteund doch dem Wesen nach nicht unterschiedne Welten

104 Und eben in dieser Fixierung mechanischen Trennunghebt Leib[niz] das Gute seiner Ideen wieder auf indem er sichmit dem Begriffe der Kraft der Seele uumlber den bloszligen Mecha-nismus erhebt faumlllt er doch wieder zuruumlck Das den Mecha-nismus uumlberwindende und aufhebende Prinzip faszligt er selbstwieder mechanisch auf Er trennt die Einheit ab von der Viel-falt fixiert sie fuumlr sich es kommt daher zu keinem Organismusnur zu einem (natuumlrlich[en]) Aggregat1 Der Leib ist nichtsandres als die andern auszliger der M[onade] existierenden Mona-den An sich ist die Mon[ade] nicht verbunden mit andernsondern separeacutee eine getrennte Existenz Der Zusammenhangmit den andern M[onaden] ist daher nur ein aumluszligerlicher vorge-stellter ein idealer ndash2 kein im Wesen begruumlndeter realer DieMaterie entspringt zwar aus der Schranke der M[onade] sie hatinsofern einen innern Grund aber in dem wahren Wesen derM[onade] die in den klaren und deutlichen Vorstellungenexistiert oder an sich hat sie keine Realitaumlt ndash Die Vorstellungder Beschraumlnktheit3 ist selbst bei Leib[niz] nur eine dunkleihm aufgedrungne Vorstellung keine begriffsmaumlszligige aus demlautern Begriffe der Monade abgeleitete Bestimmung denn 1 mechanischen Aggregat der Trennung liegt der Mangel der

leibni[zschen] Philos[ophie] Korr im MsAm Rande Das wahre Mittel wodurch Gott bewirkt daszlig d[ie]Seele Empfindung[en] von dem hat was im Koumlrper vorgeht kommtaus der Natur der Seele die est repraumlsentative des corps und im vor-aus so gemacht daszlig die Repraumls[entation] der Veraumlnderung d[es]Koumlrpers entspricht Theodic p 550 [Vgl G W Leibniz Essais deTheacuteodiceacutee sur la bonteacute de Dieu la liberteacute de lrsquohomme et lrsquooriginedu mal Amsterdam 1710 P III sect 355 S 550]

2 Im Ms folgt gestr der Leib ist ja nur eine dunkle bewuszligtlose un-freie Vorstellung ndash

3 Beschraumlnktheit M[onade] Korr im Ms

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ihrem urspruumlnglichen Begriff nach ist sie nicht determiniertfrei fuumlr sich Der Zusammenhang der M[onade] mit andernMonad[en] ihre Uumlbereinstimmung zu einem Ganzen hat dahernicht in ihnen selbst sondern in einer vorherbestimmten dersog praumlstabilierten Harmonie ihren Grund die als Subjektvorgestellt ihre Existenz in Gott hat Es ist daher ein Wesenauszliger und uumlber den M[onaden] es ist die urspruumlngliche Mona-de es ist Gott der die M[onaden] verknuumlpft Aber in s[einer]Anwendung auf Gott hat der Begriff der Monade nicht eigent-liche Bedeutung er kann ihm nur bildlich zukommen denn imBegriff der Monade liegt ja die Vielheit ndash in der Monade liegtein polytheistisches Prinzip die M[onaden] sind selbst kleineGoumltter ndash die eigentliche Bedeutung fuumlr Gott ist daher inLeib[niz] nur die gewoumlhnliche populaumlre Vorstellung von Gottals einem auszligerweltlichen Wesen d h einem Wesen dasauszliger der Natur eines Dings dasselbe bestimmt Die Vorstel-lung v[on] Gott ist daher bei ihm1 eine unbestimmte oder we-nigstens dem Wesen nach nicht philosophisch bestimmte nichtim Geiste s[einer] Philos[ophie] bestimmte Idee ob er gleichim einzelnen natuumlrlich mit s[einer] Philo[sophie] zusammen-haumlngende Gedanken uumlber ihn hervorbringt Und hierin steht dasgroszlige Genie L[eibniz]rsquos weit2 unter dem Spin[oza] der nichtsin s[einer] Philos[ophie] eingeschwaumlrzt [] sich zu einer selb-staumlndigen rein philosophischen Anschauung Gottes sich erhobDie M[onaden] bleiben daher bei L[eibniz] weil es nur eineaumluszligerlich[e] Ver- 1053 knuumlpfung ist voneinander getrennt Esist nur ein Consensus aber kein Commercium4 sie sind fuumlrsich Wesen fuumlr einander aber nur Schatten SpiegelbilderGespenster5 Kein Wesen dringt in das andere ein keines ent-huumlllt dem andern sein Antlitz es ist ein Schleier uumlber alle We-sen gezogen und dieser Schleier der Seele ist die Materie6 Es 1 Im Ms folgt gestr nicht2 Im Ms folgt gestr uumlber3 Am Rande r o Verweis auf XIV Vorlesung und Verweis auf Pagi-

nierung S 524 Commercium Hervorgehoben in A5 Am Rande - eine ideale Uumlberwindung aber kein reales [] Der

Text bricht ab6 Am Rande Es erhellt daher hier auch die Schattenseite der Bestim-

mung der Vorstellung bdquoDie realen Dinge wirken nur als von ihrvorgestellte sie ist nur mit sich selbst beschaumlftigt sie ist nur theo-retisch taumltig und leidend ihre Leiden ihre Bestimmungen von den

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gibt daher keinen realen Influxus zwischen L[eib] und S[eele]Die Leiber handeln in diesem System als gaumlbe es keine Seelenund die Seelen als gaumlbe es keine Leiber Die Seelen handelnnach Zweckursachen die Leiber nur nach hervorbringendenUrsachen Wenn die [Veraumlnderung] und die Bewegung in mei-nem Leibe1 [auf] Grund2 der mechanischen Gesetze erfolgenso erfolgen zugleich in meinem Geiste die ihnen entsprechen-den Vorstellungen die Seele hat von allem was in ihrem Leibevorgeht Bewuszligtsein oder doch eine dunkle Vorstellung eben-so erfolgen wie im System des Occasionalismus auf die Vor-stellungen und Begehrungen der Seelen in den Leibern ent-sprechende und gemaumlszlige Bewegungen ohne daszlig dadurch aberdie Seele oder der Leib in ihren eigentuumlmlichen Wesen undGesetze angegriffen und gestoumlrt wuumlrden Aber der Grund dieserUumlbereinstimmung ist die praumlstabilierte Harmonie Der Unter-schied zwischen dem sogen[annten] System des Oc-cas[ionalismus] und dem Cartes[ianismus] ist nur daszligL[eibniz] auch in der Begierde in dem Triebe in der dunkelnbewuszligtlosen3 Vorstell[ung] die Seele4 Spontanitaumlt Geist er-blickt die Objekte nicht als tote materielle Objekte dahersondern als lebendiges Wesen Seelen anschaut daszlig er dieSeele verobjektivierte aber dessen ungeachtet doch zugleich indieser aumluszligerlichen Trennung beide festhielt Der Grundmangelist nun aber daszlig dem Leib[niz] bei dem Begriffe der Seele derMonade so tief er ihn faszligt doch die Vorstellung des Atomszwar nicht als eines materiellen doch immateriellen Atoms

andern M[onaden] oder den Dingen haben nicht das Feuer die leb-hafte Kraft unmittelbar gegenwaumlrtiger sinnlicher Eindruumlcke sie ha-ben nur die Kraft von Reminiszenzen nur solche Bedeutung wieWirkungen von dem was nur in der Vorstellung der Erinnerungnicht mehr in der Wirklichkeit fuumlr uns Realitaumlt hat Die Monadew[ird] nicht auf sinnliche Weise von dem affiziert was vorgeht inder Welt sie ist kein an Ort und Stelle sich befindender Augen- undOhrenzeuge sie nimmt nur aus der Entfernung Notiz An einer Sa-che nur aus der Entfernung Anteil nehmen bei ihr sein ohne sinnli-che Gegenwart heiszligt sie [Im Ms folgt gestr nur die] vorstellenldquo[Zitat nicht nachgewiesen]

1 Im Ms folgt in2 Grund Folge Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr Seele4 Im Ms folgt gestr die

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vorschwebte und unter [der] Hand sich einmischte daszlig1 die2

Vorstellung der Seele in dem Sinne wie wir etwa die so-gen[annten] reinen Intelligenz[en] und Engelgeister auf demStandpunkt der Phantasie vorstell[en] ihm zwischen die Ideenkam die Seele nicht idealistisch genug dachte daher es not-wendig war daszlig in der Leibniz-Wolf[f]isch[en] Schule 106die Seele nur als ein einfaches Ding Objekt vorgestellt wurdedaszlig er den Sinn der substantiellen Entelechien in Form derBildung von auszligen erfaszligte3 die Seele nur in einem aumluszligerlichenVerhaumlltnis zum Leibe dachte daher die Seelenwanderung al-lerdings keine weit abliegende Vorstellung ist Die logischeKategorie die L[eibniz] zum Prinzip machte ist allerdings wieHegel richtig bemerkte die Kategorie des Fuumlrsichseins4 Diese5

legte er6 als die absolute Grundbestimmung [zugrunde] ererkannte nicht das Negative in ihr ihre Schranke haumltte er dieseerkannt so wuumlrde er auf einen realen Zus[ammen]hang ge-kommen sein Aber eben eine Philosophie muszlig eine an sichwesenhafte Idee fuumlr sich allein ohne Einschraumlnkungen zumPrinzip machen denn nur dadurch kann er wahrhaft erkanntseine Bedeutung sein Verhaumlltnis zur Totalitaumlt der Vernunftseine Grenzen und der Umfang seiner Folgen ermittelt werdenDie Leibniz[sche] Philos[ophie] enthaumllt tiefe und wahre Ideenaber die Verbindung dieser Ideen ist ungenuumlgend die Keimenicht entwickelt die gehoumlrige Anwendung nicht gemacht Dasdisparate Element seines Lebens ist auch in s[einer] Philoso-phie nicht zu verkennen Seine Philosophie ist ein Aggregatvon Aphorismen d[ie] Aphoris[men] s[ind] trefflich aber dasAggregat taugt nichts Die Leibnizsche Philosophie w[urde]7

bekanntlich jedoch nur auf Kosten ihres philosophischenKerns von einem wirklich tuumlchtigen ja groszligen wenn auchnicht genialen Manne dem Chr[istian] Wolf[f] in ein foumlrmli-ches System gebracht und8 [eroberte] nun in dieser Gestalt1

1 Im Ms folgt gestr er2 Im Ms folgt gestr Seele3 Im Ms folgt gestr nicht4 Vgl G W F Hegel Die objektive Logik In Wissenschaft der

Logik 1 Bd Nuumlrnberg 1812 3 Kapitel Abschnitt A S 92-1005 Im Ms folgt gestr legte6 er ihn Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr als7 Im Ms folgt gestr allerdings8 Im Ms folgt unleserl Wort

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obwohl sie auch heftige Gegner fand fast ganz DeutschlandDie Philosophie verlor so den Charakter der Produktivitaumlt siew[urde] steifer Pedantismus und selbst in den besten Koumlpfendie auf eigentuumlmliche Weise die Leibnizsche Philosophie insich gestalteten war ihre Vernunft in bestimmte Schrankeneingeschlossen und diese Schranken die einmal festgesetztworden sind waren eben das Ens simplex und das Ens compo-situm das metaphysische Ding als welches selbst der Geistdie Seele fixiert war Bei Leib[niz] selbst schon2 schwebt beiseiner Anschauung der Seele diese antiidealistische Vorstel-lung mit vor Aber das was ein3 schwebendes Gespenst beiL[eibniz] war wurde jetzt die fixe Realitaumlt Der Gedanke desIch kommt zwar bei 1074 L[eibniz] in der spaumltern verhaumlngnis-vollen metaphys[ischen] Bedeutung schon vor er faszligt die Ein-heit der Seele schon als Selbstbewuszligtsein als das Ich aber esblieb bei dem bloszligen Gedanken er kam nicht zur Realitaumlt Inder Leibnizisch-Wolf[f]schen Schule dagegen verschwand dasIch in dieser houmlhern Bedeutung die Einheit des Selbstbewuszligt-seins wurde nur als die einfache Substanz fixiert das Ens sim-plex zu einem Dogma gestempelt Wie war nun in dieser Zeitdes Dogmatismus in der Philosophie ein Fortschritt zu gewin-nen Nur durch einen Bruch mit dem ganzen Genre5 zu meta-physizieren Es bedurfte eines gewaltigen Stoszliges um dieMenschheit wieder vom Flecke zu bringen Nur im Zweifelnur in der Kritik war6 Heil zu finden der Zweifel ist der Hebelder Weltgeschichte Es muszligte ihr das Houmlchste selbst ndash dieErkenntnis der Wahrheit ja die Moumlglichkeit derselben streitiggemacht w[erden] um sie die sich so sicher duumlnkte wieder7

aufzuschrecken Diese groszlige Tat vollzog der KoumlnigsbergerWeise Kant durch den kuumlhnen Gedanken einer Kritik derVernunft Ihr denkt in dem Glauben die Objekte damit erken-nen zu koumlnnen Ihr Toren pruumlft erst euer Denkvermoumlgen fragt

1 [eroberte] Gestalt zu einer fertigen Schulsache gemacht Korr im

Ms2 Im Ms folgt gestr schwimmt3 ein das Korr im Ms4 Am Rande r o Verweis auf XIV Vorlesung und Verweis auf Pagi-

nierung S 535 Im Ms folgt gestr dieser Art6 Im Ms folgt gestr das7 wieder so wohlbehaglich Korr im Ms

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erst die Vernunft ob sie erkennen kann sonst1 tappt ihr imFinstern herum und wiszligt nicht ob ihr nicht Schatten fuumlr wirk-liche Dinge umfaszligt Die Frage kann die Vernunft die Wahrheiterkennen ist uumlbrigens eigentlich eine Suggestivfrage an dieVernunft denn in der Frage liegt schon die Antwort ndash eineAntwort die nur negativ ausfallen kann Denn der Standpunktist selbst schon ein negativer er ist kein freier sondern schonim Miszligtrauen befangner Standpunkt der Gedanke sie kann sienicht erkennen ist ihr schon im Geheimen vorausgesetzt We-gen dieses ihres negativen Standpunkts und Resultates dasuumlbrigens fuumlr unzaumlhlige Mensch[en] ein houmlchst plausibles und inihren Kopfe wie sonst kein philos[ophischer] Satz freies En-tree hat betrachtet2 man die Kantsche Philo[sophie] als reinabgeschnitten von der fruumlhern Philos[ophie] gleichsam wie ausden Wolken herabgefallen Allein wir haben sie dennoch in derKontinuitaumlt im Zus[ammen]hang mit den fruumlhern Philosophienzu begreifen Die Substanz des Spi[noza] die Monade 108des L[eibniz] sind nur Gegenstaumlnde des Denkens die Monadedie Subst[anz] ist kein Objekt des Sinnes die Sinne zeigen mirnur Buntes Vielfaches Zusammensetzungen aber keine einfa-chen Substanzen Das Wahre das wahrhaft Objektive wird nurdurch das Denken erkannt Das Denken wird daher im Objekteseiner selbst bewuszligt es wird sich selbst Gegenstand der Ge-genstand ist der Spiegel in dem es sich selbst erblickt (dennda diese Gegenstaumlnde nur fuumlr das Denken sind so koumlnnen sieihm nicht entgegengesetzt sein es muszlig eine innre Verwandt-schaft oder Identitaumlt stattfinden) das Denken wird darum imGedachten auf sich selbst aufmerksam erfaszligt sich selbst re-flektiert uumlber sich selbst zuruumlckgefuumlhrt und dieses auf sichselbst zuruumlckgehende Denken dieses sich im Unterschiedevom Objekte denkende Denken dieses Denken des Denkens(ist das Selbst-Bewuszligtsein) ist das Prinzip der Kantsch[en] undFichteschen Philosophie Die Richtung des Denkens auf sichselbst muszlig aber eine doppelte Wendung nehmen Im Anfang istdas Denken3 sich selbst miszligtrauisch es ist mit sich im Wider-spruch die Vernunft ist ihm alles und nichts es erfaszligt die Ge-genstaumlnde die nur fuumlr das Denken Gegenstand sind als Pro-

1 Im Ms folgt gestr denn wollen wir erst an die Dinge gehen2 betrachtet erkennt Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr gegen

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dukte des Denkens und1 als bloszlige Gedanken es faszligt sich nurals subjektiv und diese Subjektivitaumlt als eine Schranke alsUnrealitaumlt hinter der2 das reale Objekt daher noch versteckt istunerreichbar dem Denken es erfaszligt sich nur als subjektiv d[as]Objekt als Ding an sich das Denken ist noch nicht vollkom-men seiner gewiszlig es ist noch im Widerspruch mit sich esschlieszligt daraus daszlig die Gegenstaumlnde nur fuumlr d[as] Denkensind3 es die Gegenstaumlnde nur so erkennt wie sie fuumlr d[as]Denken aber nicht wie [sie] an sich sind das Ens der altenMetaphysik ist ganz hinten in den Grund gestellt als ein unbe-kanntes Ding an sich aber nicht aufgenommen in den Geistnicht idealisiert nicht uumlberwunden [es schlieszligt] auf eineSchranke seiner selbst Es4 traut sich noch nicht die Wahrheit5

ndash die volle Wahrh[eit] auf diesem Standpunkt ndash einzugestehenund auszusprechen Es erfaszligt seinen Unterschied als SchrankeUnrealitaumlt es setzt ein Ding an sich als Schranke Aber imFortgang erstarkt und ermutigt sich der denkende Geist Er faszligtden Unterschied des Denkens von d[em] Objekt als seine Rea-litaumlt6 Allerdings sind die Objekte nur Produkte des Denkensaber daraus folgt keine Unrealitaumlt keine Schranke des Den-kens vielmehr das Gegenteil alle Realitaumlt liegt nur im Denkennur Selbstbewuszligtsein ist Sein nur Fuumlrsichsein Sich-selbst-Gegenstand-sein ist Realitaumlt ist Wahrheit Das Objektive istnur Sein fuumlr uns es ist nur Objekt des Selbstbewuszligtseins es istfuumlr sich nichts Ein Ding an sich ist ein Unding Ansichsein istnur der Geist Der Geist setzt sich selbst bringt sich selbsthervor d h er ist nur durch sich das Ding 1097 ist aber nurfuumlr den Geist es ist nur ein von ihm gesetztes und dahinge-stelltes Durchsichselbstsein ist nur der Geist das Selbstbe-wuszligtsein nur Durchsichselbstsein ist Sein das Objekt istnichts den Gedanken mit heftiger Leidenschaft ausgesprochenUnd der Geist setzt sich nur ein Nicht-Ich gegenuumlber um an

1 Im Ms folgt gestr deswegen weil sie bloszlig Produkte des Denkens

sind ndash Am Rande nicht geteilt zwischen sich und der Objektivitaumltund erfaszligt sich nur als subjektiv das Objekt als Ding an sich

2 es der als Non-Entia als Unrealitaumlt hinter denen Korr im Ms3 daszlig sind daszlig es nur Gedanken sind Korr im Ms4 Es Aber Korr im Ms5 Im Ms folgt ganze volle6 Im Ms folgt gestr Allerdings Produkte7 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 54

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ihm seiner selbst bewuszligt zu sein Das Nicht-Ich ist eineSchranke die der Geist sich selbst setzt Er fixiert nur einenPunkt auszliger sich um die Reflexion und Aufmerksamkeit aufsich desto besser richten zu koumlnnen wie Kant nur dadurchdenken und sich im Kontext in s[einen] Vorlesungen erhaltenkonnte daszlig er einen Knopf an dem Rocke1 eines seiner Zuhouml-rer fixierte2

Fichte ist der Spinoza als Idealist Auszliger der Substanz istnichts die Substanz ist alle Realitaumlt alle Dinge sind in ihr sindnur ihre Bestimmungen Affektionen Aber die Substanz ist einGedachtes ist vom Geiste als Objekt angeschaut als Ens fi-xiert Durch den Idealismus des L[eibniz] hindurch der jedochnoch ein Mittleres zwischen dem Realismus oder Objektivis-mus des Sp[inoza] und zwischen dem Idealis[mus] Kants undFichtes ist geht das Denken auf sich zuruumlck und erfaszligt dasDenken das Selbstbewuszligtsein des Geistes als diese Substanzderen Affektion[en] die Dinge sind Aber das die Substanz alsderen wesentliche Bestimmung schon Leibniz die Spontaneitaumltdie Selbst-Taumltigkeit faszligte nicht als bloszliges Ansichsein als rei-nes Sein als Sein schlechtweg wie die Substanz des Sp[inoza]sondern als Durchsichselbstsein darum als Geist bestimmt istso sind die Dinge keine unmittelbaren Affektionen mehr son-dern schlechthin durch den Geist vermittelt und gesetzt siesind nicht mehr Bestimmung[en] in der Subst[anz] sondernSelbst-bestimmungen und -beschraumlnkungen Objekte Vorwuumlr-fe die er sich macht3 Um den F[ichte] zu verstehen muszlig mannur nicht an sein eignes Ich denken und sich einbilden als haumltteF[ichte] es so verstanden daszlig wenn ich dieser Mensch nichtdenke die Dinge nicht sind daszlig sie jetzt in dem gegenwaumlrtigenAugenblick entstehen daszlig ich mit dem Gedanken Tische []und Baumlnke hinstelle Es ist der Geist Und was fuumlr den Geistnur Produkt seiner selbst ist ist fuumlr mich das endliche Ich dasIndiv[iduum] eine unmittelbare Realitaumlt 110 ein PositivesDie Kantsche Philosophie ob sie gleich mit der Metaphysikihrer Zeit sich gaumlnzlich entzweit und einen foumlrmlichen Bruchbildet steht daher doch mit der Leibnizschen Philosophie ininnigem Zus[ammen]hang bdquoDie absolute Realitaumlt bestehtldquosagt L[eibniz] bdquonur in den Monaden und ihren Vorstellun- 1 dem Rocke s[einem] Korr im Ms2 Im Ms Absatz nachtraumlglich eingefuumlgt3 macht setzt Korr im Ms

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genldquo1 Das Reale ist nur die Seele Nur Selbsttaumltigkeit ist SeinRealitaumlt Was auszliger uns ist ist unsers Gleichen und Wesensunser Sein und Wesen ist die Seele aber die Dinge auszliger unssind auch Seelen oder doch ihnen analoge Wesen sie sindEbenbilder unseres Wesens Dinge sind sie nur fuumlr uns oder fuumlrandere Monaden fuumlr sich selbst aber Monaden SeelenL[eibniz] verobjektiviert die Subjektivitaumlt er macht dieSelbsttaumltigkeit die Bestimmung wodurch wir [uns] nur als Ichfassen und denken als Seele als Selbst zu einer realen objek-tiven Bestimmung oder umgekehrt er vergeistigt die Dingedie Selbsttaumltigkeit ist auch d[as] Prinzip der Kantschen Phi-los[ophie] aber als2 Verstand der Wille3 Die Selbsttaumltigkeitmuszligte daher in dieser Spitze erfaszligt w[erden] und folglich dadie Selbsttaumltigkeit als Seele uumlberhaupt bereits zum Prinzip allerRealitaumlt und Objektivitaumlt erhoben w[urde] nun daher dieSelbsttaumltigkeit als Vernunft oder die Vernunft als das Prinzipaller4 Realitaumlt und Objektivitaumlt gefaszligt w[erden] Indem dieVernunft zum Prinzip gemacht w[urde] so kam das5 Denkenhinter sich selbst wurde sich Gegenstand aber anfangs erfaszligtees sich6 nur im Unterschiede von der Objektivitaumlt7 noch unent-schieden8 hin und her schwankend9 zwischen dem Respekt vorsich selbst und dem Respekt vor dem Objekt10 teilt es d[as]Objekt selbst in d[as] Objekt wie es fuumlr d[as] Denken ist unddas Objekt an sich setzte es der Vernunft in diesem Ding ansich eine Schranke faszligte sie nur als subjektive als unsere Ver-nunft So daszlig es nun auf diesem Standpunkt also hieszlig die Weltist allerdings unseresgleichen und -wesens aber wir sind ebennur wir unser Wesen ist nur ein subjektives wir schauen in der 1 G W Leibniz Lettre a Mr Dangicourt eacutecrite en Septembre 1716

In Opera Omnia hellip Tom III a a O S 4992 ist als in ihrer houmlchsten Potenz ist der Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr oder wahre Selbsttaumltigkeit ist nur Vernunft

Verstand Wille4 aller der Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Denken6 das Denken sich das Denken auf sich und hinter sich selbst kam

sich Gegenstand wurde so konnte es sich Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr erfassen oder Gegenstand werden und da es

anfaumlnglich8 Im Ms folgt gestr war9 schwankend [so auch A] schwankte Ms10 Im Ms folgt gestr so

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Welt nur uns selbst an der Verstand oder die Vernunft ist wohldas Prinzip der Objektivitaumlt1 Realitaumlt aber nur fuumlr uns odereiner selbst subjektiven Objektivitaumlt die Welt die und wie wirsie anschauen nur ein Machwerk unsrer Vernunft aber dieseWelt ist eben nicht die wahre objektive Welt Vermoumlge derGesetze die in uns sind erscheint uns die Welt so und so aberdiese Gesetze sind nur subjektive die Welt ist nur eine Er-scheinung von den2 seltsamsten Phaumlnomenen der Vernunft wiesie an sich ist wissen wir nicht3

1 der Objektivitaumlt aller Korr im Ms2 den [so auch A] dem Ms3 Am Rande und unter der letzten Zeile unleserl Erg

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XV [Vorlesung]1 [Kant]2

1113 K[ant] beginnt s[eine] Untersuchung mit der Frage wiesind synthet[ische] Urteile a priori moumlglich Synthet[ische]Ur[teile] s[ind] solche wo ich mit einem Subjekt ein Praumldikatverbinde das nicht im Begriffe des Subj[ekts] enthalten ist unddaher nicht durch Analyse aus ihm gefunden w[erden] kannwo ich also zu einem Begriffe etwas davon Unterschiedneshinzusetze Ein solches Urteil ist zB alle Koumlrper sind schwerIm Begriffe des Koumlrpers liegt Ausdehnung Groumlszlige aber nichtdie Schwere die Schwere erkenne ich durch den Druck dend[er] K[oumlrper] auf mein Gefuumlhl aumluszligert Es ist aber ein apriori-sches dh ein Urteil von Allgemeinheit Notwendigkeit Indem Urteil liegt daszlig es alle Koumlrper s[ind] und daszlig wasK[oumlrper] ist notwendig schwer ist Allgemeinheit und Not-wendigkeit kommt nicht aus der Erfahrung Sie sagt nur daszlig4

so und sooft etwas geschehen ist nicht daszlig es sein muszlig undebensowenig gehoumlrt ihr alles sondern nur d[ie] Kategorie Eini-ges Ich habe nicht alle K[oumlrper] erprobt Wie komme ich alsozu von der Erfahrung unabhaumlngig[en] Urteilen Synthet[ische]Urteile s[ind] naumlher solche in denen ich mit dem Begriffe demObjekt des Denkens verknuumlpfe ein Praumldikat das wirklichesoder moumlgliches Objekt der Anschauung und der Erfahrung istwie zB d[ie] Schwere Sie ist ein Praumldikat das ich aus derErfahrung kenne Der Begriff des Koumlrpers ist ein geometri-scher ein von der Erfahrung unabhaumlngiger d[ie] Schwere aberein Erfahrungsprodukt Wie komme ich also dazu mit einemBegriff eine sinnliche Anschauung zu verknuumlpfen oder ein 1 Im Ms kein Absatz Am Rande r o Verweis auf XV Vorlesung und

auf Paginierung S 542 So auch A3 Im Ms folgt gestr Bei Kant ist der [der die Korr im Ms] Verstand

die Monade die alles aus ihrem eignen Grund und Boden hat dasPrinzip ihrer Bestimmungen ist Das Insichsein und Weben ist ihmdie wesentliche Kategorie des Geistes Damit tritt K[ant] dem Em-pirismus der Englaumlnder entgegen Schon L[eibniz] hatte gegen Lok-ke behauptet daszlig der Verstand sich selbst angeboren d h imma-nent daszlig es also urspruumlngliche immanente nicht aus den Sinnengeschoumlpfte oder [durch] die Erfahrung erworbene Begriffe gibtwas daher kam daszlig den Englaumlndern nie der Geist Gegenstand warsondern nur das Individuum K[ant] verfaumlhrt nun also

4 Im Ms folgt es

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Objekt der Erfahrung zu verknuumlpfen und diese Verknuumlpfungals eine allgemeine und notwendige auszusprechen und anzu-sehen da die Erfahrung nur einiges liefert Alle mathe-m[atischen] Saumltze s[ind] synthetisch Wie komme ich alsodazu nur dadurch daszlig apriorische von aller bestimmten Er-fahrung unabhaumlngige urspruumlngl[iche] Begriffe und apriorischeAnschauung urspruumlngl[ich] in uns ist Diese Anschauung istRaum und Zeit Sie s[ind] keine Substanzen keine Dinge auchkeine aus der Erfahrung abgezognen Begriffe1 die Ma-them[atik] eine apriorische Wissensch[aft] setzt das Daseineiner apriorischen Anschauung voraus Alles muszlig ich inR[aum] und Zeit anschauen Sie sind notw[endige] und all-gem[eine] Formen unsrer Anschauung sie sind aber nur For-men unsrer Sinnlichkeit Rezeptivitaumlt d[ie] Weisen wie wirvon den Dingen affiziert w[erden] Aber ebenso gibt es auchreine urspruumlngl[iche] Begriffe in uns der Verstand ist einselbsttaumltiges Prinzip der Schoumlpfer immanenter Begriffe eineMonade die alles aus sich schoumlpft und hervorzieht er ist keinBettler der von der Erf[ahrung] ein Stuumlck [] hat er lebt vonseinem Vermoumlgen Und nur darum haben wir also apriorischeUrteile weil ein apriorische Begriffe schaffendes Prinzip inuns [ist]2 Alle wahre Erkenntnis ist nun aber eine synthetischealso aus Verknuumlpfung von Denken und Anschauung [hervorge-gangen]3 Das Tiefe in Kant ist die Erkenntnis dieser Einheitvon Denken und Ansch[auung] und des Verst[andes] als einesSelbsttaumltigen aber K[ant] trennt als zwei besondere Bestand-teile Denken und Anschauung voneinander und setzt sie soentgegen4

Seine Philosophie ist eigentlich wie [die] des Cartes[ius]Dualismus Aber der Geist ist nicht mehr das einfache ab-strakte Selbst dem daher sein Gegensatz als Materie aumluszligerlichgegenuumlbersteht sondern erfuumlllter in sich vertiefter Geist DerGegensatz der Dualismus tritt daher bei dem Kant in den Geistselbst hinein und die Formen dieses Gegensatzes sind An-schauung und Denken wie wir fruumlher hatten den Gegensatz

1 Begriffe unleserl Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr Erkenntnis3 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 153-

1564 K[ant] entgegen Text im Ms am Rande

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zwischen Ausdehnung und Denken1 Die Anschauung ohneDenken ist blind das Denken ohne Anschauung leer2 DasDenken ohne Anschauung ist leer heiszligt nichts anderes als3 esist gegenstandslos nur durch die Anschauung ist ein realerGegenstand gesetzt Aber die Anschauung setzt nur das Daseineines Gegenstandes seine Determination seine Bestimmungkommt nur vom Denken Die Anschauung liefert mir4 denStoff das Mannigfaltige d[as] Denken die Form d[en]Beg[riff] Unterschied und Verknuumlpfung liegen nur im Ver-stand5 ohne Denken ist fuumlr mich der Gegenstand der Anschau-ung kein bestimmter Die Anschauung liefert mir bloszlig dasMannigfaltige und erst das Denken verknuumlpft d[as] Mannigfal-tige zu einer bestimmten Einheit zu einem Begriff ZB dieSonne hat durch ihre Waumlrme dieses Baumlchlein ausgetrocknetich verknuumlpfe hier also die Erscheinung der Trockenheit 112mit der Waumlrme der Sonnenstrahlen setze sie in einen Conne-xus einen Zus[ammen]hang indem mir die Sonne als Ursa-che die Trockenheit als Wirkung Gegenstand ist aber diesesVerknuumlpfen ist Denken ist Urteilen ich denke mir beide Ge-genstaumlnde im Verhaumlltnis der Kausalitaumlt zueinander stehend ichsubsumiere sie unter den Wechselbegriff der Urs[ache] undWirkung Desgleichen ich schaue an eine Blume mit rotenFarben ndash hier ist die Blume mir Objekt als Subjekt dem dierote Farbe als Praumldikat inhaumlriert Ich verknuumlpfe also hier dasMannigfaltige der Anschauung6 vermittelst des Begriffs vonSubjekt und Praumldikat Solche Urteilsformen solche Begriffeheiszligen Kategorien Diese Begriffe entspringen nun nicht ausder Erfahrung sondern sie sind vielmehr die Prinzipien dersel-ben die Bedingungen die der Erfahrung vorausgesetzt sinddie sie moumlglich machen sie sind deswegen apriorische Begrif- 1 Im Ms folgt gestr Erkenntnis kommt nur durch die Synthesis die

Zusammensetzung der Anschauung und des Denkens zusammen2 Im Ms folgt gestr Anschauung ist d[ie] Materie Denken die Form

Die Weisen der Anschauung sind aber Raum und Zeit alles muumlssenwir in R[aum] und Zeit anschauen Sie s[ind] eine Anschauung apriori sie entspringen nicht aus der Wahrnehmung und Erfahrungvielmehr [vielmehr sie Korr im Ms] setzen die Erfahrung sie alsihre Moumlglichkeit voraus

3 Im Ms folgt gestr das4 liefert mir Im Ms irrtuumlml gestr5 und Verstand setzt nur das Denken Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr unter

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fe Begriffe die im Verstand selbst ihren Ursprung haben DieKategorie ist aber nur eine bestimmte Art oder Form wie ichdas Mannigfaltige verknuumlpfe und wie ein1 Sinnliches daherObjekt meines Bewuszligts[eins] w[ird] Die Kategorie setzt daherdie urspruumlnglich synthetisch-verknuumlpfende Einheit der Apper-zeption (d i des Selbstbewuszligtseins) voraus bdquoDas Ich denkemuszlig alle meine Vorstellungen begleiten koumlnnen alles Mannig-faltige der Anschauung hat eine notwendige Beziehung auf dasIch denkeldquo sonst [waumlren] d[ie] Vorstellungen nicht meine siegehoumlren nicht zu einem und demselben Bewuszligtsein nur da-durch daszlig ich d[as] Mannigfaltige der Vorst[ellungen] in ei-nem Bewuszligtsein begreifen kann nenne ich dieselben insge-samt meine Vorstellungen denn sonst wuumlrde ich ein so vielfaumll-tiges verschiedenes Selbst haben als ich Vorstellungen habederen ich mir bewuszligt bin2 Das houmlchste Gesetz und Prinzipunter dem daher die Kat[egorien] als bestimmte Arten derVerbindung [stehen] ist die Einheit des Selbstbewuszligts[eins]bdquoDie Synthet[ische] Einheit der Apperzeption ist daher derhoumlchste Punkt der Philos[ophie] ja dieses Vermoumlgen ist derVerstand selbst der kein andres Geschaumlft hat als das 1133

Mannigfaltige gegebner Vorstellungen unter Einheit des Be-wuszligtseins zu bringenldquo4 K[ant] tat daher den kuumlhnen Aus-spruch bdquoDer Verstand schoumlpft seine Gesetze (a priori) nichtaus der Natur sondern schreibt sie dieser vorldquo5 bdquoDie Grund-saumltze der Moumlglichkeit der Erfahrung sind selbst die Gesetze derNaturldquo6 aber da7 wir nur nach den notwendigen Denkgesetzen[denken] nach8 uns die Gegenstaumlnde als Erscheinungen sichrichten so in der Natur nur unsre Natur erscheint denn was dieNatur an sich ist wissen wir nicht Raum und Zeit sind nurWeisen wie uns die Dinge gegeben s[ind]

Die Kateg[orien] obwohl unabhaumlngig von der Erfahrunghaben jedoch keinen andern Umfang ihrer Guumlltigkeit als die 1 Im Ms folgt gestr Gegen2 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 131-1323 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 564 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 134-1355 Vgl I Kant Kritik der reinen Vernunft Riga 1781 S 1266 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 197-

198 und vgl I Kant Critik der Urtheilskraft Berlin ndash Libau 1790Einleitung S LIV

7 da nachdem Korr im Ms8 nach [so auch A] fuumlr Ms

158

Erfahrung Nur in der Anwendung auf die sinnliche1 Anschau-ung haben sie Realitaumlt Nur durch Anschauung sind reale Ob-jekte gegeben wir haben aber keine andre als d[ie] sinnlicheAnschauung Uumlber die Grenzen der moumlglichen oder wirklichenErfahrung ausgedehnt werden sie transzendent sie werden hierbloszlige leere Gedankenwesen bezeichnen2 keine realen Objek-te Sie erstrecken sich also nur auf das Endliche Aber damitbefriedigt sich nicht die Vernunft Sie ist der Grund fuumlr Ideendie notwendig sind die sich durch Erfahrungen weder bestaumlti-gen noch widerlegen lassen weil ihre Gegenstaumlnde uumlber alleErfahrungen hinausliegen Denn die Idee geht auf d[as] Unbe-dingte Unendliche aber deswegen ist sie eben nur Idee3 DieIdeen haben aber dafuumlr die praktische Vernunft Realitaumlt Dieprakt[ische] V[ernunft] hat uumlberh[aupt] den Primat4 vor dertheoret[ischen] denn jene bezieht sich auf den Willen istselbst bestimmend waumlhrend die theoret[ische] von den Gegen-staumlnden bestimmt ist5 sie bringt Objekte hervor bdquoIn prak-t[ischer] Beziehung als Bedingungen der Anwendung d[es]moral[isch] bestimmten Willens w[ird] d[ie] Moumlglichkeit die-ser Ideen angenommenldquo6 K[ant] verlegt also die Realitaumlt ind[ie] prakt[ische] Vern[unft] in die Moral Er korrigiert in ihrdie Maumlngel der theoret[ischen] Aber dieser Zwiespalt ist[nicht] aufgehoben wie der Zwiespalt zwischen Denken undAnschauung Die K[antische] Philos[ophie] ist die Philosophiedes Zwiespalts D[ie] K[antische] Philo[sophie] trug die Not-wendigkeit einer diese Widerspruumlche loumlsenden Entwicklung insich K[ant] w[ar] uumlber[haupt] in dem Pedantismus s[einer]Zeit noch etwas befangen beschraumlnkt Mit dem allgemeinenAuf- und Umschwung den die deutsche Literat[ur] gegen d[as]Ende des 18t[en] Jahrh[underts] nahm muszligte auch d[ie] Phi-los[ophie] befreit w[erden] von den Fesseln und Beschraumlnkun-gen in denen noch die Vernunft bei K[ant] schwebt Ders[elbe]Geist der in der Poesie einen Schiller Goethe hervorbrachte

1 Im Ms folgt gestr Realitaumlt2 bezeichnen beziehen A3 eben Idee nur Idee eben Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr fuumlr Fehlt in A5 Am Rande D[er] Wille ist d[as] Vermoumlgen den Vorstellungen

entsprechende Gegenstaumlnde hervorzubringen Einl[eitung] [Vgl IKant Critik der practischen Vernunft Riga 1788 S 29-30]

6 Vgl ebenda S 249

159

derselbe war es der einen Fichte und s[eine] Nachfolger insDasein gerufen Viele1 die ihre Beschraumlnktheit zur Schrankeder [] 114 die die Tendenz die d[ie] Philos[ophie] geg[en]d[as] 18[te] Jahrh[undert]2 zum Teil schon in K[ant] nahmbejammern als eine []3 transzendente die Grenzen derMenschheit uumlberfliegende in schwindelnder Houmlhe sich halten4

wollende Allein wenn man diese Transzendenz der Phi-los[ophie] vorwirft so muszlig man es auch der Poesie vorwerfenAuch die Poesie begnuumlgt sich nicht mehr damit sehnsuumlchtigschweratmend die laumlndliche Floumlte der Idylle zu spielen in ei-nem Doumlrfchen mit gluumlcklicher Armut und Beschraumlnktheit zuleben oder als Magister Morum pruumlde Lebens- und Tugendleh-re einzuschaumlrfen oder im Kreise vertrauter Bruumlder mit ledernen5

Philisterwitzen und Scherzen das Mahl zu wuumlrzen Sie bekameine uumlberschwengliche transzendente die houmlchsten und letztenForderungen geltend6 machende rein ideale durch nichts alsdie Idee der Kunst sich beschraumlnken7 lassende Tendenz FaustWallenstein Tasso usw sind lauter solche transzendente uumlberdie engen Schranken des gemeinen Lebens und der Erfahrunghinausliegende Gestalten Das Absolute das Unendliche nurdieses allein nichts Geringeres strebte die Poesie in ihrer Wei-se zu erfasssen In der Philos[ophie] hatte K[ant] schon einenungeheuren Schritt getan indem er nicht das Objekt das wasgedacht w[ird] sondern das Denken selbst die Vernunft zumGegenstand der Philosophie machte und die Prinzipien selbstdie Moumlglichkeit der Erfahrungen untersuchte sich empor-schwingend uumlber die Grenzen der Empirie Aber die8 Philoso-phie teilte noch in K[ant] mit ihrer Schwester der Poesie jenesJahrh[underts] eine gewisse philistroumlse Genuumlgsamkeit undBeschraumlnktheit Er fluumlchtete sich daher aus der Spekulation indie Moral Aber in der Moral abgetrennt von der Spekulationvon der Idee des Unendlichen Gottes zu verharren und sich inihr zu begnuumlgen ist ebenso recht d[as] Zeichen der Be-

1 Viele Es gibt viele Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr nahm3 [] Im Ms unleserl Wort fehlt in A4 halten so auch A haltenden Ms5 ledernen spaumlrlichen Korr im Ms6 geltend geltenden Korr im Ms7 beschraumlnken unleserl Korr im Ms8 die K Korr im Ms

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schraumlnktheit D[as] Resultat der Kant[ischen] Philos[ophie] istdaher ein gemeines Es liegt in ihm der Schluszlig der GemeinheitWas kuumlmmert mich was Gott ja ob er nur ist uumlber diese spitz-findigen Probleme moumlgen sich die Philos[ophen] die Koumlpfezerbrechen ich halte mich allein an das was ich tun sollRechttun ist die Hauptsache es bringt Segen und Frieden insHauswesen Spekulation ist Eitelkeit Bleibe im Lande undnaumlhre dich 1151 redlich das ist mein Wahlspruch Aber dieseSchranke die K[ant] in der Spekulat[ion] stehen lieszlig war einVorwurf fuumlr die Menschheit ein Tusch den sie nicht auf sichsitzen lassen konnte und [den] der ins Unendliche strebendeGeist um so empfindlicher finden muszligte als es ja ein Kantwar Im Grunde also der naumlmliche Geist es war der dieSchranke gesetzt und nun so wieder aufheben wollte Was istein Geist dem ein Ding Widerstand leistet und Grenzen setztNur Geistsein ist Sein ist wahre Realitaumlt wie kann dem Geistalso etwas undurchdringlich sein Was ist denn das Ding ansich das K[ant] als die Grenze der Vernunft setzt Das Ding ansich ist das Ding gedacht ohne seine Beschaffenheiten seineBeziehungen auf mich es ist nur eine fixe Idee von Dir selbstDu verlegst die Realitaumlt auszliger dich hin wo sie nicht hingehoumlrtsie ist nur in Dir zu finden Das wahre Ding an sich (das wah-re Sein2 an sich ist nur das Sein fuumlr sich das nur zu sich selbstsich verhaltende Sein dieses Sein aber das fuumlr kein andres istkein Objekt kein Passivum sondern nur Beziehung auf sichselbst dieses absolut indeklinable nicht konjugierbare3 Sein istBewuszligtsein Selbstbewuszligtsein) Das wahre Ding an sich istdas was schlechterdings kein Ding ist ndash der Geist DerMensch der also das Kantische Ding an sich zur Rede stellteund ihm den Handschuh hinwarf der die4 Schranke der Ver-nunft als einen Vorwurf5 gegen die gesamte Menschheit alseinen persoumlnlichen Vorwurf auf seine Schultern nahm6 unds[ein] Leben tapfer und mutig daransetzte von diesem Schimpfdie Intelligenz zu befreien war wie Jacobi ihn nannte der

1 Am Rande r o Verweis auf XV Vorlesung und Paginierung S 572 Im Ms folgt gestr fuumlr sie3 konjugierbare So auch A konjungierbare Ms4 die das Korr im Ms5 Am Rande unleserl Erg6 Menschheit nahm Menschheit auf seine Schultern nahm als

Vorwurf Korr im Ms

161

Messias der spekulativen Vernunft ndash Fichte und konnte keinanderer sein als so ein entschiedner unbedingter ruumlcksichtslo-ser feuriger kristallheller Kopf und Charakter wie er [es] warDas Prinzip s[einer] Philosophie ist der Geist aber der Geistals Ich = Selbstbewuszligtsein Bei K[ant] ist schon die transzen-dentale Einheit des Selbstbew[uszligtseins] als der houmlchste Punktder Philos[ophie] ausgesprochen Aber erst F[ichte] realisiertediesen Gedanken macht es zum wirklichen Prinzip Also dasIch ist d[as] Prinzip s[einer] Philos[ophie]

116 Aber was ist das Ich Zur Erlaumluterung folgendes Ichdenke bestimmte Dinge aber indem ich sie denke unterscheideich mich von den Dingen ich denke sie als Dinge als Objekteund unterscheide mich von ihnen als was als das DenkendeAber dieses Unterscheiden ist Denken indem ich mich alsovon den Dingen unterscheide denke ich mich als den sie Den-kenden ich denke also das Denken und darin bin ich meinerbewuszligt bewuszligt als des Denkenden Was ist also das Ich dasnicht auf die Objekte hinaus sondern das auf sich selbst zu-ruumlckgehende Denken das Denken des Denkens das Sich-selbst-Denken Das Ich ist also Subjekt-Objekt Es ist1 Gegen-stand ndash so ist es Objekt ndash aber es ist Gegenstand seiner selbst ndashso ist es Subjekt oder Subjektivitaumlt und nur dadurch Ich daszlig essich selbst Gegenstand ist Das Ich ist also Einheit des Denken-den und des Gedachten der Subjektivitaumlt und ObjektivitaumltEinheit des Denkens und der Anschauung denn das sich selbstWissen und Denken ist das Sein des Ich ndash das Ich ist nichtwenn es sich nicht denkt2 Dein Ich kommt lediglich durch dasZuruumlckgehen Deines Denkens auf sich selbst zustande ndash aberein Denken mit dem unmittelbar das Dasein seines Objektesgegeben ist ist Anschauung K[ant] sagt nur durch die An-schauung ist ein Objekt3 ist Dasein gegeben ndash mit dem Sich-selbstwissen und Denken ist unmittelbar sein Dasein gegebendas Ich ist also eine denkende intellektuelle Anschauung4 DasSelbstbewuszligtsein ist also das Sein des Geistes und das wahredas einzig reelle Sein die absolute Kraft die absolute Realitaumlt

1 Im Ms folgt gestr sich2 Im Ms folgt Anfuumlhrungszeichen3 Im Ms folgt gestr gegeben4 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 155-

157

162

denn nur Taumltigkeit ist Realitaumlt1 Das Selbstbewuszligtsein ist aber2

Sein das lautere Taumltigkeit ist denn es ist nur durch sich selbstbdquodas Ich setzt sich selbstldquo es ist ja nur dadurch daszlig es sichdenkt sein Sein ist eins mit seiner Taumltigkeit3

Es erhellt hier auch naumlher was das heiszligt das wahre Ding ansich ist der Geist K[ant] sagte wir erkennen nur was ein Dingfuumlr uns nicht was [es]4 an sich ist oder nur was 1175 es inBeziehung auf uns ist aber nicht was es in Beziehung auf sichist Diese Beziehung auf sich nimmt F[ichte] den Dingen dieBeziehung auf sich ist eine Kategorie die nur dem Geiste zu-kommt und in diesem Sinne nur muszlig man es verstehen wennF[ichte] die Realitaumlt der Dinge an sich leugnet jeder andreSinn ist Unsinn Unverstand Selbstbewuszligtsein nur ist Ansich-sein Beziehung auf sich selbst Der Geist ist auch Objekt6Gegenstand aber nur Gegenstand seiner selbst Die beidenUrbestimmungen alles Seins7 Beziehung auf andres und Be-ziehung auf sich sind daher in dem Geiste identisch denn dasAndre das Objektive das wofuumlr er ist ist er selbst Der Geistist eben deswegen das allein Unbeschraumlnkte Unendliche denner hat nichts Aumluszligerliches zu seiner Grenze sonst waumlre er selbstein Aumluszligerliches ein Ding Er bestimmt und beschraumlnkt sichselbst Und eben in dieser Selbstbeschraumlnkung entsteht dasDing Dadurch daszlig ich nicht mich sondern Andres denke undf[erner] daszlig ich etwas fixiere meiner an sich unbeschraumlnktenTaumltigkeit eine Schranke setze entsteht erst das Objekt

Es erhellt ferner daszlig ein schlechter Einwurf waumlre ein Miszlig-verstand der Geist muszlig doch Etwas ein Objekt ein Ding seinsonst ist er Nichts Denn er ist mehr als ein Ding mehr alsEtwas und wenn Du ihn als Etwas denkst so stellst Du ihn indie Kategorie der Dinge und hast daher nur eine Vorstellungvom Geiste eine Einbildung Aber kann ich denn nicht z Bden Geist eines andern Menschen zum Objekt meines Denkens

1 denn Realitaumlt und Taumltigkeit Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr reines uneingeschraumlnktes Sein3 Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 2

verb Ausg Jena ndash Leipzig 1802 insbesondere Erster Teil sect 1Zweiter Teil sect 4 und Dritter Teil sect 5

4 ist es Korr im Ms5 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 586 auch Objekt So auch A Objekt auch Ms7 Im Ms folgt gestr kann Fehlt in A

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machen wie der Psychologe Der Geist das Ich ist etwas and-res als die psychologischen Eigenschaften und Partikularitaumltendie Du als Menschenbeobachter zum Gegenstande machstJeder M[ensch] kann in sich das Bewuszligtsein denken das reineIch fassen wenn er abgesondert den Geist von der Erschei-nung abstrahiert von sich als diesem bestimmten Ich welchesCajus und Sempronius hieszlig das Ich ist allgemeiner Natur Duund ich wir beide zusammen setzen voraus als unsern Grunddas Ich selbst das Ich in s[einer] Wahrheit und Wesen

164

XVI Vorles[ung]1 [Fichte Jacobi]2

118 Der Idealismus ist die Philosophie der Sammlung in sichselbst des Beisichselbstseins der Besonnenheit Besinne Dichgehe in Dich sind die ersten Gebote die er denen auferlegt diesich ihm naumlhern wollen

Alles Denken ist ein Insichgehen Man kann nicht denkenund zugleich in der Anschauung sinnlicher Dinge zerstreutsein Zum Denken gehoumlrt Sammlung Wenn wir recht aufmerk-sam ein[en] Gegenstand fixieren wenn wir wahrhaft versenktsind in Gedanken so mag um uns vorgehen was da will esstoumlrt uns nicht wir vernehmen es nicht Sehen und Houmlren ver-geht uns die sinnlichen Dinge haben fuumlr uns kein Dasein sieverschwinden fuumlr uns wenn wir uns im Zustande ernsten3

Denkens gespannter Aufmerksamkeit [befinden] wenn siegleich drauszligen stehen bleiben Die Dinge haben fuumlr uns keinDasein auszliger wenn wir fuumlr sie sind wenn wir sie fixieren zumObjekt machen Und alle Philosophie beruht4 nun auf dem Aktder Sammlung in sich der Abkehr von den Dingen der Ab-straktion Aber Fichte machte diesen Akt als solchen zum Prin-zip der Philosophie (Dieser Actus ist Denken und indem ichnun dieses Denken selbst zum Objekt mache so entsteht mirder Begriff des Ichs ich werde bewuszligt des Denkens meiner imUnterschiede von den Dingen und erfasse dadurch Mich selbstmein Ich)

Es kann nicht geleugnet w[erden] ndash es ist eine Tatsache daszligim Denken im ernsten tiefen Denken uns die Dinge aus demSinne aus den Augen und Ohren schwinden Wie koumlnnten wirsonst denken Indem sie uns aber aus den Sinnen schwindenso vergeht fuumlr uns ihre Realitaumlt Wonach beurteile ich denn einDing daszlig es ist als danach daszlig ich es sehe fuumlhle houmlre Aberwas ist Sehen ohne Bewuszligtsein

1195 Was nicht taumltig ist aus sich selbst ndash selbst-taumltig istkeine Substanz was keine Substanz keine Realitaumlt kein SeinDie Quelle aller Realitaumlt ist daher die Taumltigkeit Das kuumlrzlich

1 Am Rande l o Verweis auf XVI Vorlesung und Paginierung S 592 So auch A3 Im Ms folgt gestr gespann4 beruht [so auch A] beruhen Ms5 Am Rande r o Verweis auf XVI Vorlesung

165

der Satz des Leibniz1 Aber was ist denn wahrhaft ndash selbsttaumltigNur die Intelligenz Die Vernunft ist also die Quelle aller Rea-litaumlt oder alle Realitaumlt Aber K[ant] ist noch mit sich in Wider-spruch Wenigstens in der theoretischen Vernunft ist er nochnicht frei hat er noch nicht in Wahrheit sein Prinzip erfaszligt DieIntelligenz als theoretische ist bedingt bestimmt beschraumlnktAber nur das Selbsttaumltige Sich-Selbst-Bestimmende ist imGrunde s[einer] Seele das Reale Wahre Er realisiert daherseine Idee sein Grundprinzip durch die prakt[ische] VernunftDer Wille als das sich Selbstbestimmende ist das Wahre Rea-le Unbedingt und unbeschraumlnkt erfaszligte und realisierte aber erstFichte den Grundgedanken der Kantischen Philosophie Daswahrhafte2 reale Sein ist nur die3 Taumltigkeit ndash nur die Taumltigkeitder Intelligenz ist aber Taumltigkeit ndash die Taumltigkeit der Intelligenzist aber Denken4ndash aber Denken ist Denken eines Objekts ndash wasist nun das erste urspruumlnglichste Objekt der Intelligenz ndash dieIntelligenz selbst die Intelligenz denkt also sich selbst ja die-ses Sich-Selbst-Denken dieses Denken des Denkens ist dieIntelligenz selbst ihr Wesen ihr Sein5 bdquoDie Intelligenz schautsich selbst an bloszlig als Intelligenz oder als reine Intelligenz undin dieser Selbstanschauung eben besteht ihr Wesenldquo6 Das Ichist selbst gar nichts weiter als diese Selbstanschauung der In-telligenz ndash das Ich nichts andres als die ihrer selbst bewuszligteVernunft oder Intelligenz Das Ich ist daher7 die absolute Rea-

1 Vgl XII und XIII Vorlesung im vorliegenden Band2 Am Rande Alle Realitaumlt ist taumltig und alles Taumltige ist Realitaumlt

Taumltigkeit ndash deren Begriff identisch ist mit dem Begriff des Sichset-zens ndash ist positive absolute Realitaumlt (66 Wissenschaftslehre) [J GFichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 2 verbAusg Jena ndash Leipzig 1802 Zweiter Teil sect 4 S 66-67]

3 Im Ms folgt gestr Intelligenz4 Am Rande bdquoeuer Denkenldquo sagt Fichte bdquoist ein Handelnldquo [J G

Fichte Versuch einer neuen Darstellung der WissenschaftslehreFortsetzung In Philosophisches Journal Bd VII Heft 1 Jena ndashLeipzig 1797 S 3]

5 Im Ms folgt gestr Denn was ist Intelligenz ohne SelbstbewuszligtseinJa schon diese Frage ist ungeschickt indem ich trennte was iden-tisch ist Intelligenz ist Selbstbewuszligtsein ist Ichheit

6 Vgl J G Fichte Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre InPhilosophisches Journal Bd V Heft 1 Jena - Leipzig 1797S27

7 Im Ms folgt gestr alle Realitaumlt oder

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litaumlt und als diese das Maszlig aller bestimmten beschraumlnktenendlichen Realitaumlt Das Ich ist durch sich selbst bdquoes setzt sichselbstldquo denn wodurch ist es Nur durch das sich selbst Den-ken aber dieses ist ja es selbst sein Wesen es ist also per sedurch sich selbst Es ist ja absolute Selbst-Taumltigkeit ndash Grundseiner selbst Aber da es die absolute Realitaumlt ist so ist alleswas da als seiend gedacht w[ird] nur insofern als es fuumlr dasIch ist Der Begriff des Objekts des Dings ist nur der Begriffeines Verhaumlltnisses Relation 120 es ist nur als Objekt desBewuszligtseins Es ist nicht an sich Ansichsein ist Beziehung aufsich selbst wenn ich die Dinge an sich kennenlernen will sowill ich damit nichts andres sagen als ich will sie nicht kennenwie sie in Beziehung auf mich sondern in Beziehung auf sichsind Aber Beziehung auf sich selbst was ist denn das anderesals Selbst-Bewuszligtsein Ich bin meiner bewuszligt heiszligt nichtsanderes als ich beziehe mich auf mich selbst ich bin im Ver-haumlltnis zu mir selber nicht bloszlig zu anderen Ein Ding an sichist daher ein Widerspruch denn du gibst ihm ein Praumldikatwelches nur dem Geiste zukommt du willst ein Ding das Dingund zugleich nicht Ding sei Das Ding ist nur1 und ist nurdenkbar als Objekt des Bewuszligtseins Das Selbstbewuszligtsein ndashdenn das Bewuszligtsein der Dinge setzt das Selbstbewuszligtseinvoraus ndash ist daher die Quelle und das Maszlig aller Realitaumlt Wasnicht Objekt des Bewuszligtseins ist ist nicht

Die Philosophie ist darum Idealismus ndash denn er macht dieDinge zu Bestimmungen des Bewuszligtseins sie sind ideell nichtreal an sich ndash unterscheidet sich dadurch von dem Dogmatis-mus daszlig dieser bdquovon einem Seinldquo wie F[ichte] sagt bdquoals Ab-solutem ausgeht und s[ein] System sich sonach nie uumlber dasSein erhebt Der Idealismus kennt schlechthin kein Sein alsetwas fuumlr sich bestehendesldquo2

Es scheint nichts natuumlrlicher als von einem Sein an sich odervon dessen Annahme auszugehen Aber erwidert hieraufFichte bdquovermagst Du von einer Realitaumlt zu reden ohne von ihrzu wissen ohne sie wenigstens dunkel an Dein Bewuszligtsein zuhalten und auf dasselbe zu beziehenldquo (Sonnenklarer BerichtS 37)3 Das ist ganz richtig fuumlr ein bewuszligtes Wesen gibt es 1 nur Fehlt in A2 Vgl J G Fichte Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre In

Philosophisches Journal Bd VI 1 Heft Jena 1797 S273 J G Fichte Sonnenklarer Bericht Berlin 1801 S 37

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kein Sein an sich denn was fuumlr es ist das ist eben nur fuumlr esals fuumlr s[ein] Bewuszligtsein seiend denn nur in seinem Bewuszligt-sein hat es das Maszlig dessen was ist oder nicht ist was nichtObjekt s[eines] Bewuszligtseins ist davon weiszlig es nichts dasexistiert nicht fuumlr es das Sein an sich hat daher nur als Objekts[eines] Bewuszligtseins fuumlr es Sein aber ebenso ist es nicht mehrSein1 an sich sondern Sein fuumlr Bewuszligtsein Ein Sein an sich ndashein Sein abgetrennt gedacht vom Bewuszligtsein ndash ist daher eineEinbildung [k]eine Realitaumlt Von einem Sein an sich auszuge-hen heiszligt daher immer von Dingen 1212 denken dem Be-wuszligtsein des Seins an sich aus[zu]gehen ich kann nicht ausge-hen von ihm ohne es zu denken was ist aber Denken [ande-res] als ein Objekt beziehen auf mein Selbstbewuszligtsein Undso draumlngt und treibt uns denn alles auf das Selbstbewuszligtseinzuruumlck Die Philosophie muszlig es zu s[einer] Quelle seinemPrinzipe nehmen Man kann dies so sich auch vorstellen ichkann nicht auszliger mein Bewuszligtsein noch uumlber es hinaus allesfaumlllt innerhalb meines Bewuszligtseins hinein Das Bewuszligtseinerscheint daher so als eine Grenze Schranke Und Kant war esder indem [er] erkannte daszlig alles nur als Objekt unseres Be-wuszligtseins wir denken nicht uumlber uns hinauskoumlnnen diesesNicht-Hinaus-Koumlnnen als Schranke faszligte Aber so ist nicht zuschlieszligen Wir koumlnnen nur deswegen nicht hinaus weil es dasAllumfassende das Absolute das unbedingt Gewisse dasunmittelbar Erste die positive Realitaumlt das Sein selbst dasSein schlechtweg ist wenn wir anders diese dogmatischenBestimmungen auf das Ich das lautere Taumltigkeit Sichselbst-Setzen Sichselbst-Denken ist3 anwenden duumlrfen Die Dingekoumlnnen auch nicht hinaus aus der Substanz sie inhaumlrieren ihraber wer wird dieses Nicht-Hinauskoumlnnen als eine Schrankeder Substanz und nicht vielmehr darin ihre Unendlichkeit ihreRealitaumlt erkennen wollen4 bdquoEs ist urspruumlnglich nur eine Sub-stanz das Ich in dieser einen Substanz sind alle moumlglichenAkzidenzien also alle moumlglichen Realitaumlten gesetztldquo

1 Im Ms folgt gestr fuumlr2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 603 Im Ms folgt gestr unleserl Wort4 wollen koumlnnen Korr im Ms

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(Wiss[enschafts]lehre p 79)1 Wir koumlnnen nicht auszliger dasBewuszligtsein hinaus weil es das Unbeschraumlnkte ist

Aber wie Ist das nicht eine unerhoumlrte Behauptung Es waumlrealso nicht was ich nicht weiszlig Mein Wissen waumlre also dasMaszlig dessen was ist Wie vieles ist was ich nicht weiszlig Vielehaben wirklich F[ichte] so verstanden D[ie] Fichtesche Phi-los[ophie] waumlre so eine Absurditaumlt Aber die Absurditaumlt liegtnicht im Gegenstande sondern in der Auffassung Man kannuumlberhaupt als Regel fuumlr alle vorkommend[en] Faumllle im Lebenes sich merken wo [man] einem Philosophen von einem sol-chen der bereits unbezweifelbare Proben s[eines] philo-soph[ischen] Talents2 gegeben hat eine absurde Behauptungaufbuumlrden houmlrte da kann man sicher sein daszlig die Absurditaumlt inder Auffassung oder Darstellung liegt Einem Denker Abs[ur-ditaumlt] zumuten ist selbst Absurditaumlt Die Einwuumlrfe die manvom Standpunkte der Nicht-Philosophie aus einem Philoso-phen macht die hat er alle schon von jeher gewuszligt und in dem-selben Augenblick gewuszligt wo er den Gedanken dachte gegenden 122 man diese Einwuumlrfe macht um ihn absurd darzustel-len Er hat das volle Bewuszligtsein uumlber alle Einwuumlrfe ja nurmoumlglichen Miszligverstaumlndnisse die s[einen] Gedanken gemachtw[erden] koumlnnen Namentlich zeichnete sich F[ichte] durch dasklare Bewuszligts[ein] durch den durchdringenden Blick in allenur immer moumlglichen E[inwuumlrfe] und Miszligv[erstaumlndnisse] ausdenn den natuumlrlichen Menschenverstand hat der Philosophebenso gut in sich als Mensch wie die andern aber er hat nochein houmlheres Bewuszligtsein und wenn er daher Gedanken faszligt dieden Gemeinplaumltzen widersprechen so hat er seine guten Gruumln-de wenn er der Stimme des gem[einen] Menschenverstandeskein Gehoumlr gibt Es gibt Zeiten wo die Menschheit wirklichallen Sinn und Faumlhigkeit verliert philos[ophische] Ideen zubegreifen So war sie es zur Zeit d[er] Kirchenvaumlter bei denRoumlmern Cicero behauptete sogar bekanntlich es sei nichts soabgeschmackt was nicht einmal von einem Philos[ophen]behauptet w[orden] sei So macht er sich z B uumlber die Be-hauptung des Anaxagoras daszlig der Schnee schwarz sei lustig3

1 J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre a a

O S 792 Talents Kopfe Korr im Ms3 Vgl M T Cicero Academicorum Liber II 23 In M Tullii Cicero-

nis opera philosophica T 3 Halis Saxonum 1806 S 164

169

Aber was hat das wohl fuumlr einen Sinn Die alten Philosophenstimmten mit Cartes[ius] Spi[noza] Leib[niz] Kant Hegelund untereinander selbst etwa mit Ausnahme der Kyrenaikerund Epikuraumler darin uumlberein daszlig die Dinge nur so an sichsind wie sie gedacht w[erden] aber nicht wie sie1 empfundendaszlig sie als Objekte des ΝοῦςGeist Vernunft]als Νοό-μεναIdeen]Wesen als Obj[ekte] des Sinnes nur Φαινόμενα[Phaumlnomene] sind daszlig sie also anders im Wesen als in derErsch[einung] sind Was hat also wohl A[naxagoras] gemeintHat er etwa geleugnet daszlig der Schnee weiszlig scheint oder denAugen weiszlig vorkommt Mitnichten sondern nur daszlig derSchnee wenn er mit Verstand betrachtet wenn danach gefragtw[ird] was er ist an sich oder s[einen] Elementen nach nichtweiszlig ist daszlig die Farbe kein reales mit dem Wesen zus[am-men]haumlngendes Praumldikat ist

So ist es nun auch mit F[ichte] Wer unter dem Ich seinpartikulaumlres2 Ich seine Person versteht der findet mit Recht esabsurd [die Objekte] vom Wissen des Individ[uums] ab-haumlng[ig] zu machen Aber F[ichte] versteht unter Ich die Intel-ligenz selbst das Selbstbewuszligtsein des Geistes der VernunftIch bediene mich statt des Wortes Intelligenz lieber der Benen-nung Ichheit weil diese das Zuruumlckgehen der Taumltigkeit in sichselbst fuumlr jeden der nur der geringsten Aufmerksamkeit faumlhigist am unmittelbarsten bezeichnet Selbst setzt den Begriff vomIch voraus und alles was darin von 1233 Absolutheit gedachtw[ird] ist aus diesem Begriffe entlehnt bdquoIchheit und Indivi-dualitaumlt sind sehr verschiedene Begriffe und die Zus[ammen]-setzung in letzterem laumlszligt sich sehr deutlich bemerken Durchden ersteren setzen wir uns allem was auszliger uns ist nicht bloszligPersonen auszliger uns entgegen und wir befassen unter ihm nichtnur unsre bestimmte Persoumlnlichkeit sondern unsre Geistigkeituumlberhauptldquo4 bdquoIn der Wissenschaftslehre ist die Vernunft daseinige an sich und die Individualitaumlt nur akzidentell die Ver-nunft Zweck und die Persoumlnlichkeit Mittel die letztere nur einebesondere Weise die Vernunft auszudruumlcken die sich immermehr in der allgemeinen Form derselben verlieren muszlig Nurdie Vernunft ist ihr ewig die Individualitaumlt aber muszlig unauf- 1 Im Ms folgt gestr erschei[nen]2 partikulaumlres Im Ms nicht hervorgehoben3 Am Rande r o Verweis auf XVI Vorlesung und Paginierung S 614 J G Fichte Zweite Einleitung a a O S 21

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houmlrlich absterben Wer nicht in diese Ordnung der Dingezufoumlrderst s[einen] Willen fuumlgen w[ird] der w[ird] auch nieden wahren Verstand der Wissenschaftslehre erhaltenldquo1

Das Ich des F[ichte] ist also das Ich absolut gedacht diereine Intelligenz kein persoumlnliches kein bestimmtes Ich Unddieses Ich in der Identitaumlt mit der Intelligenz ist reine Taumltigkeituneingeschraumlnkte Taumltigkeit lauteres Durchsichselbstsein An-schauung seiner selbst Subjekt-Objekt Fuumlr dieses absolute Ichnun existiert kein Objekt kein Ding denn dann waumlre es jabeschraumlnkt bestimmt Wenn ich an etwas denke so ist ja meinean sich unbeschraumlnkte und unbestimmte Taumltigkeit sistiert fi-xiert d h bestimmt Aber das Ich beschraumlnkt sich selbst oderrichtiger zunaumlchst bestimmt sich selbst Als solches bestimm-tes Ich setzt es sich ein Nicht-Ich gegenuumlber und entgegen esteilt seine Realitaumlt in seine und die des Nicht-Ich So entstehtalso das Ding das Objekt Die Objekte sind BestimmungenBeschraumlnkungen des Ichs die es aber sich selbst setzt es sindfreiwillige Schranken2 Hier entsteht daher auch erst der Begriffdes Etwas Das Nicht-Ich ist Etwas und das dem Nicht-Ichentgegengesetzte Ich ist Etwas Aber nicht das absolute Ichdas hat keine Praumldikate Beide bestimmen sich Der Grundsatzder theoret[ischen] W[issenschaftslehre] ist Das Ich setzt sichselbst als beschraumlnkt durch das Nicht-Ich Der Hauptsatz allerpraktischen 124 Wiss[enschaftslehre] [ist] bdquoDas Ich setzt sichals bestimmend das Nicht-Ichldquo3 Auf diesem Standpunkt desIch entsteht auch der Begriff des Du die Wissenschaftslehreverfaumlhrt the[ore]tisch Gegensaumltze setzend synthetisch Gegen-saumltze verknuumlpfend bdquoDer Begriff des Du entsteht durch Verei-nigung des Es und des Ichldquo4 bdquoDas Es bedeutet naumlmlich diebloszlige Objektivitaumlt Das Du ist ja nichts andres als5 das Ich alsObjekt gedacht Ein solches Ich ist das Individuum Fuumlr das Ichals Individuum hat nun das was an sich nur Produkt des abso-

1 Ebenda S 222 Am Rande Das Ich ist nur taumltig es ist bloszlig Ich inwiefern es taumltig

ist und inwiefern es nicht taumltig ist ist es Nicht-Ichldquo (S 73) Hierheiszligt es auch kein Subjekt kein Objekt kein Objekt kein Subj[ekt](ibid p 137) [Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissen-schaftslehre a a O S 73 und S 137]

3 Ebenda S 2314 J G Fichte Zweite Einleitung a a O S 175 Im Ms folgt gestr Objekt

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luten Ich ist von ihm nur gesetzt ist unmittelbare Realitaumlt esist schlechtweg In dieser Sphaumlre also sind die Dinge Realitauml-ten Was fuumlr das Ich die reine Intelligenz ein AufgehobnesIdeelles was fuumlr sie nur Affektion ist ist hier fuumlr es SubstanzSein Dieser Standpunkt ist nun uumlberhaupt der Standpunkt desLebensldquo1 Das Leben ist2 nichts andres als das unmittelbareBewuszligtsein der Objekte als gegebner ein Versenken in dasObjekt bdquoAlle Realitaumltldquo sagt F[ichte] bdquoentsteht uns durch dasEinsenken und3 Vergessen unsers Selbst in gewissen Bestim-mungen unseres Lebens und dieses Vergessen unsers Selbstuumlberhaupt ist es was den Bestimmungen in denen wir unsvergessen den Charakter der Realitaumlt und uns uumlberhaupt einLeben gaumlbeldquo (Sonnenklarer Bericht p 38)4 bdquoIch denke garnicht an mich ich vergesse mich selbst durchaus im Gegen-standeldquo (p 23)5 bdquoDarum sagt man auch ich sei darin begriffenund vertieftldquo6 bdquoRealitaumlt gibt daher nur das Leben die Erfah-rung nicht das Denken Das Leben kann man nur durch dasLeben selbst keineswegs durch Spekulieren kennenlernenldquo (p9 ibid)7 bdquoDer Mensch kommt zu allem wozu er kommt nurdurch die Erfahrung durch das Leben selbstldquo (p 12 ibid)8Leben und Spekulation setzt daher F[ichte] aufs schaumlrfste ein-ander entgegen bdquoLeben und [d]i[e] Speku[lation] s[ind] nurdurcheinander bestimmbar Leben ist ganz eigentl[ich] Nicht-philosophieren philosophieren ist ganz eigentlich Nichtle-benldquo9 bdquoWorin man befangen ist was man selbst ist das kannman nicht erkennen Man muszlig aus ihm herausgehen auszligerhalbdesselben sich versetzen Dieses Herausgehen aus demwirkl[ichen] Leben dieser Standpunkt auszligerhalb desselben istd[ie] Spekulationldquo10 Die Philos[ophie] bringt nichts hervor 1 Im Ms folgt gestr Hieraus kann man nun einsehen die Laumlcherlich-

keit der Auffassung von F[ichte] wie sie gewoumlhnlich im Lebenvorkommt

2 Im Ms folgt ist3 Im Ms folgt und4 J G Fichte Sonnenklarer Bericht a a O S 385 Ebenda S 236 Ebenda S 237 Vgl ebenda S 98 Vgl ebenda S 129 I H Fichte Johann Gottlieb Fichtersquos Leben und litterarischer

Briefwechsel 2 Bd Sulzbach 1831 S 19110 Ebenda S 190

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erschafft nichts sie ist nur Nach-Konstruktion Nachbilden desurspruumlngl[ichen] Bewuszligts[eins] sie ist nur das Bewuszligtsein desBewuszligtseins sie leitet nur aus dem absoluten Prinzip des Be-wuszligts[eins] dem Ich ab was im Bewuszligtsein ist sie ist nurWissen des Wissens sie hat 1251 nicht unmittelbar realeObjekte zu ihrem Gegenstande sondern nur das Wissen vonden Objekten die Philos[ophie] ist darum Wissenschafts-Lehrenicht Weltweisheit bdquoSie konstruiert d[as] gesamte gemeinsame[Bewuszligtsein] aller vernuumlnft[igen] Wesen schlechthin a prioris[einen] Grundzuumlg[en] nach ebenso wie die Geometrie dieallgemeinen Begrenzungsweis[en] des Raums durch alle ver-nuumlnftig[en] Wesen schlechthin a priori konstruiert Sie hebt anvon der einfachsten und durchaus charakteristisch[en] Bestim-mung des Selbstbewuszligtseins der Anschauung oder Ichheit undgeht in der Voraussetzung daszlig d[as] vollstaumlndig bestimmteSelbstbew[uszligtsein] letztes Resultat aller andern Bestim-mung[en] des Bewuszligts[eins] sei fort bis dieses abgeleitet istldquo(p 127 Sonn[en]kl[arer] B[ericht])2 Durch freie Abstraktionbdquomuszlig jedoch erzeugt w[erden] d[as] Ich d[as] nicht im gemei-nen Bewuszligts[ein] gefunden w[ird] d[as] Ich des wirkl[ichen]Bewuszligts[eins] ist eine Person unter mehreren Personenldquo3 Die-ses Bewuszligtsein der Persoumlnlichkeit leitet d[ie] Wiss[enschafts-lehre] ab bdquoGanz etwas andres ist d[as] Ich von dem sie aus-geht es ist durchaus nichts weiter als die Identitaumlt des Bewuszligt-seienden und Bewuszligten und zu dieser Absonderung muszlig mansich erst durch Abstraktion von allem uumlbrigen in der Persoumln-lichkeit erhebenldquo4

Aus dem Bisherigen erhellt zur Genuumlge wie sinnlos5 dieje-nig[en] F[ichte] auffassen die die Saumltze die Dinge s[ind] le-diglich im Ich gesetzt sie sind Produkte des absoluten Ichs soverstehen als waumlren die Dinge nicht wenn ich sie nicht daumlchte 1 Am Rande r o Verweis auf XVI Vorlesung und Paginierung S 622 J G Fichte Sonnenklarer Bericht a a O S 1273 Vgl ebenda S 1344 Ebenda S 134-135 ndash Am Rande Unser System will nicht d[as]

gemeine und allein reelle Denken erweitern sondern es will dassel-be lediglich erschoumlpfend umfassen und darstellenldquo (an J[acobi])Unser philos[ophisches] Denken bedeutet nichts und hat nicht denmindesten Gehalt nur das in diesem Denken gedachte Denken be-deutet und hat Gehaltldquo [Vgl I H Fichte Johann Gottlieb FichtersquosLeben a a O S 188]

5 sinnlos absurd Korr im Ms

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als braumlchte ich wirklich jetzt in diesem Zeitmomente wo ichdenke diese Dinge hervor als stellte ich Tische und Baumlnke mitdem bloszligen Gedanken her Das Denken das sich [auf] Objektebezieht ist ein schlechthin bestimmtes und beschraumlnktes Den-ken ein unmittelbares Bewuszligtsein eine absolut bestimmteunfreie Anschauung ein Gegenstand entsteht ja uumlberhaupt nurdadurch daszlig das Ich s[eine] Unbeschraumlnktheit aufgibt sicheine Schranke s[einer] freien Taumltigkeit setzt es ist daher eineunbedingte Notwendigkeit daszlig ich die Dinge so und so und indiesem Zus[ammen]hange anschaue die Anschauung des Ob-jekts ist ja die Aufhebung schon die Negation des Denkensgedacht als unbestimmt und eingeschraumlnkt 126 des Denkenswie es eins ist mit dem sich selbst setzenden Ich Das Ich lei-det indem es das Objekt denkt oder in dem Bewuszligtsein seinerobjektiven Welt ist das Ich in dem Zustande des Leidens ge-bunden affiziert Wie abgeschmackt ist es daher dem Denkendie Freiheit und die Kraft des Schaffens und Hervorbringensder Objekte beizumessen Dem Denken wie es in der Wissen-schaftslehre und wie es vom Philosophen exerziert w[ird] demDenken wie es nicht d[as] Denken der Objekte sondern nurdas Denken des Denkens der Gegenstaumlnde nur das Be-wuszligts[ein] oder die Reflex[ion] uumlber das Bewuszligtsein d[er]Dinge [ist] so daszlig es Fichte wenn der Philos[oph] da auf demKatheder also diese Stube nicht daumlchte so wuumlrde sie ver-schwinden Eben dieses wenn und wenn nicht diese Moumlglich-keit des Einen oder Andern1 ist in dieser Sphaumlre ganz aufgeho-ben Es ist die Sphaumlre der Notwendigkeit oder AbhaumlngigkeitIch bin hier bestimmtes Ich in einem gesetzmaumlszligigen Zus[am-men]hang und das bestimmte Ich hat nur Realitaumlt durch einbestimmtes Objekt die Realitaumlt des bestimmten Ich und dieRealitaumlt des bestimmten Objekts ist identisch so daszlig die Ab-leitung der Realitaumlt der Dinge eins ist mit der Ableitung derRealitaumlt der Schranke der Bestimmtheit der Grenze d i alsodes bestimmten Ichs aus dem reinen Iche Man verwechseltalso hier wesentlich-verschiedene Sphaumlren

Die Fichtesche Philosophie hat dadurch daszlig sie nur dieSelbsttaumltigkeit in ihrer houmlchsten Potenz als Intelligenz alsSelbstbewuszligts[ein] als einzige Realitaumlt als die wahre Realitaumltmit unbeschraumlnkter Kraft ausspricht einen hohen geistigen undsittlichen Charakter bdquoDie Wissenschaftslehre gibt dem Geiste 1 Einen oder Andern Nicht-Denkens Korr im Ms

174

nicht nur Aufmerksamkeit Gewandtheit Festigkeit sondernzugleich absolute Selbststaumlndigkeit indem sie ihn noumltigt mitsich selbst allein zu sein und in sich selbst zu wohnen und zuwaltenldquo (p 190 Sonnenkl[arer] Bericht)1 bdquoDurch die Wissen-schaftslehre kommt der Geist des Menschen zu sich selbst undruht von nun an auf sich selber ohne fremde Hilfe und wirdseiner durchaus maumlchtigldquo (p 192)2 Eben indem die FichteschePhil[osophie] das Selbstbewuszligtsein auf diese aumluszligerste Spitzetreibt und in dieser Schaumlrfe zum Prinzip erhebt fordert sieunmittelbar den Menschen dazu auf alle Kraumlfte in sich aufzu-raffen sich zu sammeln zu konzentrieren bei sich selbst zusein

1273 Ihr oberstes Prinz[ip] das spekulative Prinzip enthaumlltunmittelbar das absolute Gebot an den Menschen Sei wach-sam werde Deiner selbst bewuszligt Ein seiner selbst bewuszligterMensch ist aber zugleich ein freier wahrhafter im houmlchstenSinne sittlicher Mensch denn ein selbstbewuszligter M[ensch] istzugleich unmittelbar ein der hohen Idee der Realitaumlt des Gei-stes4 der Realitaumlt [der] Wahrheit selbst sich bewuszligter Mensch5

denn der Geist ist die Wahrheit des Lebens Und so war Fichteein durchaus seiner selbst bewuszligter wahrhafter freier reinidealer im gemeinsten und houmlchsten Sinne sittlicher MenschDenn was ist sittlich im houmlchsten Sinne Rein um der Wahrheitwillen nicht um seiner selbst willen leben Wahrhaftigkeit istdie houmlchste ja einzige Tugend6 ndash sie ist die Einheit der Er-kenntnis7 und der Handlung der Person und der Idee sie ist8

die unbedingte Bejahung einer houmlchsten einer absoluten IdeeDie Philos[ophie] F[ichte]s ging daher aus s[einem] Charakterhervor oder umgekehrt aber deswegen hat sie keinen subjekti-ven Char[akter] Ein im wahren Sinne groszliger Mensch ist einallgemeiner Mensch Ja die Idee selbst die dem Fichte zugrun-de liegt ist nichts andres als die Idee der Sittlichkeit in ihrer 1 Vgl J G Fichte Sonnenklarer Bericht a a O S 1902 Ebenda S 1923 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 634 Realitaumlt des Geistes Menschheit Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr

ein5 Im Ms am Rande gestr denn wo ist die Wahrheit wenn sie im

Innersten des Mensch[en] nicht existiert6 Im Ms folgt gestr zu sein was man denkt7 Im Ms folgt gestr der Idee8 sie ist oder Korr im Ms

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Absolutheit in ihrem houmlchsten Prinzip wo sie eins mit der1

Intelligenz ist gedacht Selbststaumlndigkeit und Sittlichk[eit]s[ind] identische Begriffe Ein von2 zufaumllligen Neigungen vonInteressen und Ruumlcksichten von den Auszligendingen bestimmterund abhaumlngiger M[ensch] ist ein unsittlicher nur ein auf sichselbst bestehender und beruhender M[ensch] nur ein Menschder durch sich selbst ist was er ist der sich selbst durchbildetin rastloser Taumltigkeit sich selbst schafft unbekuumlmmert um Loboder Tadel Nutzen oder Schaden nur ein freier M[ensch] istein sittlicher Und ein solcher Mann war Fichte Seine Wirkun-gen als Lehrer sind unberechenbar Er war ein3 Lehrer derdeutschen Nation Die hohe Kraft die die preuszligische Nationwaumlhr[end] des Freiheitskampfes entwickelte hat F[ichte] mitangefacht Die Wirkungen des Geistes fallen nicht so in dieAugen sie sind unberechenbar unbestimmbar deswegen nichtweniger wirksam Fichtes Reden an d[ie] deutsche Nations[ind] bekannt Er hielt furchtlos in Berlin durch []4 Ebendaher kam auch der Mangel Fichtes in Betreff s[einer] Weltan-schauung Die Welt ist ihm lediglich Objekt5 nur in ihrer6 Be-ziehung auf die Moralitaumlt das Nicht-Ich ist nur dazu da dasIch setzt sich nur darum einen Gegensatz um darin seinerselbst bewuszligt zu w[erden] um daran ein Medium zu habenseine Kraft zu exerzieren bdquoMeine Bestimmung istldquo sagtF[ichte] in der Bestimmung des M[enschen] bdquondash sittlich zuhandelnldquo7 bdquoMeine Welt ist ndash Objekt 128 und Sphaumlre meinerPflichten und absolut nichts anderes (p 210)8 bdquoDer Glaube andie Realitaumlt der Sinnenwelt entsteht nur aus [einem] Begriffevon einer moralischen Weltldquo (p 211)9 Die Freiheit bedarf 1 Im Ms folgt gestr Sittlichkeit2 Im Ms folgt gestr Auszligen ndash Im Ms folgt von3 ein unleserl Korr im Ms4 Er hielt durch[] Er hielt sie [] in Berlin A5 Im Ms folgt gestr als6 ihrer [so auch A] s[einer] Ms7 Vgl J G Fichte Die Bestimmung des Menschen Berlin 1800 S

210 ndash Am Rande bdquoNicht bloszliges Wissen sondern nach deinemWissen Tun ist deine Bestimmungldquo (p 182) [Ebenda S 182]bdquozum Handeln bist du da dein Handeln und allein dein Handelnbestimmt deinen Wertldquo [Ebenda S 183]

8 Ebenda S 2109 Vgl ebenda S 211 ndash Am Rande Drei Emanationen aus dem Jupi-

terskopfe der kritischen Vernunft Der Idealismus ndash die rein ethi-

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einer Sphaumlre zum Handeln bdquodiese Sphaumlre ist die wirklich undin der Tat vorhandene Welt so wie wir sie antreffenldquo (p 214)1bdquoDie praktische Vernunft ist die Wurzel aller Vernunft DieHandelsgesetze fuumlr vernuumlnftige Wesen s[ind] unmittelbar ge-wiszlig ihre Welt ist gewiszlig nur dadurch daszlig jene gewiszlig sindldquo2

bdquoDer Glaube an die Realitaumlt anderer mir gleicher Wesen wur-zelt3 im Gewissen das mir Pflichten gegen sie vorschreibt sohaumlngt an der prakt[ischen] Vernunft alle Realitaumltldquo4 Der BegriffGottes hat eben darum von diesem Standpunkt aus eine morali-sche Bedeutung In dem gemeinschaft[lich] mit Niethammerherausgegebnen philos[ophischen] Journal v[om] Jahre 1798lieferte F[ichte] eine Abhandl[ung] uumlber den Grund unsresGlaubens an eine moralische Weltordnung5 Diese zog ihm diefoumlrmliche Anklage als6 eines Atheisten zu bei d[em]saumlchs[ischen] Konsistorium F[ichte] stellt darin den Satz aufGott sei die Ordnung der Welt7 d h die lebendige ordnendewirkende Ordnung ordo ordinans Dies hat diesen Sinn DerMensch handelt d h er setzt sich seinen Zweck er will ihnrealisieren Dieser Zweck ist die Idee des Guten denn es han-delt sich ja nur um8 moral[ische] Handlung Die Handlung setztaber voraus den Glauben an das Gelingen des Zwecks an dieRealisierbarkeit Dieser Glauben aber setzt selbst wieder vor-aus den Glauben an eine Ordnung ein Gesetz eine Macht dieda bewirkt und bestimmt daszlig das Gute wirklich gelinge daszligdie Hindernisse die ihm entgegentreten verschwinden miteinem Worte der Glaube an Gott ist der Glaube an die Machtund Realitaumlt des Guten Die Praumldikate Sein Substanz koumlnnennach F[ichte] nicht von Gott angewendet w[erden] Nur Taumltig-keit ist Sein nach F[ichte] Sein im Sinne des Dogmatismus

sche Fichte ndash die aumlsthetische ndash Schelling ndash die metaphysische ndashuniversal geistige ndash die Hegel[sche Philosophie]

1 J G Fichte Die Bestimmung des Menschen a a O S 2142 Ebenda S 2153 Im Ms folgt gestr auf4 Zitat nicht nachgewiesen5 J G Fichte Uumlber den Grund unsers Glaubens an eine goumlttliche

Weltregierung In Philosophisches Journal Bd VIII Heft 1 Je-na ndash Leipzig 1798 S 1-20

6 als Fehlt in A7 Vgl J G Fichte Uumlber den Grund unsers Glaubens an eine goumlttli-

che Weltregierung a a O S 8-188 um von Ms A

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druumlckt nun bei F[ichte] einen fixen Zustand eine Schranke ausebenso Substanz Gott als Substanz denken heiszligt ihn endlichmachen er waumlre ein Ding Der Geist ist nicht Etwas Nur dieBarbarei konnte F[ichte] daher einen solchen Vorwurf machenDenn abgesehen davon daszlig unter Ordnung kein Abstraktumsondern die 1291 ordo ordinans zu verstehen war was istdenn das absolute Ich das lautere Taumltigkeit nur durch und aussich ist unabhaumlng[ig] das oberste Prinzip aller Dinge undPersonen ist2 In Wahrheit gedacht nichts andres als Gott Aufden Namen kommt es nicht an sondern auf den Begriff3 dieBestimmung den Inhalt darauf daszlig ich mit dem was ich alsErstes und Houmlchstes setze ob ich es nun Gott nenne oder nichtauch wirklich goumlttliche Begriffe und Bestimmungen verknuumlpfe

Noch haben wir eines Denkers zu erwaumlhnen der mit Kantund Fichte ein gemeinschaftl[iches] Prinzip der Philosophiehatte Es ist Friedr[ich] H[einrich] Jacobi4 Viele haben F[ichte]und Jacobi nur im Gegensatz gefaszligt Aber das ist falsch Da-durch unterscheidet er sich nur von Fichte daszlig5 das Ich6 nur alsPerson ihm Gegenstand und Prinzip ist daszlig er die Spekulationdaher ausschloszlig und verabscheute nur in dem7 mit der Personidentisch[en] Wissen in der8 unmittelbaren Uumlberzeug[ung] indem Gefuumlhle die Quelle der Realitaumlt den Born des wahrengoumlttlichen Lebens9 fand Der Standpunkt des Individuums derwo unmittelbar mit dem Ich ein Du ein Objekt gesetzt ist denF[ichte] aber ableitet aus dem houmlhern Standpunkt der Spekula-tion ist ihm der alleinige der primitive Standpunkt Dies istdie Wurzel ihrer Differenz wie ihrer Identitaumlt F[ichte] warfreier stand unendlich houmlher F[ichte] konnte daher auch denStandpunkt Jacobis anerkennen aber nicht J[acobi] den Stand-punkt F[ichte]s Dieser war fuumlr ihn weil s[einem] persoumlnlichenWesen widersprechend ein rein negativer F[ichte] schreibtselbst an J[acobi] [in einem Brief] vom J[ahre] 1795 bdquoich bin

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 642 Im Ms folgt gestr Was3 Im Ms folgt gestr auf4 Im Ms folgt gestr Am5 Im Ms folgt gestr er6 Im Ms folgt gestr nicht7 in dem an das Korr im Ms8 in der an die Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr faszligt

178

erstaunt uumlber die auffallende Gleichfoumlrmigkeit unsrer philo-soph[ischen] Uumlberzeug[ungen]ldquo1 Vom Jahre 1796 bdquoWir stim-men ganz uumlberein Auch Sie suchen alle Wahrheit 130 wo ichsie suche im innersten Heiligtum unsres eignen Wesens Nurfoumlrdern Sie den Geist als Geist so sehr die menschl[iche] Spra-che es erlaubt zutage ich habe die Aufgabe ihn in der Formdes Systems aufzufassenldquo2

1 I H Fichte Johann Gottlieb Fichtersquos Leben a a O S 1802 Vgl ebenda S 184

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XVII Vorles[ung]1 [Schelling]2

Die Fichtesche Philosophie hatte kaum einige Jahre bestan-den als sich inmitten ihrer selbst im Innern derselben derGeist eine Richtung nahm die zunaumlchst als eine ihr rein entge-gengesetzte erscheint die Richtung auf das Objekt indem sielediglich in der Richtung auf den selbstbewuszligten Geist denman auch die Subjektivitaumlt nennt begriffen war Man kann dieFichtesche Philos[ophie] aber deswegen nicht eine einseitigenennen Einseitigkeit ist nur mit Beschraumlnktheit verbundenAber der Geist ist nichts Einseitiges Er ist unendlich mankann ihn nicht bejahen ohne die Dinge zu verneinen Um sichzu erfassen muszlig er sich nur auf sich konzentrieren In dieserKonzentration auf sich muszligte ihm die Realitaumlt des Objektsverschwinden Die Philos[ophien] haben uumlberh[aupt] nichteinseitige Gedanken zu ihren Prinzipien sondern unendlicheIdeen die Totalitaumlt sind die darum mit Ausschluszlig oder mit derVerneinung der entgegenstehenden Idee allein fuumlr sich alsPrinzipien ausgesprochen w[erden] koumlnnen

Indem nun aber das Objekt fixiert w[urde] oder der Geist dieRichtung auf das Objekt nahm muszlig d[as] Objekt selbst eineandere Bedeutung erhalten denn eben schon die Richtung aufes ging ja aus einem besonderen Interesse an ihm hervorF[ichte] bezog das Objekt nur auf das Ich Es ist nur fuumlr einIch nicht fuumlr sich Allein indem ich das Objekt zum Gegen-stande mache so beziehe ich 1313 indem ich dasselbe aufmein Ich beziehe zugleich das Objekt auf sich selbst oder dieBeziehung des Gegenstandes auf mein Bewuszligtsein ist umge-kehrt zugleich die Beziehung meines Bewuszligtseins auf denGegenstand Das Fuumlrunssein des Gegenstandes ist keineswegsdie Negation seines Ansich- und Fuumlrsichseins er ist wesentlichObjekt des Bewuszligtseins aber dessen ungeachtet an sich selberreal denn kann ich einen Gegenstand auf mein Bewuszligts[ein]beziehen ihn gleichsam subjektiv machen ohne mein Be-wuszligts[ein] auf ihn zu beziehen mein Bewuszligts[ein] objektiv zumachen ohne ihm also wieder zuruumlckzugeben was ich schein-bar genommen habe dadurch daszlig ich ihn versubjektiviereKurz mein Bewuszligtsein des Gegenstandes ist die Zuruumlckbezie- 1 Am Rande l Verweis auf XVII Vorlesung2 So auch A3 Am Rande r o Verweis auf XVII Vorlesung

180

hung des Gegenstandes auf sich selbst Ein Beispiel Das reineWasser ist farblos und geschmacklos Farbe und Geschmacksind Affektionen meines Bewuszligtseins zuvoumlrderst meinesGaumens meiner Sehnerven Beziehungen Relationen aufmich sind die Beschaffenheiten sie sind Praumldikate die ich demObjekt beilege weil es1 mich so und so affiziert Allein in die-sen Beziehungen auf mich bezieht sich der Gegenstand aufsich er unterscheidet sich dadurch von andern ich mache dieseWeisen wie mich d[er] Gegenstand affiziert zu EigenschaftenPraumldikaten eines Subjekts Das Ding ist nicht nur so fuumlr michsondern es ist so fuumlr mich weil an sich dieses So unabhaumlngigvon mir im Dinge liegt Wir unterscheiden die Dinge durch2 dieBeschaffenheiten die wir vermittelst der Sinne an ihnen wahr-nehmen es sind insofern subjektive Bestimmungen Eindruumlckedurch die wir sie unterscheiden aber warum3 [macht] ein Ge-genstand nur diese bestimmten Eindruumlcke auf uns und keineandern Sie liegen also im Objekte an sich selber sie sindFaksimile die Zuumlge ihres Namens die sie mit eigner Handniederschreiben 132 sie sind Selbst-Bejahungen und -Bekraumlf-tigungen der Objekte Das Objekt stellt sich mir indem ich esmit meinem Geiste fixiere als kein totes Auge dar sondern alsein Auge aus dem eine Seele mir entgegenspricht Meine Be-hauptungen von dem Gegenstande ndash selbst die sinnlichen Be-schaffenheiten sind ja Behauptungen wie wenn ich den suumlszligenGeschmack behaupte vom Zucker ndash sind Behauptungen dieich in seinem eignen Namen tue die er selbst bekraumlftigt unter-zeichnet ich spreche sie nur aus weil er stumm ist aber ichspreche nur aus was ihm selbst im Sinne liegt was seine An-gelegenheit ist ich behaupte nur vom Gegenstande was4 ervon sich selbst behauptet Das Empfinden das Denken miteinem Worte das Bewuszligtsein des Objekts des Realen desSeins ist nichts anderes als die Behauptung BekraumlftigungAffirmation die Bejahung des Objekts ndash das Fuumlrunssein desObjekts ist zugleich sein Fuumlrsichsein ndash das Bewuszligtsein desGegenstandes eigentlich nichts anderes als das Sichselbst Ob-jekt5 sein des Gegenstandes So entsteht uns also aus dem

1 es [so auch A] er Ms2 Im Ms folgt gestr unsere Sinn3 Im Ms folgt auch Fehlt in A4 was was A5 -Objekt -gegen Korr im Ms

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Fichte die Lehre von der Einheit des Denkens und Seins des1

Subjektiven und Objektiven des Idealen und Realen des Dingsfuumlr uns und des Dings an sich die Lehre die Schelling aus-sprach Das Denken ist nur das Sagen dessen was der Gegen-stand selbst ist in sich hat aber nicht sagen kann es benenntnur das Objekt

Die Schellingsche Philos[ophie] ergab sich aus der Fichte-schen mit leichter Muumlhe koumlnnte man sagen Das Objekt vondem wir eben sprachen ist naumlher die Natur Das Objekt ist nurProdukt des Geistes der Intelligenz des Ichs Es ist nichts alsdas verobjektivierte Ich die Natur ist nichts als die sinnlicheAnschauung des Geistes von sich selbst wie das Bewuszligtseins[eine] intellektuelle Anschauung von sich ist bdquoDie 1332

Dinge erscheinen Dir nicht durch einen Repraumlsentantenldquo sagtFichte bdquodes Dings das da ist und sein kann wirst Du Dir un-mittelbar bewuszligt und es gibt kein anderes Ding als das des-sen Du Dir bewuszligt bist Du selbst bist dieses Ding Du selbstbist durch den innersten Grund Deines Wesens Deine End-lichkeit vor Dir selbst hingestellt und aus Dir selbst herausge-worfen und alles was Du auszliger Dir erblickst bist immer Duselbst Man hat dieses Bewuszligtsein sehr passend Anschauunggenannt In allem Bewuszligtsein schaue ich mich selbst an dennich bin Ich Fuumlr das Subjektive das Bewuszligtseiende3 ist esAnschauung Und das Objektive das Angeschaute und Be-wuszligte bin4 abermals ich selbst dasselbe Ich welches auch dasanschauende ist ndash nur eben objektiv vorschwebend dem Sub-jektiven In dieser Ruumlcksicht ist dieses Bewuszligtsein ein taumltigesHinschauen dessen was ich anschaue ein Herausschauen mei-ner selbst aus mir selbst Heraustragen meiner selbst durchd[ie] einzige5 Weise des Handelns die mir zukommt durchd[as] Schauen Ich bin ein lebendiges Sehen Darum ist auchdieses Ding dem Auge Deines Geistes durchaus durchsichtigweil es Dein Geist selbst istldquo (p 137 Bestimmung des Men-schen 1800)6 Ich erblicke also im Objekte nur1 Intelligenz es

1 des von Korr im Ms2 Am Rande r o Verweis auf XVII Vorlesung3 Bewuszligtseiende Bewuszligtseiende A4 Im Ms folgt gestr ich5 einzige [so auch A] einige Ms6 J G Fichte Die Bestimmung des Menschen Berlin 1800 S 136-

137

182

ist nichts als der entaumluszligerte Geist es ist also selbst Geist Esdarf also nur das Angeschaute fuumlr sich selbst als real gefaszligtw[erden] so haben wir die Schellingsche NaturphilosophiebdquoDie Natur ist nur der sichtbare Organismus unsres Verstan-desldquo (p 32 Einleitung zu einem Entwurf3 eines Systems derNaturphilosophie 1799)4 Wenn die Natur aus der Intelligenzentsprungen ist so muszlig ich ja auch von der Natur aus auf dieIntelligenz zuruumlckkommen Versuchen wir also einmal denumgekehrten Weg 134 des Idealismus fangen wir von derNatur an und steigen von ihr zum Geiste auf Fangen wir abervon ihr an so ist die Natur unmittelbar vorausgesetzt als das5

Reale aber sie ist zugleich das Ideal-Reale kein Reales ohneIntelligenz So ungefaumlhr muumlssen wir die Entstehung des Schel-lingschen Systems uns denken Schelling ist nichts als der aussich hinausgeworfne der vor sich selbst hinausgeschaute und -gestellte Fichte Es darf nur das was F[ichte] als negativ setzteals positiv gesetzt w[erden] so haben wir Schell[ing] DieUnrealitaumlt der Natur besteht bei F[ichte] darin daszlig die Naturnichts ist als die Anschauung der Intelligenz bei Schell[ing]aber gerade darin ihre Realitaumlt Denken wir uns das Verhaumlltnisdes Geistes zur Natur unter dem Verhaumlltnis zweier Personenzueinander Die eine6 sagt zu einer andern Person Du bist meinAlter Ego mein rdquoAλλος Ἐγώ mein anderes Ich ich erblickenichts in Dir als mich selbst Du bist ein Ausfluszlig meinerselbst ein Abglanz meines Geistes Du bist nichts fuumlr Dich

1 Im Ms folgt gestr in meinem Leibe meine2 3 8 Korr im Ms3 Im Ms folgt eines Natur4 Vgl F W J Schelling Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems

der Naturphilosophie Oder Ueber den Begriff der speculativenPhysik und die innere Organisation eines Systems dieser Wissen-schaft Jena ndash Leipzig 1799 S 3 ndash Am Rande bdquoWenn nach Prinzi-pien der transzendent[alen] derselben [Philosophie] alles was istKonstruktion des Geistes ist so ist das [Im Ms folgt gestr Selbst]Sein selbst nichts andres als d[as] Konstruieren selbst oder da Kon-struktion nur uumlberh[aupt] als Taumltigkeit vorstellbar ist d[ie] houmlchstekonstruierende Taumltigkeitldquo (p 4 Entwurf eines Systems d[er] Natur-phil[osophie]) [Vgl F W J Schelling Erster Entwurf eines Sy-stems der Naturphilosophie Zum Behuf seiner Vorlesungen Jena ndashLeipzig 1799 S 4]

5 das Im Ms irrtuumlmlich gestr6 die eine der Eine Korr im Ms

183

nichts besonderes Du bist mein Ego selbst so spricht F[ichte]zur Natur Aber erstaunt uumlber die frappante Aumlhnlichkeit ruftdagegen Schell[ing] aus1 Du hast recht2 aber warum hebst Dunur das3 Ego nicht das Alter hervor Sie ist Dein Ego aberDein anderes und darum fuumlr sich reales von Dir unterschiede-nes Ich Sie ist Wesen von Deinem Wesen aber deswegennicht ein nicht reales Wesen Schelling trat4 daher keineswegsin ein negatives Verhaumlltnis zu F[ichte] er lieszlig den Idealismusals das Wahre bestehen er5 wollte nur den umgekehrten Wegeinschlagen und geltend machen Lange hielt man daher auchbeide fuumlr identisch so daszlig Hegel erst den Leuten die Augenoumlffnen muszligte durch s[eine] Schrift uumlber die Differenz zwischender Schellingschen und Fichteschen Philosophie6 Schell[ing]7

schrieb selbst uumlber das Ich eine Schrift Und s[ein] System destranszend[entalen] Idealismus vom Jahre 135 1800 beruhtungeachtet des entgegengesetzten Weges ganz noch auf denPrinzipien des Idealismus bdquoDie notwendige Tendenz allerNaturwissenschaft ist (p 3)8 von der Natur aufs Intelligente zukommen Die houmlchste Vervollkommnung der Naturwissen-schaft waumlre die vollkommene Vergeistig[ung] aller Naturgeset-ze zu Gesetzen des Anschauens und des Denkensldquo9 bdquoDas Ob-jektive zum ersten zu machen und das Subjektive daraus abzu-leiten ist Aufgabe der Naturphilosophieldquo (p 6)10 bdquoDie Tran-szend[ental]philos[ophie] hat die entgegengesetzte Richtung

1 Im Ms folgt gestr Nein2 Im Ms folgt gestr sie ist der Alter Ego3 Im Ms folgt gestr Alter4 trat wollte Korr im Ms5 er aber Korr im Ms6 Vgl G W F Hegel Differenz des Fichtersquoschen und Schellingschen

Systems der Philosophie In Beziehung auf Reinholds Beytraumlge zurleichtern Uumlbersicht des Zustands der Philosophie zu Anfang des 19Jahrhunderts Jena 1801

7 Schell[ing] Fichte Korr im Ms8 Im Ms folgt ist9 Vgl F W J Schelling System des transscendentalen Idealismus

Tuumlbingen 1800 S 3-410 Vgl ebenda S 6 ndash Am Rande In den spaumltern Schriften

Sch[ellings] vermissen wir jene frische [] Kraft die in s[einen]idealistischen [Werken] ihn auszeichnete ndash erst spaumlter spinnt er sich[] ein [und] verpuppt sich in mystische penseacutees confuses [verwor-rene Vorstellungen]

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vom Subjektiven als vom Ersten und Absoluten auszugehenund das Objektive aus ihm entstehen zu lassen In die beidenmoumlglichen Richtungen haben sich alle Natur- und Transzen-d[ental]phil[osophien] gestellt Alle Philos[ophie] muszlig daraufausgehen1 entw[eder] aus der Natur eine Intelligenz oder ausder Intelligenz eine Natur zu machen Zwei notwendige Grund-wissenschaften hat darum die Philosophieldquo2 bdquoIn der Transzen-d[ental]phil[osophie] ist das Subjektive einziger Grund allerRealitaumlt einziges Erklaumlrungsprinzip alles andernldquo3 Die Natur-philos[ophie] abstrahiert aber vom Ich bdquoDer Grund daszlig auchsolche die den Idealism[us] wohl gefaszligt haben die Natur-philos[ophie] nicht begreifen ist weil es ihnen schwer oderunmoumlglich ist sich von dem Subjektiven der intellektuellenAnschauung loszureiszligen Ich fordere zum Behufe der Natur-philos[ophie] die intellektuelle Anschauung wie sie in derWissenschaftslehre gefordert w[ird] ich fordere aber auszligerdemnoch die Abstraktion von dem Anschauenden in dieser An-schauung eine Abstraktion welche mir das rein Objektivedieses Akts zuruumlcklaumlszligt welches an sich bloszlig Subjekt-Objektkeineswegs aber = Ich istldquo (Zeitsch[rift] fuumlr spekul[ative] Phy-sik)4 Eben hierin haben wir wieder einen AusgangspunktOberstes Prinzip ist bei F[ichte] das Subjekt-Objekt nur be-stimmt es F[ichte] als Ich 136 es durfte also nur vom Ichabstrahiert w[erden] das Subjekt-Objekt fuumlr sich gedachtw[erden] bdquoDie Natur ist daher nicht bloszliges Objekt sie istSubjekt-Objektldquo5 bdquoMir ist d[as] Objektive selbst ein zugleichIdeelles und Reelles beides ist nie getrennt sondern urspruumlng-lich (auch in der Natur) beisammen dieses Ideal-Reale w[ird]zum Objektiven nur durch d[as] entstehende Bewuszligtsein inwelchem das Subjektive sich zur houmlhern (theoretischen) Potenzerhebtldquo6 Die Natur aber so gefaszligt so [ist] sie nicht mehr blo- 1 darauf ausgehen [So auch A] daraus aufgehen Ms2 Vgl F W J Schelling System des transscendentalen Idealismus a

a O S 6-73 Vgl ebenda S 7-84 Vgl F W J Schelling Anhang zu dem Aufsatz des Herrn Eschen-

mayer betreffend den wahren Begriff der Naturphilosophie und dierichtige Art ihre Probleme aufzuloumlsen In Zeitschrift fuumlr speculativePhysik hrsg von F W J Schelling Jena ndash Leipzig 1801 ZweytenBandes erstes Heft III S 122

5 Vgl ebenda S 125-1266 Vgl ebenda S 121

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szliges Produkt sondern selbst hervorbringend produktiv eineselbsttaumltige selbstwirkende schaffende Kraft und Wesenheit1

bdquoEs reicht keineswegs hin zu behauptenldquo sagt er in s[einer]Freiheit[sschrift] bdquodaszlig Taumltigkeit Leben und Freiheit allein daswahrhaft Wirkliche seien womit auch der subjektive Idealis-mus Fichtes bestehen mag es w[ird] vielmehr gefordert auchumgekehrt zu zeigen daszlig alles Wirkliche (die Natur die Weltder Dinge) Taumltigkeit Leben und Freiheit zum Grunde habeoder im Fichteschen Ausdruck daszlig nicht allein die Ichheitalles sondern auch umgekehrt alles Ichheit seildquo2 Reflektierenwir nun aber daruumlber nach daszlig die Natur nichts ist als die an-geschaute Intelligenz der3 Geist die sich anschauende Intelli-genz ndash dies ist der erste und bedeutendste Schritt von F[ichte]zu Schelling ndash daszlig aber die Natur ndash und jetzt4 trennen wir unsweiter von F[ichte] ndash nicht bloszlig angeschaute Intellig[enz] d ials Objekt als reines Passivum sondern als ein Aktivum alsselbst Intelligenz als selbst Taumltigkeit gefaszligt w[erden] muszlig undist daszlig wir also im Realen auch das Ideale zu erkennen habenso kommen wir notwendig auf den Gedanken oder er ist schondamit ausgesprochen Der Geist und die Natur sind identischauf den Gedanken der absoluten Identitaumlt oder Einheit DieNatur ist die bewuszligtlose Intelligenz der Geist die bewuszligte bdquoEsgibt eine bewuszligtlose aber der bewuszligten urspruumlnglich ver-wandte Produktivitaumlt deren bloszligen Reflex wir in der Natursehenldquo ([p] 3)5 bdquoDie Regelmaumlszligigkeit in allen Bewegungender Natur die erhabne Geometrie welche in den Bewegungender Himmelskoumlrper aus137geuumlbt wird wird nicht darauserklaumlrt daszlig die Natur die vollkommenste Geometrie sondernumgekehrt daraus daszlig die vollkommenste Geometrie das Pro-duzierende der Natur ist durch welche Erklaumlrungsart das Re-elle selbst in die ideelle Welt versetzt w[ird] und jene Bewe-gungen in Anschauungen die nur in uns selbst vorgehen und

1 Im Ms folgt gestr Die Natur ist Ich aber ein selbstbestehendes []2 Vgl F W J Schelling Philosophische Untersuchungen uumlber das

Wesen der menschlichen Freyheit und die damit zusammenhaumlngen-den Gegenstaumlnde In F W J Schellingrsquos philosophische SchriftenErster Band Landshut 1809 S 420

3 der das Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr kommen5 Vgl F W J Schelling Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems

der Naturphilosophie a a O S 3

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denen nichts auszliger uns entspricht verwandelt1 w[erden]ldquo(Einleitung zu einem Entw[urf])2 bdquoDie Natur als Ganzes so-wohl als in ihren einzelnen Produkten erscheint als ein3 mitBewuszligtsein hervorgebrachtes Werk und doch zugleich alsProdukt des blindesten Mechanismus sie ist zweckmaumlszligig ohnezweckmaumlszligig erklaumlrbar zu seinldquo (p 17 Transzend[entalphilo-sophie])4 In s[einer] Transzend[entalphilosophie] verfaumlhrt umdiese Identitaumlt herauszubringen Schell[ing] also Das Ich ist insich selbst entgegengesetzte Taumltigkeiten enthaltend Die Vor-stellung und den Willen Der Wille ist nichts anderes als dieKraft des Geistes einen Gegenstand nach Vorstellungen zubestimmen die Vorstellung aber die Kraft nach dem Gegen-stande sich zu richten Wie kann also zugleich die objektiveWelt nach Vorstellungen in uns und [die] Vorstellungen in unsnach der objektiven Welt sich bequemen Wie ist dieser Wi-derspruch zu loumlsen Nur dadurch daszlig bdquozwischen der reellenund ideellen Welt eine sbquovorherbestimmte Harmonielsquo existiertldquo5

Diese selbst aber ist nicht erklaumlrbar bdquowenn nicht die Taumltigkeitdurch welche die objektive Welt produziert ist urspruumlngl[ich]identisch ist mit der welche im Wollen sich aumluszligert und umge-kehrtldquo6 bdquoDieselbe Taumltigkeit welche im freien Handeln mitBewuszligtsein produktiv ist ist im Produzieren der Welt produk-tiv ohne Bewuszligtseinldquo7 Die Transzendentalphilos[ophie] diedie Aufgabe hat alles im Ich zu finden hat daher nachzuwei-sen den Ort wo im Ich beide Taumltigkeiten verknuumlpft sind DieseEinheit der bewuszligt[en] und bewuszligtlosen Taumltigkeit 138 ist dieaumlsthetische oder kuumlnstlerische bdquoDer Vereinigungspunkt dertheoretischen und praktischen Philos[ophie] ist die Teleologieoder die Philosophie der Naturzweckeldquo8 denn der Zweck ist jaein Produkt der bewuszligtlosen Taumltigkeit das aber erscheint []als ein Produkt des Bewuszligtseins Es ist also die Identitaumlt zuder sich Schell[ing] erhebt und die er als das Prinzip der Philo- 1 verwandelt [So auch A] verwandeln Ms2 Vgl F W J Schelling Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems

der Naturphilosophie a a O S 23 Im Ms folgt gestr Produkt4 Vgl F W J Schelling System des transscendentalen Idealismus a

a O S 175 Vgl ebenda S 166 Ebenda S 16-177 Vgl ebenda S 178 Vgl ebenda S 17-18

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sophie setzt1 bdquoEs ist dieselbe und gleiche absolute Identitaumltdie2 als Subjekt und Objekt gesetzt istldquo3 bdquoEs findet zwischenSubjekt und Objekt an sich kein Gegensatz stattldquo4 bdquoZwischenSubj[ekt] und Objekt ist keine andere als quantitative Differenzmoumlglichldquo5 bdquoDiese quantitative Differenz ist nur in Ansehungdes einzelnen Seins nicht aber an sich oder in Ansehung derabsoluten Totalitaumlt denkbarldquo6 bdquoSie ist der Grund aller Endlich-keitldquo7 bdquoAn sich d h dem Wesen nach ist daher nichts Endli-chesldquo8 bdquoAlles was ist ist an sich eins Alles was ist ist dieabsolute Identitaumlt selbstldquo9 bdquoEs gibt kein einzelnes Sein odereinzelnes Ding an sichldquo10 Sch[elling] meint11 deswegen dieabsolute Identitaumlt die absolute Indifferenz Gleichguumlltigkeitgegen den Unterschied Es erhellt daszlig Schelling zu Brunodem er ja bekanntlich auch eine Schrift zu Ehren schrieb12 undSpinoza zuruumlckkehrt Er spricht sich hieruumlber selber in s[einer]Schrift uumlber d[as] Wesen der menschl[ichen] Freiheit 1809 alsoaus []13

1 Im Ms folgt gestr Diese2 Im Ms folgt gestr der Form nach3 Vgl F W J Schelling Darstellung meines Systems der Wissen-

schaft In Zeitschrift fuumlr speculative Physik hrsg von F W JSchelling Jena ndash Leipzig 1801 Zweyten Bandes zweytes Heft sect 22S 13

4 Ebenda sect 22 S 135 Ebenda sect 22 S 136 Vgl ebenda sect 22 S 137 Ebenda sect 37 S 228 Vgl F W J Schelling Darstellung meines Systems der Wissen-

schaft a a O sect 14 S 89 Vgl ebenda sect 12 S 710 Vgl F W J Schelling Darstellung meines Systems der Wissen-

schaft a a O sect 28 S 1611 meint nimmt A12 Vgl F W J Schelling Bruno oder uumlber das goumlttliche und natuumlrli-

che Princip der Dinge Ein Gespraumlch Berlin 180213 Vgl F W J Schelling Philosophische Untersuchungen uumlber das

Wesen der menschlichen Freyheit a a O ndash Der Text bricht ab ndashEs ist also die Identitaumlt aus Text mit Bleistift geschr

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XVIII [Vorlesung]1 [Schelling Hegel]2

139 Es gibt nur eine wahre Philosophie diese ist der Idea-lismus Es gibt nur einen Gedanken Er ist der Gedanke desGeistes Was nicht Geist ist ist Nichts Was Wahrheit ist be-staumltigt sich im Leben bestaumltigt sich im gemeinsten MenschenAber im Gemeinen w[ird] die Wahrheit selbst Gemeinheit So3

bestaumltigt sich denn auch im Leben die Wahrheit des Idealismusaber des subjektiven wo der Geist die Dinge nur als selbst- undwesenlose Dinge betrachtet4 Was sind dem Menschen diegemeinen Objekte des Lebens Sie sind ihm Mittel An sichsind sie ihm nichts sie haben ihm nur Wert fuumlr seine ZweckeDie Wahrheit die dem houmlhern M[enschen] als Gedanke Ge-genstand w[ird] w[ird] dem nicht denkenden M[enschen] imWillen in der Praxis Gegenstand Das Interesse der Genuszlig istihm das Reale Aber der Genuszlig das Interesse ist der Idealis-mus der Dinge er ist das Absolute das Houmlchste wie sie als dasGemeinste erscheinen Der Genuszlig zerstoumlrt das Objekt in ihmw[ird] d[as] Individuum die Erscheinung des Geistes seinerselbst gewiszlig Das Interesse entreiszligt der Tiefe die edelsten undentlegensten5 Stoffe6 die sie sorgfaumlltig in sich verbirgt7 undschmilzt sie8 die die Erde mit den Banden der Schwere an sichfesthaumllt in Muumlnzen um denen er sein Bild das Wappen9

s[einer] Majestaumlt aber10 ebenso auch den11 Schmutz s[einer]Finger das Bild d[es] menschl[ichen] Elends aufdruumlcktschmilzt das gediegne Metall in Geld um12 liefert [es] demMenschen in die Hand so daszlig es von einer zur andern gehtwas mit ehernen Banden durch das Gesetz der Schwere an dieTiefe der Erde gebunden ist es beugt das harte Eisen zu einem

1 Am Rande r o Verweis auf XVIII Vorlesung 2 So auch A3 Im Ms folgt gestr sich4 Im Ms folgt gestr Aber5 Tiefe entlegensten Erde ihre geheimsten Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr es7 in verbirgt in der Tiefe verbirgt Korr im Ms8 und sie Unleserl Korr im Ms9 sein Wappen ebenso das Siegel Korr im Ms10 aber unleserl Korr im Ms11 auch den unleserl Korr im Ms12 Im Ms folgt gestr nach dem

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nuumltzlichen Instrument um es rodet Waumllder und Suumlmpfe aus esverackert den Boden1 setzt dem Meere selbst Grenzen ver-breitet uumlber den ganzen Erdkreis was die Natur nur da unddorthin gesaumlt hat bestimmt selbst das unbestimmbarste feinsteallmaumlchtigste lebendigste2 Wesen der Natur die Luft die At-mosphaumlre veraumlndert sie Der Genuszlig zerstoumlrt die Dinge scho-nungslos die Natur ist ihm nur ein Leckerbissen s[eines] Gau-mens der Duft der Blumen bloszlig Weihrauch der ihm gestreutw[ird] Selbst die Anschauung der Natur ist nur ein Genuszligderselben Wir freuen uns nur ihrer weil sie uns entzuumlckt Sobezieht der Mensch alles auf sich er ist ein Alchimist der ausallen Dingen den edelsten Stoff zieht den Stoff desmenschl[ichen] des geistigen Lebens der sie alle verwandeltin nuumltzliche Mittel Er erfaszligt sich als den3 Zweck aller Dinge ndasher ist es denn er ist das absolute Ich als Natursubjekt Die ab-solute Form des Idealismus ist daher daszlig alle Dinge um desMenschen willen seien Aber dieser Idealismus ist ein unreinersubjektiver roher Der Idealismus ist der Endzweck der Welt-geschichte ndash das Prinzip des Lebens nur daszlig er hier als Interes-se Zweck Nutzen Genuszlig erscheint

1404 Allerdings ist der M[ensch] der Endzweck der Dingeaber nur gedacht uumlberhaupt als ein5 theoretisches ein schauen-des bewuszligtes empfindendes Wesen gedacht nicht als einsubjektives sich auf s[eine] Zwecke beziehendes Wesen son-dern in seiner Einheit mit dem6 Sein so daszlig das Sein um desM[enschen] willen seiend zugleich7 um seiner selbst willen istWenn ich den M[enschen] so denke so kann ich nicht fragenwozu ist der M[ensch] was ist s[eine] Bestimmung Wozu istder Mensch gedacht uumlberhaupt als ein empfindendes bewuszlig-tes Wesen Was ist s[eine] Bestimmung Diese Frage ist einsmit der Frage was ist die Bestimmung des Seins Die Frageaber ist toumlricht denn das Sein ist um seiner willen es ist dasabsolut Positive frage ich nach dem Zwecke eines Dings so

1 verackert Boden durchpfluumlgt [] die Erde Korr im Ms2 lebendigste koboldartige Korr im Ms3 Er den Der Mensch ist Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Der Mensch ist eben sowohl um des Seins als

das Sein um des M[enschen] willen5 ein Hervorgehoben im Ms6 Im Ms folgt gestr Menschen7 Im Ms folgt gestr als

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frage ich worin liegt s[eine] Realitaumlt s[ein] Positives Aberwie kann ich darnach beim Sein fragen Was ist nun aber1 dasSein wenn es nicht sich ist wenn es nicht Genuszlig nicht Ge-fuumlhl nicht Bewuszligtsein nicht Mensch ist Denn der Mensch istdas seiner selbst bewuszligte Sein Der Mensch stellt auf demgewoumlhnlichen Standpunkt2 das Empfundene das Bewuszligte alsgegen das Bewuszligtsein gleichguumlltiges Objekt sich gegenuumlberAber das gilt nur von dem bestimmten Gegenstand dem be-stimmten Menschen nicht von dem Menschen an sich dennein bestimmter M[ensch] kann sein und kann nicht sein abernicht so der Mensch an sich er ist ewig in der Idee des Welt-alls notwendig im Wesen der Dinge gegruumlndet Er ist das sei-ner selbst gewisse und bewuszligte das sich empfindende3 dassich selber seiende und schauende Sein4 Das Sein ohne Be-wuszligtsein ist nichts Aber davon abgesehen von dieser Bezie-hung auf d[as] Sein uumlberhaupt So wahr und gewiszlig die Existenzdes5 Menschen ist so wahr und gewiszlig ist der IdealismusKannst Du zweifeln daszlig Du bist Ist Dir Deine Existenz nichtunbezweifelbar gewiszlig Kannst Du Deine Existenz aber vomBewuszligtsein unterscheiden Ist sie nicht eins mit ihm Ja ist esnicht selbst Dein Sein Kannst Du also zweifeln an der Wahr-heit des Cartesisch-6Fichteschen Prinzips Was ist der Dichterals ein begeisterter Redner im Namen der ganzen Menschheitals ein Verkuumlnder der Wahrheit wie sie im Gefuumlhl in derPhantasie waltet Und was ist7 das Thema ihrer Lieder als derKlage oder Freudenruf was ist das Leben ohne Liebe Was istaber die Liebe Idealismus sie verknuumlpft Getrenntes hebt dieselbststaumlndige Existenz des Auszligenwesens auf sie macht auszwei Wesen ein Wesen und widerspricht darum dem gemeinenMenschenverstande nicht weniger als der Idealismus Selbst inder Natur haben wir ein Zeugnis von der Realitaumlt des Idealis-mus er faumlllt uns hier in 1418 die Augen Es ist das Licht9 Das 1 Was aber Aber was ist Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr des Lebens3 empfindende Im Ms nur teilw unterstr4 Im Ms folgt gestr Was ist also5 des zw Korr im Ms6 Kannst Cartesich- Eine groszlige urspruumlngliche Wahrheit hat daher

Cartesius daszlig Korr im Ms7 Und ist Was ist aber Korr im Ms fehlt in A8 Am Rande r o Verweis auf 18ste Vorl[esung]9 Licht Licht Korr im Ms

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Licht ist das idealste Naturwesen es ist nicht an die Schweregebunden es ist imponderabel seine Bewegung ist von soauszligerordentlicher Schnelligkeit daszlig es beinahe fuumlr keine Be-wegung mehr zu achten ist die Grenzen des Raumes die Weiteder Entfernung hat daher fuumlr es keine Realitaumlt mehr Was waumlredie Natur ohne Licht Eine absolute Finsternis aber eine ab-solute Finsternis ist vom Tode vom Nichts1 nicht zu unter-scheiden Erst das Licht unterscheidet spezifiziert Es ist dasPrinzip alles Lebens aller Bewegung wie wir dies deutlich anden Pflanzen Tieren sehen2 viele Tiere leben3 zwar nur beiNacht in Bewegung aber die Nacht ist kein absolutes Dunkeldeswegen kann auch das Auge vieler Tiere in ihr sehen DiePhysik leitet das Licht aus der Bewegung ab aber es ist viel-mehr eins mit der Bewegung D[ie] Phys[ik] betrachtet nur dasLicht in der Erscheinung dieses bestimmte Licht wie es vonder Sonne auf uns einstroumlmt und wie es modifiziert auf derErde wirkt Aber d[as] Licht ist universelles Wesen4 nur durchdas Licht verkuumlndet uns ja der Himmel sein Dasein Es ist dasBand aller Wesen Aber was ist das Licht ohne Auge dassieht Erhellung und Sehen koumlnnen wir gar nicht unterschei-den Wir koumlnnen uns nicht einmal denken Licht ohne Seheneinbilden koumlnnen wir es uns wohl aber nicht denken Es isteine bloszlige Taumluschung Das Licht macht sichtbar d h es machtdie Materie zum Objekt des Auges und ist darum das ersteUnterscheidungsprinzip der Materie Das Licht ist die Erschei-nung des Bewuszligtseins es ist die Kraft des Bewuszligtseins selbstals Naturkraft der versinnlichte Geist es ist die Wahrheit desIdealismus als sinnliches Faktum wie die Liebe die Wahrheitdes Idealism[us] als persoumlnliche Empfindung ist

Alle wahre Philosophie ist Idealismus Der5 Idealismus istnichts als der seiner selbst bewuszligte Pantheismus Der Pan-th[eismus] nichts als ein unbewuszligter Idealismus Der Panthe-is[mus] ist Idealism[us] denn er hebt das sinnliche Bestehender Dinge auf er identifiziert sie er idealisiert sie er sagt imWesen sind sie identisch Er setzt ein Wesen das alle Wesenist Aber dieses eine Wesen das alle Wesen ist das ist die

1 Nichts Unleserl Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr denn obgleich3 Im Ms folgt ist4 Wesen [so auch A] Wesens Ms5 Im Ms folgt gestr Pantheismus

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Seele das ist der Geist Der Geist ist kein besonderes keinbeschraumlnktes Wesen 142 dann waumlre er ein sinnliches Dingwie Luft Wasser er ist unendliches Wesen aber ein unendli-ches Wesen ist All-Wesen ist ein pantheistisches Wesen Blei-ben wir selbst auf dem Standpunkt Kants jede Kategorie jederBegriff ist die Einheit des Vielen und Mannigfaltigen wiekoumlnnte aber der Geist die Einheit eines Besondern eine be-stimmte Einheit sein oder in sich bilden wenn er nicht dieallgemeine die absolute Einheit waumlre Schon Aristoteles sagtDie Seele ist gewissermaszligen alles was ist1 und mit ihm dieneuplatonische Schule und nach ihrem Vorangang die tiefstenMystiker des Mittelalters Aber der Pantheism[us] erkenntnicht dieses alleinige Wesen als Geist er stellt es nur vor alsWesen er ist ein blinder Idealist ein Idealist in der Form desDogmatismus Der Panth[eismus] verstoumlszligt2 darum3 gegen denKopf des M[enschen] weil er nicht kommen kann zur wahr-haften Realisierung des Unterschieds Nur der Idealismus istdas Licht des Geistes das Licht ist aber wie das Verbindendedas Einende so das Unterscheidende Erst der sich als Idealis-mus begreifende Pantheismus versoumlhnt indem er die wesentli-chen Elemente des Lebens den Unterschied und die Einheitmiteinander verknuumlpft Fichte ist der seiner selbst bewuszligte4

Spinoza Es ist nur eine Substanz aber diese existiert nicht alsObjekt sondern als Ich ist nicht Sein sondern SelbsttaumltigkeitIntelligenz Aber wenn wir nicht von Sp[inoza] aus zu F[ichte]uumlbergehen oder nicht vom Panth[eismus] sondern vom Idea-lism[us] selbst ausgehen so ist der Idealismus zuvoumlrderst sei-ner nur als Idealismus sich bewuszligt F[ichte] sagt wohl zuSp[inoza] Was Du unter Deiner Substanz denkst das ist inWahrheit nur das Ich aber er behauptet nicht den Begriff derSubstantialitaumlt vom Geiste er negiert den Begriff der SubstanzEs5 ist darum subjektiver Idealismus die Welt erscheint hiernur als Negatives als Objekt fuumlr den moralischen Standpunktals die Sphaumlre aber zugleich auch als die Schranke der Frei-heit der Geist erblickt sich wohl im Realen es [ist] ihm nur ein

1 Vgl Aristoteles De anima In Operum philosophorum omnium hellip

T I Lugduni 1590 Cap VIII S 4032 verstoumlszligt hat Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr etwas4 selbst bewuszligte [so auch A] selbstbewuszligte Ms5 Es Er Ms A

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Bild der Intelligenz aber ein stoumlrendes Bild das er sich eigent-lich aus dem Sinne schlagen moumlchte Aber gleichwohl istF[ichte] der Mittelpunkt der neuern Philos[ophie] es bedurftenur einer Erweiterung des auf das Ich zusammengezognen Mit-telpunkts es be- 143 durfte nur der Synthese der Verknuumlp-fung des Begriffs der Substanz in dem Sinne wie Bruno undSpinoza sie an die Spitze der Philosophie stellten mit demBegriffe der Intelligenz es bedurfte nur daszlig der Idealismussich nicht mehr nur als Idealism[us] sondern als Pantheism[us]begriff um den subjektiven Id[ealismus] in den absolutenIdealismus zu verwandeln Schelling verknuumlpfte zuerst dieseBegriffe aber schwankend unbestimmt subjektiv nur in sei-ner Anschauung Er lieszlig bestehen das Fichtesche Ich er griffdie Sache nicht bei der Wurzel1 Er erweiterte nicht diesen Be-griff aus sich selbst er verknuumlpfte aumluszligerlich die Anschauungder Natur als das Ideal-Reale darin (er fiel vom Idealismus abwieder in den Realismus so daszlig drei Prinzipien sich in ihmdurch und umeinander drehen und waumllzen so daszlig das oberstePrinzip bald zum Untersten und das Unterste zum Oberstenverkehrt w[ird]) Das Fichtesche Ich imponiert ihm aber dieNatur imponiert ihm nicht weniger er laumlszligt beide bestehen dasIch ist ihm das Reale aber die Natur ist ihm auch das Reale erist so Realist beide sind absolut (Der Idealism[us] ist ihmnicht die Totalitaumlt sondern der Pars obwohl die houmlchste Po-tenz)2 Er schwankt unentschieden zwischen her bis er beideverknuumlpft3 aber mit Ausloumlschung des Unterschieds [in] derabsoluten unterschiedslosen Identitaumlt4 der Identitaumlt des Pan-theismus Er verknuumlpft also den Pantheism[us] mit dem Idea-lismus aber auf eine den Forderungen des Idealismus5 wider-

1 Am Rande es handelt sich nicht mehr sagt Sch[elling] uumlber d[ie]

verbesserte Fichtesche Lehre vom bloszligen Denken dem sich dannein anderes Denken entgegenstellen kann es handelt sich vom Se-hen (p 127) ndash von sichtlicher Wahrheit [Vgl F W J SchellingDarlegung des wahren Verhaumlltnisses der Naturphilosophie zu derverbesserten Fichteschen Lehre Eine Erlaumluterungsschrift der er-sten Tuumlbingen 1806 S 127]

2 Im Ms folgt irrtuumlml nicht gestr Und) ndash Im Ms folgt gestr beidebegr

3 Im Ms folgt gestr er in4 Im Ms folgt gestr Und diese5 den des dem Korr im Ms

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sprechende Weise in der Form des Pantheismus1 Seine Philo-sophie kann daher selbst im Ganzen als ein Abfall vom Idea-lism[us] bezeichnet w[erden] ndash ein Abfall der die unerlaumlszliglicheBedingung zur Entwicklung des absoluten Idealism[us] ist2und dem wir das hohe nicht genug in Anschlag zu bringendeVerdienst seiner Naturphilosophie ndash die sein eigentuumlmlichesProdukt ist zu verdanken haben Schelling scheint ein Denkerzu sein der wesentlich zur Spekulation eines Substrats einerFolie einer Unterlage3 [bedarf] wo er keine gegeben hat wiefruumlher an der Natur und 144 in der Transzendentalphi-los[ophie] an dem Ich wo er keines hat gibt er seinem Denkeneine Folie wie wir denn in der Voraussetzung jenes Grundes ins[einer] Schrift von dem Wesen der menschl[ichen] Freiheit4

dieses Beduumlrfnis seines Geistes nach einer Folie objektiv ge-setzt und ausgesprochen finden

Die Verknuumlpfung des Pantheismus mit dem Idealismus in-nerhalb des Idealismus selbst die Verknuumlpfung derselben aufeine den unabweislichen Forderungen und dem Geiste derneuern Philos[ophie] gemaumlszlige folglich auf wahrhaft philoso-phische und organ[ische] Weise bewerkstelligte erst HegelAus dem Daumlmmerlichte der Schellingschen Identitaumltslehretreten wir mit Hegel in das Licht des Idealismus ein Wir sindhier wieder auf einem entschieden-idealistischen Boden Hegelschlieszligt sich obwohl durch Schelling vermittelt wieder5 anKant und Fichte an Denen die Hegel so herabsetzen undSchelling als den Plenipotentiarius6 [Generalbevollmaumlchtigten]der spekulat[iven] Vernunft ansehen koumlnnte man entgegnendaszlig die Schelling[sche] Phil[osophie] nur ein poetisches Inter-

1 Am Rande Wollte man dagegen einzelne Gedanken und Bestim-

mungen wie sie sich in spaumltern Schriften finden zur Widerlegungvorbringen so ist eben zu erwidern daszlig wo solche vorkommen diewidersprechen nur Versicherungen sind die nicht organisch mits[einem] Prinzip verknuumlpft sind

2 ist war Korr im Ms3 Im Ms folgt hat4 F W J Schelling Philosophische Untersuchungen uumlber das Wesen

der menschlichen Freyheit und die damit zusammenhaumlngenden Ge-genstaumlnde In F W J Schellingsrsquo philosophische Schriften ersterBand Landshut 1809

5 obwohl wieder unmittelbar Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr als

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mezzo zwischen1 Fichte und Hegel w[ar] Hegel begann s[eine]Laufbahn mit Kritiken und zwar abgesehen von der Beurtei-lung einiger fuumlr die Philos[ophie] unbedeutender Erscheinun-gen wie Krug mit der Kritik der Kantisch[en] Fichteschenund Jacobischen Philosophie2 (Diese Kritiken zeichnen sichaus wie alles was aus der Feder dieses3 seltnen Mannes floszligdurch tiefe Gruumlndlichkeit und Gediegenheit durch eine4 dasInnerste der Sache treffende5 eine das Objekt penetrierendeuumlberwaumlltigende Kraft ndash eine Kraft die nur der Idealismus ver-leihen kann das Bewuszligtsein daszlig der Intelligenz kein DingWiderstand leisten kann da der Geist in Wahrheit alle Dingeselbst ist Selbst Schell[ing] nennt6 die Kritik der Fichtesch[en]Philos[ophie] in s[einer] Schrift uumlber d[ie] verbesserte Fichte-sche Lehre v[om] Jahre 1806 eine treffliche K[ritik] von ein-dringender Kraft und daszlig er sie ihrem Gehalte nach vollkom-men unterschreibe7 H[egel] anerkannte stets mit groszliger Hoch-achtung d[ie] Fichtesche Philos[ophie]) In jener8 Zeit wo jeneKritik9 erschien trat die Subjektivitaumlt des F[ichteschen] Idea-lism[us] in den populaumlren Schriften F[ichtes] wie in der Be-stimmung des Menschen10 am grellsten hervor in dem schonihrer Tendenz nach das spekulative Interesse dem moralischen145 weichen muszligte ja in diese moralische Tendenz alle Rea-litaumlt aufging Die Fichtesche Phil[osophie] hatte an dem abso-luten Ich ein absolutes spekulatives Prinzip Aber statt beidiesem zu verweilen und in sich zu vertiefen geht er sogleichzur Deduktion des bestimmten subjektiven Ich uumlber dem dasNicht-Ich als eine tote nichtige und zu vernichtende Welt als 1 Im Ms folgt gestr dem2 G W F Hegel Glauben und Wissen oder die Reflexionsphiloso-

phie der Subjectivitaumlt in der Vollstaumlndigkeit ihrer Formen alsKantische Jacobische und Fichtesche Philosophie In KritischesJournal der Philosophie hrsg von F W J Schelling u G W FHegel 2 Bd 1 St Tuumlbingen 1802

3 Im Ms folgt gestr vom Denken4 Im Ms folgt gestr in5 treffende eindringende Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr ihn7 F W J Schelling Darlegung des wahren Verhaumlltnisses hellip a a O

S 1618 In jener aber namentlich bei der Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr auf10 J G Fichte Die Bestimmung des Menschen Berlin 1800

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eine Schranke gegenuumlberstand Die Schellingsche Naturphilo-sophie bildete gegen diese subjektive Richtung1 einen direktenGegensatz indem sie das Reale als ein mit dem Geiste Ver-soumlhntes ansah oder stellte vielmehr die houmlhere Wahrheit derEinheit dar Ein so objektiver Idealist wie H[egel] war muszligtesich natuumlrl[ich] zu dem Identitaumltssyst[em]2 hingezogen fuumlhlenund in das Verhaumlltnis der Krit[ik] gegen den Id[ealismus] ins[einer] subj[ektiven] moral[ischen] Richtung treten H[egels]3

Kritik ist schneidend negativ Sein penetrierender Verstands[eine] tiefe Gruumlndlichkeit und Gediegenheit seine d[as] Ob-jekt bewaumlltigende Kraft eine Kraft die nur der Idealismusgeben kann4 kurz die Eigenschaften die in H[egel] auch demoberflaumlchlichsten Blick den Denker erkennen lassen und ihnv[on] Schell[ing] unterscheiden bei dem wenigstens d[as]Charakteristisch[e] des Denkers nicht so entschieden hervor-tritt der Gedanke in den Nimbus eines poetischen Dunkels sichhuumlllt so daszlig es nicht zu verwundern [ist] wenn selbst Maumlnnernvon nicht gerade gemeiner Urteilskraft durch diese Eigentuumlm-lichkeit der Schellingschen Schr[iften] ndash sei sie nun Scheinoder Wirklichkeit ndash wir lassen es dahingestellt sein Eigen-schaften die er spaumlter so sehr entwickelt hat s[ind] bereits inihnen ausgepraumlgt Eine5 andere Schrift H[egel]s um diese Zeitw[ar]6 uumlber die Differenz zwischen dem Schell[ingschen] undFichtesch[en] System7 Hegel bedient sich hierin Schell[ing-scher] Formen wie z B Potenz Abgesehen von den persoumln-l[ichen] Verhaumlltnissen die d[ie] Literatur nicht interessierenwaren es diese ersten Schriften in denen sich H[egel] gegend[en] Fichtesch[en] Idealismus uumlberh[aupt] d[ie] Philos[ophie]der Subjekt[ivitaumlt] aussprach und fuumlr d[as] System der Identitaumltwelche ihn in den Ruf eines unbegreiflich Schuumllers sprachen8

1 Im Ms folgt gestr unleserl Wort2 Im Ms folgt sich3 Im Ms folgt gestr hat auch vortrefflich diese Maumlngel dargestellt4 Im Ms folgt gestr sich5 Im Ms folgt gestr spauml[tere]6 Im Ms folgt gestr s[eine] Sch[rift]7 G W F Hegel Differenz des Fichtersquoschen und Schellingschen

Systems der Philosophie In Beziehung auf Reinholdrsquos Beytraumlge zurleichtern Uumlbersicht des Zustands der Philosophie zu Anfang des 19Jahrhunderts Jena 1801

8 welche sprachen welche ihn [unbegreiflich] in den Ruf einesSchuumllers sprachen A

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obwohl schon in diesen Kritiken H[egel] keineswegs den Cha-rakter und die Manieren eines Schuumllers [zeigte] sondern dieeines selbststaumlndigen1 aber gleichdenkenden Mannes einesFreundes der in den Worten seines Freundes wenigstens fuumlrden naumlchsten Augenblick weil er gerade keine bessern Wortefindet nicht deswegen weil er nicht bessere treffendere sagenkoumlnnte sondern weil er Zeit braucht um bessere zu sagenseine eigene Gesinnung ausgesprochen findet

146 Aber dieses Phaumlnomen kann als ein Beispiel gelten wieoberflaumlchliche und leichtfertige Ansichten selbst in der Litera-tur wie im Leben [durch] uumlbelwollende[s] Klatschen2 in Um-lauf kommen Glauben finden und endlich zu Wahrheitenw[erden]3 Ein Schuumller ist nur der der nicht nur im Wesentli-chen sondern selbst im Formellen das Gepraumlge s[eines] Leh-rers traumlgt oder der nur das sagt was sein Lehrer gesagt hatoder wenigstens4 haumltte sagen koumlnnen wenn er es haumltte so sagenmoumlgen oder die Zeit und Lust dazu gehabt haumltte Aber jeneKritiken tragen schon ein so bestimmtes eigentuumlml[iches] Ge-praumlge daszlig sie nie ein Schuumller Schellings ja nicht einmalSchell[ing] selbst sie haumltte schreiben koumlnnen denn jene pene-trierende auch gar keinen Punkt mehr als einen moumlglichenAngriffspunkt uumlbriglassende kritische Intelligenz ist nicht imVermoumlgen Schellings Im J[ahre] 18075 erschien H[egel]s Phauml-nomenologie des Geistes Diese Schrift laumlszligt an Originalitaumlt anGroszligartigkeit des Gedankens an Erhabenheit des Stils allesandere hinter sich zuruumlck was je aus H[egel]s Feder floszlig Erkuumlndigt sich hier als einen durchaus selbststaumlndigen Denkerals einen urkraumlftigen Geist an6 Die Vorrede ist nur Polemikgegen die Schellingsche Naturphilos[ophie] und ihre MethodeAber7 H[egel] hatte ein aumlhnliches Schicksal mit Kant dessenKritik der reinen Vernunft8 acht volle Jahre zur Schande derdeutschen Liter[atur] unbeachtet im Buchladen9 liegenblieb 1 Im Ms folgt gestr Mannes der2 Klatschen Geruumlchte Korr im Ms3 Am Rande abgebroch Erg wenn man sich freilich4 gesagt wenigstens auch Korr im Ms5 1807 1806 Ms ndash G W F Hegel Die Phaumlnomenologie des Geistes

In System der Wissenschaft Thl 1 Bamberg ndash Wuumlrzburg 18076 an [so auch A] aus Ms7 Im Ms folgt gestr es ging8 I Kant Kritik der reinen Vernunft Riga 17819 Buchladen Buchhandel Korr im Ms

198

Die Erscheinung des Hegelschen Geistes ereignete sich1 uumlbri-gens2 zu einer Zeit wo es schwer war literar[ischen] Ruhm zuerlangen Die groszligen politisch[en] Ereignisse verschlangenalles Interesse Es wird wohl unter den Aumlltern keinen der3 be-deutenderen Namen in der Lit[eratur] geben dessen Zelebritaumltnicht schon fruumlher als aus [dem] Jahr 1806 herstammt ZurZeit wo Sch[elling] auftrat war bei allem noch vorhandnenPedantismus ein jugendlich aufstrebender Geist in Welt Kunstund Wissensch[aft] eingedrungen In einer solchen Zeit findetalles was nur uumlber die Grenzen des Bisherigen dessen manuumlberdruumlssig ist sich emporschwingt findet Teilnahme Aner-kennung Erscheinungen die jetzt unbeachtet bleiben wuumlrdendamals Epoche gemacht Gluumlck und Ehre gebracht haben ImZustand des Werdens Strebens ist der Geist gereizt exaltiertund bewundert oder verachtet leidenschaftlich Die Schrift er-weckt nicht bloszlig Gedanken sondern Talente Und gewoumlhnlichnennt man nur die erweckenden nicht die erweckten Talentesollten auch diese die ersten uumlberbieten Der literar[ische] Na-me erbt4 sich fort wie die Wuumlrde eines Peers5 noch bei Leb-zeiten des Traumlgers wenn er auch schon geistig tot ist er wirdzu einer Kategorie unter die man kapselt der Bequemlich[keit]1786 halber um nicht sich das Gedaumlchtnis mit zu vielen Un-terschieden zu belasten was auch nur einigermaszligen Aumlhnlich-keit hat und so w[urde] denn auch H[egel] commoditatis causa[der Bequemlichkeit halber] nicht nur in dieselbe Kategorie mitSch[elling] sondern als ein Subalternbeamter ihm untergestelltund als Epitheton7 ornans [schmuumlckendes Beiwort] s[einem]Namen beigefuumlgt Uumlberdem trat H[egel] mit einer Anforderungan die Menschheit auf die ihr zu jeder Zeit namentlich aber zuseiner8 Zeit ungelegen kam mit der Forderung das bdquoKreuzldquodes Begriffs auf sich zu nehmen zu denken und zu denken inder demuumltigen Unterwerfung unter die Notwendigkeit der Sa-

1 ereignete sich erschien Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr schon3 Im Ms folgt gestr groumlszligeren4 Der erbt Literar[ische] Namen erben Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr sch[on]6 Am Rande r o Verweis auf 18ste [18ste 19ste Korrim Ms] Vor-

les[ung]7 Epitheton [so auch A] Epitethon Ms8 Im Ms folgt gestr und zu unserer

199

che mit der Entsagung aller Blendwerke der Phantasie und desGefuumlhls der Entaumluszligerung aller subjektiven Willkuumlr undSchoumlngeisterei Schell[ing] forderte als1 Bedingung s[einer]Philosophie eine unmittelbare Naturgabe den Sinn die intel-lektuelle Anschauung wer das Absolute nicht erblickt nichtsieht dem kann ich nicht helfen der mag sich weiter begebenDas war hart Aber man konnte sich daruumlber noch beruhigenund troumlsten Fehlt es mir am Sinn nun gut so kann ich nichtsdafuumlr Alle Menschen koumlnnen nicht Neujahrskinder sein Ist diePhilosophie ein Geschenk des Gluumlcks der Philosoph2 ein Phi-losoph von Gottes Gnaden so wird sie ohne eignes Verdienstund Arbeit erworben aber auch ohne besondre Gemuumltsschmer-zen entbehrt Sie ist ein individuelles Gut Aber die Forderungdes Denkens stoumlszligt den Menschen aus dem Paradiese oder derEinfalt oder wenn man lieber will dem vornehmtuenden Duumln-kel der intellekt[uellen] Anschauung wo man dem absolutenWesen vertraulich in die Augen guckt wie einem seinesglei-chen in eine Welt unendlicher Not aber auch unendlicherKraft und Taumltigkeit verweist den Menschen auf sich selbst sieist die Forderung des konsequenten3 mit eiserner Strengedurchgefuumlhrten und geltend gemachten Idealismus des Inhaltsdaszlig die Wahrheit der Geist kein Unmittelbares kein PositivesGegebnes sondern nur durch Selbsttaumltigkeit vermitteltes undhervorgebrachtes ist Schelling erhob sich auf den Pfauenaugender aumlsthetischen Anschauung4 empor zu dem Gipfel der Phi-los[ophie] und des Ruhmes Schoumln ist s[eine] Darstellungschoumln wie eine Braut die eben zum Altar gefuumlhrt wird5 An-schauung die subj[ektive] Bedingung der Philos[ophie]6 Aumls-thetik als der houmlchste Gipfel 179 der Philos[ophie] die abso-lute Taumltigkeit die Synthesis der bewuszligten und bewuszligtlosenIntelligenz So sehr die Forderung der intellekt[uellen] An-sch[auung] bei vielen Anstoszlig erregte so lag sie doch wie dieBedeutung die dem Aumlsthetis[chen] gegeben w[urde] ganz imSinne der Zeit Jacobi schon machte das Gefuumlhl die unmit-

1 als eine Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr nun so bin ich3 die Forderung des konsequenten nichts als das konsequente Korr

im Ms4 aumlsthetischen Anschauung Poesie Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr intellekt6 Im Ms folgt gestr Kunst

200

telb[are] Uumlberzeugung den Sinn mit andern Worten die intel-lekt[uelle] Anschauung zum Organ des Absoluten Kant schoballen Inhalt alles Positive der Anschauung in den Sack1 underklaumlrte2 d[as] Denken im Widerspruch mit seiner Erkenntnis3

der Kategorien als immanenter Bestimmungen fuumlr leer alskoumlnnte das Denken denken wenn es nicht sich selbst bestim-mende und erfuumlllende Kraft waumlre als konnte eine leere Kraftwirken taumltig Kraft sein selbst der klare entschieden ideali-stisch[e] Denker Fichte4 macht die intell[ektuelle] Anschauungzur subj[ektiven] Bedingung wenigstens des Anfangs s[einer]Philos[ophie] So arbeiteten die Philosophen den Poeten alleRealitaumlt in den Sack Die Zeit wo der denkende Geist selbstvon sich alle Realitaumlt5 in die Anschauung verwies war es da-her wo sich alle Kraft der ganze Mensch in die Poesie ver-senkte und konzentrieren konnte und in ihr sein Heil und seineRuhe fand Nur diese Zeit konnte einen Goethe einen Schillerhervorbringen Die Kunst w[ar] das ecirctre suprecircme [houmlchsteWesen] Schill[er] stellte die aumlsthet[ische] Bildung als die wah-re Bildung hin Im6 Zus[ammen]hang mit dieser Zeit ist zuerkennen die Bedeutung die Schell[ing] in der Philosophie derKunst gibt und der leichte Eingang Beifall und Ruhm zu be-greifen die bei den jungen Geistern so schnell Sch[elling]fand Was Wunder wenn das aumlsthet[ische] Gefuumlhl die An-schauung das Praumldominierende wurde das Interesse am Ge-danken der Sinn fuumlr das ernste Denken zuruumlcktrat7 Hegel tratdarum in absoluten Gegensatz mit s[einer] Zeit mit dem kate-gorischen Imperativ denkt nur im Denken ist die Wahrheit inihrer wahren Gestalt zu finden Die Forderung zu8 denken warden Leuten ein wahres Memento Mori Sie erschraken undentsetzten sich vor ihm als waumlre es der Sensenmann Selbstjetzt haben sie sich noch nicht erholt als ein Knochengerippeschwebt der Begriff9 noch immer vor ihrer Phantasie Sie haben 1 in den Sack Im Ms gestr2 erklaumlrte machte Korr im Ms3 seiner Erkenntnis Unleserl Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr versetzte5 Im Ms folgt gestr abwies und6 Im Zu Korr im Ms fehlt in A7 zuruumlcktrat [so auch A] auftrat Ms8 zu Hervorgehoben im Ms9 als Begriff das Knochengerippe des Begriffs schwebt Korr im

Ms

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keine andern Namen fuumlr ihn als tot duumlrr1 abstrakt schola-stisch Worte die trivial und nichtssagend [sind] in Bezug aufdie Philosophie 147 denn jede Philos[ophie] die auftrittmacht2 neue Begriffsunterschiede3 die zunaumlchst als scholasti-sche Distinktionen erscheinen jede neue Philos[ophie] abge-sehen davon daszlig d[ie] Phil[osophie] an und fuumlr sich insofernabstrakt ist als die Abstraktion ein unerlaumlszligliches Moment derErkenntnis ist ist abstrakt denn sie geht uumlber das hinaus wasbereits bekannt ausgemacht in die4 Anschauung uumlbergegangenist Mundus vult decipi [Die Welt will betrogen werden] DieWelt w[ird] nur durch den Schein fuumlr das Wesen einer Sachegewonnen Aber so einfach schlicht und anspruchslos H[egel]im Leben war so resigniert5 auch als Schriftsteller Es ist ihmum nichts als die Sache zu tun Seine Sprache ist die Spracheder Wahrheit und Notwendigkeit sie ist nicht reizend undlockend aber voller Energie nicht mild und weich wie Speck-stein sondern hart granitkoumlrnig

Schellings Charakter6 ist der der Rezeptivitaumlt H[egel]s derder Spontaneitaumlt S[chelling] geht darum von Voraussetzungenaus Er pruumlft nicht7 die Bestimmungen die der Philos[ophie]s[einer] Zeit von der Anschauung vom Denken vom Begrifffeststanden er geht nur daruumlber hinaus zur Idee und Anschau-ung des Absoluten er laumlszligt sie aber hinter sich bestehenH[egel] lieszlig es nicht beim Alten bewenden und verknuumlpfte nuraumluszligerlich das Neue mit dem Vorhandenen aber nahm die phi-los[ophischen] Untersuch[ung]en von vorne wieder auf er gingauf die Quelle zuruumlck er unternahm eine Reformation derneuen Philos[ophie] von ihrer untersten Grundlage an derKritik der reinen Vernunft Durch diesen Ruumlckgang auf denIdealismus bekam d[ie] Philos[ophie] jetzt wieder einen ent-schieden idealistischen Charakt[er] aber als vermittelt durchd[ie] Naturphilos[ophie] und die Identitaumlt des Realen und

1 duumlrr leblos Korr im Ms2 macht unterscheidet Korr im Ms3 Begriffsunterschiede Begriffsbestimmungen -beziehungen Korr

im Ms4 in die Unleserl Korr im Ms5 resigniert wenig blendend und in die Augen glaumlnzend ist der Geist

Korr im Ms6 Charakter Im Ms gestr7 pruumlft nicht setzt Korr im Ms

202

Idealen als nicht mehr den Charakter eines subjektiven son-dern objektiven Idealismus

203

[XIX Vorlesung]1 [Hegel]2

148 Die Phaumlnomenologie ist der erste historische Markstein3

oder Grenzscheide zwischen dem gluumlckseligen Lande wo diekoumlstlichsten Fruumlchte ohne die saure Arbeit des Denkens durchdie generatio aequivoca der intellektuellen Anschauung vonselbst gedeihen und vom Baume der Erkenntnis ohne durchd[as] Instrument der Hand gepfluumlckt w[erden] sondern wo[sie] dem Menschen in den Mund fallen und zwischen demkalten Nordlande des Begriffs wo der Mensch sich erst imSchweiszlige seines Angesichts seinen Boden schafft wo er erstdurch die Selbsttaumltigkeit des Idealismus als ein Resultat sicherzeugt was in der intellekt[uellen] Ansch[auung] dem Men-schen noch ehe er zum Denken erwacht im Traume bei derNacht beschert wird Die Phaumlnomenologie beginnt daher aucham fuumlglichsten die Darstellung d[er] Hegelsch[en] Phi-los[ophie] In der Vorrede polemisiert H[egel] gegen den da-maligen Standpunkt der Philos[ophie] namentlich gegen dieErkenntnisweise der Naturphilos[ophie] als einen bloszligenSchematismus und Formalismus und gegen das Absolute bdquoIr-gend ein Dasein wie es im Absoluten ist betrachten bestehthier in nichts anderem als daszlig davon gezeigt w[ird] es seizwar jetzt von ihm gesprochen worden als von einem Etwasim Absoluten dem A = A jedoch gebe es dergleichen garnicht sondern darin sei alles Eins Dies Eine Wissen daszlig imAbsoluten alles gleich ist der unterscheidenden und erfuumllltenoder Erfuumlllung suchenden und fordernden Erkenntnis entge-genzusetzen ndash oder sein Absolutes fuumlr die Nacht auszugebenworin wie man zu sagen pflegt alle Kuumlhe schwarz sind ist dieNaivitaumlt der Leere an Erkenntnisldquo4 Daszlig wir endliche Dingesehen daszlig wir sie nicht im Absoluten sehen daszlig wir ihre Un-terschiede fixieren uumlber sie als eigene Wesen nachdenkendies5 1496 ist nach Sch[elling] nur unsere Reflexion an sichim Wesen im Absoluten sind die Dinge nicht viele nicht un- 1 Am Rande l o Verweis auf 19 Vorlesung2 So auch A3 Im Ms folgt gestr zwischen dem4 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes In System der

Wissenschaften Thl 1 Bamberg ndash Wuumlrzburg 1807 S XIX5 Im Ms folgt dies6 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 75

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terschieden Sie im Absoluten betrachten heiszligt daher sie nichtin ihrer Besonderheit betrachten heiszligt sie in die Nacht dernicht unterscheidenden Einheit versenken Aber diese Be-trachtungsweise ist keine Erkenntnis ein wesentliches Momentder Erkenntnis ist die Besonderheit Nach Sch[elling] ist daherdie Reflexion die absolute Suumlnde der Suumlndenfall sie ist dasPrinzip der Endlichkeit Alle Schuld waumllzt er auf das arme Ichdas Subjekt ndash das ist der leibhaftige Teufel selbst Allein damitist was erklaumlrt w[erden] soll nicht erklaumlrt Was ist denn derGrund der Reflexion Warum komme ich dazu die Dinge nichtin Gott zu sehen Weil ich mich abtrenne es wird also daswas erklaumlrt w[erden] soll die Trennung durch das selbst erst zuErklaumlrende ndash eben durch die Trennung erklaumlrt Das Raumltsel kanndaher nur dadurch geloumlst werden daszlig die Reflexion selbst alsein Moment d i als ein wesentliches gewichtiges Ingredienzdes Absoluten erkannt w[ird] bdquoEs ist ein Verkennen der Ver-nunftldquo sagt H[egel] bdquowenn die Reflexion aus dem Wahrenausgeschlossen und nicht als positives Moment des Absolutenerfaszligt wirdldquo(p 24)1 Wesentlich unterscheidet sich also H[egel]darin von Sch[elling] daszlig H[egel] das Erklaumlrungsprinzip derEndlichkeit der Pluralitaumlt der Differenz der Verstandesweltwelches bei Schell[ing] nur im Subjekte liegt nur auf Rech-nung des menschlichen subjektiven Verstandes geschobenw[ird] daher in Schell[ing] ein Unerklaumlrtes Unbegreiflicheswillkuumlrlich Angenommenes ist ndash denn wie gesagt woher istdenn dieser kuumlnstliche Verstand ndash als ein objektives Prinzipeine Bestimmung des Absoluten selbst erkennt Die Differenzzwischen Sch[elling] und H[egel] ist daher keine formelle dienur in der Form liegt so daszlig etwa H[egel] die Schelling[schen]Ideen nur in eine Schulform in [ein] System gebracht habe sieist eine 150 Differenz im Prinzip es ist nicht mehr dasselbees ist ein anders bestimmtes ein reicher erfuumllltes in Wahrheitein andres Prinzip denn eine Philosophie unterscheidet sichuumlberhaupt nur dadurch daszlig sie zu dem Begriff des Absoluteneinen Begriff der im fruumlhern Systeme ausgelassen w[ar] d hwohl da war aber nicht auf wahrhafte Weise synthetisch hin-zugefuumlgt So hat wie wir sahen Leibniz zu dem Begriff derSubstanz den Begriff der Unterscheidung der selbsttaumltigenKraft hinzugefuumlgt Bei Spinoza war auch der Unterschied daaber bei ihm ist es auch nur der menschliche Verstand eigent- 1 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes a a O S XXIV

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lich wie bei Schelling der die Substanz in denkende und aus-gedehnte Substanz begreift der uumlberhaupt Unterschiede setztdie Dinge als unterschiedne selbststaumlndige Substanzen fixiertan sich der Substanz nach ist kein Unterschied L[eibniz] un-terscheidet sich daher nur dadurch von Sp[inoza] daszlig er diesessubjektive Erklaumlrungsprinzip den Unterschied verobjektivierteals eine Bestimmung der Substanz selbst erkannte und setzteEbenso unterscheidet sich Hegel von Schelling wie Leibnizvon Spinoza1 dieses Gleichnis findet [sich] in vielen StudienStatt Reflexion koumlnnen wir das Wort Verstand gebrauchen derVerstand ist es der den Unterschied festhaumllt fixiert der sichdaher auch so gegen den Pantheismus straumlubt die Identitaumltnicht begreift der nur das Endliche sieht Wir muumlssen abernicht an uns bloszlig denken sondern uumlberhaupt den Verstand2

setzen [als] das allgemeine Principium discernendi Das Unter-scheidungsprinzip ist aber ndash und hiermit kommen wir an einwichtiges Wort an eine Gedankenbestimmung die in der He-gelschen Philosophie eine bedeutende Rolle spielt auf derenErkenntnis daher alles ankommt ndash das Prinzip der Negativitaumltoder Andersheit Wenn ich unterscheide so behaupte ich daskommt dem3 Gegenstande zu das nicht Die Behauptung istunmittelbar zugleich Verneinung bdquoAlle Dingeldquo4 sagt derSchuster Jakob B[oumlhme] 1515 bdquobestehen aus Ja und Neinldquo6

In jedem Unterschied liegt notwendig ein Nicht ein Nein alsoeine Negation Ja den Unterschied in aller Schaumlrfe gefaszligt so istjustement das Eine nicht was das Andre ist Determinatio estnegatio sagt S[pinoza] die Bestimmtheit ist Verneinung7Nichtsein im Gebiete der bestimmten Dinge ist das nicht im-mer ein bestimmtes Nicht eine eigene Beschaffenheit dieNegation ist immer ein Positives Aber an sich betrachtet ab- 1 Spinoza [so auch A] Schelling Ms ndash Im Ms folgt obwohl2 Wir Verstand Statt Korr im Ms ndash Im Ms folgt Verstand setzen

wir3 dem einem Korr im Ms4 Im Ms folgt bestehen5 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 766 Vgl J Boumlhme Betrachtung Goumlttlicher Offenbarung In Alle theo-

sophischen Wercken hellip T 14 Amsterdam 1682 3 Frage 2 S 18ndash Im Ms folgt gestr Ich verneine ich w[ill]

7 Vgl B Spinoza Epistolae doctorum quorundam virorum ad B DS hellip In Opera quae supersunt omnia Vol I Ienae 1802Epistola L (versio) S 634

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gezogen von den verschiedenen Dingen ist die BestimmtheitNegatio Verneinung schlechtweg Nichtsein ein absolutesNicht Der Unterschied ist daher eins mit dem Begriffe derSchranke Grenze oder der Beschraumlnkung und Begrenzung derLimitation Ein Ding unterscheiden heiszligt es begrenzen DerUnterschied eines Dings ist die Grenze desselben innerhalbwelches es ist was es ist mit deren Aufhebung das Ding selbstverschwaumlnde Der Unterschied ist eben damit das Prinzip derGrund der Endlichkeit Der Unterschied ist aber wieder wiewir schon bei Leibn[iz] sahen eins mit dem Begriffe des Fuumlr-sichseins Indem ich unterscheide isoliere fixiere1 separieresetze [ich] ein Ding fuumlr sich selbst mache es zu einem Subjek-te gleichsam zu einem Ich Ich selbst erfasse mich ja nur alsIch als fuumlr mich seiend indem ich andere von mir ausschlieszligeund mich von ihnen absondere Das Prinzip des Unterschiedsist daher eins mit dem Grunde der Subjektivitaumlt Hegel setztealso das Prinzip der Negativitaumlt der Subjektivitaumlt des Unter-schieds der Endlichkeit als ein wesentliches Moment des Ab-soluten Hieraus ergeben sich nun die weiteren Unterschiedezwischen Schell[ing] und H[egel] und hieraus werden wir so-gleich den Sinn gewisser Ausdrucksweisen bei H[egel] erken-nen die dem der sie nicht versteht als bloszlige Formeln erschei-nen H[egel] gebraucht die Formen oder Denk- und Wesensbe-stimmungen Ansichsein Fuumlrsichsein An- und Fuumlrsichsein sehrhaumlufig Diese sind nichts weniger als Formeln sondern houmlchstein- und angreifende Spezifika An sich d h2 im Absolutensind die Dinge nicht unterschieden sie sind es nur fuumlr uns dasAbsolute ist daher das Ansichsein der Dinge der Unterschiedihr Fuumlr-uns-sein So ist es auch mit der Substanz Der Gegen-satz 152 dagegen ist das Fichtesche System in dem das Fuumlr-sichsein die wesentl[iche] Bestimmung ist Das Ich ist fuumlr sichdas Sein der Dinge ist nur ein Sein fuumlr uns daher man derFichteschen Philos[ophie] auch im Allgemeinen den Namender Reflexionsphilosophie gab F[ichte] koumlnnen wir sagendaher erfaszligte das Absolute als Fuumlrsichsein Sch[elling] alsAnsichsein denn er laumlszligt zwar das Ich bestehen als Absolutesaber im Fortgang seiner Philosophie hebt3 er nur das Ansich-sein die Identitaumlt hervor er verknuumlpft daher nur mechanisch 1 Im Ms folgt gestr unleserl Wort2 d h sind Korr im Ms3 hebt erhebt Korr im Ms

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nicht organisch den Idealism[us] mit dem Pantheismus so wieer an die Identitaumlt kommt so schwindet ihm aus den Augen dasPrinzip des Fuumlrsichseins des Unterschieds der IdealismusH[egel] dagegen indem er das Prinzip der Reflexion des Fuumlr-sichseins als Moment des Absoluten faszligt sagt das Wahre istnur als An- und Fuumlrsichsein zu fassen Die Philos[ophie]H[egel]s ist daher eine wahrhaft dynamische nicht mechani-sche Durchdringung und Vermittlung des Idealism[us] mitdem Pantheism[us] Schell[ing] rezipierte aumluszligerlich denF[ichte] F[ichte] lag ihm wie ein Stein im Magen er ist ihmein Gegebnes er kommt nur los von ihm in der absolutenIdentitaumlt er verbindet in s[einer] Philos[ophie] allerdingsI[dealismus] und P[antheismus] aber da wo sein Ide[alismus]ist ist nicht d[er] Panth[eismus] und umgekehrt wo seinPanth[eismus] ist da ist nicht s[ein] Idealis[mus] H[egel]erzeugt aus sich den F[ichte] wieder hervor er ist ein ur-spruumlngliches selbsteignes Produkt Der Charakter H[egel]s istuumlberhaupt der der Spontaneitaumlt Schellings der der Rezeptivitaumlteine Verschiedenheit des Charakters die schon ihre Spracheausdruumlckt Weibliche Milde bezeichnet Schell[ings] maumlnnlicheKraft H[egels] Spr[ache] Sie ist oft hart schwerfaumlllig unver-staumlndlich abstoszligend aber voller Energie gedraumlngt granitkoumlr-nig oft wahrhaft groszligartig Eigenschaften die schon aus ihrenobersten Prinzipien flieszligen uumlber der Schelling[schen] Dar-stell[ung] schwebt die Indifferenz aber H[egel] setzt schon indas oberste Prinzip die Kraft der Differenz das Prinzip desunterscheidenden Verstandes Analysieren wir nun was allesin jenem einfachen Begriff des An- und Fuumlrsichseins liegt DasAnsichsein ist uumlberhaupt die Einheit das Fuumlrsichsein der Un-terschied1 Nicht die unmittelbare Einheit die Einheit an sichsondern die Einheit durch den Unterschied die vermittelteEinheit ist die wahre In bezug auf das Wissen ausgesprochen2

hat dies folgenden Sinn das Wahre macht sich selbst zumGegenstande aber eben weil das Fuumlrunssein ein3 objektivesMoment des Absoluten selbst ist so ist dieses Fuumlr- 1534 uns-

1 Das Unterschied Das Fuumlrunssein ist also eine objektive Bestim-

mung des Seins selbst oder der Substanz oder des Wahren d hnichts anderes als Korr im Ms

2 Im Ms folgt gestr heiszligt dieses3 ein [so auch A] eine Ms4 Am Rande r o Hinweis auf 19 Vorles[ung] und Paginierung S 77

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sein sein Fuumlr-sich-sein sein Ruumlckgang in sich selbst seineBeziehung auf sich sein An- und Fuumlrsichsein1 Wenn wir sa-gen alle Dinge sind an sich oder im Absoluten identisch oderdas Absolute ist die Identitaumlt so ist das nur eine Behauptungeine Assertion es ist nicht nachgewiesen es muszlig aus demUnterschiede bewiesen oder erzeugt w[erden] Der Beweis istdie Vermittlung wie von selbst erhellt Die intellektuelle An-schauung ist kein Beweis sie schlieszligt vielmehr die Vermitt-lung aus sie setzt schlechtweg gleich am Anfange das Absolu-te sie sagt ich kann Dir kein Mittel an die Hand geben Dumuszligt es sehen alles Mittelbare gehoumlrt nur der Reflexion anDagegen heiszligt es jetzt erst das als das Absolute als das Wahrebewiesene Absolute ist das Wahre Das Absolute soll nichtbloszlig fuumlr die Anschauung sondern auch fuumlr die Reflexion seinEs ist nicht so vornehm daszlig2 nur der Geburtsadel der An-schauung bei ihm Zutritt hat es ist auch auf dem Wege derMittelbarkeit zu erreichen Denn bdquodaszlig das Wahre nur als Sy-stem wirklich oder daszlig die Substanz wesentlich Subjekt ist istin der Vorstellung ausgedruumlckt welche das Absolute als Geistausspricht ndash der erhabenste Begriff der der neuern Zeit undihrer Religion angehoumlrt ndash das Geistige allein ist das Wirklichees ist das Wesen oder an sich seiende ndash das sich Verhaltendeoder Bestimmte das Anderssein und Fuumlrsichsein ndash und in die-ser Bestimmtheit oder seinem Auszligersichsein in sich bleibendeoder es ist an und fuumlr sichldquo Der Geist ist diese Bewegungsich ein anderes d h Gegenstand s[eines] Selbsts zu werdenund dieses Anderssein aufzuhebenldquo3

Die4 Reflexion ist selbst5 ein Moment des Absoluten d halso die Vermittlung6 ein Moment des Wahren Es ist also Re-

1 Im Ms folgt gestr Oder mit anderen Worten das Absolute ist kein

ruhiges Ansichsein das nur wir von dem Fuumlrunssein unterscheidensondern es selbst macht diesen Unterschied es entzweit sich inObjekt und Subjekt es erzeugt den Standpunkt der Reflexion dasPrinzip der endlichen Verstandeswelt aber diese Reflexion ist jasein eignes Moment es ist darin in sich selbst zuruumlckgekehrt

2 Im Ms folgt gestr es3 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes a a O S XLIII4 Die die Korr im Ms5 selbst jetzt Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr ist

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sultat1 der Vermittlung durch den Unterschied Das Wahre istdas sich mit und durch sich selbst Vermittelnde es ist Resultatseiner selbst es ist das Wahre nur als [das] sich selbst bewei-sende Wahre es ist nur als sich selbst erzeugende Taumltigkeit Eskommt darauf an daszlig das Wahre das was es an sich ist auchfuumlr sich selber sei So ist es erst An und fuumlr sich sein Die Re-flexion geht aus dem Absoluten heraus und setzt die endlichenDinge das Mittelbare aber nicht so d[as] Absolute geht aussich selbst heraus und in sich wieder zuruumlck und so als in sichselbst Zuruumlckgekehrtes ist es erst das Wahre2 Es moumlge H[egel]sprechen s[eine] Worte muumlssen jetzt verstaumlndlich sein bdquoEskommt nach meiner Einsicht alles darauf an das Wahre nichtbloszlig als Substanz sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassenund auszudruumlckenldquo3 Eben bei Sp[inoza] bei Schell[ing] tretendie Dinge nur 154 fuumlr das denkende reflektierende Subjektaus der Substanz hervor aber nach H[egel] ist die Substanzselbst Subjekt die Subst[anz] geht fuumlr sich selbst aus sich her-aus bdquoDie lebendige Substanz ist Subjekt nur insofern sie dieBewegung des sich selbst Setzens oder die Vermittlung dessich anders Werdens mit sich selbst istldquo4 bdquoNur diese sich wie-derherstellende Gleichheit oder die Reflexion im Anderssein insich selbst ndash nicht eine urspruumlngliche Einheit als solche oderunmittelbare als solche ist das Wahre Es ist das Werden seinerselbst der Kreis der s[ein] Ende als s[einen] Zweck voraus-setzt und zum Anfang hat und nur durch die Ausfuumlhrung unds[ein] Ende wirklich istldquo5 bdquoDas Wahre ist das Ganze DasGanze aber ist nur das durch s[eine] Entwicklung sich vollen-dende Wesen Es ist von dem Absoluten zu sagen daszlig es we-sentlich Resultat daszlig es erst am Ende das ist was es in Wahr-heit ist und hierin eben besteht s[eine] Natur WirklichesSubjekt oder sich selbst Werden zu seinldquo6 bdquoSo widersprechendes scheinen mag daszlig das Absolute wesentlich als Resultat zu 1 Wahren Resultat Wahren erst das bewiesene Absolute ist das

wahre Absolute er ist aber das Resultat Korr im Ms2 Am Rande Oder die Einheit ist nur als den Unterschied selbsttaumltig

setzende und den Unterschied wieder in sich zuruumlcknehmende Ein-heit wahre Einheit So als Resultat der Vermittlung durch den Un-terschied ist sie die wahre

3 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes a a O S XX4 Vgl ebenda S XXI5 Vgl ebenda S XXI6 Vgl ebenda S XXIII

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begreifen sei so stellt doch eine geringe Uumlberlegung diesenSchein von Widerspruch zurecht Der Anfang d[as] Prinzipoder d[as] Absolute wie es zuerst und unmittelbar ausgespro-chen w[ird] ist nur d[as] Allgemeine Sowenig wenn ich sagealle Tiere dies Wort fuumlr eine Zoologie gelten kann ebenso faumllltes auf daszlig die Worte des Goumlttlichen Ewigen Absoluten uswdas nicht aussprechen was darin enthalten ist und nur solcheWorte druumlcken in der Tat die Anschauung als das Unmittelbareaus Was mehr ist als ein solches Wort der Uumlbergang auch nurzu einem Satze ist ein Anderswerden das zuruumlckgenommenwerden muszlig ist eine Vermittlung Diese aber ist das was per-horresziert [verabscheut] w[ird] als ob dadurch daszlig mehr ausihr gemacht w[ird] denn nur dies daszlig sie nichts absolutes undim Absoluten gar nicht sei die absolute Erkenntnis aufgegebenwaumlreldquo1 Dieses letztere ist nun so zu verstehen wenn ich 1552

das Absolute an die Spitze oder am Anfang gleich setze so istdieses zunaumlchst nur ein Wort es kommt auf die Bestimmungan Ich gebe daher dem Subjekt ein Praumldikat ich bestimme esz B als den Geist3 ich gehe daher uumlber das Subjekt hinaus zueinem Verschiedenem Anderem das Subjektive ist zunaumlchstdas Unbestimmte Sein an sich Unmittelbarkeit sein Be-stimmtsein ist sein Anderssein Der Geist4 ist nicht dasselbemit dem Absoluten das waumlre eine bloszlige Tautologie ich will jaeben Etwas von ihm Bestimmtes wissen und gehe eben des-wegen uumlber es hinaus Aber zugleich gehe ich in dem Praumldikatewieder auf das Subjekt zuruumlck erst im Praumldikate wird mir dasSubjekt Objekt wird es mir als das was es ist Gegenstand ichbegreife es jetzt erst im Praumldikate verschwindet mir das Sub-jekt nicht sondern ich beziehe es wieder zuruumlck auf das Sub-jekt Ich vermittle aber5 ich hebe die Vermittlung auf DieErkenntnis ist eine mittelbare nur vermittelst eines Praumldikatserkenne ich das Subjekt aber ich hebe zugleich diese Vermitt-lung auf indem ich im Praumldikate6 auf den Anfang zuruumlckgeheindem ich bei dem Subjekte bin Diese Bewegung diese Taumltig-keit erscheint nun als eine Taumltigkeit meiner selbst als eine nur

1 Vgl ebenda S XXIII-XXIV2 Am Rande r o Verweis auf 19 Vorles[ung] und Paginierung S 783 den Geist das Einfache Wahre Korr im Ms4 Der Geist Das Einfache Korr im Ms5 Ich aber Diese Taumltigkeit diese Bewegung Korr im Ms6 auf in Korr im Ms fehlt in A

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subjektive Taumltigkeit Aber H[egel] sagt Nein Diese Taumltigkeitist das wahre das Absolute selbst und das Absolute ist darumder Geist Denn die Natur des Geistes ist nur durch Unter-scheidung Einheit mit sich selbst zu sein Nur die Unmittelbar-keit die Resultat der Vermittlung ist ist die wahre die geistigeUnmittelbarkeit

Das Organ oder die Form des Absoluten ist daher bei Hegel1

nicht die Anschauung sondern der Begriff Er ist die Selbst-bewegung des Gegenstandes eben jene Taumltigkeit der Vermitt-lung mit sich selbst Er ist ihm eine objektive Form er verstehtdaher etwas ganz andres unter dem Begriffe als in den ge-woumlhnlichen2 Logiken darunter verstanden w[ird] die nur einfa-che Vorstellungen wie H[egel] sie nennt sind Der Begriff istihm wesentlich die Einheit 156 unterschiedener Bestimmun-gen keine Abstraktion keine leere sondern eine fruchtbareEinheit er ist ihm das was dem Leibniz die Monaden sind dieer urspruumlngliche Kraumlfte Entelechien nennt Der Begriff ist ihmdas was ein System ein Organismus in sich [ist] Am anschau-lichsten koumlnnen wir es aus dem organ[ischen] Leben machenwie denn H[egel] selbst d[as] Beispiel des Keimes gebraucht ndashein Beispiel das zugleich ein Bild von der Methode der Hegel-schen Philos[ophie] gibt Der Zweck einer Sache ist ihr BegriffDer Zweck der Pflanze ist die Frucht Dieser Zweck ist ihreSeele ihr Bewegungsprinzip Die Pflanze waumlchst bis sieFruumlchte bringt dies ist ihr Trieb Pflanzen die man in der Luftaufhing und ihnen so alle Nahrung entzog aus dem Boden sahman alle ihre Kraumlfte und Saumlfte noch zusammenraffen und kon-zentrieren um eine Frucht hervorzubringen und ihre Zweckbe-stimmung so3 zu erreichen Mit der Frucht ist ihr Lebenslaufbeschlossen Aber die Frucht existiert schon [] implizit imKeime der Keim ist der Inbegriff der Pflanze sie entwickeltsich aus ihm aber in ihm existieren die Unterschiede die sichspaumlter ausbreiten zusammengefaszligt in einfacher Einheit derKeim ist der Kraft der potentia nach schon die ganze Pflanzeer ist die Monade die Vis primitiva Aber die Pflanze faszligt sichwieder in der Frucht in die erste Einheit zusammen die Ent-wicklung hat keinen Zweck als die Frucht Es ist also einKreislauf eine in sich selbst zuruumlckgehende Taumltigkeit eine am 1 Im Ms folgt gestr die2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort3 so zu Korr im Ms

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Ende in den Anfang zuruumlck sich wendende Bewegung eine1

zur Unmittelbarkeit sich aufhebende VermittlungDer Begriff ist daher wesentlich nach Hegel als die in2 sich

zuruumlckkehrende Taumltigkeit3 erst das Resultat Erst im Resultatoffenbart sich nur das wahre Prinzip der wahre Begriff einerSache

1574 Der Begriff ist dem H[egel] daher nicht die dem We-sen Gegenstande aumluszligerliche Taumltigkeit eines Subjekts er ist dieimmanente Subjektivitaumlt die Selbstheit die Seele des Gegen-standes selbst Der Begriff ist daher die adaumlquate Form dieselbst absolute Form des Absoluten Die in diesem Sinne be-greifende Erkenntnis ist die mit ihrem Gegenstande5 identi-sche Erkenntnis die wahre die absolute Erkenntnis Die wahreErkenntnis ist aber uumlberhaupt die wo das6 Gewuszligte7 selbst dasWissende ist Das Wissen des Geistes von sich selbst ist daherdas houmlchste Wissen die SelbstndashBeschauung die Selbsterkennt-nis des Geistes die houmlchste Erkenntnis Die Phaumlnomenologieist nun die Wissenschaft die vermittelt diese Erkenntnis sie istdie Wissenschaft von dem erscheinenden Geist von dem Be-wuszligtsein wo der Geist sich nicht zu sich selbst verhaumllt son-dern zu einem Andern einem Gegenstande der Weg wie derGeist durch verschiedene Stufen sich zur Erkenntnis des Gei-stes als des Absoluten zum absoluten Idealism[us] erhebt Dieunterste Stufe ist die sinnliche Gewiszligheit und der Zweifel anihrer Realitaumlt

1 Im Ms folgt gestr Vermittlung2 H[egel] in H[egels] System Nur die ganze entfaltete Wissen-

schaft gibt erst den Begriff der Wissenschaft aber weil der Begriffdie sich Korr im Ms

3 Im Ms folgt gestr ist4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 795 Im Ms nur teilw unterstr6 Im Ms folgt gestr Wissen und ndash Im Ms folgt das7 Im Ms folgt gestr identisch sind

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XX Vorlesung1 [Hegel]2

Die Phaumlnomenologie ist die Geschichte von dem Befreiungs-kampfe des Geistes mit der gegenstaumlnd[lichen] Welt als einervon ihm unterschiednen und entgegengesetzten Welt ihr Zielist den Geist als die absolute Realitaumlt zu erkennen Sie ist derWeg wie der Geist zu sich selbst kommt Der Fichtesche Idea-lismus aber nicht mehr in einer beschraumlnkten subjektiven Formsondern in3 absoluter Bedeutung ist die4 zugrundeliegendeIdee Der bei sich selbst nicht bei einem Objekte als einemandern seiende Geist ist der sich selbst zum Objekt habendeder sich selbst denkende Geist Hier ist das Gedachte und Den-kende identisch die absolute Identitaumlt ist nur der sich selbstdenkende Geist ndash das Denken des Denkens Aber das Denkenist nicht mehr in dem subjektiven Sinne genommen 158 wiebei F[ichte] es bedeutet nicht mehr den sich als Ich wissendenGeist sondern den Geist an und fuumlr sich den Geist gedacht alsWesen als Substanz Die Wissenschaft die das Denken desDenkens zu ihrem Gegenstande hat ist die Logik Die Logik istdaher die erste5 Wissenschaft Sie ist es aber nicht in dem Sin-ne wie die gewoumlhnliche Logik die sich nur mit den Formendes subjektiven menschl[ichen] Geistes beschaumlftigt sie hat dieBestimmungen des Denkens zugleich als Wesensbestimmungenzu ihrem Objekt sie ist daher Metaphysik bdquoDenken ist einAusdruck der die in ihm enthaltene Bestimmung vorzugsweisedem Bewuszligtsein beilegt Aber insofern gesagt w[ird] daszligVerstand daszlig Vernunft in der gegenstaumlndlichen Welt ist daszligder Geist und die Natur Gesetze haben nach welchen ihr Le-ben und ihre Veraumlnderungen sich machen so wird zugegebendaszlig die Denkbestimmungen ebenso sehr objektiven Wert undExistenz habenldquo Einleitung zur Logik (p 15)6 D h7 Bestim-mungen die8 unser subjektives Denken selbst zu seiner Vor-

1 Am Rande Verweis auf 20 Vorlesung2 So auch A3 Im Ms folgt gestr einer4 die [so auch A] der Ms5 Im Ms folgt gestr und houmlchste6 G W F Hegel Wissenschaft der Logik 1 Th Die objektive Logik

Nuumlrnberg 1812 S 14-157 dh die Korr im Ms8 die Unles Korr im Ms fehlt in A

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aussetzung hat die der Grund desselben wie der Realitaumlt derDinge sind Sein Wesen Ursache Quantitaumlt Qualitaumlt dieBeschaffenheit sind Bestimmung[en]des Denkens BegriffeFormen nur durch sie ist mir ein Objekt gegeben ohne siekann ich nichts denken und nicht nur ohne sie (negativ) neinnur durch sie kann ich ein Objekt denken sie sind OrganeInstrumente1 In den gemeinsten sinnlichsten Urteilen undSaumltzen sind sie nur unbewuszligt wirksam sage ich dieses Blattist gruumln gefaumlrbt oder es hat gruumlne Farbe so unterscheide ichBlatt und Farbe und denke mir das Blatt einmal als ein unmit-telbar bestimmtes Subjekt ich denke die Farbe als eine unmit-telbare Affektion das andre mal unter einem lockern Verhaumllt-nisse unter der Kategorie des Habens Haben druumlckt keineunmittelbar[e] sondern eine mittelbare trennbare Identitaumlt ausEbenso wenn ich sag[e] die Seele ist einfach unteilbar sodenke ich die Seele unter2 der Kategorie der Einfachheit DieseBestimmung[en] sind Gedanken Die Erfahrung zeigt mir[nicht] die3 Quantitaumlt nicht die Qualitaumlt sondern immer nureine bestimmte Groumlszlige eine bestimmte Qualitaumlt ebenso ist dasWesen nie Objekt der Sinnlichkeit es ist keine sinnliche Sub-stanz Die Welt enthaumllt nur bestimmte Wesen Dies gilt vonallen4 allgemeinen Begriffen wie Verschiedenheit EinheitAber gleichwohl sind diese Bestimmungen 159 reale objekti-ve Bestimmungen bdquoDie notwendigen Formen und eigenenBestimmungen des Denkens sind die houmlchste Wahrheit selbstldquo5bdquoWenn sie nicht Bestimmungen des Dings an sich sein koumln-nen so koumlnnen sie noch weniger Bestimmungen des Verstan-des sein dem wenigstens die Wuumlrde eines Dings an sich zuge-standen werden sollteldquo (p 9)6 Das System der Logik ist dasReich der Schatten die Welt der einfachen Wesenheiten vonaller sinnlichen Konkretion befreitldquo (p 27)7 Sie ist das bdquoSy-stem der reinen Vernunftldquo das bdquoReich des reinen Gedankensldquo(p13)8 bdquoSie ist die reine Wiss[enschaft] befreit von dem Ge-

1 Im Ms folgt gestr Sage ich2 Im Ms folgt gestr einem3 die keine Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr B[egriffen] Fehlt in A5 Vgl G W F Hegel Wissenschaft der Logik a a O S 136 Ebenda S 87 Ebenda S 278 Vgl ebenda S 13

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gensatze des Bewuszligtseinsldquo Sie beruht auf dem Begriffe daszligbdquodas an sich Seiende der Begriff und der Begriff das an sichSeiende istldquo1

Wie koumlnnte ich auch etwas erkennen wenn die Bestimmungenin denen ich denke und denken muszlig nur subjektive nicht ob-jektive an und fuumlr sich seiende Bedeutung haumltten Sie sind2

aber nicht subjektiven Ursprungs also nicht subjektive Wesensubjektiver Bedeutung denn sie entspringen nicht durch Ab-straktion die Abstraktion wie all3 unser bestimmtes bewuszligtesDenken setzt sie voraus als ihre Moumlglichkeit oder richtigerGrundprinzipien Es sind bdquoobjektive Gedankenldquo Vires primiti-vae Entelechien bestimmende Urkraumlfte bdquoSeelenldquo wie sieH[egel] nennt und sie bestimmen nicht nur unser Denken siebestimmen die Dinge selbst die logischen Formen sind uumlber-sinnliche Wesenheit[en] in denen alles was real ist seinenGrund und sein Bestehen habe

Diese Auffassung und Bedeutung der Logik ist es nun wo-mit H[egel] am meisten ebensowohl gegen den delikaten andie Suumlszligigkeiten der aumlsthetisch[en] und intellekt[uellen] An-schauung als gegen den an die Hausmannskost der Empiriegewoumlhnten Geschmack Anstoszlig bei s[einer] Zeit erregte Inwessen Munde waren denn nicht Goethes Worte uumlber die Lo-gik im Fauste die aufgeblaumlhte Genialitaumlt und Vornehmtuerei160 glaubte sich ja laumlngst uumlber alle logischen Gesetze erha-ben empoumlrte sich in die alte Knechtschaft der Logik wiederzuruumlckgefuumlhrt zu w[erden]4 Allein die Logik im Sinne Hegelsin der Art wie er sie auffaszligte ist nicht die alte L[ogik] sieweicht dem Inhalte und der Methode [nach] unendlich von ihrab schon dadurch daszlig sie Metaphysik eigentliche Philosophieist Und es ist toumlricht zu glauben daszlig der menschliche Geist inirgendeiner Produktion uumlber die logischen Gesetze hinauskoumln-ne die man aber nicht als Gesetze sondern als Selbstbestim-mungen der Vernunft fassen muszlig5 so toumlricht als wenn einSeiltaumlnzer glaubte [sich] bestimmten Gesetzen der Natur ent-

1 Ebenda S XII2 sind haumltten Korr im Ms3 all alles A4 Vgl J W v Goethe Faust Eine Tragoumldie neue Aufl Stuttgart ndash

Tuumlbingen 1825 S 118-1195 Uumlber der Zeile Man muszlig nur nicht darunter die trocknen Schluszlig-

formen und die formelle Konsequenz verstehen

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ziehen [zu koumlnnen] daszlig die mannigfaltigen Wendungen undStellung[en] s[eines] Koumlrpers absolut willkuumlrlich nicht ge-setzmaumlszligig bestimmte Bewegungen waumlren1 Selbst in demphantastischsten2 Maumlrchen in dem freisten Spiele der Phantasieherrscht wenn es nicht barer Tollhaumluslerunsinn ist HarmonieEinheit in den disparatesten Elementen herrscht Gesetz Not-wendigkeit herrscht Logik Auch der Kuumlnstler ist ein Logiker3Des4 denkenden M[enschen] ist es unwuumlrdig durch die Viel-heit Beweglichkeit Mannigfaltigkeit der Dinge sich den Kopfverwirren zu lassen und die Unrealitaumlt der einfachen logischenFormen deswegen zu glauben Das Leben ist freilich Freiheitja ein Spiel der Willkuumlr aber ein Spiel in dem ein Sinn liegt indem Gesetz Gedanke herrscht Eine Freiheit die nicht Ver-nunft ist ist die Freiheit des Wahnsinns La nature de Dieu esttoujours fondeacutee en raison [Die Natur Gottes begruumlndet sichimmer in der Vernunft] sagt schon Leib[niz] Die vernunftloseFreiheit ist der5 absolute Wahnsinn unserer Zeit Die Vernunftnegieren heiszligt Gott leugnen6 Alles7 in der Natur strebt nachGestalt nach Form Selbst der Wassertropfen braucht nur ausdem Zus[ammen]hang mit der ganzen Masse herausgerissen[zu werden] um zur Kugelgestalt zu streben Aber wo Formist Ordnung und Wahrheit ist Sinn und Verstand8 Unser Koumlr-per selbst ist ein System aber wo System ist ist Logik DieUnterbrechung selbst eines Gesetzes in der Natur in der Ge-schichte ist selbst wieder ein Gesetz nur ein houmlheres GesetzDas innigste seelenvollste ist der Ton Aber worauf reduziert

1 ein waumlren man glaubte irgendein Koumlrper koumlnne sich dem Ge-

setze der Schwere entziehen Korr im Ms - Am Rande unleserlErg

2 phantastischsten tollsten Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr Selbst die Natur ist nicht bloszlig ein Geometer und

Mechaniker sondern ein Logiker Am Rande Man muszlig unter logi-scher Notw[endigkeit] nur nicht die formelle Konsequenz verste-hen

4 Des Eines Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Wahn6 Vgl G W Leibniz Lettres agrave M Thomas Burnet hellip In G G

Leibnitii Opera Omnia hellip Tom VI Pars I Genevae 1768 LettreXI S 274

7 Einfuumlgung am Rande Selbst die Natur ist nicht bloszlig ein Geometerund Mechaniker sondern auch Logiker

8 Ordnung Verstand Vernunft Korr im Ms

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sich der Ton Auf mathematische Gesetze auf 1611 Zahlender Ton der Saite auf eine bestimmte Anzahl von Schwingun-gen Wie maumlchtige Naturwirkungen bringen die chemischenStoffe hervor Aber ein bestimmter chemischer Stoff kommtnicht dadurch zustande daszlig ich gesetz-2 und vernunftlos Massemit Masse vermische3 sondern nur dadurch daszlig die ihn kon-stituierenden Stoffe unter einem ganz genau haarscharf be-stimmten quantitativen Verhaumlltnis miteinander gemischt wer-den Nicht in dem Stoffe den der sinnliche M[ensch] allein fuumlrdas Reale das Imponierende haumllt in dem bestimmten Zahlen-verhaumlltnis unter welchem die Teile gemischt w[erden] liegtdas konstituierende Prinzip So ist uumlberall das Abstrakte dieBasis des Konkreten das Abstrakte aber eben deswegen keinAbstraktes kein Totes sondern eine Entelechie Selbst imIndividuellsten im Gebiete der Neigungen herrscht nicht derZufall der Willkuumlr Selbst Baco der sinnliche Baco4 betrachtetdas was gewoumlhnlich die M[enschen] allein fuumlr das Konkrete anden Dingen halten nur fuumlr eine Maske und bestimmte als dieAufgabe der Naturwissenschaft daszlig sie der Maskerade ein5

Ende machen und auf die ewigen und einfachen Gesetz[e] dieer auch Formen nennt die Mannigfaltigkeit der Naturerschei-nungen reduziere6 Er sagt daher deswegen ist die Metaphysik 1 Am Rande r o Verweis auf XX Vorlesung und Paginierung S 812 gesetz- [in A gesetz] Gesetz Ms3 vermische [so auch A] vermischt Ms4 Im Ms folgt gestr der so sehr auf die empirische5 ein [so auch A] eine Ms6 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

Francofurti 1665 lib II Aph XXXV S 366 Zitat lautet bdquoAt In-stantiae Foederis ostendunt operationes amp effectus quae deputan-tur alicui ex illis Heterogeniis ut propria competere etiam aliis exHeterogeniis ut convincatur ista Heterogenia (quae in opinioneest) vera non esse aut essentialis sed nil aliud esse quam Modifi-catio Naturae communis Optimi itaq sunt usus ad elevandum ampevehendu Intellectum agrave Differentiis ad Genera amp ad tollendum lar-vas et simulachra rerum prout occurrunt amp prodeunt personatae insubstantiis Concretisldquo [bdquoZeigen die verbuumlndeten Faumllle wie Tauml-tigkeiten und Wirkungen die von einer dieser ungleichartigen Ei-genschaften als nur zu ihr gehoumlrig ausgesagt werden sich ebensoauf die entgegenstehenden Eigenschaften erstrecken Daraus ergibtsich daszlig diese vermeintliche Ungleichartigkeit nicht echt und we-sensbedingt ist sondern nur die Abwandlung einer beiden gemein-samen Eigenschaft Dies hilft nun dem Verstand sehr sich von den

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ndash die Metaph[ysik] nennt er die Wiss[enschaft] der einfachenNaturf[ormen] ndash die herrlichste Wiss[enschaft] weil sie denmensch[lichen] Geist am wenigsten mit der Vielheit der Dingebelastet denn sie betrachtet hauptsaumlchl[ich] nur die einfachenFormen der Dinge die so wenige ihrer auch sind doch durchdie verschiednen Grade und Weisen ihrer Verbindung unter-einander die mannigfaltigen konkreten Koumlrper begruumlndenLeibn[iz] war schon uumlberzeugt von der hohen Wichtigkeit undRealitaumlt der allgemeinen Termini oder Notiones L[eibniz] sagtdaszlig die scheinbar bekanntesten Bestimmung[en] die1 ab-strakt[esten] und zweideutigsten sind daszlig die Menschen oftmetaphys[ische] Ausdruumlck[e] im Munde fuumlhren durch einegewisse Notw[endigkeit] dazu gezwungen 162 und sichschmeicheln sie zu verstehen was doch nicht der Fall istUnter diesen Begriffen fuumlhrt er an die der Ursache der Aktionder Substanz der Relation der Aumlhnlichkeit Von der Erkennt-nis dieser Formen macht er das Schicksal der Philos[ophie]namentlich der ersten vorzuumlglichsten der Metaphysik abhaumln-gig2 K[ant] machte diese Formen zum Gegenstande aber erbetrachtete sie bloszlig als Formen des subj[ektiven] Denkensnahm sie unkritisch aus der alten Logik auf in ihrer dortigenDuumlrrheit und Eingeschraumlnktheit F[ichte] deduzierte sie ausdem Ich aber sie blieben bei ihm auch in der Schranke derSubjektivitaumlt Erst Hegel machte sie an und fuumlr sich zum Ge-genstande er realisierte so erst die Idee des Leibniz Er machtsie an und fuumlr sich selbst ohne in bezug auf ein Objekt oder einSubjekt zum Gegenstande3 Es ist ganz gleichguumlltig sagtH[egel] ob sie subjektiv sind es kommt darauf an was ihrGehalt ihr Wert fuumlr sich selber ist Ehe ich an einen positivenGegenstand gehe muszlig ich die Bestimmungen unter denen ichuumlberh[aupt] denke schon untersucht haben um zu wissen obich an ihnen etwas Reales habe Zum Beispiel die Bestimmungder Grenze wenden Unzaumlhlige ohne Bedenken auf die Vernunftan sie sagen d[er] M[ensch] ist beschraumlnkt das ist falsch Die

Unterschieden zum Allgemeinen zu erheben So werden die Larvenund Trugbilder der Dinge beseitigt die gleich Personen in den fe-sten Substanzen sich zeigen ldquo]

1 Im Ms folgt die2 Vgl G W Leibniz De primae philosophiae Emendatione hellip In G

G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I a a O S 193 Am Rande Notwendig ist aber diese Betrachtung

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Bestimmung der Grenze faumlllt in eine unendlich tiefere Sphaumlreein Ding mit so und so einer Beschaffenheit ein chemisch[er]Stoff eine Spezies eine Art hat an ihrer Bestimmtheit ihreGrenze Aber nicht die Vernunft D[as] Indiv[iduum] ist be-schraumlnkt eine beschraumlnkte Ver[nunft] ist nichts als eine in-div[iduelle] Art des Denkens ein Modus Cogitandi Alle Philo-sophen vor H[egel] gingen insofern als sie nicht diese Urbe-stimmungen der Untersuchung und Kritik unterwarfen vonVoraussetzungen aus Nichts ist auch schwerer als dieseleichtbeweglichen Formen zu fixieren daszlig sie dem Denkenstille und standhalten es gehoumlrt eine auszligerordentliche Geistes-und Denkkraft dazu diese Gasarten der Vernunft aufzufangenund sichtbar darzustellen Und dieses hohe Verdienst w[ird] dieNachwelt 1631 unbezweifelbar anerkennen und ihr nicht nureine negative kritische Bedeutung wie viele jetzt ungeachtetihrer Abneigung gegen H[egel] wenigstens ihm einzuraumlumensich gezwungen sehen sondern eine positive Bed[eutung]einraumlumen2 Unsre Zeit hat eine Scheu vor dem Abstraktenwenn es auch nur der Form nach ein Abstraktes ist eine Scheuder wir bereits es zu verdanken haben daszlig die Hexen und an-deres Gesindel des Aberglaubens in die Akademie der Wis-sensch[aften] wieder rezipiert w[urden] und noch andre loumlbli-che Erscheinungen jetzt und in Zukunft zu verdanken habenwerden

Die Logik hat also zu ihrem Gegenstande die reine Vernunftin ihrer Entfaltung oder die Vernunftbestimmungen in ihrerTotalitaumlt oder die Idee die Vernunft im Elemente des reinenDenkens Die Form oder die Methode der Logik ist die Dialek-tik Sie ist die Aufzeigung wie eine Denkbestimmung notwen-dig in ihre entgegengesetzte uumlbergeht sie ist die Verknuumlpfungdie Synthese der Thesis und Antithesis die Vereinigung derGegensaumltze sie ist3 es die die Philos[ophie] zur spekulativenPhilos[ophie] erhebt Nur durch die Dialektik werden dieDenkbestimmungen4 die auszligerdem endliche Verstandesbe-stimmungen sind faumlhig die Natur des Unendlichen des Wah-ren auszudruumlcken Getrennt auseinandergehalten und fixiertsind sie endlich mit Recht hielt sie K[ant] weil er sie so be- 1 Am Rande r o Paginierung S 822 einraumlumen einzuraumlumen Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr die4 Denkbestimmungen Verstandesbestimmungen Korr im Ms

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trachtete fuumlr unfaumlhig zur Erkenntnis des Unbedingten DieDialektik ist es daher auch die Leben in die Wiss[enschaft]bringt Denn die Dialektik ist die reine Form des Lebens selbstsie ist keine subjektive Kunst Sie ist daher auch in derWiss[enschaft] oder als Form des Denkens nicht ihrem Gegen-stande aumluszligerlich Sie ist die eigne Natur der Denkbestimmun-gen wie aller Dinge und alles Endlichen bdquoAlles Endliche istdiesldquo sagt H[egel] bdquosich selbst aufzuhebenldquo1 d h in seinGegenteil uumlberzugehen Alles in der Welt sehen wir der Veraumln-derung unterworfen Hier aber ist zwischen 164 den Gegen-saumltzen die Zeit die Grenzlinie Etwas wird ein anderes geht insein Gegenteil uumlber aber zwischen s[einem] So- und Anders-sein liegt die Zeit es hat nicht zu gleicher Zeit die entgegenge-setzten Bestimmungen Aber dies aumlndert nichts an der Naturder Sache am Begriffe Die Veraumlnderung ist nichts als diesinnliche Erscheinung der Dialektik bdquoDie Dialektik ist diesimmanente Hinausgehen worin die Einseitigkeit und Be-schraumlnktheit der Verstandesbestimmungen sich als das was sieist naumlmlich als ihre Negation darstellt Das Dialektische machtdaher die bewegende Seele des wissensch[aftlichen] Fortge-hens aus und ist d[as] Prinzip wodurch allein immanenterZus[ammen]hang und Notwendigkeit in den Inhalt der Wissen-schaft kommt so wie in ihm uumlberhaupt die wahrhafte nichtaumluszligerliche Erhebung uumlber das Endliche liegtldquo2 (p 97 Ency-klop[aumldie]) Da die Dialektik darin besteht von einer Bestim-mung auszugehen aber sie nicht stehen zu lassen in aumluszligerlicherTrennung von der entgegengesetzten sondern sie in diese hin-uumlberzuleiten oder diese aus jener zu erzeugen und so entge-gengesetzte Bestimmungen zu verknuumlpfen so schreitet dieMethode vom Einfachen Abstrakten zum Konkreten Verwik-kelten fort denn konkret ist die Einheit entgegengesetzter Be-stimmungen oder sie besteht darin das was zunaumlchst selbst-staumlndig ist und betrachtet w[ird] zu einem bloszligen Momente zueiner Teil-Bestimmung herabzusetzen und so zur Totalitaumlt sichzu erheben Die Methode ist daher wesentlich EntwicklungEntwicklung ist nur dort wo in sich selbst zuruumlckkehrendeTaumltigkeit wo der Anfang in dem Ende das Ende schon imAnfange liegt wo das Ende das Resultat nur der entwickelte 1 G W F Hegel Encyclopaumldie der philosophischen Wissenschaften

im Grundrisse 2 Ausgabe Heidelberg 1827 sect 81 S 972 Ebenda S 97

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der konkrete Anfang ist1 Jeder Keim jede Anlage jedes Ta-lent jedes Vermoumlgen ist das schon was aus ihm w[ird] abernur an sich noch nicht konkret entwickelt (Das Kind ausdem ein Dichter w[ird] ist auch schon ein Dichter aber einunentwickelter Im Resultate in dem es ein konkreter wirkli-cher Dichter w[ird] ist dasselbe was schon in der Anlage waraber entwickelt An sich d i der Moumlglichkeit nach ist dasKind schon Dichter aber nicht fuumlr sich es ist sich noch nichtals des Dichters 1652 bewuszligt noch nicht erscheinenderwirklicher Dichter Das Konkrete das Wirkliche3 ist An- undFuumlrsichsein) Resultat das Ende und der Anfang unterscheidensich nur wie der Zweck in der Vorstellung und der4 realisierteZweck Der ausgefuumlhrte Zweck unterscheidet sich von demvorgestellten nur dadurch daszlig dasselbe was in der Form desGedankens zuerst existierte nur als Innerliches Moumlglichesjetzt in der Form des Daseins existiert bdquoDie Vernunft ldquo sagtdaher H[egel] bdquoist das zweckmaumlszligige Tunldquo5 So schreitet dennauch die Logik von der Sphaumlre oder dem Begriff des Seinsworin die Bestimmungen der Quantitaumlt und Qualitaumlt fallen zudem Begriffe des Wesens fort worin die Reflexionsbestim-mungen des Grundes und der Folge der Ursache und der Wir-kung usw gehoumlren6 und von da zum Begriff des Begriffes oderder Idee sie geht von der einfachsten Bestimmung der desSeins zu der verwickelteren des Wesens ndash ein Begriff der nurdurch Reflexion uumlber das Sein entsteht ndash und vom Wesen zuden Bestimmungen des Geistes die die absolut konkreten oderrealen sind denn der Geist ist allein die houmlchste die absoluteRealitaumlt Die houmlchste Kategorie aber ist die der Idee Aber inder Logik w[ird] nicht eine bestimmte Idee betrachtet sonderndie Natur der Idee an und fuumlr sich Das Resultat der Logik istdaher die absolute Idee Die Idee entwickelt sich aus dem Seindurch das Wesen Aber das Sein ist an sich der Moumlglichkeitnach schon Idee das Wesen ebenso es ist nur noch die unent-

1 Im Ms folgt gestr So entwickelt sich der vollkommene Dichter aus

dem Anfange dem Talente das er als Knabe hat2 Am Rande r o Paginierung S 833 Wirkliche [so auch A] Wirklichkeit Ms4 der das Korr im Ms5 Vgl G W F Hegel Die Phaumlnomenologie des Geistes In System

der Wissenschaft 1 Theil Bamberg ndash Wuumlrzburg 1807 S XXV6 Im Ms folgt gestr fort

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wickelte Idee oder die Idee in der Form der UnmittelbarkeitDie Idee ist daher die Totalitaumlt das Ganze der Logik Sein undWesen sind nur ihre Momente Anfangs w[ird] das Sein selbst-staumlndig betrachtet aber es erhebt sich zum Wesen und w[ird]dann zuletzt als nur eine Bestimmung der Idee gesetzt1 DieserGang H[egel]s nun hat allerdings seine Realitaumlt Im Anfangs[eines] Lebens steht der 166 Mensch auf der Stufe desSeins2 Von dem Kinde kann man weiter gar nichts sagen als esist Die Seele des Kindes ist unmittelbar bestimmt HungerDurst Verlangen und dessen Befriedigung sind die Veraumlnde-rungen die in ihr vorgehen die Bestimmungen s[einer] Seele3

sind Beschaffenheiten Qualitaumlten4 nicht durch Vorstellungendurch Reflexion durch den Willen vermittelte Bestimmungenund diese Beschaffenheiten unterscheiden sich nach verschie-denen Graden die Empfindungen des Hungers sind baldschwaumlcher bald staumlrker groumlszliger geringer und die theoretischeTaumltigkeit ist nur Anschauung die Anschauung hat aber nur zuihrem Objekt d[as] Sein nicht das Wesen Kurz s[eine] Seele5

bewegt sich in den Kategorien der Quantitaumlt Qualitaumlt die indie Sphaumlre des Seins fallen Aber das Kind6 bleibt nicht beimersten Teil der Logik stehen es7 erhebt sich dialektisch in denzweiten Das Kind faumlngt an zu reflektieren uumlber das was essieht es fragt nach Gruumlnden das Sein befriedigt nicht mehr dieSeele es erwacht der Begriff des Wesens Aber so w[ird] esselbst jetzt wesentlicher Mensch Aber am spaumltesten erhebt sichder M[ensch] zu dem Gedanken der Idee zum Begriffe desGeistes weil er obwohl an sich oder in bezug auf sich derreellste konkreteste reiche doch in bezug auf das Sinnlichsteabstrakter Begriff ist Und so w[ird] der Mensch erst geistigerM[ensch] Das erste Bewuszligtsein ist das Gefuumlhl daszlig ich bin ndashdas Bewuszligtsein des Seins ndash das zweite Bew[uszligtsein] die Re-flexion was bin ich das dritte oder das Bewuszligtsein auf derhoumlchsten Potenz die Erkenntnis ich bin Geist mein Wesen ist

1 gesetzt betrachtet Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr Der3 Die Seele Seine Bestimmungen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr die5 Im Ms folgt gestr best Fehlt in A6 Im Ms folgt gestr geht7 es [so auch A] sie Ms

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Geist1 Der Gedanke des Geistes aber ist Idee denn dieserGedanke ist selbst Geist Und die Idee ist die Einheit der Form2

und des Inhalts des Gegenstandes und des Subjektiven desDenkenden und Gedachten Die Idee ist3 nicht mehr die in derForm des Seins oder des Wesens sondern in der Form desreinen Gedankens in der reinsten Vernunftform oder in derdem Wesen der Vernunft absolut entsprechenden d i ad-aumlquaten Form sich wissende Vernunft Die Idee ist das reineSelbstbewuszligtsein der Vernunft aber hier als logische 167Idee sie ist das Resultat der Logik aber auch ihr wahres Prin-zip Das Sein als die erste einfachste Bestimmung ist wohl derAnfang aber der Anfang der als seinen immanenten Zweckals seinen Trieb sein Bewegungsprinzip schon die Idee vor-aussetzt

Dieser Entwicklungsgang ist im Allgem[einen] der Gang derPhilosophie gewesen vom Abstrakten zum Konkreten Einfa-chen zum Verwickelten emporzusteigen aber keiner hat ihn sotief erfaszligt und ausgefuumlhrt als H[egel] [er] hat ihn als einenKreislauf erfaszligt Es ist dieser Entwicklungsgang4 der beiSchell[ing] in dem Gedanken des Grundes den er der Intelli-genz in Gott voraussetzt ein Gedanke den er in s[einen] spaumlte-ren Schriften aussprach auch zugrunde liegt und5 deswegenauch6 beide in diesem Punkte fuumlr wesentlich identisch erkannteMit wenigen Worten muumlssen wir daher hier noch diese7 LehreSchell[ings]8 erwaumlhnen9 und sie wenn auch nicht mit seinen

1 Am Rande Erst auf dieser Stufe erhebt sich der Mensch zu Ideen

gleichwie auch die Philos[ophie] bei den Griechen erst in Plato sichzu Ideen erhebt

2 Der Form [so auch A] des Forms Ms3 Im Ms folgt die Fehlt in A4 Am Rande und uumlber der Zeile Diese Idee ist es nun auch die

Schelling zugrunde liegt wenn er der Intelligenz die Idee einesnicht-intelligenten Grundes voraussetzt

5 und man Korr im Ms Im Ms folgt gestr hat6 Im Ms folgt auch7 diese [so auch A] diesen Ms8 Im Ms folgt gestr ent9 Am Rande Unleserl teilw gestr Satz Es ist daher [] der Ort hier

[] In dieser Lehre ist es bei Schelling in Gott selbst ein negativesPrinzip [Im Ms folgt selbst] das Prinzip der Endlichkeit (p 98)eine Lehre auf die wir fruumlher nur anspielten weil wir [wir obgleichKorr im Ms] schon Spuren derselben in den fruumlhern Schriften [Im

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doch mit so klaren Worten als moumlglich anzugeben suchen Wasist kann sein und ist nur darum weil es sein kann Dem Seingeht die Moumlglichkeit die Kraft des Seins voraus Dies ist einalter Satz1 Dem Sein Gottes geht daher auch die Moumlglichkeits[eines] Seins voraus Er ist weil er sein kann Dieses Koumlnnendiese potentia liegt aber in Gott selber Gott ist causa suiGrund seiner selbst und dieser Grund ist2 eben die innere realeMoumlglichkeit sein Koumlnnen seine Macht zu sein Der moumlglicheGott ist aber noch nicht der wirkliche er ist nur der Gott impli-zite der sein-sollende und sein-koumlnnende nicht der expliziertereale Gott Der reale Gott ist Gott als Intelligenz Aber dieIntelligenz setzt Natur voraus Wir muumlssen also auszliger s[einer]Intelligenz in Gott eine Natur setzen Und diese Natur ist ebenseine Moumlglichkeit sein Vermoumlgen Gott zu sein der GrundZur Annahme dieser Natur zwingt uns das Dasein der Naturder Materie des dunkeln verworrnen Lebens das wir in derNatur sehen Wie kann das Unvollkommne aus dem Voll-kommnen die3 Finsternis aus dem Lichte entspringen dasNicht-Intelligente aus der reinen Intelligenz das Irrationale ausdem Rationalen Wir muumlssen also annehmen daszlig die Intelli-genz selbst in Gott 168 aus dem Nicht-Intelligenten sich ent-wickelt das aber selbst schon die potentia zur Intelligenz insich hat daszlig Gott also sich in sich selbst aus dem Unvoll-kommnen zum Vollkommnen entwickelt bdquoDie Gottheit ist keinLichtldquo sagt wirklich schoumln und geistreich Schell[ing] bdquodasWolken macht sondern ein Licht das schon daseiende Wolkenzerteiltldquo4 Diesen moumlglichen den intelligenten Gott faszligt nun

Ms folgt sich] finden und die Entwicklungsgeschichte der Philoso-phie sich eben an den [den jeden Korr im Ms] Mangel des Prinzipsder Endlichk[eit] wie er in den fruumlhern Darstellung[en] d[er]Schellingschen Philos[ophie] sich vorfand mit Hegel anschloszlig[Vgl F W J Schelling F W J Schellingrsquos Denkmal der Schriftvon den goumlttlichen Dingen [et]c des Herrn Friedrich Heinrich Ja-cobi und der ihm in derselben gemachten Beschuldigung eines ab-sichtlich taumluschenden Luumlge redenden Atheismus Tuumlbingen 1812 S98]

1 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia Francofurti 1620lib I cap VII S 23-24

2 Im Ms folgt gestr aber3 die das Korr im Ms4 Vgl F W J Schelling F W J Schellingrsquos Denkmal der Schrift von

den goumlttlichen Dingen a a O S 108

225

Sch[elling] als die Unterlage die Folie den Grund der Intelli-genz Schelling erkannte mit andern Denkern von denen wirnur den Lessing nennen wollen die Notwendigk[eit] Unter-schiede in Gott zu setzen sonst ist kein Bewuszligtsein moumlglichweil er sonst ein leeres bewuszligtloses lebloses nur abstraktesWesen ist Seine Lehre die1 eine Wiedererweckung der JacobBoumlhmesch[en] Lehre ist ist auch in der Tat gegen den ab-strakten Theismus eines Jacobi und anderer Gleichgesinntergegen den einseitigen Rationalismus der eine dem Sein derNatur der Materie entgegengesetzte Intelligenz an die Spitzestellt und fuumlr den daher das Dasein einer Natur ein absolutunbegreifliches Raumltsel ist ein positiver Fortschritt der Erkennt-nis zu nennen Aber die Fassung dieser Unterscheidung istwirklich zu anthropomorphistisch zu sinnlich2 Aber die Vor-stellung einer Unterlage ist eine truumlbe unlautere der Intelli-genz widersprechende unlogische die hinab in den Abgrundeines mystischen Realismus stuumlrzt indem er den Dualismuszwischen dem Intelligenten und Nicht-Intellig[enten] zu loumlsen[versucht] beruht sie selbst wieder auf einem Dualismus desDenkens und Seins und indem sie vieles erklaumlrt3 ebenso vielunerklaumlrt laumlszligt Fragen unbeantwortet laumlszligt die sich notw[endig]ergeben uumlberh[aupt] zu keinem befriedigenden Organism[us]der Wiss[enschaft] fuumlhrt Jene notwendige Folge dieser Lehreist daszlig die wirkliche Natur eigentlich nur durch einen Purzel-baum der in Gott vorgeht zum Dasein kommt (p 95 DenkmalJacobis)4 Schell[ing] geht aus von dem Gegensatz des Voll-k[ommnen] und Unvollkommnen des Ration[alen] und Irrati-on[alen] (und so den Standpunkt gestellt so hat er wie er ins[einer] Schrift gegen Jacobi verfaumlhrt ganz recht5 Aber Sch[el-ling] geht immer von Voraussetzungen aus er laumlszligt die Begriffebestehen ergaumlnzt sie durch andere auszliger ihnen statt daszlig er indiese Begriffe selbst einzugehen und eine Reformation mit

1 Im Ms folgt gestr im Grunde2 Schelling sinnlich Diesen Gedanken liegt tiefe Idee zu Grunde

Wir muumlssen allerdings Unterschiede in Gott setzen sonst ist keinBewuszligtsein moumlglich Im Ms korr und teilweise gestr

3 vieles erklaumlrt [so auch A] erklaumlrt vieles Ms4 Uumlber der Zeile nicht zuzuordnende Erg indem der Grund der vor

Gott uumlber Gott herunterpurzelt als Prinzip der endlichen Welt5 Vgl F W J Schelling F W J Schellingrsquos Denkmal der Schrift von

den goumlttlichen Dingen a a O S 95

226

ihnen vornehmen sollte Indes hat aber Schell[ing] nie die Na-tur des Denkens des Logischen der Vernunft selbst untersuchtdiese Probleme beschaumlftigten ihn nicht) Das Irrationale ist keinreines Irrationales1 es sind nur Stufen des Rationellen es kannalso wohl aus ihm abgeleitet w[erden]

1 Irrationales Rationales Korr im Ms

227

[Zur I Vorlesung ndash Begeisterte Anschauung]1

1692 Zur Erlaumluterung dieses Gedankens wollen wir nunfolgendes an die Hand geben Denken wir uns einen wahrenaber enthusiast[isch]en Kunstkenner vor einem Bilde stehenDas Bild entzuumlckt ihn setzt ihn auszliger sich vor Bewunderunges reiszligt ihn mit sich fort in s[einer] Seele ist nichts als diesesBild er houmlrt und sieht sonst nichts er ist verloren in d[as] Bildversenkt in s[eine] Anschauung eins mit ihm ist in diesemMomente der Begeisterung nichts als diese Anschauung selbster hat sie nicht er ist sie selbst ndash denn das ist uumlberhaupt d[er]Charakter der Begeisterung daszlig an die Stelle des Habens dasSein die unmittelbare Einheit tritt ndash aber das Bild ist ihmnichts Totes es ist Lebendiges es erweckt Bewunderung eswirkt es bestaumltigt sich die bewundernde Anschauung ist nichtsals die sich selbst betaumltigende Schoumlnheit und Wahrheit desGemaumlldes (ich leihe nur Worte dem stummen Bild ich bringees nur zur Sprache meine Anschauung ist in Wahrheit dieSelbst-Anschauung des Gemaumlldes)3 Wenn nun aber schon hierzwischen einem so aumluszligerlichen der Form nach wenigstenssinnlichen Gegenstand wie ein Gemaumllde und dem Subjekte einso inniges gegenseitiges Verhaumlltnis stattfindet daszlig die in dasObjekt eingehende und sich versenkende Taumltigkeit des Sub-jekts nichts andres ist in Wahrheit als die Selbst-Betaumltigungdes Gegenstandes um wie viel mehr muszlig zwischen einemObjekt das an und fuumlr sich geistiger Natur und zwischen die-sem Subjekt das sich zu ihm nur auf geistige s[einer] Natur170 entsprechende Weise verhalten kann ndash auszligerdem ist ihmja gar nicht der Gegenstand4 gegeben ndash eine solche Gegensei-tigkeit stattfinden so daszlig das Verhalten des Subjekts zu demObjektiven nur das Verhalten des Obj[ektiven] zu sich selberist was man nur so wieder nicht verstehen muszlig als sei derabsolute Geist an sich bewuszligtlos ndash der Mensch fuumlgte erst das

1 Am Rande r o [Einschub] zur 1 Vorlesung [moumlglicherweise von

fremder Hand]2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 853 Im Ms folgt gestr indem er bewundert erfaszligt er den Sinn des

Gemaumlldes erkennt s[eine] Bedeutung s[eine] Idee dieses Erkennenist die Taumltigkeit des Beschauens aber diese Taumltigkeit ist die Rezep-tivitaumlt des Bildes

4 Im Ms folgt Gegenstand

228

Bewuszligtsein hinzu was freilich ein absurder Einfall waumlre Undunter dem Subjekt muszlig ich nicht verstehen das endliche ein-zelne Subjekt Zur Anschauung oder Erkenntnis des Geisteserhebt sich der M[ensch] nur auf dem houmlchsten Moment wo eraufhoumlrt Subjekt zu sein wo er sich verliert und vergiszligt wieder Kunstbeschauer in d[er] Anschauung des Bildes sich ver-liert und vergiszligt wo er also selbst Geist w[ird] Nur die Er-kenntnis des Geistes macht1 uns zu Geist Dem Geiste ist alsonur der Geist folglich in Wahrheit der Geist nur sich selbstGegenstand

1 Im Ms folgt gestr z[u]

229

[Zur III Vorlesung ndash Das Wesen der Materie]

Das Wesen der Materie gesetzt wird Gott ein materielles1

Wesen ndash die Materie selbst eine Bestimmung d[es] unendlichenWesens d h die Materie ist eine Realitaumlt eine goumlttliche We-senheit Gott als immateriell bestimmen heiszligt nichts andres alsdie Materie als nichtig als Non-Ens bestimmen denn Gott nurist Ens und das Maszlig des Wirklichen nur was in Gott ist Sein2Wahrheit Wesen Das Sein als nicht materiell erkennen heiszligtdas Materielle als nicht seiend erkennen Die Materie aus Gottableiten heiszligt daher nichts andres als aus ihrem Nichtsein ihrSein begruumlnden wollen denn die Frage wirft sich nur auf weildie Materie trotz ihrer Negation in Gott dennoch ist ndash Gott3

zum Trotz und ableiten hieszlige nichts andres als einen Grundvon etwas angeben Etwas begruumlnden Aber diese Begruumlndungist eine Unmoumlglichkeit Die Antwort ist Gott hat sie gemachtAber wie woraus warum ndash darauf keine Antwort Die Mate-rie ist ein unerklaumlrliches Dasein Die Materie ist die Grenzedas Ende der Theologie an ihr scheitert sie wie im Leben soim Denken Wie will ich also aus der Theologie ohne sie zunegieren die Negation der Theologie ableiten4 Wie will ichwo der Theologie der Verstand ausgeht auslaumluft Erklaumlrungs-gruumlnde suchen wie aus der Verneinung der Materie welchedie Theologie ist aus dem Satze die Materie ist nicht dieBehauptung Bejahung derselben den Satz sie ist ableiten Esist doch5 nur der Materialismus der den theologischen Spiri-tualisten wider Willen und Wissen die Frage nach dem Grundder Materie aufdraumlngt6 Die Frage ist hier selbst ein Wider- 1 Am Rande 22 Sein Realitaumlt Korr im Ms3 Gott Sein[] Korr im Ms4 Am Rande Cartes[ius] ist Vater der neuern Philos[ophie] ndash nur im Be-

sondren ndash in der Theol[ogie] steht er auf dem alten Standpunkt der Meta-physik indem er die Materie nur zu einer Bestimmung der geistlosenendlichen Dinge macht Er negiert die Theologie nur in der Physik

5 Im Ms folgt gestr M6 Am Rande Spinozismus ist theologischer Materialismus ndash abstrakter

Materialism[us] ndash empirischer ndash Hobbes ndash qualitativer ndash Hegel ndash franzoumlsi-scher sinnlicher Genuszlig Spinozistische Subst[anz] [Im Ms folgt unleserlkorr Wort] ndash Theologie ist nicht Theologie Die Spekulation ist abernichts andres als die mediatisierende [] umgekehrte Spekul[ation] vomWesen der Realitaumlt Also ist die Materie [] der Real[itaumlt] d[er] Dingheit

230

spruch eine Unwahrheit1 ihre Loumlsung desgleichen Die Mate-rie hat nur Dasein fuumlr den Spiritualisten indem er nicht aufdem Standpunkt der Theologie steht auszliger s[ein] System istseinem Gott untreu im Momente der Gottlosigkeit ist im Ge-gensatz der Theolog[ie] sich befindet im Widerspruch mit sichselbst wie will er also Andres als sich selbst Widersprechendesvorbringen weil dem M[enschen] alles Elend von s[einer]Verwicklung in die Welt seiner Liebe seinem Motiv kommter ebendeswegen das immaterielle aller Bande entledigte We-sen als sein houmlchstes erhabenstes Ziel und Wesen feiert sowird Gott indem er nicht mehr als Begriff auf e[in] menschli-ches Elend nicht mehr als der Erretter Erloumlser von diesemJammer und folglich nicht mehr als das von dem Grund diesesJammers erloumlste Wesen gedacht wird als ein reales Wesengesetzt Der Mensch uumlberzeugt durch die Intelligenz von derNotwendigkeit und Realitaumlt der Materie verknuumlpft mit Gottaus einem Vernunftbeduumlrfnis was der M[ensch] aus einemHerzensbeduumlrfnis an Gott [] laumlszligt Der M[ensch] setzt Gott alsein Wesen der Intelligenz oder umgekehrt er setzt ndash unbewuszligtndash die Intelligenz als goumlttl[iches] Wesen Aber das aumluszligere ge-genstaumlndliche Wesen der Vernunft ist die Materie die Weltuumlberh[aupt] Einen vernuumlnftige[n] Inhalt hat die Vernunft in derWelt nur Die Vernunft wird sich ihrer selbst und ihrer Realitaumltnur an dem vernuumlnftigen die Vernunft zu denken vollends []Gegenstand2 ndash am Stoff bewuszligt oder [der] stofflose Gott derTheologie bekommt3 daher indem er sich lediglich zum Objektder Intelligenz bestimmt mit der Vernunft zugleich den Stoffder Vernunft und wird zum Erkenntnisprinzip der RealitaumltWie laumlszligt sich die Welt die Materie aus einem unweltlichenimmateriellen Wesen erklaumlren erkennen Nur durch einenSalto mortale durch einen Verstoszlig gegen die Vernunft Es istkein Uumlbergang da objektiv begruumlndet ich gehe nur uumlber weildie Materie da ist ich habe keinen innren Grund der Uumlbergangist willkuumlrlich Die Materie ist ein Produkt der Willkuumlr ndash derErschaffung Aber damit ist nichts gesagt nichts erkannt DieseFrage laumlszligt sich nur loumlsen indem in Gott selbst4

1 Daruumlber unleserl Erg2 Gegenstand Inhalt Korr im Ms3 bekommt Unleserl Korr im Ms4 Der Text bricht ab

231

[Zum Ende der III Vorlesung] Hobbesrsquo Logik1

1712 Da die Gedanken der Menschen im houmlchsten Grade fluumlchtigund vergaumlnglich sind so ist es eine notwendige Bedingung derPhilosophie daszlig gewisse sinnliche Merkmale3 [vorhanden] sindwodurch die vergangenen Gedanken zuruumlckgerufen und gehoumlriggeordnet werden koumlnnen Diese4 Merkmale muumlssen aber zugleich5

gemeinsam sein damit ich andern meine Gedanken mitteilen undbeweisen kann sie muumlssen also zugleich Zeichen (Signa) sein ausdenen der andere erkennt6 was ich gedacht habe oder denke sonstwuumlrde ja mit jedem Einzelnen7 die Wissenschaft zugrunde gehenein Zunehmen und Fortschreiten der Wissenschaften daher unmoumlg-lich sein (Logica c I sect 1 2)8

Diese Merkmale nun die zugleich Zeichen sind sind die NamenDiese Namen haben aber nur in der menschlichen Willkuumlr ihrenUrsprung denn was ist fuumlr ein Zusammenhang zwischen den Din-gen und Worten oder Namen die sie bezeichnen Sie sind Zeichenunserer Begriffe oder Vorstellungen aber nicht Zeichen der DingeIn welchem andern Sinn kann z B der Ton des Wortes Stein9 einZeichen des Steines sein10 als in dem daszlig ich wenn ich einen die-ses Wort11 aussprechen houmlre schlieszlige daszlig er an den Stein gedachthat12 (l c sect 3-5)1

1 Am Rande r o Zum Ende der 3 Vorlesung [moumlglicherweise von

fremder Hand] ndash Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 873 Merkmale Gedankenzeichen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Gedank[en]5 Im Ms folgt gestr wenn sie der Philosophie d[er] Menschheit

nuumltzlich sein sollen6 erkennt erkennen kann Korr im Ms7 jedem Einzelnen eine andere Korr im Ms8 Vgl Th Hobbes Computatio sive Logica In Elementorum

Philosophiae Sectio Prima De Corpore Pars prima Londini 1655Cap II sect 1-2 S 8-9

9 Im Ms folgt gestr als10 sein gedacht werden Korr im Ms11 Im Ms folgt gestr von [] einem12 wenn hat bei diesem Worte an den Stein denke Korr im Ms ndash Am

Rande In seinem Leviathan c 4 wo H[obbes] denselben Gegenstand wiein seiner Logik behandelt nur kuumlrzer deutlicher geistreicher bestimmt erdaher den Gegenstand also bdquoIntellectus enim aliud non est praeter con-ceptam natum a Sermoneldquo [Die Erkenntnis ist naumlmlich nichts anderes als

232

Mit Unrecht halten2 die Metaphysiker Gattung und Art fuumlr Dingeund die Definition fuumlr das Wesen des Dings da sie doch nur Anzei-gungen unserer Gedanken von der Natur der Dinge sind Der3

allgemeine4 Name ist nicht der Name eines wirklichen Dings nochder Name einer besondern von den Vorstellungen 172 der einzel-nen Dinge unterschiedenen Idee oder Vorstellung sondern nur derName eines Namens Wenn es daher z B heiszligt daszlig das Tier oderder Stein oder das Gespenst dieses Allgemeine5 sei so ist das nichtso zu verstehen als ob irgendein Stein oder Tier Allgemeines seioder sein koumlnne sondern nur so daszlig diese Worte Stein Tier allge-meine d h mehrerer Dinge gemeinsamer Namen sind und die6

ihnen in der Sache entsprechenden Begriffe sind immer nur dieBilder oder Vorstellungen der einzelnen Dinge (l c sect 9 10)7

Aus der Verbindung zweier oder mehrerer Namen entsteht einSatz Ein wahrer Satz ist der dessen Praumldikat das Subjekt in sichenthaumllt oder dessen Praumldikat der Name irgendeines Dings ist dessenName das Subjekt ist So ist der Satz der Mensch ist ein Tier einwahrer weil8 der Name des Tieres auch den Namen des Menschenin sich begreift (l c c III sect 7)9 Die Worte wahr Wahrheit wahrerSatz bedeuten dasselbe Wahrheit ist keine Eigenschaft des Dingsoder Gegenstands sondern des Satzes10 denn obgleich die Wahrheitbisweilen der Erscheinung oder Erdichtung entgegengesetzt wird soreduziert sie sich doch auf die Wahrheit des Satzes denn nur des-wegen wird geleugnet daszlig das Bild oder die Erscheinung des Men-schen im11 Spiegel der wahre Mensch ist weil der Satz das Bild

eine der Sprache entstammende Auffassung] [Th Hobbes Leviathansive de Materia Forma et Potestate Civitatis Ecclesiasticae et CivilisAmsterdam 1668 S 19]

1 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap II sect 3-5 S 9-102 halten setzen Korr im Ms3 Der Das Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Z[eichen]5 Allgemeine Allgemeines Ms6 Im Ms folgt in7 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap II sect 9-10 S 12-138 Im Ms folgt gestr alles was Mensch heiszligt9 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap III sect 7 S 22-2310 Im Ms folgt gestr Wahrheit und Falschheit findet bloszlig unter den

Wesen statt die sich der Worte bedienen denn obgleich die Tierewenn sie das Bild des Menschen im Spiegel sehen ebenso affiziertwerden koumlnnen als wenn sie den Menschen selbst sehen

11 Im Ms folgt gestr Spi[egel]

233

oder die Erscheinung ist ein Mensch nicht wahr ist denn die Wahr-heit der Erscheinung als Erscheinung1 kann nicht geleugnet werdenWo daher wie bei den Tieren die Sprache wegfaumlllt kann auch vonWahrheit und Unwahrheit keine Rede sein (l c)2

Da ein wahrer Satz der ist in welchem zwei Namen3 desselbenDings verknuumlpft sind ein falscher aber der in welchem Namenverschiedener Dinge verknuumlpft sind so gibt es so viele Arten vonfalschen Saumltzen als es Verbindungsweisen von Namen verschiede-ner Dinge gibt Die benannten 1734 Dinge bestehen aber aus einerKlasse aus Koumlrpern aus Akzidenzien aus Phantasmen und NamenIn jedem wahren Satze muumlssen daher die beiden verbundenen Na-men entweder Namen von Koumlrpern oder von Akzidenzien oder vonPhantasmen oder Namen sein Falsche Saumltze sind5 also z B die6die Wahrheit ist ein Wesen der Koumlrper ist eine Groumlszlige denn hierwerden abstrakte Namen mit konkreten Akzidenzien mit Koumlrpernverbunden ferner7 die das Gespenst ist ein Koumlrper oder Geist d hfeiner Koumlrper die Farbe ist ein Objekt des Gesichts der Ton desGehoumlrs der Raum oder Ort ein ausgedachtes Ding denn die Ge-spenster die Toumlne die Farben der Raum sind keine aumluszligeren Dingesondern nur Phantasmen es koumlnnen daher ihre Namen nicht mit denNamen von Koumlrpern zu einem wahren Satz verbunden werden (cV sect 2-4)8

1 Denn Erscheinung Denn daszlig die Erscheinung keine wahre Er-

scheinung sei [] Korr im Ms2 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap III sect 7-8 S 233 Im Ms folgt gestr eines und4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 885 Falsche sind Ein falscher Satz ist Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr der Satz das W[ahrheit]7 ferner falsche Saumltze Korr im Ms8 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap V sect 2-4 S 36-37 ndash

Am Rande Ich habe in der alten Ausgabe die Logik H[obbe]s nurmit einer fluumlchtigen Anmerkung abgefertigt Ich war ihr daher dieseEhre schuldig sie wenigstens [Im Ms folgt gestr zum] ihrenHauptgedanken nach zum Gegenstand eines besonderen Paragra-phen zu machen H[obbes] beweist sich gerade darin als einen reel-len Denker daszlig er die Logik in der Identitaumlt mit der Sprache be-greift ob er gleich diese Identitaumlt sogleich dadurch zerreiszligt daszlig erdie Willkuumlr zum Prinzip der Sprache macht daszlig er nicht zwischenWort und Bedeutung [Wort Bedeutung zwischen der BedeutungKorr im Ms] des Wortes unterscheidet und sich hierdurch in Wi-derspruumlche und sonst[ige] Absurditaumlten verwickelt

234

[Zur IV Vorlesung ndash Die Renaissance]1

1742 der christlichen Menschheit von der andern Es wareine eigne selbstaumlndige Zeit die aus- und in sich selbst mitEntfernung alles Fruumlhern und alles Fremden sich entwickelteund sich entwickeln sollte Der christliche Geist w[ar] ein ei-gentuumlmlicher Geist dieses sein eigentuumlmliches Wesen undLeben entwickelte er und stellte er dar im Mittelalter Wie dasLicht der Natur in die heiligen Versammlungsstaumltten der glaumlu-bigen Christen nicht durch ein klares durchsichtiges sondernbuntfarbig getruumlbtes Medium fiel um gleichsam durch dieseseigentuumlmliche3 Licht das Gefuumlhl der eignen Abgeschlossenheitzu erhoumlhen so war nur Aristoteles und zwar in der sonderba-ren Gestalt die er in den damaligen Uumlbersetzungen hatte dastruumlbe Medium durch welches der4 Geist des5 Altertums wie erin Denkbestimmungen und philosophischer Erkenntnis seinWesen niedergelegt in die Anschauung der Christen fiel

Aristoteles w[ar] eben deswegen auch die einzig gemein-schaftlich anerkannte Autoritaumlt fuumlr die Denker des Mittelalterser war gleichsam der Repraumlsentant des Verstandes selbst Dereigne Geist war nur der christlich-religioumlse Geist Die selbst-bewuszligte allgemeine nicht in der Christlichkeit abgeschlosseneund sich selbst abschlieszligende Vernunft war nur noch fremderGeist Als Repraumlsentant des 1756 Verstandes selber und alsder Geist der alten Welt in abstracto muszlig man den Aristot[eles]fassen um zu begreifen s[eine] Herrschaft Denn ein Mediumnur konnte der Geist des Mittelalters dessen eigentuumlmlicherund eigner nur der relig[ioumlse] Geist war konnte es sein in demder denkende Geist und der damit unzertrennliche Geist derklassischen Welt im Mittelalter seine Wirklichkeit hatte DieAutonomie der Vernunft und die Autopsie der Natur wie desLebens in der unmittelbaren Wirklichkeit der klass[ischen]Welt w[ar] unmoumlglich innerhalb des religioumlsen nur in sichselbst seienden Geistes Wenn auch die Philos[ophie] eines

1 Am Rande r o Gesch[ichte] d[er] P[hilosophie] [moumlglicherweise

von fremder Hand] ndash Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 893 Im Ms folgt gestr Bewuszligtsein4 der das Korr im Ms5 des dem Ms6 Im Ms folgt des

235

Volks den houmlchsten Geist eines Volks enthaumllt so ist doch dasbesondere eigentuumlmliche Volksleben und Volkscharakter erlo-schen im Reich der Abstraktion und des reinen Denkens unddie Produkte des Denkens haumlngen daher mit1 dem allgemeinenInnern der Mensch[en] auch von den unterschiedensten Voumll-kern Charaktern und Zeiten naumlher und inniger zusammen alsdie uumlbrigen Produkte des menschl[ichen] Geistes Und es laumlszligtsich erklaumlren warum im Mittelalter gerade die Philosophie eswar welche fast nur allein noch einen Zus[ammen]hang derchristlichen Menschheit mit der heidnischen erhielt2

1763 Italien ist bekanntlich das Land wo die Griechen undRoumlmer ihre Auferstehung feierten Die ersten die Liebe undSinn fuumlr das4 klassische Altertum erregt[en] waren5 DanteAlighieri (dagger 1321) Franz Petrarca (dagger 1374) der von einemMoumlnche namens Barlaam aus Kalabrien das Griechische lernteund besonders Cicero und Seneca studierte besonders derFreund des Petrarca Boccaccio (dagger 1375) der den LeontiusPilatus der nachmals zuerst zu Florenz oumlffentl[icher] Lehrerder griechischen Sprache wurde zu s[einem] Lehrer hatte ZurErweckung des Beduumlrfnisses des Studiums d[er] griech[ischen]Sprache Nahrung und Verbreitung dieses jungen Sinns trugennicht wenig bei die Verbindungen die die griech[ischen] []von Arabern und Tuumlrken bedraumlngten Kaiser mit den abend-l[aumlndischen] Fuumlrsten6 eingingen wie die Gesandtsch[aften] dieeben jene an diese7 schickten Manuel Chrysoloras w[ar] dererste der in Gesandtschaftsangelegenheit nach Italien kam imJahre 1395 aber selbst als oumlffentl[icher] Lehrer d[er] grie-ch[ischen] Sprache und Literatur in Venedig angestellt w[ar]8

1 Im Ms folgt mit2 Am Rande Es gehoumlrt schon ein weit ausgebildetes und zur Univer-

salitaumlt ausgearbeiteter Geist und Gemuumlt dazu die Kunstprodukteeiner Nation wenn sie die d[en] Charakter derselben tragen zu ge-nieszligen selbst noch z B in dem armen Liede eines Lapplaumlndersetwas Vertrautes zu empfinden und zu erkennen

3 Am Rande r o Gesch[ichte] d[er] neueren Philos[ophie] und Ver-weis auf Paginierung S 90

4 das die Korr im Ms5 Im Ms irrtuumlmlich gestr6 abendl[aumlndischen] Fuumlrsten Papste Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr Fuumlrsten8 Am Rande Emanuel Chrysol[oras] war zwar auch Schriftsteller

wirkte aber mehr durch s[einen] muumlndlichen Unterricht

236

Seine histor[ische] Bedeutung gewann aber erst durch die Ein-wanderungen der griech[ischen] Gelehrten in den Jahren 1438ndash 1453 dem Jahr der Eroberung K[on]st[antino]pels DieseGelehrten w[aren] Georgius Gemistus oder Pletho Bessarion(dagger 1472) Theodor[us] Gaza (dagger 1478 ausgezeichnet als Gram-matiker)1 Georg[ius] von Trapezunt (Peripatetiker)2 JoannesArgyropolus (dagger 1486) Constantinus und Janus (Joannes) La-scaris Demetrius Chalcondylas Michael Apostolius Androni-cus Callistus 177 Ratgeber derselben waren LaurentiusValla (dagger 1457) Roumlmer (dialectica contra Aristoteleos) Fran-ciscus Philelphus (dagger 1481) Poggius Bracciolini (dagger 1459) Ru-dolph Agricola (dagger 1485) aus Friesland (vulgo Peurlin d iBaumluerlein) Angelus Politianus Hermolaus Barbarus (dagger 1493)welche von Aristoteles von des Themistius Auslegung derPhysik des Aristoteles und [des] Diskorides Uumlbersetz[ungen]aus d[em] Griechisch[en] lieferten Durch die Bestrebungendieser Maumlnner w[urden] die sogen[annten] Humaniora3 mit derPhilosophie in Verbindung gesetzt durch die Kenntnis dergriech[ischen] Sprache w[urde] Aristot[eles] in einer ganzandern Gestalt erkannt als er bei den Scholastikern bekanntwar Aristot[eles] w[ar] nicht mehr die einzige Autoritaumlt in derPhilos[ophie] sondern Plato und die andern Philosophien tra-ten nun mit gleichem Rechte und Anspruch auf Autoritaumlt anseine Seite und sank natuumlrlich nun die alte scholastischeSchulphilosophie Auszliger an letztgenannten Maumlnnern die4 sichdem Scholastizismus streng entgegensetzten koumlnnen noch

1 Am Rande 1430 kam Theodorus Gaza nach Italien besonders als

Uumlbersetzer vorzuumlgl[ich] des Aristoteles bekannt denn er war Peri-patetiker Nicolaus V gebrauchte ihn zu seinem groszligen Uumlberset-zungsplan

2 Am Rande Georg von Trapezunt 1420 oder [14]30 in Ital[ien]angekommen Streitsuumlchtig bdquoComparatio inter Arist[otelis] etPlat[onis]ldquo [Georg von Trapezunt Comparationes philosophorumAristotelis et Platonis Venetiis 1528] heftige Invektive gegen letz-tern Fleiszligiger Uumlbersetzer d[er] Griechen (dagger 1484) verlor im Alters[ein] Gedaumlchtnis Auch Joh Argyropolus kam noch vor dem Fallvon K[on]st[antino]pel nach Italien entschiedner Anhaumlnger d[er]peripat[etischen] Ph[ilosophie] Uumlbersetzer des Aristot[eles] 177Auch Gemistus Pletho und Bessarion kamen noch vor dem Fallv[on] K[on]st[antino]p[el] nach Ital[ien]

3 Studien der griechischen und lateinischen Sprache und Literatur4 die unleserl Korr im Ms

237

genannt w[erden] Joann[us] Picus von Mirandola1 Henric[us]Cornel[ius] Agrippa v[on] Nettesheim (geb 1486) d[er] sichzuerst auf Kabbala Alchemie und Magie verlegte weil er esbewies in s[einen] Werken De occulta philos[ophica]2 spaumlteraber schrieb De incertitudine et vanitate scientiarum3

1 Am Rande Uumlber den Joh[annes] Pic[us] v[on] Mirand[ola] aumluszligert

sich Lucius Phosphorus Pontifex Signinus in e[inem] Brief an An-gel[us] Polit[ianus] (Lib IV S 81) Is enim unus est in quo naturaomnia causa congresisse et ubi omnes suas vires exercuise videtur[Vgl A Poliziano Epistolarum Lib III In Omnium Angelipolitiani operum Tom I [Parisii] 1519 Fol XXVI Brief XIV]Und [Im Ms folgt gestr Polita] Polit[ianus] an die gelehrte Venezi-anerin Cassandra (Ep L III 86) quo nec pulchrior alter mortali-um nec in omnibus (arbitrior) doctrinis excellentior[Vgl A Politi-anus Epistolarum Lib IV a a O Fol XXVIII Brief XVII]

2 Vgl H C Agrippa v Nettesheim De occulta philosophia lib 3 oO 1533

3 Vgl H C Agrippa v Nettesheim De incertitudine et vanitatescientiarum declamatio invectiva [Coloniae] 1531

238

[Zur VndashVI Vorlesung ndash Bruno Cardanus]

1 Aber auch Wittenberg verlieszlig er [Giordano Bruno] wiederund ging nach Prag 1589 aber nach Braunschweig zu denbeiden Herzoumlgen Julius und Heinrich Julius und w[urde] nachHelmstedt als Privatlehrer mit einem Gehalt geschickt Auchdiesen Ort verlieszlig er wieder und ging 1591 nach Frankfurt amMain von da man weiszlig nicht warum nach Italien was keinWunder ist daszlig ihn die Inquisition wegen seines unruhigenGeistes seiner2 ausgesprochenen Verachtung gegen Pfaffentumund d[er]gl[eichen] ins Auge faszligt und nach Venedig und dannnach Rom auf den Scheiterhaufen brachte3

Hieronymus Cardanus geb[oren] 1501 zu Pavia dagger zu Rom1576 der Arzt Mathematiker und Philosoph war ein nicht nurwegen seiner Gelehrsamkeit sondern auch wegen seineshoumlchst merkwuumlrdigen seltsamen originellen Charakters be-ruumlhmter Mann Card[anus] 4 hat nicht sowohl ein System einoriginelles Ganzes aufgestellt5 wie J Bruno aber die Richtungauf die Natur des Sinns fuumlr Natur das Verlangen in ihre Ge-heimnisse zu dringen das Interesse an ihren Erscheinungenund an der eigenen Beobachtung Inspektion gibt ihm docheine Stelle in dieser Ordnung Auch braucht wohl nicht beson-ders entwickelt zu w[erden] daszlig auch derselbe Geist dasselbePrinzip sich in den abweichendsten mannigfaltigsten beson-dersten Arten und Weisen sich aussprechen kann Was vor-zuumlglich diese Maumlnner charakterisiert ist daszlig in diesen Indivi-duen noch der Geist nicht entwickelt sondern erst in Entwick-lung in Trieb und Gaumlrung war daszlig in ihnen das Licht der Zu-kunft und die Schatten der Vergangenheit sich paaren in ihnender Geist nur noch in der Unruhe des Werdens war welcher

1 Am Rande r o Leben und Lehrmeinungen beruumlhmter Physiker am

Ende des XVI und am Anfange des XVII Jahrh[underts] Heraus-gegeben v[on] Thad[daumlus] An[selm] Rixner und Thaddauml[us] Siber[T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen beruumlhmterPhysiker am Ende des XVI und am Anfange des XVII Jahrhun-derts Sulzbach 1819ndash1829]

2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort3 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft

V Sulzbach 1824 S 18-244 Card[anus] Da Card[anus] Ms5 Im Ms folgt hat

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sich auch sogar in dem Charakter und dem Leben derselbenzB in dem des Cardanus und Brunos die freilich selbst wiederentgegengesetzt sind abspiegelte Daher auch in diesen Maumln-nern wenn sie gleich zu bestimmten Erkenntnissen kamen dieentgegengesetztesten Elemente das Unvereinbarste vereint istwie zB in Cardan Scharfsinn Geist Beobachtung Kenntnismit Aberglauben den sonderbarsten Einfaumlllen den aus denGedanken unvereinbarsten Phantastereien zB TeufeleienHexereien und d[er]gl[eichen] vereint ist Bei Card[anus] istalso keine solche Spekul[ation] zu erwarten1 wie bei BrunobdquoEs seind allein zwo erste Qualitaumlten naumlmlich die Waumlrme unddie FeuchteDas Duumlrrrsquo und das Kalt seiend Privationes [Beraubungen] desWesens aber nicht Qualitates [Qualitaumlten] Alles Leben derNatur beruht auf Sympathie und Antipathie mitleidenderGleichfoumlrmigkeit und Widerwaumlrtigkeit Die Ursachen undGestalten der Antipathie und Sympathie sind aber verschiedenunter diese Ursachen gehoumlren eben die beiden QualitaumltenSympathie kommt her von Gleiche der Substanz und Wesensalso erbarmt sich ein Mensch uumlber den kranken Menschen esw[ird] auch2 das Leben eines Kindes von dem Leben einesstarken Mannes geaumlndert

Ein ander Gleichfoumlrmigkeit ist deren so von einer Ursachherkommen also bekuumlmmert sich ein Bruder von wegen desabwesenden Bruders Unfall darum daszlig sie von gleichen Elternerboren seind Dann was wir vermeinen durch die Weite unter-schieden zu sein seind in der Substanz Eines und betruumlgt unsdarum der Sinn Also daszlig auch ihren Viele von mir gewarnetsolliche Einigkeit so an unterschiedlichen Orten und voraus soweit von einander gelegen nicht verstehen mochten danndurch die Exempel

Ein ander ist zwischen dem gebietenden und dienenden alsdem Herzen und den andern Gliedern zwischen der Sonnenund dem andern Gestirn dann es laumlszligt sich ansehen als wannetwas mit dem andern Mitleiden haumltte dann sie nehmen dengroumlszligten Teil ihrer Kraumlfte davon

1 Am Rande (Offenbarung der Natur und Natuumlrlicher Dinge auch

mancherl[ey] subtiler Wirkungen verteuumltscht Basel) [G CardanoOffenbarung der Natur unnd Natuumlrlicher dingen auch mancherleysubtiler wuumlrckungen Basel 1559]

2 Im Ms folgt auch

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Die andre ist zwischen der Speise Nahrung und dem dasernaumlhrt wird darum zeucht ein jedes Gewaumlchs an sich was ihmwohl dienet also daszlig die Feigenbonen die Erden saumlubern vonder Bitterkeit und solch ihr Einhelligkeit w[ird] am meistengespuumlrt an den Tieren

Die ander ist die Waumlrme eines jeden gegen dem durch wel-ches sie erhalten w[ird] also sehen wir das Feuer ob es wohlnicht lebt sich neiget1 wie die lebendigen gegen dem Teil dadie Nahrung ist und strecket sich wunderbar zu derselben aus

Wie in dem menschlichen Koumlrper alles miteinander stimmtund das aus mancherlei Ursache also geschieht auch in derWelt Es ist ein Sympathie und Gleichfoumlrmigkeit in der Weltwie auch in menschl[ichem] Koumlrper es stimmen auch alle Teilderselbigen miteinander Es ist von Natur in gemein allen Din-gen eingepflanzt daszlig eins auf das andere folge entw[eder] vonwegen der gemeinen Entspringung oder daszlig eins dem anderndiene So jemand dieses wohl behaltet mag er auch wohl dieEigenschaft der Antipathie und Widerwaumlrtigkeit verstehn danneine jede Gleichfoumlrmigkeit ist in der Widerwaumlrtigkeit bestimmtDeshalben haben weise Leutrsquo viel aus den Koumlrpern Toter ge-nommen so den Lebenden zuwider gewesen dann einem jedenDing ist nichts mehr zuwider dann eben es selb[st] so es totoder verderbt oder uumlberfluumlssig istldquo2

bdquoHomo non plus est animal quam animal planta Si enimanimal quamvis nutriatur et vivat plantae nomen non mereturnec omnino planta est quia animam qua sensit habet praeterplantam homo quam praeter animal animam habeat desinitposse animal (De subt[ilitate] rer[um] XI) [Der Mensch ist sowenig ein Tier wie das Tier eine Pflanze Wenn naumlmlich dasTier egal wie es sich naumlhrt und lebt den Namen Pflanze nichtverdient und uumlberhaupt keine Pflanze ist weil es eine Seeledie fuumlhlt der Pflanze voraus hat so kann der Mensch nachdemer dem Tier die Seele voraus hat auch kein Tier sein]ldquo3

bdquoDes Gemuumlts Wolluumlste und Schmerzen seind viel groumlszligerdann des Leibs um so viel mehr daszlig doch diese von des Ge-muumlts Kraumlften moumlgen hinterhalten w[erden] des Gemuumlts abervon dem Leib keineswegs nitldquo4

1 Im Ms folgt gestr gegen2 H Cardano Offenbarung der Natur S 5-73 H Cardano De subtilitate Liber XI Basel 1554 S 3504 Zitat nicht nachgewiesen

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[Zur V Vorlesung ndash Cardanus Paracelsus]1

Cardanus (Von des Menschen Wunderwerk) bdquoIch habevier Dinge von Natur an mir welche alle nach meinem Ver-stand wunderbar sind Das erste ist daszlig ich so oft ich willauszligerhalb den Sinnen verzuumlckt werde Das andere ist daszlig ichwann ich will alles sich [sehe] was ich will und solches mitden Augen und nicht aus des Gemuumlts Kraft Das dritte ist daszligich durch Einbildung in dem Traum alle Ding sich [sehe] somir begegnen sollen Ich darf auch mit der Wahrheit sagen daszligmir schier gar nicht begegnet es seis gut oder boumls oder mit-telmaumlszligig daszlig mir nit oft zuvor in den Schlaf fuumlrkommen Zumvierten seind deren Dinge Anzeigungen so mir begegnensollen in den Naumlgeln doch gar klein Der boumlsen Dingen seindschwarz und blau in dem Mittelfinger der gluumlcklichen seindweiszlig Ob ich wohl uumlber d[as] 52ste Jahr kommen weiszlig ichdoch nicht einen Tag an welchem ich recht gesund gewesensondern ich hab allwegen einen Mangel gehabt Ja viel mehrbin ich froumlhlich wann mir etwas Schmerzen bringt und wannich nicht empfind bin ich traurig sonst bin ich uumlber alleMaszligen von Natur zu Wohlluumlsten und Spielen2 geneigt Es miszlig-faumlllt mir auch nicht die Ehrguumltigkeit und die Begierd desGewinns Doch bin ich aus Gewohnheit dahin kommen daszligich den Reichtum wenig und den Ehren gar nicht nachfragDieses halt ich fast fuumlr ein Wunderwerk daszlig mir meine Ge-schaumlft auszurichten nie Zeit uumlbrig geblieben und nie keinegemangelt Denn es begibt sich daszlig ich allewegen eben rechtmein Ding zu dem End bring wann es nit mehr Verzug erlei-den mag Ich hab so viel wunderbar Ding gesehen ich habsoviel Anlaszlig gehabt ich bin bei so viel Sachen gewesen dieman billig behalten also daszlig ich in kurzer Zeitmehr gesehenals vielleicht nach mir viel Welten nicht sehen w[erden] Ichbin zu einer seltsamen Zeit geboren da die ganze Welt erfun-den worden da man auch d[ie] Buchdruckerei und viel andreKuumlnste so den Alten verborgen hervorbrachte Ich bin fleiszligiggewesen begierlich zu wissen ein Verachter der Reichtum undEhren und hab bei den Gelehrten gewohnet ndash D[ie] Wahrheithabrsquo ich also geliebt daszlig ich mich selbs viel lieber dann dieWahrheit hassen wollte denn ich hab mich selbst 100mal ge- 1 Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort

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hasset und die Wahrheit nie Demnach hat mich bedaumlucht esnehme sich ein Gott meiner an Von meiner Jugend an undden achten Jahr bis auf diesen Tag ist keine Zeit gewesen woich von Krankheiten waumlr verhindert je daszlig ich nicht haumltt zujeder Stunde lesen und schreiben moumlgen Dann in meiner Ju-gend wann ich erwachet (was auch einem Greise taumlglich be-gegnet) hab ich in der finstern Nacht alles ersucht als wenn esTag gewesen Doch ist mir solche Kraft bald entzogenw[orden] Ich sich [sehe] auch jetzt Etwas in der Nacht aberich mag nit Alles wohl unterscheidenldquo1

Bernardinus Telesius2 1508 geb[oren] zu Consenza im Kouml-nigreich Neapel aus einem adligen Geschlechte gest[orben]15883 Seine Naturphilosophie die er der aristotel[ischen]Physik hauptsaumlchlich entgegensetzte beruht auf heraklitischparmenideischen Grundsaumltzen Drei Prinzipien der Naturnimmt er an Kaumllte und Waumlrme als zwei unkoumlrperlich[e] undtaumltig[e] Prinzipien und die Materie als ein koumlrperliches diefuumlr Waumlrme und Kaumllte gleich empfaumlnglich gleich durch siebestimmbar ist (de Nat[ura] rerum juxta propria principia)4

Des Telesius Freund und juumlngerer Zeitgenosse war Franz Pa-tritius geb[oren] 1529 zu Clissa in Dalmatien und gestorben zu 1 Vgl G Cardano Offenbarung der Natur unnd Natuumlrlicher dingen

auch mancherley subtiler wuumlrckungen Basel 1559 S 364-3662 Am Rande Tel[esius] schr[ieb] [] libr[is] (unicus) de his quae in

aere fiunt de terrae motibus Neap[el] 1570 ib De Colorum (quodomnes e principios caloris et frigoris deducit) Generatione[Opusculum] Neap[el] 1570 de natura maris [De Mari] lib[e]runic[us] (salsum illud esse natura contra Aristot[elis] disput aquamvero elementorum numero ejuscientam) ibid[em] 1570 - Caloremfrigus et materiam tria principia esse ait in quibus omnia confistantvariasque fieri diversasque operationes ratione locorum in quibusillae fiant ac temperia et moderatione frigoris Hinc siccitatem ethumiditutam declucit et mare solis calore e terra produci ascenditSiccitatem a calore provenire negat quia calor liquefacit humidita-tem a frigore quia friquor acficcat

3 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen beruumlhm-ter Physiker am Ende des XVI und am Anfang des XVII Jahrhun-derts Beytraumlge zur Geschichte der Physiologie in engerer und wei-terer Bedeutung Heft III Sulzbach 1820 S 3 12

4 Die ersten beiden Buumlcher von bdquoDe rerum natura iuxta propriaprincipialdquo erschienen 1565 in Rom eine erweiterte Ausgabe 1570in Neapel die gesamte aus neun Buumlchern bestehende Schrift er-schien 1586 in Neapel

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Rom 1593 Pat[ritii] nova de universis philosophia1 DasLicht ist das Prinzip von dem er ausgeht

Thomas Campanella 1568 geboren zu Stylo in Calabrienberuumlhmt sowohl durch seinen Geist als seine traurigen Schick-sale indem er die grausamsten Foltern und 27jaumlhrige2 Gefaumlng-nisstrafe ausstehen muszligte weil die spanische Regierung inVerdacht ihn hatte als korrespondiere er mit den Feinden desKoumlnigs Durch die Berufung des Paps[tes] Urbani VIII 1626kam er auf freien Fuszlig nach Rom als er auch hier den Argwohnder Spanier wieder erregte ging er nach Paris wo er von Lud-wig XIII gnaumldig empfangen w[urde] wo er 1639 starb3 Er4

fing des Telesius Lehre in der Naturphilosophie an hatte abereine universelle Reformation der Philos[ophie] im Sinne erwandte daher auch groszligen Fleiszlig auf die Metaphysik selbst diesein beruumlhmtestes Werk5 ist Er hat auch Gedichte gemachtHerder in s[einem] Adrastea6 hat davon Frag[mente] uumlbersetzt

Hieher7 kann auch gerechnet w[erden] Lucilius Vaninigeb[oren] 1585 zu Tauroxano im Neapolitanischen1 1619 zu

1 F Patritius Nova de universis philosophia Ferrariae 15912 27jaumlhrige 25jaumlhrige Ms3 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft

VI Sulzbach 1826 S 3-264 Im Ms folgt gestr hatte5 T Campanella Universalis philosophiae seu metaphysicarum

rerum iuxta propria dogmata partes 3 Libri 18 hellip Parisiis 16386 Adrastea hrsg v J G v Herder 6 Bde Leipzig 1801ndash18037 Am Rande Zu den Novatoribus [Novatoribus Noventoribus Korr

im Ms] in Philos[ophia] gehoumlrt auch Carpentarius Anglus Philo-sophia libera triplici Exercitationum Decade proposita in qua ad-versus hujus temp[oris] Philosophos Dogmata quaedam novadiscutiuntur Londinio 1672 [Ausgabe nicht nachgewiesen] Erbringt folg[ende] Saumltze z[um] B[eispiel] vor Non duri naturales na-titias locum esse nihil omnes res ex nihila fieri sensus non posseerrare ignem esse humidum omnia ab menta esse graviaFerner Joh[annes] Espagnet Autor hic totus quantus chymicus estDuos libr[i] scrips[it] bdquoEnchiridion physicae restitutaeldquo [ Genevae1673] er scheint unzaumlhl[ige] Welten anzuerkennen wie vor ihmBruno in [] und bdquoArcanum hermeticae philos[ophiae opusldquo Gene-vae 1673] Ferner Joh[ann] Amos Comenius [] doctrinam et phi-los[ophiam] reformare valuit Pansophiam molitus est scriptum ipsiperiit Prodromum tamen ejus in lucem edidit Amstelod[ami] fo-l[iae] von ihm bdquoPhysica ad lumen divinum reformandae [synopsisldquo

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Toulouse verbrannt als Ketzer und Atheisten S[eine] Werkesind am beruumlhmtesten Amphitheatrum aetern[a]e providen-tiae divino-magicum christiano physicum etc Lugduni 1615 Das andre De admirandis naturae reginae deaeque mortali-um arcanis Dialogorum inter Alexand[rum] et Jul[ium] Caesa-rem2 lib[ri] IV cum adprob[atione] facult[atis] SorbonicaeLutet[iae] 1616 8deg Unter dieses Verhaumlltnis setze ich auch denParacelsus der sonst nur unter den Theosophen neben FluddJac[ob] Boumlhm[e] angefuumlhrt w[urde] aber erst in neuern Zeitengewuumlrdigt w[urde] und als Vater einer neuen Medizin erkanntund geschaumltzt w[ird]

Philippus Aureolus3 Theophrastus Bombast Paracelsus v[on]Hohenheim4 geb[oren] 1493 zu Maria Einsiedeln in der

Amstelodami 1663] Die Prinzipien aus I Gen[esis] Lucem primae-vam materiam et spiritum tria statuit mundi principiam

1 Im Ms folgt ungefaumlhr 15852 Lucilius Vanini nannte sich in seinen Dialogen gewoumlhnlich selbst

Julius Caesar3 Im Ms folgt gestr von4 Am Rande Obgleich Paracel[sus] vieles Schwaumlrmerische Phanta-

stische Aberglaumlubische Irrige enthaumllt ja [Im Ms folgt von] Vielennur fuumlr einen Schwaumlrmer galt so ist doch gerade er es in dem dasPrinzip der Erfahrung welches selbst wieder das zum Grunde hatwas als Prinzip der neuern Welt bestimmt w[ar] lebendig regewurde und gerade d[ie] individuellen Eigentuumlmlichkeiten der-selb[en] sein wildes rauh selbstaumlndiges Wesen sind nur eine Folgedieses Prinzips Die Erfahrung hat uumlberhaupt zum Prinzip dieSelbstgewiszligheit die Selbststaumlndigkeit des Individuums sie setzt dasSelbst voraus Nur was das Selbst in seiner unmittelbaren sinnlichenEinzelheit die unbezweifelte Gewiszligheit seiner selbst seiner Realitaumlthat ist ihm auch das allein reell mehr was es selbst erfahren hatDie Erfahrung geht nicht aus Einheit Glaube Vertrauen Gemein-schaft mit Andern sondern aus Zweifel hervor aus einer Isolierungdes [] aus der allein unbedingten Gewiszligheit seines Selbsts DasSelbst ist sich das Maszlig dessen was wahr ist was wahr sein sollmuszlig Ich selbst mit meinen Augen meinen Haumlnden kennengelernthaben Die Empfindung ist die Tuumlr zur Wahrheit nur durch michselbst soll und darf die Sache das Objekt in mich kommen Die Er-fahrung scheint das objektivste Verhaumlltnis zur Sache [zu] sein weilihre Organe die Sinne sind allein in den Sinnen bin ich selbst im-mer nur allein als dieses Selbst als dieses Einzelwesen praumlsent inden Sinnen bin ich nur in meinem einzelnen Selbst bin immer nurwirklich und taumltig als Individuum als sinnliches Selbst Die Sinnesind wohl im Ganzen und Wesentlichen gleich diese Farbe die mir

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Schweiz S[ein] Vater Wilhelm Bombast von Hohenheim sollder natuumlrliche Sohn eines Fuumlrsten gewesen sein und war selbstArzt und Gelehrter Er trieb von Jugend auf schon1 Heilkundeund Alchemie2 Er genoszlig des Unterrichts vieler guter Lehrerbesonders aber den3 seines eignen Vaters Er besuchte mehre

Schwarz erscheint erscheint auch so den Andern und diese Uumlber-einstimmung meiner Sinne mit denen des Andern macht ihre objek-tive Wahrheit insofern aus denn dies ist nur eine aumluszligerliche for-melle Wahrheit und Objektivitaumlt Denn die Andern verhalten sichimmer nur darin als einzelne sinnliche Selbste und der Skeptikerkann mit vollem Rechte sagen diese Uumlbereinstimmung selbst allerMenschen uumlber diese Farbe daszlig sie schwarz sei ist mir kein Zeug-nis von der Wahrheit denn alle diese verhalten sich nur als selbsti-sche Einzelwesen diese Uumlbereinstimmung Aller hat nicht mehrGewicht als wenn Du allein es mit Deinen Augen saumlhest zwischenallen jenen Andern und zwischen Dir ganz allein ist gar kein Unter-schied diese Uumlbereinstimmung wuumlrde mir nur dann Zeugnis gebenwenn sie nicht eine formelle waumlre denn sie waumlre eine Uumlberein-stimmung von Unterschieden dh wenn die Andern [] wirklichAndere waumlren wenn sie sich anders verhielten zu dem Objekte alsDu Da sie sich aber eben so zu den Objekten verhalten wie Du soist kein Unterschied also auch keine Uumlbereinstimmung es ist ebenso viel als ob Du ganz allein es saumlhest ganz allein urteilst DieErfahrung ist daher die subjektivste Erkenntnisweise und erst inneurer Zeit daher konnte diese Weise so an Autoritaumlt kommen mitsolchem Erfolg Eifer ausschlieszliglichem Geiste gehandhabt []w[erden] Die Beschaffenheit meines Auges Ohres daszlig ich dieFarbe schwarz sehe haumlngt zwar nicht von meiner willkuumlrlichen Lustauf Glaubenstaumltigkeit ab sondern ist von der Natur und deswegenerscheint diese Erkenntnisweise als die wahrste weil ich dabeinichts tue es nicht von mir abhaumlngt allein die Natur selbst ist sub-jektiv ich bin nur als ein Einzelwesen in meinen Sinnen und als einsubjektives sich auf sich beziehendes Subjekt Das Objekt der Er-fahrung ist daher auch nicht Allgemeines Notwendiges Wahrheitsondern Einzelnes die Natur in ihren Erfahrungen weil ich selbstmich nicht allgemein d i denkend verhalte Das sinnende Subjektverhaumllt sich also nur leidend aber was ist das Leidende ein Subjektein Einzelnes Selbst das Leiden ist also selbst ein Zustand des Ein-zel[nen] ein Einzel[nes] ein subjektives Leiden welches der Naturnach selber subjektiv ist

1 Im Ms folgt gestr unleserl Wort2 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

Sulzbach 1819 S 33 Im Ms folgt des

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hohe Schulen in Deutschl[and] Frankreich Italien gab sichmit den Lehren des Avicenna Galenus1 ab erkennt aber baldeinen andern Weg2 Unzufrieden mit dem damaligen Zustandder Arznei und Naturwissenschaft und mit den hohen Schulenbegab er sich auf Reisen durchzog fast ganz Europa und holtebei allen Leuten ohne Unterschied des Standes des Charaktersbei Badern Fieber Doctorn Weibern [] Erkundigungen ein3

1527 w[urde] er in Basel als ordentl[icher] Stadtarzt und Pro-fessor der Medizin angestellt4

Aumlrgerliche Umstaumlnde Verdrieszliglichkeiten mit den Aumlrztenund Apothekern vertrieben ihn aus Basel er hielt sich hieraufin mehren Orten auf5 Nachdem er sich so fluumlchtig und unstetin der Welt herumgetrieben hatte fand er einen Freund undGoumlnner an dem Erzbischof von Salzburg er starb daselbst1541 im 48st[en] Lebensjahr 6

1 Galenus Gallenus Ms2 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 43 Vgl ebenda S 54 Vgl ebenda S 65 Vgl ebenda S 86 Vgl ebenda S 25

Am Rande [Im Ms auf der ersten Seite] Zu Paracelsus Die Vor-stellung von der allgem[einen] Sympathie und Harmonie desMensch[en] mit der Natur die Par[acelsus] hatte gehoumlrte schon denGriechen Die Verbindung der Chemie mit der Medizin ist schon beiden Arabern Das Haupteigentuumlml[iche] und [] ist nach Schulz(Damerow D[ie] Elemente d[er] naumlchsten Zukunft der Medizin[Berlin 1829])([] und Schulz [] N 27 Februar 1830) bdquoHippo-krates und Galen erwarteten alle Genesung von der Heilkraft derNatur oder mit Huumllfe derselben Paracelsus im Gegenteil erwartetevon der Heilkraft der Natur nichts und fand nur in den heftigen Ein-griffen heroischer Arznei gegen die Krankheit Huumllfeldquo [Zitat nichtnachgewiesen] Dies lag in s[einer] Ansicht von der Krankheit DieKrankheit ist eine Pflanze welche im Koumlrper keimt und wurzelternaumlhrt bluumlht und Fruumlchte traumlgt ein Mikrokosmos im Mikrokos-mos nun heilt der Koumlrper daran indem man sie vergiftet Daherseine heroischen mineralischen chemischen Arzneipraumlparates[eine] Anwendung der Quecksilbergifte gegen d[ie] Lustseuchedie er entdeckte und zuerst versuchte Hippokrates und Galen unter-stuumltzten die Heilkraft der Natur houmlchstens durch Brech- oder Pur-giermittel weil sie sahen daszlig dieses die Wege waren durch welchedie Natur in gelinden Krankheiten haumlufig gegen sie reagiert und sich

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Was den Paracelsus so sehr auszeichnet und ihm keine unbe-deutende Stelle am Anfang der neuern Zeit anweist ist dieselbststaumlndige alle Autoritaumlt alles Herkoumlmmliche in der ge-meinen Meinung und Achtung Anerkannte und Bestehendeverschmaumlhend aus sich selbst anfangende Energie seines Gei-stes Daszlig er keine andre Autoritaumlt keinen andren Lehrer aner-kannte als Gott und die Natur Man houmlre nur zB wie er sichgegen diejenigen die ihn einen Landstreicher und Vagabundennannten wegen seiner vielen Wanderungen verteidigt bdquoMeinWandern welches ich bisher verbracht habe hat mir wohlerschlossen weil keinem der Meister im Hause waumlchst odereiner seinen Lehrer hinter dem Ofen hat So sind sie auch dieKuumlnstrsquo nicht verschlossen in Eines Vaterland sondern sie sindausgeteilt durch die ganze Welt ndash Die Kunst geht keinem nachihr muszlig nachgegangen w[erden] Darum habrsquo ich Fug undVerstand daszlig ich sie suchen muszlig und sie nicht mich Auchglaubrsquo ich daszlig ich bisher mein1 Wandern billig verbrachthabe und mir dieses ein Lob und keine Schande sind Denn

von ihnen befreit Par[acelsus] war der Meinung daszlig in den gelin-den Faumlllen wo die Heilkraft der Natur von selbst Herr uumlber d[ie]Krankheit war d[er] Arzt und Arzneimittel unnuumltz seien D[ie] ara-bische Medizin durch Erfindung der stark wirkenden chemisch mi-neralischen Arzneien und Gifte war eine Vorbereitung der Pa-rac[elsischen] Reformation und Par[acelsus] selbst houmlchste Ent-wicklung der alchimistischen Schule Die drei Elemente desPar[acelsus] Mercurius [Quecksilber] Salz Schwefel erhi[elten]ihre Bedeutung im Gegensatz der Elemente und Elementarqualitauml-ten der giech[ischen] Aumlrzte Von den ganz allgemeinen und ab-strakten Beziehungen der Elementarqualitaumlten nach d[em] beson-dren Gegenstand des menschlichen Organismus macht Par[acel-sus] den Fortschritt zur Auffassung des Krankheitsprozesses unterdem Bilde eines chemischen besondern und eigentuumlml[ichen] Vor-gangs Die Krankheit ist in der hippokr[atisch]-galenischen Vor-stellung bloszlig eine Disharmonie in den Elementarqualitaumlten desKoumlrpers selbst bei Paracels[us] hingegen ein persoumlnlicher Feindder sich als ein Keim im Koumlrper gebildet und dann verschanzt hatnur um erst eine Stoumlrung d[er] Qualit[aumlten] zu bewirken die Wahr-heit in d[er] Mitte In einzelnen Faumlllen [] [Vgl Paracelsus DasBuch Paragranum In Der Buumlcher und Schriften des Edlen Hoch-gelehrten und Bewehrten Philosophi unnd Medici Philippi Theo-phrasti Bombast von Hohenheim Paracelsi genannt Ander TheilBasel 1589]

1 mein Im Ms gestr

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das will ich bezeugen mit der Natur wer sie durchforschenwill der muszlig mit den Fuumlszligen ihre Buumlcher treten Die Schriftw[ird] erforscht durch ihre Buchstaben Die Natur aber durchLand zu Land so oft ein Land so oft ein Blatt Also ist codexnaturae also muszlig man ihre Blaumltter umkehrenldquo1 Selbst dieVerachtung Par[acelsi] gegen alle Gelehrsamkeit alles Buuml-cherwesen ist nicht etwa daszlig man sie zu entschuldigenbrauchte sie ist an und fuumlr sich gerechtfertigt dadurch daszlig inihr der neue Geist seine Staumltte fand im Bewuszligtsein jener Pro-duktivitaumlt und der Gewiszligheit aus sich selbst Wahres zu findenbdquoMein Buumlchervorratldquo sagt er bdquoist Jedem bekannt Ich vermagnicht sechs Blaumltter und habe doch soviel vor daszlig ich mit denNamen allein einen Bogen uumlberschreiben koumlnnteldquo2 Auch w[ar]zu seiner Zeit allgemein bekannt daszlig er in 10 Jahren kein Buchgelesen habe ndash Gegen die Aumlrzte gegen die er den schneidend-sten Gegensatz bildete sagte er unter anderem bdquoSaget mirwelches ist zur rechten Tuumlr hineingegangen in die ArzneiDurch den Avicennam Galenum Mesue3 Rhasim etc oderdurch das Licht der Natur Denn da sind zwei Eingaumlnge dereine Eingang ist in den bemalten Buumlchern der andre Eingangist in der Natur Ob es nun billig sei daszlig da ein Aufsehengehalten werde welche Tuumlr der Eingang sei welche nichtNaumlmlich4 das ist die rechte Tuumlr welche das Licht der Natur istdas Andere heiszligt oben zum Dach hineingestiegen denn siestimmen nicht zusammen Anderst sind die Codices scribenti-um [Handschriften] anderst lumen naturae [das Licht der Na-tur]ldquo5

Desgleichen bdquoDer Arzt suche s[eine] Kenntnisse nicht ausBuumlchern sondern aus der Erfahrung zu holen denn derMensch w[ird] nicht aus dem Menschen sondern aus der gro- 1 Vgl Paracelsus Das Erste Buch Die Verantwortung uumlber etliche

Unglimpfungen seiner Miszliggoumlnner In Der Buumlcher und Schriftendes Edlen Hochgelehrten und Bewehrten Philosophi unnd MediciPhilippi Theophrasti Bombast von Hohenheim Paracelsi genanntAnder Theil Basel 1589 S 173-177

2 T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I S 43 Im Ms folgt gestr Rhasim4 Im Ms folgt gestr ist5 Vgl Paracelsus Das Ander Buch Labyrinthus Medicorum genant

In Der Buumlcher und Schriften des Edlen Hochgelehrten und Be-wehrten Philosophi unnd Medici Philippi Theophrasti Bombast vonHohenheim Paracelsi genannt Ander Theil Basel 1589 S 195

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szligen Welt kennengelernt Lesen hat nie einen Arzt gemachtsondern die Praktik Alles Lesen ist nur ein Schemel der Prak-tik und ein Federwisch und waumlre latein[isch] griech[isch] undhebraumlisch Lesen und Schwaumltzen zu einem Arzte genug soglaube ich auch daszlig ein Jeder ganz allein durch d[as] Lesendes Livius ein guter Feldherr w[erden] koumlnnte Die Natur alleinsei unsere Lehrmeisterinldquo1

bdquoAus Gott und der Natur muszlig man sein Wissen nehmen Weranderswoher als aus diesem Grunde lernen will der ist imIrrtum

Das Lernen von Menschen ist aber kein (eigentliches) Ler-nen Es liegt alles schon vorher im Menschenldquo2

bdquoDer wahre Grund aller Erkenntnisse liegt in der mit derWissenschaft vereinigten Erfahrenheit Die Theorie und Praxismuumlssen immer zugleich miteinander gehen Entw[eder] sind siebeide wahr oder beide falsch denn die Theorie ist nichts alsspekulative Praktikldquo3 bdquoWer eine vollendete Kenntnis hatder muszlig zB nicht bloszlig wissen was schwarz ist sondern auchwas schwarz macht etc kurz er muszlig das Aumluszligere ins Innerewenden (aus der Ursache d[ie] Erscheinung erkennen) Dierechte Erfahrenheit ist alle Dinge im Unsichtbaren zu erken-nenldquo4 ndash bdquoD[ie] Philos[ophie] erwaumlchst nicht aus der Spekulati-on sondern aus der wahren Erfahrung welche das Innerezeugt ndash Der einzig wahre Weg zur Wissenschaft (Kunst) istnur die Erfahrung der Naturldquo5 Die Scienz muszlig daher von derArt sein das auch die Augen den Verstand begreifen daszlig sie indie Ohren toumlne wie der Fall des Rheins und die sausendenWinde des Meeres daszlig die Zunge sie fuumlhle wie Honig undGall daszlig die Nase schmecke jeden Geruch des ganzen Sub-jekts denn die Philosophie muszlig auf Erfahrung sich gruumlndenund in ihr enden

Von Paracel[si] eigentlichen Ansichten nehmen wir beson-ders die uumlber Makrokosmos und Mikrokosmos heraus (Rixner56)

1 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 422 Vgl ebenda S 313 Vgl ebenda S 334 Vgl ebenda S 345 Vgl ebenda S 34-35

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bdquoJeder Stern am Himmel ist nichts als ein geistig gewachsenes(spiritualisches) Kraut dem ein Kraut bei uns auf der Erdenentspricht und jener zieht durch s[eine] anziehende Kraft dasihm entsprechende Kraut auf der Erde an und jedes Kraut istdaher ein irdischer Stern und waumlchst uumlber sich dem Himmel zu

Das Gestirn ist den Kraumlften und der Form nach der Ursprungalles Gesteins und an sich selbst nur ein Stein und das irdischeGestein nur ein Auswurf des himmlischen Die ganze Erdeselbst ist Nichts als ein in Truumlmmern ausgeworfenes und wie-der zusammengeschmolzenes Steinwerk welches in der Mittedes Firmamentes in Ruhe gekommen istldquo1

bdquoBesonders und im vollsten Sinne ist aber der Mensch Mi-krokosmos denn der Mensch ist nach Gottes Bilde geschaffenworden damit er die kleine Welt sei nicht zwar der Form undleiblichen Substanz nach sondern nach allen Kraumlften und Ei-genschaften der groszligen Welt gleich

Im Himmel und [auf] der Erde ist die Form abgerechnetnichts was nicht auch im Menschen waumlre und es ist zwi-schen der groszligen Welt und dem Menschen nur der Unter-schied daszlig der Mensch in eine andre Form Gestalt und Sub-stanz geschaffen ist ohne daszlig deswegen die Eigenschaftenveraumlndert w[orden] waumlren ldquo2

bdquoEr ist also der Sohn der ganzen Welt und verhaumllt sich zuderselben wie ein Extrakt zu dem woraus es gezogen wordenund die Welt ist in dem Grade schwaumlcher als sie vom fuumlnftenWesen verloren hat (Naumlmlich der Mensch ist aus den VierenErde Luft Wasser und Himmel gezogen und daher die quintaessentia)ldquo3

bdquoDer Mensch ist daher in der Mitte und d[er] Mittelpunktaller Kreaturen um welche alle aumluszligern Sphaumlren und Kreisegehen denn seinetwegen sind sie erschaffen Deswegen nimmtsie der Mensch auch alle auf

Daher hat der Mensch viele tausend Vaumlter und Muumltter wel-che alle in ihm sindldquo4

bdquoUumlber die Prinzipien aller DingeDas Wort Fiat [Es werde] durch welches alles entstanden

ist war dreifach denn die Dreieinigkeit hat es ausgesprochen 1 Vgl ebenda S 562 Vgl ebenda S 573 Vgl ebenda S 584 Vgl ebenda S 59

251

Daher ist jede Kunst welche in der Natur mehr als drei Prinzi-pien sucht falsch Diese drei sind erste Materie und Eins wieGott Eins ist Wie aber in der Gottheit drei1 Personen sindwelche nach ihren persoumlnlichen Funktionen oder Verrichtungen(officio) verschieden sind also auch die drei Ersten2

Diese drei haben Eine Mutter naumlmlich das WasserIhre Namen sind Sulphur [Schwefel] Mercurius [Quecksil-

ber] und Sal [Salz] (oder Resina [Harz] Liquor (Gotaronium)und Balsam[icum]) Dem physischen Koumlrper koumlmmt auszligerihnen nichts mehr hinzu als das Leben und was zum Lebengehoumlrt - Nur im Tode der Dinge offenbaren sie sich

Zwar koumlnnen wir die materia prima [Urstoff] nicht erklaumlrenAber der Sulphur spiegelt sich ab in unserm gewoumlhnlichenSchwefel der Mercurius in unserm Quecksilber das Sal in

1 Im Ms folgt Per-2 Am Rande Par[acelsus] nimmt (Tennemann S 213 IX B[and])

[W G Tennemann Geschichte der Philosophie IX Bd Leipzig1814 S 213-214] 3 oder 4 Uranfaumlnge der Dinge an d[as] astrumdie radix d[as] elementum und das Sperma d[as] Vehikel des wah-ren Samens Alle diese Uranfaumlnge w[erden] in dem Chaos oder wiees Par[acelsus] nennt dem myster[ium] magnum eingeschlossendas astrum ist s[eine] taumltige Kraft d[ie] der formlosen Materie dieForm mitteilte und ihre Bildung vollendete Diese Astra s[ind] wievernuumlnftige Wesen anzusehen sie sodomieren und adultieren aberso wie andere Kreaturen Jedes Astrum zieht d[as] Kraut und Me-tall nach Willkuumlr aus dem Myst[erio] magno hervor mit welchemes verwandt ist und gibt der Wurzel derselben astrali[sche] FormD[ie] wahren Elemente s[ind] S[al] Mer[ciurius] Sulph[ur] nichtdiese sichtbaren Koumlrper sondern die unsichtbaren astralischen Dasastralische Salz ist der Grund der Konsistenz der Koumlrper und ihresRuumlckstandes nach dem Verbrennen Der siderische Schwefel machtdurch astralische Einfluumlszlige belebt den Grund des Wachstums derKoumlrper und des Verbrennens selbst aus Das siderische Quecksilberist der Grund der Fluumlssigkeit und des Verrauchens D[ie] [Im Msfolgt gestr Zus] Zusammenkunft dieser 3 Koumlrper macht d[en]Koumlrper aus Daraus bildeten sich die Nachfolger des Paracels[us]folgende 3 Harmonien

Seele Geist LeibQuecksilber Schwefel SalzWasser Luft Erde

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unserm Salze Aber alle drei zusammen sind der Ursprung(Limbus) der Elementeldquo1

bdquoSulphur ist naumlmlich der Grund der Koumlrperlichkeit Sal derGrund des Zusammenhangs (congelation [Verdichtung]) undder Farben Mercurius der Saft in dem er lebt (Liquor in demer steht) und gibt d[ie] Eigenschaften Kraumlfte und verborgenenWirkungen (Arcana)

Daszlig alle Dinge aus Dreien bestehen muumlssen ist schon darausklar weil sie nicht vergehen koumlnnten wenn sie Eins waumlrenwas doch allein geschiehtldquo2

Nahrung des M[enschen]bdquoIm Leibe verteilt sich alles was von auszligen und innen

kommt in die Glieder Von innen koumlmmt alles was durch denMund eingeht Allein dieses reicht nicht hin den Menschen zuerhalten Von auszligen kommt alles was der Mensch durch dieHaut an sich zieht Dadurch koumlnnen Menschen wie Beispielelehren mehrere (bis auf 20) Jahre ohne Nahrung von innenleben Was nun (auf diese oder jene Art) in den Mensch[en]koumlmmt verteilt sich in alle3 Teile wo es sich durch die Wir-kung der Glieder selbst in sie verwandelt

Unsere Nahrung ist also das was wir selbst sind und wiressen daher uns selbst Ohne Nahrung waumlre kein Ding was esist Die Nahrung ist aber keine Anfuumlllung sondern eine For-merstattung denn die Form stirbt ohne die Hinzusetzung vonauszligen weil in uns ein Feuer ist welches Bild und Form ver-zehrt Daher muszlig das was wir essen alle Glieder in sich ha-ben Was der bildenden Kraft zur Ersetzung der Glieder taugtnimmt sie daraus und wirft d[ie] uumlbrigen durch den Stuhl ausldquo4

An den Paracelsus schlieszligen sich an Johann Baptista vanHelmont 1577 geb[oren] zu Bruumlssel (ortus medicinae ieinitia physicae inaudita)5 dagger 1644 Ferner Franciscus Mercurius

1 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 622 Vgl ebenda S 643 Im Ms folgt gestr Glieder4 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 1115 J B v Helmont Ortus medicinae Id est initia physicae inaudita

Amsterodami 1648

253

van Helmont (Opuscula philosophica)1 geb[oren] zu Vilvorden1618 Ferner ist hieher zu zaumlhlen Robert Flud[d] geb[oren]1574 ein gebor[ner] Englaumlnder medicina catholica2 - Rob[ert]Flud[d] alias de fluctibus Utriusque cosmi majoris scilic[et] etminoris metaphysica physica atque technica historia [Op-penhemii] 1617 Sie gehoumlren hierher inwiefern Natur wesent-licher Gegenstand und Zentrum ihres Geistes ist ihre An-schauungsweise ist aber Mystizismus Vereinigung von pla-ton[ischen] und kabbalist[ischen] Gedanken

Dem Paracelsus dem wiefern bei aller Tiefe und Spekulationdoch die sinnlich wirkliche Natur wesentliches Objekt desGeistes ist und in ihm und in dem das Prinzip der neuern Zeitwie es in sich das Prinzip der Erfahrung und die Erfahrungselbst als ein Moment in sich begreift zuerst und eben deswe-gen auf diese und keine andere Weise aussprach und verwirk-lichte kann [man] gegenuumlberstellen den Lord Baco v[on]Verulam den Apollo den heiligen Schutzpatron und Messiasaller Empiristen der das bloszlige Moment der Erfahrung Entdek-kung und Beobachtung fuumlr sich allein fixierte als das einzigeHeil der Menschheit aussprach und in dem daher das Prinzipder neuern Zeit nur als das Prinzip der Erfahrung sich aus-sprach Er kann wohl als der Erste genannt werden der denSchleier am Tempel der Isis der so lange die Natur dem Augeder in die eigne Tiefe oder die Tiefe Gottes versenktenMenschheit entzog luumlftete und die Natur in ihrer sinnlichenGestalt zum Objekte sinnlicher Erfahrung und sinnlicher Be-obachtung3 erhob Das Prinzip einer Philosophie ist ihr Geistdieser Geist ist aber naumlher die Methode Abgesehen von denvielen brillanten Saumltzen und Sentenzen die wie Vorstecknadelndaher auch an4 den Vorreden und Titelblaumlttern unzaumlhlig vielernaturwissenschaftlichen Buumlcher prangen abgesehen davondaszlig Baco schon einen Organismus der Wissenschaft zu gebenversuchte so ist wenn man weiszlig was Geist und Wesen istund wie man nach Geist und Wesen charakterisieren muszlig die

1 F M v Helmont Opuscula philosophica Quibus continentur

Principia philosophiae antiquissimae et recentissimae ac Philoso-phia vulgaris refutatae Amstelodami 1690

2 R Fludd Medicina catholica seu Mysticum artis medicandi sa-crarium In t divisum 2 Francofurti 1629ndash1631

3 Beobachtung Anschauung Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr un

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Baconische Philosophie damit ganz in ihrem Wesen charakteri-siert und dargestellt wenn man sagt sie ist eine Anweisungaber freilich nicht zum seligen Leben sondern dazu Erfindun-gen und Erfahrungen zu machen seiner Philosophie Inhalt istdas Prinzip die Methode der Erfahrung schlecht ausgedruumlcktund gefaszligt das Mittel zu erfahren als den Inhalt derselben derBaconischen Philosophie kann man ansehen alle Entdeckungenund Erfindungen die in neuern Zeiten gemacht worden sindDie Erkenntnis der Natur die sein Prinzip ist ist die durchErscheinungen vermittelte innerhalb des Kreises der Erschei-nungen bleibende durch Erscheinung die Erscheinung begruumln-dende Erkenntnis der Erscheinungen Die Erfahrung wie sie indiesen Zeiten aufkam und noch lebt stellt man sich oft vor alseinen Standpunkt der sich von selbst versteht als ein unmittel-bar Erstes dem Geiste oder dem Menschen Zunaumlchstliegendesja man wundert sich daruumlber wie sich die Menschen sosehrvon der Quelle von ihrer naumlchsten Bestimmung und Be-ruf[ung] entfernen konnten Aber der Standpunkt der Erfah-rung ist nicht ein absoluter ein erster sondern ein selbst ge-setzter abhaumlngiger vermittelter vielmehr setzt die Art derErfahrung die in unsern Zeiten gilt als die einzig wahre unddem Menschen moumlgliche Erkenntnis eine Entfremdung Ali-enation eine Entfernung des Geistes und des Menschen vonsich weg voraus In der Erfahrung ist der Geist auszliger sich Daswahrhaft Erste Naumlchste wahrhaft Unmittelbarste in dem We-sen der Menschen ist die Philosophie wie auch die Geschichtebeweist Das Sinnliche ist nicht durch sich selbst unmittelbarernaumlchster Gegenstand des Menschen er ist nur Gegenstanddurch den Geist setzt also diesen voraus sowenig das Sinnli-che selbst Erstes Unmittelbares ist sowenig ist die sinnlicheErkenntnis wahrhaft erste unmittelbare Erkenntnis von demwas nicht selbst Erstes ist1 ist auch die Erkenntnis nicht dieErste Das Sinnliche ist nur ein mittelbares und die sinnlicheErkenntnis nicht nur ihrer Natur nach eine mittelbare ohneAnfang und Ende sondern auch ihrem Grunde nach eine ver-mittelte Das Selbstbewuszligtsein des Geistes2 war und ist dasimmanente und verborgene Prinzip der3 Zeit die geistig sinnli-che Existenz derselben ist das Selbst das empirische gemein- 1 Im Ms folgt gestr gilt2 Im Ms folgt gestr war und3 Im Ms folgt gestr neuern

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same Ich die sinnliche Erscheinung davon daszlig im Grunde undWesen der Weltgeschichte [] der Geist sein Selbstbewuszligtseinfuumlr sich rein erfaszligt war daszlig das eig[ent]l[iche] Selbst sicherfaszligt das einzelne Selbst erfaszligt sich nur im Wesen und Geistsich entfremdend sich herausziehend aus aller Tiefe ein Ge-gensatz ist unzertrennlich von s[einen] Gegensaumltzen Das In-sichsein des Selbstes ist das []1 an-sich-Sein des GeistesBaco beginnt daher mit der Ausrottung der menschl[ichen]Idole

1 Durch Beschaumldigung des Ms nicht lesbar

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[Zur V Vorlesung ndash Bruno Campanella ndash Monismus]1

bdquoIntelligentia est divina quaedam vis insita rebus omnibuscum actu cognitionis qua omnia intelligunt sentiunt et quo-modocunque cognoscunt2 In omnibus vel minimis est cognitioquamvis intelligentiam in quibusdam propter defectum orga-norum non videmus actuldquo3

bdquoDie Intelligenz ist eine gewisse goumlttliche Kraft allen Dingeneingepflanzt vermoumlge deren sie Alles verstehen empfindenund in irgendeiner Weise erkennen In allen auch den gering-sten ist Erkenntnis obgleich wir in einigen die Intelligenzwegen des Mangels an Organen nicht taumltig erblickenldquo (Gior-dano Bruno)

Alles ist der Substanz nach Eins sagt Giordano Bruno4 diegeistige und koumlrperliche Substanz obwohl verschieden redu-zieren sich doch zuletzt auf Ein Sein und Eine Wurzel DieMaterie ist nicht ausgeschlossen von den unkoumlrperlichen Din-gen und der Geist nicht von den materiellen Nein der Geistfindet sich vielmehr in allen Dingen jedes Ding sei es auchnoch so gering hat etwas Geistiges in sich alle Dinge sindbelebt und beseelt wenn auch nicht der Tat der Erscheinungso doch dem Wesen nach Die Welt sagt Campanella5 ist ganzSinn Leben Seele alle ihre Teile empfinden und erfreuen sichdes gemeinsamen Lebens Koumlnnen Wissen Lieben oder Wollen(zuerst die Potentia das Daseinkoumlnnen dann die Sapientiaoder Intelligenz zuletzt der Amor das Verlangen) ist das We-sen aller Dinge denn Alles was ist kann sein will und weiszligdaszlig es ist Was nicht weiszlig was ihm zutraumlglich oder verderblichist kann nicht existieren Selbst die Pflanze unterscheidet dieassimilierbaren Stoffe von den unbrauchbaren den auszuschei-denden selbst der Knochen fuumlhlt denn er ernaumlhrt sich undwaumlchst Keine Ernaumlhrung ist aber moumlglich ohne Wahrnehmung

1 Text aus BwN 1 Bd S 317-318 uumlbernommen Dort unter dem

Titel Giordano Bruno und Campanella uumlber die houmlchsten Prinzipi-en Der Traum des Monismus Beilage in A nicht beruumlcksichtigt

2 G Bruno Jordani Bruni Nolani Opera Latine Conscripta 1 Bd4 Tl Stuttgart-Bad Cannstatt 1962 S 103

3 Ebenda S 1074 Vgl G Bruno De la causa principio et Uno Venetia [ie London]

15845 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia Francofurti 1620

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ohne Empfindung der passenden Nahrungsmittel ja selbst diehaumlrtesten Dinge die Steine sind nicht ganz empfindungslos1

So schreibt der Italiener allen Dingen Seele allen ObjektenSubjektivitaumlt zu Er kennt keinen Unterschied zwischen sichund dem Objekt2 keinen Gegensatz zwischen Mensch undNatur zwischen Geist und Materie er lebt und webt nur imGedanken der Einheit Und er bleibt nicht nur bei dem Allge-meinen dieses Gedankens stehen er fuumlhrt die Identitaumlt desGeistes und der Materie der Vernunft und Sinnlichkeit bis insSpezielle durchEs gibt nicht sagt Campanella eine vernuumlnftige eine zuumlrnendeund eine begehrende Seele es gibt nur Eine Seele die sinnli-che Begierde ist nicht unvernuumlnftig oder der Vernunft entge-gengesetzt denn sie hat einen vernuumlnftigen Zweck die Erzeu-gung und wird durch den Anblick der Schoumlnheit erweckt aberdie Wahrnehmung der Schoumlnheit ist eine Sache der VernunftEbenso wenig ist der Sinn der Vernunft entgegengesetzt derSinn ist vielmehr Weisheit oder ein Funke der goumlttlichen Weis-heit Nur das sinnliche Wissen ist gewisses zweifelloses Wis-sen Der Sinn braucht keinen Beweis er ist selbst der BeweisDer Sinn ist das vorzuumlglichste Licht nur er klaumlrt alle Dunkel-heiten und Zweifel auf Niemand fragt disputiert und raumlsoniertjetzt noch daruumlber ob es eine neue Welt gibt nachdem sie vonColumbus entdeckt worden [ist]

1 Der Glaube des Volkes an Nixen Feen Kobolde u dgl die ganze

ehrbare Maumlrchenwelt des Volkes ist nicht ein aberglaumlubisches son-dern tiefes Naturgefuumlhl von der Alleinheit und Allgegenwart desGeistes das darin kindlich ist daszlig es den Geist der Natur in der Ge-stalt und Bestimmtheit der Persoumlnlichkeiten faszligt

2 Gleichwohl sagt Campanella daszlig alle Irrtuumlmer davon herruumlhrendaszlig wir die Dinge so denken wie wir sind Aber wie dies zu verste-hen ergibt sich sogleich aus dem folgenden Beispiel Ventos nil vi-dere putamus quoniam oculos non habent sicut nos bdquoWir glaubendie Winde sehen nichts weil sie nicht Augen haben wie wirldquo [TCampanella] De Sensu rerum et Magia II c 21 [T CampanellaDe sensu rerum et magia hellip a a O Lib II cap XXI S 130]

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[Zur V Vorlesung ndash Bruno ndash Vom Unendlichen]1

[hellip]2 bdquoes gehoumlrt nicht gefaszligt w[erden] zu koumlnnen und wederGrenze noch Ende noch irgend eine letzte Bestimmung zuhaben Es ist also unendlich und unermeszliglich folglich auchunbeweglich Seinen Ort kann es nicht veraumlndern weil auszligerihm kein Ort vorhanden ist Es w[ird] nicht erzeugt weil allesDasein sein eignes Dasein ist Es kann nicht untergehen weilnichts ist worin es uumlbergehen koumlnnte Es kann weder wachsennoch abnehmen weil sich das Unendl[iche] zu dem keineVerhaumlltnisse passen sowenig vermindern als vermehren laumlszligtEs ist keinem Wechsel unterworfen weder von auszligen da ihmnichts aumluszligerlich ist noch von innen weil es alles was es seinkann zugleich und auf Einmal ist Seine Harmonie ist eineewige Harmonie und die Einheit selbst Es ist nicht Materieweil es keine Figur keine Grenze hat noch haben kann Es istnicht Form und erteilt keine Form noch Gestalt weil es selbstJedes und das Gesamte Eins und Alles ist Es kann3 wedergemessen noch zum Maszlig genommen w[erden] Es faszligt undumfaszligt sich selbst nicht weil es nicht groumlszliger ist als es selbstEs w[ird] nicht gefaszligt noch umfaszligt weil es nicht kleiner ist alses selbst Es vergleicht sich nicht4 und kann nicht verglichenw[erden] weil es nicht eins und ein andres sondern Eins unddasselbe ist

Da es Eins und dasselbe ist so hat es nicht ein Sein und einandres Sein und weil es nicht ein Sein und ein andres Sein hatso hat es auch nicht Teile und andre Teile und weil es nichtTeile und andre Teile hat so ist es nicht zus[ammen]gesetzt Esist auf gleiche Weise das Gesamte und ein Jedes Alles undEins also Grenze und dennoch keine Grenze Form und den-noch keine Form Materie und dennoch keine Materie Seeleund dennoch keine Seeleldquo5 bdquoWo kein Maszlig ist da sind keineVerhaumlltniss[e] noch uumlberhaupt Teile welche sich vom Ganzenunterscheiden Ein Teil des Unendlichen waumlre selbst ein Un- 1 Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Text beginnt im Satz Vorangehende Seite fehlt3 Im Ms folgt gestr so []4 Im Ms folgt gestr noch5 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno von Nola Beylage I zu den

Briefen uumlber die Lehre des Spinoza In Friedrich Heinrich JacobirsquosWerke 4 Bd 2 Abth Leipzig 1819 S 35-36

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endliches also Eins mit dem Ganzen Es kann folglich 1 in derunendlichen Dauer auch d[ie] Stunde nicht vom Tag d[er] Tagnicht2 vom Jahr d[as] Jahr nicht3 vom Jahrh[undert] d[as]Jahrh[undert] nicht vom Augenblick unterschieden w[erden]denn das Eine hat zur Ewigkeit nicht mehr Verhaumlltnis als dasandre Auch du bleibst immer eben weit vom Unendlich[en]entfernt und auszliger allem Verhaumlltnisse geg[en] dasselbe dumagst Mensch eine Ameise oder eine Sonne sein Dasselbegilt von allen einzeln[en] Ding[en] ohne Ausnahme weil derBegriff des Unendlich[en] alle Einz[e]lheiten und Verschie-denheit[en] alle Zahl und Groumlszlige aufhebt Im Universo ist derKoumlrper nicht vom Punkt d[as] Zentrum nicht von der Periphe-rie das Endliche nicht vom Unendlichen d[as] Groumlszligte nichtvom Kleinsten unterschieden Es ist lauter Mittelpunkt odersein Mittelpunkt ist uumlberall und sein Umkreis nirgend Darumwar es keine leere Rede wenn jene Alten von dem Vater derGoumltter sagten er erfuumllle alle Dinge hab[e] in jedem Teil desWeltalls s[einen] Sitz sei d[er] Mittelpunkt eines jedes We-sens Eins in Allem und derjenig[e] durch welchen Eins Allesist Die einzelnen Dinge welche sich unaufhoumlrlich veraumlndernsuchen kein neues Dasein sondern nur eine andre Art des Da-seins Sie sind aber sie sind nicht alles was sein kann in derTat und zugleich Dieselbe Kontraktion der Materie d[ie] d[ie]Form eines Pferdes bestimmt kann nicht zugleich d[ie] Formeines Mensch[en] einer Pflanze oder sonst eines einzelnenDings4 bestimmen Alle gehoumlren zu Einem Dasein nur nichtauf dieselbe Weise Das Universum begreift aber nicht alleinalles Dasein sondern auch alle Weisen des Daseins in sich esist Alles was sein kann in der Tat zugleich vollkommen undauf eine schlechterdings einfache Weise Was die Verschie-denheiten der Dinge Zahl Maszlig und Verhaumlltnis ausmachtberuhet auf Zus[ammen]setzung Figur und andern Modifika-tionen der Substanz welche in sich immer dieselbe bleibt Indiesem Sinne sagt Salomo es gescheh[e] nichts Neues unterder Sonne Alles ist Eitelkeit auszliger dem unvergaumlnglich allge-

1 Im Ms folgt gestr nicht2 nicht o Ms3 nicht o Ms4 Im Ms folgt gestr sein

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genwaumlrtigen Einzigen seine Substanz ist die Einzige Substanzalles auszliger ihm ist Nichts1

Die zahllose Menge der Wesen befindet sich also im Weltallnicht wie in einem bloszligen Behaumllter oder Raume sondern essind diese Heere der einzelnen Dinge gleich den Saumlften unddem Blute in dem Leben eines Leibes2 Wie die menschlicheSeele unteilbar und nur Ein Wesen dennoch jedem Teile ihresLeibes ganz gegenwaumlrtig ist indem sie zugleich d[as] Ganzedesselben zusammenhaumllt traumlgt und bewegt so ist auch d[as]Wesen des Weltalls im Unendlichen Eins und nicht weniger injedem der einzelnen Dinge welche von uns als Teile desselbenangesehen w[erden] gegenwaumlrtig so daszlig in der Tat das Ganzeund jeder Teil der Substanz nach nur Eins ist Diese nanntedaher Parmenides mit Recht das Eine Unendliche Unwandel-bare3 hellip

1 Vgl Prediger 12 und 192 Leibes Lebens Korr im Ms3 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 36-40 ndash

Parmenides Fragmente des Parmenides Gesammelt uumlbersetzt underlaumlutert von G G Fuumllleborn Zuumlllichau 1795 Kap I S 56-58

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[Zur IX Vorlesung ndash Pascal ndash Aus seinem Leben1]

2 Blasius Pascal zu Clermont geb[oren] 1623 Schon in fruumlh-ster Jugend Proben auszligerordentl[ichen] Geistes Nach dem Tods[einer] Mutter 1626 wandte sich der Vater mit groumlszligter Sorgfaltauf s[eine] Familie (er hatte nur noch 23 Schwestern) und gabihm selbst Unterricht er hatte nur seinen Vater zum Lehrer1631 zog4 der Vater nach Paris was vorteilhaft natuumlrl[ich] fuumlrdie Erziehung war Der Vater lehrte ihn im Allgemeinen wasdie Sprachen seien Oft sprach der Vater mit ihm von auszligeror-dentl[ichen] Wirkungen der Natur5 Er hatte groszlige Freude andieser Unterhaltung aber er wollte den Grund von allen Din-gen wissen Schlechte Gruumlnde befriedigten ihn nicht Immerund in allen Dingen war die Wahrheit sein einziger Gegen-stand denn nichts konnte ihn befriedigen als seine ErkenntnisPuisque jamais rien ne6 le pu satisfaire que sa connaissanceAinsi degraves son enfance il ne pouvait se rendre qursquoagrave ce qui luiparaissait vrai eacutevidemment de sorte que quand on ne lui disaitpas de bonnes raisons il en cherchait lui-mecircme et quand ilsrsquoeacutetait attacheacute agrave quelque chose il ne la quittait point qursquoil nrsquoeneut trouveacute quelqursquoune qui le put satisfaire Une fois entre autresquelqursquoun aiant frappeacute agrave table un plat de faiumlence avec un cous-teau il prit garde que cela rendait un grand son maisqursquoaussitocirct Qursquoon eut mis la main dessus cela7 lrsquoarrecircta Ilvoulut en mecircme temps en savoir la cause et cette expeacuterience leporta agrave en faire beaucoup drsquoautres sur les sons Il y remarquatant de choses qursquoil en fit un traiteacute agrave lrsquoacircge de 12 ans qui futtrouveacute tout agrave fait bien raisonneacute8 [Fast niemals konnte ihn etwaszufriedenstellen als sein Wissen Seit seiner Kindheit konnteihn nichts mehr interessieren als das was ihm wirklich alswahr erschien solcherart daszlig man ihm nicht die wahren Hin-

1 G Perier La vie de M Pascal eacutecrite par Madame Perier sa soeur

In Penseacutees de M Pascal sur la religion et sur quelques autres su-jets La Haye 1743

2 Am Rande r o Zur Geschichte der Philosophie3 2 Eine Korr im Ms4 Im Ms folgt sich5 Im Ms folgt gestr unleserl Wort6 Im Ms folgt la ( le)7 Im Ms folgt lrsquoarresta8 G Perier La vie de M Pascal hellip a a O S 7-8

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tergruumlnde sagte die er in ihnen vermutete und wenn er sich anetwas festgemacht hatte verlieszlig er es nicht bis zu dem Punktan dem er etwas gefunden hatte was ihn befriedigen konnteEinmal von vielen Malen hatte jemand am Tisch eine Fayence-Schuumlssel mit einem Messer angeschlagen er paszligte darauf aufdaszlig dies einen groszligen Klang abgab aber sobald wie jemanddie Hand daruumlber gelegt hatte houmlrte er auf Er wollte in dem-selben Augenblick den Grund davon wissen und dieses Expe-riment bewegte ihn dazu noch viel mehr andere [Experimente]daruumlber zu machen Er stellte dabei so viele Dinge fest daszlig erdavon eine Abhandlung im Alter von zwoumllf Jahren machte diedurch und durch fuumlr gut durchdacht befunden wurde] Schonim zwoumllften Jahr zeigte sich sein Genie zur Geometrie DerVater der gelehrt in d[er] Mathem[atik] war wollte weil erihn in den Sprachen unterrichten wollte und wuszligte daszlig dieMathematik eine den Geist befriedigende W[issen]schaft istwollte nicht daszlig er eine Kenntnis davon habe Trotz aller Vor-sichtsmaszligregeln des Vaters w[urde] der Sohn neugierig batden Vater sie ihn zu lehren er aber schlug es aus Einst fra-gend was diese Wiss[enschaft] waumlr[e] und wovon sie handleunter[richtete] der Vater daszlig sie waumlre das Mittel gerade Figu-ren1 zu machen und die Verhaumlltnisse dersel[ben] untereinanderzu finden zugleich verbot ihm aber der Vater davon mehr zusprechen und daran zu denken Nach dieser einfachen Eroumlff-nung uumlber die Mathem[atik] fing er selbst an daruumlber nachzu-denken in den Stunden der Erholung und indem er allein ineinem Saale war in dem er sich zu ergoumltzen pflegte nahm erKohle und machte Figuren indem er die Mittel suchte Figurenzu machen z B ein[en] vollkommen runden Zirkel ein Drei-eck2 deren Seiten und Winkel gleich waumlren Er fand dies allesallein endlich suchte er die Proportionen der Figuren unterein-ander Allein er wuszligte selbst nicht die Namen Er w[urde]gezwungen sich selbst Definitionen zu mach[en] er nannteeinen Kreis3 eine Runde eine Linie eine Stanze Nach diesenDefinitionen machte er sich Axiome und endlich machte ervollkommen[e] Beweise er trieb so s[eine] Untersuchungenbis zum 32 Satz im ersten B[uch] Euklids Einst traf ihn seinVater uumlber diesem Geschaumlft Erstaunt voll Freude uumlberlieszlig er 1 Erg im Ms justes fig[ures]2 Dreieck Δ Ms3 Im Ms darunter gestr Zirkel

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ihn s[einer] Neigung und gab ihm Euklid um in den Erho-lungsstunden ihn zu lesen Er las und verstand ihn ganz alleinIndes [ver]wandte er nur die Erholungsstunden auf das Studi-um der Geometrie denn er lernte Latein nach den Regelns[eines] Vaters Die Mathem[atik] befriedigte ganz s[einen]Geist und trotz der wenigen Zeit die er darauf verwendetemachte er im 16ten Jahr eine Abhandl[ung] des coniques[die] Kegelschnitte welche galten fuumlr die houmlchste Kraft desGeistes W[urde] aber nie gedruckt Waumlhrend dem [uumlber]setzteer immer fort Latein und Griechisch der Vater unterrichtet[e]ihn in Physik Philosophie

Seit dem 18 [Lebensjahr] verdarb s[eine] Gesundheit dochhatten die Unpaumlszliglichkeiten noch keine groszlige Wirkung in dieserZeit und im 19 Jahr erfand er eine Rechenmaschine durchwelche man nicht nur jede Art von Rechnung macht ohne Fe-der und Rechenpfennige (jetton) sondern auch selbst ohnearithmetische Regel zu verstehen und mit einer unfehlbarenSicherheit Durch die Anstrengungen die ihm besonders dieseArbeit machte kam er in Unpaumlszliglichkeiten die ihn nie verlie-szligen er selbst sagte seit meinem 18 Jahr verging kein Tagohne Schmerz minus Im 23 Jahre sah er das Experiment des Torri-celli er erfand und bewerkstelligte hernach die anderen Ex-per[imente] Dies war die letzte Beschaumlftigung wo er seinenGeist fuumlr die menschliche Wissensch[aft] anwand[te] dennobgleich er nachher erfand das Walzenrad la Roulette so fander sie doch ohne daran zu denken Unmittelb[ar] nach diesenExperiment[en] und im 24 Jahr noch nicht lieszlig die VorsehungGottes die Gelegenheit kommen die ihn veranlaszligte freie Buuml-cher zu lesen die Wahrheit der christl[ichen] Relig[ion] nurfuumlr Gott zu leben keinen andern Gegenstand als ihn zu habenschien ihm so evident notwendig und nuumltzlich daszlig sie alles[eine] Unters[uchungen] endigten so daszlig er von dieser Zeit anaufgab alle andern Erkenntnisse um sich allein auf die Sachezu legen die J[esus] C[hristus] notwendig nennt Er war bisherbewahrt w[orden] vor allen Lastern der Jugend und vor derFreigeisterei Sein Vater hatte ihn seit s[einer] Kindheit Ach-tung eingefloumlszligt fuumlr die1 Religion indem er ihm zum Prinzipgab daszlig alles was Gegenstand des Glaubens ist nicht Ge-gen[stand] der Vernunft sein darf Da er2 obwohl noch jung 1 Im Ms folgt gestr Tugend2 Da er Daher Ms

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die Freigeister als Leute ansah die in dem falschen Prinzipsind daszlig die menschl[iche] Vernunft uumlber allen Dingen ist unddie nicht die Natur des Glaubens erkennen Und so war diesergroszlige so umfassende vaste [unermeszligliche] und von Kenntnis-sen curiosites erfuumlllte Geist der mit solcher Sorgfalt denGrund und die Ursache von allem suchte zu fruumlher Zeit allenDingen der Religion wie ein Kind unterworfen und diese Ein-fachheit herrschte in ihm sein ganzes Leben durch so daszlig erselbst seitdem daszlig er sich entschloszlig kein anderes Studium alsdas der Religion zu treiben in sich legte auf die neugierigenFragen der Theologie und er alle Kraft seines Geistes daraufsetzte zu erkennen und auszuuumlben die Vollkommenheit derchristl[ichen] Moral welcher er geweiht hatte alle Talente dieGott ihm geschenkt hatte indem er nichts andres tat in demganzen uumlbrigen Leben als dem Gesetz Gottes Tag und Nachtnachzudenken S[eine] Krankheiten mehrten sich immermehr Seiner Gesundheit wegen begab er sich in die Weltallein er zog sich bald zuruumlck aus der Welt und bestimmte bisan sein Ende sein Leben nach den zwei Maximen allen Ver-gnuumlgen und allen Uumlberfluumlssig[em] zu entsagen Er w[urde]jedoch in seiner Zuruumlckgezogenheit von Leuten von groszligemGeist die den Gedanken hatten sich zuruumlck[zu]ziehen und umseinen Rat baten und solchen die zweifelten [aufgesucht] Eruumlbte die groumlszligte Strenge gegen sich aus Seine letzten vier Jahrew[aren] nur fortgesetzte Mattigkeit1 Sein Uumlbel erneuerte sichmit Zahnschmerzen Er w[ar] schlaflos In diesen Nacht-wach[en] kamen ihm2 eine Nacht auch ohne Vorhaben einigeGedanken uumlber die Lehre von der Walze Roulette in denGeist Ein Gedanke folgte dem andern und diese Menge vonnacheinanderfolgenden Gedanken entdeckten ihm gleichsamgegen seinen Willen die Demonstration von allen diesen Din-gen Waumlhrend seiner langen Krankheit hatte er immer die zweigroszligen Maximen vor Augen allem Vergnuumlg[en] und allemUumlberfluszlig zu entsagen Quand la necessiteacute le contraignait agrave fairequelque chose qui pouvait lui donner quelque satisfaction ilavait une adresse merveilleuse pour deacutetourner son esprit afinqursquoil ne prit point de part par exemple ses continuelles mala-dies lrsquoobligeant de se nourrir3 deacutelicatement il avait un soin tregraves- 1 fortgesetzte Mattigkeit Mattigkeit fortgesetzte Ms2 ihm ihn Ms3 nourrir noutrir Ms

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grand de ne point goucircter ce qursquoil mangait1 [Als die Notwen-digkeit ihn dazu zwang irgend etwas zu tun was ihm Befriedi-gung verschaffen konnte hatte er eine wunderbare Adresse umdorthin seinen Geist hinzuwenden so daszlig er sich erholenkonnte zum Beispiel zwangen ihn seine staumlndigen Krankhei-ten sich vorsichtig zu ernaumlhren er hatte eine sehr groszlige Sorgenichts von dem zu schmecken was er aszlig]

1 G Perier La vie de M Pascal a a O S 28-29

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[Zur X Vorlesung ndash Spinoza ndash Gott und Natur]1

2512 Gott in Beziehung auf die daseiende Welt beilegenkoumlnnen wir ihm nicht beilegen vor der Welt Also um abzuse-hen von andern christl[ichen] Lehren daszlig Gott Mensch gewor-den ist usw so w[ird] doch selbst in Gott tief genug eine Artvon Entwicklung und Geschichte gesetzt Wo keine Persoumln-lichkeit keine Individualitaumlt ist da ist kein Werden keineEntwicklung im eigentlich[en] Sinn denn die Individualitaumlt istdas Principium und die Moumlglichkeit des Endlichen erst miteinem persoumlnlichen Gott wird Endliches uumlberhaupt gesetzt erstmit dem Dasein eines persoumlnlichen Gottes ist3 selbststaumlndigesDasein des Endlichen des Bestimmten des Besondern moumlg-lich denn um nur daran zu erinnern Persoumlnlichkeit Indi-vid[ualitaumlt] ist Sammlung auf sich selbst Ausscheidung einesandern des Gegenstaumlndlichen uumlberhaupt erst mit ihr ist Unter-scheidung Trennung Entzweiung gegeben eben in der Tren-nung Entzweiung liegt die Moumlglichkeit eines selbstaumlndigenfuumlr sich bestehenden Endlichen Das zeigt sich so Der Menschist ein endliches einzelnes hinfaumllliges uumlberallhin unterworfnesWesen so ist er aber sinnlich insofern er aber Person [ist] sohat dieses endliche Wesen in seiner Persoumlnlichkeit erst Beste-hen er ist bewuszligtes endliches bewuszligtes einzelnes Wesen d him Bewuszligtsein bejahe affirmiere ich mich im Bewuszligtsein erstmeiner halte ich dieses Einzelne Realitaumlt in diesem halte ichmeine Endlichkeit fest oder so der einzelne Mensch als einzel-ner ist sinnlicher sterblicher indem er aber bewuszligt Person isterst da faszligt er sich unsterblich sich den Einzelnen 252 odererst als Person ist der einzelne nach allen Seiten hin unter-worfne Mensch selbstaumlndig unabhaumlngig aber eben so faszligt derMensch als Person andere und Anderes unabhaumlngig Erst alsomit Persoumlnlich[keit] Indiv[idualitaumlt] ist moumlglich Endliches erstmit ihr hat es Bestehen Von allem dem ist nun nichts in derLehre der Substanz die Persoumlnlichkeit ist nicht als wesentlichals unendlich gefaszligt w[ird] nicht in Gott angeschaut das Be-wuszligtsein die Persoumlnlichkeit ist nur ein Modus Cogitationis Im 1 Am Rande r o Uumlberschrift Spinoza moumlglicherweise von fremder

Hand2 Vorhergehende Manuskriptseite fehlt ndash Am Rande r o Verweis auf

Paginierung S 1223 Im Ms folgt gestr End[liches]

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System1 ist daher alles an und fuumlr sich ohne alle Vermittlungohne alle Geschichte von Ewigkeit her vollbracht abgeschlos-sen ohne daszlig2 ein Vollbringendes vorherging die Welt istnicht geworden ewig war sie da denn in dem Sinne als GottUrsache seiner selbst ist ist er Ursache der Dinge gleichwiedie Blume von Ewigkeit her begriffen und enthalten ist in derNatur der Pflanze als ihrer Ursache Die Blume ist nicht aussich selbst gekommen noch aus andern Teilen noch aus demSamen denn der Samen setzt schon selbst als eine Wirkung dieNatur der Pflanze voraus ewig notwendig folgt die Blume ausder Natur der Pflanze aus dem Wesen nur kann etwas entste-hen das Wesen der Blume und aller andern Affektionen3 ist diePflanze ist die Natur aus der ist Alles entstanden aber ewigliegt im Begriffe der Pflanze der Begriff der Blume enthaltennur als Ursache als Natur dem Begriff bloszlig nach ist die Pflan-ze fruumlher als das Einzelne 2534 Fuumlr uns fuumlr unsre sinnlichenAugen entstehen in der Zeit nacheinander die einzelnen Teileund fuumlr einen der noch nie einen Begriff der Pflanze gehabtwuumlrde wenn er einer Pflanze von Anfang bis zu Ende zusaumlhedie Pflanze sich gleichsam zusammensetzen Das Ganze5 wuumlr-de spaumlter erscheinen Allein fuumlr das sinnliche Auge Totumparte sua prius est [Das Ganze geht dem Einzelnen voran]Denn die Pflanze selbst ist ein unteilbarer Begriff ein Wesensie w[ird] nicht zusammengesetzt der Keim ferner das Blattdas sich aus ihm entwickelt zuerst ist ja selbst schon Pflanzli-ches dieser Keim dieser Teil gehoumlrt ja zu keinem andernDing paszligt nirgends hin als zur Pflanze die Pflanze ist schonim Keim und jedem bestimmten Teil da zugleich ist aber derKeim6 nur eine Seite ein Moment ein Teil am Ganzen derPflanze der Keim und jeder daraus hervortretende Teil setztschon das Dasein der ganzen Pflanze ihrem Wesen nach vor-aus waumlre nicht die hier sinnlich sichtbare sukzessiv sich ent-wickelnde Pflanze aus einer Natur die Pflanze hervorgegan-gen waumlre das Ganze nicht fruumlher als der Teil das Wesen fruumlherals die Erscheinung so wuumlrden also die einzelnen nacheinan-

1 Im Ms folgt der System2 Im Ms folgt es3 Im Ms folgt der4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1235 Im Ms folgt gestr ist6 Im Ms folgt gestr sch []

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der sich entwickelnden Teile die Pflanze erst machen zusam-mensetzen allein so kaumlme nie eine Pflanze ein Ganzes herausdenn waumlre nicht schon in dem einzelnen bestimmten fuumlr dasAuge hervortretenden Teil das unteilbare Ganze der Pflanzeauf unsichtbare Weise vorhanden und folglich das Ganze nichtfruumlher als der Teil 254 so wuumlrde die Pflanze aus selbstaumlndi-gen Teilen zusammengesetzt von denen jeder einzelne fuumlrsich an sich von dem andern abgetrennt waumlre jeder waumlre fuumlrsich nicht Pflanze sondern alle einzelnen zusammen setzenerst das Aggregat einer Pflanze zusammen allein so kaumlme einHaufen heraus von Teilen die fuumlr sich jeder einzelner nichtPflanze waumlre und die erst alle zusammen Pflanze waumlren wasaber unsinnig [ist] es kaumlme kein Ganzes kein unteilb[ares]Wesen heraus was die Pflanze ist Und das Ganze das Wesendie Natur der Pflanze ist daher fruumlher als die sinnlich einzelnenerscheinenden Teile denn als Natur als Pflanze als Wesen istschon seinem1 Begriff nach die Pflanze vollstaumlndig da in jedemeinzelnen Teil2 Die Welt ist also ewig in Gott die Wirkung3

ewig in der Ursache da die Wirkung ist nicht getrennt von derUrsache so wenig als die Blume je getrennt war von der Pflan-ze als ihrer Ursache Eben darum ist alles wie und was es seinsoll denn nur dort wo sich die Wirkung abtrennt von der Ur-sache und das Abgetrennte Selbstaumlndigkeit bekommt ist es 1 Im Ms folgt gestr Wesen2 Am Rande Das Ganze ist fruumlher als seine Teile das Ganze aber der

Pflanze ist ihre Natur inwiefern Blaumltter Blume usw als Wirkungder Natur betrachtet und inwiefern sie Pflanze ist und die Pflanzeals Ursache so ist die Pflanze als Ursache fruumlher aber nicht derZeit nach die Wirkungen aber die aus der Natur der Pflanze folgenfolgen notwendig aus der Natur der Pflanze sind nicht aumluszligerlichezufaumlllige wie etwa solche Wirkungen wenn ich ein Haus baueHolz spalte mir nicht aus meinem Wesen folgende zufaumlllige mirentlegene Wirkungen sind Wirkungen die notwendig aus der Naturder ursaumlchlichen Sache folgen sind innere wesentliche Wirkungendie in der Sache selber liegen [Im Ms folgt liegen] Wirkungen undUrsache machen zusammen Eines aus oder alle Wirkungen zu-sammen Blaumltter Ast Blatt etc zusammen machen das Wesen derUrsache die Pflanze selbst aus sie machen das Wesen aus das We-sen ist aber unteilbar Eines sie sind also nicht spaumlter sie sind zu-gleich mit der Ursache die Pflanze selbst ist Blatt Ast es liegt alsonichts zwischen der Ursache und der Wirkung in der Mitte das sieabhielte voneinander eine Zeit 255 dazwischen

3 Im Ms folgt gestr aber

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moumlglich daszlig das Abgetrennte nicht ist wie es sein soll dieBlume ist wie sie sein soll aber das von einer persoumlnlichenUrsache Gewirkte kann sein wie es nicht sein soll denn dieUrsache ist das1 Wesen der Wirkung indem sich die Wirkungvon der Ursache 2552 abtrennt trennt sie sich von ihrem3

Wesen ab und kann damit sein was sie nicht sein soll z Bich eine persoumlnliche Ursache bringe eine Wirkung hervor ichtue eine Handlung allein da eben die Handlung einer per-soumlnl[ichen] Ursache sich von der Ursache trennt so kann dieseHandlung etwas ganz anders sein als ich wollte und meintesie kann in der Wirklichkeit anders sein als sie in mir ihrerUrsache war

Also in dem spinoz[ischen] System ist alles vollkommendenn alles ist notwendig gefolgt aus der vollkommensten Ursa-che d h die Natur der Ursache ist in ihrer Wirkung nicht ver-lorengegangen sondern erhalten da alles ist real oder nur dasVollkommne das Reale ist Suumlnde Fehler liegt nur in der Ver-gleichung in der subjektiven Ansicht des Menschen ist nichtsWirkliches Aber das ist eben die wesentliche Bestimmung derCharakter der Natur daszlig sie ist wie sie sein soll es ist dies dasWesen der Natur daszlig die Wirkung nicht von der Ursache dieMoumlglichkeit nicht von der Wirklichkeit das Auszligen die Aumluszlige-rung die Handlung nicht getrennt ist von dem4 Innern Das istdas Wesen der Geist der Natur daszlig alles ist was es sein sollDer Baum wirkt nur tut nur bringt nur hervor was in ihmunmittelbar liegt und enthalten ist nichts ist in seiner Wirkungwas nicht in seiner Moumlglichkeit liegt er ist Baum dies ist seinalles was er wirkt Frucht Blatt trennt loumlst sich nicht entferntsich nicht von ihm weg er ist die immanente5 Ursache 256dessen was er wirkt in seinem Begriff liegt nicht mehr undnicht weniger als in seiner Wirkung Es ist ein in sich unent-zweites seliges einiges in sich selbst befriedigtes alles an undfuumlr sich erreicht habendes Leben es ist alles erfuumlllt kein Ster-ben keine Entzweiung kein Schmerz der Trennung Alles istEins in und an dem Baume denn die Affektionen die Modides Baumes trennen sich ja nicht als etwas Selbstaumlndiges von

1 das die Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr Wirkung2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1243 Im Ms folgt ihrem4 dem der Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr Wirk[ung]5 Im Ms folgt gestr Wirkung

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ihm ab sie druumlcken nur das Wesen der Pflanze ihren Begriffauf eine gewisse und bestimmte Weise aus

Die Welt ist wie sie sein soll Gott ist immanente Ursacheder Welt Gott ist also nichts als reine Natur Gott ist die wahreNatur es ist kein Wille kein Verstand kein persoumlnliches Be-wuszligtsein in ihm alle Dinge in sich in ihrer Natur d h in ihrerUrsache betrachtet sind vollkommen gleichwie die niedrigstePflanze in sich betrachtet ebenso vortrefflich und vollkom-men1 ist als das Houmlchste denn in ihrer Moumlglichkeit in demwas sie sein soll liegt nichts andres als was sie wirklich ist

Eine wesentliche Bestimmung der Natur ferner ist daszlig dasEinzelne vergeht das Allgemeine das Innre die Substanzunvergaumlnglich ist Die Wirkung trennt sich in der Natur nichtvon ihrer Ursache hieraus folgt eben daszlig die Ursache als diein ihren Wirkungen innewohnende Substanz ihre Wirkungeninwiefern sie einzeln auftreten verschwinden laumlszligt vernichteteben indem die Substanz gegenwaumlrtig ist in ihren Wirkungenin ihnen bleibt 2572 so trennen sich nicht als selbstaumlndig fuumlrsich bestehend die Teile oder die einzelnen [Wirkungen] vonihren Ursachen sie sind inwiefern sie einzelne sind in der inihnen innewohnenden Substanz aufgehobne unselbstaumlndigeverschwundne verlorne die Wirkungen einer persoumlnlichenUrsache weil sie sich trennen von der Ursache sind selbstaumln-dig bestehen haben Dasein fuumlr sich die Werke die ich tuebleiben wenn ich auch auf ewig von ihnen wegtrete die Wir-kungen aber einer Natur bleiben in ihrer Ursache Da aber dieUrsache die totale Einheit die unteilbare Substanz ist ihrerWirkungen die Wirkungen aber einzeln in der Wirklichkeiterscheinen so verschwinden sie gehen sie in der Zeit unterdenn sie sind ja ihrem Wesen nach schon verflossen ver-schwunden in die Substanz Die Natur der Pflanze als Naturdie Substanz ist ganz unteilbar in der Bluumlte in den Blaumlttern dadenn der Substanz nach der Natur nach ist das Blatt nicht vonder Blume und den andern Teilen unterschieden so vergehendiese Teile wiefern sie sinnlich einzeln existieren denn siesind ja in ihrer Substanz schon vergangen aufgehoben fuumlr dieSinne sind sie einzelne selbstaumlndige allein sie sind unselb-staumlndig ihrem Wesen nach sie muumlssen daher auch fuumlr das Auge

1 vollkommen unvollkommen Ms2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 125

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verschwinden weil sie schon fuumlr die Vernunft1 dem Wesennach verschwunden sind Was nun von den Blaumlttern Keim inbezug auf den einzelnen gilt gilt vom einzelnen Baum in Be-ziehung auf s[eine] Gattung s[eine] Substanz 258 und souumlberhaupt von der Natur Zugleich sind aber ebenso die einzel-nen Modi der Pflanzennatur inwiefern sie nicht einzelne vomsinnlichen Auge getrennte sind ewig zugleich der Begriff derPflanze befaszligt dies alles in Einem sie machen alle zusammenals Eins gedacht das Wesen selber aus dieses Blatt das ichsehe vergeht aber das Blatt in diesem Blatt liegt ewig in demWesen des Baumes ist ewig in ihm ist Teil seines Wesens

Spinoza also2 erkannte Gott in Bestimmungen der Naturoder den Geist in der Form der Natur3 Das lautet paradox DerGeist in der Form der Natur Wie kann der Geist der Geist inder Form der Natur sein Was soll das sein4 heiszligt das nichteben so viel als eine Pflanze in Form des Wassers oder Lichtin Form der Finsternis Kann man so Entgegengesetztes zu-sammenreimen Milder wird es schon erscheinen wenn ichsage Gott oder der5 Geist in der Form der Seele6 oder als See-le Die Natur in ihrer Wahrheit d h in der Vernunft geschautoder die Natur wie sie Gegenstand nur der Vernunft ist istnichts als durchaus lautere Seele die Natur ist7 der Geist uumlber-haupt als Seele8 oder in der Form der Seele Der Mensch unter-scheidet sich nur durch sein Bewuszligtsein als persoumlnlicher vonder Natur seine Seele ist nicht unterschieden als Seele von derNatur wie wir denn taumlglich 2599 im Schlaf aus dem Bewuszligt-sein in die bloszlige Seele zuruumlckkehren daszlig allerdings die Seeledes Menschen10 inwiefern sie Seele eines bewuszligten Geistes istalso auch im Schlaf noch durch bewuszligtes Denken bestimmt istund insofern wohl unterschied[en] ist von der Natur ist nur zu 1 Im Ms folgt gestr fuumlr2 Spinoza erkannte hellip nichts als Seele BwN 1 Bd S 323-324 SW

BJ 4 Bd S 394-395 ndash also [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ3 der Natur oder den Geist in der Form der Natur [so auch A] der

Natur oder den Geist in der Form der Natur BwN SW BJ4 sein [so auch A] bedeuten BwN SW BJ5 der [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ6 Seele Hervorgehoben in BwN SW BJ7 Im Ms folgt gestr als8 Seele Hervorgehoben in BwN SW BJ9 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 12610 des Menschen [so auch A] der Menschheit BwN SW BJ

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erwaumlhnen gehoumlrt aber weiter nicht hierher Was ist aber dieSeele1 Die Substanz ihres Koumlrpers das Wesen des Koumlrpers2in dem alle seine Teile nicht getrennt unterschieden nichtselbstaumlndig sind wie das Auge die Eva des Geistes uns dieszu glauben verfuumlhrt sondern alle zugleich beisammen eingoumlttliches Leben sind in dem3 die Teile als besondere selb-staumlndige aufgehoben verschwunden sind Der Koumlrper stirbtdaher nur deswegen weil er eine Seele hat seine Substanz dieSeele ist d h weil er an sich dem Wesen nach schon vor demsinnlichen Tod gestorben idealiter geistig auf unsichtbareWeise vergangen ist d h4 in der Seele das was man eigentlichMaterie Koumlrper nennt Teilbarkeit selbstaumlndige Trennung derTeile das Auszligereinandersein aufgehoben5 ist Was ist nun aberdie Pflanze Ist das etwa ein materielles totes Ding Sie istlauter Leben6 Was ist sie Substanz die materiellen sinnli-chen unterschiednen Teile sind nur Ein Sein Ein Leben ma-chen zumal zusammen nur Ein Wesen aus Ganz ist die Pflan-ze Leben ganz Wesen ganz Seele nicht hier oder da Und dieSubstanz dieser Teile dieser sichtbaren Materie ist eben daswas sie zum innigen Leben 260 zur Pflanze macht ist dieNatur der Pflanze ist ihre Seele Das Wesen der Pflanze istPflanze zu sein ihrer Substanz nach sind die Teile nicht au-szligereinander nicht materiell diese Substanz aber ist eben dieSeele Die Pflanze ist Seele7 Die Seele ist aber auch Geist sie

1 Seele Hervorgehoben in BwN SW BJ2 Die Substanz ihres Koumlrpers das Wesen des Koumlrpers [so auch A]

Die Substanz des Koumlrpers das Wesen des Koumlrpers BwN SW BJ3 dem [so auch A] der BwN SW BJ4 d h [so auch A] mit anderen Worten weil BwN SW BJ5 aufgehoben [so auch A] aufgegeben BwN SW BJ6 lauter Leben Hervorgehoben in BwN SW BJ7 Am Rande [so auch A] Die Pflanze ist ganz Pflanze ganz Sub-

stanz ganz Seele denn an der Pflanze gibt es nirgends einen Punktoder Ort wo bloszlige unbestimmt[e] Materie waumlre sondern die Mate-rie ist durchaus pflanzliche substantielle wesentlich innerlich gei-stig bestimmte seelenhafte Materie wir koumlnnen aber zugleich un-terscheiden an der Pflanze Innres und Aumluszligres Ausdehnung undSeele als solche wiefern sie als Innres abgetrennt betrachtet [wird]wollen wir nun annehmen daszlig jenes Innre auch Denken ist daszlig diePflanze wie sie eine Seele habe so auch denke Gefuumlhl Bewuszligtseinihrer selbst habe allein [hellip] indem die Pflanze Bewuszligtsein ihrerselbst hat so hat zugleich jeder Teil von ihr Bewuszligtsein seiner

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ist aber1 noch der einfache der nicht in2 Wissen und Bewuszligt-sein getrennte und unterschiedne der noch nicht sich selbstGegenstand seiende [sich] auszliger die3 Materie setzende Geistsie ist selbst nichts als lautere reine geistige Natur Nun muszligman aber absehen von den bestimmten Beispielen an denenwir dies zeigten und an Gott selbst denken Gott selbst istlautere Wesenseinheit reine Natur lauter Seele4

Wenn man dem Spinoza vorwerfen will daszlig er die Natur mitGott konfundiert habe so ist zu bemerken 1) daszlig wenn manunter Natur wie die Leute tun die ihm dies vorwerfen dieMaterie die Maszlige drauszligen oder das sichtbare in die Sinnefallende Universum [ver]steht Gott allerdings gewaltig auchbei Spinoza unterschieden ist von der Natur sowenig als diesichtbare Pflanze die unsichtbare ist sowenig ist diese Naturda die wir tasten fuumlhlen sehen Gott wenn Spinoza das ge-wollt haumltte so haumltte er kein System zu denken gebraucht allein

selbst oder indem alle Teile zusammen als Eines die Pflanze aus-machen so ist der Verstand aller einzelnen Teile zugleich der Ver-stand d[as] Bewuszligtsein der Teile von sich selbst alle Teile habenein Innres denken das Denken aller zusammen ist also das Denkender Substanz selber indem ich den Teil fuumlr sich betrachte sage icher hat Bewuszligtsein seiner selbst inwiefern der Teil aber nur eine Af-fektion der Substanz ist so sage ich wenn ich sage der Teil denktnichts andres als die Substanz denkt hat die Idee ihrer inwiefern[sie] als Modus da ist inwiefern sie das Wesen des M[enschen]ausmacht Zugleich sehen wir daszlig es in diesem Wesen keinen frei-en Willen geben koumlnne denn jedes besondere ist unteilbar 261 vondem andern hat also keinen Grund in sich aus dem es zu handelnanfinge denn die Seele das Denken des bestimmten Teiles waumlrenur bestimmtes aber nicht von der denkenden Subst[anz] abge-trenntes unterbrochnes selbststaumlndiges Denken denn das Denkenist ja unteilbar wie die Pflanze selbst das Herrlichste Houmlchste desTeils inwiefern er Geist ist Modus cogitandi waumlre daher die Ein-sicht d[as] Denken und [] diesen [] Verstand kann man sich den-ken als das Licht das durch alles geht dieses Licht ist unteilbarund obgleich d[as] Denken des Einzelnen nur ein Modu[s] einStrahl ist so erstreckt er sich ja mit diesem Licht des Einzelnenuumlber das Ganze saumlhe das Ganze Fehlt in BwN SW BJ

1 sie ist aber [so auch A] nur BwN SW BJ2 in [so auch A] im BwN SW BJ3 die [so auch A] der BwN SW BJ4 Nun hellip Seele [so auch A] So ist im Sinne Spinozarsquos Gott selbst

lautere Wesenseinheit reine Natur nichts als Seele BwN SW BJ

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die Substanz im Sinne des Spinoza ist unsichtbar unsinnlichuumlberhaupt geistig ist nur Gegenstand der Vernunft nur dasDenken 2611 sieht sie (Das Denken ist ja selbst AttributGottes freilich ist das kein persoumlnliches Denken Von denbestimmten Beispielen die ich angebe muszlig man eben nur dasAllgemeine das reine Wesen festhalten sonst wird es schwerzu begreifen wie d[as] Denken der Substanz zukomme)2

2) Wenn man das dem Spinoza vorwirft so kann man ebensodenen die Gott von der Natur unterscheiden und ihn als per-soumlnliches Wesen persoumlnliche Ursache fassen vorwerfen daszligsie Gott mit dem Menschen konfundieren Allein ebensowenigals man diesen dies vorwerfen kann und darf sowenig darfman [es] Spinoza vorwerfen wie diese [Gott] in Bestimmun-gen des bewuszligten Geistes die Bestimmungen des Menschensind und sein Wesen ausmachen fassen so faszligt eben Spi-noz[a] Gott in Bestimmungen oder in der Form der reinenNatur Gott ist ein persoumlnlicher Gott was heiszligt das anderes alsGott ist reine absolute vollkommene Person reines Bewuszligt-sein der Mensch ist endliches beflecktes schmutziges Be-wuszligtsein oder Gott ist die Person wie sie unendlich ist dieunendliche Person Gott ist Substanz d h er ist die unendli-che die reine vollkommne Natur nicht diese schmutzige undbefleckte Natur Wie man nun das Bewuszligtsein die Persoumlnlich-keit in ihrer Reinheit und Unendlichkeit in Gott schauen kannschauen darf schauen muszlig So kann darf muszlig man auch inGott die Natur in ihrer Unendlichkeit 262 anschauen Werbloszlig an Gott in seiner Persoumlnlichkeit festhaumllt der hat an ihmbloszlig einen Protektor einen Schutzpatron an seiner Personseiner Endlichkeit Gott ist dann3 ein absoluter Heiliger Esmuszlig einen Punkt einen Ort sozusagen in Gott geben wo derMensch die Vernichtung seines Selbsts seiner Persoumlnlichkeitanschaut denn sonst befreit er sich in der Anschauung Gottesnicht von sich selbst und dieser Ort ist eben Gott als Bewuszligt-loser als reine Natur die nichts vom Menschen weiszlig Gott hatnicht bloszlig ein Bewuszligts[ein]4 sondern auch eine Seele Waumlre ernur persoumlnlicher so waumlre der Mensch tiefer anbetungswuumlrdi-

1 Am Rande r Verweis auf Paginierung S 1272 Das Denken zukomme (Das Denken zukomme) A Im Ms

Klammern gestr3 Im Ms folgt gestr der4 ein Bewuszligts[ein] eine Seele Korr im Ms

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ger inhaltsvoller als dieser nur persoumlnliche Gott denn derMensch hat doch eine Seele noch im Hintergrund seines Be-wuszligtseins die in die Tiefe der Natur hinunter reicht Allein wiedem Menschen oder in ihm seine Seele seinem Bewuszligtseinvorausgeht so muszlig man in Gott vor sein Bewuszligtsein eineunendliche Wesenstiefe setzen und in Gott Bestimmungenanschauen die uns nicht widerspiegeln sondern in denen wirverschwinden in denen uns das Licht ausgeht mit dem wir nuruns selbst sehen Alle tiefern Denker haben daher in Gott selbstunterschieden wie Jacob Boumlhm[e] der von einem Grunde inGott wo Gott noch nicht als Gott der persoumlnlicher ist spricht

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[Zur X Vorlesung ndash Zur Kritik des Pantheismus]1

2472 Die Philosophie des Spinoza bezeichnet man alsPantheismus und als das charakteristische Kennzeichen desPantheismus daszlig er die wesentlichsten Unterschiede ndash diewelche die Grundlage aller menschlichen Empfindung undVernunft enthalten ndash ausloumlsche und daher das Goumlttliche ver-weltliche das Unendliche verendliche und umgekehrt die Weltvergoumlttere das Endliche zum Unendlichen erhebe3 DenPantheisten trifft jedoch dieser Vorwurf nicht allein er kannihn mit demselben wo nicht mit groumlszligerem Rechte4 zuruumlckge-ben seinen Gegnern sie seien welcher Art sie wollen dennjede Bezeichnung und Benennung jeder Gedanke5 ndash und set-zen wir auch in trivialer und irriger Weise das Empfindungs-vermoumlgen uumlber das Denken ndash jede Empfindung jede Ahnungkurz jede Weise der Wahrnehmung des Unendlichen sie seiund heiszlige wie sie wolle ist notwendig eine Verendlichung desUnendlichen sonst ist es uns gar nicht Gegenstand Ist es unsaber Gegenstand so ist es uns als Etwas Gegenstand oder wirsind Goumltzendiener eines sinnlosen Namens eines6 gedankenlo-sen Nichts Selbst das Gemuumlt das nicht so frei und offen wieder Kopf ist der gerade heraussagt was und wie er denkt dasvielmehr ein Geheimnis aus seinen Angelegenheiten machtsich vor sich selbst verschweigt und aus edler aber falscherobwohl eingeborner Scham [] 2487 den Gegenstand seinerhoumlchsten Liebe und Verehrung mit keinem bestimmten weilgemeinen Namen anredet unterliegt dieser NotwendigkeitDenn das Organ womit8 Gegenstaumlnde wahrgenommen werdenkann als die Gattung als der allgemeine Bestimmungsgrundderselben angesehen werden Das Gefuumlhl ist nun aber nicht daseinzige und ausschlieszliglich fuumlr das Goumlttliche und Unendliche als

1 Im Ms Uumlberschrift Zur 10 Vorlesung moumlglicherweise von fremder

Hand ndash Uumlberschrift in A [Zur X Vorlesung] [Spinoza]2 Am Rande Verweis auf Paginierung S 1213 Am Rande der Seite befinden sich unleserliche Zitate und Anmer-

kungen zu Spinoza aus spaumlterer Zeit So auch A4 Im Ms folgt gestr denen5 jeder Gedanke jede Vorstellung Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr lee[ren]7 Am Rande l unleserl Zitate und Anmerkungen8 Im Ms folgt gestr der

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solches das Organ sondern auch fuumlr das Endliche wie z B dieLiebe das Gefuumlhl der Andacht der Bewunderung Ist das Ge-fuumlhl des Unendlichen auch ein besonderes ein sich unterschei-dendes so hat es doch wenn auch nicht die Art doch die Gat-tung das Wesen mit den Gefuumlhlen des Endlichen gemein1Wenn daher die Identifikation des Unendlichen mit dem Endli-chen das Charakteristische des Pantheismus ist so ist derPantheismus das Charakteristische jeder Vorstellungsweise desUnendlichen Denn wenn2 das Gefuumlhl des Unendlichen demWesen nach identisch ist mit dem Gefuumlhl des Endlichen wasnicht geleugnet werden kann wofern man nicht ein Luumlgner istdenn wie sollte ich z B mein Verhaumlltnis zu Gott mit demWorte Liebe zu bezeichnen [mich gedrungen fuumlhlen] wenn ichnicht in der Natur der Liebe wie ich sie zu dem mir teuerstenWesen trage die Bedeutung und die Art meines Verhaumlltnisseszum Unendlichen richtig getroffen und ausgesprochen faumlndeso muszlig auch zwischen dem Gegenstande in dem Gefuumlhle desUnendlichen und dem in dem Gefuumlhle des Endlichen eine ge-wisse Verwandtschaft ndash wo aber Verwandtschaft ist aber Ein-heit der Gattung der Natur ndash eine gewisse Identitaumlt stattfindenDas Gemuumlt ist durchaus pantheistischer Na- 2493 tur aber inden Menschen die nur in der Weise des Gefuumlhls und derPhantasie zum Unendlichen sich verhalten ist der Verstand ndashund zwar notwendigerweise ndash der Diable boiteux und sarkasti-sche Antagonist ihres Herzens was sie mit diesem bekennenleugnen sie mit dem Verstand rund weg ab So war Fr[iedrich]H[einrich] Jacobi obwohl der leidenschaftlichste Gegner desPantheismus selbst Pantheist4 obwohl in ganz andrer Weiseals Spinoza und andre Pantheisten Die spekulative Vernunft istihm nur der Verstand des Endlichen und daher die Mutter despantheistischen Greuels Das Organ fuumlr das Goumlttliche ist nachihm nur das unmittelbare Gefuumlhl der Glaube die Uumlberzeu-gung Das Goumlttliche ist ihm das unmittelbar das schlechthinGewisse Aber eben dieses ist fuumlr ihn auch die sinnliche Weltder Dinge Ein und dasselbe Organ fuumlr die Existenz und Reali-taumlt des Sinnlichen und Uumlbersinnlichen Aber wie koumlnnte erdieselbe Gewiszligheit von Gott und den sinnlichen Wesen be- 1 gemein uumlberein Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr was nicht geleugnet werden kann3 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1284 Pantheist Gegner Korr im Ms

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haupten wenn nicht auch er selber sich zuschulden kommenlieszlige was er dem Pantheisten vorwirft nicht auch ndash freilich aufseine Weise ndash das Unendliche mit dem Endlichen identifiziertePersoumlnlichkeit ist ihm Alles ist ihm allein Sein WahrheitRealitaumlt er macht also ebenso gut wie Spinoza Einen nur sichselbst als Realitaumlt alles Andre nur als Endliches und Negativessetzenden Begriff zur Substanz auch nach ihm ist das Unend-liche denn die Persoumlnlichkeit ist die Bestimmung Gottes nichtdem Wesen nach von 250 dem Endlichen unterschieden denndie reale Bestimmung des Endlichen ist die menschliche Per-soumlnlichkeit Der Unterschied zwischen dem sogenanntenPantheismus besonders dem des Spinoza und den wirklichoder vermeintlich ihm entgegengesetzten Anschauungen be-steht lediglich in der Art und Weise unter welcher das Unend-liche verendlicht wird hauptsaumlchlich darin ob die Idee desGoumlttlichen lediglich in der Beziehung auf sich selbst und dar-um als Objekt der Erkenntnis oder in der Beziehung auf denMenschen sein unmittelbar persoumlnliches Leben und darum alsObjekt des Gemuumlts personifiziert und vergegenstaumlndlicht ob ndashum an beliebte Unterschiede uns zu akkomodieren ndash das Herzoder die Vernunft zu Gott gemacht wird ndash eine Materie derenEroumlrterung ebenso wenig in den Zweck dieses Werkes1 gehoumlrtals die Eroumlrterung der Frage welche Weise der Verendlichungdie der Idee des Unendlichen entsprechendste ist

Es fragt sich nun aber ob es wirklich begruumlndet ist daszlig derPantheismus namentlich der des Spinoza alle wesentlichenUnterschiede in den geschmacklosen Brei einer leeren Identitaumltaufloumlse Die gewoumlhnliche Vorstellung ist dies allerdings DerSatz Alles ist Eins mit allen jenen laumlcherlichen Konsequen-zen die man daraus zieht gilt fuumlr den konsequenten adaumlquatenAusdruck des pantheistischen Systems und jede Unterschei-dung jede Besonderung die der Pantheist mache ja schon seinVersuch den Pantheismus als ein wissenschaftl[]2

1 Im Ms folgt gestr paszlig[t]2 Der Text bricht ab

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[Zur XI Vorlesung ndash Jacobi zu Spinoza]

2981 Fried[rich] H[einrich] Jacobis Vorbericht zu den Brie-fen uumlber d[ie] Lehre des Spinoza IV B[and] I Abth[eilung]2

bdquoGleich wie Religion den Menschen zum M[enschen] machtund allein ihn uumlber das Tier erhebt so macht sie ihn auch zumPhilosophen Strebt d[ie] Religiositaumlt mit andaumlchtigem Vorsatzden Willen Gottes zu erfuumlllen so strebt d[ie] Religionseinsichtstets sicherer von Gott zu wissen und den Verborgenen zuerkennen Um diese Religion den Mittelpunkt alles geistigenLebens war es meiner Philosophie zu tun nicht um Erwerbungandrer wissenschaft[licher] Erkenntnisse welche auch ohnePhilos[ophie] zu haben sindldquo3 bdquoIch berufe mich auf einunabweisbares unuumlberwindliches Gefuumlhl als ersten und un-mittelbaren Grund aller Philosophie und Religion auf ein Ge-fuumlhl welches den M[enschen] gewahren und inne w[erden]laumlszligt er habe einen Sinn fuumlr das Uumlbersinnliche Diesen Sinn4

nenne ich Vernunft zum Unterschiede von den Sinnen fuumlr diesichtbare Welt Nur w[o] Selbstsein und Persoumlnlichkeit ndash beideEins auch nach Kant ndash vorhanden kann eine solche Berufungund mit ihr Vernunft sich kundgebenldquo5

hellip bdquoWurzel der Philos[ophie] muszlig bleiben Menschl[iche]Erkenntnis gehet aus von Offenbarung die Vernunft naumlmlichoffenbaret Freiheit indem sie Vorsehung offenbaret und alleAumlste der Lehre treiben aus dieser Wurzel hervorldquo6 hellip

299 bdquoWenn die Geschichte der Menschh[eit] eine Religion-geschichte ist warum nicht die innere Geschichte7 jedes ein-zelnen M[enschen] die Geschichte seiner Religion

Wo starke Persoumlnlichkeit hervortritt da w[ird] in ihr unddurch sie die Richtung zum Uumlbersinnlichen und die Uumlberzeu-

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1482 Im Ms am Rande ndash F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des

Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn In FriedrichHeinrich Jacobirsquos Werke 4 Bd 1 Abth Leipzig 1819 S VI-LIV

3 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a aO S XX-XXI

4 Im Ms folgt gestr nahm5 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XXI-XXII6 Ebenda S XXII-XXIII7 innere Geschichte Geschichte innere Ms

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gung von Gott am entschiedensten zur Sprache gebracht So-krates Christus Feacutenelon beweisen mir mit ihrer Persoumlnlichkeitden Gott welchen ich anbete er ist mir als Schoumlpfer dieserPersoumlnlichkeiten erhabner denn als Urheber des Sternenhim-mels nach Gesetzen innerer Notwendigkeit denen er selbst ins[einen] Werken unterworfen ist Der Gott der Bibel ist erhab-ner als der Gott welcher nur ein Absolutes ist wie sehr mandieses auch schmuumlcke und mit Flitterwerk der Phantasie umge-be

Darum fragt meine Philosophie Wer ist Gott nicht Was ister Alles Was gehoumlrt der Natur anldquo1 bdquoEs gibt keine Vernunftals in Person also weil Vernunft ist so ist ein Gott und nichtbloszlig ein Goumlttlichesldquo2

bdquoNaturdienst ist d[ie] Religion des Heidentums Gottesdienstdie Religion des Christen[tums] Die Tugend ist mit der letz-tern unzertrennlich Eins Wir erfahren daszlig ein Gott ist so oftsich in uns d[as] Gewissen ndash unvertilgbar die freie Persoumlnlich-keit bezeugend ndash uumlbermaumlchtig regt durch ein goumlttl[iches] Le-ben w[ird] der Mensch Gottes inneldquo3

3004 bdquoErkenne dich selbst ist nach d[em] Delphischen Gottund nach Sokrates d[as] houmlchste Gebot und sobald es in An-wendung kommt w[ird] d[er] Mensch gewahr Ohne goumlttlichesDu sei kein menschliches Ich und umgekehrtldquo5

D[er] Glaube bdquoist eine feste Zuversicht zu dem was mannicht sehet Wir sehen nie d[as] Absolute wir glauben es DasNichtabsolute d[as] Bedingte sehen wir und nennen diesesSehen Wissen In dieser Sphaumlre herrscht d[ie] WissenschaftDie Zuversicht zu dem was wir nicht sehen6 ist groumlszliger undgewaltiger als d[ie] Zuversicht zu dem was wir sehenldquo7 bdquoDie wahre Wissenschaft ist der von sich selbst und von Gottzeugende Geist Wie ich von der Objektivitaumlt meiner Gefuumlhledes Wahren Schoumlnen Guten und von einer d[ie] Natur beherr- 1 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XXIII-XXIV2 Ebenda S XXIV-XXV3 Ebenda S XXV4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1495 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XLII6 nicht sehen sehen nicht Ms7 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XLIII

281

schenden Freiheit uumlberzeugt bin so bin ich von dem DaseinGottes uumlberzeugt und so wie diese Gefuumlhle ermatten so er-mattet auch der Glaube an Gottldquo1 ndash bdquoDie Vernunft bejahtwas der Verstand verneint Inzwischen kann der Verstand dieBejahung nicht auf d[ie] Seite bringen ohne daszlig ihm alles ingeistlose Notwen[di]gkeit versinkt Also D[as] Nichts oder einGott Der Verstand wenn er nicht2 geradezu der Vernunft denRuumlcken kehrt hat ein oft miszligratnes Wissen von Gottldquo3

301 bdquoWenn Vernunft nur in Person sein kann und die Welteinen vernuumlnftigen Urheber Allbeweger Regierer haben sollso muszlig dieses Wesen ein persoumlnliches Wesen sein Ein solchesWesen laumlszligt sich nur unter dem Bilde menschl[icher] Vernuumlnf-tigkeit und Persoumlnlichkeit vorstellen ihm muumlssen die Eigen-schaften welche ich im Menschen als die houmlchsten anerkennebeigemessen werden Liebe Selbstbewuszligtsein Verstand freierWilleldquo4 ndash bdquoWenige Menschen erwaumlgen was ihnen Alles mitdem Glauben an einen persoumlnlichen Gott verloren geht Unsresittlichen Uumlberzeugungen gehen alle unter wenn uns das sittli-che Urwesen als ein sittliches d h persoumlnliches Wesen wel-ches das Gute will und wirkt verschwindetldquo5 bdquoD[as] Chri-stentum ist wesentlich anthropomorphistisch es lehrt alleineinen die Welt mit Wissen und Willen erschaffenden Gottd[as] Heidentum ist kosmotheistischldquo6

bdquoEs gibt so gut eine unsichtbare Kirche der Philosophie alseine unsichtbare Kirche des Christentums ndash eine Gemeinschaftder Glaumlubigen D[as] sichtbare Philosophentum wie das sicht-bare Kirchentum will den Verstand abrichten ihm die Wahr-heit erfinden mit Haumlnden greifen lassen will Gott machenEsset und ihr werdet sein wie Gott 3027 Meine Philosophiebekennt sich durchaus zur unsichtbaren Kircheldquo8

1 Ebenda S XLIII2 nicht o Ms3 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XLIV4 Ebenda S XLV-XLVI5 Ebenda S XLVII6 Ebenda S XLVIII-XLIX7 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1508 Vgl F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a

a O S LIII

282

Uumlber eine Weissagung Lichtenbergs1

bdquoEin Sein ohne Selbstsein ist durchaus und allgemein un-moumlglich Ein Selbstsein aber ohne Bewuszligtsein und wieder einBewuszligts[ein] ohne Selbstbew[uszligtsein] ohne Substantialitaumltund wenigstens angelegte Persoumlnlichkeit vollkommen ebensounmoumlglichldquo2 ndash bdquoAlso Gott ist nicht ist das Nichtseiende imhoumlchsten Sinne wenn er nicht ein Geist ist und er ist keinGeist wenn ihm die Grundeigenschaft des Geistes d[as]Selbstbewuszligts[ein] Substant[ialitaumlt] und Pers[oumln]lichk[eit]mangelt Ist er aber kein Geist so ist er auch nicht der Anfangder Dinge insofern sie Wirklichkeit und wahres Wesen habendenn d[as] Erste ist notwendig uumlberall wo etwas wahrhaft istder Geist Es ist kein wahres Sein noch Dasein moumlglich auszligerim Geiste und durch einen Geistldquo3

Jacobi an Fichte [1]7994

bdquoAlle M[enschen] insofern sie uumlberhaupt nach Erkenntnisstreben setzen sich ohne es zu wissen jene reine Philosophiezum letzten Ziele denn d[er] Mensch erkennt nur indem erbegreift und er begreift nur indem er ndash Sache und bloszlige Ge-stalt verwandelnd 303 ndash Gestalt zur Sache Sache zu Nichtsmacht5

bdquoWir begreifen eine Sache nur insofern wir sie konstruierenin Gedanken vor uns entstehen werden lassen koumlnnen Insofernwir sie nicht konstruieren in Gedanken nicht selbst hervor-bringen koumlnnen begreifen wir sie nicht

Wenn daher ein Wesen ein von uns vollstaumlndig begriffenerGegenstand w[erden] soll so muumlssen wir es objektiv ndash als fuumlrsich bestehend ndash in Gedanken aufheben vernichten um esdurchaus subjektiv [unser]6 eignes Geschoumlpf ndash ein bloszligesSchema ndash werden zu lassen Es darf nichts in ihm bleiben undeinen wesentlichen Teil seines Begriffs ausmachen was nicht

1 Am Rande r o S 240 III B[and] [F H Jacobi Uumlber eine Weis-

sagung Lichtenbergs In Friedrich Heinrich Jacobirsquos Werke 3Bd Leipzig 1816 S 240]

2 Ebenda S 2403 Ebenda S 2404 Im Ms am Rande ndash F H Jacobi Jacobi an Fichte Hamburg 17995 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 206 [unser] [so auch bei Jacobi] im Ms unleserl Wort

283

unsere Handlung jetzt eine bloszlige Darstellung unsrer produkti-ven Einbildungskraft waumlreldquo1

bdquoAller2 Reflexion liegt Abstraktion dergestalt zum Grundedaszlig Reflexion nur durch Abstraktion moumlglich w[ird] Umge-kehrt verhaumllt es sich ebenso Beide sind unzertrennlich und imGrunde Eins eine Handlung des Aufloumlsens alles Wesens imWissen3 progressive Vernichtung (auf dem Wege der Wissen-schaft) durch immer allgemeinere Begriffe Was nun auf dieseWeise involvierend vernichtet w[urde] kann evolvierend auchwieder hergestellt w[erden] Vernichtend lernte ich erschaffenDadurch naumlmlich daszlig ich aufloumlsend zergliedernd zum Nichts-Auszliger-Ich gelangte zeigte sich mir daszlig 3044 Alles Nichtswar auszliger meiner nur auf eine gewisse Weise eingeschraumlnk-ten freien Einbildungskraft Aus dieser Einbi[ldun]gskraftkann ich dann auch wieder hervorgehen lassen alleintaumltig alleWesen wie sie waren ehe ich sie als fuumlr sich bestehend fuumlrNichts erkannteldquo5

bdquoIch6 verstehe unter dem Wahren etwas was vor und auszligerdem Wissen ist was dem Wissen und dem Vermoumlgen des Wis-sens der Vernunft erst einen Wert gibt Vernehmen setzt einVernehmbares Vernunft das Wahre zum voraus Sie ist d[as]Vermoumlgen der Voraussetzung des Wahren Eine das Wahrenicht voraussetzende Vernunft ist ein Unding Mit se[iner]Vernunft ist dem M[enschen] nicht das Vermoumlgen einer Wis-senschaft des Wahren sondern nur d[as] Gefuumlhl und Be-wuszligt[sein] seiner Unwissenheit desselben Ahndung des Wah-ren gegebenldquo7

bdquoDarum ist denn auch meine und meiner Vernunft Losungnicht Ich sondern Mehr als Ich Besser als ich ndash ein ganzAnderer ndash Ich bin nicht und ich mag nicht sein wenn Er nicht

1 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 212 Am Rande S 233 Im Ms folgt gestr prog[ressive]4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1515 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 236 Am Rande S 327 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 32

284

ist - Ich selbst wahrlich kann mein houmlchstes Wesen mir nichtsein So lehrt mich meine Vernunft instinktmaumlszligig Gottldquo1

bdquoUumlber2 sich selbst erhebt den Menschen doch nur sein Herzwelches das eigentliche Vermoumlgen der Ideen ndash der nicht leerenistldquo3

1 Vgl ebenda S 352 Am Rande [S] 413 Vgl F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 41

285

[Zur XI Vorlesung ndash Mechanismus]

3061 bdquoIch verstehe unter Mechanismus jede Verkettung vonbloszlig wirkenden Ursachen welche eo ipso eine notwendige2

Verkettung ndash so wie eine notwendige Verkettung insofern sienotwendig eo ipso eine mechanische istldquo3

bdquoEine nicht mechanische Verkettung ist eine Verkettungnach Absichten oder vorgesetzten Zwecken Sie schlieszligt diewirkenden Ursachen folglich auch Mechanism[us] und Not-wendigkeit nicht aus sondern hat allein zum wesentlichenUnterschiede daszlig bei ihr das Resultat des Mechanismus alsBegriff4 vorhergeht und die mechanische Verknuumlpfung durchden Begriff und nicht wie im andern Fall der Begriff im Me-chanismus gegeben w[ird] Dieses System w[ird] das Systemder Endursache oder der vernuumlnftig[en] Freiheit genannt Jenesdas System der bloszlig wirkenden Ursache oder der Naturnot-wendigkeit Ein drittes ist nicht moumlglich wenn man nicht zweiUrwesen anneh[men] willldquo5

1 Am Rande r o Jacobi Beilage V zu Brief [] [F H Jacobi Bey-

lage V zu den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza In FriedrichHeinrich Jacobirsquos Werke Bd 4 Abth 2 Leipzig 1819 S 81-96]und Verweis auf Paginierung S 183

2 Im Ms folgt gestr Verknuumlpfung3 F H Jacobi Beylage V zu den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza

a a O S 934 Im Ms folgt gestr fuumlr5 F H Jacobi Beylage V zu den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza

a a O S 94-95

286

[Zur XndashXI Vorlesung ndash Exzerpte aus Jacobi]1

3072 Die Bedingung der Moumlglichkeit des Daseins einersukzessiven Welt (in Beziehung auf Spinoza auf die ewige []Schoumlpfung der Scholastiker) liegt auszliger dem Gebiete der Be-griffe der Vernunft naumlml[ich] auszliger d[em] Zus[ammen]hangbedingter Wesen d i der Natur Sie sucht also wenn sie jenerBedingung nachforscht das Auszligernatuumlrliche oder Uumlbernatuumlrli-che in ein Natuumlrliches oder auch das Natuumlrliche in ein Uumlber-natuumlrliches zu verwandeln Indem sie auf diese Weise auszligerihrem Berufe taumltig ist kann sie um keinen Schritt ihrem Zwek-ke naumlherkommen sondern immer nur Bedingungen des Be-dingten Naturgesetze Mechanismus3 zutage bring[en]1

1 Am Rande Friedr[ich] H[einrich] Jacobi Beilagen zu den Briefen

uumlber d[ie] Lehre d[es] Spinoza Beilage VII Jac[obi] Werke IVB[and] II Abtheil[ung] 1819 [F H Jacobi Beylage VII zu denBriefen uumlber die Lehre des Spinoza In Friedrich Heinrich JacobirsquosWerke 4 Bd 2 Abth Leipzig 1819 S 125-162]

2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1543 Anm[erkung] bdquoWir begreifen eine Sache wenn wir sie aus ihren

naumlchsten Ursachen herleiten koumlnnen oder ihre unmittelb[aren] Be-dingungen der Reihe nach einsehen was wir auf diese Weise einse-hen oder herleiten koumlnnen stellt uns einen mechan[ischen]Zus[ammen]hang dar So begreifen wir z B einen Zirkel wenn wiruns den Mechanismus s[einer] Entstehung oder s[eine] Physikdeutlich vorzustellen wissen d[ie] syllogist[ischen] Formeln wennwir d[ie] Gesetze welchen der menschl[iche] Verstand im Urteilenund Schlieszligen unterworfen ist s[eine] Physik s[einen] Mecha-nism[us] wirklich erkannt haben oder den Satz des zureichendenGrundes wenn uns d[as] Werden die Konstruktion eines Begriffsuumlberhaupt s[eine] Physik s[ein] Mechanism[us] einleuchtet D[ie]Konstruktion d[es] Begriffs uumlberhaupt ist das a priori aller Kon-strukti[onen] und d[ie] Einsicht in s[eine] Konstrukt[ion] gibt unszugleich auf das gewisseste zu erkennen daszlig wir unmoumlglich begrei-fen koumlnnen was wir zu konstruieren nicht [nicht o Ms] imstandesind 308 Darum haben wir von Qualitaumlten als solchen keine Be-griffe sondern nur Anschauungen oder Gefuumlhle Selbst von unse-rem eigenen Dasein haben wir nur ein Gefuumlhl aber keinen BegriffEigentliche Begriffe haben wir nur von Figur Zahl Lage Bewe-gung und den Formen des Denkens Wenn wir sagen das wir eineQualitaumlt erforscht haben so sagen wir damit nichts andres als [ImMs folgt gestr daszlig] wir haben sie auf Figur Zahl Lage und Bewe-gung zuruumlckgefuumlhrt und darin aufgeloumlst also wir haben die Quali-

287

bdquoIhr Geschaumlft uumlberhaupt ist progressive Verknuumlpfung und ihrspekulat[ives] Geschaumlft Verknuumlpfung nach erkannten Gesetzender Notwendigkeit d i des Identischen denn von einer andernNotwendigkeit als dieser welche die Vernunft selbst mit Huumllfedes bei ihren Progressionen unentbehrlichen Absonderns undWiedervereinigens durch abwechselndes Halten und Lassenerschafft und in identischen Saumltzen darstellt hat sie keinenBegriffldquo2 bdquoAlles was die Vernunft durch Zergliedern Ver-knuumlpfen Urteilen Schlieszligen und Wiederbegreifen herausbrin-gen kann sind lauter Dinge der Natur und die menschlicheVernunft selbst gehoumlrt als eingeschraumlnktes Wesen mit zudiesen Dingen Die gesamte Natur aber der Inbegriff allerbedingten Wesen kann dem forschenden Verstande mehr nichtoffenbaren als was in ihr enthalten ist naumlmlich mannigfaltigesDasein Veraumlnderungen Formenspiel nie einen wirklichenAnfang nie ein reelles Prinzip 309 irgendeines objektivenDaseinsldquo3

(S 152)4

bdquoIch nehme den ganzen Menschen5 ohne ihn zu teilen undfinde daszlig sein Bewuszligtsein aus zwei urspruumlngl[ichen] Vorstel-lungen der Vorstellung des Bedingten und des Unbedingtenzus[ammen]gesetzt ist Beide sind unzertrennlich miteinanderverknuumlpft doch so daszlig die Vorstellung des Bedingten dieVorstellung des Unbedingten voraussetzt und mit dieser nurgegeben w[erden] kann Wir brauchen also d[as] Unbedingtenicht erst zu suchen sondern haben von seinem Dasein diesel-be ja eine noch groumlszligere Gewiszligheit als wir von unserem eige-nen bedingten Dasein haben

Da unser bedingtes Dasein auf einer Unendlichkeit von Ver-mittlungen beruht so ist damit unserer Nachforschung einunabsehliches Feld eroumlffnet welches wir schon um unsrerphys[ischen] Erhaltung willen zu bearbeiten genoumltigt sind Allediese Nachforschungen haben die Entdeckung dessen was dasDasein der Dinge vermittelt zum Gegenstande Diejenigen

taumlt objektiv vernichtetldquo [F H Jacobi Beylage VII a a O S149-150 Auch bei Jacobi als Anmerkung]

1 Vgl ebenda S 148-1492 Ebenda S 1503 Ebenda S 1514 Ebenda S 1525 Im Ms folgt gestr wie er ist

288

Dinge wovon wir das Vermittelnde eingesehen d i derenMechanismus wir entdeckt haben die koumlnnen wir wenn jeneMittel in unsern Haumlnden sind auch hervorbringen Was wir aufdiese Weise wenigstens in der Vorstellung konstruieren koumln-nen das begreifen wir und was wir nicht konstuieren koumlnnendas begreifen wir nichtldquo1 bdquoWenn alles was auf eine unsbegreifliche Weise entstehen und vorhanden sein soll auf einebedingte Weise entstehen und vorhanden sein muszlig so bleibenwir solange wir begreifen in einer Kette bedingter Bedingun-gen Wo diese Kette aufhoumlrt da houmlren wir auf zu begreifen310 und da houmlrt auch der Zus[ammen]hang den wir Naturnennen selbst auf Der Begriff der Moumlglichkeit des Daseinsder Natur waumlre also der Begriff eines absoluten Anfangs oderUrsprungs der Natur er waumlre der Begriff des Unbedingtenselbst insofern es die nicht natuumlrlich verknuumlpfte d i fuumlr unsunverknuumlpfte ndash unbedingte Bedingung der Natur ist Soll nunein Begriff dieses Unbedingten und Unverknuumlpften ndash folglichAuszligernatuumlrlichen moumlglich w[erden] so muszlig das Unbedingteaufhoumlren d[as] Unbedingte zu sein es muszlig selbst Bedingungenerhalten und das absolut Notwendige muszlig anfangen das Moumlg-liche zu w[erden] damit es sich konstruieren lasseldquo2

Da hellip bdquodas Unbedingte auszliger der Natur und auszliger allemnatuumlrlichen Zus[ammen]hange mit derselben liegt die Naturaber d i der Inbegriff des Bedingten dennoch im Unbeding-ten3 gegruumlndet folglich mit ihm verknuumlpft ist So w[ird] diesesUnbedingte das Uumlbernatuumlrliche genannt und kann nicht andersgenannt w[erden] Aus diesem Uumlbernatuumlrlichen kann denn auchdas Natuumlrliche oder das Weltall nicht anders als auf eineuumlbernatuumlrliche Weise hervorgehen und hervorgegangen sein

Und ferner Da alles was auszliger dem Zus[ammen]hange desBedingten des natuumlrlich vermittelten liegt auch auszliger derSphaumlre unserer deutlichen Erkenntnis liegt und durch Begriffenicht verstanden w[erden] kann So kann das Uumlbernatuumlrlicheauf keine andere Weise von uns angenommen w[erden] als esuns gegeben ist naumlmlich als Tatsache Es ist 3114 DiesesUumlbernatuumlrliche dieses Wesen aller Wesen nennen alle Zun-gen den Gott 1 F H Jacobi Beylage VII a a O S 152-1532 Ebenda S 154-1553 Im Ms folgt gestr unleserl Wort4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 156

289

Der Gott des Weltalls kann nicht bloszlig der Baumeister desWeltalls sein er ist Schoumlpfer und s[eine] unbedingte Kraft hatdie Dinge auch der Substanz nach gewirkt Haumltte er die Dingenicht auch der Substanz nach gewirkt so muumlssen zwei Urhebersein1 die man weiszlig nicht wie miteinander in Verbindunggeraten waumlrenldquo2

bdquoDer Kern der Kantischen Philosophieldquo (Von goumlttl[ichen]Dingen und ihrer Offenb[arung] S 351)3 bdquoist die von ihremtiefdenkenden Urheber zur vollkommensten Evidenz gebrachteWahrheit daszlig wir einen Gegenstand nur insoweit begreifenals wir ihn in Gedanken vor uns werden lassen ihn im Ver-stande4 zu erschaffen moumlgen Nun vermoumlgen wir auf keineWeise sowenig in Gedanken als wirklich auszliger uns Substan-zen zu erschaffen sondern wir vermoumlgen nur auszliger uns Be-wegungen und Zusammensetzungen von Bewegungen dadurchGestalten in uns aber nur sich auf Wahrnehmungen durch denaumluszligern oder innern Sinn beziehende Begriffe und Zus[am-men]setzungen v[on] Begriffen hervorzubringen Woraus dennfolgt das es nur zwei Wiss[en]schaften im eigentlichen undstrengen Verstande Mathematik und allgemeine Logik gebenkann und daszlig alle andern Erkenntnisse nur in dem Maszlige wis-senschaftliche Eigenschaft erwerben 312 als sich ihre Gegen-staumlnde durch eine Art von Transsubstantiation in mathemati-sche und logische Wesen verwandeln lassen

Offenbar laumlszligt eine solche Verwandlung und Transsubstantia-tion sich nicht vollbringen mit den eigentlichen Gegenstaumlndender5 Metaphysik Gott Freiheit und Unsterblichkeit Diese dreiIdeen liegen ganz auszligerhalb dem Kreise jener zweiWiss[en]schaften und koumlnnen aus ihren Mitteln schlechterdingsnicht realisiert w[erden] d h es laumlszligt sich daszlig diesen dreiIdeen Wirklichkeit entspreche aus den Prinzipien der Ma-them[atik] und allgemeinen Logik ebensowenig dartun als sichdiese Wirklichkeit unmittelbar vor Augen stellen mit den Sin-nen aumluszligerlich erfahren laumlszligtldquo6

1 Im Ms folgt so muumlssen zwei Urheber sein2 F H Jacobi Beylage VII a a O S 155-1563 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen und ihrer Offenbarung In

Friedrich Heinrich Jacobirsquos Werke 3 Bd Leipzig 1816 S 3514 Im Ms folgt gestr vor5 Im Ms folgt gestr Mathematik6 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 351-352

290

Lange vor Kant zu Anfange des 18 Jahrh[underts] schriebJoh Bapt Vico zu Neapel ( Joh Bapt a Vico Neapoli regeloq Professor de antiquissima Italorum sapientia ex linguaelatinae originibus eruenda lib tres Neap 1710) Geometricaideo demonstramus quia facimus Physica si demonstrarepossemus faceremus hinc impiae curiositatis notandi quiDeum a priori probare student Metaphysici veri claritas eademac lucis quam non nisi per opaca cognoscimus nam nonlucem sed lucidas res videmus Physica sunt opaca nempeformata et finita in quibus metaphysici veri lumen videmus[In der Geometrie deshalb beweisen weil wir hier hervorbrin-gend taumltig sind wenn wir in diesem Sinne auch in der Naturer-kenntnis beweisen koumlnnten muumlszligten wir auch hier in diesemSinne hervorbringend taumltig sein Daher sind hier eines ganzunfrommen Forschergeistes diejenigen zu bezichtigen dieeinen apriorischen Gottesbeweis fuumlhren wollen Die Klarheitdes metaphysisch Wahren und des Lichtes das wir auch nur imMedium des Schattenhaften erkennen Naumlmlich nicht das Lichtsondern die leuchtenden Dinge sehen wir Die Naturdinge sinddunkel naumlmlich geformt und somit begrenzt und in dieserihrer Geformtheit und Begrenztheit werden wir des Lichtes desmetaphysischen Wahren ansichtig]1 3132 Pascal Ce quipasse la Geacuteomeacutetrie nous surpasse [Denn was uumlber die Mathe-matik geht uumlbersteigt uns] (Penseacutees de Pasc[al] Part I Art IIReflex[ions] sur la Geacuteomeacutet[rie] en geacuteneacuteral Ed d 1779)3 Vglauch Kaumlstner (Eberhards phil Magaz[in] 2 Bd 4 St S 402)4

bdquoAllemal5 und notwendig ist der Beweisgrund uumlber dem wasdurch ihn bewiesen werden soll er begreift es unter sich aus 1 Vgl G Vico De antiquissima Italorum sapientia ex linguae Latinae

originibus eruenda liber primus Metaphysicus Neapoli 1710 S51-52 [Uumlbersetzung nach G Vico Liber metaphysicus De anti-quissima Italorum sapienta liber primis 1710 Muumlnchen 1979 S69]

2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1573 B Pascal Penseacutees In Œuvres de Blaise Pascal T 2 La Haye

1779 Art II Reacuteflexions sur la Geacuteomeacutetrie en Geacuteneacuteral S 134 Vgl A G Kaumlstner Was heiszligt in Euklids Geometrie moumlglich In

Philosophisches Magazin hrsg V J A Eberhard 2 Bd 4 StHalle 1790 S 402 ndash Vgl F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 352-353

5 Am Rande Uumlber den Beweis (V[on] goumlttl[ichen] Dingen bei Gele-genheit []) [F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O]

291

ihm flieszligen Wahrheit und Gewiszligheit auf das zu beweisendeerst herab es traumlgt seine Realitaumlt von ihm zu Lehnldquo1 bdquoWennd[as] Dasein eines lebendigen Gottes sollte bewiesen w[erden]koumlnnen so muumlszligte Gott selbst sich aus etwas dessen wir uns alsseines Grundes bewuszligt w[erden] koumlnnten das also vor2 unduumlber ihm waumlre dartun ableiten als aus seinem Prinzip evolvie-ren lassenldquo3 ndash

bdquoEs4 kann nur zwei Hauptklassen v[on] Philos[ophen] gebensolche welche das Vollkommnere aus dem Unvollkommnerenhervorgehen und sich allmaumlhlich entwickeln lassen und solchewelche behaupten das Vollkommenste sei zuerst und mit ihmund aus ihm beginne alles oder es gehe nicht voraus als An-beginn eine Natur d[er] Dinge sondern es gehe voraus und essei der Anbeginn 314 von allem ein sittliches Principium einemit Weisheit wollende und wirkende Intelligenz ndash ein SchoumlpferGott

Die Lehre der einen dieser zwei Hauptklassen ist der Lehreder andern dergestalt entgegengesetzt daszlig keine Annaumlherungzwischen beiden noch weniger eine Vereinigung derselben zueiner dritten in welcher sie sich ausglichen oder indifferen-zierten moumlglich ist ndash Es gilt die Entscheidung der Frage obam Anfang war die Tat und nicht der Wille oder ob am An-fang w[ar] der Wille und erst nach ihm wurde als seine Folgedie Tatldquo5 bdquoSoll angenommen w[erden] mit Spinoza daszlig derWille die Tat nur begleite so daszlig diese jenen verursache leiteund regiere oder soll angenommen w[erden] mit Platon dasgerade Entgegengesetzteldquo6 (Tim 304 305 Vol IX ed Bipde legib p 92 Definit ibid 287 Vol XI)7

1 Ebenda S 3672 Im Ms folgt gestr ihm3 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 3684 Am Rande von goumlttl[ichen] Dingen 382 [F H Jacobi Von den

goumlttlichen Dingen a a O S 382]5 Ebenda S 382-3836 Ebenda S 3837 Vgl Ebenda S 383 [Fuszlignote bei Jacobi] ndash Platon Timaeus Sive

De Natura vel De Universitate In Platonis Philosophi QuaeExstant Vol IX Biponti 1786 S 304-305 Platon De LegibusIn Platonis Philosophi a a O S 91-92 Platon Definitionis In Platonis Philosophi Vol XI Biponti 1787 p 44 S 287

292

bdquoWille setzt Verstand voraus Einsicht und Absicht Einewillenlose unvorhergesetzte Handlung ist eine blinde Hand-lung es moumlge sich Bewuszligts[ein] dazugesellen oder nicht

D[ie] Frage stellt sich so Besteht d[as] Weltall durch eineninnern in sich beschlossenen selbst[aumlndigen] Mechanism[us]und hat es auszliger sich weder Ursache noch Zweck oder ist esum des Guten und des Schoumlnen willen vorhanden das Werkeiner Vorsehung die Schoumlpfung eines Gottes

3151 Die letztere bejaht die bloszlig gesunde sich selbst nochunbedingt vertrauende Vernunft Es war daher diese Meinungdie aumlltere und der Theismus als Glaube ging dem Natura-lism[us] als Philosophie voraus Dieser d[er] Naturalism[us]entstand zugleich mit der2 Wissenschaft er begann so wiediese sich zu entwickeln anfing und wurde (etc ) die erstePhilosophieldquo3

bdquoSollte je die Wissens[chaft] vollkommen w[erden] ein ausEinem Prinzip abgeleitetes in sich vollendetes alles Erkennba-re umfassendes System ndash so muumlszligte der Naturalism[us] zugleichmit ihr s[eine] Vollkommenh[eit] erhalten Alles muumlszligte erfun-den w[erden] als nur Eines und aus diesem Einen nun allesbegriffen alles verstanden w[erden] koumlnnen

Es ist demnach d[as] Interesse d[er] Wissenschaft daszlig keinGott sei kein uumlbernatuumlrl[iches] auszligerweltl[iches] supramun-danes Wesen Nur unter dieser Bedingung naumlmlich daszlig alleinNatur diese also selbstaumlndig und alles in allem sei ndash kann dieW[issen]schaft ihr Ziel der Vollkommenheit erreichen kannsie ihrem Gegenstande gleich und selbst alles in allem zuw[erden] sich schmeicheln

316 Selbstaumlndigkeit der Natur setzt als wissenschaftl[icher]Naturforscher auch d[er] Theist4 insofern und dergestalt vor-aus daszlig er sich streng untersagt irgend etwas in der Naturanders als aus ihr selbst verstehen und erklaumlren zu wollen Erzumal erkennt an als Gesetz der Wissenschaft daszlig sie vonGott nicht duumlrfe wissen wollen uumlberhaupt von keinem Uumlber-

1 Am Rande r o 5 Jac[obi] v[on] d[en] goumlttl[ichen] Dingen [F H

Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis auf Pagi-nierung S 158

2 Im Ms folgt gestr Philos[ophie]3 Vgl F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 383-

3844 Im Ms folgt gestr voraus

293

natuumlrlichen weil sie gleich der Natur deren Reflex sie istnotwendig da aufhoumlrt wo dieses beginnt1 Mit Recht aber for-dert er ein Gleiches von dem Naturalisten der dogmatischbehauptet Alles sei Natur und auszliger und uumlber der Natur seinichts ndash er fordert naumlmlich von ihm daszlig er sich gewissenhaftenthalte dem Theismus abgeborgte2 Ausdruumlcke bei d[em]Vortrag s[einer] Lehre zu gebrauch[en]ldquo3 etc

bdquo d[as] Schoumlpferwort des naturalist[ischen] Gottes welcheser von Ewigk[eit] zu Ew[igkeit] ausspricht ist Es werdeNichts Er ruft hervor aus dem Sein das Nichtsein wie der Gottdes Theismus aus dem Nichtsein hervorruft d[as] Seinldquo4

Die hervorbringende Ursache (d[as] naturalist[ische] [hellip])3175 bringt in Wahrheit nichts hervor sondern macht sichewig nur eine Veraumlnderung mit sich selbst d h sie gebiertewig nur die Zeit Diese zu erzeugen in einem ununterbrochnenWechsel das ist all ihr Leben und ihres ganzen Lebens Inhaltnur damit sie lebe tut sie alles was sie tut sie hat keinen houml-hern Zweck k[einen] Lebensinhalt6

bdquoWir fanden auf d[em] Grunde den Ungedanken einer Iden-titaumlt (eines idem esse) des Seins und Nichtseins welche Iden-tit[aumlt] aber sein sollte nicht d[ie] Identitaumlt des offenb[aren]Nichts sondern die Identit[aumlt] des Unbedingten und Bedingtender Notw[endigkeit] und der Freiheit in Wahrheit die Identitaumltndash der Vernunft und d[er] Unvernunft des Guten und Boumlsendes Dinges und Undingsldquo7 ndash bdquo denn allein auf jenem Gegen-satze und unvertilgbarem Dualismus des Uumlbernatuumlrl[ichen]und Natuumlrl[ichen] d[er] Freiheit und Notw[endigkeit] einer 1 Am Rande Anm[erkung] Wohl gibt es ein Wissen von dem Uumlber-

natuumlrlichen von Gott und goumlttl[ichen] Dingen und zwar ist diesesWissen das Gewisseste im menschlichen Geiste ein absolutes ausder menschl[ichen] Vernunft unmittelbar entspringendes Wissenaber zu einer Wissenschaft kann dieses Wissen sich nicht [nicht oMs] gestalten [F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a OS 385 Auch bei Jacobi als Anmerkung]

2 Im Ms folgt gestr Saumltze3 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 384-3864 Ebenda S 3925 Am Rande r o 6 von d[en] goumlttl[ichen] Dingen [F H Jacobi Von

den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis auf Paginierung S159

6 Vgl F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 3937 Ebenda S 394

294

Vorsehung und des blinden Schicksals oder Ungefaumlhrs1 beru-het d[ie] menschliche Vernunft sie gehet aus diesen Gegensaumlt-zen die miteinander nur Einen und denselben Gegensatz aus-machen hervor so 318 daszlig mit der Realitaumlt Objektivitaumlt undvollkommenen Wahrhaftigkeit dieses Urgegensatzes des Na-tuumlrl[ichen] und Uumlbernatuumlrlich[en] oder der Notwendigkeit undFreiheit oder einer Vorsehung und des blinden Schicksals dieRealitaumlt der Vernunft selbst ihre Wahrhaftigkeit und Wuumlrdeverlorengehen und der Mensch alsdann mit ihr und durch sievon dem vernunftlosen Tiere nichts als Irrtum und Luumlge zumVoraus fuumlr sich haben wuumlrdeldquo2

bdquoDer Mensch unstreitig dem Natur- und Tierreich angehoumlriggehoumlrt ebenso unstreitig auch dem Geisterreiche an und istnach einem allgem[ein] bekannten treffenden Ausdruck einBuumlrger zweier verschiedener wunderbar aufeinander sich be-ziehender Welten einer sichtbaren und unsicht[baren] einersinnlich[en] und einer uumlbersinnl[ichen]ldquo3

bdquoDer im Menschen uumlber d[ie] Natur sich erhebende Geist istaber keineswegs ein der Natur widerwaumlrtiger und ihr feindli-cher Geist er will nicht scheiden den M[enschen] von demM[enschen] Eine solche Scheidung wuumlrde Vernichtung seinAlles was ist 4 auszliger Gott gehoumlrt der Natur an und kann nurim Zus[ammen]hang mit ihr bestehen denn alles auszliger Gott istendlich die Natur aber ist der Inbegriff des Endlichen DieNatur vernichten wollen wuumlrde demnach so viel heiszligen als dieSchoumlpfung vernichten wollenldquo5

bdquoGott selbst schuf den Menschen und gab ihm unmittelbar

aus s[einem] Geiste den Geist Das ist der Mensch daszlig in ihmist der Atem Gottes des Allmaumlchtigen des Urhebers der Naturdes Beginnenden des absolut Unabhaumlngigen und Freien

1 Am Rande (Anm[erkung] bdquoD[as] Ungefaumlhr ist d[as] Entgegenge-

setzte der Absicht nicht d[er] Notwendigkeitldquo) [F H Jacobi Vonden goumlttlichen Dingen a a O S 394 Auch bei Jacobi als An-merkung]

2 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 394-3953 Ebenda S 3984 Am Rande r o 7 Jac[obi] v[on] d[en] goumlttl[ichen] Dingen etc [F

H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis aufPaginierung S 160

5 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 398-399

295

Geistesbewuszligtsein heiszliget Vernunft Der Geist aber kann nursein unmittelbar aus Gott Darum ist Vernunft haben und vonGott wissen Eins so wie es Eins ist von Gott nicht wissen undTier seinldquo1

bdquoAlso wie der Mensch sich selbst erkennt als ein freies dh als ein durch Vernunft uumlber die Natur erhabenes Wesen alsein Wesen dem geboten ist zu schaffen das Gute und Schoumlnenach einem ihm inwohnenden Urbilde wie er dergestalt sichselbst erkennt so erkennt er auch daszlig uumlber der Natur und uumlberihm selbst sein muszlig ein allerhoumlchstes Wesen Gott2 Und wieer sich nicht erkennt 319 als ein freies durch s[einen] Geistvon der Natur unabhaumlngiges Wesen so erkennt er auch Gottnicht sondern erblickt uumlberall bloszlig Natur

Natur ist die Macht die im Weltall alle Teile auszliger einanderund zugleich in Verbindung erhaumllt Trennung und Verbindungsetzen sich in ihr gegenseitig voraus und in einer Mitte zu seinist das Wesen aller Naturwesen Daher Raum und Zeit undjene ununterbrechbare Verkettung von Allem mit Allem derGrund und Abgrund menschl[icher] W[issen]schaft und Er-kenntnis mit ihr[er] unendl[ichen] Fuumllle und unendl[ichen]Leerheit Was in der Natur erfolgt erfolgt nach dem Gesetzedes Zus[ammen]hangs aller ihrer sich gegenseitig vorausset-zenden Teile d h auf eine durchaus notw[endige] bloszlig me-chan[ische] Weise3 Von sich selbst uumlbt sie weder Weisheitnoch Guumlte aus sondern uumlberall nur Gewalt sie ist was ohneFreiheit ohne Wissen und Willen wirkt in ihr herrscht alleind[as] Gesetz der Staumlrke Wo aber Guumlte und Weisheit mangelnund nur d[as] Gesetz der Staumlrke4 waltet da ist sagt ein alterSpruch keine wahre Erhabenheit da ist keine Majestaumlt bdquoSinebonitate nulla majestasldquo 1 Ebenda S 4002 Am Rande bdquoWer das Genie der Liebe und d[er] Tugend hat der

glaubt notw[endig] an Gott an Vorsehung an Unsterblichkeitldquo Zu-faumlllige Ergieszlig[ungen] eines einsamen Denkers II Jacobi I B[and][F H Jacobi Zufaumlllige Ergieszligungen eines einsamen Denkers IIAn Ernestine In Friedrich Heinrich Jacobis Werke Bd 1 AllwillsBriefsammlung Leipzig 1812 S 296]

3 Am Rande (Anm[erkung] Der lebendige von Innen heraus sichentwickelnde Mechanismus w[ird] Organismus genannt) [F H Ja-cobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 402 Auch bei Jacobials Fuszlignote]

4 Im Ms folgt gestr mangelt

296

3201 Weil die im Weltall sich darstellende und mit ihmidentische Natur lauter Anfang und Ende ohne Anfang undEnde in diesem Sinne also offenbar ein negatives Unendlichesist so ist es unmoumlglich sie in ihr selbst zu ergruumlnden sie ausihr selbst zu erklaumlren unmoumlglich ihr Ur- und Anbeginnen ausihr selbst zu erforschen und hervorzuholen dergestalt daszlig ihrSein und Wesen sich als ein durchaus selbstaumlndiges Sein undWesen ja als das absolut alleinige Wesen welches alles inAllem und auszliger welchem nichts sei unwidersprechlich of-fenbarte

Aber ebenso unmoumlglich ist es auch das Gegenteil darzutundaszlig naumlmlich die Natur ein Werk und nicht2 Gott daszlig sie nichtSchoumlpfer und Geschoumlpf zugleich nicht in Wahrheit d[as] allei-nige Wesen seildquo3

bdquoDaszlig alles Werden notw[endig] voraussetze ein Sein oderSeiendes welches nicht gew[orden] ist alles Veraumlnderlicheund somit Zeitliche ein Unveraumlnderliches Ewiges alles Be-dingte zuletzt ein nicht4 bedingtes Absolutes Diese Wahrheitw[ird] als eine unmittelb[are] Voraussetzung der Vernunft oderals eine positive Offenbarung durch dieselbe von allen Philo-so[phen] einstimmig anerkannt und sie trennen sich nur uumlberder Frage 321 ob dieses Absolute ein Grund oder ob es eineUrsache sei Daszlig es Grund sei und nicht Ursache behauptetd[er] Natur[alismus] daszlig es Ursache sei und nicht Grund derTheismus

Es ist aber die Voraussetzung eines Absoluten oder Unbe-dingten vor allem Bedingten und die Erkenntnis daszlig diesesnicht sein koumlnne ohne jenes so wie eine in jedem vernuumlnf-tig[en] Bewuszligts[ein] notw[endige] Voraussetzung und ihmwesentlich inwohnende Erkenntnis so auch und zugleich einedem menschl[ichen] Verstande durchaus unbegreifliche Vor-aussetzung und Erkenntnis

Die Voraussetzung des Unbedingten ist eine unbegreifl[iche]Voraussetzung deswegen weil sie eine Beziehung alles Be-dingten auf ein Unbedingtes zwar apodiktisch behauptet den

1 Am Rande r o 8 Jacobi v[on] d[en] g[oumlttlichen] D[ingen] idem etc

[F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis aufPaginierung S 161

2 Im Ms folgt gestr ein3 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 401-4034 nicht o Ms

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wirkl[ichen] Zus[ammen]hang zwischen beiden aber keines-wegs offenbartldquo1

Versuch zu erklaumlrenbdquoDieser allein seiende Gott aber der erworben wuumlrde durch

die Vertilgung d[es] Zeitlichen d i alles endl[ichen] Daseinsund Wirkens d[er] erblickt wuumlrde allein mittelst eines absolu-ten Hinwegsehens vom Gesetze der Erzeugung dieser Gott daer keine Natur keine Welt auszliger sich uumlberall nichts wahrhafthervorbraumlchte uumlberhaupt und durchaus nicht Ursache waumlreldquo2

1 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 403-4052 Ebenda S 407 ndash Der Text bricht ab

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[Zur XIndashXIV Vorlesung ndash Vernunft und Glaube]

1 Sein Leben war die Natur sein bezeichnendster Ausspruchist Gebt dem Glauben was des Glaubens ist2 nachgemachtdem Ausspruch Christi Gebt dem Kaiser was des Kaisers istund Gott was Gottes ist3 Aber so wie dieser Ausspruch Christi 1 Am Rande r o L[eibniz] bemerkt selbst in s[einer] Praefat[io]

[Vorrede] zur Theod[icee] daszlig s[ein] System nicht neu sei sondern[] an das des Zoroaster der aus dem Mithras nicht nur das Lichtsondern auch die Finsternis d i die Grenzen und Negationen ab-leitete [Vgl G W Leibniz Essais de Theacuteodiceacutee sur la bonteacute deDieu la liberteacute de lrsquohomme et lrsquoorigine du mal Amsterdam 1710Preface]

Nullum artem malum esse in mundo quod non respecta totiusbonum evadat adeoque mundum hunc esse optimum dixit jamBrunus [Zitat nicht nachgewiesen]

Kahl Examen comparationis Voltaireanae Gottingae 1741 [VglL M Kahle Vergleichung der Leibnitzischen und NeutonischenMetaphysik hellip und dem Herrn von Voltaire entgegen gesetzet vonLudewig Martin Kahlen Goumlttingen 1741] Setzte in dem StreitLeibniz vor Clarke

Fundamentum omnium veritatem mathematicarum est principiumcontradictionis sive identitatis ut vero mathesos traduratur ad phy-sicam opus est principio rationis sufficientis [Vgl G W LeibnizEpistolarum pentas una cum totidem responsionibus D SamuelisClarckii hellip Groningae 1740 Epistola II Nr 1 S 14]

Quod necessarium esse tale est per essentiam suam quiaoppositur contradictionem implicat quod autem contingens estdebet existentiam suam principio melioris quae est ratio sufficiensrerum [Vgl ebenda Epistola V sect 1amp2 Nr 9 S 115]

Causa harmoniae universalis quaerenda est in natura substantiaesimplicis sive monadis verae quae in eo consistit ut status sequensexoriatur ex statu antecedente [Vgl ebenda sect31 Nr 91 S 159]

Uumlber d[as] [] s[iehe] auch Lettre agrave Mr de Remond T[ome] IV[Vgl G W Leibniz Lettre de M de Leibniz sur la philosophie chi-noise agrave M de Remond In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Bd IVPars I Genevae 1768 S 173-174] wo [wo er gibt Korr im Ms]einen guten Sinn ich gab (sect11 255 8 sect ) Wenngleich L[eibniz]hierin die Chinesen zu milde nach d[er] Vorstellung deutet so istdoch die Tendenz groszligartig und wahr Er nimmt vgl s[einen] []Begriff [hellip] von Gottheit das ihm nicht nur das [hellip]

2 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia Francofurti 1665 Praefatio S 275

3 Mt 222

299

etwas ganz andres enthaumllt als man gewoumlhnlich aus ihm dedu-ziert so1 auch mit dem Bacons Er hat ihm daher gesagt was ernicht sagen wollte aber eben damit wider Willen und Wissendie Wahrheit eingestanden Jener Ausspruch Christi enthaumlltnaumlmlich offenbar eine Anerkennung des Staates die zugleicheine Abfertigung desselben ist Gebt dem Staate - ist der Sinn -was des Staates ist damit ihr von ihm ungestoumlrt religioumlsenZwecken leben koumlnnt Gebt es ihm denn es ist blutwenig wasihr ihm zu geben habt es sind ein paar Schilling etwas das imGrunde euch gar nichts angeht aber Gott gebt was Gottes istd h eure Kleinodien euern Schatz euer Selbst eure Seele2

Der Apostel sagt Wenn du ein Sklave bist so bleibe ein Skla-ve3 Es waumlre toumlricht daraus die Rechtmaumlszligigkeit oder Christ-lichkeit des Sklavenstandes folgern zu wollen Der Sinn ist nurSei Christ das andre ist gleichguumlltig So ist es auch mit demAusspruch Christi zu nehmen Das Christentum anerkannte denpolitischen Status quo und den Staat aber nicht deswegen weilihm der Staat Etwas sondern gerade deswegen weil er ihmNichts war So muumlssen wir auch den Satz Bacons fassen Diebeste d[er] objektiven Auslegung davon ist sein Leben selbstEr gab allerdings dem Glauben was des Glaubens ist aber seinWesen seine besten Kraumlfte sein Leben widmete er nur derErkenntnis dieser Natur4 Es war eine Anerkennung die nuraus einer innerlichen Entfremdung nur daher kam daszlig er nichtden Glauben zum Objekte seines Geistes machte indem erdiese andern Angelegenheiten gewidmet hatte die ihm mehrauf dem Herzen lagen eine Anerkennung die wie ein Dahin-gestelltseinlassen war Dadurch gerade wodurch man der Re-ligion die groumlszligte Ehre zu erweisen suchte tat man ihr diegroumlszligte Unehre an Man machte sie zu etwas ganz Besonderemman lieszlig ihr sozusagen keinen Anteil an den oumlffentlichen An-gelegenheiten sperrte sie wie der Orientale das Weib in dasGemach der subjektiven Gesinnung und trennte sie ab von denGegenstaumlnden des Nachdenkens und Untersuchens machte mitihr in allem dem was man sonst als notwendig gut und heil-sam erkannte eine Ausnahme schloszlig sie von den Gesetzenvon den Schicksalen alles Menschlichen aus aber entfremdete 1 Im Ms folgt gestr ist es2 Im Ms folgt gestr Man kann daher nur diesen Ausspruch3 1 Kor 7 20-224 dieser Natur dieses Staates Korr im Ms

300

eben dadurch die Religion dem Menschen denn nur dadurchwird etwas mein objektives Wesen daszlig ich es zum Objekt desDenkens mache nur der als Gesinnung sich bewaumlhrende Ge-danke ist der wahre Mensch So nahm der fromme Pascal dieReligion von dem Gesetze fortschreitender Entwicklung ausAber liegt nicht in dieser Ausnahme eine1 Furcht eine Angstes moumlchte die Religion das Feuer der Kritik nicht ertragenWenn ein armer Mensch der gerade in der groumlszligten Not bei derNacht auf der Straszlige eine Muumlnze findet2 sich wenn er nachHause3 kommt kein Licht macht4 [um] die Muumlnze5 zu bese-hen ob sie echt oder falsch ist6 sondern sich zur Ruhe legt sogesteht er wenn er andres kein Schlechter7 ist durch diese Handlung ein daszlig er nur aus Furcht sein Gluumlck moumlchte eineIllusion sein die Pruumlfung unterlaumlszligt Es war daher notwendigdaszlig um nicht spaumltere Erscheinungen zu antizipieren sondernim Zeitalter [von] Leibniz stehenzubleiben daszlig diese8 Ent-zweiung des Geistes9 dieser Widerspruch zwischen Wissen-schaft und Glauben der in den genannten Geistern schon ansich aber noch nicht fuumlr sie existierte zum offenkundigenBruch wurde10 Der in dieser Beziehung houmlchst unbewuszligte und 1 Im Ms folgt gestr Gefahr2 Im Ms folgt gestr so wird3 Im Ms folgt gestr oder an eine Lampe4 kein macht mit bangendem Herzen den Fund Korr im Ms ndash

[um] und die Tasche Ms5 die Muumlnze ziehen um sie bei Licht Korr im Ms6 Im Ms folgt oder gar7 Im Ms folgt gestr so eben8 diese jene Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr die d[em] Bacon Cartesius ein ruhiges Dahinge-

stelltseinlassen war10 Am Rande Je suis de sentiment les Thomistes et autres philosophes

qui croyent que tout est preacutedeacutetermineacute et je ne vois pas lieu drsquoendouter Cela nrsquoempecircche pourtant pas que nous nrsquoayons [pas] uneliberteacute exemte non seulement de la contrainte mais encore de la neacute-cessiteacute et en cela il en est nous comme de Dieu lui mecircme qui estaussi toujours deacutetermineacute dans ses actions car il ne peut manquer dechoisir le meilleur Mais srsquoil nrsquoavoit pas de quoi choisir et si ce quifait eacutetoit seul possible il seroit soumis agrave la neacutecessiteacute [Ich bin der-selben Meinung wie die Thomisten und andere Philosophen dieglauben daszlig alles vorherbestimmt ist und ich sehe keinen Grunddaran zu zweifeln Trotz allem jedenfalls haben wir keine [wirkli-che] Freiheit nicht nur vom Zwang als auch von der Notwendigkeit

301

merkwuumlrdige Bayle war es der es direkt aussprach daszlig derGlaube unvernuumlnftig vernunftwidrig sei daszlig die Vernunft dasNichts des Glaubens und umgekehrt der Glaube1 das Nichts derVernunft2 sei Aber obgleich Bayle aufs scharfsinnigste dieinneren Widerspruumlche des Glaubens aufzeigt mit der Kraft desDenkens ihn negiert so unterwirft er doch zugleich - so sehrwar die Menschheit zerfallen und zerrissen - sich3 wieder demGlauben als einer unbezweifelbaren Autoritaumlt So lange dieOrthodoxie eine herrschende bindende Macht war konnte demdenkenden Geist nur eine formelle Taumltigkeit uumlbrigbleibendaher kannte die Philosophie des Mittelalters nichts als schola-stischen Formalismus Es fehlen die prinzipielle die freie dieauf den Uranfang zuruumlckgehende die von Grund ausschoumlpfen-de Taumltigkeit Es fehlte4 Quellenstudium Die erwachte Freiheitund Selbstaumlndigkeit des Geistes begriff daher ihr Positives inder neuern Zeit anfaumlnglich hauptsaumlchlich nur in der Physik undMathematik In den stillen Raumlumen der Mathematik konntedie Vernunft sich selbst Genuumlge leisten der Geist sein Wesenentfalten ohne unmittelbar und direkt mit der Macht der Kir-che in Beruumlhrung und Bruch zu kommen5 Laszligt uns darum die

und von dem was wir von Gott selber wissen der immer in seinenHandlungen vorherbestimmt ist denn er kann nicht versaumlumen dasBeste zu waumlhlen Aber wenn er nicht etwas auswaumlhlen koumlnnte undwenn das was er erwaumlhlt hat allein moumlglich waumlre waumlre er an dieNotwendigkeit gebunden] (Feder p 127) [Lettre de Leibnitz agraveBayle sans date XXXII Lettres choisies de la correspondance deLeibnitz In Commercii Epistolici Leibnitiani hrsg v J G HFeder Hannover 1805 S 126-127]

1 der Glaube die Vernunft Korr im Ms2 der Vernunft des Glaubens Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr der4 Im Ms folgt gestr das Hauptstuumlck5 Am Rande Comme la Nature de chaque substance est telle que son

eacutetat suivant est une conseacutequence de son eacutetat preacuteceacutedent voilagrave lacause de lrsquoHarmonie toute trouveacutee Car Dieu nrsquoa qursquoagrave faire que lasubstance simple soit une fois et drsquoabord une repreacutesentation delrsquoUnivers selon son point de vue puisque de cela seul il suit qursquoellele sera perpeacutetuellement et que toutes substances simples auronttoujours une harmonie entre elles parce qursquoelles repreacutesentent touttoujours le mecircme univers [Da es in der Natur einer jeden Substanzliegt daszlig sein folgender Zustand eine Konsequenz des vorangehen-den Zustandes ist so ist damit die Ursache fuumlr die Harmonie schonvollstaumlndig gefunden Gott braucht nunmehr nur zu bewirken daszlig

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lauten unzweideutigen Lehren der Weltgeschichte denn ihreLehren sind das wahre Wort Gottes nicht verkuumlmmern undverdrehen Sie lautet der Glaube an die positive ausgemachteWahrheit ist der Tod aller Wissenschaft Nur an den Untergangder Orthodoxie war darum das Heil der Wissenschaft gebun-den Die deutsche klassische Literatur beginnt wo der alteGlaube1 aufhoumlrt Solange der Mensch nicht im Houmlchsten inden houmlchsten Gegenstaumlnden frei solange sind ihm Haumlnde undFuumlszlige gebunden er mag auch zappeln wie er will solange wirder auch in Kunst und Wiss[enschaft] nicht das Houmlchste errei-chen Es fehlt der Segen von oben Aber nur der Dichter ist einreligioumlser Dichter dem seine Poesie nur der Philosoph einreligioumlser Philosoph dem die2 Philosophie seine Religion ist

In diese Zeit nun wo der Glaube an eine unbezweifelbareein fuumlr alle Mal aus- und abgemachte buchstaumlblich houmlchsteWahrheit den Aufschwung der Geister darniederhielt so daszligder Gegensatz dagegen sich in keiner positiven Gestalt son-dern nur in der negativen leeren Form des Atheismus undpraktischen oder theoretischen Materialismus aumluszligern konntewo der menschliche Geist innerlich sich losriszlig3 von der Kircheund doch zugleich von ihr als einer aumluszligerlichen fremden dun-keln Macht beherrscht war wo er daher die widernatuumlrlichstenTorturen sich auferlegte eben weil er im Wesen unfrei [] war

die einfache Substanz einmal und im Anfange nichts anderes alseine Vorstellung des Universums aus einem bestimmten Gesichts-punkte heraus ist daraus folgt schon von selbst daszlig sie es immer-waumlhrend sein wird und daszlig alle einfachen Substanzen stets inHarmonie untereinander stehen werden weil sie stets ein und das-selbe Universum vorstellen] (T II P I p 163) [G W Leibniz Oc-casio controversiae inter Leibnitium et Clarkium Cinquieme ecritde Mr Leibnitz on Reacuteponse agrave la quatrieacuteme Replique de Mr ClarkeIn G G Leibnitii Opera Omnia hellip T II Pars I a a O sect 31 Nr90 S 162-163 Uumlbersetzung nach G W Leibniz Schriften zur Pho-ronomie und Dynamik Streitschriften zwischen Leibniz und ClarkeIn Philosophische Werke in vier Baumlnden Bd I Hauptschriften zurGrundlegung der Philosophie Teil I hrsg von E Cassier Ham-burg 1996 S 148-149] Die Har[monie] ist ein Wunder nur im An-fang (P 162 ibid) [Vgl G W Leibniz Occasio controversiae interLeibnitium et Clarkium hellip a a O Nr 89 S 162]

1 Im Ms folgt gestr faumlllt2 die seine Korr im Ms3 losriszlig losband Korr im Ms

303

um sich im Einklang mit dem Glauben zu erhalten wie Bayleund Pascal wo er in der aumluszligersten Zertrennung und Zerrissen-heit mit sich selbst war in diese Zeit faumlllt Leibniz1

1 Am Rande [] setzt auch den Raum der Platz der Ideen ist

304

[Zur XIV Vorlesung ndash Kant Erkenntnistheorie Logik]1

2632 Wie sollte ich denn ihn bekommen Etwa durch diewiederholte Erfahrung sich oumlfter wiederholender Erscheinun-gen Wenn ich ihn das erste Mal nicht habe so bekomme ichihn auch das zweite Mal nicht und durch die weitere Wieder-holung auch nicht Ich sehe3 z B daszlig wenn es kalt ist dasWasser friert daraus schlieszlige ich also daszlig das Gefrieren alsdie Wirkung auf die Kaumllte als seine Ursache folgt Aber sokann ich nur schlieszligen unter der Voraussetzung daszlig der Be-griff der Ursache schon in mir ist Aus dieser Wahrnehmungkann ich unmoumlglich den Begriff selbst der Ursache abstrahie-ren denn daszlig ich das Gefrieren als eine Folge von der Kaumlltewahrnehme dem ist schon vorausgesetzt4 die KausalitaumltAuszlig[er] dieser wenn auch hundertfaumlltig sich wiederholendenErfahrung und Wahrnehmung von allen andern kann ich nichtserkennen als daszlig auf Kaumllte Gefrieren folgt aber nicht selbstdieses Gedankenverhaumlltnis abstrahieren Dieses Erscheinendein einer bestimmten Zeit Gewordene kommt zum Begriff diesesBegriffs zur Erkenntnis dieser Erkenntnis d i zum Bewuszligt-sein erst mit der Erfahrung aber es selbst entsteht nicht aus ihrDasselbe ist nun mit dem Begriff der Substanz Dieses ich dasich zum Objekt meines Geistes machen kann es als einen Ei-genschaften 264 habenden Koumlrper als ein Ding mit Akziden-zien wahrnehmen kann ist ja schon diesem Begriff vorausge-setzt5 Darin haben wir also einen wesentlichen UnterschiedKants von dem Empirismus daszlig er die Vernunft als ein selbst-bestimmendes Wesen als eine selbsttaumltige Quelle von Er- 1 Am Rande r o Zur 14 Vorlesung Kant [moumlglicherweise von frem-

der Hand] ndash Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1293 Am Rande r 84 Im Ms folgt gestr der Begriff5 Dieses vorausgesetzt Sich dieser erscheinenden [] einer be-

stimmten Zeit geworden [] kann zum Begriff dieses Begriffs zurErkenntnis dieser Erkennt[nis] d i zum Bewuszligtsein erst mit derErfahrung aber er selbst entsteht nicht aus ihr Dasselbe ist nun mitdem Begriff der Substanz Dieses ist ich [Im Ms folgt gestr einObjekt] ein Koumlrper ein zum Objekt meines Geistes [Geistes Im Msgestr] mach[en] kann es wahrnehmen als einen Eigenschaften264 habenden Koumlrper als ein Ding mit Akzid[enzien] ist ja schondiesem Begriff vorausgesetzt Ms

305

kenntnissen daszlig er in ihr einen Ursprung von Erkenntnissenfindet K[ant] nennt diese Erkenntnisse a priori und die Ver-nunft ist also das Prinzip oder im Besitze gewisser Erkenntnis-se a priori bdquoWenngleich also alle unsere Erkenntnis mit derErfahrung anhebt so entspringt sie darum noch nicht eben alleaus der Erfahrungldquo1 Die Vernunft ist daher geschweige nieTabula rasa wie die Seele bei Locke vielmehr die Moumlglichkeitder Erfahrung in dieser Bestimmung nun wie wir sie hierausdruumlcken liegt zugleich der Unterschied vom Emp[irismus]in der die Vernunft einen Vorzug hat vor der Bestimmung d[es]Emp[irismus] laumlszligt zugleich aber noch die Herkunft aus d[er]Empir[ie] oder den Ruumlckfall in sie

Es gibt synthetische Urteile a priori d h Urteile in denenmit dem Subjekt des Urteils ein Praumldikat verbunden synthe-tis[iert] wird die2 sich auf die sinnliche Anschauung oder Er-fahrung beziehen ohne doch aus ihr selbst geschoumlpft zu seindenn sonst waumlren sie 2653 ja nicht a priori Daraus folgt daszliges allgemeine und notwendige die Erfahrung bedingende odermoumlglich machende oder auf Gegenstaumlnde der Erfahrung sichbeziehende Begriffe gibt Kategorien die er unter vier Haupt-titel bringt 1) d[er] Quantitaumlt Einheit Vielheit Allh[eit] 2)d[er] Qualitaumlt Realitaumlt Negation Limitation 3) d[er] RelationInhaumlrenz und Subsistenz subst[antia] et accidens Kausal[itaumlt]und Dependenz (Urs[ache] und Wirk[ung]) Gemeinschaft(Wechselwirkung zwischen den Handelnden und Leidenden)4) Modalitaumlt Moumlglichk[eit] und Unmoumlglichkeit Dasein ndashNichtsein ndash Notwendigkeit ndash Zufaumllligkeit4 Diese haben in derVernunft ihre Quelle sind bdquoFunktionen des reinen Verstandesrdquo5

Selbsttaumltigkeiten Selbstbestimmungen desselben Aber dieseBegriffe sind nur Formen sind fuumlr sich selber leer ihren Stoffihren Inhalt ihre realen Gegenstaumlnde schoumlpft die Vernunft ausder sinnlichen Anschauung aus der Erfahrung Und hierin istKant eins mit den Empirikern Nur in den Prinzipien weicht erab in dem was Objekt Inhalt d[er] Vernunft ist stimmt er mitihnen uumlberein Und eben hierin liegt der groszlige WiderspruchKants der sich also ausdruumlcken laumlszligt die Vernunft schoumlpft nur

1 I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 12 das die Ms3 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1304 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 1065 Vgl ebenda S 187

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aus sich um nicht aus sich sondern d[er] Erf[ahrung] schoumlpfenzu koumlnnen 266 nur selbstaumlndig um (un)abhaumlngig zu sein nura priorisch um nicht a posteriorisch sein zu koumlnnen Denn dieKategoriata oder Stammbegriffe sind ja nur insofern und darina priori als er damit sie die Erfahrung begruumlnden und bedin-gen [kann] obwohl sie aus der Vernunft stammen beziehen siesich nur auf die Objekte moumlglicher Erfahrung sind fuumlr sichselber gehaltlos

Das Naumlhere nun wenn die Kategorien die Erfahrung bedin-gen ist Folgendes bdquoBegriffe ohne1 Anschauung sind leer DieAnschauung ohne Begriffe aber blindldquo2 Vermittelst der Sinn-lichkeit werden uns Gegenstaumlnde gegeben und sie allein liefertuns Anschauungenldquo3 Die allgemeinen Formen nun unsrer4

Sinnlichkeit oder der Rezeptivitaumlt (Faumlhigkeit) (S 75 S 33)Vorstellungen zu empfang[en] sofern wir auf irgendeine Artvon den Gegenstaumlnden affiziert w[erden] sind Raum und ZeitSie sind Formen der Anschauung der Raum ndash das Aumluszligeredurch die wir die Dinge auszliger uns seh[en] die Zeit ndash die Formder inneren Anschau[ung] oder die Form des inneren Sinnes di des Anschauens unsrer selbst und unseres innern Zustandes5

Sie ist bdquoeine Bedingung a priori von aller Erscheinung uumlber-haupt und zwar die unmittelbare Bedingung der innern(uns[rer] Seelen) und eben dadurch mittelbar auch der aumluszligernErscheinungenldquo (S 50)6 2677

Das heiszligt also [die] notwendigen Weisen wie wir Dingeanschauen und wie uns also Gegenstaumlnde gegeben sind dennnur die Anschauung gibt uns Gegenstaumlnde sind Raum undZeit Durch sie8 allein ist dem an sich leer[en] Denken oderBegriffe ein Mannigfaltiges gegeben Die Anschauung alssolche aber ist blind sie stellt ein bloszliges Mannigfaltiges einenbloszligen Stoff dar Die Einheit nur dieses Mannigfaltigen diesesVielerlei der Sinnlichkeit wodurch das Mannigfaltige ein

1 Am Rande der Zeile 9 Kant2 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 753 Ebenda S 334 Im Ms folgt gestr Anschauung5 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 36-37 S 42 und

S 756 Vgl ebenda S 507 Am Rande r o Verweis auf Paganierung S 1318 sie unleserl Korr im Ms

307

Denkbares ein Gedachtes ein Objekt erst wird ist der bdquoreineVerstandesbegriffldquo1 die Kategorie Durch sie w[ird] vermittelstder Einbildungskraft deren Wirkung die Synthesis ist dasMannigfaltige der Anschauung in eine Einheit in eine be-stimmte Einheit zusammengefaszligt und diese Zusammenfas-sung diese Verknuumlpfung ist der Begriff die Kategorie Ob-gleich durch die Anschauung die Gegenstaumlnde erst gegebenwerden so werden doch erst durch die Einheit des Begriffesdiese Gegenstaumlnde zu Objekten denn erst durch sie werden sieein Gedachtes d i ein Objekt Denn der Gegenstand nur alsein sinnlicher oder nur als Objekt d[er] sinnlichen Anschauungist nur ein Vielerlei [so] daszlig er mir als ein Gegenstand underst so ist er eigentl[ich] Objekt als ein bestimmtes Objekterscheint dies kommt nur her von 268 der Bestimmung desDenkens die Bestimmung des Mannigfaltigen des Vielerlei istnur die Einheit also von der Kategorie die eine Einheit ist DieSinnlichkeit gibt eben den bloszligen Stoff aber erst durch dieForm w[ird] der Stoff ein Bestimmtes ein Objekt ein be-stimmter Gegenstand aber diese Form ist die Einheit

Die Kategorie ist also eine bestimmte Einheit des Mannig-faltigen denn es gibt mehrere Kategorien Die Kategorie be-zieht sich daher selbst auf die Einheit urspruumlngl[ich] der Ap-perzeption des Bewuszligtseins des Ich denke oder auf die abso-lute2 Spontaneitaumlt des Verstandes Wie das Mannigfaltige dieKategorie so setzt wieder die Kategorie die Einheit des Selbst-bewuszligtseins voraus Diese ist nun der letzte Grund aller Er-kenntnis und Erfahrung denn nur durch die Verbindung desMannigfal[tigen] ist mir ein Objekt gegeben der Grund aberaller Verbindung ist die Einheit des Selbstbew[uszligtseins] wel-che wie Kant sagt alle meine Vorstellungen begleitet d i inallen ist sie alle zu den meinigen macht denn ohne diese Ein-heit waumlre ich ein so vielfaumlrbiges Subjekt als ich Vorstellungenhaumltte3 Alle Erkenntnis und Erfahrung alle Objek-ti[vi]er[bar]keit beruht daher auf der Autoritaumlt und Spontaneitaumltdes Verstandes oder Selbstbewuszligtseins denn alle Einheit isteine Funktion des Verstandes 2694 Aber gleichwohl liefertden Stoff die Gegenstaumlnde nur die Sinnlichkeit oder die An- 1 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 104-1052 Im Ms folgt gestr Idee3 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 129-1344 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 132

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schauung die bei uns nur eine sinnliche ist die Kategoriendurch die allein Dinge1 denkbar werden geht daher nur aufsinnliche Gegenstaumlnde auf Objekte moumlglicher Erfahrung siegeht nicht auf uumlbersinnliche Objekte oder sie geht nur auf dieDinge wie sie erscheinen wie sie in der sinnlich[en] Anschau-ung die nur unsre Anschauung ist aber nicht die Dinge ansich Diese sind daher unerkennbar Hier liegt also auch dieGrenze der Kategorie und des Verstandes Kant geht nun aberauch uumlber diese Grenze hinaus indem er von dem Vermoumlgender Kategorien das er Verstand nennt das Vermoumlgen der Ide-en z B des Unbedingten die Vernunft abnimmt Alle dieseIdeen sind nur Ideen eben nicht2 ihre Realitaumlt nicht in derSinnlichkeit die gleichwohl nur Erscheinungen darstellen oderErfahrungen nachgewiesen haben sie haben nur einen regula-tiven aber keinen konstitutiven Gebrauch wir koumlnnen durchsie kein Objekt bestimmen oder etwas Objektives von ihnenaussagenAber was Kant der theoretischen Vernunft nimmt das gibt erwieder in reichlich[em] Maszlige der praktischen die das Sollen-gesetz in sich hat die nicht an die Schranken der Erkenntnisund Sinnenwelt gebunden ist

Doch nun zur Beziehung Kants auf die Logik Die Logik diealte wie sie gewoumlhnlich und uns3 270 aus oberflaumlchl[ichen]Modifikationen noch [hellip] richtig Kant als eine vorzuumlglichformale Wiss[enschaft] daszlig sie abstrahierend von allen Er-kenntnissen die bloszlige Form des Denkens betreffe bdquoDie Krite-rien oder logischen Regeln betreffen nur die Form der Wahr-heit d i des Denkens uumlberhaupt und s[ind] sofern ganz richtigaber nicht hinreichend Denn obgleich eine Erkenntnis derlogischen Form voumlllig gemaumlszlig sein moumlchte d i sich selbst nichtwiderspraumlche so kann sie doch noch immer dem Gegenstandewidersprechen Also ist das bloszlige logische Kriterium einerWahrheit naumlmlich die Uumlbereinstimmung einer Erkenntnis mit

1 Im Ms folgt gestr erkennbar2 nicht auch Ms3 Am Rande r u von dieser Trennung des Erkennens und Denkens

entsteht diese Beziehung bdquoWir koumlnnen uns k[einen] Gegenstanddenken ohne Kategorie wir koumlnnen k[einen] gedachten Gegenstanderkennen ohne durch Anschauung[en] d[ie] jenen Begriffen ent-sprech[en]ldquo (S 165) [Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a aO S 165]

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den allgem[einen] und formalen Gesetzen des Verstandes undd[er] Vernunft zwar die conditio sine qua non mithin die ne-gative Bedingung aller Wahrheit weiter aber kann d[ie] Logik1

nicht gehen und den Irrtum der nicht die Form sondern denInhalt trifft kann die Logik durch keinen Probierstein entdek-kenldquo2 K[ant] hat darin vollkommen recht aber unrecht daszlig erdoch wieder dieses formale3 Denken diese formale Logikgeltend laumlszligt wenn auch nur als die formalen Bedingung[en]denn das wahrhaft Logische kann aber kein bloszliges formalessondern muszlig auch das Kriterium des Inhalts enthalten darfkein von der Erkenntnis Abgezogenes sein Denn was ist mitbloszlig formalen negativen Bestimmungen der Wahrheit undgleichwohl bdquodie Grenze der Logik ist dadurch ganz bestimmtdaszlig sie eine Wissenschaft ist welche nichts als die formalenRegeln allen Denkens (es mag a priori oder empirisch seineinen Ursprung oder4 Objekt haben welches es wolle in unse-rem Gemuumlte zufaumlll[ige] oder natuumlrl[iche] Hindernisse antref-fen) ausfuumlhrl[ich] darlegt und strenge beweisetldquo (Vorrede IX)5

1 Am Rande der Zeile r (S 84)2 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 843 dieses formale diese formales Ms4 Im Ms folgt gestr Ursprung5 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S VIII-IX

310

[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Ich und Nicht-Ich]

3281 Fichte geht mit Jacobi vom Begriff der Freiheit ausaber Jacobi gibt demselben zum Substrat und Unterlage diePersoumlnlichkeit oder Individualitaumlt die Freiheit existiert nur alsIndividuum und im Individuum das Reelle und Wirkliche istallein die freie von sich wissende uumlber die Natur erhabne insich seiende Individualitaumlt und diese hat wieder Dasein undWirklichkeit als unendliches Individuum und als endlicheauszligereinander existierende freie endliche Individuen IndemJacobi von der Substantialitaumlt des Individuums ausgeht allesauf diese konzentriert so ist begreiflich daszlig Jacobi gegen alleobjektive Gestaltung in der Wissenschaft nur ein negativesVerhaumlltnis haben konnte daszlig sowohl im Charakter des Jacobiselber als in s[einem] geistigen Prinzip nicht das Prinzip einesSystems einer Wissenschaft liegt kurz daszlig er den Begriff derFreiheit nur subjektiv faszligte nur in der Gestalt und Form derSubjektivitaumlt2 den [er] 329 in seiner Wahrheit und Objektivi-taumlt erfaszligte und daher wie Fichte das Prinzip der Spontaneitaumltund Freiheit das sich in Kant und Jacobi aussprach zu einem

1 Am Rande Joh[ann] Gottl[ieb] Fichte geb 1762 bei Bischofswerda

in der Lausitz dagger 1814 zu BerlinJacobi sagt von sich selbst bdquoIn d[ie] Klagen uumlber d[ie] Unzu-

laumlnglichkeit alles unseres Philosophierens stimme ich leider vonganzem Herzen ein weiszlig aber doch keinen andern Rat Dies oderkathol[isch] werden es gibt kein Drittes Durchaus ein Heide mitdem Verstande mit dem ganzen Gemuumlte ein Christ schwimme ichzwischen zwei Wassern die sich mir nicht vereinigen wollen sodaszlig sie gemeinschaftlich mich truumlgen sondern so wie das Eine michunaufhoumlrlich hebt so versenkt auch unaufhoumlrlich mich d[as] andreldquoS[iehe] I[mmanuel] H[ermann] [von] Fichtes Beitraumlge zur Charak-teristik der neuern Philosophie zu Vermittlung ihrer Gegensaumltze [IH Fichte Beitraumlge zur Charakteristik der neueren Philosophie ZuVermittelung ihrer Gegensaumltze Sulzbach 1829 S 184-185]

Tatsachen des Bewuszligtseins nach Fichtes Tod erschienen [J GFichte Die Thatsachen des Bewuszligtseins Vorlesungen geh an derUni zu Berlin im Winterhalbjahre 1810-11 Stuttgart ndash Tuumlbingen1817] Wichtiger ist von ihm D[ie] Wissenschaftslehre in ihremallgemeinen Umrisse Berlin 1810 [J G Fichte Die Wissen-schaftslehre in ihrem allgemeinen Umrisse dargestellt Berlin1810]

2 Im Ms folgt gestr festhaumllt

311

System einer applizierten Gestaltung einer Wissenschaft aus-breiten konnte Das Beste das Houmlchste laumlszligt sich nicht ausspre-chen es ist nur im Subjekt mit ihm Eins kann sich nicht vonihm abloumlsen das Begreifen und Erkennen geht nur fort in einerKette von endlichen Zus[ammen]haumlngen und Vermittlungensoll daher das Unbedingte in den Begriff erhoben w[erden] sow[ird] es ein Bedingtes es w[ird] vernichtet aufgeloumlst es istalso nur in unserem Sinn und Gefuumlhl des Subjekts in seinemGlauben Alle Wissenschaft hat uns Totes Bedingtes Aufgelouml-stes nichts Erstes Urspruumlngliches d i Freies zu seinem In-halt dies existiert nur im Freien und Ersten des Subjekts selbstdieses Freie und Erste aber im Subjekt ist uumlberhaupt seine un-teilbare lebendige Subjektivitaumlt selbst Im Fichte nun ist nichtPrinzip die Individualitaumlt sondern die Ichheit die eine Intelli-genz [ist] 3301 Das Objekt als Objekt ist nur ein Sein fuumlrandres es ist nicht fuumlr sich selbst nicht durch sich selbst dasObjekt ist nur fuumlr ein Subjekt nicht fuumlr sich selbst Das Objektist darum nicht ein Erstes Urspruumlngliches es ist nur ein Ge-setztes urspruumlngliches Sein Realitaumlt Wirklichkeit kommtallein dem Ich zu denn das Ich ist nur fuumlr sich selbst unddurch sich selbst Ich bin nur Ich nur fuumlr mich nicht fuumlr einmoumlglich[es] Andres auszligerdem fuumlr ein Andres sein heiszligt aberuumlberhaupt gesetzt sein dem Ich kommt aber kein Sein fuumlr and-res zu es ist also nur das Setzen seiner selbst nur die Taumltigkeitist Realitaumlt Taumltig sein aber und sich selbst setzen d h nichtbewirkt gesetzt durch ein Andres vermittelt sein nicht dieFolge eines Andren oder nur die Beziehung auf ein Andres istEins das Ich ist aber reine Identitaumlt es ist absolute Selbstaumln-digkeit es ist nur Ich als nur auf sich selbst bezogen sein Seinist nur als selbst es ist aber kein Ding kein Determinierteskein 331 Abstraktes [] dem Ich kommt allein Taumltigkeit alsoRealitaumlt zu das Objekt ist Objekt nur fuumlr ein Andres es ist alsounter der Voraussetzung nur dessen wofuumlr es ist Objekt seinaber und Sein uumlberhaupt ist Eins es ist also wenn und weil dasist wofuumlr es Objekt ist sein Sein ist abhaumlngig vermittelt hy-pothetisch ein nur Gesetztsein Die Intelligenz ist aber sichselbst anschauend sie ist sich selbst Objekt Gegenstand die-ses ihr sich selbst Objektsein ist unmittelbares Bewuszligtseinihrer selbst sich selbst wissen[de] Anschauung ihrer selbstWissen Anschauung Sein ist mit ihr und aus sich selbst und 1 Am Rande r o Fichte II

312

ihr identisch ihr Sein ist das []1 der Anschauung ihrer selbstdiese ihre Selbstanschauung ist aber zugleich ihr Wesen sie istsie2 sie ist nicht etwa von dieser Anschauung Verschiedenesunabhaumlngig von ihr Existierendes die Intelligenz als die Ein-heit ihres Seins und Wesens als diese Anschauung ihrer selbstist Ichheit das Ich ist also Objekt 3323 seiner selbst wasObjekt ist ist es ist also aber dieses sich Objekt Sein machteben den Geist selbst aus das Ich aus ist es selbst es ist alsoweil es ist sein Sein hat keinen Grund es ist das schlechthinUnbedingte das absolut Erste es ist nur fuumlr sich selbst es istnicht weil Etwas andres ist so waumlre es ja Objekt es selbstsein Wesen und sein Sein identisch also ist sein Sein keinvermitteltes es ist das Setzen seiner selbst das Ich ist dahernicht bloszliges Subjekt sondern Subjektobjekt es ist ja Anschau-ung Objekt seiner selbst das Ich ist daher allein die Substanzdie absolute Realitaumlt denn nur das ist was4 fuumlr sich selbst istwas sich selbst Objekt ist und das was es ist nur fuumlr sichselbst ist das Objekt ist aber nur fuumlr das Ich kein Geist keinObjekt es ist nur ein Vermitteltes Negatives durch den GeistGesetztes ein Produkt es ist nur in der Intell[igenz] und fuumlrsie es ist nur eine Selbstbeschraumlnkung des Geistes der sich aufdiese und diese Weise bestimmt erschaut 3335

bdquoAlles moumlgliche Bewuszligtsein als Objektives eines Subjektssetzt ein unmittelbares Bewuszligtsein in welchem Subjektivesund Objektives Eins seien voraus und auszligerdem ist das Be-wuszligtsein schlechthin unbegreiflich man wird immer vergeb-lich nach einem Bande zwischen Subjekt und Objekt suchenwenn man sie nicht gleich urspruumlngl[ich] in ihrer Vereinigungaufgefaszligt hat Darum ist alle Philosophie die nicht von demPunkte in welchem sie vereinigt sind notwendig seicht undunvollstaumlndig und vermag nicht zu erklaumlren was sie erklaumlrensoll und ist sonach keine Philosophie

Dieses unmittelbare Bewuszligtsein ist die Anschauung des Ichin ihr setzt das Ich sich selbst notwendig und ist sonach dasSubjekt[ive] und Objektive in Einem Alles andre Bewuszligtseinw[ird] an dieses angeknuumlpft und durch dasselbe vermittelt

1 das [] daszlig [] Ms2 sie ist sie ist sie ist Ms3 Am Rande r o Fichte III4 Im Ms folgt was5 Am Rande r o Fichte IV

313

wird lediglich durch die Verknuumlpfung zu einem Bewuszligtseindieses allein ist durch nichts vermittelt oder bedingt es istabsolut 334 moumlglich und schlechthin notwendig wenn ir-gendein andres Bewuszligtsein stattfinden1 soll Das Ich ist nichtzu betrachten als bloszliges Subjekt sondern als Subjektob-jektldquo2

bdquoDas Selbstbewuszligtsein ist unmittelbar in ihm ist Subjektivesund Objektives unzertrennlich vereinigt und absolut EinsEin solches unmittelb[ares] Bewuszligtsein heiszligt mit dem wissen-schaftl[ichen] Ausdruck eine Anschauung ldquo 3bdquoIch bin diese Anschauung und schlechthin nichts weiter unddiese Anschauung selbst ist Ichldquo4

bdquoDer Begriff oder das Denken des Ich besteht in dem auf sichHandeln des Ich selbst und umgekehrt ein solches Handeln aufsich selbst gibt ein Denken des Ich und schlechthin kein and-res Denken der Begriff eines in sich zuruumlckkehrenden Den-kens und der Begriff des Ich erschoumlpfen sich gegenseitig DasIch ist das sich selbst Setzende und nichts weiter das sichselbst Setzende ist das Ich und nichts weiterldquo5

bdquoDas Ich kommt nur durch das Zuruumlckgehen des Denkens aufsich selbst zustande ldquo6

bdquoDas Bewuszligtsein meines Denkens ist meinem Denken nichtetwas nur zufaumllliges erst hinterher dazu gesetztes 335 unddamit verknuumlpftes sondern es ist von ihm unabtrennlichldquo7

bdquoDie Intelligenz schaut sich selbst an bloszlig als Intelligenzoder als reine Intelligenz und in dieser Selbstanschauung ebenbesteht ihr Wesen Ich bediene mich statt des Wortes Intelli-genz lieber der Benennung Ichheit weil diese das Zuruumlckge-hen der Taumltigkeit in sich selbst fuumlr jeden der nur der geringstenAufmerksamkeit faumlhig ist am unmittelbarsten bezeichnetldquo8

1 stattfinden sein Korr im Ms2 Vgl J G Fichte Versuch einer neuen Darstellung der Wissen-

schaftslehre Fortsetzung In Philosophisches Journal Bd VII1 Heft Jena ndash Leipzig 1797 1 Kap Abschn II Nr 4 S 12-13

3 Ebenda S 11-124 Ebenda S 135 Vgl ebenda Abschn I Nr 3 S 46 Ebenda Nr 4 S 57 Ebenda Abschn II Nr 4 S 118 Vgl ebenda S 14-15

314

bdquoSelbst setzt den Begriff vom Ich voraus und alles was dar-aus von Absolutheit gedacht wird ist aus diesem Begriffe ent-lehntldquo1

Ichheit und Individualitaumlt s[ind] sehr verschiedene Begriffeund die Zus[ammen]setzung des letzteren laumlszligt sich sehr deut-lich bemerken Durch den ersteren setzen wir uns allem wasauszliger uns ist nicht bloszlig Personen auszliger uns entgegen und wirbefassen unter ihm nicht nur unsre bestimmte Persoumlnlichkeitsondern unsre Geistigkeit uumlberhauptldquo2

In der Wissenschaftslehre ist die Vernunft das einige ansich und die Individualitaumlt nur akzidentiell die Vernunftzweckeund die Persoumlnlichkeit 336 Mittel die letztere nur eine beson-dre Weise die Vernunft auszudruumlcken die sich immer mehr inder allgemeinen Form derselben verlieren muszlig Nur die Ver-nunft ist ihr ewig ndash die Individualitaumlt aber muszlig unaufhoumlrlich3

absterben Wer nicht in diese Ordnung der Dinge zufoumlrdersts[ein] Wollen fuumlgen w[ill] der w[ird] auch nie den wahrenVerstand der Wissenschaftslehre erhalten

Die Ichheit (in sich selbst zuruumlckgehende Taumltigkeit Subjekt= Objektivitaumlt oder wie man will) w[ird] urspruumlnglich dem Esder bloszligen Objektivitaumlt entgegengesetzt und das Setzen dieserBegriffe ist absolut durch kein andres Setzen bedingt thetischnicht synthetisch Auf etwas das in diesem ersten Setzen alsein Es als bloszliges Objekt als etwas auszliger uns gesetzt wordenw[ird] der in uns selbst gefundene Begriff der Ichheit uumlberge-tragen und damit synthetisch vereinigt nur durch diese be-dingte Synthesis erst entsteht uns ein Du Der Begriff des Duentsteht durch Vereinigung des Es und des Ich Der Begriff desIch in diesem Gegensatze also als Begriff des Individuum[s]ist eine Synthesis des Ich aus sich selbst das in dem beschrie-benen Akte sich selbst nicht uumlberhaupt Setzende sondern alsIch setzend bin ich und das in demselben Akte durch michund nicht durch sich selbst als Ich gesetzte heiszligt Du 3374

1 Ebenda Fuszlignote 1 S 152 J G Fichte Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre In

Philosophisches Journal Bd VI 1 Heft Jena ndash Leipzig 1797 S21

3 Im Ms folgt gestr auf4 Am Rande r o Fichte V

315

bdquoDas Ich ist nur taumltig es ist bloszlig Ich inwiefern es taumltig istund wiefern es nicht taumltig ist ist es Nichtichldquo1 Das Ich ist ur-spruumlnglich nur ein Tun Alles Sein bedeutet eine Beschraumlnktheitder freien Taumltigkeit

Der Dogmatismus geht von einem Sein als Absolutem ausund sein System erhebt sich sonach nie uumlber das Sein DerIdealismus kennt schlechthin kein Sein als etwas fuumlr sich Be-stehendes Der erstere geht von der Notwendigkeit aus derletztere von der Freiheit2

bdquoSichselbstsetzen und Sein s[ind] vom Ich gebraucht voumllliggleich Der Satz Ich bin weil ich mich selbst gesetzt habekann demnach auch so ausgedruumlckt w[erden] Ich bin schlecht-hin weil3 ich bin

Das sich setzende Ich und das seiende Ich sind voumlllig gleichEin und eben dasselbe Das Ich ist dasjenige als was es sichsetzt und es setzt sich als dasjenige was es ist Ich binschlechthin was ich binldquo4 bdquoDas Ich setzt urspruumlnglichschlechthin sein eignes Seinldquo5

338 Das ist der erste schlechthin unbedingte Grundsatz derGrundsatz des Setzens der zweite ist die Handlung des Entge-gensetzens Das Ich setzt sich schlechthin ein Nicht-Ich entge-gen Der dritte Grundsatz ist der [der] Synthesis bdquoIch sowohlals Nicht-Ich w[ird] teilbar gesetzt So wie dem Ich einNicht-Ich entgegengesetzt w[ird] w[ird] demnach das Ich dem

1 J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 2 verb

Ausg Jena ndash Leipzig 1802 Zweiter Teil sect 4 D Nr 5 S 732 J G Fichte Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre a a

O S 273 Im Ms folgt am [] Verderbte Stelle im Ms4 Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre a

a O Erster Teil sect 1 Nr 9 S 11-125 Ebenda Nr 10 S 12 ndash Am Rande bdquoAller Realitaumlt Quelle ist das

Ich denn dieses ist das unmittelbar und schlechthin Gesetzte Erstdurch und mit dem Ich ist der Begriff der Realitaumlt gegeben Aberdas Ich ist weil es sich setzt und setzt sich weil es ist Demnachsind sich Setzen und Sein Eins und dasselbe Aber der Begriff dessich Setzens und der Taumltigkeit uumlberhaupt sind wieder Eins und ebendasselbe Also ndash alle Realitaumlt ist taumltig und alles Taumltige ist RealitaumltTaumltigkeit ist positive absolute (im Gegensatz gegen bloszlig relative)Realitaumltldquo [J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschafts-lehre a a O Zweiter Teil sect 4 C Nr 2 S 66-67]

316

entgegengesetzt w[ird] und das Nicht-Ich das entgegengesetztw[ird] teilbar gesetztldquo1

bdquoDas Ich ist im Ich nicht gesetzt insofern d i nach denjeni-gen Teilen der Realitaumlt mit welchen das Nicht-Ich gesetzt istEin Teil der Realitaumlt d i derjenige der dem Nicht-Ich beige-legt w[ird] ist im Ich aufgehoben Insofern das Nicht-Ichgesetzt ist muszlig auch d[as] Ich gesetzt sein naumlmlich sind s[ie]beide uumlberhaupt als teilbar ihrer Realitaumlt nach gesetzt

Erst jetzt vermittelst des aufgestellten Begriffs kann manvon beiden sagen sie sind etwas Das absolute Ich des erstenGrundsatzes2 ist nicht etwas (es hat kein Praumldikat und kannkeins haben) es ist schlechthin was es ist 339 und dies laumlszligtsich nicht weiter erklaumlren Jetzt vermittelst dieses Begriffs istim Bewuszligtsein alle Realitaumlt und von dieser kommt dem Nicht-Ich diejenige zu die dem Ich nicht zukommt und umgekehrtBeide sind etwas das Nicht-Ich dasjenige was das Ich nicht istund umgekehrt Dem absoluten Ich entgegengesetzt (welchemes aber nur insofern es vorgestellt w[ird] nicht insofern es ansich ist entgegengesetzt w[erden] kann ) ist das Nicht-Ichschlechthin Nichts dem einschraumlnkbaren Ich entgegengesetztist es eine negative Groumlszligeldquo3

bdquoIch setze im Ich dem teilbaren Ich ein teilbares Nicht-Ichentgegenldquo4

Grundsatz des Theoret[ischen] bdquoDas Ich setzt sich selbst alsbeschraumlnkt durch das Nicht-Ichldquo5

In dem Satze welcher das Resultat der drei Grundsaumltze dergesamten Wissenschaftslehre ist d[as] Ich und d[as] Nicht-Ichbestimmen sich gegenseitig liegen folgende zwei bdquoD[as] ichsetzt sich als bestimmt durch das Nicht-Ich ldquo6 und dannbdquoDas Ich setzt sich als bestimmend das Nicht-Ichldquo7 welcherder Hauptsatz aller praktischen Wissenschaftslehre ist

1 Vgl ebenda Erster Teil sect 3 B Nr 9 S 28-292 Im Ms folgt gestr hat3 Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre a

a O Erster Teil sect 3 C Nr 1 S 29-304 Ebenda D S 305 Ebenda Zweiter Teil sect 4 A Nr 1 S 536 Ebenda B S 567 Ebenda S 56

317

[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Wahrheit des Ideals]1

271 Nichts ohne Ich Der letzte Satz wird geleugnet Das Ichkann man wegdenken aber der Gegenstand ist ohne daszlig d[as] Ichist Klar hierin liegt eine Taumluschung und w[ir] bilden uns ein es seihelle auch wenn kein Auge waumlre denn es ist nur Einbildung ichdenke die Wirkung des Lichts auf d[as] Auge schon in den Gegen-stand hinein Wir haben die Vorstellung vom Licht von der Farbenur durch d[as] Auge und wir koumlnnen uns daher keine helle Weltohne Auge denken sondern nur glauben zu denken d h einbildenals koumlnnten wir was aber nicht der Fall ist Der M[ensch] kann hiernicht von sich abstrahieren und abstrahiert vom Organe aber dieWirkung des Organs versetzt er schon in den Gegenstand Darumw[ird] das Auge aus dem Gegenstand und der Gegenstand aus demAuge erkannt Der Gegenstand des Sehenden ist das Sichtbare undso unendlich mannigfaltig das Sichtbare dem Stoff nach ist ist eswesentlich doch dadurch bestimmt daszlig es ein Objekt des Auges istgleichwie es eine Bestimmung des Lichts ist daszlig es2 kein Gegen-stand des Objekts ist ndash rein durchsichtig aber nicht selbst sichtbarWenn man den M[enschen] individuell [] auffaszligt so mag die Leh-re D[ie] Welt ist nichts ohne Ich subjektiv hochmuumltig erscheinenaber wenn man es philosophisch erfaszligt wie Fichte wenn man sichdenn das Auge als Organ des Scheines nicht des Menschl[ichen]uumlberh[aupt] und das Bewuszligtsein als Bewuszligtsein nicht als meinesund deines sondern wie es selbst das Prinzip des M[enschen] istdas ohne welches der M[ensch] nicht Mensch ist so faumlllt dem Ver-nuumlnftigen d[as] Paradox a[uf] Der M[ensch] kann allerdings vonsich als Subjekt abstrahieren aber nicht vom Schall Houmlren vomBewuszligtsein Die Welt ohne Bewuszligtsein ist gleich nichts Aber wieviele Gegenstaumlnde sind von denen wir nichts wissen und vielleichtauch andre nichts wissen und doch3 sinnhaft [] werden [] IhrerSpezialitaumlt nach sind [sie] nicht Objekt des Bewuszligtseins Aber dieWelt im Ganzen im wesentlichen in der sie sich befinden ist Ob-jekt des Bewuszligtseins Sie stehen unter bekannten Kategorien ndash sosehr der besondre Inhalt verschieden sein mag ndash so wenn [] alleHimmelskoumlrper unter dem Gesetz der 272 Attraktion stehen daherauch ein absolutes ein Wesensunterschied zwischen den entfalteten 1 Uumlberschrift am Rande r o moumlglicherweise von fremder Hand ndash

Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 es sie Ms3 Im Ms folgt gestr nicht

318

uns unbekannten und den [hellip] uns bekannten Gegenstaumlnden nicht[hellip] Dem Weisen genuumlgt die Kategorie der Gesetze dem sinn-lich[en] Menschen freilich nur die sinnliche Vielheit in Verschie-denheit im Grunde nur zu wissen wo er das Partikulaumlre wahrnimmtDem Wesen genuumlgt auch eine Liebe und Freundschaft in die Ferneohne unmittelbare persoumlnliche Bekanntschaft der sinnlicheM[ensch] muszlig die Person beschnuppern [] und betasten Den Mei-sten genuumlgt das Allgemeine er schlieszligt daraus daszlig sie auch wieandere nicht wesentlich verschieden sind daszlig sie Nase MundOhren haben [] Welche ist ihm gleichguumlltig darin daszlig wir vieleDinge nicht wissen liegt mehr Weisheit und Vernunft als wenn wires wuumlszligten (ob es gleich nicht Geheimnisse gibt d[ie] nur gemachtekuumlnstliche G[egenstaumlnde] sind hervorgerufen durch ungeschicktes(urspruumlngl[iches]) Verhalten und ungebuumlhrliches Fragen) Die Fra-ge Ist ein Schall ohne Ohr ein Geruch ohne Nase ist laumlcherlichebenso als die Antwort Ja Auch wenn die Geruumlche nicht waumlrenwuumlrden die Dinge riechbare Stoffe exhalieren Denn wir wissennichts ohne riechb[are] Eff[ekte] [] und [] nichts [] ohne GeruchDas wovon wir nur eine Vorstellung haben durch den Sinn dasdessen Dasein fuumlr uns eben nur dieser Sinn ist oder uns nur durchihn gegeben ist koumlnnen wir uns nicht denken ohne diesen Sinnohne uns einer albernen Einbildung schuldig zu machen ohne zufaseln Nicht mit Vernunft hat man gesagt D[er] Gegenstand derwahrgenommen w[ird] nimmt in dem Wahrnehmenden sich selbstwahr das Auge ist der Spiegel des Gegenstands ndash Bruno Sol seipsum videt [Die Sonne sieht sich selbst] Hegel Gott indem ergedacht w[ird] denkt sich selbst ndash Das Bewuszligtsein des M[enschen]von der Welt ist das Selbst-Bewuszligtsein der Welt die selbstbewuszligteWelt aber mit demselben Rechte kann man sagen weil derM[ensch] kein toter geistiger sondern ein sich selbst abspiegelnderein lebendiger selbsttaumltiger selbstbewuszligter Spiegel ist DerM[ensch] nimmt im Wahrgenommenen sich selbst w[ahr] dasm[enschliche] Bewuszligtsein von der Welt ist sein Selbstbewuszligtseindie Welt ist sein Ich Dem Gegenstand seines Selbstes dieses seinSelbst folgt [] Der Gegenstand 1

1 Text bricht ab ndash Am Rande quodcumque quod extra nos est pro eo ut

confirmatus a nobis ita nos sibi subjectos habet Epikt[eti] Arrian[i] LibIV c 4 p 44 [Jedes aumluszligere Ding welches es auch sei dem man einenhohen Wert beilegt macht von andern abhaumlngig Uumlbers aus EpictetusWas von ihm erhalten ist Epiktet nach d Aufzeichnungen Arrians Heidelberg 1926 Lib IV cap 4 S 287]

319

[Zur XVIII Vorlesung ndash Differenzen Hegel und Schelling]1

3222 Die Entwicklung wie sie H[egel] in s[einer] wissen-schaftl[ichen] Methode befolgt und Schell[ing] als einen realenEntwicklungsprozeszlig des goumlttl[ichen] Wesens auffaszligt ist we-sentlich zu unterscheiden Auf ihrer Unterscheidung beruht dieErkenntnis uumlberh[aupt] der Differenz zwischen H[egel] undSch[elling] ndash eine Differenz die bereits keineswegs in derLiteratur schon befriedigend eroumlrtert ist Nur der Geist ist we-sentlich bei H[egel] wie er sagt Prozeszlig aus sich selbst sichentwickelndes Leben sich selbst hervorbringende TaumltigkeitResultat seiner selbst er ist nur das wozu er sich selbst machtAber dieses aus sich versubstantialisiert verselbstaumlndigt hypo-stasiert S[chelling] als ein nicht-intelligentes Prinzip er reali-siert fixiert die bloszlige Moumlglichkeit als ein Subjekt ein Substratdas er voraussetzt der Intelligenz Es ist an und fuumlr sich unlo-gisch unphilosophisch sich widersprechend mit dem Setzender Finsternis die Welt erleuchten und erklaumlren zu wollen wirhaben nur das Licht um die Welt hell zu machen und diesesist d[ie] Intelligenz es ist eine Inkonvenienz [Unschicklich-keit] ja ein Verstoszlig gegen die Idee und Vernunft an die aumluszliger-ste Spitze der Realitaumlt einen dunkeln Wolkengrund hinzustel-len aus dem wie ein Blitz die Intelligenz herausfaumlhrt DasAnfaumlngliche in der Bestimmung eines nicht-intelligenten Prin-zips wenn dieses gleich das moumlgliche Intelligente ist zu set-zen ist kein Akt der Intelligenz des Denkens die Intelligenzkann nur sich selbst3 setzen sie kann das4 Objektive auch nurals Intelligenz anschauen oder wenigstens als IntelligiblesVernuumlnftiges sie kann das Reale das Urspruumlngliche nur alsIntellig[enz] fassen was in uns so erscheint Denken koumlnnenwir nur das Denkbare Vorstellen Einbilden kann man sichalles Moumlgliche aber denken kann man nur das VernuumlnftigeWahre Denken ist die wahre houmlchste Taumltigkeit des Geistes siekann also nicht ihr Gegenteil denken sonst wuumlrde sie sichselbst aufheben der Irrtum als solcher fuumlr sich ist undenkbarDie Einsicht in den Irrtum ist nur moumlglich als die direkte oder 1 Am Rande r o Zur 18 Vorlesung [moumlglicherweise von fremder

Hand] In A folgt Uumlberschrift [Hegel Schelling]2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1623 Im Ms folgt gestr denke4 das sich Korr im Ms

320

wenigstens indirekte Einsicht der Wahrheit Das Setzen einesnicht-intelligenten Prinzips ist also selbst eine Handlung derNicht-Intelligenz der Nicht-Philosophie denn die1 Intelligenzkann sich nicht selbst verneinen ist eine Handlung der Phanta-sie der Vorstellung Sch[elling] setzt so eine dunkle Vorstel-lung dem 3232 Gedanken voraus die Intelligenz den Gedan-ken selbst faszligt er nicht als ein entwickelndes Leben und weilkeine Bewegung also in dem intelligenten Wesen waumlre setzt erals das eigentlich unmittelbar Lebendige in die dunkle Vor-stellung eines Grundes Er wirft in den Kristallquell des goumlttli-chen Lebens einen dunkeln Erdklumpen hinein weil ihm dieBewegung die das Wesen fuumlr sich hat zu tot abstrakt lang-weilig ist er bringt auch wirklich durch diesen Hineinwurf einaufgaumlrendes aufbrausendes Wesen hervor aber er hat auchdadurch dem Kristallquell seinen schoumlnsten Schmuck genom-men s[eine] Hellig[keit] ihn getruumlbt Sch[elling] ist uumlber-h[aupt] ein Geist [der]3 mythologisiert nicht philosophiert derdie Ideen in Fabeln und Mythen verwandelt Seine Entwick-lungsgeschichte Gottes in Gott ist eine wirkliche Theogonie Ererfaszligt die Idee nicht in der Form des Begriffes Leben ist fuumlrihn nur in der Sage dem Mythos der Erzaumlhlung Tod im Be-griffe in der denkenden Erkenntnis H[egel] ist das Umge-kehrte das Entgegengesetzte Die Entwicklung die er als dieLebensform des Wahren faszligt muszlig daher bei ihm schon not-wendigerweise eine ganz andere Gestalt eine wesentlich ver-schiedne Form annehmen Bei H[egel] ist die Vernunft selbstdieses Leben in sich die absolute Idee ist ein Kreis ein in sichgeschloszlignes und vollendetes sie faumlngt mit sich an und endet insich Sie ist kein passiv sich entwickelndes Leben wie dieEntwicklung der Natur z B der Pflanze ihre Entwicklung istSpontaneitaumlt Selbsttaumltigkeit die Entwicklung Sich-Selbst-Hervorbringung sie setzt selbst das4 Niedere Untere Andereihrer was Sch[elling] als Substanz voraussetzt5 und6 ist darinnur ihrer selbst gewiszlig und bewuszligt sich zuruumlckziehend auf sich

1 Im Ms folgt gestr Nicht2 Im Ms folgt dem3 Im Ms folgt gestr der Idee4 Im Ms folgt gestr Nichtintelligente5 Im Ms folgt gestr als ihren Gegensatz6 und aber Korr im Ms

321

selbst H[egel] faumlngt nun an 3241 von dem Unvollkommen-sten Abstraktesten um uumlber den2 Anfang hinaus zum Grundezum Prinzip desselben zu kommen Das Resultat ist das wahr-haft Erste Die Idee in der Logik ist nicht[s] anderes als derBegriff des absoluten Wesens wie es in der Logik Gegenstandist in der Logik w[ird] Gott nur als Idee betrachtet als absolutrealer Geist w[ird] er erst in den konkreten Teilen der Philoso-phie bestimmt3 in dem Elemente des reinen Denkens nimmtGott das absolute Wesen nur die Form der Idee an In derLogik kommt uumlberhaupt der Inhalt aller andern Wis-s[en]schaften schon vor aber lediglich nach s[einer] logischenBedeutung so kommt in ihr vor der Begriff des Guten desErkennens ebenso des Mechanismus des Chemismus aberlediglich nur nach der Bedeutung die sie fuumlr den Gedankenhaben nach der Stufe die4 sie im Ganzen einnehmen der Me-chanism[us] der Chemism[us] sind Kategorien so gut wie dieKategorien der Quantitaumlt der Qualitaumlt aber schon konkretereinhaltsreichere houmlhere Kategorien Kategorien die nicht mehreinfache Bestimmungen sind sondern selbst Totalitaumlten Soalso kommt der Begriff des absoluten Wesens das unter keinebestimmte Kategorie mehr faumlllt das die absolute Totalitaumlt undFuumllle aller Kategorien ist auch in der Logik [vor] aber hier indem Namen und unter der Form der absoluten Idee derenMomente und Bestimmungen nur Sein und Wesen sind Wasdaher von der absoluten Idee gilt das gilt auch von dem abso-luten Wesen wenn und wie es nicht mehr als Idee sondern alsabsolut konkreter und realer Geist gedacht w[ird] Houmlchstwichtig ist es wenn man H[egel] nicht Dinge aufbuumlrden willdie nicht in s[einem] wahren Sinne liegen So haben ihn aber325 die meisten verstanden als unterwuumlrfe er Gott dem Fa-tum einer Entwicklungsgeschichte so daszlig Gott sich aus einemunvollkommnern Zustande gleichsam zum vollkommnernBewuszligtsein fortentwickele oder wenn auch nicht einem Fa-tum da die Entwicklung aus ihm vor sich gehe der Grundderselben er selber sei doch wenigstens einer realen Entwick-lung Dies ist5 eine rohe krasse Auslegung Die absolute Idee

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1632 den [so auch A] dem Ms3 bestimmt realisiert Korr im Ms4 die in der Korr im Ms5 Die ist Im Ms irrtuumlmlich gestr

322

ist das A und O der Logik die Idee des Seins setzt voraus alsihr Prinzip die Idee der Idee Man kann daher mit dem Schlusseder Logik anfangen und aus der Idee erst das Sein das Wesenkurz die endlichen Kategorien ableiten Hegel hat selbst ein-mal wie er selbst sagte die Logik so vorgetragen Also ist aufGott nicht dieser Entwicklungsprozeszlig anzuwenden Er ist dasabsolute Prius Die philosophischen Ideen w[erden] immer soverstanden daszlig man [ihnen] die Vorstellungen die man auszligerder Philosophie hat und die nur eine ganz entfernte Analogiemit ihnen haben unterschiebt so schiebt man der Idee H[egels]die Vorstellung unter die man von der Entwicklung einesMenschen aus dem Zustande der Unwissenheit zum Be-wuszligts[ein] die Entwicklung der Pflanze die nur als Bild ge-braucht w[erden] kann unter und vergiszligt daszlig diese Entwick-lung in dem Kreise der selbsttaumltigen Intellig[enz] vor sich gehtdie nicht unmittelbar bestimmt ist sondern sich selbst be-stimmt daszlig die Bestimmungen in die sich die Idee versetztSelbst-Bestimmungen derselben sind Nun ist allerdings nichtzu leugnen daszlig die Darstellung H[egel]s selbst diesen Miszligver-stand diesen Schein1 als unterwuumlrfe er das absolute W[esen]der Entwicklung wie einer aumluszligern Naturnotwendigkeit erregtund mit sich fuumlhrt Es gibt Miszligverstaumlndnisse denen notwendigdie Philos[ophie] ausgesetzt ist um die sie sich daher auchnicht zu kuumlmmern hat weil2 nicht ihr Schuld gegeben w[ird]sondern in dem Unverstand3 ihre Quelle haben Aber es gibtMiszligverstaumlndnisse die in einem objektiven Mangel ihren Grundhaben Und dieser scheint bei H[egel] darin zu liegen daszlig erdie Kreisbewegung der goumlttlichen Idee nicht bloszlig im Begriffezu erfassen und nachzuweisen 3264 sondern auch selbst inder Darstellung5 versinnlichte daszlig also nicht die Idee nursondern auch die Darstellung der Idee selber eine Kreisbewe-gung sein soll daszlig er selbst formell diese Beweg[ung] gleich-sam nachmachte Daher kommt es auch daszlig seine Methode solebendig und tief und objektiv sie an sich ist doch in einengewissen Formalismus und Mechanismus verfiel Daher kames daszlig man die Darstellung der Idee fuumlr die Idee selbst hielt

1 Schein Schein A2 Im Ms folgt sie3 Im Ms folgt gestr der Phil[osophie]4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1645 Im Ms folgt gestr zu

323

daszlig man das Subjektive1 und Objektive miteinander verwech-selte2 daszlig man die Logik selbst in ihrer Ausbreitung auf demPapier fuumlr das absolute Wissen in selbsteigner Person hielt dadoch subjektiv d h in Bezug auf den Philosophen die Logiknur das Wissen von dem absoluten Wissen ist Eben dadurchdaszlig H[egel] in der Darstellung selbst die Idee vergegenwaumlrtig-te wurde [sie]3 unvermeidlich eine Verendlichung des Unend-lichen eine Veraumluszligerung und Zerteilung des an sich Identi-schen eine Zerlegung in nacheinander auftretende Momenteund Stufen wenigstens wenn auch nicht der Idee dem Inhaltedoch der Form nach so daszlig der der4 sich nur an die Darstel-lung haumllt allerdings auf solche Vorstellungen verfaumlllt als sichviele von H[egel] machen Es haumlngt damit zusammen daszligH[egel] uumlberhaupt zu sehr sondert und teilt daher auch derUumlbelstand kommt daszlig dieselben Gegenstaumlnde mehrmals vor-kommen muumlssen weil sie jedesmal nur in einer besondernBestimmtheit die nicht ihr ganzes Wesen ausdruumlckt betrachtetwurden Ein Uumlbelstand durch den viele scheinbare aber auchwirkliche Widerspruumlche entstehen Die Idee der Einheit trittdaher uumlberhaupt zu sehr bei H[egel] in den Hintergrund Es istnotwendig daszlig5 fuumlr uns nur sukzessiv die Gedanken entstehen[wir] zum Bewuszligtsein eines Gegenstandes nur nach und nachkommen Aber eben in dem Gedanken der Einheit soll dieWiss[enschaft] die Sukzession vernichten nur dadurch beru-higt und befriedigt sie den Menschen Aber eben bei Hegelobwohl die Momente zuruumlckkehren in die Einheit in das Prin-zip woraus sie entspringen ist doch durch die Bedeutung6 dieder Darstellung gegeben w[ird] erloumlst die Wissensch[aft] nichtvon dem natuumlrlichen Uumlbel der sukzessiven Wahrnehmung327 Aber uumlber diesen Mangel der Form und Darstellung nachmuszlig man nicht das Tiefe und Wahre der Idee uumlbersehen diebei Hegel auch zugrunde liegt

1 Subjektive [so auch A] subjektive Ms2 verwechselte [so auch A] verwechselt Ms3 [sie] es im Ms gestr4 der [so auch A] wer Ms5 Es daszlig Im Ms gestr6 Im Ms uumlber der Zeile unleserl Erg

324

[Die Kanzel-Moralisten]1

Die Moralisten auf der Kanzel gleichen den Rhetoren2 derAlten die hauptsaumlchlich nach dem Untergang der echten Rede-kunst3 erdichtete Faumllle willkuumlrlich ersonnene Verhaumlltnisseoder auch4 laumlngst vergangene Ereignisse so behandelten alswaumlren sie Ereignisse ihrer Zeit und ihrer naumlchsten UmgebungEs laumlszligt sich leicht vorstellen wie unappetitlich wie eindrucks-und bedeutungslos diese Reden uumlber fingierte Faumllle warenzumal wie hohl deklamatorisch diese Versetzung einer Ver-gangenheit in die Gegenwart dieser blinde Feuerlaumlrm uumlbereinen laumlngst verwesten Philipp oder Catilina diese Vorstellungvon fuumlrchterlichem Unheil und schrecklichen Gefahren diedoch nur den Worten nach existierten welche jedoch weiternichts in Bewegung setzen als die beiden Lungenfluumlgel undden Unter- und Oberkiefer des mutigen Rhetors Nichts ande-res und nichts besseres tut der moralisierende Redner auf derKanzel Gewaltig draumlngt sich aus seinem Mund der Stromseiner Rede hervor alle Springbrunnen Wasserleitungen Ka-naumlle und Schleusen werden wie Gefangene in Freiheit gesetztes blitzt und donnert er droht und beschwoumlrt er klagt undfrohlockt er schildert und verheiszligt er demonstriert und dekla-miert aber woruumlber5 Uumlber ganz unschuldige unschaumldlicheDinge die im friedlichen Gehege leerer Abstraktion ihr stillesSchattenleben fuumlhren und mit ihrer Gegenwart so wenig je dieWelt inkommodieren werden als ein Catilina im zweiten Jahr-hundert nach Chr[isti] Geburt den roumlmischen Staat6 so gefaumlhr-lich ihn auch [] muumlszligiger Tor schildert uumlber zwar gedachteaber sofern sie aller Existenz ermangeln nur erdachte Dingeuumlber ein Gesetz und eine Pflicht die nie wirklich ist7 nie wirk-lich wird8 und eigentlich auch wenn man so recht darauf ein-geht nie wirklich werden soll9 Denn sollte sich einmal der

1 Vgl BwN I S 328-329 ndash Am Rande von fremder Hand 183562 Rhetoren Rhetorikern Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr uumlber4 Im Ms folgt gestr uumlber5 Am Rande saumlmtlicher Geheimnisse Zauber und [] Kunst6 Im Ms folgt gestr wenn er auch noch7 ist sind BwN8 wird werden BwN9 soll sollen BwN

325

ungluumlckliche Fall ereignen daszlig1 Pflicht und Gesetz von einemIndividuum vollkommen erschoumlpfend ganz und rein erfuumllltworden ist so waumlre ja damit das Sollen2 die wesentliche Be-stimmung der Pflicht aufgehoben3 die erfuumlllte Pflicht ist keinePflicht mehr in seiner Erfuumlllung hat das Gesetz sein Ende DerMoralist predigt also nicht uumlber etwas Wirkliches uumlber Etwaswas ist und besteht uumlber ein daseiendes Reich Gottes uumlbereinen sichtbar gewordenen im Fleisch erschienenen SohnGottes eine vorhandene festgesetzte und bestimmte himmli-sche Welt nicht uumlber etwas Gegenwaumlrtiges denn entweder4

rhetorisiert er uumlber den demoralisierten Zustand so seiner Ge-meinde oder der ganzen Zeit uumlber die Verletzung und Uumlber-tretung also uumlber das Nichtdasein des 5 Pflichtgesetzes in denGesinnungen und Handlungen der Menschen oder uumlber Etwaswas noch nicht ist uumlber etwas Zukuumlnftiges was6 erst werdenund geschehen soll und immer werden soll aber nicht ist uumlberdie Pflicht und deren Erfuumlllung Wahrlich ein possierlicherAufenthalt und Standpunkt auf einem reinen Nichtsein undeinem Nochnichtsein Zwar greift der Moralist auch in dieblaue Zukunft hinein er antizipiert den Fall daszlig die Pflichterfuumlllt werde denn7 sie koumlnne und muumlsse8 erfuumlllt werden9 weilsie es solle und das auch dann wenn sie erfuumlllt worden aufdas Bewuszligtsein des Verdienstes die Pflicht mit Selbstaufopfe-rung und arbeitsvoller Taumltigkeit getan zu haben10 Ruhe Be-friedigung und Seligkeit so gewiszlig erfolgen werden als dieWetterprophezeiungen des Kalenders11 Doch mit dieserPflichterfuumlllung istrsquos nicht ernst das ist nur so hingesagt ohneselbst vom Moralisten wenn er sich aufs Gewissen fragt ge-glaubt zu werden sie ist eine von den vielen Moumlglichkeitenmit denen12 sich der Moralist zwar viel herumtreibt welche 1 Im Ms folgt gestr die2 Hervorgehoben in BwN3 Hervorgehoben in BwN4 Im Ms folgt gestr deklamiert5 Im Ms folgt des6 was das BwN7 denn und Korr im Ms8 koumlnne und muumlsse auch Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr unleserl Wort10 Am Rande unleserl Ergaumlnzung11 In BwN folgt eintreffen12 denen welchen BwN

326

aber so wenig1 zur Existenz gelangen als die vielen als moumlg-lich angenommenen und vorgeschlagenen Mittel und Wege inden Mond hinauf- oder in den Mittelpunkt2 der Erde hinabzu-steigen Er muszlig daher einen anderen Weg einschlagen umseinen Juumlngern fuumlr das gespenstische Schweben von einemNichtsein zu einem Nochnichtsein den Besitz von Etwas zuverschaffen was so ziemlich die Art den Schein und Manier3

von einem Wirklichen hat der groszligmuumltige Moralist erlaumlszligtdaher ihnen4 das unaufloumlsliche Problem einer Pflichterfuumlllungaufzuloumlsen5 man braucht nicht nach dem zwar ausgesproche-nen aber nicht so gemeinten Comment das ganze Maszligglasausleeren6 der humane Kanzelpraumlses ist schon zufriedenge-stellt wenn man nur so viel daran genippt und geleckt hat alsin Kraumlften stand Strebet7 nur redlich gewissenhaft und ernst-lich nach der Pflicht euer Streben8 ist schon genug sowohl fuumlrdie Pflicht als auch fuumlr euch fuumlr euer Wohl und Heil in eue-rem Streben9 habt ihr eine reichliche Schuldentilgungskasse fuumlrden strengen Glaumlubiger das Gesetz10 und zugleich ist es fuumlreuch mit dem honigsuumlszligen Bewuszligtsein verknuumlpft getan zuhaben und zu tun soviel als ihr konntet und koumlnnt und mitdiesem wieder Ruhe und Befriedigung mit dieser wieder Se-ligkeit11 und mit der Seligkeit wieder ein Zustand in dem12

1 so wenig von Korr im Ms2 den Mittelpunkt Fehlt in BwN3 Manier die Materie BwN4 ihnen seinen Zuhoumlrern BwN5 aufzuloumlsen Unleser Korr im Ms6 ausleeren auszuleeren BwN7 Strebet Hervorgehoben in BwN8 Streben Hervorgehoben in BwN9 Streben Hervorgehoben in BwN10 Gesetz Hervorgehoben in BwN11 In BwN folgt euer Theil12 und mit diesem wieder dem und in diesem Bewuszligtsein ist wieder

Ruhe und Befriedigung mit diesen wieder Seligkeit euer TheilBwN ndash Text bricht ab

327

II Studien Kritiken und Aphorismen

1 Eintrag in das Poesiealbum eines Ansbacher Freundes1

Unser Vaterland ist jetzt im Spital Alles darin leidet Frei-heit und Recht liegen auf dem Sterbebette und die alten erha-benen Tugenden schleichen nur noch wie blasse duumlrre Totenge-rippe daher und leider sind die Aumlrzte die zu seiner Heilungberufen sind teils selbst auf dem Hunde teils klaumlgliche Quack-salber Darum wollen wir uns zu gesunden und tuumlchtigen Aumlrz-ten bilden die nicht aus Lohnsucht sondern aus reiner Liebezum Vaterland an seiner Heilung arbeiten

Bloszlig in der Treue dieser Vorsaumltze wird die Treue unsererFreundschaft bestehen koumlnnen

Dein Freund und Bruder

Ansb Ludw Feuerbach30 Maumlrz 1823 St Th

1 Uumlbernommen aus G Vocke Feuerbach Erinnerungen Ansbach

1925 S XV ndash Widmung an Christian Heinrich Sixt

328

2 Excerpten1 aus Herders Briefe das Studium der Theologiebetreffend anno 1823 im Winter2

[Aus] XIV3bdquoUnglaube4 mag die Pest des Christentums sein schlechte

Beweis-Metaphysik5 ist s[eine] garstige faule Seuche6 Essterben mehr Menschen an dieser wie viell[eicht] an jenerund in uns[ern] Tagen ist sie die Modekrankheit7ldquo8

[Aus] XVbdquoWerden Sie so gluumlcklich nur einige zu uumlberzeugen daszlig

sie sich ohne Schwaumlrmerei und Aberglauben entschloumlssendem Leben und der Lehre Christi maumlnnlich9 zu folgen nachs[einen] Grundsaumltzen zu leben in Wahrh[eit] und stiller Lie-be moumlgen Sie nun diese Leute kennen od[er] nicht10 ndash dasletzte immer um so besser Lasset uns Christi11 Juumlnger zie-hen nicht12 uns Lasset uns ihn nicht uns predigen Liebe istGeist des Christent[ums] nicht Gebraumluche allgemeinerreiner Geist der Wahrheit wo Wahrh[eit] sich finde keineeinzelne Klausur von Wortenldquo13

bdquoDie kuumlnftige Welt wird nur aus dem bestehen was in die-ser reell d i echtes Christent[um] war und als solches in sieuumlbergehen konnteldquo14

1 Exerpten Excerpta BwN2 J G v Herder Briefe das Studium der Theologie betreffend 4

Thle Weimar 1780ndash1781 [beiliegendes Titelblatt]3 In BwN folgt als Einleitung wo das Christentum als historische

Begebenheit gefaszligt wird zu deren glaumlubiger Annahme man nie-manden zwingen koumlnne die Bemerkung

4 Text im Ms am Rande unter der Uumlberschrift 1823 G Herder5 schlechte Beweis-Metaphysik Hervorgehoben in BwN6 garstige faule Seuche Hervorgehoben in BwN7 Modekrankheit Hervorgehoben in BwN8 J G v Herder Briefe das Studium der Theologie betreffend 2

Thl Weimar 1780 Brief 14 S 2489 maumlnnlich naumlmlich BwN10 nicht o Ms11 Christi Christo BwN12 nicht o Ms13 J G v Herder Briefe a a O Brief 15 S 25914 Ebenda S 262

329

[Aus] XXIIIbdquoFliehen Sie es wie e[ine] Pest uumlber Relig[ion] zu strei-

ten denn uumlber das was eigentl[ich] Relig[ion] ist laumlszligt sichnicht1 streiten Weder erstreiten noch wegstreiten laumlszligt sichrsquosso wenig man das Licht houmlren od[er] den Geist malenkannrdquo2

1 nicht o Ms2 J G v Herder Briefe a a O Brief 23 S 391

330

3 An meine erste Geliebte

Die unter dem Zunamen logische Idee weltbekannteSophia gegenwaumlrtig Hofschauspielerin in Berlin

Sophia Du bist fuumlrwahr von wunderherrlicher SchoumlnheitNie entzuumlckte mein Aug je noch so eine Gestalt

Ach wie zart ist Dein Fleisch wie ganz aumltherischen Wesens Daszlig es nimmer ist Fleisch sondern ein Schein nur1

von ihmAller Materie frei scheint mir Dein magischer

KoumlrperIhn belaumlstiget nicht Schmerz und irdischer Stoff

Ja er ist so subtil daszlig wenn ich umarme Dichzweifle

Ob Du bist Fleisch und Blut oder ein himmlisch Ge-spenst

Deine Augen Dein Mund vor allem aber die ZaumlhneUnerlaumlszliglicher Schmuck sind in dem trefflichsten

StandSchoumln wie die Venus erhaben wie Juno bist Du So-

phiaAber eitel bist Du Dich nur bespiegelnd in Dir

Als2 vor dem Spiegel Du stehst zu schaun Deineigenes Bildnis

Gleich dem eitlen Narziszlig nur in Dich selber ver[liebt]Ewig bleibst Du drum Jungfer Du wirst ach nie

mehr MutterDenn3 das mager Kind welches von Dir selb[st]4

1 Im Ms folgt gestr noch2 Als Stehst Im Ms gestr und korr3 Im Ms folgt gestr auch4 Text bricht ab

331

4 Das Ens der NeuplatonikerUnterschied von dem Wesen der Wirklichkeit der alten und der

Hegelschen Metaphysik

Ein sehr klares Beispiel von dem Wesen des metaphysischenDenkens und seinem Unterschied von dem Wesen der Wirk-lichkeit gibt das Ens [Eines] der Neuplatoniker das sie als dashoumlchste Wesen aussprechen Alles was ist sagen sie bestehtnur dadurch daszlig es Eines ist nimm dem Haus die Einheit sofaumlllt es zusammen ist nicht mehr Haus nimm der Pflanze kurzirgendeinem Ding die Einheit so ist es nicht mehr es selbstWesen und Einheit ist identisch Jedes ist nur das was es istdadurch daszlig es Eines ist Aber alles Wirkliche ist zugleich einVieles eine Einheit von Vielem eben deswegen eine zerstoumlr-bare vergaumlngliche Einheit denn das Viele kann seiner Einheituntreu werden sich trennen Das wahre Wesen ist daher nurdas Eine schlechthin das nicht aus Vielen zusammengesetzteEine ndash Das Eine nicht von Vielen sondern von sich selbstAlle Einheit des Wirklichen ist nur eine Einheit durch dieseabsolute Einheit durch die Teilungen daraus Wir haben alsoein endliches und unendliches ein sinnliches und uumlbersinnli-ches ein konkretes oder objektives und ein metaphysischesoder nur intelligibles Eins Und die Realitaumlt dieses Eins scheinterwiesen indem die Einheit als ein Praumldikat der Realitaumlt derWirklichkeit aufgezeigt ist Alles ist nur dadurch daszlig es Einesist wie sollte also das Eine selbst nicht sein Allein schon dieVoraussetzung des absoluten Eins das Eine des Vielen daskonkrete Eins ist ein abstraktes ein nur gedachtes Das Haus istEins der Baum ist Eins [g]anz richtig aber das Eins des Hau-ses ist ein anderes als das Eins des Baumes Dadurch wodurchder Baum Eines ist dadurch ist es nicht das Haus es ist immerein Bestimmtes ein Verschiedenes was die bestimmten ver-schiedenen Dinge eint zusammenhaumllt oder wirkliche Einheitist Differenz Aber eben von dieser Differenz sieht ab das me-taphysische abstrakte Denken hat nur das beschaffen-heit[s]lose unbestimmte allgemeine aber ebendeswegen un-wirkliche Eins im Kopfe Es ist hier ebenso wie mit dem Seinder aumlltern Metaphysik Alle Dinge sind darin eins daszlig sie sindalso ist das Sein das Identische Unterschiedslose Allein dieseDinge an denen das Sein als Praumldikat ausgesagt wird sindselbst schon abstrakte Dinge an denen ihre Differenz wegge-

332

lassen ist Es ist daher ganz in der Ordnung ja es ist notwen-dig daszlig das Subjekt endlich wegfaumlllt und das Praumldikat fuumlr sichselbst zum Subjekt gemacht wird wie es in der HegelschenLogik geschieht Die Dinge deren Wesensbestimmungen Ge-dankenbestimmungen sind loumlsen sich notwendig im Denkenauf haben keine Realitaumlt mehr auszliger dem Denken Der Schluszligder Metaphysik ist daszlig sie als Logik erkannt wird Die altenMetaphysiker hielten die Denkbestimmungen fuumlr reale Dingbe-stimmungen weil sie nur auf die Dinge nicht auf das Denkenreflektierend dieselben fuumlr keine Denkbestimmungen hieltenDer moderne durch die Kantsche Kritik der reinen Vernunftgewitzigte Metaphysiker erkannte die metaphysischen Be-stimmungen als Denkbestimmungen erklaumlrte sie aber geradedeswegen also aus dem entgegengesetzten Grunde als realeBest[immungen] Das Eine bestimmten die Neuplatoniker alsdas Selbstgenuumlgsame bdquoAlles was nicht Eines ist sondernVieles ist notwendig beduumlrftig da es selbst nicht Eines istsondern aus Vielem Eines wird Sein Wesen bedarf daherEines zu werden Aber dessen bedarf das Eine nicht denn esexistiert bereits Das Prinzip von allem bedarf nichts vonallem Die Ursache ist nicht dasselbe mit dem VerursachtenDie Ursache von allem ist nichts von allemldquo1 Aber diese Ursa-che von allem die doch Nichts von Allem ist nichts andres alsdas Wesen der Abstraktion ob sie gleich als ein nicht selbstdenkendes Wesen bestimmt wird dieses selbstgenuumlgsameWesen [ist] nichts andres als das eigne aber gegenstaumlndlicheWesen des einsamen selbstgenuumlgsamen Denkens denn imDenken als solchem ist uumlberhaupt der Mensch sich selbst ge-nug er braucht keinen andern er bezieht sich nur auf sichselbst Und wie der Mensch im Denken nicht das Beduumlrfniseines Andern hat in sich findet was er sonst auszliger sich hat -im Denken konversiert der Mensch mit sich numquam minussolus quam cum solus2 [niemals weniger allein als wenn al-lein] - so findet auch objektiv dieses Denken sein houmlchstesWesen darin daszlig es in Eines setzt was in der Wirklichkeit anzwei verteilt ist daszlig es also Ursache und Wirkung Subjekt und

1 Vgl Plotin Die Enneaden des Plotin Uumlbersetzt von Hermann

Friedrich Muumlller Vorangeht die Lebensbeschreibung des Plotinvon Porphyrius Bd 2 Berlin 1880 6 Enneade 9 Buch S 444-445

2 Vgl Cicero De Officiis 31

333

Objekt Ich und Du Sein und Sollen in ein und dasselbe Wesenzusammenfaszligt identifiziert der Intellekt der Verstand hatnichts andres im Kopfe als was auch auszliger dem Verstandeexistiert ndash es ist derselbe Inhalt innen wie auszligen dieselbenVerhaumlltnisse dieselben Kategorien in Gott wie in der Welt -aber weil er abstrahiert von der Welt von den Dingen sich nurin der Einheit mit sich befindet so vergegenstaumlndlicht er dieseEinheit in der Identifikation der Unterschiede und Gegensaumltzeder wirklichen Welt So macht er das Praumldikat zum Subjekt vonsich dasselbe zur Ursache und Wirkung von sich

334

5 Identitaumlt und Unterschied1

Die Hegelsche Philosophie stellt das logische Gesetz derIdentitaumlt auf gleichen Fuss mit den uumlbrigen sogenannten Refle-xionsgesetzen Die Saumltze jedes Ding ist ungleich verschiedenentgegengesetzt sollen gleichen Rang mit dem Satze bdquojedesDing ist sich selbst gleichldquo haben Allein die Sichselbstgleich-heit oder Identitaumlt steht zur Ungleichheit und Verschiedenheitim Verhaumlltnisse der Grundlage Die Eigenschaften wodurchich ein Ding unterscheide oder anderen Dingen entgegensetzemuumlssen mit dem Gesetze der Identitaumlt wornach es dieses undkein anderes ist uumlbereinstimmen sonst ist ja der Unterschiednicht sein Unterschied der Gegensatz nicht sein GegensatzDas Gesetz der Identitaumlt steht daher nicht neben sondern uumlberden uumlbrigen Reflexionsgesetzen es ist die Regel des Unter-schiedes des Gegensatzes Ich kann die negative Elektrizitaumltnur der positiven Elektrizitaumlt nicht irgend einer anderen Positi-vitaumlt das Suumlsse nur dem Saueren das Boumlse nur dem Guten dasWeisse nur dem Schwarzen d h nur die Farbe der FarbeMoralisches nur Moralischem einen bestimmten Geschmacknur einem anderen Geschmacke entgegensetzen Ein wahrernothwendiger naturbegruumlndeter Gegensatz ist nur der welcherdas logische Gesetz der Identitaumlt respektirt Dieses Gesetzverwerfen oder wenigstens dem Gesetze der Verschiedenheitund Gegensaumltzlichkeit gleichstellen heisst daher der WillkuumlrThuumlr und Thor oumlffnen bdquoAber die Logik hebt ja selbst durch denSatz des Grundes den Satz der Identitaumlt auf denn indem esheisst Alles hat seinen Grund so ist ja damit ausgesagt dasses nicht mit sich identisch also Anderes sein Grund seildquo Istdenn aber dieses Andere was als Grund gesetzt wird nichtauch durch das Gesetz der Identitaumlt bestimmt Kann ich ohneUnterschied was ich nur immer will als Grund von Etwasanfuumlhren Kann ich Gott z B als moralisches Wesen zumGrunde der Natur machen Ist nicht Gott als Grund der Naturselbst nothwendig ein Naturwesen Hebt also der Satz desGrundes das Identitaumltsgesetz auf Nein er hebt es nicht nurnicht auf son-dern bestaumltigt es Warum kann ich Gott als mo-ralisches Wesen nicht zum Grunde der Physik machen Weiles dem Begriffe desselben widerspricht weil ich dem Gesetzeder Identitaumlt zufolge aus einem moralischen Wesen auch nur 1 BwN I S 397-398

335

moralische aber keine physischen Gesetze und Prinzipienableiten kann

336

6 Gedanken 1834351

Der Glaube ist eben eine solche Wirklichkeit in der Gott istals irgend eine aumluszligere Wirklichkeit in der Natur In dem Glau-ben erkennen wir eine wesentliche Bestimmung Gottes

Die Religion ist die Tonkunst des Geistes die houmlhere Spra-che der Empfindung

Das Herz ist nichts als der Logos der Fleisch geworden

Das Herz ist der geistige Begattungstrieb

Die Geschichte Gottes muszlig man nicht als Historiker sondernals Metaphysiker denken Das sei dir gesagt lieber Daumer

Der Sinn ist die Phantasie der Vernunft

Das Allgemeine versteckt sich zum Zeitvertreib hinter dasEinzelne dieses ist die Lust die es bei scheinbarem Selbst-verlust an sich sich selbst hat

Die Hegelsche Logik mit ihren Distinktionen ist ein philoso-phisches Sprachlexikon eine Purganz des Verstandes Gottmag auch ein Metaphysiker sein da er nach Platon ein Geo-meter war

In der Vergleichung mit der Dicht- und Tonkunst laumlszligt sichdas Wesen der Philosophie anschaulich machen Von der be-schraumlnkten sich einengenden und das Eingeengte und Be-schraumlnkte sich unbeschraumlnkt ergehen lassenden Form der Idyllebis zur Tragoumldie von einem Walzer einem Schnaderhuumlpferleinem Liede bis zur Symphonie eines Beethoven - DasSchnaderhuumlpferl hat wohl auch sein Recht seine Stelle wie diebeschraumlnkte im engen Hauswesen der empirischen Psycholo-gie und Anthropologie sich sistierende Philosophie Wie dieeigentliche Philosophie aber ist dem zahllosen Haufen eineShakespearesche Tragoumldie ein Oratorium begreiflicherweiseetwas was ihn anwidert ein Gemachtes nur Kuumlnstliches odergar ein Nichtiges Unwahres was ihn zu studieren ekelt 1 Text uumlbernommen aus BwN I S 313-316

337

Plebs du gibst doch zu daszlig zu einer Ode schon KlopstocksSchwung erfordert wird noch mehr zum Fuumlhlen und Fasseneiner Tragoumldie dennoch aber ein Hans Sachs oder ein Bauern-stuumlck von Voss so etwas nicht erfordert daszlig dagegen die Tra-goumldie die houmlhere Poesie die Unendliches zum Inhalt hat dieeigentliche die wahre ist

Fiat applicatio Auch zur Philosophie wird Schwung erfor-dert Begeisterung Enthusiasmus Ekstasis ist ihr Anfang werihrer unfaumlhig unfaumlhig der Philosophie

Der Bauer begreift keine Ode von Klopstock keine Tragoumldievon Shakespeare der gelehrte Bauer und Handwerksmannkeine Philosophie Aber du hilfst dir damit Sophist die Poesieist eben Kunst die Philosophie soll einfache Wahrheit enthal-ten Der Inhalt der Kunst ist eben so allgemein wie der derPhilosophie die Form die die Philosophie als System hat ihrebenso notwendig als der Dichtkunst die ihrige Und eben dieEinfachheit die wahre ist es die dem Plebs die Philosophieunbegreiflich macht Der Bauer fuumlhlt und begreift den Vossweil die Gegenstaumlnde im Kreise seiner Vorstellung bleiben

Wir sind nur so lange mit dem Leben unversoumlhnt als wir esals einen Schuldner betrachten der unsere Forderung nichtbefriedigt hat als wir noch etwas in ihm suchen was wir in unsselbst vermissen Hat es uns aber die Erfuumlllung der teuerstenletzten Wuumlnsche nicht gewaumlhrt hat es uns das Einzige genom-men was wir uns von ihm als die letzte Gnade ausbaten soversoumlhnen wir uns eben dadurch mit ihm daszlig wir nichts mehrvon ihm wuumlnschen und verlangen

Es ist schwach toumlricht durch Buumlszligungen und Entsagungeneinen begangenen Fehler gutmachen zu wollen Man machtden Fehler nur dadurch noch schlimmer als er in der Tat wardenn durch die Entsagung erneuert man fortwaumlhrend sein An-denken feiert man ihm zu Ehren im eigentlichen Sinne Ge-daumlchtnisfeste Die wahre Buszlige ist man vergiszligt ihn und be-ginnt als waumlre nichts vorgefallen von Neuem mit frischemLebensmut sein Tagewerk Sich durch die Buszlige von dem Ge-nusse und der Arbeit des Lebens abhalten lassen das heiszligt auseinem Fehler der an sich ein Nichts war ein bedeutungsvollesEtwas machen ihn bewahren ndash nicht vernichten Nicht durchden Fehler durch die Buszlige nehmen wir uns das Recht desGenusses Die Buszlige entzieht uns der Genuszlig gibt uns dem

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Menschen Und wahr gut ist nur was uns dem Leben gibt dh dem Genusse der Wahrheit und Wirklichkeit (Nov oderDez 1834ldquo)

Die erste Existenz des Menschen ist der Blick in dem zweiMenschen in Liebe zu einander entbrennen das ist der ersteFunke seines Lebens ndash die zweite Existenz des Menschen istein Druck er kommt aus dem Aumlther der reinen Liebe der Erdeimmer naumlher Der Wohllust verdankt der Mensch sein Daseindie Wollust ist selbst seine Seele ndash das Gefuumlhl der Befriedi-gung der Vollendung der Aufhebung des Unterschiedes - dieGeschlechtseinheit ist die Seele Der Mensch will noch ein-mal guter Dinge sein und sich sein Dasein recht wohl schmek-ken lassen ehe er ein Anderes an seine Stelle setzt Daher dieWohllust Und der Mensch will nicht auf die Welt kommenohne daszlig er fuumlr die Sorge die er ihr macht zum Voraus eineWohltat erwiesen hat Freilich geschah es wider sein Wissenund Wollen (bdquoOkt 1834ldquo)

Das sog Entstehen und Vergehen eines philosophischenSystems stellen sich die rohen Empiristen vor etwa nach Ana-logie der Entstehung und Vergehung der Insel Julia oder Neri-ta die im Juli 1831 erschien und den 12 Januar 1832 wiederunter den Wogen verschwand Leider ndash so wenig paszligt auchdieses rohsinnliche Beispiel ndash kam aber diese vulkanische Insel1833 wieder zum Vorschein

Der Instinkt ist nichts Anderes als der schlechthin bestimmteauf Einen Zweck nur gerichtete mit dem Lebensbeduumlrfnisidentische darum untruumlgliche Verstand Der Vogel baut zurBrutzeit ein kuumlnstliches Nest dessen Bau unsere Bewunderungerregt Aber zu einer andern Zeit oder unabhaumlngig von diesemZwecke vermag er es nicht Die Begierde wenn wir diese alsden allgemeinsten Ausdruck des Lebensbeduumlrfnisses setzen -die den menschlichen Verstand verdunkelt ist das Licht destierischen Der Vogel waumlhlt den passenden Stoff fuumlr sein Nester unterscheidet aber auch diese Unterscheidung ist eineschlechterdings bestimmte Der Instinkt ist ein schlechthinpraktischer Verstand

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Es gibt nur eine wahre vernuumlnftige Religion es ist die Le-bensfreude der durch nichts sich unterbrechen lassende Genuszligdes Positiven im Leben

Man muss auch in der Philosophie von Unten anfangen vonder Pike auf dienen nicht als ein Prinz geboren werden undschon in der Windel Major Oberst oder General sein wollen

Der Deus Crepitus bei den Roumlmern und Aumlgyptern Auch derGott der Pietisten ist ein Stoszligseufzer1

Die Geten glaubten nach Herodot an Unsterblichkeit - undwaren desshalb tapfer Es fehlte ihnen die Geschichte

Die sog unbegreiflichen Ratschluumlsse Gottes sind in der Thatnichts als die hypostasierten Perplexitaumlten in die sich das Sub-jekt verwickelt hat in Folge seiner Prinzipien die es aber un-geachtet es alle auch die naumlchsten Konsequenzen in die Irrefuumlhren nicht aufgeben will

Grenze = Kant2

Eine willkuumlrliche Grenze kann ich uumlberschreiten aber nichteine notwendige wesentliche eine Grenze der Natur ndash einemenschliche aber nicht eine goumlttliche Grenze3 Es4 ist die Zu-friedenheit mit sich selbst die Genuumlgsamkeit an sich5 dieK[ant] das Ding als an sich6 unerkennbar als1 nicht fuumlr uns

1 Crepitus ist Gott Berster d i der Wunsch des Bedruumlckten Der Gott

ist die Erfuumlllung wie Lucina die Entbinderin die ans Licht fuumlhrt2 Titel fehlt in BwN3 Eine willkuumlrlichegoumlttliche Grenze Es gibt Dinge uumlber die man

nicht hinausgehen kann ohne unter sie herunter zu kommen ndash einsolches Ding ist die Vernunft [In BwN folgt Absatz] Die wahreGraumlnze das Positive meiner Natur BwN ndash Am Rande Ist sie einewahre Grenze so konstituiert sie das Wesen die Natur desMensch[en] Sie konstituiert [] uumlber das er nicht hinausgehenkann nicht hinausgehen mag ndash die aber diese Grenze ist der Quellseiner Befriedigung Die Grenze existiert nur in uns[erer] Vorstel-lung sie ist an sich nichts als die Natur eines Dinges in Vergleichund Bezug auf ein andres gesetzt Fehlt in BwN

4 Es Fehlt in BwN5 In BwN folgt selbst6 als an sich an sich als BwN

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seiend abweist2 ndash nicht die Einsicht in die Unmoumlglichkeit derErkenntnis ist das Erste das Wichtigste wie es sich die Mei-sten ausbilden3 Es ist4 eine Indifferenz ndash ein Phlegma ndash einsich Wohl- und Behaglichfuumlhlen innerhalb dieser willkuumlrli-chen5 Grenze6 Die Vernunft zu erkennen ist wichtiger als dieDinge7 das Denken ist mehr wert als d[as] Ding an sich Sovon der einen Seite8 Von der anderen aber auch die Beschraumln-kung auf d[as]9 Praktische Sei gut sei einmal M[ensch]10Voila tout11

1 als Fehlt in BwN2 In BwN folgt Danach ist das Erste3 ist das Ersteausbilden Fehlt in BwN4 Es ist sondern BwN5 dieser willkuumlrlichen der BwN6 In BwN folgt Absatz7 Die Vernunftdie Dinge Fehlt in BwN8 SoSeite Fehlt in BwN9 aberauf das Seite heisst es Beschraumlnke Dich aufs BwN10 sei einmal Mensch Fehlt in BwN11 In BwN folgt (Zuletzt nicht ganz buchstaumlblich)

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7 Einleitung in die Geschichte der neuern Philosophie[Fragmente eines Entwurfes]

151 Die ferneren faktischen oder geschichtlichen Beweisesind drittens die scholastische Theologie und Philosophieselbst deren2 Hauptinhalt im wesentlichen doch immer derGlaube der Kirche war aber objektive Existenz hat jenes nurdann wenn es Objekt des Verstandes ist wenn es von ihmbestimmt ihn beschaumlftigt und Interesse fuumlr ihn hat

Viertens die Werke der Mystik Denn in ihnen sprach sichdas Christentum der damaligen Zeit als die unbedingte alleini-ge sich selbst genuumlge[nde] Substanz3 aus und produzierte derchristliche Geist unmittelbar seiner selbst als des christlichenbewuszligt und aus sich selbst gewiszlig im Besitze der christl[ichen]Wahrheit zu sein aus seinem eigenen mit der christl[ichen]Religion als seinem Wesen identischen Inneren christlichreligioumlsen Inhalt hervor der daher zum Nahrungs- und Erbau-ungsstoff allen spaumlteren Mystikern diente Aber nur das wasim Menschen seine Substanz sein objektiver Geist ist ist pro-duktiv und kann als ein Objekt ein Werk auszliger ihn treten

Nur aus dem selbst Substantiellen oder Wesenhaften selbstObjektiven kann man den wesenhaften den objektiven Geisteines Zeit- oder Weltalters erkennen Solche wesenhaften Wer-ke des Mittelalters sind z B die deutsche Theologie die Wer-ke eines Tauler eines Bonaventura eines Thomas a Kempisusw Denn Individuen wie diese muumlssen selbst angesehenwerden als Produkte und Organe des objektiven Geistes alsIndividuen in denen die4 Wesenheit ihres Zeitalters Fleischund Ichheit annahm ihr inneres Wesen wurde aus ihrer Ver-borgenheit ans Licht trat und sich ein adaumlquates Dasein gabund ihre Werke sind daher zu betrachten als Werke des Gei-stes der5 was das Geistige und Religioumlse betrifft der wesen-hafte Geist ihres Weltalters war In den Mystikern des Mittel-alters ist aber die Religion wie sie damals erfaszligt war die ab-solute Substanz und Energie ihres Geistes ihre Werke sind 1 Paginierung von L Feuerbach ndash Die vorhergehenden Seiten des Ms

fehlen2 Im Ms folgt gestr wesent[lich]3 Im Ms folgt gestr ist4 Im Ms folgt gestr verborgen5 Im Ms folgt gestr der

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daher auch in ihren Sphaumlren vollendet klassisch1 und ist dasunbedingte in sich selbst konzentrierte mit sich einige vonsich selbst anfangende und erfuumlllte in seiner Beschraumlnktheitund Einseitigkeit in sich selige seiner Geistesarmut sich selbstschaumlmende sich offen und ungeheuchelt als Verschmaumlhungalles Wissens alles sogenannten Weltlichen und Menschlichenaussprechende Christentum enthalten2 In der neueren Zeitdaher wo nicht mehr der ausschlieszliglich der beschraumlnkt dernegativ und abstrakt christliche Geist sondern der allgemeinealle seine Momente in Einheit mit Freiheit umfassende undausbildende Geist der wesenhafte 16 der weltgeschichtlicheGeist die Tendenz und das Ziel der Menschheit war wurde derMystizismus als verlassen von geschichtlicher Notwendigkeitjetzt nur ein Produkt krankhafter Partikularitaumlten PietismusDer neuere Mystizismus als unbegruumlndet in der geschichtli-chen Notwendigkeit dem Prinzip und der Tendenz der neuerenZeit obwohl bedingt durch voruumlbergehende partikulaumlre Er-scheinungen und Krisen ging daher jetzt nur hervor aus Despe-ration geistigen Banqueroutes miszliglungenen BestrebungenHypochondrien allgemeinem Uumlbelbefinden usw und ist sei-nem Charakter nach ein charakterloser ohnmaumlchtiger dieMystik affektierender Mystik sein wollender und doch nichtsein koumlnnender Mystizismus und hat daher auch keine andereBedeutung3 als eine aus den disparatesten sich widersprechen-sten Ingredienzen zubereitete Arznei fuumlr Gemuumltsleidende undGeisteskranke zu sein

sect11Die Negativitaumlt4 des kirchlich-religioumlsen Geistes oder des

katholischen Christentums gegen die wesentlichen unveraumlu- 1 Im Ms folgt gestr in ihren2 Am Rande Anm[erkung] Wenn alle Dinge eine zweifache sich

entgegengesetzte Bestimmung und Bedeutung haben so gibt es al-lerdings auch eine wahre und eine falsche Abstraktion und Negati-vitaumlt Heutigen Tages ist aber das Christentum bei den meisten ohnealle Abstraktion und Negativitaumlt ist es nur noch die Religion senti-mentaler Duzbruumlderlichkeit eine Verklaumlrung menschlicher Eigen-tuumlmlichkeiten kurz das Schmalz auf die Wassersuppe des Gemuumlts

3 Im Ms folgt gestr hat4 Am Rande [Im Ms folgt gestr Die Negativitaumlt des [] kurzsichtig

religioumlsen Geistes gegen das []] Als der negativ-religioumlse Geistsich in der Kirche zu einer weltbeherrschenden Macht erhoben hatteund seine anfangs nur innerlich in der Gesinnung existierende Ver-

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kennung und Verachtung alles sogen[annten] Weltl[ichen] endlichzur weltlichen gewaltsamen Unterdruumlckung des Weltlichen zurAnmaszligung der Suprematie der Kirche als des Inbegriffs der Geist-lichkeit uumlber den Staat als des Inbegriffs der Weltlichkeit wurdebestand seine Negativitaumlt gegen das wahre Mensch- und Weltwesennaumlher darin daszlig er Kunst und Wissenschaft die [Im Ms folgt gestrFaumlh[igkeiten]] Taumltigkeiten der houmlchst[en] Freiheit und des neurenMenschentums nicht frei gewaumlhren lieszlig sondern band und gefan-gennahm sich ihrer nur als Mittel einerseits zu seiner Verherrli-chung andrerseits zu seiner Begruumlndung und [seinem] Nutzen be-diente Allein gerade diese scheinbar dienstfertigen Geister warenes die den Sturz der Herrschaft jenes religioumlsen Geistes und seineraumluszligeren Existenz der Kirche [Im Ms folgt gestr herbei] von innenaus herbeifuumlhrte

Die scholastische Philosophie naumlmlich obwohl sie im Dienste derKirche stand ging doch hervor aus Interesse an der Wissenschaftsie befoumlrderte doch den Erkenntnistrieb und [Im Ms folgt gestr er-zeugte ndash Im Ms folgt und] befoumlrderte sie wieder Sie machte dieGegenstaumlnde des Glaubens zu Gegenstaumlnd[en] des Denkens hobden Menschen aus der Sphaumlre des unbedingten Glaubens in dieSphaumlre des Wissens und indem sie die Sache der bloszligen Autoritaumltzu beweisen und durch Gruumlnde zu bekraumlftigen sucht[e] begruumlndetesie gerade 17 dadurch wieder ihr Wissen und Willen die Autoritaumltder Vernunft und brachte sie dadurch ein anderes Prinzip in dieWelt als das Prinzip der alten Kirche war Nur erst da wo dieScholastik selbst nur noch eine historische Reliquie war ver-schmolz sie ganz im Widerspruch mit ihrer urspruumlnglichen ge-schichtlichen Bestimmung mit der Sache des alten Kirchentumszusammen wurde sie die Gegnerin des erwachten besseren GeistesSelbst die ganze Miszliggestalt der Scholastik selbst die vielen absur-den Quaumlstionen auf die die Scholastiker verfielen selbst die tau-sendfaumlltigen unnoumltigen und zufaumllligen Distinktionen ihre Kuriosi-taumlten und Subtilitaumlten muumlssen aus [Im Ms folgt gestr diesem] ei-nem vernuumlnftigen Prinzipe aus ihrem Lichtdurste ihr[em] Erkennt-nistrieb erkannt w[erden] der in jener Zeit und unter der Herrschaftdes alten Kirchengeistes sich so und nicht anders aumluszligern konnteAlle ihre Quaumlstionen und Distinktionen sind nichts [Im Ms folgtgestr als] andres [als] muumlhsam eingegrabne Ritze und Spalten indem alten Gemaumluer der Kirche um zum Genuszlig des Lichtes und fri-scher Luft zu kommen nichts andres als Aumluszligerungen einer Reg-samkeit des Verstandes eines Taumltigkeitstriebes des denkenden Gei-stes der wenn er in einem Gefaumlngnis ist entzogen dem Kreise an-gemessener Taumltigkeit und vernuumlnftiger Gegenstaumlnde jeden Gegen-stand den er aber zufaumlllig findet er sei auch noch so geringfuumlgig

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szligerlichen Lebenskreise des menschlichen Geistes wie StaatKunst und Wissenschaft als welche fuumlr es nur die Bedeutungeines Endlichen Weltlichen und Eiteln oder eines bloszligenMittels nicht eines sich selbst Zweck seienden hatten war derabsolute seinen Untergang erzeugende Mangel an ihm und alsdieser die Quelle aller Unruhe und Unzufriedenheit der Impulszu den gewaltigsten Gegenbestrebungen und Gegenkaumlmpfenund so wie jeder Mangel den Trieb erzeugt den Mangel aufzu-heben und daher Veranlassung der Taumltigkeit und Fortbewe-gung ist der Grund daszlig der menschliche Geist die Einheit derKirche die um als Einheit sich behaupten zu koumlnnen einebestimmte sein d i auf bestimmte Religionssaumltze sich stuumltzenmuszligte und wegen dieser Bestimmtheit aber empoumlrender Gei-steszwang widernatuumlrliche Unterdruumlckung aller freier Ent-wicklung unvernuumlnftiges Widerstreben gegen den unaufhalt-samen Gang der Geschichte und Notwendigkeit war endlichzersprengte die erst allgemeine und herrschende Kirche in dieSchranke einer besonderen zuruumlckwies und herabsetzte dieGrenze der speziellen und beschraumlnkten Christlichkeit als dereinzigen sein Wesen selbst konstituierenden Qualitaumlt durch-brach und so eine neue Zeit eine andere Welt sich schuf in der

noch so unwert der Aufmerks[amkeit] zu einem Objekte seiner Be-schaumlftigung macht

Die die scholastische Philosophie so erzeugte auch die Kunstobwohl sie im [Im Ms folgt gestr ihrem] Dienste der Kirche standund wie ihr nur als ein Erbauungs- und Verherrlichungsmittel derKirche [Im Ms folgt gestr []] angesehen wurde das dem Geiste[Geiste negativ Korr im Ms] und als das [Im Ms folgt gestr nega-tive Geist] [] entgegengesetzte Prinzip Nur in ihrer Unvollkom-menheit konnte die Kunst eine Dienerin der Kirche [sein] [Im Msfolgt aber] aber nicht mehr auf der Stufe ihrer Ausbildung undVollendung Denn hatte sie gleich auch [] da noch [einen] kirch-lich-religioumlsen Gegenstand zu ihrem Objekt so wurde doch auf demGipfel ihrer Ausbildung zugleich damit das Schoumlne als solches jetztGegenstand des Menschen es trat das kuumlnstlerische Interesse alsSelbstzweck hervor es erwachte das unabhaumlngige das lauteredurch keine fremden Influenzen und Beziehungen 18 getruumlbte Ge-fuumlhl der reinen Schoumlnheit und Menschlichkeit es bekam jetzt wie-der der Mensch in der Anschauung der herrlichen Schoumlpfungen sei-nes Geistes ein freies Selbstgefuumlhl das [Im Ms folgt gestr im-man[ente]] Bewuszligtsein seiner Selbstaumlndigkeit seines geistigenAdels das Gefuumlhl der immanenten s[einer] Natur eingeborenenGottaumlhnlichkeit

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er zum Bewuszligtsein seiner selbst seiner Freiheit und Selbstaumln-digkeit gelangt unbeschraumlnkt und universell in allen sein We-sen begruumlndenden und entfaltenden Lebenssphaumlre oder Mo-mente sich verwirklichte und entwickelte1

sect12Das erste Moment das2 in Betracht kommt ist der Staat und

zwar in Ruumlcksicht der Unabhaumlngigkeit seines Oberhauptes unddes freien Buumlrgerstandes Mit der unbedingten Unabhaumlngigkeitdes Staates von der Kirche 17 der unumschraumlnkten Selbstaumln-digkeit desselben bekam jetzt wieder notwendig das von derKirche unterdruumlckte Weltliche und vom abstrakt-religioumlsenGeist als eitel bestimmte Gegenwaumlrtige an und fuumlr sich Wertund Selbstaumlndigkeit und befestigte sich im Bewuszligtsein und inder Anschauung des menschlichen Geistes als ein Absolutesund erhob sich der Geist indem er uumlber die Kirche sich empor-schwang zugleich uumlber jene abstrakte und negative borniertenur in ihrer engen Besonderheit als Religion sich wissende undbehauptende Christlichkeit als die einzig absolute Wesenheitwofuumlr sie fruumlher galt Es entstand der Begriff des Staates alssolches und dieser Begriff wurde jetzt unabhaumlngig von reli-gioumlsen Unterschieden das leitende Prinzip der Staatshandlun-gen Waumlhrend fruumlher die Kirche die uumlber den Voumllkerunter-schieden und -gegensaumltzen und den flutenden Wogen ihrerstreitigen Elemente schwebende sie verbindende allgemeineEinheit war wurde jetzt vielmehr der Staat das Allgemeineund3 die Kirche trat dagegen in den Rang und die Stellungeines Partikulaumlren ein

Bekanntlich stand das Oberhaupt der Kirche der Papst bisauf Gregor den VII unter dem Kaiser Allein dem religioumlsemGlauben nach stand doch der Repraumlsentant des Geistlichen(freilich nicht in weltlicher Beziehung) uumlber dem Repraumlsen-tanten des Weltlichen daher auch die Kaiser vom Papste sichkroumlnen und salben lieszligen was erst spaumlter nur zu einer her-koumlmmlichen aumluszligerlichen Formalitaumlt wurde Schon bald nachKarl dem Groszligen wurde daher wie bekannt in der pseudoisi-dorischen Decretalensammlung (830ndash857) der Supremat des

1 Am Rande Anm[erkung] Die Maumlngel der neueren Zeit koumlnnen

nicht hier sondern nur in der Geschichte derselben angezeigt wer-den

2 Im Ms folgt gestr hier3 Im Ms folgt gestr trat

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Papstes seine Erhabenheit uumlber alle weltliche Macht und Un-abhaumlngigkeit von ihr ausgesprochen Wenigstens war die Supe-rioritaumlt des Kaisers und seiner Macht noch keine entschiedeneund bestimmte erst durch die Ausbildung ihres Gegensatzesdie Bekaumlmpfung und endlich Uumlberwindung derselben wurdesie als eine errungene und erkaumlmpfte jetzt eine bewaumlhrte undbestimmte eine selbstbewuszligte Superioritaumlt Wie identisch aberdie Bekaumlmpfung und Besiegung des kirchlichen Oberhauptesmit dem Geiste der neueren Zeit ist erhellt von sich selbstSchon der edle Hohenstaufe Friedrich II der heftigste Gegnerdes Papsttums stellte in seinem Wesen Leben und Charakterjenes Prinzip der Freiheit des Geistes des rein menschlichen1

Sinnes des allgemeinen Welt- und Selbstbewuszligtseins dar dassich spaumlter allgemeine und objektive Weltexistenz gab

Das reine Selbstbewuszligtsein des Staates d h seine voumllligeUnabhaumlngigkeit von der Kirche und Abtrennung vom kirchli-chen Interesse erhielten wie bekannt ihre ausgebildete Exi-stenz erst in neurer Zeit Man denke z B an2 Richelieu undLudwig XIV auf deren politische Handlungen3 das kirchliche184 Interesse keinen Einfluszlig aumluszligerte

Wie die Erkaumlmpfung und Behauptung der Vollstaumlndigkeitdes Staates so gab auch die Entstehung des Buumlrgerstandes unddie Entwicklung des Buumlrgertums und Buumlrgerlebens dem weltli-chen Leben und Dasein im Gegensatz gegen die Kirche unddas abstrakte Christentum des Katholizismus wieder absoluteBedeutung und Selbstaumlndigkeit und trug so maumlchtig bei zurEntwicklung der neueren Zeit und dem Untergang des christ-lich-katholischen Weltalters5 Denn es entstand mit ihm prakti-scher Weltsinn wie in der Welt sich findender mit der Ge- 1 rein menschlichen allgemeinen Menschen Korr im Ms2 Man denke z B an unleserl Korr im Ms3 Am Rande Anm[erkung] Vergl z B Heeren Entwicklung des

politischen Einflusses der Reformation auf die einzelnen Staatenvon Europa in Ruumlcksicht ihrer innern Verhaumlltnisse[Vgl A H LHeeren Entwicklung der politischen Folgen der Reformation fuumlrEuropa hellip In Historische Werke Thl 1 Goumlttingen 1821 S 59-7091-99]

4 Am oberen Rande Verweis auf Paginierung S 185 Am Rande Anm[erkung] In Betreff [In Betreff uumlber das Korr im

Ms] des Zusammentreffens des freien politischen oder republikani-schen und des antihierarchischen Geistes vgl z B Arnold von Bre-scia [Im Ms folgt gestr und seine Zeit]

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genwart zufriedener und in ihr sich einheimisch machenderGeist Liebe fuumlr das Zeitliche sinnreich erfinderische dasLeben erleichternde verschoumlnernde veredelnde und erweitern-de das Weltbewuszligtsein des Menschen und den Lebensgenuszligerhoumlhende Regsamkeit und Taumltigkeit Patriotismus Freiheits-sinn unumschraumlnkte Entfaltung der Individualitaumlt

sect13Aus dem freien Buumlrgertum und Buumlrgerleben oder demselben

Geiste der dieses erzeugte ging auch die Kunst hervor1 nichtbloszlig insofern als die Kunst praktische Kenntnisse technischeFertigkeit und Geschicklichkeit voraussetzt die sich nur inner-halb des Buumlrgerlebens2 ergeben sondern auch und hauptsaumlch-lich insofern als in dem Buumlrgerleben sich ein erfinderischerproduktiver Geist entwickelt wenngleich zunaumlchst die Pro-dukte desselben sich nur auf Nutzen und aumluszligere Zwecke nichtauf die Schoumlnheit sich beziehen insofern als in ihr die freiemenschliche Individualitaumlt zur Anschauung zum Selbstbe-wuszligtsein und Existenz kam und das Individuelle das Einzelneund Besondere das Sinnliche Welt und Natur die fuumlr denabstrakt religioumlsen Geist ein vom religioumlsen Leben Abziehen-des und Eitles sind in ihr wieder fuumlr den Menschen Realitaumltbekam und Objekt seines Geistes wurde denn nur wo produk-tiver Geist wo frei[e] menschliche Individualitaumlt wo heitererWelt- und Natursin[n] Interesse fuumlr das vom aumlngstlichen undabstrakt religioumlsen Geiste als eitel bestimmte Vergaumlngliche woErkenntnis oder Gefuumlhl und Anschauung des Unendlichen imEndlichen des Wesenhaften im Zeitlichen nur da gedeiht undentwickelt sich die Kunst Und so erhob sich denn jetzt wiederder menschliche Geist zur Idee und Anschauung der Schoumlnheitund deren Verwirklichung der Kunst die solange der abstraktchristliche Geist herrschender Weltgeist war nur eine ganzkuumlmmerliche der Kirche unterworfene und unterdruumlckte Exi-stenz haben konnte Denn die Kunst3 die Idee der Schoumlnheitwar4 keine dem Christentum immanente Idee sie hatte wenig-

1 Am Rande Anm[erkung] V[ergleiche] z B auch Leben Lorenzo

von Medici aus dem Englischen des William Roscoe von KurtSprengel S 372 [W Roscoe Lorenz von Medici Berlin 1797 S372]

2 Im Ms folgt ent[wickeln]3 Im Ms folgt gestr und4 war ist Korr im Ms

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stens in ihm nicht die Bedeutung eines Goumlttlichen und Wesen-haften eines um seiner selbst willen Seienden eines an und fuumlrsich Selbstaumlndig[en] sondern 19 nur die Bestimmung undBedeutung eines Erhebungs- und Erbauungsmittels im Diensteder Kirche eines Vehikels fuumlr den religioumlsen Inhalt Mit derKunst wurde also wieder Natur und rein Menschliches Gegen-stand dem Menschen und erweiterte sich so seine Seele uumlberdie Schranke der Christlichkeit hinaus in das unbeschraumlnkteGefuumlhl reiner Schoumlnheit und Menschlichkeit und den Glaubenan die Goumlttlichkeit der Kunst

Allerdings waren die Kloumlster ehe die Staumldte und mit ihnenBuumlrgertum und -leben aufbluumlhten die einzigen Sitze der Kuumln-ste aber in ihnen lagen nur die ersten vorbereitenden Anfaumlngederselben ihre Ausbildung ihre klassische Existenz ein ihremWesen der Idee der Schoumlnheit adaumlquates Dasein fand dieKunst erst in und mit der Ausbildung und Entwicklung desBuumlrgerlebens Allein koumlnnte man einwenden wie kann dieKunst als ein Produkt des Geistes der neuern Zeit oder als einerder Entstehungsgruumlnde und -weisen derselben und ein Befrei-ungsmittel vom Katholizismus angesehen werden da doch dieKunst sich in ihm entwickelte und in dem Kultus der katholi-schen Kirche eine so groszlige Rolle spielt Das Freiheitselementdas Element der Humanitaumlt und Subjektivitaumlt der Protestantis-mus im Katholizismus ist und war1 die Kunst denn in ihr fanddie in der Einheit der Kirche und dem abstrakten und negativenWesen des Katholizismus verneinte und unterdruumlckte Subjekti-vitaumlt und Menschheit ihre Selbstbefriedigung und Selbstbeja-hung machte sich gleichsam in dem bangenden Verschlage derKirche der freiheitsdurstige Mensch einen geheimen Ausgangund erbaute er sich auf ihr ein Belvedere wo die gepreszligte undbeengte Brust freien Atem heraufholen und frische Luft schoumlp-fen konnte und die Himmelsduumlfte rein und allgemein menschli-cher Gefuumlhle und Anschauungen einsog Die Kunst war dieMaja die scheinheilige Verfuumlhrerin die auf den Zinnen derKirche scheinbar ihre getreueste Dienerin dem Menschen diereizende Aussicht in die Herrlichkeit der irdischen Welt eroumlff-nete und eine andere Welt die Welt der Schoumlnheit der Frei-heit und Wissenschaft ihm aufschloszlig Die Zeit der houmlchstenBluumlte der Kunst faumlllt daher zusammen mit der Zeit wo die

1 ist und war war und ist Korr im Ms

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katholische Kirche und der religioumlse1 Glaube in den groumlszligtenVerfall geriet die Wissenschaften wieder aufbluumlhten und derProtestantismus entstand Raphael wurde in demselben Jahrgeboren in welchem Luther 1483 Die Kunst hatte wohl zuihrem naumlchsten Zweck die Verherrlichung der Kirche anfaumlng-lich bloszlig und spaumlter noch hauptsaumlchlich religioumlsen Inhalt zuihrem Inhalt zu ihrem Gegenstand die Gegenstaumlnde des Glau-

1 religioumlse katholische Korr im Ms ndash Am Rande Anm[erkung] Bei

Gelegenheit der bekannten Verschwoumlrung gegen das Leben derMedicaer deren Urheber Papst Sixtus IV und andre hohe Geistli-che waren und deren Opfer Julian von Medici war macht Voltairefolgend[e] Reflexion uumlber jenes Zeitalter bdquoQuand on voit un papeun archevecircque un precirctre meacutediter un tel crime et choisir pourlrsquoexeacutecution le moment ougrave leur Dieu se montre dans le temple on nepeut douter de lrsquoatheacuteisme qui reacutegnait alors Certainement srsquoilsavaient cru que leur creacuteateur apparaissait sous le pain sacreacute ilsnrsquoauraient oseacute lui insulter aacute ce point Le peuple [Im Ms folgt gestrador] adorait ce mystegravere les grands et les hommes drsquoEacutetats srsquoen mo-quaient toute lrsquohistoire de ces temps-lagrave la demontre Ils pensaientcomme on pensait agrave Rome du temps de Ceacutesar leurs passions con-cluaient qursquoil nrsquoy a aucune religion Ils fesaient tous ce deacutetestableraisonnement Les hommes mrsquoont enseigneacute des mensonges donc ilnrsquoy a point de Dieu Ainsi la religion naturelle fut eacuteteinte dans pres-que tous ceux qui gouvernaient alors et jamais siegravecle ne fut plusseacutecond en assassinats en empoisonnement en trahisons en deacutebau-ches monstrueusesldquo [Wenn man einen Papst einen Erzbischof ei-nen Priester sieht solch ein Verbrechen ausdenkend und fuumlr dieHinrichtung den Moment aussuchend wo ihr Gott sich im Tempelzeigt kann man den Atheismus nicht mehr anzweifeln der nunherrschte Sicherlich hatten sie geglaubt daszlig ihr Schoumlpfer ihnenunter dem geweihten Brot erschien sie haumltten es nie gewagt ihn andiesem Punkt zu beleidigen Das Volk betete dieses Geheimnis andie Groszligen und die Maumlnner des Staates machten sich daruumlber lu-stig die ganze Geschichte dieser Zeit beweist dies Sie dachten wieman in Rom zur Zeit Caesars dachte ihre Leidenschaften bewiesendaszlig er keine Religion hatte Sie machten alle diese verabscheu-ungswuumlrdige Uumlberlegung Die Menschen haben mir Luumlgen beige-bracht weil es keine Ahnung von Gott gibt So erlosch die natuumlrli-che Religion bei fast all denen die damals herrschten und keinZeitalter folgte hiernach mit mehr Ermordungen Giftmorden Ver-raten und abstoszligenden Ausschweifungen] (Essai sur les moeursTom II Chap CV) [Voltaire Essai sur les moeurs et lrsquoesprit desnations hellip Tom II In Œuvres Complegravetes de Voltaire o O 1784[Ed Kehl] Tom XVII Cap CV S 542]

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bens und der Verehrung aber indem die Gegenstaumlnde desGlaubens Gegenstaumlnde der Kunst wurden vermischte [] oderverband sich mit dem religioumlsen zugleich das kuumlnstlerischeInteresse es wurde in ihnen zugleich die Schoumlnheit das reinmenschliche als solches der Mensch sich selbst GegenstandDer menschliche Geist in der 20 Anschauung und Bewunde-rung seiner Schoumlpfungen sich seiner selbst und seiner Freiheitbewuszligt kurz die Kunst im Katholizismus war und ist die An-naumlherung oder richtiger die Versoumlhnung seines abstrakten undgegen den Menschen negativen Wesens mit dem Selbstgefuumlhlund Selbstbewuszligtsein des Menschen welche das Wesen desProtestantismus ist Leo in seiner Geschichte von Italien (IBand S 37) sagt daher sehr richtig bdquoDie groszligen italienischenKuumlnstler haben ebensoviel getan fuumlr die geistige Befreiung undEntwicklung der Welt als die deutschen Reformatoren dennsolange jene alten duumlsteren strengen Heiligen- und Gottesbil-der noch die Herzen der Glaumlubigen fesseln konnten solange inder Kunst die aumluszligere Ungeschicktlichkeit noch nicht uumlberwun-den war war darin ein Zeichen gegeben daszlig der Geist selbstnoch in einer engen Beschraumlnkung in druumlckender Gebundenheitbeharrte Die Freiheit in der Kunst entwickelte sich mit derFreiheit des Gedankens in gleichem Maszlige und beider Ent-wicklung war gegenseitig bedingt Erst als man in der Kunstwieder ein freies Wohlgefallen fand war man auch wiederfaumlhig die Klassiker der alten Welt aufzunehmen sich an ihnenzu erfreuen und in ihrem Sinne weiter zu arbeiten und ohne dieAufnahme der alten klassischen Literatur waumlre die Reformationnie etwas anderes als ein kirchliches Schisma geworden wiedas der Hussiten warldquo1

sect 14Aus demselben Freiheitssinn demselben rein menschlichen

Geiste derselben sich ihnen als selbstaumlndig bewuszligten Indivi-dualitaumlt welche sich im freien Buumlrgersinn und in der Kunstentwickelte oder mit welchen sich diese entwickelten ent-sprang auch die Reformation der katholischen Kirche die pro-testantische Religion Denn in ihr erfaszligte sich der Christ alskonkreten lebendigen Menschen und versoumlhnte sich die Reli-gion mit der Humanitaumlt das Christentum das im Katholizis-mus die Verneinung aller Freiheit des Geistes und aller Indivi- 1 H Leo Geschichte der italienischen Staaten Erster Theil Ham-

burg 1829 S 37

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dualitaumlt und damit im Gegensatze und Widerspruch gegen denMenschen und seine heiligsten Triebe und Interessen war mitdem Menschen Waumlhrend daher im Katholizismus die geistloseEinheit der Kirche und deren Behauptung als das Wesenhafteoder Substantielle zugrunde lag und dem Individuum daherinsofern nichts uumlbrig blieb als das selbstlose aumluszligerliche Beob-achten kirchlicher Vorschriften und Gebraumluche als die Ver-richtung aumluszligerlicher Handlungen und Werke so wurde dage-gen jetzt im Protestantismus der Glauben das Innre die Gesin-nung die Uumlberzeugung1 die Hauptsache das Wesenhafte DerIdealismus des Christentums trat daher erst im Protestantismusin vollendet ausgebildete Existenz Denn der Glaube der inihm nicht die Kirche die Quelle der Seligkeit ist ist ein reinidealistisches Prinzip 21 das mit dem Cartesianischen Cogitoergo sum2 und uumlberhaupt mit dem Idealismus in der neuerenPhilosophie in der innigsten Verwandtschaft steht indem wiein diesem3 das Denken in jenem das Glauben4 mit dem Seinidentisch ist

In dem Protestantismus wurde daher der λόγος [Wort] desChristentums erst σάρξ [Fleisch] Denn sein Mittelpunkt war5

daszlig der Mensch in Christus mit Gott versoumlhnt ist (d i identischist) daszlig die Versoumlhnung oder Identitaumlt mit ihm eine Tatsacheist die das Individuum nur sich anzueignen zu glauben hatum selig zu sein daszlig folglich nur Glaube nicht Buszlige FastenKasteiungen Werke und Werkheiligkeit etc noumltig und wesent-lich sind Durch die Reduktion der Religion auf dieses Bewuszligt-sein diesen Glauben des Versoumlhntseins wurde nicht nur aumlu-szligerlich durch die Vereinfachung und Beschraumlnkung des Got-tesdienstes dem Menschen der Raum und die Freiheit gegeben

1 Im Ms folgt gestr und nachher die Subjektivitaumlt2 R Descartes Principia philosophiae Pars Prima In Opera philo-

sophica Amstelodami 1656 S 2-33 diesem jenem Korr im Ms4 Am Rande So du glaubst sagt Luther irgendwo daszlig Christus deine

Zuflucht ist so ist er es so du es nicht glaubst ist er es nicht [VglM Luther Evangelium am vierdten Sonntag nach Epiphania hellip InD M Luthers Kirchen Postill di Auslegung der Epistel und Evan-gelien hellip I Theil In Des theuren Mannes Gottes D Martin Lu-thers saumlmtliche hellipSchrifften und Wercke Bd 13 Leipzig 1732 S371-373]

5 war ist Korr im Ms

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oder [hellip] zu menschlicher1 Taumltigkeit und Wirksamkeit undkonnte jetzt der Mensch der er nicht mehr in der Religion zutun hatte d h er unmittelbar durch den bloszligen Glauben imBesitz des Heils und der [] sich wuszligte so nicht nur zu erwer-ben und zu [] hatte [] freier weltlicher und geistiger Be-schaumlftigung sich widmen2 sondern es wurde auch die Befriedi-gung aller wesentlicher Beduumlrfnisse Triebe und Interessen desMenschen in der Religion und durch sie begruumlndet geheiligtund gerechtfertigt die Negativitaumlt mit der das Christentumanhub und die das Wesen des Katholizismus blieb gemildertund nur auf die Verneinung der schlechten unheiligen Interes-sen beschraumlnkt denn der ganze der lebendige Mensch im Um-fang aller seiner wesentlichen Interessen und Bestimmungenerfaszligte sich jetzt und wuszligte sich versoumlhnt mit Gott Wie derProtestantismus die Scheidung in Priester und Laienstand aumlu-szligerlich aufhob so uumlberwand er auch innerlich die Trennunguumlberhaupt in Weltliches und Geistliches den Zwiespalt inKirche und Staat wie Sokrates die Philosophie so fuumlhrte Lu-ther die Religion vom Himmel auf [die] Erde erst im Prote-stantismus buumlrgerte sich daher das Christentum wahrhaft in derWelt ein innerhalb des Staates nicht ihm entgegengesetztUnd eben deswegen wurde in ihm der λόγος des Christentumsσάρξ Fleisch und Blut eins mit dem eignen Geiste und Wollendes Menschen Um sich hiervon zu uumlberzeugen vergleicheman nur die geistige und religioumlse Persoumlnlichkeit Luthers wiesie sich in seinen Schriften und Leben aussprach mit einemThomas a Kempis oder dem Geiste der deutschen Theologiedie bekanntlich auch Luther sehr hoch schaumltzte In der letzterennamentlich spricht sich ein ganz in die Religion verstorbenesIndividuum aus das mit unendlicher Selbstverleugnung undVerneinungskraft sich aufgegeben 22 hat er [hat] sie als seineeinzige Substanz alle individuelle Faumlrbung ist in diesem einfa-chen Werke erloschen Es ist als spraumlche ein Verstorbener einGeist ohne Fleisch und Blut aus ihm Der Christus dagegen[an] den Luther glaubt der ist er selbst dieser Mensch ist einsmit seinem Joch seinem Wollen seiner Leidenschaft DasChristentum ist auch seine Substanz aber so daszlig sie seine VisVitalis das Prinzip seines Lebens der Puls seines Herzens istEben deswegen weil der Geist des Protestantismus darin be- 1 Im Ms folgt und menschlicher2 oder widmen verderbte Stellen im Ms unsichere Transkription

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steht daszlig das Christentum in ihm als Humanitaumlt in der Einheitmit dem Menschen in seiner ganzen Lebendigkeit erfaszligt wardist in dem Christentum wie es als Protestantismus sich entwik-kelte wenngleich der Protestantismus wie er sich als Kircheverwirklichte oder verendlichte und die protestantischenTheologen im Widerspruch gegen den Geist des Christentumsbillionenmal uns vorschreien und weismachen wollen daszlig diechristliche Religion etwas Apartes Separates und Unbegreifli-ches d i dem allgemeinen menschlichen Geiste etwas Frem-des nicht aus ihm Entsprungenes und mit ihm Identisches ausder Vernunft Hervorgegangenes sondern gleich einer Arzneioder richtigen Klistier ihm1 Eingegebenes sei dennoch dasPrinzip der freien Entwicklung des freien Denkens und derWissenschaft enthalten Der Protestantismus wurde daher dasAsyl wo die verscheuchten Musen vor dem Altar des christli-chen Gottes Schutz fanden und hauptsaumlchlich nur in den prote-stantischen Laumlndern2 gab sich der Geist der neueren Zeit welt-historisch Existenz konnten die Wissenschaften aufbluumlhen undgedeihen Selbst was in den katholischen Laumlndern fuumlr Kunstund Wissenschaft geschah selbst durch Katholiken das kommtnur auf Rechnung des protestantischen Geistes der uumlberhauptder Geist der neuern Zeit war und von dem die protestantischeKirche selbst nur eine besondere Erscheinung war wenn ersich selbst auch der Katholiken bewaumlltigte und innerhalb desKatholizismus sich Luft und Platz machte Denn der Katholi-zismus3 enthaumllt nicht nur nicht in seinem reinen Wesen so wieer sich in denen aussprach die selbst fuumlr Muster des katholischreligioumlsen Geistes bei den Katholiken galten4 das Prinzip derKunst und Wissenschaft sondern gerade zu der Verneinungderselben Daher auch der Katholizismus wegen dieser seinerGeist- und Gemuumltlosigkeit seiner Leerheit seiner Abstraktionund Negativitaumlt im Kultus notwendig und aus sehr begreifli- 1 ihm Im Ms gestr2 Im Ms folgt gestr gab haup[tsaumlchlich]3 Am Rande Anm[erkung] Mit Recht bemerkt daher Voltaire in

seinen Essai sur les moeurs et lrsquoesprit des Nations Tom III capCXXVII von Papst Leo X On peut dire que le pape Leacuteon X en en-courageant les eacutetudes donna des armes contre lui mecircme [Man kannsagen daszlig Papst Leo X indem er die Wissenschaft foumlrderte auchWaffen gegen sich selbst schuf] [Voltaire Essais sur les MœurshellipT III In Œuvreshellip Tom XVIII a a O Cap CXXVII S 155]

4 Im Ms folgt gestr enthalten []

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chen Gruumlnden geradezu in das Extrem in den eitelsten Pompund Schwall der Sinnlichkeit und Imagination verfaumlllt Organi-sche Produkte des Katholizismus d i aus seinem Prinzipehervorgehende1 und sein echtes Wesen unverfaumllscht darstellen-de Produkte sind z B ein Franziskus von Assisi ein Hierony-mus wie er befiehlt alle Bande der Liebe zu zerreiszligen mitVerschmaumlhung aller Gefuumlhle der Pietaumlt ans Kreuz hinzufliegenein Pascal in der Periode seines Lebens wo er nachdem erseine Wissenschaft seinen Geist und seine 23 Vernunft auf-gegeben ein sich selbst zerquaumllendes Leben fuumlhrte ist dasLeben der Anachoreten der Kartaumluser und sonstigen Moumlnchein dem gewiszlig kein Funke von Wissenschaft und Kunst undAumlsthetik zu finden ist2 sind noch jetzt die Fregraveres Ignorants undFlagellanten Aber ein katholischer Kuumlnstler oder ein katholi-scher Gelehrter oder gelehrter Katholik ist eine Contradictio inadjecto denn Katholik ist er nur als betender fastender beich-tender in die Kirche gehender etc aber soviel und soweit erGelehrter ist soviel und soweit ist er nicht Katholik und umge-kehrt Katholizismus und Wissenschaft sind zwei sich kontra-diktorisch entgegengesetzte Begriffe die nicht ohne Wider-spruch von einem3 und demselben Subjekte praumldiziert werdenund in einem und demselben Subjekte sich vereinen4 koumlnnenDie Wissenschaftlichkeit bei Katholiken war daher auch nurjene todhistorische aumluszligerliche trockne Gelehrsamkeit dienicht den Geist bildet und erleuchtet die Seele nicht erhebtden Menschen in seinem Wesen ganz unberuumlhrt laumlszligt ihn nichtin die Freiheit von der Abhaumlngigkeit von Autoritaumlten und zumSelbstbewuszligtsein erhebt Und wenn Katholiken wirklich wis-senschaftliche und philosophischen Geist hatten so war dieserGeist in ihnen eben der Geist des Protestantismus und dann ihrKatholizismus wenn er wirklich kein bloszlig aumluszligerliches5 durchbesondere Ruumlcksichten veranlaszligtes Bekennen war6 in Wider-spruch7 mit dem was ihr Geist ihre wahre Substanz war oder8

1 Im Ms folgt gestr Produkte2 Im Ms folgt gestr sind die Kartaumluser3 Im Ms folgt gestr Subj[ekte]4 sich vereinen vorfinden Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Bekennen war6 Im Ms folgt gestr stand7 Im Ms folgt gestr entweder8 Im Ms folgt gestr er

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war er nur noch ein historisches Anhaumlngsel von der Geburtd[er] Zeit her klebte er ihnen nur noch hinten an dem Ruumlckenan wie die Eierschale einem jungen Huhn wenn1 es gleichschon aus dem Ei herausgeschluumlpft und zu selbstaumlndigem Le-ben gediehen ist was z B2 bei Cartesius der Fall war obwohlsein besserer sein wahrer und wesenhafter Geist radicitus demWesen des Katholizismus entgegengesetzt war daher er auchvon den katholischen Theologen und Jesuiten so heftig ange-fochten und ihm Widerstand geleistet wurde doch so noch demGlauben seiner Vaumlter anhing daszlig er selbst der heiligen Marianach einer Wallfahrt gelobte und das Geluumlbde auch3 erfuumlllte

Der Geist des Protestantismus wie er sich als protestantischeKirche und Religion Dasein gab muszligte sich zunaumlchst selbstwieder auf eine aumluszligere Autoritaumlt stuumltzen was teils in einergeschichtlichen Notwendigkeit die aber hier nicht zu eroumlrternist teils in einer allgemeinen Notwendigkeit daszlig jede Volks-religion sich auf eine aumluszligere Autoritaumlt berufen und stuumltzenmuszlig seinen Grund hatte Die protestantische Kirche setzteaber4 an die Stelle der Autoritaumlt der Kirche die Autoritaumlt derBibel eines Buches das in ihr als die Quelle und Norm derWahrheit galt Die protestantische Kirche und Religion ver-setzte daher ebenso wie der Katholizismus 24 mit sich selbstund dem Geiste des Protestantismus der auf dem freien Selbst-bewuszligtsein des Menschen dem freien dem ewigen und allge-meinen Menschengeiste beruht im Widerspruch den menschli-chen Geist in eine druumlckend knechtische unvernuumlnftige empi-rische oder aumluszligerliche Abhaumlngigkeit von einer Autoritaumlt ineine ebenso geist- als gemuumltlose Abhaumlngigkeit die deswegenfuumlr den menschlichen Geist ein ebenso5 Empoumlrendes ihnAufwiegelndes zu Kampf und Bewegung Aufreizendes warwie fruumlher die katholische Kirche es war und den Stoff zu derFeuersbrunst hergab die endlich das ganze Gemuumlt ergriff undverzehrte das hohe wie gleich nur negative Verdienst inner-halb der protestantischen Kirche und Theologie den menschli-chen Geist von der empoumlrenden Knechtschaft der Abhaumlngigkeitvon der Bibel als der Norm und Quelle der Wahrheit erloumlst zu

1 wenn das Korr im Ms2 was z B wie es Korr im Ms3 auch selbst Korr im Ms4 aber daher Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr so wie fruumlher die katholische Kirche etwas

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haben gebuumlhrt dem1 Rationalismus die neuen Versuche undBestrebungen aus den laumlngst zu Asche verbrannten Kohlenwieder Feuer sammeln noch einmal den Stoff zur Erneuerungder alten schon durchgemachten Kaumlmpfe geben zu wollennoch einmal die alte Borniertheit den alten Widerspruch unddie alte Knechtschaft und Leibeigenschaft zu erneuern muumlszligtenals Erscheinungen die die Geschichte und Notwendigkeit []und gegen sie sich straumluben wollen und [] als wesenlose undvergaumlngliche Erscheinungen angesehen und ihr Grund teils inder allgemeinen [] Stagnation Desperation und [] Gewitter[]2 teils in ihr den besonderen Zustaumlnden der Individuen inihrer Furcht vor schweren [] Gewittern in ihrem Unvermouml-gen aus der Feuersbrunst und dem Wirrwarr der Gegenwarteinen Ausweg zu finden in ihrer Wahrheit- Wesen- Geist-und Charakterlosigkeit etc und noch in anderen teils psycho-logischen teils medizinischen teils historischen Erscheinun-gen die eine spezielle Krankengeschichte der Gegenwart auf-zuzeigen hat teils in houmlchst materiellen und politischen Gruumln-den und Ruumlcksichten3 gesucht werden

sect15Das4 seinem Wesen entsprechende die Befreiung des

menschlichen Geistes wahrhaft begruumlndende und vollendendeund unuumlberwindlich gesicherte Dasein fand oder gab sich derGeist der neuern Zeit erst in der Wissenschaft Denn wenn-gleich der Protestantismus als protestantische Religion diegeistlose Einheit der katholischen Kirche zersprengte und siesomit aus einer allgemeinen zu einer besonderen herabsetzteso war er gegen sie doch selbst wieder eine besondere Einheit25 eine besondere Kirche im Gegensatz nur gegen sie dem-gegenuumlber sich jene als Gegensatz mit gleichem Rechte undAnspruch auf Guumlltigkeit behauptete Erst die Wissenschaft abernahm der Kirche ihre historische Bedeutung die sie urspruumlng-lich allein darin hatte das sie als die die Voumllker verbindendeuumlber ihre Naturdifferenzen und ihre sich ausschlieszligende undgegenseitig bekaumlmpfende nicht auf das Allgemeine nur auf ihrpartikulaumlres Wohl sehender Besonderheiten erhabene Einheitdas allgemeine Bildungsmittel die Geiszligel Gottes die Zuch- 1 dem den Ms2 Im Ms folgt gestr erkannt werde3 Im Ms folgt gestr []4 Der Ein Korr im Ms

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trute der Voumllker und als die allgemeine Einheit insofern dieRepraumlsentantin der Vernunft und Humanitaumlt oder des Christusin den fruumlhern Zeiten war1 Denn die Wissenschaft die erhabenist uumlber alle nationalen und religioumlsen Zwiste und Differenzenweil sie den Geist selbst nicht den Menschen in seiner beson-deren Individualitaumlt mit seinen trostbeduumlrftigen Gemuumltsangele-genheiten zu ihrem Gegenstande und Prinzip hat trat jetzt andie Rolle der katholischen Kirche und der Kirche uumlberhauptsie wurde jetzt das allgemeine Bildungs- und Verbindungsmit-tel der Voumllker Die Wissenschaft ob sie gleich keine Kirche zuihrem Ausdruck keinen Koumlnig oder Papst zu ihrem Repraumlsen-tanten keine stehenden Heere keine Gendarmen und Polizei-diener uumlberhaupt keine Aumluszligerungsmittel sinnlicher Macht undkeine aumluszligerlichen Verbindungsmittel kennt und hat muszlig dochin der Totalitaumlt ihrer verschiedenen Zweige und in der Totalitaumltder Literatur aller Zeiten und Voumllker als die allgemeine Einheitder Menschheit als der wahre Geisterstaat und Geisterbund alseine gemeinsame Welt2 und zwar als die Welt des freien Gei-stes angesehen werden Nicht die protestantische Religionsondern der Geist der Wissenschaft oder die Wissenschaft als 1 Am Rande Anm[erkung] Z B der Geschichtsschreiber Froissart

aus dem 14 Jahrhundert bemerkt von dem Adel seiner Zeit daszlig erohne die Geistlichkeit wie das Vieh sein wuumlrd[e] les Seigneurs sontgouverneacutes par le clergeacute nrsquoils sauroient vivre et seroient comme be-stes si le clergeacute nrsquoestoit S Mainers histor[ische]Vergleichung derSitten und Verfassungen etc des Mittelalters usw II Band [CMeiners Historische Vergleichung der Sitten und Verfassungen hellipII Band Hannover 1793 S 564]

2 Am Rande Anm[erkung] Apud studiorum cultores minimum ha-bere momenti par est regionum discrimina quisquis communibusmusarum sacris initiatus est hunc ego [im Ms folgt gestr hὁμοπάτριδα duco Erasmus Epist [Erasmus von Rotterdam DEpistolae In Desiderii Erasmi Roterodami Opera OmniaEmendatiora et Auctiora Tomus Tertius Pars Prior Lugduni1703 Epistola CCCXCIII Sp 421] bdquoEs gibt keine patriotischeKunst und keine patriotische Wissenschaft Beide gehoumlren wie alleshohe Gute der ganzen Welt an und koumlnnen nur durch allgemeinefreie Wechselwirkung aller zugleich Lebenden in steter Ruumlcksichtauf das was uns vom Vergangenen uumlbrig und bekannt ist gefoumlrdertwerdenldquo Goethe Aus Makariens Archiv [J W v Goethe WilhelmMeisters Wanderjahre oder die Entsagenden Aus Makariens Ar-chiv Buch III In Goethersquos Werke Bd 23 Stuttgart ndash Tuumlbingen1829 S 259]

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das uumlber die Partikularitaumlten und Differenzen der bestehendenReligionsarten1 und Nationen erhabene Geisterreich muszlig da-her nicht nur als die wahre Gruumlnderin der neuern Zeit sondernals die neure Zeit als die wahre neure Welt selbst angesehenwerden

Es kann freilich wohl ein Schriftsteller aus Vorliebe fuumlr dieReligionssekte zu der er gehoumlrt bei der Behandlung gewisserPartien der Wissenschaft diese mit seiner religioumlsen Parteilich-keit infizieren allein dies ist wie sich von selbst versteht ganzzufaumlllig hat gar nichts gemein mit dem Wesen der Wissen-schaft die absolute Indifferenz ist hat seinen Grund nur in demunwissenschaftlichen Charakter 26 eines der Wissenschaftganz fremden und gleichguumlltigen Subjekts und solche vonreligioumlser Parteilichkeit und Partikularitaumlt infizierten Schriftenkoumlnnen daher nie auf den Rang wissenschaftlicher Werke An-spruch machen Ebenso stellen sich wohl auch in der Behand-lung der Wissenschaft die Nationalbesonderheiten dar alleinder Charakter die Besonderheit einer Nation wie sie sich inder Wissenschaft ausdruumlckt ist selbst schon eine allgemeineBesonderheit d i eine Besonderheit geistiger Natur denn nurein solches Volk arbeitet sich zur Wissenschaft empor dasseine Besonderheit zur Allgemeinheit zu allgemeiner Mensch-lichkeit und Geistigkeit ausbildet und ein klassisches Werk dh ein Werk das der Idee der Wissenschaft entspricht ist im-mer obwohl ein echtes Nationalprodukt zugleich ein allge-meines Werk

sect16 Das Erwachen des freien Geistes des Geistes der Wissen-

schaft und Humanitaumlt aumluszligerte sich daher sogleich darin daszlig erdie alten Heiden wieder aus dem Grabe auferweckte und sieaus der Houmllle der Verdammung und Vergessenheit in die sieder abstrakte und beschraumlnkt christliche Geist verstoszligen hattebefreite und an das offene Tageslicht des Bewuszligtseins wiederhervorzog Der Trieb zu dem Studium der klassischen Literaturund die groszlige Begeisterung fuumlr es ging aus einem Mangel desabstrakten Christentums hervor das sich nur als Besonderheitin der aumlngstlichen und bornierten Abscheidung von dem Wesendes Heidentums erfaszligt und als Christentum behauptet auseinem innern Beduumlrfnisse und dem Freiheitsgefuumlhle dem dieSchranke der Christlichkeit zu enge und zu beschraumlnkend war 1 Religionsarten Religionen Korr im Ms

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und welche daher der menschliche Geist zu durchbrechen undso sein besonderes1 christlich beschraumlnktes Bewuszligtsein zumallgemeinen Welt- und Menschenbewuszligtsein zu erweiterngetrieben war Der Zweck um deswillen das Studium der klas-sischen Literatur wieder erweckt wurde war daher auch keinanderer als das christliche Altertum in Form und Inhalt leben-dig sich anzueignen wieder zu produzieren und darzustellenkein anderer als den wahren Geist des Heidentums mit demdes Christentums zu vereinen und seine weltgeschichtlicheBestimmung deswegen allgemeines Bildungsmittel der neuernMenschheit zu sein

Der Zweck um2 dessen[t]willen man3 wieder das Studiumder klassischen Literatur der Griechen und Roumlmer erneuertewar kein so niedriger und beschraumlnkter wie spaumlter oder garjetzt wo 27 das Studium derselben groszligenteils nicht mehrSache des Geistes und der Menschheit sondern nur noch eineSchulsache wo es ohne Andacht und Resignation als eineaumluszligerliche den Geist die Gesinnung das Herz die innerstenAngelegenheiten des Menschen gleichguumlltig lassende Beschaumlf-tigung nicht mit ganzer Seele mit ganzem Geiste sondern mitunentschiedenem zerbrochnen in die [] Innerlichkeit einerbornierten aumlngstlichen beschraumlnkten Christlichkeit und dieinhaltslose Aumluszligerlichkeit eines nur formalen Sprachstudiumszerfallenen Geist betrieben wird der Zweck zu dem [man]besonders zur Zeit der wiedererwachenden Wissenschaften diealten Heiden studierte die uumlbrigens im Vorbeigehen gesagt obsie gleich nichts von der Person Christi wuszligten doch4 unend-lich mehr vom Geiste Christi bessere Christen waren als diebornierten Christen der modernen Welt d i von goumlttlichemGehalt und Wesen durchdrungenen und erfuumlllten Geister derZweck war um wie Heerens Worte zu gebrauchen zur groszligenEhre des Zeitalters zunaumlchst derjenige der er eigentlich seinsollte Bildung des Geistes bdquoMan erlernte kein Latein um diePandekten kein Griechisch um das neue Testament zu verste-hen die klassische Literatur war damals viel weniger Hilfsstu-dium als sie es nachmals ward man studierte sie zunaumlchst um

1 Im Ms folgt gestr be[schraumlnktes]2 um zu Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr fruumlher4 Im Ms folgt gestr mehr

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ihrer selbst willensldquo1 bdquoEs ward lebendigldquo sagt Creuzer vor-trefflich (in jener ersten Periode die er als die der Nachah-mung bezeichnet) bdquodie Idee von der Wuumlrde des Lebens unterden gebildeten Heiden man ward beruumlhrt von der Groumlszlige ihresDenkens und Redens Jene Vollendung des Lebens der Gedan-ken der Dichtung der Rede sollte zuruumlckgefuumlhrt werdenldquo2

Das Zeitalter des Wiederauflebens der Wissenschaften3 dasZeitalter Lorenzos von Medici [war] unstreitig bis jetzt dasschoumlnste und herrlichste im ganzen Verlauf des christlichenWeltalters von daher auch wirklich nichts andres als das glaumln-zende Auferstehungsfest die feierliche Wiederkehr und Wie-dergeburt der schoumlnen heidnischen Welt in Wort und Tat inEmpfindung und Anschauung im Denken wie im Leben Flo-renz selbst4 nichts andres als das wiedergekehrte Athen5

Da es sich bei dem Wiedererwachen des Studiums der altenklassischen Literatur um eine feierliche Assimilation der heid-nischen Welt und des heidnischen Geistes handelte so war esetwas ganz Natuumlrliches wenn der menschliche Geist entzuumlcktvon den Herrlichkeiten und Schoumlnheiten der heidnischen Weltmit ganzer Seele ihr hingegeben in6 jugendliche Gefuumlhle derFreiheit im einzelnen mit der innerlichen Verneinung des Ka-tholizismus7 zu einer Indifferenz oder Abneigung gegen dasChristentum oder selbst die Religion uumlberging So warf man z 1 Am Rande Anm[erkung] Heeren Geschichte des Studiums der

classischen Literatur II B[and] S 278 [A H L Heeren Ge-schichte der classischen Litteratur im fuumlnfzehnten Jahrhundert InGeschichte des Studiums der classischen Literatur seit dem Wieder-aufleben der Wissenschaften Bd II Buch 1 Goumlttingen 1801 S279]

2 Am Rande Anm[erkung] Vergl[eiche] Studien von Daub undCreuzer I L S 8 und des letzteren akademisches Studium des Al-tertums S 80 und 81 [F Creuzer Das Studium des Altertums alsVorbereitung zur Philosophie In Studien Hrsg K Daub F Creu-zer Bd I Frankfurt ndash Heidelberg 1805 S 8 ndash Vgl F CreuzerDas akademische Studium des Altertums Heidelberg 1807 S 80-81]

3 Im Ms folgt gestr namentlich4 Im Ms folgt gestr war5 Am Rande Anm[erkung] V[ergleiche] z B das Leben von Loren-

zo von Medici n[ach] Roscoe und die Vorrede dazu von Sprengel[W Roscoe Lorenz von Medici a a O]

6 Im Ms folgt gestr erste7 Katholizismus alten beschraumlnkten Glaubens Korr im Ms

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B dem enthusiastischen Platoniker Pletho der auch eine Hym-ne an die Sonne verfertigte 1 vor 28 daszlig er vom Christentumzum Heidentum abgefallen sei und behauptet habe unam can-demque religionem universum orbem esse suscepturumnon agentilitato differentem2 Erasmus war in negatio religionisneutral3 Scaliger sagt von Muretus si tam bene crederet inDeum quam optime persuaderet esse credendum bonus essetChristianus4 Laurentius Valla soll gesagt haben Se haberequoque spicula in Christum5 Justus Lipsius obwohl er die divaVirgo Hellensis als seine gnaumldige Beschuumltzerin verehrte und ihrfuumlr ihre groszligen Wohltaten in seinem Testamente seinen schouml-nen Doktorrock und einen calamum argentum aus Dankbarkeitvermachte changierte dreimal seine Religion6 Der SimiaCiceronis Petrus Bembus geheimer Sekretaumlr Leo des X be-hauptete wer die Eloquenz und elegantiam scribendi liebesolle ja nicht die Episteln seruti lesen7 Bekannt ist die Sinnes-und Denkart des Medicaer Leo X und andrer HumanistenCharakteristisch ist die Sage oder Anekdote die von Hermo-laus Barbarus erzaumlhlt wird naumlmlich daszlig er als er an die Uumlber- 1 Vgl J A Fabricius Bibliotheca Graeca Bd XII Hamburgi 1809

Lib V 23 S 982 Am Rande Anm[erkung] Fabricius Bibl Graec (Vol X Tom X l

V) und Boivin Streit zwischen den Philosophen im 15 saec in ActPhilos X S 541 [Vgl J A Fabricius Bibliotheca Graeca Bd XIHamburgi 1808 Lib V c XXXIX S 390 ndash Vgl J Boivin de Ville-neuve Nachricht uumlber dem Streite der Philosophorum hellip In ActaPhilosophorum hellip X Stuumlck Halle 1719 S 541 ndash Vgl G PlethonTraiteacute des Lois Ou recueil des fragments en parte ineacutedits de cetouvrage Paris 1858 S XVI ]

3 Im Ms folgt gestr die Katholiken [] nannten ihn daher [] Athei-sten [] [Vgl A Clarmundo Desiderius Erasmus In Vitae claris-simorum hellip di Lebensbeschreibungen etlicher HauptgelehrtenMaumlnner Bd I Wittenberg 1704 S 30]

4 A Clarmundo Marcus Antonius Muretus In Vitae clarissimorumhellip a a O S 91

5 Vgl A Clarmundo Laurentius Valla In Vitae clarissimorum hellipBd IV Wittenberg 1711 S 18

6 Vgl A Clarmundo Justus Lipsius In Vitae clarissimorum hellip BdI a a O S 119

7 Vgl A Clarmundo Petrus Bembus In Vitae clarissimorum hellip BdII Wittenberg 1705 S 42 ndash Am Rande Anm[erkung] S[iehe][Adolphus] Clarmundi Vitae clarissimorum in re lit[erari] virorumTom I Tom II T[om] IV

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setzung des Wortes Ẻντελέχεια[Entelechie] kam und nachvergeblichen Bemuumlhungen nicht gewuszligt habe wie er es uumlber-setzen solle in dieser seiner Desperation und Verlegenheit sichendlich entschloszlig den Teufel um Rat zu fragen der ihm dannauch den Rat erteilte wie er es uumlbersetzen solle1 Wenn for-schende Vernunft wenn selbstaumlndiger freier denkender Geisteins ist mit dem Prinzip des Boumlsen dem Teufel so muszlig manbehaupten daszlig nicht nur Hermolaus Barbarus sondern allegroszligen Humanisten Philosophen und Naturforscher der neuernZeit den Teufel um Rat gefragt2 und bei ihm Collegia gehoumlrthaben und daszlig uumlberhaupt nur der Teufel den Menschen zumMagister oder Doctor Philosophiae promoviert

Da die Transsubstantiation der klassischen Welt die Er-kenntnis und das Studium derselben bedingt und vermittelt wardurch Sprach- und sonstige Gelehrsamkeit so war es eine na-tuumlrliche Folge daszlig in neurer Zeit das Mittel fuumlr den Zweckgenommen und der Zweck zum Mittel erniedrigt wurde daszligdas Wissen bis zur voumllligen Indifferenz gegen allen Inhalt fort-ging daszlig jetzt nicht mehr auf das Gewuszligte auf den Inhaltnoch auf den Geist des Wissens sondern auf das bloszlige Wissenals solches ohne Ansehung seiner Qualitaumlt auf die bloszlige Ge-lehrsamkeit als solche unendlicher Wert gelegt wurde und derSinn fuumlr das Wahre und Schoumlne und Vollendete der klassischenWelt sich in bloszlige Eitelkeit in den Wohlgeschmack an derbloszligen Form verlor das houmlchste Ziel der Eleganz und Korrekt-heit in Reden und Schreiben und die unbedingte Hingebung inden Inhalt und das Wesen 3

31 Anschauung seiner als eines Objektes d i durch dieAssimilation der geistigen Werke des Altertums zum Selbst-bewuszligtsein und zur Produktivitaumlt Ehe er produktiv wurdemuszligte er reproduzieren in sich eine geistige Welt die seinesGeistes seines Wesens und Ursprungs war Plato Aristotelesdie uumlbrigen Philosophien und Produkte der klassischen Weltwurden nur deswegen mit solchem Enthusiasmus aufgenom-men studiert und assimiliert weil die welche dieser Enthusi-

1 Am Rande S Clarmundus l c Tom IV [Vgl A Clarmundo

Hermolaus Barbarus In Vitae clarissimorumhellip Bd IV a a O S27]

2 gefragt fragten Korr im Ms3 Text bricht ab Ms S 29 und 30 fehlen

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asmus ergriff die Befriedigung ihres eignen innersten Geistes-beduumlrfnisses in ihnen fanden weil der freie der universelle derdenkende Geist der in ihnen zum Dasein und zur Taumltigkeiterwachte in jenen Werken die Produkte seiner selbst seinWesen in ihnen und sie in seinem Wesen erkannte Zugleichwar aber auf dieser Stufe der Reproduktion der Geist gleichsambei sich und zugleich auszliger sich d h die Einheit seinesSelbstbewuszligtseins noch getrennt und auseinander gehalten inden Unterschied1 seiner selbst als des denkenden bewuszligtseien-den und seiner als des Bewuszligten des Objektes das [] seineseignen Wesens im Innersten ihm verwandt und gleich dochals ein Gegebenes und Empfangenes kurz als ein Objektivessich zu ihm als ein Andres verhielt Allein eben durch dieseAnschauung seiner als eines Objektes durch dieses Bewuszligt-sein und diese Erkenntnis seiner in einem Objekte oder objek-tiven Welt in der er sein eigenstes Wesen erkannte die Befrie-digung seiner eignen Beduumlrfnisse fand und die Assimilationund Aneignung dieser Welt wodurch sie eben aufhoumlrte eineandre eine fremde und gegebene zu sein gelangte dermenschliche Geist zur freien Einheit mit sich selbst und so erstwurde er produktiv-wissenschaftlicher oder denkender GeistDenn ein produzierender Geist ist eben nur der welcher nichtbei Anderen und der Aneignung eines Gegebenen2 und in derAbhaumlngigkeit davon3 im Unterschied und in der Trennung vonsich stehenbleibt sondern an die innerste Einheit mit sichselbst und damit zum freien Selbstbewuszligtsein und unabhaumlngi-ger Selbstaumlndigkeit gedrungen ist Ein nicht produktiver Geistist dagegen eben ein solcher der nicht mit sich selbst Einsgeworden ist denn nur [] diese Einheit ist4 die Quelle eignenfreien Lebens kraft der Produktivitaumlt denn diese Einheit mitsich [ist] wesentlich Spontaneitaumlt Selbsttaumltigkeit und damitProduktivitaumlt

sect 1932 Von dem Geiste des Mittelalters und seiner Philosophie

unterscheidet sich daher im Allgemeinen der Geist der Philo-sophie der neuern Zeit hauptsaumlchlich dadurch daszlig sie aus demjenseitigen Schattenreich der Logik und Metaphysik an den 1 Im Ms folgt gestr des denk[enden]2 anderen hellip Gegebenen und in Anderen und Anderen Korr im Ms3 davon von ihnen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr ist

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lichten Tag der Wirklichkeit wie sie Geist und Natur ist her-vortretend die selbsttaumltige Einheit des Geistes mit sich denselbstbewuszligten lebendigen wirklichen Geist selbst zu ihremPrinzipe hat daszlig sie indem sie nicht wie die Philosophie desMittelalters das nur abstrahierende Denken sondern denselbstbewuszligten lebendigen Geist selbst zu ihrem Prinzipe hatnicht abstrakte Dinge abgezogene Wesenheiten nicht Ab-straktionen der Metaphysik keine sogenannten Universaliadenen zwar abstrakte Wahrheit aber nicht Wirklichkeit zu-kommt sondern Gegenstaumlnde zu ihrem Objekt und Inhalt hatderen Wirklichkeit unmittelbar mit dem Denken derselbengesetzt ist die sind indem sie gar nicht werden und gar nichtanders1 als seiend gedacht werden koumlnnen in denen also Seinund Denken identisch sind Gegenstaumlnde die gedacht in derForm des Gedankens zugleich in die Form und Gestalt objek-tiver gegenstaumlndlicher Wirklichkeit traten und so im Denkenzugleich in die Anschauung fallen wie z B die Substanz desSpinoza oder unmittelbar eins sind mit dem gegenwaumlrtigenselbstbewuszligten Geiste wie es im Cartesianischen cogito ergosum der Fall ist daszlig sie also2 nicht den nur distinguierendenfolgenden und schlieszligenden abstrahierenden und durch Ab-straktion zu abstrakten Universalia und in ihnen endendenlogisch-metaphysischen Verstand sondern den an der substan- 1 Am Rande Anm[erkung] Z B Si quis ergo diceret se claram et

distinctam h e veram ideam substantiae habere et nihilominus du-bitare num talis substantia existat idem hercle esset ac si diceretse veram ideam habere et nihilominus dubitare num falsa sitSpinoza Eth P I Prob VIII [] II [B Spinoza Ethica pars primaIn Opera quae supersunt omnia Vol II Jena 1803 Propos VIIISch II S 40] ndash Im Ms folgt gestrichen Lrsquoon ne peut donc voirDieu qursquoil nrsquoexiste on ne peut voir lrsquoessence drsquoun ecirctre infinimentparfait sans en lrsquoexistencehellip si donc on y pense il faut qursquoil soitMalebranche De la recherche de la veacuteriteacute Lib IV Chap XI [NMalebranche De la Recherche de la Veacuteriteacute hellip T I Paris 1721Lib IV Chap XI S 474] Dieser Gedanke kommt als sogenannterontologischer Beweis auch allerdings auch schon im Mittelalter vorder daher unstreitig auch sein geist[vollster] und lebendigster philo-sophischer Gedanke ist aber viel abstrakter und formeller Ein Bei-spiel ferner ist das cogito ergo sum des Cartesius kurz die ganzeGeschichte der neuern Philosophie Die Maumlngel der neuern Philo-sophie [] Geist und Inhalt koumlnnen nur innerhalb ihrer Geschichteselbst gezeigt werden

2 Im Ms folgt gestr der

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tiellen unendlichen Einheit des Denkens und Seins anhaben-den und nur innerhalb dieser substantiellen Einheit denkendenGeist zu ihrem Prinzip hat

sect 20Mit dem Selbstbewuszligtsein des denkenden Geistes als dem

Prinzipe der neuern Philosophie und Wissenschaft war zu-gleich auch das Bewuszligtsein der Natur wieder gesetzt Denn einBewuszligtsein ist das Selbstbewuszligtsein des Geistes und das Be-wuszligtsein der Natur Die Natur die im Mittelalter in die Nachtder Ignoranz versenkt und vergraben war wurde jetzt wiederaus dem1 Dunkel ans Licht hervorgezogen und zu einem we-senhaften Objekte des Geistes Die Natur erhob sich aber damitjetzt auch wieder aus der Stufe eines Endlichen einer bloszligenNatur in den Rang eines an und fuumlr sich Wesenhaften undUnendlichen eines absoluten Wesens2

1 Im Ms folgt gestr Licht2 Text bricht ab

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8 Zur Hegelschen Geschichte der Philosophie1

Hegel stellt alles so auch in der bdquoGeschichte der Philoso-phieldquo2 nur in einer sukzessiven Entwicklungsreihe dar dahersubordiniert er Systeme die doch nicht nur gleichzeitige son-dern auch gleichberechtigte sind So setzt er z B den Heraklituumlber Parmenides aber jener steht nicht houmlher als dieser beidestehen auf demselben Boden beide sehen denselben Gegen-stand aber nur unter verschiedenen Formen oder vielmehr mitverschiedenen Augen Halten wir uns nur an den bekanntenbdquoFluszligldquo des Heraklit Parmenides sieht so gut wie Heraklit denFluszlig des Lebens und der Dinge aber er sagt bdquoEs folgt immernur dasselbe auf dasselbe Welle auf Welle aber immer diesel-be Leier kein wesentlicher Unterschied ein Unterschied nurfuumlr das Auge aber nicht fuumlr meinen Verstand mein Verstandsteht stille bei dieser Bewegung sie bewegt sie affiziert ihnnicht unterschiedentlich er langweilt sich es ist also nur eineBewegung dem Scheine aber nicht dem Inhalt der Sache derWahrheit nach Wenn ich dieses Wasser das hier nacheinanderverlaumluft auf eine Flaumlche braumlchte so waumlre der Eindruck einabsolut einfoumlrmiger identischer Was mir jetzt als ein AnderesVerschiedenes erscheint weil ich es nacheinander wahrnehmewuumlrde mir auch als Eines und Dasselbe erscheinen wenn ichauf einmal es uumlberschauen koumlnnteldquo Heraklit dagegen abstra-hiert von der Identitaumlt des Inhaltes und haumllt sich bloszlig an dieForm des Kommens und Vergehens an die sinnliche Bewe-gung die immerwaumlhrend ist waumlhrend das Subjekt der Bewe-gung die Welle vergeht und entsteht Dem Heraklit ist dasFlieszligen das Fortwaumlhrende Bestehende dem Parmenides dasFlieszligende Aber beide Anschauungen sind gleichberechtigtbeide liegen ebenso in der Natur der Sache als in der Natur desMenschen beide repetieren sich in tausenderlei Weisen imLeben und Denken des Menschen Dem Einen genuumlgt z Bsein Weib um das Weib kennen zu lernen der Andere glaubtdas Weib nur zu kennen wenn er es im Plural kennen gelernthat Die eine Anschauung ist die des ruhigen besonnenen Ver- 1 Text uumlbernommen aus BwN I S 393-3972 G W F Hegel Vorlesungen uumlber die Geschichte der Philosophie

1-3 Bd hrsg von K L Michelet In Werke Vollstaumlndige Ausgabedurch einen Verein von Freunden des Verewigten XIII-XV BdBerlin 1833ndash1836

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standesmenschen die andere die des sinnlichen feurigen Men-schen

Hegel opfert die inneren immer vorhandenen ewigen Gruumln-de den zeitlichen historischen Gruumlnden auf So begruumlndet er zB den Skeptizismus lediglich als Gegensatz gegen die epiku-reische und stoische Philosophie als dogmatische Systeme1

Aber dadurch wird nur der aumluszligere historische nicht der innerepsychologische Grund erkannt und angegeben Und gleichwohlhat der Skeptizismus einen solchen und es ist gerade die Auf-gabe des Philosophen zu fragen worin hat er seinen Grund Zujeder Zeit gibt es Skeptiker wenngleich der Skeptizismus nichtzu jeder Zeit gleiche Bedeutung hat dort ein organisches hierein Produkt einer generatio aequivoca ist Gibt man daher demSkeptizismus nur einen speziell-historischen nur durch denStandpunkt einer bestimmten zeitlichen Philosophie bedingtenUrsprung so ist es unmoumlglich ohne Willkuumlr mit der Empiriefertig zu werden So hat ein Schuumller Hegels den Skeptizismuseines Huet und Bayle lediglich auf Rechnung der CartesischenPhilosophie gesetzt als welche den Gegensatz zwischen Aus-dehnung und Denken Ding und Gedanke aufs aumluszligerste getrie-ben habe ein Gegensatz dessen notwendige Folge eben derSkeptizismus sei Und doch treffen wir schon vor Cartesius undgleichzeitig mit ihm aber unabhaumlngig von seiner Philosophieden Skeptizismus wie z B im Gassendi Aber wie mit demneueren ist es mit dem aumllteren Skeptizismus Pyrrho ist gleich-zeitig mit Aristoteles Notwendig wird daher der Skeptizismushoumlchst einseitig erfaszligt wie es von Hegel und seiner Schulegeschieht wenn nicht sein psychologischer Grund beruumlcksich-tigt wird Ich sage keck weg der psychologische ob ich wohlweiszlig daszlig die psychologischen Erklaumlrungen in Verruf sindaber ich sehe nicht ein warum man mit einer seichten psycho-logischen Erklaumlrung auch die psychologische Erklaumlrung uumlber-haupt verwerfen soll Die Hegelsche Methode hat uumlberhauptden Mangel daszlig sie die Geschichte nur als einen Fluszlig ansiehtohne den Boden zu betrachten uumlber den der Fluszlig hinstroumlmt Siemacht die Geschichte zu einem ununterbrochenen intelligentenAkt was sie doch nicht ist Die Geschichte der Philosophiewird unterbrochen durch antiphilosophische rein praktischeInteressen und Tendenzen durch rein empirische Beduumlrfnisse 1 G W F Hegel Vorlesungen uumlber die Geschichte der Philosophie

1 Bd In Werke XIII Bd Berlin 1833 S 187

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der Menschheit In solchen Zeiten wird die Philosophie aller-dings auch erhalten aber geschwaumlngert mit den Bestandteilendes Bodens woruumlber sie flieszligt Wird diese Beschaffenheit desBodens nicht beruumlcksichtigt sondern nur der Fluszlig so wird alseine houmlhere Stufe gefaszligt was in ein ganz anderes Gebiet ge-houmlrt daher mit dem fruumlheren gar nicht verglichen werden kannund es ist dann unvermeidlich daszlig nicht das Wesentliche zumUnwesentlichen und umgekehrt das Unwesentliche zum We-sentlichen gemacht wird So ist es mit der Bedeutung die He-gel der neuplatonischen Philosophie im Gegensatze gegen diealtgriechische gibt Hier ist heiszligt es die absolute Idee erschie-nen aber in der Form der Gaumlrung der Ektase der Schwaumlrme-rei Die Ektase wird also zum Unwesentlichen zur bloszligenForm gemacht Allein wo die Form Schwaumlrmerei ist da istauch der Inhalt das Objekt ein schwaumlrmerisches phantasti-sches Objekt So wenn Plotin die bdquounmittelbare Annaumlherungldquound Vereinigung mit der Gottheit als das Ziel der Philosophiebestimmt ndash so kann man nicht sagen nur die Form der Un-mittelbarkeit der Vereinigung ist hier das Phantastische son-dern dieser Inhalt ist gar nichts auszliger dieser Form Ist dennnicht notwendig das Objekt selbst ein Unmittelbares Sinnli-ches oder wenigstens phantastisch Sinnliches wo eine unmit-telbare Annaumlherung stattfindet So wenn bei Plotin das Eineals das Vollkommene uumlberflieszligt und dieses Uumlberflieszligende seinProdukt ist1 so ist dieses Phantasiebild die Sache selbst eslaumlszligt sich nicht mehr der Gedanke vom Bilde absondern Daspositive Philosophische in den Neuplatonikern ist nur der In-halt aus der alten Philosophie aber jetzt versetzt aus dem Ele-mente des Denkens in das Zauberland der Phantasie wo erobgleich derselbe anders und schoumlner als in seinem fruumlherenElemente erscheint gleichwie uns im Traume dieselbe Sacheanders und unendlich schoumlner erscheint als im Wachen DieZeit der Neuplatoniker war eine Zeit des Ungluumlcks der Unzu-friedenheit mit der Welt der Krankheit Die Philosophie hat insolcher Zeit die Bedeutung der Medizin Sie wird nicht getrie-ben aus freiem Interesse mit dem Sinne mit welchem sie derGesunde der Gluumlckliche treibt nicht um ihrer selbst willen Siesoll die Beduumlrfnisse des kranken Herzens befriedigen Wundenheilen den Verlust der Welt der Realitaumlt ersetzen Dies ver- 1 G W F Hegel Vorlesungen uumlber die Geschichte der Philosophie

2 Bd In Werke XV Bd Berlin 1836 S 51-52

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mag sie aber nur durch das Gemuumlt bezaubernde Vorstellungennur durch die Phantasie nicht durch die Vernunft Der Stand-punkt der Neuplatoniker ist also kein houmlherer sondern ein ganzanderer als der der alten Philosophen - kein theoretischersondern praktischer Aber ebenso waren schon der Stoizismusder Epikurismus und Skeptizismus Erscheinungen von demVerschwinden des philosophischen Geistes Erscheinungendavon daszlig das theoretische Interesse durch praktische Interes-sen verdraumlngt war Der Skeptizismus verdankt seine Entste-hung nicht einer einseitigen dogmatischen Philosophie son-dern der Richtung und Zeit wo der Mensch seinen naumlchstenInteressen das houmlchste Interesse zuwendet und daher gegendas Wissen gleichgiltig wird Was kuumlmmertrsquos mich ob dieSonne so groszlig oder groumlszliger ist als sie erscheint ob die Erde umdie Sonne oder die Sonne um die Erde laumluft Sie mag stehenoder laufen - deswegen geht mein Puls nicht langsamer ver-daut mein Magen nicht besser wird mein Herzeleid nicht ver-mindert Hieraus allein erklaumlrt es sich auch wie der Skeptizis-mus mit dem Pietismus und Mystizismus in Verbindung ge-bracht werden kann wie es von der neueren Zeit geschah

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9 Neue Philos[ophie] Frankr[eichs] und Engl[ands]1

2 Locke Leibniz Empirism[us] Rationalism[us]Beide bestimmten sie nach ihnen bearbeitet d[ie] Philos[ophie]England[s] Frankr[eichs] Niederl[ande] Deutschl[ands]Schauplatz Aus Engl[and] und Frankr[eich] gingen d[ie] bei-den Hauptrichtungen Empir[ismus] und Rat[ionalismus] her-vor Deutschl[and] spielte anfangs untergeordnete Stellungdurch die Aneignung fremden Ertrags Allmaumlhlich erhob sichDeutschl[and] zum Mittelpunkt alles widersch [] StrebensDieser Geist der Rationalitaumlt sowie d[ie] Beschaffenheit d[es]Deutschen Reichs die Vielheit mehrerer unabhaumlngiger aberverbundener Staaten und d[er] Mangel einer Hauptstadt d[ie]den Ton angibt hat Einfluszlig auf d[en] Gehalt und d[ie] Formder Erschei[nun]gen gehabt so daszlig keine einseitige Richtungfestwurzeln konnte daszlig nicht3 eine Seite des menschl[ichen]Geistes mit Ausschlieszligung der andern fesselte daszlig k[eine]Wiss[en]schaft d[ie] andre daszlig d[as] Wissen nicht den Glau-ben verdraumlngte und dieser nicht jenes ausschloszlig daszlig d[ie]Philos[ophie] ein Bunde mit Mor[al] und Rel[igion] nicht denM[enschen] scheinbar erhob um ihn auf der anderen Seitedesto tiefer zu stuumlrzen

Frank[reich] National eher Hauptstadt die den Ton angibtnur die phys[isch]e Natur als Realit[aumlt] festgehalten Meta-phys[ik] verlacht endlich ganz aus d[em] Gebiete d[er] Phi-los[ophie] verstoszligen

In England haben4 Baco und5 Locke d[ie] Hauptrichtungbestimmt Psychologie mit Lust getrieben Materialis[mus]konnte nicht herrschende Denkart hier w[erden]

In Italien konnte Philos[ophie] nicht aufkommen In Nieder-landen w[urde] Philos[ophie] als Hilfswissensch[aft] getriebenD[ie] nordische[n] Reiche erhielten fast immer d[ie] wissen-schaft[liche] Aufklaumlrung aus d[en] suumldlichen Laumlndern beson-ders aus Deutschl[and]

Frankr[eich]1

1 Uumlberschrift im Ms am Rande r o2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S I3 nicht o Ms4 haben hat Ms5 Im Ms folgt gestr Verul[am]

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Eacutetienne Bonnot de Condillac Lehrer d[es] Erbprinzen vonParma geb 1715 dagger 1780 einer der ersten d[er] Lockes Lehreeigentuumlml[ich] auffaszligt und in Frankr[eich] Epoche machtFruumlher w[ar] schon durch Gassendi und d[ie] Schulphi-los[ophie] d[ie] Ansicht vom empir[ischen] Ursprung der Er-kenntnis hervorherrschend Cartes[ius] unterbrach sie Con-dill[ac] stellte sie wieder [her] er wollte auch Lockes Lehred[er] Metaphys[ik] begruumlnden vereinfachte sie

Essai sur lrsquoorigine des connaissances humaines Am-sterd[am] 1746 2 Tom 12deg Deutsche Uumlbers[etzung] vonMich[ael] Hiszligmann Leipz[ig] 1780 8deg2

Die Sensation ist das Prinzip aller Erkenntnis Locke be-trachtet d[ie] menschlichen Wahrnehmungen d[er] Seele alsangeborne Qualitaumlten derselben Cond[illac] als erworbeneFertigkeiten Empfind[ung] w[ird] Aufmerks[am]keit Ge-daumlchtnis ist eine umgewandelte Empfindung Durch transfor-mation des sensations entsteht alle Taumltigkeit d[er] Seele 3

Traiteacute des sensat[ions]4 Encyclop[eacutedie] meacutethod[ique] Philo-sophie anc[ienne] et mod[erne] T II P I5

Charles Bonnet geb 1720 zu Genf (abstammend ausfranz[oumlsischem] Geschl[echt]) dagger 1793 Aumluszligerte fruumlhzeitigbesond[eren] Beobachtungsgeist macht Entdeckungen vonInsekt[en] und Pflanzen

S[ein] erstes ersch[ienenes] Werk Essai de psychologie ouconsideacuterations sur les opeacuterations de lrsquoacircme sur lrsquohabitude et surlrsquoeacuteducation Londres 1755 Deutsche Uumlbers[etzung] v[on]Dohm Lemgo 17756 ndash Essai analyt[ique] sur les faculteacutes delrsquoacircme Copenhague 1760 D[eutsch] v[on] Schuumltz Bremen

1 Vgl W G Tennemann Geschichte der Philosophie 11 Band

Leipzig 1819 [Bis Ende des Kapitels]2 Eacute B d Condillac Versuch uumlber den Ursprung der menschlichen

Erkenntnis Leipzig 17803 Am Rande r o II neue Philos[ophie] Frankr[eichs] und Engl[ands]4 Eacute B d Condillac Traiteacute des sensations Londres 17545 J A Naigeon Encyclopeacutedie meacutethodique ou par ordre de matiegraveres

par une Socieacuteteacute de Gens de Lettres de Savans et dArtistes hellip Phi-losophie ancienne et moderne T II Paris 1792 P I

6 C Bonnet Des Hrn Karl Bonnet psychologischer Versuch als eineEinleitung zu seinen philosophischen Schriften Aus dem Franzoumlsuumlbers und mit einigen Anm begleitet von C W Dohm Lemgo1773

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17701 La palingeacuteneacutesie philos[ophique] ou ideacutees [sur lrsquoeacutetatpasseacute et] sur lrsquoeacutetat futur des ecirctres vivants Genev 1769Deutsch v[on] Lavater2 Sammlung saumlmtl[icher] Werke Œu-vres drsquohistoire natur[elle] et de philos[ophie] Neufchacirctel 17832 Bd 8 Voll

Richtete Taumltigkeit d[es] Geistes hauptsaumlchlich auf d[ie] Psy-chologie des Geistig[en] d[en] Mechanism[us] der Nervenndashund Gehirnbeweg[un]g[en] erklaumlrt d[ie] sinnliche Vorstel-lungstaumltigkeit durch d[ie] Bewegung d[er] Gehirnfibern D[ie]houmlchste Idee s[einer] nur sinnlich abgeleite[ten] Seele ist je-doch immateriell

Anders erscheint der Geist d[es] Empirism[us] bei den mei-sten andren Gelehrten der Zeit der Encyclopaumldisten Schilde-rung d[er] Zeit und d[er] franz[oumlsischen] Nation in dieserZus[ammenfassung] in Barante3 und Jayrsquos Abhand[lungen]uumlber d[ie] Litter[atur] Frank[reichs] im 18 Jahrh[undert]uumlbers[etzt] v[on] Ukert Jena 18104 S[iehe] auch ArtikelMeslier in d[er] Encyclop[eacutedie] meacutethod[ique] Philos[ophie]anc[ienne] et mod[erne] T III P I S 2185

Diderot und drsquoAlembert w[aren] Urheber der franzoumls[ischen]Encyclopeacutedie und d[ie] Tonangeber d[er] neuern Philos[ophie]

Denis Diderot 1713 geb[oren] zu Langres6 Er beganns[eine] liter[arische] Laufbahn mit d[em] Versuch uumlber d[as]

1 C Bonnet Herrn Karl Bonnets Analytischer Versuch uumlber die

Seelenkraumlfte Aus dem Franzoumlsischen uumlbersetzt und mit einigen Zu-saumltzen vermehrt von M Christian Gottfried Schuumltz Bremen 1770ndash1771

2 C Bonnet Herrn C Bonnets verschiedener Akademien MitgliedsPhilosophische Palingenesie Oder Gedanken uumlber den vergange-nen und kuumlnftigen Zustand lebender Wesen aus dem Franzuumlbers und mit Anm hrsg von Johann Caspar Lavater Theil 1 Zuuml-rich 1770

3 Barante Barente Korr im Ms4 A-G-P Brugiegravere de Barante M Jay Ueber die Litteratur Frank-

reichs im achtzehnten Jahrhundert Zwei Abhandlungen von Ba-rente und Jay Aus dem Franz uumlbers und mit Anm hrsg von F AUkert Jena 1810

5 J A Naigeon Encyclopeacutedie meacutethodique ou par ordre de matiegraverespar une Socieacuteteacute de Gens de Lettres de Savans et dArtistes hellip Phi-losophie ancienne et moderne T III Paris [ca 1803] P I ArticleMeslier S 218-239

6 Langres Langers Korr im Ms

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Verdienst und d[ie] Tugend Uumlbersetzung d[er] Abhandlungdes ShaftesburyDarauf Penseacutee philosophiques Piscis hic non est omnium[La] Haye 1746 8degMehreres gedruckt von ihm im recueil philos[ophique] Hol-land 1770 erschienen1

Jean le Rond drsquoAlembert ein Findelkind geb[oren] 1717 zuParis beruumlhmter Mathem[atiker] von Friedr[ich] d[em] Gro-szligen Praumlsid[ent] d[er] Akad[emie] zu Berlin2 Beide w[aren]Deisten oder gar Atheisten hielten aber den Atheismus zuruumlckhielten d[ie] Relig[ion] fuumlr eine Kapricerie d[es] Volks siew[aren] wie die meisten Gelehrten Frank[reichs] d[er] Mei-nung Voltaires zugetan es sei nuumltzlich einen Gott zu glaubenund wenn keiner existiert muumlsse man einen erf[inden] D[ie]Encyclop[eacutedie] fand allgem[einen] Beifall ob sie wohl vomHof unterdruumlckt w[urde]

Systegraveme de la nature ou des loix du monde physique et dumond[e] morale Mirabaud Lond[on] 1770 8deg3 4 Mirabaudoder v[on] Holbach oder La Grange der Verfasser D[as] Buchw[urde] durch einen Parlamentsakt verboten und verbrannthalf nichts Helveacutetius verbreitete durch einen Auszug Le vraisens etc5 d[ie] atheist[ische] Denkart

de la MettrieVon der naturalist[ischen] Denkart d[ie] alles Uumlbersinnliche

leugnete s[o] nur ausgenommen Montesquieu und Maupertuissie lieszligen wenigstens Achtung fuumlr d[ie] Sinne und Vernunftblicken Zu diesen kann man auch6 drsquoArgens und Voltaire (mitBedenkl[ichkeit] zaumlhlen)

1 Recueil philosophique ou Meacutelange de pieces sur la religion amp la

morale Par diffeacuterents auteurs hrsg von J A Naigeon Londres1770 [Erschienen in Amsterdam]

2 DrsquoAlembert war Mitglied der Preuszligischen Akademie der Wissen-schaften

3 P H T dHolbach Systecircme de la nature Ou des loix du mondephysique et du monde morale London 1770 [Erschienen in Am-sterdam]

4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S III5 C A Helveacutetius Le vrai sens du Systecircme de la nature ouvrage

posthume de M Helveacutetius Londres 17746 Im Ms folgt gestr D

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Newtons und Lockes Philos[ophie] w[urde] in England nichtohne Freiheit betrieben

Aber [das] Verhaumlltnis d[er] Sinnlichk[eit] und Verstand be-treffend [vgl die] Bemerkungen in Two Dissertations concer-ning Sense and Imagination with an Essay on ConsciousnessLondres 1728 8deg1

Einigen Behauptungen v[on] Locke widersprach BischofPeter Brown

Kritische Streitigkeit[en] vorzuumlg[lich] seit Lockes Zeit ArztWilhelm Coward behauptete daszlig d[ie] Immaterialitaumlt d[er]Seele unbegreiflich sei Der beruumlhmte Dodwell behaupteteauch die Sterblichkeit der Seele jedoch aus theolog[ischen]Gruumlnden a[uch] die Unsterblichkeit als eine Folge d[es] vonGott eingehauchten Geistes

Samuel Clarke dagegen bewies d[ie] Unsterblichkeit derSeele aus dem Begriff eines einfachen Wesens Cl[arke] ver-steht [] wenn [ein] einfaches Vermoumlgen wie d[as] Denkeneine Eigenschaft [ist] d[anach] nur ein einfach[es] Wesenexistieren [] kann Dagegen schrieb Anton Collins (dagger 1729)Freiheit [ist] Gegenstand d[es] []

Samuel Clarke 1675 geb bewies d[as] Dasein Gottes Wennheute Etwas existiert so muszlig das immer existiert haben Als[]Ewiger Gott ist d[as] Substrat d[es] unendl[ichen] Raums undd[er] unendl[ichen] Zeit

Theodicee des King2 um diese Zeit [] d[ie] Physikotheolo-gen Derham und RayIdealismus des Collier (Collier allgem[einer] Schluumlssel inEschenbachs Sammlung3) und des Georg4 Berkeley geb 1684Theory of vision by G Berkeley Lond[on] 1709 8deg5 [A]Treatise [concerning] the principles of human KnowledgeLond[on] 1710

1 Die anonym erschienene Abhandlung stammt von Zachary Mayne2 W King De origine mali Authore Guilielmo King S T D

Episcopo Derensi London 1702 [Diese Schrift beruumlcksichtigteLeibniz in seiner Theacuteodiceacutee vgl G W Leibniz Remarques sur lalivre du LrsquoOrigine Du Mal In Essais de Theacuteodiceacutee sur la bonteacute deDieu hellip P II Amsterdam 1710 S 24-99]

3 Im Ms folgt gestr 3474 Im Ms folgt gestr Berkely5 G Berkeley An Essay towards a New Theory of Visions Dublin

1709 2 Edition London 1732

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Three Dialogues between Hylas and Philonous [London 1713]ndash Aleiphron or the minute philosopher Von d[en] Gespraumlchen2 deutsche Uumlbersetz[ungen] D[ie] erste ist in d[er] Sammlungd[er] vornehmsten Schriftsteller d[ie] d[ie] Wirklichkeit ihreseigenen Koumlrpers und der ganzen Koumlrperwelt leugnen enthal-tend Berkeleys Gespr[aumlche] zwischen Hylas und Philonous undd[es] Colliers 1 allgem[einen] Schluumlssel uumlbersetzt und mitwiderlegend[en] Anmerk[ungen] versehen etc v[on] JohChrist2 Eschenbach Rostock 1756 D[ie] zweite in Berkeleyrsquosphilos[ophische] Werke I B[d] Leipzig 1781 8deg davon nichtsmehr erschienenSkeptizismus David Hume in Grafschaft [Berwickshire]schottischer Graf geb 1711 dagger 17763

A treatise of human nature being an attempt to introduce theexperimental method of reasoning into moral subject by DavidHume Lond[on] 17404 David Humes Abhandl[ung] uumlb[er]d[ie] menschl[iche] Nat[ur] nebst krit[ischen] Versuchen uumlberdieses Werk v[on] L H Jacob Halle 1790 91 3 B[de] Humeuumlberarbeitete es und gab es dann unter d[em] Titel herausUntersuchung uumlber den menschl[ichen] Verstand5

Gegner Humes Reid Prof d[er] Ethik zu Glasgow (dagger 1796)[Standpunkt des] Gemeinsinn[s] Inquiry into the human mindon the principle of common sense by Th Reid [London 1764ndash1769] Deutsch Leipz[ig] 1782 bdquoD[ie] Philos[ophie] hatk[eine] Wurzeln als d[ie] Prinzipien d[es] gemeinenMenschenverstandesldquo6 D[er] common sense w[ar] ihm unds[einen] Nachfolgern Vermoumlgen Wahres unmittelbar zuempfinden Sinn fuumlr d[ie] Wahrheit D[er] zweite Bestreiter 1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S IV2 Im Ms folgt gestr Eschnbach3 [Am Rande] Er beschrieb selbst s[ein] Leben scherzte [] uumlber

s[einen] Tod mit derselb[en] Heiterkeit starb er The life of DavidHume written by himself Lond[on] 1777 franz[oumlsisch London]1777 latein[isch] das[elbst] 1787 Anekdoten und Charakterzuumlgeaus D Humersquos Leben v[on] C[hr] Fr Staumludlin in d[er] Berlin[er]Monatsschrift Nov[ember] 1791 (S Tenne[mann] S 423 11B[d]) [W G Tennemann Geschichte der Philosophie a a O S423-424]

4 1740 1738 Ms5 D Hume An Enquiry Concerning Human Understanding London

17486 Th Reid Untersuchung uumlber den menschlichen Geist Leipzig 1782

S 17

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d[ie] Wahrheit D[er] zweite Bestreiter Humes James Beattie(Schottlaumlnder) geb[oren] 1735 1803 gest[orben]

Essay on the nature and immutability of truth in opposition toSophistry and Scepticism1 Edinb[urg] 1770 Versuch uumlberd[ie] Natur und Unveraumlnder[lichkeit] d[er] Wahrheit Ko-penh[agen] und Leipz[ig] 1772 8deg Auch in Beatties Werken17792

James3 Oswald ein schottl[aumlndischer] Geistl[icher] tritt ge-gen Hume auf besonders als Verteidiger d[er] Religion

Priestley (besonders in Theol[ogie] Physio[ologie] Phi-los[ophie] beruumlhmt) trat auf erst als Beurteiler der Gegner desSkeptikers dann dieses selbst4 tadelt bes[onders] das Prinzipdes Gemeinsinns ndash d[ie] Widerlegung d[es] Hume5 gelang ihmweniger weil er wie d[ie] schottischen Gelehrten nur d[ie]Folgesaumltze angreift den Grundsatz dagegen stehenlaumlszligt

Priestleys Briefe an einen philosophischen Zweifler in Be-ziehung auf Humersquos Gespraumlche d[as] System d[er] Natur undaumlhnliche Schriften Leipz[ig] 1782 86

1 Scepticism Skepticism Ms2 J Beattie Jakob Beattiersquos Professor der Moral und Logik in Aber-

deen neue philosophische Versuche aus dem Englischen uumlberseztmit einer Vorrede hrsg vom Herrn Professor Meiners 2 Bde Leip-zig 1779ndash1780

3 James Thomas Ms [Fehler bei W G Tennemann]4 Im Ms folgt gestr unleserlWort5 Hume Humes Ms6 J Priestley Briefe an einen philosophischen Zweifler in Beziehung

auf Humersquos Gespraumlche das System der Natur und aumlhnliche Schrif-ten Aus dem Englischen Leipzig 1782

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10 Zu Hegels bdquoPhilosophie des Geistesldquo

(p 328-29) bdquoJe gebildeter ein M[ensch] desto weniger be-darf er d[er] unmittelb[aren]1 Anschauungldquo2 Das gilt aber dochbloszlig3 nur von besondern Anschauungen v[on] Hundskomoumldi-en Spektakelstuumlcken Kunstreitern geistl[ichen] undfuumlrstl[ichen] Festlichkeiten oder auch von besondern Naturer-scheinungen einem Wasserfall ein [hellip]4 einem RhinozerosEinmal ist genug weil nun die Bilder uns eingepraumlgt s[ind]Aber was von diesen optischen Leckerbissen gilt5 gilt das auchvon dem taumlglichen Brot d[er] Naturanschauung Genuumlgt unsdas Bild von Sonne Mond und Sternen Das Bild vom6 Blaudes Himmels und seiner im Gold der Abend- und Morgensonnestrahlenden Wolken Das Bild vom Gruumln der Wiesen undWaumllder vom Bau d[er] Berge und Taumller Ist diese Anschauungnicht eine stets uns neue so oft sie sich auch wiederholt7 nichteine unerschoumlpfliche Frische so lange wir selbst wenigstens8

noch nicht abgestumpft noch frisch und9 gesund sind D[ie]Masse10 wuumlrdigt nur das Auffallende der Anschauung derGebildete aber d[as] Gewoumlhnl[iche] Alltaumlgliche Profane []11Unbedeutende Die Naturwissensch[aft] ist nur dadurch ent-standen daszlig dem M[enschen]12 nicht mehr nur13 die Bilder14[die] er sich von der Natur gemacht genuumlgt[en]15 sondern1 [er]

1 Am Rande bdquoDie unmittelbareldquo ndash gibt es denn eine andere Anschau-

ung als die unmittelbare Auszliger der sinnlichen gibt es nur eine ein-gebildete imaginaumlre

2 Vgl G W F Hegel Encyclopaumldie der philosophischen Wissen-schaften im Grundrisse 2 Ausg Heidelberg 1827 sect 454 S 420

3 bloszlig Fehlt in BwN SW BJ4 ein [] Fehlt in BwN SW BJ5 gilt Fehlt in BwN SW BJ6 Im Ms folgt vom7 In BwN SW BJ folgt gewaumlhrt sie8 selbst wenigstens wenigstens selbst BwN SW BJ9 frisch und Fehlt in BwN SW BJ10 Die Masse Der grosse Haufe BwN SW BJ11 Profane [] Fehlt in BwN SW BJ12 Im Ms folgt sich13 nur Fehlt in BwN SW BJ14 die Bilder das Bild BwN SW BJ ndash In BwN SW BJ folgt welches15 genuumlgten genuumlgte BwN SW BJ

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[er] s[ich] nicht oft genug2 nicht genau genug das Ding anse-hen konnte

Schmerz3

Zur Charakteristik d[er] Hegelschen Phil[osophie] gehoumlrtauch daszlig er4 Schmerz rein aus der Seele abgesehen vom Koumlr-per definiert und daher wieder an die Cartesische5 Vorstellungerinnert welche die Empfindung d[es] Houmlllenfeuers ohne Koumlr-per denkbar fand6 Wenn aber die Seele eine einfache alle ihreunterschiedenen Bestimmungen ideell setzende Identitaumlt mitsich ist so ist der Schmerz unbegreiflich Schon Hippokratessagt bdquoWenn der M[ensch] ein Eins waumlre so waumlre er schmerz-losldquo7 H[egel] setzt allerdings [den]8 Unterschied in die Einheitaber diese ist ja rein ideell den Unterschied die Beding[ung]endes Schmerzes also aufhebende ideelle []9 Ident[itaumlt] [hellip]Allerdings ist d[er] M[ensch] eine Einheit aber diese Einheitist zugleich wesentlich eine organische materielle Und10 nureine solche eben wegen dieses ungluumlcklichen Beisatzes []11

zerstoumlrbare zerreiszligbare verletzbare Einheit ist des Schmerzes12

faumlhig fuumlr eine13 Seele gibt es k[eine] Schmerzen Auch dergeistige Schmerz hat nur darin s[einen] Grund daszlig derMensch eine Einheit ist14 nur ein Resultat ist15 = harmonischzusammenwirkende verschiedene Organe Und Schmerz ent-

1 sondern dass BwN SW BJ ndash Am Rande d[ie] unmittelbare An

schauung sondern [hellip]2 genug Fehlt in BwN SW BJ3 Schmerz Fehlt in BwN SW BJ4 In BwN SW BJ folgtden5 Cartesische Descartische SW BJ6 Vgl R Descartes Meditationes de prima philosophia hellip In Opera

philosophica Amstelodami 1657ndash1658 Responsio ad sextas ob-jectiones S 186

7 Zitat nicht nachgewiesen8 So auch BwN SW BJ9 ideelle Fehlt in BwN SW BJ10 Und Aber BwN SW BJ11 Fehlt in BwN SW BJ12 Im Ms folgt gestr un-13 eine die BwN SW BJ14 Im Ms folgt gestr unleserl Wort15 ist Fehlt in BwN SW BJ

379

steht1 daher wenn ein Organ ein System ein Glied wie z Bdas Zeugungsglied2 der Magen die Gurgel die Oberherrschaftuumlber den Kopf bekommt der M[ensch] sonach uumlber dieseKnechtschaft [uumlber] s[ein] Hingerissenwerden3 SchmerzReue Scham empfindet Es gibt freilich viele Schmerzen zeu-gende Handlungen und Triebe welche nicht wie4 d[er] Ge-schlechtstrieb so bestimmte Organe so augenfaumlllig koumlrperlicheTatsachen zur Voraussetzung haben welche als[o] gleichwohlmittelbar sich auf dieselben bez[iehen] und einen5 materiellenGrund haben ohne daszlig man deswegen6 wie [Franz Joseph]Gall dem Diebstahl dem Mord7 einen besondern Mord- oderDiebssinn vorauszusetzen brauchte8 So kann der Geschlechts-trieb einen M[enschen] zum Dieb9 zum Moumlrder zum [hellip]10zum Verleumder machen wenn die[se] Handlungen die Mittelzur Befriedigung s[einer] Leidenschaft s[ind] []

Auszligereinander11 habe ich aber12 vor mir beim13 Anblickeiner Ebene ein anderes beim Anblick eines Berges und wie-der ein anderes beim Anblick eines Basaltkegels als beimAnblick eines Floumlzgebirges Und gehe ich vom14 geognosti-schen Standpunkt zu dem mineralogischen wie ganz anders istdas Auszligereinandersein des Kalkspats und des Kristalls desKiesels15 Wie kann ich also von der Natur der Materie16 den 1 Schmerz entsteht Schmerzen entstehen BwN SW BJ2 das Zeugungsglied Fehlt in BwN SW BJ3 Im Ms folgt sich4 In BwN SW BJ folgt z B5 und einen [So auch BwN SW BJ] x Ms6 deswegen deshalb BwN SW BJ7 dem Diebstahl dem Mord dem Mord dem Diebstahl BwN SW BJ8 Vgl F J Gall J C Spurzheim Anatomie et physiologie du systegraveme

nerveux en geacuteneacuteral et du cerveau en particulier Vol 2 Paris1812 Section III S 133-209 und F J Gall Anatomie et physiolo-gie du systegraveme nerveux en geacuteneacuteral et du cerveau en particulier Vol 3 Paris 1818 Section III Cap V S 199-249

9 Dieb Diebe BwN SW BJ10 Fehlt in BwN SW BJ11 Auszligereinander bdquoAussereinanderldquo BwN SW BJ12 aber Fehlt in BwN SW BJ13 Im Ms daruumlber unleserl Erg14 Im Ms folgt gestr geol[ogischen]15 Kristalls des Kiesels Kieselkrystalls BwN SW BJ16 der Materie Fehlt in BwN SW BJ

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Begriff eines bloszligen leeren Auszligereinanderseins abstrahierenund diesen ihr als ihre Grundbestimmung aufbuumlrden Werfeich meinen Blick auch nur1 oberflaumlchlich auf die nebenste-hend[en] Pflanze[n] und Tier[e]2 so erblicke ich in diesemAuszlig[er]- und Neb[eneinander] auch ein In- und Beieinander-sein ebenso ein Ober- und Uumlbereinandersein ich sehe denKopf auf den Beinen und dem Rumpfe nicht umgekehrt Waumlreaber d[as] Auszlige[reinander] d[as] Wesen d[er] Materie3 so waumlrees eines4 ob ein Materielles auf der Basis od[er] auf dem Kop-fe der Spitze stuumlnde denn es kaumlme nur darauf an daszlig Kopfund Beine auszliger- und nebeneinander waumlren Die Form desbloszlig[en]5 Auszlig[er-] und Neb[eneinander]6 ist also ein bloszligesGebilde des menschl[ichen] Kopfes ein selbstgemachtes Ab-straktum7 welcher8 nichts Objektives9 nichts Wirklichesnichts auszliger dem Kopfe Seiendes entspricht

Aber umgekehrt werden10 spekul[ative] Philosophen ebenso11

behaupten Nihil est in sensu quod non fuerit in intellectu sect 8Einleit Encyclop12 [Nichts ist in den Sinnen was nicht vorherim Verstand war] also gilt13 allerdings von der Hegel[schen][hellip] spekul[ativen] Philos[ophie] sie sieht nichts in der Naturals was sie schon vorher in der Logik gedacht hat [Wenn]14

uumlbrigens nichts im Sinne ist was15 schon (vorher) od[er]

1 Im Ms daruumlber unleserl Erg2 Pflanzen und Tiere [So auch SW BJ] Pflanze und Tier BwN3 Materie Motive BwN SW BJ4 eines einerlei BwN SW BJ5 Fehlt in BwN SW BJ6 Auszlig[er-] und Neb[eneinander] Neben- und Auszligereinander BwN

SW BJ7 ein selbstgemachtes Abstraktum eine selbstgemachte Abstraktion

BwN SW BJ8 welcher [so auch BwN SW BJ] welches Ms9 nichts Objektives Fehlt in BwN SW BJ10 Aber umgekehrt w[erden] Wenn BwN SW BJ11 ebenso Fehlt in BwN SW BJ12 G W F Hegel Encyclopaumldie der philosophischen Wissenschaften

im Grundrisse a a O sect 8 S 1313 also gilt so gilt dies BwN SW BJ14 So auch BwN SW BJ15 was als was BwN SW BJ

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uumlberh[aupt] im Verstande ist so ist es sehr uumlberfluumlssig vomSinnlichen anzuheben

Die Hegelsche Philosophie ist entsprungen aus der Begattungdes1 Kant-Fichte[schen] Ichs mit der absoluten Identitaumlt desId[ealen] und Real[en] Das Ich welches nicht ein Ding an sichzu s[einem] Gegensatz2 hat sond[ern] dieses Ding als sichselbst oder als ein von sich3 gesetztes weiszlig ist der Begriff derHegelsch[en] Phil[osophie]

Subjekt = Objekt4

So verschieden d[as] Subjekt so verschieden das was dasSubjekt als d[as] Wesentliche von sich bestimmt so verschie-den ist bestimmt5 auch das Objekt Die Wesen s[ind] Zahlenheiszligt die Zahl ist d[as] Wesen unangesehen d[ie] Dinge Nurdas mathemat[ische] Subjekt macht daher die Zahl z[um] We-sen der Dinge weil d[ie] Zahl sein Wesen [ist] Was ist nun dasSubjekt von d[em] Absoluten we[lche]s Hegel als das Wesender Dinge und Philos[ophie] bestimmt6

Abstrakt HegelAbstrakt nennen wir und abstrakt ist alles was von s[einem]Subjekt od[er] Gegenstand abgetrennt ist Nun soll aber derBegriff des Subjektiven abgetrennt vom Subjekt das Subjekti-ve als nicht Subjektives d[er] Begriff als an sich ja als an undfuumlr sich seiendes Wesen gedacht w[erden] Ist das nicht diehoumlchste gewalttaumltigste Abstraktion7

Der Staat ist nach d[em] Prinzip d[er] Hegelschen Phi-lo[sophie] eigentlich ei[ne] Theokratie oder wenn man dieLogik nicht vergessen will ndash8 die Hauptsache Hegels ndash Theolo-gokratie

1 der Begattung des dem BwN SW BJ2 Gegensatz Gegensatze BwN SW BJ3 sich ihm BwN SW BJ4 Fehlt in BwN SW BJ5 ist bestimmt bestimmt ist BwN SW BJ6 Was ist nun das Subjekt von dem Absoluten welches Hegel als das

Wesen der Dinge und Philosophie bestimmt Hegel BwN SW BJ7 AbstraktAbstraktion Bei BwN SW BJ an anderer Stelle8 oder wenn will ndash Fehlt in BwN SW BJ

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11 [Fragment Bretschneider]

Herr Bretschneider Die Theologie und die RevolutionbdquoNach Hegels Philosophie ist aber Gott nichts anderes als dieIdee Gottes im menschlich[en] Bewuszligtsein Die christl[iche]Vorstellung von Gott nach welcher ein Unterschied ist zwi-schen der subjektiven Vorstellung von Gott in dem Menschenund zwischen dem objektiven Wesen und Sein Gottes w[ird]v[on] Hegel verworfen und behauptet das Denken des WesensGottes sei sein Sein Gott existiere als Idee der Vernunft Es istin dieser Philosophie wesentlich daszlig d[er] Mensch sich Gottnicht als ein Jenseits und sich selbst als ein bdquoDiesseitsldquo d hsich in s[einer] Vernunft als von Gott verschieden sonderns[eine] Vernunft s[ein] Bewuszligtsein d[er] Idee Gottes als d[as]Wesen und Sein Gottes selbst vorstelle Dies ist aber geraded[as] Gegenteil von dem Gotte des Christentums der ein Jen-seits ist mit welchem d[er] Mensch im Glauben und in derLiebe aber nicht im Denken der Idee Gottes Eins w[erden]sollldquo P 1691

1 K G Bretschneider Die Theologie und die Revolution Oder die

theologischen Richtungen unserer Zeit in ihrem Einflusse auf denpolitischen und sittlichen Zustand der Voumllker Leipzig 1835 S 169-170

383

I Vorlesungen uumlber die Geschichte der neueren Philoso-phie [Erlangen 183536]

I Vorlesung [Vorbemerkung] 3II Vorles[ung] [Der Geist der neuern Zeit] 15III Vorlesung [Pantheistischer Sinn Geist und Materie]

25IV Vorl[esung] [Boumlhme Der Pantheismus in Italien] 37V [Vorlesung] [Telesius Campanella Bruno] 46VI Vorlesung [Bruno Descartes] 62VII Vorles[ung] [Descartes] 73VIII Vorlesung [Descartes] 84IX Vorles[ung] [Malebranche Geulincx] 93X [Vorlesung] [Descartes Spinoza] 104XI Vorles[ung] [Spinoza Leibniz] 114[XII Vorlesung] [Leibniz] 125XIV Vorlesung [Leibniz Kant] 143XV [Vorlesung] [Kant] 154XVI Vorles[ung] [Fichte Jacobi] 164XVII Vorles[ung] [Schelling] 179XVIII [Vorlesung] [Schelling Hegel] 188[XIX Vorlesung] [Hegel] 203XX Vorlesung [Hegel] 213[Zur I Vorlesung ndash Begeisterte Anschauung] 227[Zur III Vorlesung ndash Das Wesen der Materie] 229[Zum Ende der III Vorlesung] Hobbesrsquo Logik 231[Zur IV Vorlesung ndash Die Renaissance] 234[Zur VndashVI Vorlesung ndash Bruno Cardanus] 238[Zur V Vorlesung ndash Cardanus Paracelsus] 241[Zur V Vorlesung ndash Bruno Campanella ndash Monismus]

256[Zur V Vorlesung ndash Bruno ndash Vom Unendlichen] 258[Zur IX Vorlesung ndash Pascal ndash Aus seinem Leben] 261[Zur X Vorlesung ndash Spinoza ndash Gott und Natur] 266[Zur X Vorlesung ndash Zur Kritik des Pantheismus] 276[Zur XI Vorlesung ndash Jacobi zu Spinoza] 279[Zur XI Vorlesung ndash Mechanismus] 285[Zur XndashXI Vorlesung ndash Exzerpte aus Jacobi] 286[Zur XIndashXIV Vorlesung ndash Vernunft und Glaube] 298[Zur XIV Vorlesung ndash Kant Erkenntnistheorie Logik]

304

384

[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Ich und Nicht-Ich] 310[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Wahrheit des Ideals] 317[Zur XVIII Vorlesung ndash Differenzen Hegel und

Schelling]319[Die Kanzel-Moralisten] 324

II Studien Kritiken und Aphorismen

1 Eintrag in das Poesiealbum eines Ansbacher Freundes327

2 Excerpten aus Herders Briefe das Studium derTheologie betreffend anno 1823 im Winter 328

3 An meine erste Geliebte 3304 Das Ens der Neuplatoniker 3315 Identitaumlt und Unterschied 3346 Gedanken 183435 3367 Einleitung in die Geschichte der neuern Philosophie

3418 Zur Hegelschen Geschichte der Philosophie 3669 Neue Philos[ophie] Frankr[eichs] und Engl[ands] 37010 Zu Hegels bdquoPhilosophie des Geistesldquo 37711 [Fragment Bretschneider]382

Page 3: I. Vorlesungen über die Geschichte der neueren Philosophie ... - Ludwig-Feuerbach · 2015. 8. 5. · 5 deutung der Philosophie selbst lesen und daher mit der En t-wicklung der1 Begriffe

3

I Vorlesung [Vorbemerkung]1

1 Keine Wissenschaft hat daher solche Hindernisse zu be-kaumlmpfen wie die Philosophie um sich unter den Menscheneine Existenz zu verschaffen Vorurteile und Miszligverstaumlndnissealler Art stehen ihr im Wege Und2 nicht nur ihr Wert selbst ihrSein wird von vielen in Zweifel gezogen Sie gilt ihnen fuumlrkeine wirkliche Wissenschaft sondern nur fuumlr das Suchen einerWissenschaft die aber bis jetzt noch nicht gefunden sei viel-leicht auch nie gefunden werden koumlnne3 Waumlhrend die uumlbrigenWissenschaften ruhig und unangefochten im Besitze ihrer vonden Vaumltern uumlberlieferten Guumlter leben und deswegen belobtwerden daszlig4 [sie] sich friedlich im Lande5 naumlhren und dasAnsehn nuumltzlicher und brauchbarer aufrichtiger Buumlrger genie-szligen6 steht die Philosophie ndash weil7 ihr Gebiet8 nicht wie das deruumlbrigen Wiss[enschaften] ein beschraumlnktes9 sondern ein un- 1 So auch A ndash Am Rande r o Datierung 183536 von fremder Hand2 Und Ja Korr im Ms3 Am Rande Es sind uumlbrigens diese Urteile und Geruumlchte die uumlber

die Philosophie im Umlauf sind [wie gesagt Korr im Ms] eine Fol-ge ihres eigentuumlml[ichen] Wesens Die Philos[ophie] begreift aussich selbst diese Miszligverstaumlndnisse ohne daher daruumlber zu erzuumlrnensie sieht ein daszlig sie denen die sie nicht persoumlnlich kennen so er-scheinen muszlig als sie ihnen erscheint Um sich von der Realitaumlt ei-ner andern Wissenschaft zu uumlberzeugen dazu gehoumlrt keine besonde-re Kenntnis derselben Mag man auch von ihrem Werte denken wasman will man traumlgt wenigstens keine Bedenken ihr Realitaumlt zuzu-schreiben sollte man diese auch noch so sehr beschraumlnken

Aber die Realitaumlt der Philosophie einzusehen das ist selbst schonPhilosophie Die uumlbrigen Wissensch[aften] weil sie [weil sie Im Msgestr] einen [hellip] mehr oder weniger sinnlich anschaubaren 2 Stoffzu ihrer Basis haben haben [haben tragen Korr im Ms] die Zei-chen ihrer Bedeutung auch dem gemeinen Mann erkennbar aber diePhilosophie gleicht einem im Stillen wirkenden Privatmann daszlig eretwas ist und was er ist sein[en] Einfluszlig aufs Leben s[eine] Be-deutung erkennt nur der der in naumlherem Umgang mit ihm lebt

4 Im Ms folgt gestr es5 Im Ms folgt gestr lehr[en]6 genieszligen stehen Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr was uumlbrigens eine notwendige Folge ihres We-

sens ist denn8 Im Ms folgt gestr ist9 beschraumlnktes bestimmtes Korr im Ms

4

endliches ist sie keinen fixen Aufenthaltsort hat1 sie ist nichtglebae adscripta [der Scholle verhaftet] ndash bei Unzaumlhligen imRufe eines unbestaumlndigen und exzentrischen Kopfes der sichin die nun einmal notwendigen Schranken des Lebens nichtfuumlgen ganz unabhaumlngig nach seinem eignen Kopfe nur lebenund spekulieren2 wolle aber eben deswegen es auch zu nichtsbringe und in Wahrheit auch zu nichts Reellem zu gebrauchensei

Bei keiner Wissenschaft dringt sich daher auch ihrem Lehrerso sehr wie bei dieser das Beduumlrfnis auf selbst namentlichwenn er nur einen Teil derselben vortraumlgt allgemeine abweh-rende Bemerkungen erst vorauszuschicken um die Wahrheitvon der Meinung gereinigt herauszustellen um durch die Ne-gation des Unrichtigen und Verkehrten sich erst die Bahn zurpositiven Bestimmung zu bahnen Bei keinem Teile der Philo-sophie etwa die eigentliche Metaphysik ausgenommen ob-wohl alle auch die konkreteren Teile der Philos[ophie] immerMetaphysik bleiben ist aber selbst wieder dieses Beduumlrfnisdringender als bei der Geschichte der Philosophie namentlichaber bei der neuern Zeit denn wer hat wohl noch nie den treff-lichen Schluszlig gehoumlrt3 mit der Philos[ophie] kann es offenbar4

nichts sein5 Einer vernichtet in ihr den andern Sp[inoza] wi-derlegte den Cartes[ius] Leibniz der6 Kant den Kant Fichtedann kam Schelling der zeigte daszlig Fichte nichts [ist] hieraufHegel und kaum ist der bekannt [ge]worden 2 so tragen auchschon die juumlngern Philosophen diesen hinaus auf den KirchhofIndem nun diese Vorles[ungen] bestimmt sind von den we-sentlichen spekulativen7 Systemen der neuern Zeit eine ihrVerstaumlndnis erleichternde kurze Uumlbersicht zu geben so koumln-nen wir uns nicht enthalten erst einige kurze einleitende Vor-bemerkungen uumlber die Bedeutung der Philosophie vorauszu-schicken um so mehr als wir die Geschichte der Philosophienicht in der Bedeutung einer Geschichte8 sondern in der Be-

1 sie hat sie hat keinen Aufenthaltsort Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr wolle3 den gehoumlrt reden houmlren was kann wohl Korr im Ms4 offenbar affreux [schrecklich] A5 kann sein fuumlr ein Bewandtnis haben Korr im Ms6 der den Ms A7 Im Ms folgt gestr Philosophien8 Im Ms folgt gestr von Vergangenem

5

deutung der Philosophie selbst lesen und daher mit der Ent-wicklung der1 Begriffe dieser Systeme einen kurzen Inbegriffund Begriff von der Philosophie selbst zu geben beabsichti-gen2 Eins der allergewoumlhnlichsten und trivialsten Vorurteile ndashein Vorurteil welches mit dieser Bedeutung der Geschichte derPhilos[ophie]3 die ihr vorgegeben wird im schreiendstenKontrast gegenuumlbersteht ndash ist es die philo[sophischen] Syste-me als Meinungen als subjektive Anschauungen zu betrachtendie eigentlich nur so lange Geltung und Bedeutung haben alsbis ein anderer kommt der seine Vorfahren widerlegt und eineneue Ansicht aufstellt daher nur ein historisches aber keinwahrhaft gegenwaumlrtiges und lebendiges Interesse mehr habenAllein eben diese Ansicht von der Philosophie ist eine reinsubjektive Die Philosophie ist eine Notwendigkeit sie ist Be-stimmung des Menschen wenn auch nicht geradezu und un-mittelbar aller Menschen Der Mensch muszlig philosophieren ermag wollen oder nicht hierin ist er nicht frei Der Trieb zumDenken ist unwiderstehlich Diese Notwendigkeit erscheint imMenschen als Liebe Neigung Anlage Talent als Genie Denndas wozu der Mensch wahrhafte Anlage und Trieb hat daskann er nicht tun oder unterlassen indem das was Talent inihm ist seine urspruumlngliche innerste eigene Natur ist Die gro-szligen die wahrhaften Philosophen die selbstaumlndige Systeme ausdem Schacht ihres Innern hervorzogen waren also nicht durchihre Willkuumlr und Wahl Philosophen sie konnten nichts andressein als was sie waren sie philosophierten weil sie philoso-phieren muszligten Die Erfahrung lehrt daher daszlig schon in derfruumlhsten Jugendzeit bei den meisten so oder so die Neigungund das Talent die innere Noumltigung zur Spekulation sich of-fenbarte kurz daszlig sie sich so aumluszligerte daszlig mit der Zeit nichtsandres als Philos[ophen] sich aus ihnen entwickeln konntenDa nun aber die Philosophie wie nicht zu leugnen ist ausinnerer Notwendigkeit entspringt so hat sie keinen subjekti-ven sondern einen in einer houmlhern das Subjekt selbst 3 be-herrschenden Macht l[iegenden] Ursprung Was aber keinensubjektiven Ursprung hat das kann auch nicht eine subjektiveBedeutung haben Was ist nun aber diese Macht die den Men- 1 der dieser Korr im Ms2 selbst hellip beabsichtigen geben wollen Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr stehen ganz entgegengesetzte Ansichten von

d[er] Phi[losophie] gegenuumlber indem man

6

schen zum Philosophieren antreibt Sie muszlig mit der Taumltigkeitzu der sie ihn antreibt verwandt oder identisch sein es gehoumlrtzu ihrer eigentuumlmlichen Beschaffenheit oder Natur diesenTrieb und keinen andern zu erwecken Diese Macht die denMenschen zum Philosophieren treibt und bewegt kann daherkeine andere sein als die Philosophie selbst wie die Macht dieden Kuumlnstler erfuumlllt und treibt keine andere ist und sein kannals die Kunst Aber ndash kann man entgegnen ndash wie kann das wasder Kuumlnstler der Philosoph ja erst erzeugen soll die Kunst diePhilosophie das Hervorbringende der Kunst der Philosophiesein Da erzeugt sich ja die Kunst die Philosophie selbst Wieist das moumlglich Waumlre das nicht ein unvernuumlnftiger Wider-spruch Allerdings ist es nicht nur moumlglich sondern es ist auchin der Tat und Wirklichkeit so und nicht anders Der Trieb desMenschen zur Kunst ist selbst schon Kunst der Trieb zur Phi-losophie selbst schon Philosophie oder Wirkung der Philoso-phie Aus einem leeren bloszligen Vermoumlgen oder Triebe wirdnichts produziert Dem Kuumlnstler ist die Kunst dem Philoso-phen die Philosophie vorausgesetzt Jener produziert einzelneKunstwerke von dieser oder jener Art dieser ein System vondieser oder jener Art aber die Gattung selbst um diesen Ter-minus anzuwenden die Kunst die Philosophie ist ihnen beidenvorausgesetzt sie koumlnnen nur unter dieser Voraussetzung etwastun und der Kuumlnstler der Philosoph produziert nicht als derMensch uumlberhaupt der er auszliger dieser seiner Beschaffenheitund Bestimmung naumlmlich der des Philosophen ist gleichandern Menschen oder als dieses einzelne Individuum oderSubjekt er produziert nur als Philosoph d i als [ein] von derPhilosophie erfuumllltes beseeltes und begeistertes IndividuumDas Produzierende in ihm ist also die Philosophie der Wahr-heit nach die Sache betrachtet Denn er fuumlr sich selber ist nichtsund vermag nichts Sein Vermoumlgen seine Kraft ist nur dieBegeisterung nur im Zustande der Begeisterung kann derMensch produzieren woher hat er aber die Begeisterung 4woraus entspringt sie Wofuumlr ich begeistert bin daher kommtauch die Begeisterung Also aus der Philosophie entspringt sieUnd was ist die Begeisterung selbst Nichts andres als derZustand oder die Kraft der Sache wo der Mensch von derSache oder Idee fuumlr die er begeistert ist so ergriffen und1 mitfortgerissen wird so seiner selbst beraubt so auszliger sich selbst 1 Im Ms folgt gestr mit sich

7

in die Idee versetzt wird daszlig diese aus ihm selbst spricht da-her es1 nicht zu verwundern ist daszlig die Menschen in Zustaumln-den der houmlchsten und wahrsten Begeisterung auf andere eineungewoumlhnliche sie bis ins Tiefste erschuumltternde ihre Selbstaumln-digkeit vernichtende Gewalt ausuumlben eben weil sie in diesenMomenten nicht eine persoumlnliche sondern eine2 allgemeineMacht die Macht der Idee und Wahrheit selber sind weil indiesen Momenten das was sonst der Mensch bezweifelt dieMacht des Unpersoumlnlichen der Idee als eine persoumlnlichewirkliche Existenz ja als eine Macht uumlber der Persoumlnlichkeitihnen lebendig vor die Augen tritt und in die Ohren donnertDas Produzierende in dem Kuumlnstler dem Philosophen ist daherdie Kunst die Philosophie denn er begeistert sich nicht selbstwas ein Unsinn ist sondern sie ihn ndash So sehr dieser Gedankeden gewoumlhnlichen Vorstellungen widerspricht so sehr laumlszligt ersich doch durch die alltaumlglichsten psychologischen Tatsachenaus dem Leben des geistigen Menschen aus dem Leben groszligerDenker und Dichter beweisen3 Es sind nur die hohen Festtageim Leben wo der Mensch Vortreffliches produziert es sindnur die gluumlcklichen oder vielmehr seligen Tage Stunden oderAugenblicke wo er alle persoumlnlichen Angelegenheiten besei-tigt hat wo er ledig ist aller subjektiven ihn an sein individu-elles eingeschraumlnktes Dasein erinnernden Beschwerungen vonInnen oder4 Auszligen wo keine Sorge keine Leidenschaft ihnzerstreut wo seine Seele so lauter so klar und fleckenlos istals der wolkenlose Himmel Aber warum sind es nur die hohenFesttage im Leben wo der Mensch produzieren kann Warumkann er es nicht an jedem gemeinen Werktage Warum nicht injeder Stimmung Warum gehoumlren dazu besondere guumlnstigeBedingungen Nur darum weil der Mensch der produziert diesich selbst produzierende Idee ist und die Idee nur da wirkenund schaffen Mensch gleichsam werden kann wo der Mensch

1 Im Ms folgt gestr kommt2 eine die Korr im Ms3 Es sind nur in uns abhaumlngen In BwN 1 Bd S 317 SW BJ 4

Bd S 387-388 ndash entsprechender Hinweis im Ms am Rande vonfremder Hand bdquoabgedruckt SW 4 387ldquo ndash unter bdquoDie Macht derIdeeldquo mitgeteilter Abschnitt aus den Erlanger Vorlesungen Hin-weis fehlt in A

4 oder [so auch A] und BwN SW BJ

8

ihr Platz gemacht1 wo er sich alles aus dem Kopfe geschlagenhat was ihr 5 im Wege stehen und ihr den Durchgang sozu-sagen2 durch ihn erschweren koumlnnte Waumlren die geistigenWerke des Menschen ndash es ist natuumlrlich nur3 hier von den gro-szligen unsterblichen Geisteswerken die Rede ndash wirklich nursubjektiven Ursprungs ach wie bestialisch-gluumlcklich waumlrendann die Menschen In welchem leichten ununterbrochenenFlusse ging4 dann die geistige Produktion vonstatten welchenSchmerzen welchen Opfern5 waumlre der Denker wie der Kuumlnstleruumlberhoben Denn Subjekte sind wir immer und6 sie hingehoumlchstens7 bloszlig von unserm Willen unserm Fleiszlige ab Aberwie wir in materieller Hinsicht keine Nuumlrnberger Dukatenma-cher sind sondern sauer der Erde ihr Metall abgewinnen muumls-sen abhaumlngig8 von einer fremden Macht auszliger uns so sind wirauch im Geistigen keine Dukatenmacher nur daszlig wir9 hier voneiner Macht in uns abhaumlngen

Gegen die hier aufgestellte Theorie lieszlige sich einwendenwenn die Kunst die doch offenbar das Vollkommne ist dasProduzierende ist wie kommt es denn daszlig es eines so muumlhse-ligen Arbeitens und Fortschreitens bedarf bis man vom Un-vollkommnen zum Vollkommneren kommt wie wir z B beiden Griechen die Bilderhauerkunst von den plumpsten unbe-holfensten rohsten Kloumltzen erst allmaumlhlich nach vielfaumlltigenVersuchen und Arbeiten bis zu den Goumlttergestalten eines Phi-dias sich anstrengungsvoll emporringen sehen Eben daherkommt es weil der Mensch sich erst abarbeiten durchbildenreinigen von allen Schlacken befreien alle subjektiven Hin-dernisse Unbehuumllflichkeiten Haumlrten und Ecken an sich ab-streifen muszlig ehe er tuumlchtig und faumlhig wird das durchsichtigeOrgan der Idee zu werden gleichwie der Schriftsteller wenn erauch noch nicht in der erforderlich[en] Stimmung sich befin-det d h in dem subjektiven Zustande der zur geistigen Pro- 1 Im Ms folgt gestr hat2 so zu sagen [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ3 nur [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ4 ging gingen Korr im Ms5 welchen Opfern [so auch A] welcher welcher Opfer BwN

SW BJ6 Im Ms folgt gestr wie jede aumluszligerliche Arbeit7 houmlchstens [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ8 abhaumlngig [so auch A] abhaumlngen BwN SW BJ9 Im Ms folgt gestr haumlngen

9

duktion gehoumlrt die Feder ergreifen muszlig um nur wacker draufzu schreiben wenn er auch spaumlter wieder ausstreicht um end-lich in die Sache hineinzukommen und von ihr ergriffen undbemeistert zu werden Aber auch in den unvollkommenstenAnfaumlngen der Kunst ist doch die Kunst selbst schon wirksamaber nur soweit als sie es nach dem Grade der Bildung Emp-faumlnglichkeit und Geschicklichkeit der Individuen sein kann sodaszlig also diese geschichtliche Tatsache keineswegs eine Instanzgegen die ausgesprochene Idee ist

Der Satz uumlbrigens bdquodie Idee produziert sich selberldquo hateinen dem Verstand widersprechenden Sinn wenn er so un-mittelbar wenigstens genommen w[ird] als er hier ausgespro-chen w[urde] 6 denn kann man sagen die Idee ist hier ein-mal als Subjekt naumlmlich vorausgesetzt als seiend denn nurwas ist kann produzieren das andremal als Objekt in dembdquosich selbstldquo als nicht seiend denn nur was nicht ist brauchtproduziert zu werden Aber das Produzieren bewegt sich nichtinnerhalb des Gegensatzes von Sein und Nichtsein sondern nurinnerhalb des Gegensatzes zwischen verschiedenen Arten desSeins im Produzieren handelt es sich nur um den Gegensatzvon Sein in sich und Dasein oder Sein fuumlr Andres bestimmtesSein Die Idee produziert sich heiszligt also nichts andres als siebestimmt sich oder sie macht sich zu einer bestimmten wirkli-chen Idee verwandelt ihr Insichsein in Dasein vermenschlichtvergegenwaumlrtigt veranschaulicht sich Schieben wir hier1 daherden Menschen zwischen ein zwischen die sich selbst produzie-rende Idee als ihr Verwirklichungsmittel oder Organ so ergibtsich in betreff unsers Themas2 das Resultat3 der Philosophproduziert nicht aus sich selbst als leerem sondern aus sich alsvon der Philosophie begeistertem Subjekte d h4 aus der Phi-losophie selbst und zwar da diese nicht eine bestimmte ist einSystem denn dieses bringt er ja erst hervor aus der mit derWahrheit selbst identischen ewigen goumlttlichen Philosophiealso aus der unendlichen unerschoumlpflichen Idee der Philoso-phie sein System ndash oder ndash dieses bdquooderldquo bedarf keiner Recht-fertigung ndash die an sich unbestimmte Idee realisiert sich ver-

1 hier wir A2 unsers Themas unseres Thuns A3 ergibt Resultat bestimmt sich das Gesagte dahin Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr ohne Medium im reinen Lichte betrachtet

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mittelst eines bestimmten Individuums als ihres Organs zueiner bestimmten Idee1

Die philosophischen Systeme sind aber nicht nur ihrem Ur-sprunge sie sind auch ihrem Inhalte nach notwendig Die Phi-losophen muszligten nicht nur philosophieren sie muszligten auch sophilosophieren als sie philosophierten Und diese Notwendig-keit ist selbst wieder eine doppelte obwohl an sich ungetrenn-te eine innere und aumluszligere Eine bestimmte Idee2 tritt naumlmlichnur zu einer bestimmten Zeit in die Welt Insofern hat ein3

System in einer aumluszligern Notwendigkeit seinen Grund es wardurch den Grad der Bildung die Art des Denkens die allge-meine Weise des Lebens oder bereits durch ein andres schonvorhandnes System der Philosoph[ie] notwendig auf denStandpunkt seiner Philosophie gefuumlhrt worden Aber dieseaumluszligere Notwendigkeit hat selbst wieder zu ihrer Bedingungund Voraussetzung eine houmlhere eine innere Notwendigkeitinsofern als eben die ewige Idee selbst als diese bestimmteIdee als welche sie 7 sich in einer gewissen Zeit aussprichtnur in dieser und keiner andern Zeit sich so aussprechen konn-te insofern also als diese aumluszligere Notwendigkeit es ist die denMenschen veranlaszligte4 und noumltigte die Wahrheit in einer an-dern oder wenigstens noch nicht so bekannten Bestimmtheitauszusprechen und sie daher ndash diese aumluszligere Notwendigkeitnaumlmlich ndash das Vehikel ist fuumlr die Offenbarung der Idee

Zur Erlaumluterung und Entwicklung dieser Idee ist es noumltig5einen houmlchst wichtigen weit um sich eingreifenden in allen6

Wissenschaften einfluszligreichen Punkt zu beruumlhren7 ndash den Un-terschied zwischen Apriorischem und Aposteriorischem zwi-schen Vernunft und Erfahrung positivem Recht und Natur-recht positiver Relig[ion] und natuumlrlicher Religion Fangen8

wir bei diesem letztern Gegensatz an Man hat der natuumlrlichenoder sogen[annten] Vernunftreligion vorgeworfen daszlig sie vielzu negativ zu abstrakt und unbestimmt sei als daszlig sie sich

1 Im Ms folgt gestr Die philos2 Idee Zeit Korr im Ms3 ein das Korr im Ms4 veranlaszligte trieb Korr im Ms5 Zur noumltig Und hiemit kommen wir zu sprechen auf Korr im Ms6 in allen fuumlr alle Korr im Ms7 Punkt beruumlhren Unterschied Korr im Ms8 Fangen Bleiben Korr im Ms

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eigne fuumlr das Leben daszlig sie das religioumlse Beduumlrfnis nicht be-friedigen koumlnne man hat ferner mit einer gewissen Schaden-freude der Vernunft vorgehalten daszlig sie wenn sie auch dieLehren der positiven Religion begreifen koumlnne sie doch nieaus sich haumltte erzeugen [koumlnnen] oder auf sie gekommen waumlre1

Der Gegensatz so ausgesprochen ist ganz ungeschickt aufge-faszligt Die Kraft das Vermoumlgen der Vernunft kommt hierbei garnicht in Betracht Es reduziert sich der Gegensatz nur daraufdaszlig der Mensch zu einer Zeit nicht kann und vermag was er zueiner andern Zeit wohl vermochte weil diese Zeit eine andereist als jene war und eine bestimmte Idee Wahrheit Anschau-ung nur zu einer bestimmten fuumlr diese Realisation geschicktenZeit sich vermittelst des Menschen verwirklicht gleichwie derMensch als Individu[um] nicht gleichguumlltig in jeden Momen-ten sondern in besondern Momenten der Not des Drangs derAufforderung von auszligen der geistigen Aufregung und Exalta-tion zeigt was er ist und vermag sein Wesen offenbart Als dasChristentum in die Welt trat war eine Zeit wie sie wohl sonstnie mehr war Die alten Religionen und Staaten waren im Un-tergange begriffen der in groszligen Taten wie in Kunst und Wis-senschaft sich entfaltende produktive Geist der Griechen undRoumlmer war dahin2 die Pietaumlt des Familienbandes des Natio-nalinteresses kurz alles was sonst die Menschheit belebtebekraumlftigte und was sie sonst3 an die Erde als der guumltigen undgeliebten Mutter alles Lebens band 8 ging zugrunde DieMenschheit war vor lauter Genuszlig uumlbersaumlttigt und uumlberdruumlssigdes Lebens und eben in diesem Ekel in dieser Leere uumlbergabsie sich zum Hohne ihrer und der sie nicht mehr befriedigenkoumlnnenden Natur den raffiniertesten Kuumlnsten und Sophismender Wollust Die Menschheit war damals in jener Periode undStimmung des Dr Faust wo er sagte bdquoDem Taumel weihrsquo ichmich [dem schmerzlichsten Genuszlig] verliebtem Haszlig erquik-kendem Verdruszligldquo4 Es war eine Zeit der Desperation der haumlr-

1 Im Ms folgt gestr daszlig sie also schlechterdings geoffenbart sein

muumlszligten Uumlber der Zeile vom Himmel herab2 dahin verschwunden Korr im Ms3 und sonst kurz Korr im Ms4 J W v Goethe Faust Eine Tragoumldie neue Aufl Stuttgart ndash Tuuml-

bingen 1825 S 110 ndash Im Ms irrtuumlmlich bdquo hellip verzweifeltem Ge-nuszligldquo Vgl auch GW 8 S 166

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testen geistigen und politischen Miszligverhaumlltnisse1 des tiefsteninnern Ungluumlcks und Elends Aber diese Not war die Staumltte inwelcher allein der Heiland der Welt geboren werden konnteDieser Heiland war die Religion Was sonst die Erde demMenschen heiligte war verschwunden er hatte nichts mehr aufihr er nahm also seine Zuflucht in den Himmel der ReligionDie Religion ging daher damals aus einem wahren ebenso tiefsubjektiv als objektiv begruumlndeten Beduumlrfnis hervor Der reli-gioumlse Sinn hat sich hier daher fuumlr alle Zeiten verewigt nirgendssich so klassisch so zu sagen so rein kraumlftig original2 soidentisch mit dem Wesen der Religion in Wort und Tat ausge-sprochen als hier eben weil hier der Mensch kein anderesInteresse neben der Religion hatte weil nur sie fuumlr den etwasja alles alles andre nichts war und jene Zeit eben durch sichselbst bestimmt das eigentuumlmliche Wesen der Relig[ion]3 wassie ist und was sie vermag durch kein fremdartiges Interesseverfaumllscht oder getruumlbt zu offenbaren Man hat daher insofernrecht wenn man der natuumlrlichen Religion d h dem was einMensch der neuern Zeit nach seinen Beduumlrfnissen fuumlr das We-sentliche d[er] Relig[ion] halten mag4 [entgegenhaumllt] daszlig sienicht die Forderungen erfuumlllen koumlnne die der Geist und dieLehre in der positiven Relig[ion] namentlich in den religioumlsenUrkunden jener Zeit in so reichem Maszlige erfuumllle man hat Rechtgehabt [das] zu sagen Allein darin5 hat man Unrecht daszlig mandies nur fuumlr ein partikulares spezifisches Merkmal der positi-ven Religion haumllt Es gilt dies mehr oder minder von jedemklassischen Ausdruck der Idee in dem Verlauf der Weltge-schichte und daszlig der Mensch fuumlr sich selbst d h unabhaumlngigvon der Geschichte lediglich nur seinen allgemeinen natuumlrli-chen Anlagen und Beduumlrfnissen [nach] nicht haumltte daraufkommen koumlnnen und daszlig sie nicht Beruhigung und Befriedi-gung zu gewaumlhren im Stande sei Wenn aber jene Zeit be-stimmt war das Wesen der Relig[ion] auszusprechen so hattedie roumlmische Welt die Bestimmung den Begriff des Rechts inseiner ganzen Strenge und Schaumlrfe zu erfassen zu bestimmen

1 geistigen Miszligverhaumlltnisse [] Not Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort3 Im Ms folgt gestr und4 halten mag hielt die Urkunden jener Zeit und den Geist der aus

ihnen spricht Korr im Ms5 darin dies gilt nicht Korr im Ms

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und auszubilden die griechische Welt das Wesen der Kunst zuoffenbaren Die Werke namentlich der griech[ischen] Plastiks[ind] nach dem Urteil der tiefsten Sachkenner durch die neue-re Kunst nicht erreicht und wenn sie erreicht werden solltenoder wirklich schon erreicht sind so hat man dies nur durchdas Studium und die Anschauung der Antike erreichen koumlnnenAuf diese obwohl sie nur fuumlr Menschenwerke gelten koumlnnenwir auch nicht durch und aus uns selbst kommen Toumlricht ist esdaher eine falsche oberflaumlchliche Auslegung der Erscheinungwenn man dies Nichterreichenkoumlnnen eines positiven Zustandses sei in der Sphaumlre des Rechts oder der Philos[ophie] fuumlr eineGrenze und Beschraumlnktheit der Vernunft ausgibt Die Vernunftist nichts als die Selbstbestaumltigung der ewigen unendlichenIdee sei es nun der Kunst oder Religion oder Philosophie aberdiese Betaumltigung 9 ist immer die Betaumltigung der Idee in einerbesondern Bestimmung und daher auch in einer besondern Zeitdenn eben nach den besondern Bestimmungen die von derIdee1 sukzessiv ins Bewuszligtsein der Menschheit treten unter-scheiden wir die Perioden und Epochen der Geschichte DieserTadel der Vernunft ist gerade so laumlcherlich wie wenn einer derdie Werke eines Philosophen der in der Geschichte Epochegemacht hat studiert hat zu einem der ohne Buumlcherkenntnisoder wenigstens ohne Kenntnisse dieses Philosophen sozusa-gen auf eigne Faust spekuliert hintraumlte und ihn fragte sage mireinmal wie heiszligen die Werke dieses Philosophen was hat ergeschrieben was ist der Inhalt seiner Lehre und darin eineSchwaumlche seiner Vernunft finden wollte daszlig er nicht vonselbst darauf gekommen und wenn er auch vielleicht im All-gemeinen denselben Inhalt gefunden haumltte doch nicht so be-stimmt so spezifisch so vorzuumlglich ihn ausgesprochen habewie dieser die Idee in ihrer Selbstbetaumltigungskraft die Vernunftsagt nicht zum zweitenmale2 was sie einmal so trefflich ausge-sprochen hat als es nur immer gesagt werden kann in ihremLexikon kommen lauter ἅπαξ λεγόμενα [einmal Gesagte] vorDas Historische kann nur auf historische Weise erkannt wer-den Es waumlre gerade die tiefste Schmach der Vernunft wennder Mensch in dem Sinne wie man es gewoumlhnlich versteht apriori eine Geschichte konstruieren koumlnnte Eine solche Repe-tition raubte der Geschichte wie der Vernunft allen Wert 1 Idee Zeit Korr im Ms2 sagt zweitenmale predigt nicht zweimal Korr im Ms

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Die philosophischen Systeme sind1 also besondere Bestim-mungen der absoluten und unendlichen Idee der Idee derWahrheit sie sind bestimmte Wahrheiten oder wahre Erkennt-nisse die als bestimmte nur zu einer bestimmten besondernZeit vermittelst bestimmter Individuen die den ihrem Inhaltgemaumlszligen Charakter und Geist haben ausgesprochen werdenkoumlnnen Sie sind deswegen notwendig und zwar ebensowohlan und fuumlr sich innerlich notwendig insofern2 sie in der Ideeder Wahrheit selbst begruumlndet und Weisen sind wie die Wahr-heit nicht nur gefaszligt werden kann sondern weil sie so gefaszligtwerden kann auch einmal so gefaszligt werden muszlig als auchaumluszligerlich oder geschichtlich notwendig als die Systeme selbstuntereinander selbst in einem notwendigen uumlber subjektiveWillkuumlr erhabnen Zusammenhang stehen eben weil sie dieabsolute Idee zu ihrem gemeinschaftlichen Ursprung undGrund hatten Und eben deswegen ist auch obwohl d[ie] Phi-losophie im Stillen steht 10 die Geschichte der Philosophieselbst Philosophie ndash eine Bedeutung in welcher wie am An-fang gesagt wurde die Geschichte der neuern Philosophie indiesen Vorlesungen vorgetragen werden soll

1 Die sind Dasselbe gilt nun von den philosophischen Systemen

Sie Korr im Ms2 insofern als Korr im Ms

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II Vorles[ung]1 [Der Geist der neuern Zeit]2

Der Inhalt der gestrigen Vorles[ung] war kurz noch einmalzus[ammen]gefaszligt dieser Die Philosophie ist eine Notwendig-keit Die Erscheinung dieser Notwendigkeit im Subjekte ist derunwiderstehliche Trieb zum Philosophieren Der Trieb setzteine vom Subjekte unterschiedne Macht voraus ein Etwas dasder Trieb des Triebes ist Ein leerer Trieb fuumlr sich erzeugtnichts Die Beschaffenheit des Triebes muszlig der Beschaffenheitder Natur dieses treibenden Etwas adaumlquat sein Die Macht desTriebes zum Philosophieren ist daher die Philosophie abernicht eine bestimmte Philosophie nicht ein System denn umdie Hervorbringung einer bestimmten Philosophie handelt essich ja erst sondern die Philosophie in ihrer Idee oder die Ideeder Philosophie ndash Die Erklaumlrung des Wortes Idee wurde wievieles andre auf der Seite liegen gelassen Hier nur so viel WerIdee im Sinn faszligt derer die nicht in die philosophische Sprech-und Denkweise eingeweiht sind wird sich wundern die Ideeals die treibende urspruumlngl[iche] Macht [bezeichnet zu sehen]da sie eben ein3 Produkt der Philosophie des Denkens desMensch[en] erst sei Aber das ist eben die falsche Ansicht derIdee Das Denken des Menschen setzt die Idee voraus keinDenken ohne Idee der Gedanke ist selbst erst Produkt DieIdee ist das Wesen der Dinge oder das Wesen schlechtweg oderdas goumlttliche Wesen wie es Objekt des Denkens [ist] der Aus-druck fuumlr Gott im Denken ist bei den Philosoph[en] die Ideedasselbe Wesen das uns auf dem praktischen Standpunkt aufdem Standpunkt des Lebens und des persoumlnlichen Verhaltensals ein4 Wesen oder in der eigentlichen Bedeutung des Wesensgegenuumlbertritt dasselbe wird5 auf dem Standpunkt der Speku-lation als Objekt des Gedankens in der Bedeutung und in derGestalt und unter dem Namen bdquoIdeeldquo Gegenstand Die Idee derPhilosophie ist also das Wesen der Philosophie aber diesesWesen ist kein abgezognes Abstraktum sondern ist die als diegoumlttliche Intelligenz existierende Wahrheit wie sie durch dasDenken und im Denken fuumlr den Menschen Gegenstand seines 1 Im Ms kein Absatz2 So auch A3 ein [so auch A] eine Ms4 Im Ms folgt gestr besonderes5 wird tritt Korr im Ms

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Bewuszligts[eins] wird und so sich realisiert und bestimmt ndashNach dieser erklaumlrenden Abschweifung wieder zuruumlck auf denGegenstand unserer gestrig[en] Vorles[ung]

111 Ohne Trieb w[ird] Nichts produziert aber die Machtjenes Triebs ist die Philosophie oder die Idee derselben DasProduzierende in dem Philos[ophen] ist also die Idee Darumproduziert der Mensch nur in der Begeisterung Die Begeiste-rung [ist] der Zustand wo die Idee die persoumlnliche Aktivitaumltwird der Mensch s[eine] Selbstaumlndigkeit verliert bloszliges Organwird Die philosoph[ischen] Systeme sind daher notwendigenUrsprungs ihr Ursprung ihre Notwendigkeit ist die Idee DerTrieb des Menschen zu erkennen ist zugleich der Trieb derWahrheit erkannt zu werden Die Idee obwohl sie alle Be-stimmungen in sich faszligt produziert d h realisiert sich nurvermittelst eines bestimmten Menschen in einer bestimmtenZeit zu einer bestimmten Idee Die philosoph[ischen] Systemes[ind] darum auch ihrem Inhalte nach notwendig die Wahrheitmuszlig einmal so erfaszligt werden als sie dieses vielleicht ganzbeschraumlnkte System erfaszligt weil diese Bestimmung als einemoumlgliche in der Idee selbst liegt Hinzu kommt die aumluszligereNotwendigkeit daszlig ein System nur [in] dieser bestimmten Zeiterscheinen konnte welche aumluszligere Notw[endigkeit] aber inWahrheit identisch ist mit der innern denn diese Zeit war ebendie dieser Idee angemessene Zeit und diese bestimmte Idee2

selbst ihren Grund in der goumlttlichen Idee hat in ihr notwendigenthalten ist Die Geschichte der Philos[ophie] ist darum selbstPhilosophie denn obgleich dieselbe Quelle die dem erstenDenker floszlig auch uns noch offen steht oder vielmehr die spauml-testen Denker aus derselben Quelle mit den ersten schoumlpfenobwohl eine und dieselbe Idee eine und dieselbe Vernunft inuns allen taumltig ist so verwirklicht sich die Idee doch als beson-dre Idee oder ihre besondern Bestimmungen nur in besondernZeiten und wenn auch die Idee da sie ein Ganzes ist ein Un-teilbares mit allen ihren besondern Bestimmungen zu jederZeit und folglich auch uns gegenwaumlrtig sein sollte so sind dochdiese nur unbestimmt nur im Allgemeinen uns gegenwaumlrtig istdoch das Interesse sie in der spezifischen Gestalt zu erfassenin welcher sie in ihren besondern Zeiten erschienen kein histo-risches sondern ein gegenwaumlrtig-lebendiges Interesse ein 1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 6 ndash Im Ms kein Absatz2 Idee Zeit Korr im Ms

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Interesse von1 dem die Erkenntnis des Wesens der Idee undVernunft selbst abhaumlngt in dem die spezifische historischeGestalt eine ideale Notwendigkeit selbst ausdruumlckt

So ist es nun mit der Philosophie der neuern Zeit auch DiesePhilos[ophie] konnte nur in der neuern Zeit erscheinen siehaumlngt aufs innigste mit dem Geiste der neuern Zeit zusammenWir muumlssen daher zuerst im Allgemeinen2 d[as] Wesen derneuern Zeit und fruumlhern kuumlrzlich beruumlhren und dies ist derGegenstand unserer II Vorlesung 12 denn vor allem draumlngtsich uns die Frage auf3 wo beginnt [sie] wo ist der Anfang4

der Philosophie [der] neuern Zeit zu suchen und als Antwortwieder auf diese Frage [draumlngt sich] der Satz auf offenbar dawo der allgemeine Geist der neuern Zeit der Geist wodurchsie sich bestimmt von der sogen[annten] Zeit des Mittelaltersunterscheidet wo dieser Geist sich zuerst im Gebiete des Den-kens also der Philos[ophie] ausgesprochen findet so ausge-sprochen findet wie die Denker ihn aussprachen die wir alsRepraumlsentanten der Philos[ophie] der neuern Zeit betrachtenoder wenn auch nicht genau so doch wenigstens auf eine ihnenunverkennbar verwandte Weise Aber was ist nun der Geist derneuern Zeit wodurch unterscheiden wir sie von der fruumlhernZeit5

1 Im Ms folgt gestr dessen Bef2 Im Ms folgt kuumlrzlich uumlber3 auf Fehlt in A4 Im Ms folgt gestr der Geschichte5 Am Rande Der Gott des Mittel[alters] d h d[as] herrschende

Prinzip war ein juumldisch-christlich monotheistisches Prinzip Wiedie Juden sich als d[as] auserwaumlhlte Volk Gottes ansahen sich da-her von allen Voumllkern absonderten und die Vermischung mit ihnenscheuten wie sie Jehova als eine heilige Privatsache als ihr Eigen-tum betrachte[te]n und den Goumlttern der uumlbrigen Voumllker als den wah-ren Herrn gegenuumlberstell[ten] kurz wie der Geist der Juden einGeist d[er] Partikularitaumlt Absonderung und Ausschlieszligung war sowar der Geist d[er] mittelalterl[ichen] Christen ein partikulaumlrer aus-schlieszligender sich gegen alles andre was als nicht-christlich be-stimmt w[urde] negativ verhaltender in Christen und Heidenweltdie Welt zerteilender Geist Der Gott der Christen war nicht der all-gemeine Gott der Gott auch der Heiden der uumlberall seiende derallgegenwaumlrtige er war ihnen ein partikulaumlres Wesen das sich da-her auch nur zu einer besondern Zeit an einem besondern Ortdurch besondre Individuen auf eine besondere Weise sich geof-

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Um diesen Unterschied kuumlrzlich auszudruumlcken muumlssen wiruns eines Namens bedienen der in einem sehr uumlblen Geruchbei den meisten1 gelehrten Herrn steht bei dessen Laut schonviele angstbeklommen sich an die Brust fuumlhlen um zu erfah-ren ob noch ihr liebes eignes Herz schlaumlgt das punctum sali-ens [der springende Punkt] ihrer eigentuumlmlichen und interes-santen Persoumlnlichkeit und Verschiedenheit von Gott und sich[be]kreuzigen um das schreckliche ihre Privatexistenz mitVernichtung drohende Gespenst das es ihnen vor die Augenzaubert zu verscheuchen eines Namens das aber um so freu-diger und houmlher das Herz eines Lessings Bruno und Spinozaund ihnen gleichdenkende Maumlnner schlagen macht je mehr esihren Kopf erweitert und je weniger es sie an irgend etwasPartikulares und Pers[oumlnliches] erinnert eines Namens dessenObjekt uumlbrigens die wenigsten naumlher und tiefer kennen das dasich hier viele Miszligverstaumlndnisse auch hier verbinden aber weilsich bis bessers vorhanden hier [] werden muszlig d[as] aberhier mehr in symbol[ischer] als eigentl[icher] Bedeutung ge-nommen w[ird] des Namens Pantheismus Da sage ich wowir pantheistisch[en] Sinn antreffen da haben wir die neuereZeit

fenb[art] und [dem] einzig und allein auf eine besondere Weise zudienen sei

Schon die Kirchenvaumlter waren von diesem Geiste ergriffen Ter-tullian findet nicht genug 13 starke Farben um den jammervollenZustand eines Pindar Sophokles in der Houmllle zu schildern und keineWorte um s[eine] Freude daruumlber [] entsprechend ausdruumlcken zukoumlnnen Hieronymus verbietet die Lektuumlre der Heiden denn fragter was hat d[as] Licht mit der Finsternis gemein Wie stimmt Chri-stus mit Belial zusammen Was tut bei den Psaltern Horaz bei denEvangelien Virgilius bei den Aposteln Cicero Unter dieses Nicht-Christliche darum Nicht-Heilige Nicht-Goumlttliche w[urde] abernicht das bloszlig eigentlich Heidnische sondern uumlberh[aupt] die Naturder Welt und des Menschen daher selbst die tief[en] und reinmenschlich[en] Triebe Empfindungen so Humanitaumlt unbefangneLebensfreude Liebe Geschmack Schoumlnheitssinn gerechnet Sogalt Ehelosigkeit fuumlr ein Zeichen echter christlicher Froumlmmigkeitso daszlig es kein Wunder ist ja eine notw[endige] Folge daszlig Christ-lichkeit und Ehelosigkeit die laumlngst identische Begriffe warenendlich identische Institute wurden [So] verbannten die Christen zB Tertullian und Clemens die Kunst als solche das aumlsthetische Ge-fuumlhl als solches als gottlose heidnische Eitelkeit

1 Im Ms folgt gestr gef

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131 Als daher dieser negativ-religioumlse Geist herrschenderWeltgeist wurde war es eine notw[endige] Folge daszlig als er2

[sich] als Kirche eine weltliche Existenz und Macht gegebenhatte [sich] dem Staate feindlich gegenuumlberstellte und dasSupremat [die Oberherrschaft] gegen ihn sich anmaszligte undbehauptete da der Staat im religioumlsen Geiste und vor ihm nurzu einem untergeordneten aumluszligerlichen weltlichen Institutherabgesetzt w[urde] es war ferner der Verfall alles Ge-schmacks aller Bildung alles Kunst- und Natursinns allerfreien konkreten und menschlichen Anschauung der Weltalles echt wissenschaftlichen und selbstaumlndig forschendenalles produktiven Geistes eine notwendige Folge oder Erschei-nung dieses Geistes w[urde] daher unvermeidlich daszlig selbstda als Kunst und Wissenschaft wieder zum Vorschein kamensie dennoch eine houmlchst beschraumlnkte kuumlmmerliche niederge-druumlckte verkruumlppelte Existenz sich verschaffen konnten Denndie Philosophie die Repraumlsentantin und allgemeine Mutter derWissenschaften galt nur fuumlr eine weltliche d h an sich odervor Gott eitle Wissenschaft sie galt der Kirche nur wie dieKunst nur als Mittel insofern als sie sich zur Zierde oder [zu]nuumltzlichen Zwecken der Kirche verwenden lieszlig

Der Mensch kann nur das mit wahrem Erfolge betreiben waser mit einem wahren Ernste ja mit religioumlser Andacht Hinge-bung und Aufopferung betreibt wovon seine ganze Seele er-fuumlllt ist was ihn3 ungeteilt in Beschlag und Besitz nimmt Aberwas kann4 so fuumlr sich den Menschen gewinnen was kann ermit solchem Ernste treiben auszliger das was fuumlr ihn das HoumlchsteLetzte oder wenigstens etwas Wesenhaftes an und fuumlr sichWahres und Positives ist Dies bestaumltigt selbst die alltaumlglichsteErfahrung Wer die an sich 14 wertlosesten Beschaumlftigun-g[en] treibt muszlig sich wenn er anders nicht selbst ein ganzwertloser eitler Mensch ist wenigstens die Einbildung vorma-chen daszlig er etwas Wichtiges und Bedeutungsvolles treibtDaher jeder Mensch seinen Stand jeder Gelehrte s[eine] Wis-senschaft jeder Soldat seine Waffengattung fuumlr die erste houmlch-ste wichtigste haumllt und sie halten muszlig weil er nur dann mitFreude und folglich mit Erfolg seinen Beruf erfuumlllen kann 1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 72 Im Ms folgt in3 Im Ms folgt gestr ganz und4 Im Ms folgt gestr er

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Bestimmen wir das absolute Wesen Gott mit den aumlltern Meta-physikern als den Inbegriff aller Realitaumlten oder mit Spinozaals das Wesen welches alles was Wesen was Realitaumlt aus-druumlckt in sich begreift so laumlszligt sich dieser Gedanke so ausspre-chen der Mensch kann nur das mit wahrem Erfolg betreibenwas ihm sei dieses nun seinem denkenden Bewuszligtsein Gegen-stand oder nicht als eine goumlttliche Realitaumlt gilt1 was in demabsolut2 realen Wesen zwar nur eine Realitaumlt eine Bestimmungist zur Substanz s[eines] Lebens und Geistes wird aber es ebennur dadurch werden kann weil es in Gott wenigstens eineRealitaumlt ist daher es zu begreifen ist [wie] wir weiter nochsehen w[erden] daszlig in neurer Zeit von denen die ihren Geistnur auf die Erforschung der materiellen Dinge konzentrierendie Materie fuumlr sich selbst zum obersten und letzten Prinzipselbst ihrer Anschauungen wurde

Wie konnten also Kunst und Wissenschaft unter der Herr-schaft des negativ-religioumlsen Geistes gedeihen da sie in dieKlasse des nur Weltlichen d h des im Wesen Wesenlosenherabgesetzt da die edelsten und unuumlbertrefflichsten Reprauml-sentanten und Priester derselben ein Sophokles Pindar So-krates Aristoteles in die Houmllle verstoszligen waren Wie konnte ersich hingeben dem tiefern und ernsten Studium der Natur dajedes ernste Studium eine Seele fordert die Seele aber nurjedem negativen Gotte gehoumlrte nur der Leib der Erde und ihrenBeschaumlftigungen blieb Wie konnte er3 der Natur die Bedeu-tung geben die ein Gegenstand fuumlr uns haben muszlig wenn wir[ihn] zum Objekte wahrhafter Hingebung machen wollen dadie Natur4 155 die Leidenschaft in ihrem houmlchsten Affekteallein in der Sprache vorfindet um sich Luft zu machen undsich auszudruumlcken sind Goumlttlichkeit und Seligkeit und wasdie von ihrem Gegenstande ganz erfuumlllte Leidenschaft sprichtist wahr denn was anders soll denn wahr sein als was derMensch in den houmlchsten Momenten ausspricht in den Mo-menten6 wo er ganz von seinem Gegenstande ergriffen ist undseine Natur daher am treusten darstellt die die Momente seiner 1 Im Ms folgt gestr oder das2 in dem absolut er obwohl es fuumlr ihn die Substanz Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr uumlberh[aupt]4 Im Ms folgt in5 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 86 Im Ms folgt gestr geistiger Ekstase

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houmlchsten und wahren Freiheit sind1 Und solcher Enthusias-mus der seinen Gegenstand bis in den siebenten Himmel er-hebt war es mit dem die Versoumlhnung der Christenheit mit derMenschheit Kunst und Natur gefeiert wurde und die von denKirchenvaumltern verstoszlignen Heiden als naumlchste2 Anverwandteals Lehrer und Freunde als nachahmungswuumlrdige Vorbildervon der Christenwelt begruumlszligt und aufgenommen wurden3 Abereben dieser Enthusiasmus ohne welchen wir jetzt noch in deralten Barbarei saumlszligen dieser universale Mensch mit Menschliebevoll verbindende Nahes und Fernes4 Gegenwart und5

Vergangenheit6 alles7 Vortreffliche und Gute es finde sichauch wo es wolle mit inniger Hingebung als die eine und selbeWahrheit in den mannigfaltigsten unterschiednen Gestaltenumfassende Sinn ist ein pantheistischer Sinn denn der Panthe-ismus8 verbindet der Monotheismus ndash die ausschlieszliglicheHingebung an ein herrschsuumlchtiges Prinzip ndash trennt und iso-liert

Sehen wir nun wie das was wir pantheistischen Sinn nann-ten9 sich als Philosophie aussprechen muszligte Das monotheisti-sche Prinzip des Mittelalters hat sich in der Philosophie ausge-sprochen als die ausschlieszligliche Herrschaft der scholastisch-aristotelischen Philo[sophie] 1610 Aristoteles11 und nochdazu der verstuumlmmelte in den Geist und die Sprache derScholastik uumlbersetzte und eigenmaumlchtig interpretierteA[ristoteles] war die Basis ja die Autoritaumlt und noch dazu dieeinzige Autoritaumlt in der Philosophie gleichsam der Repraumlsen-tant der Vernunft wenn auch von Plato und andern aumlltern Phi-losophen einzelne Saumltze bekannt waren ja einige fruumlher wie

1 Im Ms folgt gestr ausspricht2 naumlchste teure Korr im Ms3 Im Ms folgt senkrecht gestr Aber eben der scholastisch-

aristotelischen Philo[sophie]4 Nahes Fernes Zeit mit Zeit Korr im Ms5 und mit Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr liebevoll verbindende7 Im Ms gestr alles8 Im Ms folgt gestr ist9 nannten hatten Ms10 Im Ms gesamter folgender Textkorpus senkrecht gestr Aristote-

leshellip Statuiertes war11 Im Ms folgt gestr allein

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Abaumllard eine tiefere Kenntnis von Plato namentlich hatten1dessen Studium aber schon nach Abaumllard wieder verschwandbis zum Wiedererwachen der Wissenschaften Der pantheisti-sche Sinn konnte sich daher in der Philos[ophie] nicht andersaumluszligern als darin zunaumlchst daszlig auch die uumlbrigen Philosophiendes Altertums Gegenstand des Studiums wurden und daher dieausschlieszligende bornierte den Geist bedruumlckende Herrschaftdes Aristot[eles] zerstoumlrt [wurde] und eben mit diesem Sinn fuumlrverschiedene Arten der Philosophie ein freier umfassenderSinn fuumlr Philosophie uumlberhaupt entstand Allein da dies mehrnur eine negative Bedeutung hat so muumlssen wir positiver zubegruumlnden suchen wo der Geist der neuern Philos[ophie] sichzeigt und wir daher mit ihm beginnen muumlssen 2

Es wurde eben als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmalzwischen der mittelalterlichen und der neuern Zeit angefuumlhrtdaszlig die Welt eine andere Bedeutung erhielt und zur Bezeich-nung dieser Bedeutung der metaphysische Ausdruck gebrauchtdaszlig die Welt in ihrer3 Einheit mit Gott erkannt wurde wasnatuumlrlich nicht so zu verstehen ist als haumltten sich die Menschenuumlberhaupt zu dieser metaphys[ischen] Erkenntnis erhoben die4

die Philosophen der neuern Zeit aussprachen sondern5 so zuverstehen daszlig uumlberhaupt das was von dem negativ-religioumls[en] Geiste als ein Eitles Nichtiges oder nur um des 1 Im Ms folgt gestr so kann man hier2 Am Rande senkrecht gestr Wo wir diesen freien universellen

anti-scholastischen nach eignen Prinzipien philosophierenden dasWirkliche als Natur durch Sinn und Vernunft das Wirkliche alsGeist durch selbstaumlndiges Denken in wirklichen aus dem Lebendes Gegenstandes selbst geschoumlpften nicht in abgezognen formelllogisch-metaphys[ischen] Bestimmungen zu erfassen bestrebtenGeist erblicken haben wir die Philos[ophie] der neuern Zeit oderwenigstens ihre Anfaumlnge

Der universale offene allem Eindruck sich hingebende undaufnehmende rege Sinn dieser Geist der so unendlich wie seinObjekt das Weltall sein wollte war offenbar auch die Ursache daszligwir bei ihnen so widersprechende Ansichten und Meinungen in ih-ren Schriften und selbst in ihrem Charakt[er] so nicht zusammenvereinbare [zusammen vereinbare zusammeneinbare A] Eigen-schaften antreffen So beschaumlftigen und okkupiert [Text bricht ab]

3 Im Ms folgt gestr Bedeutung4 Im Ms folgt gestr einige5 Im Ms folgt gestr uumlberhaupt

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irdischen Notbedarfs willen Statuiertes war 171 eitle Kreaturwar die ohne im Wesen Gottes begruumlndet [hellip] [ohne] mitNotwendigkeit aus ihm hervorgegangen zu sein lediglich einProdukt seines Willens war Wie konnte er sich versenken indie Tiefen des Denkens und Forschens da jede Versenkung inWahrheit ein Akt religioumlser Hingebung und Aufopferung istGott und Religion aber nur in einer partikulaumlr beschraumlnktenund beschraumlnkenden Weise2 Gott nur als ein exklusives au-szligerweltliches als das wahre Wesen die Verehrung und Anbe-tung der3 Dienst an diesem Wesen4 fuumlr den wahren Gottes-dienst und dieser Gottesdienst als die Bedingung der ewigenSeligkeit als das einzig Nottuende und das einzige Heil derSeele erfaszligt w[urde] und daher solcher Dienst der Wissen-schaft und Kunst wie er die unerlaumlszligliche Bedingung ihresGedeihens zur Vollkommenheit ist von dem juumldisch-christlichen Geiste fuumlr nichts weniger als fuumlr Goumltzendienstangesehen werden konnte Wie konnte uumlberhaupt der be-schraumlnkte negative ein- oder vielmehr nur jenseitige ChristBuumlrger dieser Welt werden wie die Angelegenheiten diesesLebens sich zu Gemuumlte ziehen wie die Blumen und Fruumlchte imGarten der Natur warten und genieszligen da das Schwert desWeltrichters stets uumlber s[einem] Haupte schwebte da ihm dasLeben nicht als Selbstzweck nicht an und fuumlr sich sondern umseiner Folgen willen nur als vorbereitender Zustand Bedeutunghatte da das ganze Leben eines frommen Christen wie Augu-stin sagt ndash eben der Augustin der der eigentliche Vater diesesChristentums war welches im Mittelalter herrschte das wasAristoteles in der Philos[ophie] in der Theologie war ndash nur einfrommer Seufzer nach Gott sein sollte5 und zwar nach Gott inder Bedeutung dieses gegen die Wirklichkeit negativen We-sens

Eine wesentliche Veraumlnderung eine Revolution des mensch-l[ichen] Geistes konnte daher erst entstehen und entstand wirk-

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 92 Im Ms folgt gestr als das einzig Wahre und Wesenhafte aufgefaszligt

waren3 der dieser Korr im Ms4 diesem Wesen dieses Wesens Ms5 Vgl Augustinus Expositio diui Aurelij Augustini in Epistolam beati

Iohannis In Sermonum Opera plura et diversa Basileae 1495 CIV Vgl GW 2 S 12 15 GW 9 S 210 und GW 18 S 433

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lich erst da wo1 mit dem Begriffe des absoluten Wesens nichtmehr der Begriff eines partikulaumlren herrischen ausschlieszligen-den auszligerweltlichen oder weltfremden Wesens verbundenGott in einem freieren weiteren universalem allgegenwaumlrti-gen Sinne erfaszligt wo2 das Christentum nicht mehr als einechinesische Mauer zwischen der neuen und alten und uumlbrigenWelt nicht mehr als ein Widerspruch gegen die urspruumlnglichewahre Natur der Menschheit 18 sondern das tief und wahr-haft Menschliche in Uumlbereinstimmung mit dem Christentumund das Christliche umgekehrt auch als das wahrhaft Mensch-liche angeschaut wurde wo nicht mehr Jerusalem mit Aus-schluszlig der gesamten uumlbrigen Welt fuumlr die einzige Stadt Gottesfuumlr den einzig heiligen Wallfahrtsort der Christenheit galt woman auch in Athen3 in Rom auch in den Tempeln der Heidenden Schauer des goumlttlichen Wesens nicht mehr Teufel undDaumlmonenspuk4 vernahm in den Tugenden der Heiden ndash undihre edelsten Tugenden waren ihre klassischen Werke in Kunstund Wissenschaft ndash nicht mehr wie der Kirchenvater Augustinsplendida vitia [glaumlnzende Laster] sondern Strahlen des goumlttli-chen des alle Menschen erleuchtenden Lichtes erkannte wodie Welt nicht mehr fuumlr eine Traumlne Gottes angesehen wurdewie sie ein mittelalterlicher und nach ihm ein neurer fran-zoumls[ischer] Mystiker nannte sondern oder ndash wenn man [in]dem Bilde stehen [bleiben] will ndash5 sie wohl auch mit6 einerTraumlne Gottes versinnlicht wurde aber nicht als Traumlne des Mit-leids oder der Barmherzigkeit ndash denn diese meint man nureinem von sich getrennten einem fremden andern ungluumlckli-chen Wesen sondern als eine Freudentraumlne

1 wo als Korr im Ms2 wo als Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr auch4 Tempeln der Heiden Daumlmonenspuk Tempeln der Heiden nicht

mehr Teufel und Daumlmonenspuk sondern den Schauer des goumlttlichenWesens Korr im Ms Fehlt in A

5 Im Ms folgt gestr wo6 mit fuumlr Korr im Ms

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III Vorlesung [Pantheistischer Sinn Geist und Materie] 1

Wie es nur ein pantheistischer Sinn ndash wohlgemerkt nur Sinnnicht foumlrmlicher systematischer bewuszligter Pantheismus ndash warder jene schneidende Differenz zwischen christlich und un-christlich2 jene Differenz in welcher der Geist des Altertumsals ein profaner bestimmt und verneint3 war und daher auchzugleich mit der Verehrung und Wertschaumltzung der Werkedesselben4 die Liebe der Geschmack der Sinn fuumlr ihr Studiumsich verlieren muszligte ausloumlschte und durch die Anschauungund Aneignung des selbstbewuszligten kraumlftigen selbstaumlndigenGeistes der klassischen Welt in der Christenheit das Bewuszligt-sein ihrer eignen Kraft und damit selbstschaffenden Geist imSinne des Altertums erweckte so war es eben nur dieserpantheistische Sinn in dem wir den wahren Grund aller groszligenErfindungen und Entdeckungen der neuern Zeit zu5 erkennenhaben6 Der negativ-religioumlse Geist der einen auszliger- odervielmehr gegenweltlichen Gott zu seiner Basis hatte und daherauch ein auszligerweltliches ein betendes und fastendes sichkasteiendes von der Wirklichkeit abgezognes kloster-geistli-ches Leben als das gottselige Leben d h als das Muster deswahren Lebens ansah betrachtete die Welt nur als eine Stationauf der Fahrt des Lebens Wie kann man aber da Staumldte bauenden Boden veredeln Baumlume pflanzen wo man sich nicht zuHause findet und festen Fuszlig fassen will Eine ganz andre An-schauung der Welt eine andre Bedeutung des Lebens als eswenn auch nicht in den Augen doch im Sinne des negativenChristen hatte war daher vonnoumlten um alle jene groszligen Ent-deckungen und Erfindungen der neuern Zeit hervorzubringen

1 So auch A ndash Am Rande von fremder Hand Vorles[ungen] uumlber

Geschichte der neuern Philos[ophie] wahrschein[lich] aus d[em]Jahr [18]3536 Fehlt in A

2 Im Ms folgt gestr ausloumlschte3 verneint umgestoszligen Korr im Ms4 der Werke desselben derselben Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr verdanken6 Der negativ-religioumlse Geist uumlberhaupt erwarb In BwN 1 Bd S

319-321 SW BJ 4 Bd S 390-392 ndash entsprechender Hinweis imMs am Rande von fremder Hand bdquoWerke 4 390ldquo ndash unter bdquoDerpantheistische Geist der neueren Zeitldquo mitgeteilter Abschnitt ausden Erlanger Vorlesungen Hinweis fehlt in A

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Wie haumltte man um solchen geringen Preis als die Welt in sei-ner Anschauung hatte solche rastlose Taumltigkeit entwickelnsolche schweren Opfer bringen solche groszligen Unternehmun-gen unternehmen koumlnnen1 Und diese neue Bedeutung desLebens war die Bedeutung desselben als Selbstzweck Die Weltwurde als goumlttlich und unendlich sie wurde nicht mehr als einetranseunte sondern2 immanente 20 Wirkung Gottes ange-schaut ndash eine Anschauung die es notwendig mit sich brachtedaszlig nun auch die Materie ndash als die allgemeine sinnliche Basisder Welt ndash eine wesentlich von ihrer fruumlhern Stellung verschie-dene Bedeutung erhielt Der Geist des fruumlhern Christentumswar ndash betrachtet in und nach seinem Wesen ndash ein abstrakt un-und uumlbersinnlicher Geist Der metaphysische Ausdruck diesesGeistes war unter andrem hauptsaumlchlich die Lehre von derSchoumlpfung der Welt aus Nichts Gott schuf die Welt ausNichts3 nicht aus einer vorhandnen Materie und dieses Nichtswar das Nichts der Materie Der praktische Nihilismus desmateriellen Lebens der auf mannigfaltige Weise in der Periodedes negativen Christentums zum Vorschein kommt war nurein Ausfluszlig oder Verwirklichung jener metaphysischen An-sicht gleichwie die Metaphysik der Scholastiker mit ihrenabgezognen Universalien aufs Innerste mit jenem abstrakt-unsinnlichen Geiste des Christentums zusammenhing

Mit der veraumlnderten Anschauung von der Welt erhob sichdaher jetzt auch die Materie wieder aus dem Staube in dem sieunter den Folianten der Mystiker und Scholastiker des Mittel-alters begraben lag aus dem elenden Knochenskelett das sieihnen war und ihnen nur das Memento Mori [Gedanke desTodes] vergegenwaumlrtigte entstand zur Verwunderung undEntzuumlckung4 der Menschheit eine Goumlttergestalt in Fleisch undBlut d h in bildlosen Ausdruumlcken die Materie wurde in ihrerSubstantialitaumlt und Realitaumlt sie wurde nicht als von Gott ne-

1 Wie haumltte koumlnnen [so auch A] Wie haumltte man solche grossen

Unternehmungen beginnen solche rastlose Thaumltigkeit entwickelnsolche schwere Opfer bringen koumlnnen um solchrsquo geringen Preis als[als wie SW BJ] ihn die Welt in jener Anschauung hatte BwNSW BJ

2 In BwN SW BJ folgt als eine3 Nichts nichts BwN4 Verwundrung Entzuumlckung [so auch A] Verwunderung und zum

Entzuumlcken BwN SW BJ

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giert sondern von ihm bejaht nicht als von ihm durch s[einen]grundlosen Willen geschaffen sondern als in ihm begruumlndetangeschaut Die groszligen1 Fortschritte und Erfindungen im Ge-biete der Mathematik Physik und Astronomie die uns sogleicham Eingang der neuern Zeit in Erstaunen setzen lassen sichnur dadurch genuumlgend erklaumlren daszlig man erkennt daszlig die Ma-terie und hiermit auch der Raum der2 die allgemeine Formaller Materialitaumlt und mit der Zeit die Basis oder das Mediumder Mathematik ist als ein reales wesenhaftes Objekt sich imGeiste der Menschheit fixierte und so [der] von der Materieabgezogne und abstrahierende sie nur als Nichtiges setzende3

Menschengeist der daher auch in dieser Ein- und Abgezogen-heit nicht faumlhig war sogen[annte] reale Wissensch[aft] zuerzeugen sich mit dem Weltgeiste der schaffenden Naturver-nunft die in Maszlig Gewicht und Zahl alles gesetzt hat wiederversoumlhnte und so eine die Realitaumlt selbst bestimmende undumwandelnde 21 Macht wurde Δὸς μοι ποὺ στῶ καὶ κινήσωτὴν γὴν 4 [bdquoGib mir wo ich stehen kann und ich werde die Erdebewegenldquo] sagte Archimedes Die Maumlnner die sich im Mittel-alter mit Erfolg auf Chemie und Mechanik legten wie derenglische Moumlnch Roger Baco5 Gerbert nachheriger SylvesterII Papst6 galten wegen der ihre Zeit befremdenden Wirkungenfuumlr Zauberer die mit boumlsen Geistern im Bunde standen Dieserboumlse Geist diese dem Mittelalter unbekannte dunkle Machtwar aber nichts andres als die materielle Macht die Macht derGeist der Natur mit dem sich jetzt wieder der Mensch verbuumln-dete und in dem er das δὸς μοι ποὺ στῶ des Archimedes unddamit das Mittel fand die Erde die dem7 Menschengeiste infruumlhrer Zeit eine unbewegliche unuumlberwindliche Masse war in 1 groszligen erstaunlichen Korr im Ms2 der als Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr Geist4 Vgl Plutarch Marcellus In Plutarchus Chaeronensis opera quae

exstant omnia cum Latina interpretation Hernanii Cruserii BdI Francofurti 1620 S 415 Vgl C M Brandelius Dissert hist-math sistems Archimedis vitam eiusque in mathesin merita Gry-phiswaldiae 1789 ndash In BwN SW BJ folgt bdquoGib mir wo ich steheund ich werde die Erde bewegenldquo

5 Im Ms folgt gestr der Franzose6 nachheriger Papst [so auch A] nachheriger Papst Sylvester II

BwN SW BJ7 Im Ms folgt gestr fruumlh

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Bewegung und gleichsam in Fluszlig zu bringen Die Entdeckungdaszlig die Erde um die Sonne kreist war vor allem der groszligekuumlhne Schritt durch den sich der menschliche Geist in Freiheitsetzte die Fesseln seiner bisherigen Denkart und Anschau-ungsweise der Welt zerbrach und mit Adlersflug sich zur1 An-schauung der weltbeherrschenden himmlischen Maumlchte undGesetze erhob und dadurch sich die Herrschaft der Erde undder Materie2 uumlberhaupt erwarb Denn eben nur der Geist befreitsich von dem Druck und den Fesseln der Materie der in sieeingeht der sich mit ihr befreundet der ihr schoumln tut undschmeichelt der sie als ein verwandtes Wesen anerkennt nichtder sie sich wie einen boumlsen Daumlmon aus dem Sinne schlaumlgt dersie scheut und verflucht Natura non nisi parendo vincitursagte Baco[n]3 nur der sich der Natur unterwirft gehorsam istwird ihr Sieger Die Entdeckung der Erde geht parallel derVervollkommnung der Schiffahrtskunde den groszligen Laumlnde-rentdeckungen die man zur See machte Die Erde wie derMenschengeist war gebunden gefesselt beschraumlnkte Kuumlsten-fahrt seine Forschungen im Weltall Indem aber die Erde inBewegung versetzt wurde eroumlffnete sich dem Menschen derBlick in den unendlichen Ozean des Weltalls und machte sich[der Mensch] im Bunde mit den himmlischen Maumlchten zumHerrn und Besitzer der Erde auf der der negative Christ nurWirtsmann der sich eben deswegen nicht sehr um ihren Standund Befund nur oberflaumlchlich um die Stuben bekuumlmmert dieer gerade bewohnte nicht Hausherr war Und gerade dadurchuumlberwand der Mensch die Materie 22 in ihrer Erscheinungdie besondere Materie4 daszlig er die Materie in ihrem Wesenerkannte und anerkannte Die Erscheinungen die Materie imBesondern konnte er naumlmlich nur dadurch uumlberwinden daszlig erdie Gesetze der Materie erkannte denn wie Baco von Verulamsagt ndash er der eine der bedeutendsten Autoritaumlten in dieser An-gelegenheit ist ndash der Mensch kann nur soviel als er weiszlig

1 zerbrach zur [so auch A] zerbrach sich mit Adlerflug zur BwN

SW BJ2 der Erde der Materie [so auch A] uumlber Erde und Materie BwN

SW BJ3 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

Francofurti 1665 lib I Aph III S 279 Vgl auch GW 3 S 266und GW 10 S 134

4 besondere Materie besonderen Erscheinungen Korr im Ms

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tantum potest quantum scit1 potentia [humana] et scientia inidem2 coincidunt3 [Das [menschliche] Koumlnnen und Wissenergaumlnzen einander] Aber wie haumltte er die materiellen Dingezum anhaltenden und wesenhaften Objekte seiner Forschungseines Nachdenkens machen koumlnnen haumltte er nicht die Wesen-haftigkeit und Realitaumlt der Materie anerkannt Unter den be-sondern Ursachen warum das Naturstudium in fruumlherer Zeit sodanieder lag [fuumlhrte er] unter anderm ndash auszliger4 dem Umstanddaszlig fruumlher der Aberglaube und der blinde unvernuumlnftige Reli-gionseifer von jeher der laumlstigste und heftigste Gegner derNaturphilosophie gewesen sei schon bei den Griechen die derIrreligioumlsitaumlt und des Atheismus beschuldigt wurden5 die Blitzund Donner aus natuumlrlichen Ursachen ableiteten und bei denKirchenvaumltern die verketzerte[n] [Auffassungen] welche be-wiesen daszlig die Erde rund sei und es folglich notwendig Anti-poden gaumlbe und neben der Erscheinung6 daszlig seit der christli-chen Zeit allein die Theologie die vortrefflichsten Koumlpfe inBeschlag und Anspruch genommen habe ndash mit Recht auchdieses Vorurteil7 an daszlig der menschliche Geist sich von seinerWuumlrde etwas zu vergeben glaubte wenn er sich mit Experi-menten und die8 besondern sinnlichen in die Materie ver-senkten9 Dinge10 zum Objekte anhaltender Beschaumlftigung ma-che11 Ein ganz richtiger Grund Nur als der Mensch mit derMaterie wieder eine wuumlrdigere Vorstellung verband [sie] nichtmehr als eine elende schmutzige veraumlchtliche Vettel ansahnicht mehr der Geist in diesem feindlichen Gegensatz zumKoumlrper sich erfaszligte daszlig er sich12 als den Christ den Koumlrper als 1 F Bacon Cogitata et Visa In Opera omnia hellip a a O S 592

Vgl auch GW 2 S 4722 in idem in unum Ms3 F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

a a O lib I Aph III S 2794 auszliger hielten Korr im Ms5 wurden habe Ms6 der Erscheinung dem Umstande Korr im Ms7 dieses Vorurteil diesen Grund Korr im Ms8 die den Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr Geistern10 Dinge [so auch A] Dingen Ms11 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip a

a O lib I Aph LXXXIX S 306 und Aph LXXIX S 29912 Im Ms folgt gestr nur

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den heillosen verruchten Juden ansah der nur ihm zur Kreuzi-gung diene nur da konnte der Geist es nicht mehr unters[einer] Wuumlrde halten sich mit der Materie abzugeben undeinzulassen konnte die Beschaumlftigung mit ihr aufhoumlren einenicht koschere verunreinigende zu sein Die materiellen Be-schaumlftigungen Entdeckungen und Erfindungen konnten nur aufdem Standpunkt des Geistes entstehen wo die Materie diedem Geiste der Mystiker Scholastiker und negativ[en]Chr[isten] 23 eine aumluszligerliche Macht war zu der1 er kein and-res Verhaumlltnis hatte als von ihr zu abstrahieren wofuumlr aber dieMaterie um so mehr ihm manchen fatalen Possen spielte undum so mehr mit Anfechtungen aller Art ihm2 zusetzte demGeiste sozusagen eine innerliche Macht wurde von ihm selbstmit in die Anschauung des absolut realen Wesens mit aufge-nommen wurde3 Es war daher eine notwendige Folge daszlig wiewir bei Cartesius4 sehen werden die mathematische und mate-rielle Anschauung uumlberhaupt in den ersten Jahrhunderten derneuern [Zeit] bis auf Leibniz ja zum Teil selbst in diesem nochund noch in Kant die allgemeine die Geister beherrschendeAnschauung wurde daszlig ferner Gott nicht mehr als ein fernesjenseitiges sondern als ein unmittelbar praumlsentes Wesen undder Raum selbst als die unendliche Gegenwart Gottes erfaszligtwurde So nennt der beruumlhmte Mathematiker Newton dessenErfindungen die allgemeinen wurden der5 fuumlr den mathemati-schen und physikalischen Genius angesehen6 den Raum dasSensorium Dei7 indem er sagt in s[einer] Optik Quaest 268daszlig das allgegenwaumlrtige Wesen in spatio infinito tanquamsensorio suo res ipsas intime cernat totasque intra se prae-

1 Im Ms folgt gestr nur abge2 Im Ms folgt gestr aussetz3 Es war daher Aufgabe geben wollte In BwN 1 Bd S 321-323

SW BJ 4 Bd S 392-394 ndash entsprechender Hinweis im Ms amRande von fremder Hand bdquoWerke 4 392ldquo ndash Fortsetzung des untermitgeteilten Abschnittes aus den Erlanger Vorlesungen Hinweisfehlt in A

4 Cartesius [so auch A] Descartes BwN SW BJ5 der [so auch A] den man BwN SW BJ6 angesehen [so auch A] ansah BwN SW BJ7 In BwN SW BJ folgt das Wahrnehmungs-Organ Gottes ndash Vgl GW

3 S 74 und GW 6 S 1348 26 20 A

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sens praesenter complectatur1 eine Behauptung die Leibnizdann2 anfocht und daruumlber mit dem Englaumlnder Clarke einemFreunde und Anhaumlnger Newtons der den unendlich[en] Raumeine proprieteacute de Dieu [Eigentuumlmlichkeit Besitztum Gottes]nannte3 in Streit kam4 D[as] Wort sensorium ist soviel alsd[as] griech[ische] αἰσητήριον das organon sensationis [Sin-nes- Empfindungsorgan] So beherrschte auch den englischenmehr mystischen als philosophischen Metaphysiker den Hen-ricus Morus5 der Begriff der Ausdehnung als eine absoluteMacht Er unterscheidet sie zwar scharf von der Materie als einunterschiednes Wesen aber die Ausdehnung ist doch der ab-strakteste uumlbersinnlichste Begriff der Materie sie ist die letztedem Geiste naumlchste Form oder Attribut der Materie daher sieauch Cartesius6 wie wir spaumlter sehen werden die letzte Eigen-schaft ist von der wir nicht mehr abstrahieren koumlnnen ohne dieMaterie aus dem Gesichte zu verlieren7 zur einzigen wesentli-chen Bestimmung der Materie gemacht w[urde]8 Von dieserAusdehnung sagt nun Morus9 [Quod] extensum illud immobi-le quod demonstratum est a materia mobili distinctum non estimaginarium quiddam sed Reale saltem si non Divinum10 Ja 1 I Newton Optice sive de reflexionibus hellip Lausannae ndash Genevae

1740 liber III Quaest 28 S 298 ndash indem er complecatur in-dem er in seiner Optik Quaest 26 sagt daszlig das allgegenwaumlrtigeWesen im unendlichen Raume gleichsam seinem Wahrnehmungs-Organe die Dinge selbst innerlich anschaut und als gegenwaumlrtigessie in sich erfaszligt SW BJ

2 Im Ms folgt gestr daruumlber3 S Clarke Abhandlung von dem Daseyn und den Eigenschaften

Gottes Braunschweig ndash Hildesheim 1756 S 53-544 nannte kam [so auch A] nennt geriet BwN SW BJ ndash Vgl

Occasio Controversiae inter Leibnitium amp Clarkium hellip In G GLeibnitii Opera Omnia hellip Genevae 1768

5 Henricus Morus [so auch A BwN] Henry More SW BJ6 Cartesius [so auch A] fuumlr Descartes SW BJ7 In BwN SW BJ folgt und deshalb von ihm8 w[urde] [so auch A] wird BwN SW BJ9 Morus [so auch A BwN] More SW BJ10 H Morus Enchiridion metaphysicum In Henrici Mori

Cantabrigiensis Opera Omnia hellip T I Londini 1679 C VIII S165 ndash Extensum Divinum fehlt in SW BJ ndash In BwN SW BJfolgt bdquoJenes unbewegliche Ausgedehnte von dem gezeigt wurdedaszlig es von der beweglichen Materie verschieden sei ist nichts Ima-ginaumlres sondern mindestens Real wo nicht Goumlttlichldquo

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diese Ausdehnung hat so seinen Geist fasziniert daszlig er selbstsagt jeder Geist ist ausgedehnt unter welcher Ausdehnung ernatuumlrlich nicht eine sinnlich teilbare1 bestimmte Ausdehnungd i Groumlszlige verstand Aber diese Ausdehnung ist doch nichtsandres als die Materie wie sie zwar nicht in Fleisch und Blutaber als ein Gespenst im Kopfe des englischen Metaphysikersherumspukt So ist es der Hauptpunkt in der Baconischen Re-stauration der Wissens[chaften] die er lediglich von der wah-ren auf Erfahrung gegruumlndeten Naturphilosophie abhaumlngigmacht 24 daszlig man nicht abstrakte uumlbersinnliche sondernselbst materielle Prinzipien zum Prinzip der Natur nehmenmuumlsse2 daher er auch den Prinzipien der Atomisten die unteil-bare Koumlrperchen von bestimmter Groumlszlige und Gestalt bei ihrerAnschauung zugrunde legten3 den Vorzug vor den aristoteli-schen gab4 [und] daher er die5 allgemeinen6 Gesetze und For-men nicht das Besondere als das wesentliche Objekt der Na-turphilosophie setzte aber solche Formen die wesentlich ma-teriell-bestimmt sind7 So war es auch im innersten Zusammen-hang mit diesem Geiste wenn Bacon und andere der Wissen-schaft wesentlich auch8 materielle Zwecke als eine notwendigeAufgabe geben9 wollten So sagt Baco[n] ausdruumlcklich bdquoDerwahre und vernuumlnftige Zweck der Wissenschaft ist dem

1 sinnlich teilbare [so auch A] sinnliche teilbare BwN SW BJ2 muumlsse [so auch A] muszlig BwN SW BJ3 legten [so auch A] legen BwN SW BJ4 In BwN SW BJ folgt was dieser in die Materie versenkte duumlrfe

Vgl folgende Fuszlign 11 Am Rande5 Im Ms folgt gestr diejen[igen]6 er allgemeinen er allgemeine A ndash [und] daher allgemeinen

Bacon setzte daher auch die allgemeinen BwN SW BJ7 sind [so auch A BwN SW BJ] ist Ms ndash Am Rande Dieser in die

Materie versenkte die Dinge in ihrer konkreten materiellen Einheitzu erfassen bestrebte Geist [Im Ms folgt gestr zeigt sich] [sich] da-durch besonders zeigt daszlig er die Materie des Aristoteles als eineMaterie ohne Form und Bewegung [Im Ms folgt gestr erklaumlrte] fuumlreine Fiktion erklaumlrte und dagegen geltend macht[e] [erklaumlrte macht[e] erklaumlrt und dazu geltend macht BwN SW BJ] daszlig mandie urspruumlngl[iche] Materie mit der Form und Bewegung in ur-spruumlngl[icher] Einheit denken muszlig [muszlig muumlsse BwN SW BJ] siewohl unterscheiden aber nicht trennen duumlrfe

8 auch fehlt in BwN SW BJ9 geben [so auch A] stellen BwN SW BJ

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menschlichen Leben Nutzen zu bringen es mit neuen Erfin-dungen und Schaumltzen zu bereichernldquo1 bdquoIhr Zweck ist dahernicht etwa Befriedigung der Neugierde oder Amuumlsement oderRuhm und Fertigkeit oder die Fertigkeit gut parlieren unddisputieren zu koumlnnen oder Geld und Brot uns zu verschaffenDie Wiss[enschaft] soll nicht sein ein Ruhebett fuumlr den vonNeugierde beunruhigten Geist oder ein Spaziergang zum Ver-gnuumlgen oder ein hoher Turm von dem man veraumlchtlich herab-blickt oder eine Burg und Schanzwehr fuumlr Wortstreit und Ha-der oder eine Werkstatt fuumlr die Gewinnsucht und den Wuchersondern ein reicher Samenbehaumllter eine Schatzkammer zurEhre des Werkmeisters aller Dinge und zum Nutzen derMenschheit Der2 Zweck der Wiss[enschaft] ist daher die Ver-einigung der beschaulich spekul[ativen] Taumltigkeit mit derpraktischen eine Verbindung die der Conjunction der beidenhoumlchsten Planeten gleicht des Saturnus des Fuumlrsten oder Prin-zips der ruhigen Beschauung und des Jupiters des Fuumlrsten destaumltigen Lebensldquo3 bdquoDie Naturwissenschaft[en] haben daherkeinen andern Zweck als die Macht und Herrschaft des Men-schen uumlber die Natur zu erweitern und fester [zu] gruumlndenDenn die Herrschaft des Mensch[en] uumlber die Natur besteht nurin der Wissenschaftldquo4

Der anstoumlszligige paradoxe Satz des Spinoza die Materie istebensogut eine Eigenschaft ein Attribut der goumlttlichen Sub-stanz wie das Denken5 ist daher nicht andres als das in denGedanken und einen abstrakten metaphysischen Ausdruckgefaszligte Wesen und Treiben des Geistes der neuern Zeit DiePhilosophie hat keine6 andre Bedeutung als in der Form desGedankens zum Bewuszligtsein zu bringen was der innere ver-borgne Geist der Menschheit einer besondern Zeitperiode istdie Philosophen tun 25 nichts anders als daszlig sie sich erkuumlh-

1 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera Omnia hellip

a a O lib I Aph LXXI S 3002 Im Ms folgt der3 Vgl F Bacon De dignitate et augmentis scientiarum In Opera

omnia hellip a a O lib IX S 224 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

a a O lib I Aph CXXIX S 324-3255 Vgl B Spinoza Ethica pars secunda In Opera quae supersunt

omnia Vol II Ienae 1803 Propos I S 786 hat keine ist nichts Korr im Ms

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nen was die andern auf der Seele haben aber als ein Geheim-nis in sich verschweigen weil die Menschen im Ganzen dasDunkel oder Helldunkel lieben am wenigsten uumlber sich klar1

zu werden ausdruumlcklich in geraden deutschen Worten auszu-sprechen weswegen sie von jeher so verfolgt und verketzertwurden2 So entgegengesetzt auch der praktische die Spekula-tion verschmaumlhende Realismus in den Systemen3 des so-gen[annten] Sensualismus und Materialismus der Englaumlnderund Franzosen dem Geiste des ganzen Spinoza ist4 so habensie doch ihren letzten Grund in jener Anschauung von der Ma-terie die Spinoza als Metaphysiker in dem beruumlchtigten Satzdie Materie ist ein Attribut Gottes5 aussprach6 Es war notwen-dig daszlig in dem Charakter der Englaumlnder und Franzosen ohnedaszlig sie sich selbst dieses Grundes natuumlrlich7 bewuszligt warenjene metaphysische Bedeutung der Materie sinnliche Bedeu-tung und Gestalt annahm daszlig die Materie fuumlr sich selbst nichtals Attribut Gottes sondern als selbstaumlndiges Subjekt das ober-ste und wesenhafteste Objekt und Prinzip ihres Denkens undselbst8 Lebens wurde es war eine notwendige und insofernnicht zu beklagende Folge daszlig die Materie und zwar nichtbloszlig in abstracto wie z B bei dem Englaumlnder Hobbes9 son-dern in concreto die sinnliche Materie zum Kriterium derWirklichkeit selbst erhoben wurde das nur was materiell wassinnlich und sinnfaumlllig fuumlr wahr und wirklich was nicht mate-

1 Im Ms folgt gestr auszusp[rechen]2 Der folgende Abschnitt So entgegengesetzt auch als Art stuumlnde

In BwN 1 Bd S 324-326 unter bdquoSpinoza der Vater des Sensua-lismusldquo SW BJ 4 Bd S 395-396 ndash entsprechender Hinweis imMs am Rande von fremder Hand bdquoWerke 4 395ldquo ndash unter bdquoSpinozaund der Sensualismusldquo mitgeteilter Abschnitt aus den ErlangerVorlesungen Hinweis fehlt in A

3 die Systeme in den Systemen A BwN SW BJ4 sind ist A BwN SW BJ5 Vgl B Spinoza Ethica pars secunda In Opera quae supersunt

omnia hellip a a O Propos II S 796 Satz aussprach [so auch A] Satze aussprach Gottes BwN

SW BJ7 sie natuumlrlich [so auch A] sie selbst sich natuumlrlich dieses Grundes

BwN SW BJ8 selbst fehlt in BwN SW BJ9 bei Hobbes [so auch A] durch Hobbes bei den Englaumlndern BwN

SW BJ

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riell fuumlr unwirklich galt Der oberflaumlchliche platte1 abspre-chende2 alles Tiefere3 alle Metaphysik und Spekulation verla-chende4 Verstand eines Voltaire der uumlbrigens seine groszligenVerdienste hat samt seinem Beifall und groszligem Anhang5 dener in ganz Europa fand war hiervon ein unausbleibliches Phauml-nomen denn wenn das Sinnliche als solches folglich dasHandgreifliche das Augenscheinliche zum Kriterium der Rea-litaumlt erhoben wird was hat das tiefere Denken noch fuumlr eineBedeutung die Plattheit ist ja zum Prinzip gemacht6 Voltaire7

machte sich lustig uumlber den Pantheismus des Spinoza als einesmetaphysischen Traumlumers er sah nicht ein ndash und keiner siehtes ein wenn er nicht die Erscheinungen in ihren groszligen Zu-sammenhaumlngen8 betrachtet ndash daszlig er eigentlich nur ein Kind desSpinoza oder wenigstens des9 Geistes der sich in einemSp[inoza] ein10 reelleres Dasein gab als in ihm und zwar einrecht loses ungezogenes ausgelassenes Kind11 das sich des-wegen selbststaumlndig duumlnkt weil es zu kurzsichtig ist12 seinenVater zu erkennen ja wir koumlnnen ihm nicht einmal die Ehre26 lassen ihn13 ein Kind des Spinoza zu nennen14 wenn wirnaumlher auf seine und seinesgleichen Abstammung eingehen DieMutter des Spinoza war die Materie15 den sie in16 der Vereini-gung mit dem denkenden Geiste aus ihrem geheimnisvollen 1 platte glatte A2 Im Ms folgt absprechende3 platte Tiefere fehlt in BwN SW BJ4 verlachende [so auch BwN SW BJ] entbehrende A5 seinem Anhang [so auch A] dem groszligen Beifall und Anhang

BwN SW BJ6 die Plattheit gemacht fehlt in BwN SW BJ7 Im Ms folgt gestr spottete und8 ihren Zusammenhaumlngen [so auch A] ihrem groszligen Zusammen-

hang BwN SW BJ9 des Spinoza des [so auch A BwN] des naumlmlichen SW BJ10 ein [so auch A] einen Ms11 In BwN SW BJ folgt war12 In BwN SW BJ folgt um13 Im Ms folgt gestr ohne Einschraumlnkung14 wir koumlnnen zu nennen [so auch A] es fragt sich ob wir ihm die

Ehre der Kindschaft lassen koumlnnen BwN SW BJ15 Die Mutter die Materie [so auch A] Die Materie war die Mutter

des Spinoza BwN SW BJ16 in [so auch A] nach BwN SW BJ ndash Im Ms folgt gestr Ge-

mei[nsamkeit]

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Schoszlige gebar denn die Materie ist mit dem Denken nur Attri-but der Substanz Aber Voltaire hatte nur die Mutter mit demSp[inoza] gemein er war eine1 Frucht der Lust der Vater warnicht der wahre der rechtmaumlszligige Vater der es sein sollte der2

gemeine Menschenverstand Die Materie die bei Sp[inoza] dieFrucht des tiefsten Denkens war die er daher auch nur als eineSpezies faszligte und sie3 auf eine houmlhere Gattung reduzierte wur-de von4 Voltaire und den franzoumls[ischen] Materialisten so der5

Gegenstand ihrer Anschauung daszlig sie sich ganz und gar in sievergafften sie fuumlr eine Frucht6 hielten die gar nicht unt[er]7

einem houmlheren Gattungsbegriff als Art stuumlnde8

1 eine die Korr im Ms2 der rechtmaumlszligige der [so auch A] rechtmaumlszligige Vater sondern

SW BJ3 sie fehlt in BwN SW BJ4 von [so auch A] bei BwN SW BJ5 so der [so auch A] in dem Maszlige BwN SW BJ6 eine Frucht [so auch A] ein Wesen BwN SW BJ7 unter zu Korr im Ms8 die gar stuumlnde [so auch A] das gar nicht im Verhaumlltnisse der Art

zu einem houmlheren Gattungs-Begriffe staumlnde BwN SW BJ

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IV Vorl[esung] [Boumlhme Der Pantheismus in Italien]1

Die Idee von der Einheit der Welt mit Gott war daher die imInnern der Menschheit herrschende Idee Nur daher kam esdaszlig die Welt fuumlr sich selbst die Materie an und fuumlr sich alsoberstes Prinzip sich in den Menschen die die Welt nicht alsMetaphysiker nicht in ihrer Synthesis mit diesem2 Prinzipselbst betrachteten fixieren konnte daszlig uumlberhaupt die Welt sodas Objekt praktischer und theoretischer Taumltigkeit werdenkonnte als sie es in neuerer Zeit war Und diese Idee war sosehr die innere Substanz der neuern Zeit d h die den Men-schengeist im Innersten beherrschende Macht daszlig sie3 selbstbis in die Huumltte des gemeinen Mannes eindrang daszlig sie selbstdem befangnen nicht durch wissenschaftl[ichen] Geist befrei-ten religioumlsen Gemuumlte und zwar dem im strengsten Sinne desChristentums religioumlsen Gemuumlt so sehr es sich auch dagegenstraumlubte als ein ihm zunaumlchst widersprechendes Wesen mitGewalt sich aufdrang Die merkwuumlrdigste Erscheinung in die-ser Art ist der bekannte Goumlrlitzer Schuster Jakob Boumlhm[e] SeinDichten und Trachten ist kein anders als Gott als ein wirkli-ches gegenwaumlrtiges Wesen und damit das Wirkliche als seinemPrinzip nach mit Gottes Wesen Identisches zu begreifen Erspricht sich hieruumlber mit aller ihm zu Gebote stehender Kraftja selbst mit sinnlicher Derbheit und Grobheit aus bdquoAlso koumln-nen wir mitnichten sagenldquo spricht er bdquodaszlig Gottes Wesen et-was Fernes sei das eine sonderliche Staumltte oder Ort besitzeoder habe dann der Abgrund (d i das Prinzip d[as] Wesen)der Natur und Kreatur ist Gott selberldquo4 bdquoSo Du einen Stern einTier Kraut Stein oder irgend eine Kreatur betrachten5 willstsollst Du nicht denken daszlig sein Schoumlpfer irgend weit uumlber denSternen in einem Himmel wohne sondern er ist in dem Ge-schoumlpfe selbstldquo6 bdquoWann Du ansiehest 271 die Tiefe und die

1 So auch A ndash Am Rande l Verweis auf IV Vorlesung2 diesem ihrem [] Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr sich4 J Boumlhme Der Weg zu Christo Buch 7 In Alle theosophischen

Wercken T 8 Amsterdam 1682 cap 3 13 S 1875 betrachten begreifen Korr im Ms6 Vgl J Boumlhme Aurora In Alle theosophischen Wercken T 2 a

a O cap 2 18 Vorrede vgl ebenda cap 3 8 S 15 vgl ebendacap 23 10 11 und 13 S 300-301 vgl ebenda cap 25 17 S 328

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Sternen und die Erden so siehest Du Deinen Gott und in dem-selben Gott lebest und bist Du auchldquo2 bdquoEs duumlrfte mancher wohlsagen Was waumlre das fuumlr ein Gott dessen Leib Wesen undKraft in3 Feuer Luft Wasser und Erde stuumlnde Siehe Du unbe-greiflicher Mensch ich will Dir den rechten Grund der Gottheitzeigen Wo dieses ganze Wesen nicht Gott ist so bist Du nichtGottes Bild[e] wo4 irgend ein fremder Gott ist so hast Dukeinen Teil an ihm[e]ldquo5 bdquoSo Du eine andere Materia bist alsGott selber wie wirst Du denn sein Kind seinldquo6 bdquoGott hat alleDinge aus Nichts geschaffenldquo ndash Nichts steht hier nur dem Et-was was in der alten Sprache Ichts bedeutet entgegen undbedeutet soviel als unbestimmtes Wesen entgegengesetzt ei-nem schon bestimmten und besondern Wesen ndash bdquound dasselbeNichts ist er selberldquo7 Endlich bdquoDa nun Gott diese Welt samtallem hat erschaffen hat Er keine andere Materiam8 gehabtdaraus er es machte als sein eigen Wesen9 als aus sichselbstldquo10 bdquoDenn man kann nicht sagen daszlig in Gott sei Feuerbitter oder herbe viel weniger Luft Wasser oder Erde alleinman siehet daszlig es daraus geworden ist Man kann auch nichtsagen daszlig in Gott sei Tod oder houmlllisch Feuer oder Traurig-keit allein man weiszlig daszlig es daraus ist worden So muszlig manforschen den Quell der Ursachen was prima materia ist zurBosheit und dasselbe in Urkund Gottes sowohl als in Kreatu-ren Denn das ist im Urkund alles ein Ding es ist alles ausGottldquo11 bdquoWir befinden wie wir also ganz irrig und blind ge-

vgl auch J Boumlhme Hohe und tieffe Gruumlnde von dem DreyfachenLeben In Alle theosophischen Wercken T 4 a a O cap 1 51S 16

1 Am Rande Verweis auf IV Vorlesung2 Vgl J Boumlhme Aurora a a O cap 23 9 S 3003 in im Ms fehlt in A4 Im Ms folgt gestr Du5 J Boumlhme Aurora a a O cap 23 3-4 S 2996 Ebenda cap 23 6 S 2997 J Boumlhme De Signatura Rerum In Alle theosophischen Wercken

T 10 cap 6 8 S 448 Materiam Materie Ms9 Im Ms folgt als10 Vgl J Boumlhme Beschreibung der drey Principien In Alle theoso-

phischen Wercken T 3 cap 1 3 S 1111 Vgl ebenda cap 1 5 S 12

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fuumlhrt werden da man uns viel von Gottes Willen1 sagt undbildet die Gottheit immer als ein fremd Wesen fuumlr das fernevon uns sei als ob Gott ein fremd Ding seildquo2 bdquoWie wolltest Du[denn] nicht Macht haben zu reden von Gott der Dein Vaterist des Wesen Du selber bistldquo3 bdquoEs ist eine Hoffart die Dirdas Suchen verbeut4 [verbietet]ldquo5 bdquoLaszlig Dich ja nicht betoumlrendie Gleisner die nur Historiengelehrte sind sie verstehen nichtihre6 Muttersprache verstuumlnden sie die recht so erkennetensie darinnen die Naturldquo7 Schon aus diesen wenigen Stellenerhellt [sich] daszlig auch der fromme Schuster Jak[ob] Boumlhm[e]der eine so merkwuumlrdige Erscheinung ist wie es wenige indieser Art gibt kein geringeres Objekt sich zu s[einer] Aufgabestellte als das was wir mit einem Worte Materie nennen koumln-nen in ihrer Wesenhaftigkeit und damit in Gott zu begreifenSein Bestreben ist kein andres als es nicht bei dem WillenGottes zu belassen der Wille ist nicht Grund sondern an demBestimmten an der Materie den bestimmten Grund in Gott8 zufinden

Man hat die neure Zeit als deren9 Geist man gewoumlhnlich denProtestantismus bezeichnet was aber ein zu beschraumlnkter undselbst negativer Ausdruck ist daher wir auch den Namenpantheistischer Sinn waumlhlten als einen Suumlndenfall bezeichnetSelbst Rixner nennt sie so jedoch mit der Beschraumlnkung daszligsie bdquoein notwendiger und in s[einen] Folgen durch Gottes 28gnaumldige Verfuumlgung auch sogar wohltaumltiger Suumlndenfall seildquo10

1 Willen Wesen Korr im Ms2 Vgl J Boumlhme Von der Menschwerdung Jesu Christi 2 Thl In

Alle theosophischen Wercken T 6 cap 6 16 S 143-1443 Vgl J Boumlhme Beschreibung der drey Principien a a O cap 4

7 S 284 verbeut verbaut A5 J Boumlhme Hohe und tieffe Gruumlnde a a O cap 2 2 S 186 ihre die Ms7 Vgl J Boumlhme Hohe und tieffe Gruumlnde a a O cap 2 2 S 18 ndash

verstuumlnden Natur in der Muttersprache erkennt man die NaturMs

8 in Gott Gottes A9 deren dessen Ms A10 Th A Rixner Geschichte der Philosophie der neuern und neuesten

Zeit In Handbuch der Geschichte der Philosophie Bd 3 Sulzbach1823 S 6

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Es ist dies eine ganz oberflaumlchliche1 Betrachtung der Ge-schichte [daszlig] das was in seinen Folgen gut und wohltaumltig seinicht auch in seinem Grunde und Prinzip gut es ist trivial undoberflaumlchlich das was notwendig ist notwendig in houmlhermSinne nicht auch per se als etwas Gutes und Positives zu be-greifen sondern es erst durch seine Folgen als ein solches zuerkennen denn entweder waren diese Folgen accidentel [zufaumll-lig] d h nicht in dem selbst gelegen dem man gute Folgen2

zuschreibt sondern in aumluszligern davon unterschiednen Gruumlndenund es bleibt aber als etwas an sich Uumlbles stehen oder es warenseine eignen Folgen sie lagen in seinem Wesen aber dann wares eben fuumlr sich selbst etwas Gutes Notwendiges abgesehenvon seinen Folgen die3 alleroberflaumlchlichste und4 Gottes un-wuumlrdigste Vorstellung ist es aber zu meinen daszlig Gott etwasgeschehen lasse etwas an sich Uumlbles zulasse dann aber hin-tendrein nachflicke5 es so6 hin und her zu drehen und zu win-den wisse daszlig doch noch etwas Passables und Ertraumlglichesherauskomme Man unterwirft dann Gott den Grundsaumltzen derJesuiten bei denen das Mittel den Zweck7 heiligt Ein Suumlnden-fall war allerdings die neure Zeit wie jede Zeit die8 ein neuesPrinzip hervortreibt indem das Alte immer und von jeher alsdas Heilige galt und die Eva die den Menschen verfuumlhrte wardie Materie Aber es war gut an und fuumlr sich notwendig undheilsam an und fuumlr sich selbst goumlttliche Ordnung und Bestim-mung daszlig bdquoder schoumlne phantastische Traum des gemuumltlichenVolkslebens des Mittelalters das im Glauben und Gefuumlhl mehrals in der Anschauung und im Begriffe lebte und sich seligfuumlhlte ohne sich zu begreifen auf immer zerstoumlrt wardldquo9 Wiegroszlig und tief uumlbrigens die Gemuumltlichkeit jener Zeit war be-weist hinlaumlnglich die diabolische Grausamkeit und Verrucht-heit der Inquisitions- und Hexenprozesse

1 Im Ms folgt gestr Anschau[ung]2 Folgen [so auch A] Folge Ms3 die am Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr auff []5 nachflicke nachflecke A6 Im Ms folgt gestr zu7 Im Ms folgt gestr ver8 Im Ms folgt gestr sich9 Th A Rixner Geschichte der Philosophie der neuern und neuesten

Zeit a a O S 6

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Die Philosophie der neuern Zeit beginnt daher wo wir denPantheismus oder wenigstens pantheistischen Sinn sich als undin der Philosophie ausgesprochen finden Dies ist aber der Fallin Italien

29 Dort war es uumlberhaupt wo der Mensch wieder zuerst aufdas Quellenstudium im weitesten Sinne des Wortes zuruumlckgingauf die Quellen die die Quellen des Lebens der Ursprungselbst der Geschichte sind auf das eigne Selbstbewuszligtsein aufdas selbststaumlndige Denken d h auf die eigne autoritaumltsfreieAnschauung und Betrachtung der Welt und Natur und damitauf die Quellen denn nur dort beginnt die Geschichte wo derMensch Selbstdenker wird wie das Individuum1 erst da ausdem Traum der Kindheit tritt erst da der Begriff der Zeit ihmentsteht sein Leben in sukzessiver Entwicklung wahrnimmtwo er2 sich als Ich erfaszligt d i zu denken anfaumlngt Dort zwei-felte er zuerst an dem was ihm seine Lehrer und Ammen alswahr eingepraumlgt und namentlich von den fernen Landen derGriechen und Roumlmer welche sie nur aus der Tradition kanntenerzaumlhlt hatten machte sich neugierig selbst auf die Beine uman Ort und Stelle die Wahrheit ihrer Erzaumlhlungen zu pruumlfenDort trennte er sich zuerst von seiner bisherigen Heimat lerntemit fremden Zungen reden und erweckte aus dem Staube einealte laumlngst vergeszligne oder wenigstens nur dunkel bekannteZeit um dadurch eine neue Zeit zu begruumlnden Dort uumlberzeugteer sich daher auch zuerst daszlig es ganz anders in der Welt aus-sieht als es ihm seine Beichtvaumlter und Scholastiker vorgestellthatten gewahrte er wieder zu seiner groumlszligten Uumlberraschung ndashman sollte nicht denken daszlig so etwas die Menschheit verges-sen kann aber es ist doch so daszlig er eigne Augen zum Sehenund eignen Geschmack zum Pruumlfen und Untersuchen der Dingehat verwarf er daher auch mit jugendlicher uumlbermuumltiger Lei-denschaft was seinen Vaumltern teuer ja heilig war dort beganner demnach ndash und muszligte er nach dem Gesetz der Einheit unddes Zusammenhangs das alle Phaumlnomene und Aumluszligerungen desGeistes zu einem Ganzen verbindet beginnen ohne historischeUnterlage und Vorschrift zu philosophieren

30 In Italien wurde das Studium des Altertums dessen Be-deutung wir schon fruumlher gruumlndlich zu erklaumlren suchten be-kanntlich wieder erweckt Wir muumlssen sie noch aus einer an- 1 das Individuum der Mann Korr im Ms2 er es Korr im Ms

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dern1 Seite betrachten Fried[rich] Schlegel in s[einer] Ge-schichte der alten und neuen Literatur lehnt sich dagegen aufdaszlig man die Epoche des 15 und 16 Jahrh[underts] oft imallgemeinen eine Wiederherstellung oder gar Wiedergeburt derWiss[enschaften] nenne Eine Wiederherstellung der grie-ch[ischen] Liter[atur] und des Altertums sei es wohl gewesenindem das historische Wissen erweitert worden sei aber nichteine Wiedergeburt da diese nur ein neues von Innen empor-flammendes Leben sein koumlnne2 Allerdings beginnt die eigent-liche Wiedergeburt des menschl[ichen] Geistes als ein vonInnen selbstaumlndig entspringendes Leben erst spaumlter oder we-nigstens die Fruumlchte derselben treten erst spaumlter auf nachdemman das klass[ische] Altertum sozusagen verdaut hatte Aberdoch war es schon eine Wiedergeburt Was fuumlr uns jetzt einGegebenes ist was sich fuumlr uns sozusagen von selbst verstehtwas von Mund zu Mund von Hand zu Hand jetzt geht als einererbtes das wurde damals erzeugt3 Und dazu gehoumlrte aller-dings ein neuer von Innen wirkender Geist Friedr[ich] Schle-gel sucht ebendaselbst den Vorwurf der Traumlgheit von demMittelalter zu entfernen Allein diese Traumlgheit kann man anihm nicht leugnen wenn Traumlgheit es ist sich mit der Uumlberliefe-rung zu begnuumlgen statt die Urkunden zu studieren4 Aristoteleswar so allgemein verehrt und bewundert ja galt als eine Auto-ritaumlt und doch bekuumlmmerte man sich nicht einmal darum washat denn eigentlich Aristoteles selbst gesagt was ist denn derSinn der objektive eigentliche nicht hineingetragne Sinnseiner Lehrsaumltze Man hat diese Unbekanntschaft mit demQuellenstudium nicht auf Rechnung aumluszligrer Hindernisse undUmstaumlnde zu bringen denn die Verbindung mit Griechenlandwar nie ganz unterbrochen und waumlre es auch mit groszligenSchwierigkeiten verbunden gewesen was sind aumluszligre Hinder-nisse dem Wissenstriebe der sich uumlberall hin Bahn bricht demkeine Berge zu hoch keine Wuumlsteneien5 zu schrecklich sindEs war nur die Traumlgheit daszlig sie auf den Eselsbruumlcken der

1 einer andern einandern Ms2 Vgl F Schlegel Geschichte der alten und neuen Literatur Thl 2

Wien 1815 S 77-783 Im Ms daruumlber gestr von Innen heraus geholt4 der studieren dem zu begnuumlgen daruumlber nicht hinauszugehen

was andre gedacht haben Korr im Ms5 Wuumlsteneien Wuumlstereien A

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Uumlbersetzungen und Kommentare des Aristot[eles] stehen blie-ben Aber diese Traumlgheit selbst worin hatte sie ihren GrundEs war uumlberhaupt die Macht der Autoritaumlt die Macht der Tra-dition die die Geister beherrschte Es fehlte dem Mittelalter diehohe Kraft des Zweifels die Kraft sich selbst durch eigne Pruuml-fung und Untersuchung und Anschauung mit einem Wortedurch Autopsie sich von der Beschaffenheit oder dem Weseneiner Sache zu uumlberzeugen es fehlte ihm 31 der Mut der He-terodoxie Daher auch namentlich im Gebiete der Naturwis-senschaften wir solchen Tollheiten und wirklichen Albernhei-ten1 selbst die ersten freien Denker2 denen noch das Mittelalterin dieser Beziehung anklebte ohne alle Kritik Glauben schen-ken sehen Wie der Priester [als] der Mittler zwischen Gott unddem Laien wirkte so blickte3 uumlberhaupt der menschliche Geistdurch ein Medium durch die Physik des Aristoteles die Naturdurch Uumlbersetzungen selbst den Aristoteles an Es fehlte dieunmittelbare Anschauung die unmittelbare Uumlberzeugung mandachte und schrieb selbst in einer fremden uumlberlieferten Spra-che und dachte und sprach selbst diese Sprache nicht in ihrerselbsteignen originalen urspruumlnglichen Form und Gestalt manbegnuumlgte sich selbst in den dem Menschen eigensten naumlchstenAngelegenheiten mit Dolmetschern Die Wiedererweckung desStudiums der alten Sprachen und Literatur hat daher nicht nureine Bedeutung der bloszligen Bereicherung und Erweiterung eshatte nicht bloszlig eine quantitative sondern wesentlich qualitati-ve eine unendlich tiefere und allgemeinere Bedeutung Esgehoumlrte dazu damals ein neuer wiedergeborner Geist derGeist der nichts andres4 keine Mittelsperson zwischen sichund den Gegenstaumlnden seines Interesses duldet der kein Dingin einem fremden sondern in seinem eigenen Lichte schauenwill waumlhrend es fuumlr uns jetzt wo dieses Studium selbst eineaumluszligere Notwendigkeit geworden ist fuumlr alle die sich zu Staats-aumlmtern ausbilden als etwas ganz Natuumlrliches erscheint5 Der-selbe Geist der die Reformation erzeugte indem man hier aufdie ersten historischen Urspruumlnge und Quellen des Christen-

1 Im Ms A folgt wir2 Denker [so auch A] Denkern Ms3 blickte erblickte Korr im Ms4 andres Fremdes Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Aber das Ei des Kolumbus hat auch hier seine

Anwendung

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tums zuruumlckging der die Entdeckungen in der Physik undNaturwissenschaft erzeugte indem man hier auf1 die Quellenauf eigne Beobachtung Erfahrung und Untersuchung zuruumlck-kehrt[e] der die neuere Philosophie hervorrief indem man ausdem Born der Vernunft schoumlpfte nachdem man den Strom derGeschichte bis auf seine Quelle verfolgt hatte derselbe Geistwar es der auch das Studium des Altertums wieder erweckteund daszlig dieser Geist ein neuer von innen emporflammenderein wiedergeborner Geist war wird man wohl nicht in Abredestellen2 Und wie wenig urspruumlnglich dieses Studium ein toteswar und s[einem] Wesen nach ist wie sehr [es] eins ist mitdem selbst schaffenden Geiste beweist die Tatsache daszliggleichzeitig und in denselben Individuen zuerst die eigne pro-duktive Kraft und das Studium und die Lehren des Altertumserwachten Man denke nur an Dante Petrarca der das Grie-chische von einem Moumlnch erlernt hatte den Cicero und Senecafleiszligig studierte und besonders an Bocca[c]cio

32 Die erste Erscheinung des neuern Geistes in der Philoso-phie war daher (und es konnte auch keine andre sein) die daszligman den Aristoteles von Angesicht zu Angesicht kennenlernteihn in seiner urspruumlnglichen Gestalt wiederherstellte ndash was fuumlrdamals schon ein wichtiger bedeutender Schritt war so geringer uns jetzt erscheint ndash und nicht den Aristoteles allein sondernauch die uumlbrigen Philosophien des Altertums namentlich diePlatonische Neuplatonische und selbst orientalisch-kabba-listische Philosophie erneuerte und unmittelbar sie3 selbst inihren Originalwerken studierte Das exklusiv-monotheistischePrinzip des Mittelalters hatte sich in der Philosophie4 in deralleinigen5 ausschlieszliglichen Herrschaft des Aristoteles ausge-sprochen Jener universale pantheistische Sinn aumluszligerte sichdaher darin in der Philosophie daszlig6 sich jetzt in ihr7 ein allge-meiner Sinn fuumlr Philosophie uumlberhaupt und damit auch fuumlrunterschiedene Arten oder Systeme der Philosophie eine8

1 Im Ms folgt gestr eigne2 stellen [so auch A] reden Ms3 sie aus sie Ms aus sich A4 Im Ms folgt gestr auch5 Im Ms folgt gestr Herrs[chaft]6 Im Ms folgt gestr er7 Im Ms folgt gestr als8 eine als Korr im Ms

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Faumlhigkeit sich die Gedanken anderer anzueignen1 ja die ver-schiedenartigsten sich entgegengesetztesten Anschauungen insich zu vereinen entwickelte2 der Geist eben durch diesen3

erweiterten Sinn4 fuumlr Philosophie uumlberhaupt die Idee selbst derPhilosophie wieder erfaszligte und durch die5 Befreiung von derSchranke eines bestimmten Systems sich uumlberhaupt von einerbindenden historischen Macht und Unterlage6 losmachte und sonach eignen Prinzipien zu philosophieren begann in der innernGewiszligheit und Uumlberzeugung daszlig die Vernunft kein monothei-stisches sondern pantheistisches Wesen ist daszlig sie sich nichtin einem oder in einigen mit Ausschluszlig der uumlbrigen In-div[iduen] ebensowenig in einem bestimmten Prinzip konzen-triert und inkorporiert daszlig sie ein allgemeines jedem sichoumlffnendes jeden erleuchtendes Licht und Wesen ist

Ein so wichtiges wesentliches und erfolgreiches Moment inder Geschichte der Philosophie aber auch die Wiederherstellerdes Platon Aristoteles und andrer Philosophen waren so habendoch die reinen und echten Peripatetiker und Platoniker nur einhistorisches kein gegenwaumlrtig[es]7 philosophisch[es] Interessekein Interesse in dem Sinne als der Geschichte der Phi-los[ophie] zukommt Wie der Anfang der Geschichteuumlberh[aupt] so ist der der Geschichte der Philos[ophie] erst dazu suchen wo der Mensch juxta propria principia [gemaumlszlig denihr eigenen Prinzipien] philosophiert Als ein solcher Anfaumlngerbegegnet uns zuerst Bernardinus Telesius 1508 geb[oren] zuCosenza im Neapolitanis[chen] der s[eine] Schrift unter demTitel De natura [rerum] juxta propria principia8 sch[rieb]

1 Im Ms folgt gestr aussprach2 entwickelte [so auch A] aussprach Korr im Ms3 der diesen und dann eben die Folge dieses Korr im Ms4 Sinn Sinnes Korr im Ms5 die die fuumlr die Idee der Philosophie und die Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr sich7 gegenwaumlrtig[es] gegenwaumlrtig A8 Die ersten beiden Buumlcher von bdquoDe rerum natura iuxta propria

principialdquo erschienen 1565 in Rom eine erweiterte Ausgabe 1570in Neapel die gesamte aus neun Buumlchern bestehende Schrift er-schien 1586 in Neapel

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V [Vorlesung] [Telesius Campanella Bruno]1

Aber2 eben deswegen wegen dieser Einheit sozus[agen] derKunst mit der Natur schrieb P[aracelsus] ihr eine houmlhere Be-deutung und Macht zu Und ob dieser Bedeutung die er ihrgab steht P[aracelsus] im innigsten Zusammenhang mit demallgemeinen Prinzip der neuern Zeit3 Denn wie die Einheit derNatur mit dem Geiste das wesentliche Objekt und Ziel derneuern Philosophie nicht eine Einheit der Vermischung oderGleichsetzung ist sondern eine Einheit der Subordination inder der Geist das Prius die Substanz der Natur ist so ist zugleich das Bewuszligtsein von der Natur das Selbstbewuszligtseindes Geistes die Erkenntnis von ihr die Macht uumlber sie Unddieses Selbstbewuszligtsein des Geistes muszligte sich auch notwen-dig aussprechen als Bewuszligtsein von der Hoheit und Macht derKunst das auch Baco wie Paracelsus hatte indem er mit derBegruumlndung der Naturwissenschaft der Kunst zu experimen-tieren zugleich die Macht des Menschen uumlber die Natur zubegruumlnden sich strebte bdquoPotentia et scientia in unumcoincidunt Natura enim non nisi parendo viciturldquo [Wissenund Macht laufen auf dasselbe hinaus Die Natur wird naumlmlichnicht ohne ihr nachzugeben besiegt]4

Verwandt mit den beiden von Helmont und Paracelsus inHinsicht besonders des Ursprungs der Erkenntnisse ist ValentinWeigel (dagger 1588) der uumlbrigens mehr in religioumlser Beziehung in

1 So auch A2 Aber zu betrachten ist Einschub aus Feuerbachs handschriftli-

chem Nachlaszlig (Einlageblatt zu v Helmont Paracelsus V Weigelohne Paginierung) Fehlt in A

3 Im Ms folgt gestr Denn mit dem Sichselbsterfassen dem Selbst-bewuszligtsein des Geistes wurde auch notwendig gesetzt das Bewuszligt-sein von der Hoheit und Macht der Kunst ein Bewuszligtsein das auchBaco so lebendig aussprach wenn er die Restauration der Naturwis-senschaft zugleich eine Restauration der menschlichen Macht nenntder daher auch in dieser Beziehung im Zusammenhang mit Paracel-sus steht

4 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellipFrancofurti 1665 lib I Aph III S 279 Zitat lautet bdquoScientia ampPotentia humana in idem coincidunt quia ignoratio causae destituiteffectum Natura enim non nisi parendo vincitur ldquo

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einer Geschichte der Mystik zu betrachten ist 331 Koumlrperohne bestimmte Figur aber bereitwillig und faumlhig zu jedweder2

Form denn die Materie des Aristoteles die selbst kein Koumlrpersein soll ist dem sinnlichen Italiener [Telesius] eine bloszligeChimaumlre Materialitaumlt ist ihm Koumlrperlichkeit doch die der Ma-terie entgegengesetzten wirkenden Ursachen Waumlrme also und

1 Am Rande Verweis auf Paginierung S 17 ndash Am Rande Wie der

Anfang der griech[ischen] Philos[ophie] die jonische Naturphiloso-phie so war auch die Naturphilosophie der Anfang der Phi-los[ophie] der neuern Zeit Die Natur ist uumlberh[aupt] das erste Ob-jekt welches den Menschen frappiert sie muszligte es aber um so mehrin der neuern Zeit sein je laumlnger ihr der Menschengeist entzogenw[urde] je groumlszliger die Uumlberraschung war als er sich ihr wieder mitoffnem Sinne nahte und je tiefer die Bedeutung war in der sie demMenschen Gegenstand wurde eine Bedeutung die wir fruumlher [vglVorlesung IV S 37f] schon angaben Der unmittelbaren und freienAnschauung und Philos[ophie] der Natur stand aber die damals all-gemein geltende Physik des Aristoteles entgegen Gegen sie muszligtedaher vor allem sich gewendet w[erden] Und so wurde ihr denn[Und denn Ihr wurde daher Korr im Ms] auch von den erstenfreien philos[ophischen] Koumlpfen Italiens aus allen Kraumlften oppo-niert [Im Ms folgt gestr und] Lebendigere einfachere wahre ausden Sinnen aufgegriffne Prinzipien wurden den scholastisch-aristot[elischen] Prinzipien entgegengesetzt Der Sinn uumlberh[aupt]und die sinnliche Anschauung auch im Gebiete des Denkens [wur-den] zum Teil uumlber ihre gebuumlhrenden Grenzen zu ihrem Rechte undihrer Bedeutung die sie verloren hatte[n] erhoben So sind Waumlrmeund Kaumllte die der sinnl[ichen] Wahrnehmung am meisten durch ihreWirkung auffallende und einsichtige Maumlchte [und MaumlchteMaumlchte und einsichtig Korr im Ms] und es ist [es ist sie habensich Korr im Ms] daher nicht zu verwundern wenn wir sie von den[Im Ms folgt gestr ersten Denkern] Anfaumlngen der Naturphiloso-phie selbst zu den allgemeinen Prinzipien wie dies schon in aumlltererZeit von Hippokrates und andern getan erhoben sehen

Der genannte Telesius war es der sie im Gegensatz gegen diearistot[elische] Physik zu Prinzipien machte und nach ihm ThomasCampanella (geb 1568) ein Mann von groumlszligerer Bedeutung undumfassenderem Geiste der die Philosophie in allen ihren Teilenumzugestalten bemuumlht [war] ein Mann beruumlhmt 34 auch durchseine harten Schicksale die [er] in nicht weniger als einer27jaumlhrigen martervollen Gefangenschaft zubrachte [zubrachte [er-litt] A]

2 Koumlrper jedweder Im Ms daruumlber unleserl Erg

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Kaumllte welche1 die Materie2 als die gemeinschaftliche Basisoder das koumlrperliche Substrat ihrer Wirkungen bearbeiten umsie zu der ihrigen zu machen und so zwei urspruumlngl[iche]Weltkoumlrper bildeten die Waumlrme den Himmel aus der uumlber-wundnen und verduumlnnten Materie die Kaumllte die Erde aus den3

verdichteten Teilen Diese beiden Koumlrper4 oder ElementeHimmel oder die Sonne und die Erde haben aus sich alle man-nigfaltigen und besondern Dinge erzeugt durch gegenseitigenKampf gegeneinander Denn die von der Sonne ausstroumlmendeWaumlrme strebt auf die Vernichtung der Erde und die aus demInnern der Erde hervorstroumlmende Kaumllte arbeitet an dem Ruindes Himmels Weil aber keines das andre bewaumlltigen kannentstehen aus diesem Kampf Mittelwesen entia media Aberweil die Sonne bei weitem maumlchtiger ist als die Erde so gieszligtsie in alle ihre Erzeugnisse ihre eigne Natur die Waumlrme einDenn alle Wesen haben im Innern Waumlrme omnia enim entianostra natura calida sunt und an einer andern Stelle omniaocculto vivunt calore [in allem was lebt ist Waumlrme verbor-gen] Die Sonne durchdringt naumlmlich die Erde aber weil ihr dieKaumllte und Dichtigkeit Widerstand leistet so kann sie den irdi-schen Wesen nicht denselben Grad der Waumlrme Duumlnnheit undWeiszligheit (Lichtheit) geben 34 den sie selbst besitzt sie gibtihnen daher einen mittleren zwischen der Dichtigkeit der Erdeund ihrer eignen Duumlnnheit zwischen5 innen stehenden Gradeine mittlere Bewegung eine mittlere Waumlrme Denn obgleichdie Waumlrme der Sonne weit die Kraft der Kaumllte uumlberwiegt sokann sie doch nicht die Erde verbrennen und in sich selbstverwandeln weil die Waumlrme sich mit reiszligender Schnelligkeitfortbewegt und nie dieselbe Oberflaumlche der Erde bescheint6

Torheit7 ist es daher dem Camp[anella] Waumlrme und KaumllteLicht und Finsternis wie die Scholastiker und Aristoteliker fuumlr 1 Im Ms folgt gestr auf2 Im Ms folgt gestr indem []3 Im Ms folgt gestr zusammengerafften und4 Im Ms folgt gestr unleserl Wort5 zwischen mitten Korr im Ms6 Vgl B Telesio Bernardini Telesii Consentini De Rerum Natura

Iuxta Propria Principia Libri IX Neapoli 1586 lib I cap I-VIS 2-10

7 Am Rande Alle Farben sind zusammengesetzt dem C[ampanella]aus dem Licht der Sonne und der Finsternis der Materie Das Lichtselbst ist nichts andres als die Farbe die Gestalt species gleichsam

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Akzidenzen zu halten da sie vielmehr die wesentlichsten Ten-denzen der Natur [sind] maxime sunt intenta a natura undohne sie die Welt nichts waumlre

Die sinnliche Tendenz der italienischen Naturphilosophiespricht sich in ihrem Gegensatze gegen die abstrakte Formu-larmethode der Scholastik am deutlichsten und1 schaumlrfsten inder Auffassung der Erkenntnis des Allgem[einen] und der2

Sinne aus Die Erkenntnis des Allgemeinen sagt Campanellaerheben die Scholastiker auf eine houmlchst ungeschickte Weise

das Antlitz facies die Erscheinung der Waumlrme Ja Licht und Waumlr-me s[ind] synonym bedeuten dieselbe Sache Die Waumlrme wie sieden Augen Gegenstand ist heiszligt Licht wie dem Gefuumlhl Waumlrme dieFinsternis aber ist die Farbe der Materie

Das Ungenuumlgende dieser Naturansicht [Im Ms folgt braucht nichtbesonders] erhellt [sich] von selbst Schon Baco von Verulam hattriftige Gruumlnde dagegen erhoben Aber es [Im Ms folgt gestr istganz] kommt nicht immer gerade auf das Was an auf das Be-stimmte was einer ausgesprochen sondern vorzuumlgl[ich] bei allenAnfaumlngen auf die Tendenz Auch das bloszlige Wagnis ist schon Ge-winnst Und aus diesem Gesichtspunkt als ein selbstaumlndiger Ver-such als d[as] Wagnis einer Philos[ophie] juxta propria principia istes zu schaumltzen und zu betrachten Man hat dem Telesisch[en] Sy-stem vorgeworfen daszlig es wohl d[er] arist[otelischen] Physik 35vorwarf [vorwarf [so auch A] unleserl Korr im Ms] sie [verwen-de] nur abstrakte Prinzip[ien] wie die Materie Form Privation diekeine Entia die als sinnliche Entia nicht existieren anfocht unddoch selbst solche Abstrakta wieder annahm denn die Materie daskoumlrperl[iche] Substrat sei selbst nichts Wirkliches ebenso wenigeine absolute Kaumllte und absolute Waumlrme da diese immer nur in be-stimmten Graden vorkaumlmen kein letzter Grad der Kaumllte und Waumlrmesich angeben lieszlige die Empfindung der Waumlrme sehr verschiedensubjektiv sei Allein man wird doch nicht leugnen daszlig Waumlrme undKaumllte wenn wir auch nicht auf den letzten Grad kommen so daszligwir [so wir bestimmte entgegengesetzte Wirkungen Korr imMs] sagen koumlnnen hier haben wir ein Stuumlck reiner Kaumllte in welcherdie Waumlrme rein aufgehoumlrt hat wir doch entgegengesetzte Wirkun-gen verspuumlren von den mindesten Graden und daszlig es Grade derKaumllte [gibt] wo die subj[ektive] Verschiedenheit verschwindet woMungo Park [brit Afrikaforscher dagger 1806] d[er] eine Temperaturheiszlig fand wo die Neger froren eben so gut frieren w[ird] als dieNeger

1 und in Korr im Ms2 der des Korr im Ms

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da sie doch eigentlich nur die Erkenntnisweise der1 Bestien2 istDenn wenn wir etwas von weitem sehen z B den Petrus sosagen wir Siehe hier ist ein Tier weil es sich bewegt und wirnur das Allgemeine aber nicht das Besondere er- 353 kennennaumlhert er sich so sagen wir es ist ein Mensch kommt er nochnaumlher so sagen wir es ist ein Moumlnch und kommt er uns amnaumlchsten so nennen wir ihn beim Namen es ist der FraterPetrus Verstehen Denken intelligere heiszligt daher nichts ande-res als etwas konfus und aus der Ferne fuumlhlen sentire fuumlhlenaber nahe und aus der Naumlhe erkennen sentire vero est intellige-re prope seu cominus [Spuumlren heiszligt wirklich nah oder hand-greiflich verstehen] Auch die noch nicht an die Unterschei-dung des Besondern gewohnten Kinder nennen jedes WeibMutter und jeden Mann Vater weil das Allgemeine ihnen be-kannter ist indem es mehr und oumlfter ihre Sinne beruumlhrt Toumlrichtist es daher zu waumlhnen daszlig die Wissenschaft in der Erkenntnisdes Allgemeinen ndash es braucht nicht erinnert zu werden in wel-chem rohen4 Sinne C[ampanella] das Allgemeine auffaszligt ndashbestehe Was weiszlig ich denn wenn ich vom Petrus weiszlig daszlig erein Mensch ein vernuumlnftiges Tier ist aber nicht seine Eigen-schaften und Eigentuumlmlichkeiten s[eine] Handlungen Tugen-den Fehler usw kenne Wahr ist es daszlig man da es unmoumlglichist alles Individuelle zu merken man sich mit einem Wissenim Allgemeinen und Konfusen begnuumlgen muumlsse Allein dieMedizin durch die Erfahrung uumlberwaumlltigt erinnert daszlig esnicht hinreicht zu wissen was dies fuumlr ein Fieber ist sonderndaszlig man auch das Wie und Wann s[einer] Entstehung dieallgemeine Beschaffenheit des Kranken und andere Partikula-ritaumlten wissen muumlsse Gott ist deswegen dem heili[gen] Tho-mas der weiseste 36 weil er nicht das Allgemeine sonderndie winzig kleinsten Einzelheiten minimissimas singularitatesweiszlig Der Verstand des Allgemeinen ist nur der matteduumlrflichte Sinn gleichsam denn der Sinn ist die Affektion (derEindruck) passio des gegenwaumlrtigen Objekts der Verstand die

1 der Im Ms gestr2 Bestien Weise Korr im Ms3 Am Rande Verweis auf Paginierung S 18 ndash Am Rande or Verweis

auf V Vorlesung4 Im Ms folgt gestr und selbst

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Affektion von dem abwesenden1 Der Sinn ist daher Wissen-schaft sapientia oder ein Funke der goumlttlichen Weisheit Nurdas sinnliche Wissen ist gewisses zweifelloses Wissen nichtdas Wissen des Verstandes oder des Gedaumlchtnisses oder derEinbildungskraft Der Sinn braucht keinen Beweis er selbst istder Beweis Der Sinn ist daher das vorzuumlglichste Licht wo-durch wir erkennen was im Dunkeln und Ungewissen liegtNiemand fragt jetzt noch nach Gruumlnden2 und zweifelt ob eineneue Welt es gibt nachdem sie von Columbus entdeckt ist3

C[ampanella] erinnert einen an das Lied eines in seine Hei-mat zu den Seinen sich zuruumlcksehnenden Kalmuumlcken wo esheiszligt4 Gedanken sind Betruumlger die sinnliche Empfindung nurist Wahrheit In persoumlnlichen Verhaumlltnissen gilt natuumlrlich nurdie persoumlnliche Naumlhe der Gedanke an die Person ersetzt nieden sinnlichen Anblick Der Gedanke oder richtiger die Vor-stellung ist hier ein mattes farbenverbleichtes geschossenesBild gegen die frische Farbenglut des sinnlich gegenwaumlrtigenAntlitzes aber in diesem Gebiete ist eben der Gedanke nurVorstellung Bild es ist 375 nicht der Gedanke der Erkennt-nis der Vernunft denn dieser ist selbst Wesen hier ist derGedanke nur Surrogat und alle Surrogate befriedigen nichthier ist der Gedanke nicht das einzige und notwendige in demGegenstand selbst liegende Mittel wie er fuumlr uns ist denn erkann ja auf sinnliche Weise uns Objekt sein ja eben diesesinnliche Weise ist die eigentuumlmliche hier ist er nur ein trauri-ger Schatten und6 alles will nur nach seinem eignen Maszligegemessen und geschaumltzt werden Suum cuique [Jedem das 1 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia hellip Francofurti 1620

lib II cap XXII S 131-1332 Im Ms folgt gestr ob3 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia hellip a a O lib II

cap XXX S 174-1764 Im Ms folgt gestr der5 Am Rande Verweis auf Paginierung S 196 Am Rande Ebenso gilt im Leben in der Konversation die Kenntnis

des Partikulaumlren Wenn ich freilich vom Petrus nichts weiter weiszligals daszlig er Mensch was hier so viel heiszligt als ein Individuum ist soweiszlig ich wenig von ihm hier gilt es das Besondere Partikulaumlre zuwissen hier ist dieses von wesentlichem Interesse Anders ist eseben fuumlr d[ie] Wiss[enschaft] fuumlr die Wahrheit hier ist das Ersteund Wichtigste zu dem sie allein Interesse [hat] d[as]Allg[emeine] der Mensch

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Seine] Das Sinnliche kann nur durch den Sinn das unmittelbarGegenwaumlrtige nur wieder durch unmittelbare Gegenwart er-kannt werden Hier ist die sinnliche Erkenntnis die einzigeVernunfterkenntnis und hier hat auch C[ampanella] vollkom-men recht Aber etwas ganz anderes ist [es] bei den Gegen-staumlnden die lediglich durch das Denken erst uns Gegenstandw[erden] bei denen die ihrer Natur nach allgemein sind hierbekommt der Gedanke nicht nur andere Bedeutung sondernuumlberh[aupt] erst die Bedeutung des Gedankens

Uumlbrigens darin hat C[ampanella] einen richtigen Blick daszligdas Allgemeine der Anfang der Erkenntnis ist daszlig man nichtvom Besondern und Einzel[nen] anhebt dem Kind ist der Be-griff des Baumes fruumlher Gegenstand als der Begriff einer Artdie Unterschiede hiemit das Besondere zu merken dazu ge-houmlrt Scharfsinn Aufmerksamkeit aber dieses Allgemeine istnicht das wahre Allgemeine d[as] Allgemeine der Wissen-schaft dieses ist wesentlich bestimmt hier ist es ein Genius mitspezifischen Diff[erenzen]

381 Campanella machte aber auch die uumlbrigen Teile derPhilos[ophie] zu s[einem] Objekte besonders die Metaphysik 1 Am Rande Omnia Entia Potentia Sapientia et Amore constitui et

unumquodque esse quoniam potest esse scit [scit sciat A] esse etamat esse [Alle Dinge sind aus Kraft Wissen und Liebe beschaffenund jedes einzelne besteht daraus weil es ja sein kann zu sein weiszligund es liebt zu sein] [T Campanella De sensu rerum et magia hellipa a O lib I cap VII S 23-24] Potentia und Neigung schreibendie Philosophen wohl den Dingen zu aber nicht Sensus nicht Intel-ligenz Dieser Satz daszlig allen Wesen allem Sein Wissen [Im Msfolgt gestr schaft] zukommt ist paradox C[ampanella] kam aufdiesen Gedanken also alle Dinge haben einen Trieb sich selbst zuerhalten ihr Sein zu behaupten sie lieben ihr Sein sie widerstehendem was sie vernichten will bekaumlmpfen ihr Gegenteil nehmen nurdas Verwandte das ihnen Nuumltzliche und Zutraumlgliche in sich auf dasEntgegengesetzte fliehen sie entfernen sie von sich es ist also inallen Dingen ein Prinzip der Unterscheidung ein Kriterium dessenwas ihnen paszligt ein Urteil gleichsam aber alle Unterscheidung be-ruht auf dem Gefuumlhl auf dem Verstand Kein Sein ist also ohneSinn ohne Gefuumlhl ohne Verstand wiewohl dieser Verstand keindiskursiver kein explizierender und syllogistischer sondern ein in-tuitiver unmittelbarer Verstand ist gleichwie auch wir Dinge unter-scheiden [Im Ms folgt gestr ohne] etwas verurteilen 39 alsfalsch oder schlecht verdammen wovon wir keinen Grund angebenkoumlnnen es ist ein unmittelbarer schlechtweg entscheidender unbe-

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dingter zweifelloser sozusagen unbesonnener mystischer mit un-serm Sein identischer Verstand ndash ein Verstand der also nicht all-gemeine Wahrheiten uumlberhaupt nicht das Allgemeine sondern dasBestimmte das Unterschiedne Begrenzte das Namenlose das Ein-zelne im Gebiet der Kunst und Sinnlichkeit zu s[einem] Objektemacht Dieser [Dieser Dieses Korr im Ms] praktische unmittelbarseiner selbst gewisse ohne Bedenken und Uumlberlegung ohne Wahlund Gruumlnde schlechtweg entscheidende unbedingt als gut bejahen-de oder als schlecht verneinende Verstand ist nichts andres als waswir Gefuumlhl Sinn nennen Analog mit diesem Verstande oder mit derin der Natur nach Zwecken wirkenden Vernunft die uns am be-wunderungswuumlrdigsten in unserm Organismus [deutlich wird] indem jedes Glied Zweck und Bedeutung hat muumlssen wir das Gefuumlhlden Sinn den Verstand denken den Camp[anella] als universelleKraft jedem Sein zuschreibt So sagt also z B C[ampanella] ins[einer] Schrift De Sensu Rerum et Magia Lib II c 14 Planta se-cernit utilem in inutili succo Ergo sentit quid servet quidve nonconservet [Die Pflanze unterscheidet nuumltzlichen vom unnuumltzen StoffAlso spuumlrt sie worauf sie achten und was sie nicht beachten muszlig][T Campanella De sensu rerum et magia a a O lib III capXIV S 252] und im 6 cap I Lib Non enim potest esse id quodignorat res sibi utiles et noxias nec quod sibi utile est amare potestnisi sciat utile est sibi [Das naumlmlich kann nicht sein was die nuumltzli-chen und die schaumldlichen Dinge nicht kennt und das was ihm nuumltztnicht lieben kann und auch nicht weiszlig was ihm nuumltzt][T Campanella De sensu rerum et magia hellip a a O lib I capVII S 24] 40 Selbst der Knochen fuumlhlt (sagt er 13 cap II L)[T Campanella De sensu rerum et magia a a O lib II capXIII S 97] denn er ernaumlhrt sich und waumlchst Aber nichts kann sichernaumlhren was nicht die passende Nahrung an sich zieht es fuumlhlt al-so das Simile weil es dasselbe kennt und anzieht c 15 omnis rescognoscit se ipsam esse et pugnat contra non esse et amat se esseErgo se ipsam per se ipsam cognoscit [cognoscit cognoscat A]abdita notitia [notitia nostra A] [Jedes Ding weiszlig von sich selbstdaszlig es ist und kaumlmpft dagegen nicht zu sein und liebt es zu seinAlso erkennt es sich selbst durch sich selbst ohne Begriff] [TCampanella De sensu rerum et magia a a O lib II cap XVS 106-107] Es ist also eine Erkenntnis nicht durch Schluszlig sonderndurch sein Wesen eine unmittelbare geheimnisvolle mit s[einem]Sein identische Kenntnis Es ist eine ganz richtige Idee die demCam[panella] zugrunde liegt aber in der Auffassung und Bestim-mung seiner Idee geht er zu weit und zwar darin daszlig er wasgleichnisweise allerdings von allen Dingen gesagt werden kann daszligsie sich selbst lieben daszlig sie unterscheiden doch wieder im eigent-lichen Sinne der Dinge also wirkliches Gefuumlhl wenn auch andrer

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Er statuierte in 3 Grundprinz[ipien] die1 Primalitaumlten allesSeins die Moumlglichkeit die Erkenntnis die Neigung und daszligdem Sein d[as] Nichtsein entgegengesetzt ist so stellte er auch[den] Primalitaumlten des Seins 3 des Nichtsseins [gegenuumlber]impotentia [Unfaumlhigkeit] insipientia [Unverstaumlndigkeit] Ab-neigung odium metaphysicale Bemerkenswert ist daszlig er auchschon auf den Gedanken kam2 von dem unmittelbaren Selbst-bewuszligtsein wie Cartes[ius] den Anfang der Philosophie zumachen Aber so viele treffliche und tiefe Gedanken wir auchbei C[ampanella] finden und ob er sich gleich zu bestimmtenGrundprinzipien erhebt so ist doch seine Philosophie mit al-lerlei populaumlren Vorstellungen unterlaufen ja s[eine] Philoso-phie zumal ist nicht nur unterlaufen und untermengt mit aller-lei3 unphilosophischen Gedanken sondern ist4 noch nicht reinals Philosophie bei ihm [ausgesprochen]5

Weit mehr als mit Camp[anella] ist dies der Fall noch miteinem andern geistvollen durch seine wunderliche Individua-litaumlt seine seltsamen Charakterwiderspruumlche besonders merk-wuumlrdigen6 Italiener dem Hieronymus Cardanus bei dem wirviele treffliche philosoph[ische] Gedanken und selbst Ab-handlungen (z B De Uno7 ) antreffen ohne daszlig doch vonPhilosophie in sensu strictiori bei ihm die Rede sein kann

Art als bei uns zuschreibt daszlig C[ampanella] also zwischen Bildund Sache zwischen Mensch und Ding nicht scharf genug unter-scheidet Die Idee selbst aber die bei Camp[anella] dieser Idee wie-der zugrunde liegt ist die bewunderungswuumlrdigen durch ihreZweckmaumlszligigkeit auffallendenden Wirkungen in der Natur nicht auseinem extramundanen Wesen sondern als der Natur immanente dhin ihrem Wesen liegende Wirkungen zu erkennen ndash zu erkennendaszlig die res a se agere [die Dinge sich auf ihre eigene Weise ver-halten] daszlig der Natur ein Prinzip der Spontaneitaumlt d i d[er] Selbst-bestimmung und -taumltigkeit innewohnt

1 die oder In A2 Im Ms folgt gestr aus3 Im Ms folgt gestr unleserl Wort4 Im Ms folgt gestr bei ihm5 ja [ausgesprochen] es bleibt mehr beim Philosophieren als daszlig es

zur Philosophie selbst kommt Korr im Ms ndash Im Ms folgen unleserlErg

6 Im Ms folgt gestr Mann7 G Cardano De uno In Opera quaedam lectu digna Basileae

1562 ndash Im Ms folgt an

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Eine reine philosophische Seele treffen wir erst in dem schondurch seinen Maumlrtyrertod auf dem Scheiterhaufen zu Rom1

zum innigen Andenken der aufgeklaumlrten Mit- und Nachwelt2

vom heil[igen] Vater zu Rom bestens empfohlenen JordanoBruno von Nola ndash ein Beweis wie viele Individuen die Ideeerst ergreifen muszlig bis sie eines findet das sie getreu ohneBei- und Zusaumltze kopiert3 das eine mit ihrer Gattung ihrerbestimmten Idee identische Individualitaumlt ist4

395 Er ist ein reiner Spiegel von der6 Idee die das Herz derneuern Menschheit beherrschte ein Brennspiegel der alle ihreStrahlen in seine Philosophie aufnahm und sie7 in sich konden-sierte selbst zum Feuer der Poesie ndash er trug ebenso in Prosa alsin Versen seine Philosophie vor ndash er ist vielleicht der hellsteund freieste Kopf seiner Zeit er ist Pantheist im reinsten edel-sten und vollsten Sinn des Wortes Pantheist mit Leib undSeele mit Kopf und Herz er ist eine personifizierte Idee ndash dieIdee des Pantheismus ndash ein Philosoph im Geiste und Sinne derantiken Philosophen im Sinne eines Heraklit und Parmenides ndashseine Philosophie ist sein Verstand sein Glaube seine Religi-on Er erkennt nicht nur er fuumlhlt er glaubt auch die Wahrheitseiner Philosophie er spricht sie darum auch in poetischerForm und Begeisterung aus mit der eigentuumlmlichen hinrei-szligenden und ergreifenden Kraft die jede Darstellung einer Sa-che hat die das Gepraumlge der innersten und tiefsten Uumlberzeu-gung an sich traumlgt Bruno ist wirklich8 als ein Repraumlsentant desganzen Geistes der neuern Zeit anzusehen Daher faszligte er auchmit solchem Feuer solcher Lebhaftigkeit Freiheit und Genia-litaumlt die wichtigsten Ideen der neuern Zeit in sich die Idee vonder Bewegung der Erde um die Sonne die Idee von der Un-endlichkeit der Welt und von ihrer Einheit mit Gott In den 1 Im Ms folgt gestr merkwuumlrdigen2 dem innigen Nachwelt dem innigsten Andenken und Herzen

seiner Nachwelt teuer Korr im Ms3 kopiert capirt A4 Am Rande Obgleich Br[uno] auch von vielen Vorstellungen

s[einer] Zeit noch beherrscht ist von ihnen [] erfuumlllt so sondertsich doch hier von diesen fremdartigen Bestandteilen ein philo-39sophischer Kern rein ab

5 Am Rande Verweis auf Paginierung S 206 Im Ms folgt gestr Grund-7 Im Ms folgt gestr dergestalt8 ist wirklich unterscheidet sich von den Korr im Ms

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uumlbrigen Italienern hat sich noch nicht so abgesondert und ge-reinigt der neue von dem alten Geiste so hing selbst Campa-nella noch fest an der Vorstellung von der Unbeweglichkeit derErde ndash eine Vorstellung die so fest eingewurzelt war dasselbst Baco von Verulam der heil[ige] Erzvater der Empirie40 diese Vorstellung noch hatte1 Es ist daher auch merkwuumlr-dig daszlig Bruno sich foumlrmlich von dem katholischen Glaubenlossagte und auf deutschem Grund und Boden wo er sich eini-ge Jahre aufhielt wie z B in Wittenberg wo er auch Vorle-sungen hielt und in Frankfurt a M zu dem Protestantismusuumlberging waumlhrend die uumlbrigen italienischen Philosophen wieCardan[us] Campanella es sei nun aus welchen inneren Gruumln-den es wolle in dem Glauben ihres Landes und [ihrer] Vaumlterblieben Sein Tod kann daher auch als ein wirklicher Maumlrty-rertod angesehen werden ndash er fiel als Opfer und Repraumlsentantder neuern Zeit ndash als Opfer einer Philosophie die in ihm Le-ben Glaube Religion geworden war ndash als Opfer des Pantheis-mus denn der Pantheismus ist die Philosophie die im Men-schen unmittelbar die Gestalt der Religion annimmt

Der Gedanke nun der Br[uno] beseelte und begeisterte istund bleibt der houmlchste Gedanke des Menschen der Gedankemit dem die Philosophie steht und faumlllt der Gedanke der Ein-heit Die Einheit zu erkennen ist sagt er der Zweck aller Philo-sophie und Erforschung der Natur2

bdquoDie bestehenden verschiednen Dinge fuumlhren uns notwendigauf ein Prinzip ihres Bestehens auf ein einfaches Grundwesenin welchem alle Unterschiede der einzelnen Formen ver-schwinden Wie nun die sinnlichen Dinge zusammen ein Sub-jekt (Grundlage) des Sinnlichen voraussetzen so setzen dieintelligible[n] ebenfalls ein Subjekt des Intelligiblen vorausBeide erfordern aber wieder notwendig einen Grund der ihnengemein sei weil kein Wesen sein kann welches nicht aus ei-

1 Im Ms folgt gestr Bruno2 Im Ms folgt gestr In dem obersten Prinzip oder in dem Wesen

welches wir als die Ursache der Welt annehmen haben wir dahervor allem die Einheit der unterschiedenen Weisen wie etwas Ursa-che sein kann zu begreifen ndash F H Jacobi Auszug aus JordanBruno von Nola Beylage I zu den Briefen uumlber die Lehre des Spino-za In Friedrich Heinrich Jacobirsquos Werke 4 Bd 2 Abth Leipzig1819 S 32

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nem Dasein hervorginge 551 und darauf beruhte mit Aus-nahme allein von dem Wesen dessen Wirklichkeit in s[einem]Wesen schon begriffen und vollstaumlndig gegeben ist Wenn derKoumlrper wie allgemein zugegeben wird eine Materie die nichtselbst Koumlrper ist voraussetzt diese also der Natur nach demkoumlrperlichen Dasein vorhergeht so sehe ich nicht ein was dieMaterie mit den Substanzen welche man unkoumlrperlich nenntso ganz unvertraumlglich machen sollte Es gibt ja auch der Peri-patetiker genug welche sagen da in den koumlrperlichen Substan-zen ein gewisses formelles und goumlttliches Etwas angetroffenwerde so muumlsse ein gewisses materielles Etwas auch in dengoumlttlichen sein damit die Ordnungen der niedern und houmlhernDinge ineinander greifen und sich gegenseitig bestimmen koumln-nenldquo2

Diese Materie nun oder dieses materielle Prinzip welcheswohl zu unterscheiden ist von der Materie der zweiten Gattungdie das Subjekt allein der natuumlrlichen veraumlnderlichen Dinge istist nun aber wie die Materie uumlberhaupt3 nicht als der einzigeGrund anzunehmen Anfangs hing ich wohl sagt Bruno denMeinungen des Demokrits und der Epikuraumler an welche dieMaterie als den einzigen Grund der Dinge annehmen sagensie selbst sei die goumlttliche Natur behaupten was nicht Koumlrpersei sei Nichts Aber spaumlter erkannte ich als notwendig mit denAristotelikern zwei Arten der Substanz anzunehmen wovondie eine Form die andere Materie waumlre4 Auszliger dem materiel-len Grunde oder auszliger dem materiellen Prinzip als dem ge-meinsamen Prinzip als der gemeinsamen Moumlglichkeit und 1 Am Rande ro Verweis auf V Vorlesung und Verweis auf Paginie-

rung S 282 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 29-30 ndash Im

Ms folgt gestr Diese Materie welche den unkoumlrperlichen wie denkoumlrperlichen Dingen zum Grunde liegt ist ein mannigfaltiges We-sen insofern es die Menge der Formen in sich faszligt in sich betrach-tet aber schlechterdings einfach und unteilbar Sie ist Alles wassein kann in der Tat und auf einmal und weil sie Alles ist kann sienichts insbesondere sein (Sie ist also das formelle Wesen von Al-lem ohne doch selbst eine Form zu haben) Die unendliche Mengeder einzelnen Dinge in der Welt macht daher nur Ein Wesen aus[Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 30-32]

3 Im Ms folgt gestr die nur nicht als Subjekt sondern als Potenzbetrachtet werden kann

4 Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 18-19

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Unterlage aller Dinge muszlig man also noch ein formelles Prin-zip anerkennen welches die erste allgemeine Form die Formund Quelle aller Formen ist Diese absolute Form ist nichtsandres als der allgemeine Verstand Mit andern Worten dieDinge setzen nicht nur ein materielles sondern auch geistigesdenkendes Prinzip voraus bdquoDie Werke der Natur wie solltensie hervorgebracht sein ohne Verstand und Geistldquo1 56 Allesist belebt2 und die Seele eines jeden Dings seine Form bdquoWirhaben zwar ich weiszlig nicht was fuumlr eine Abneigung die Weltals ein durch und durch lebendiges Wesen anzusehen da wiruns doch eine Form die nicht Wirkung nicht unmittelbareroder mittelbarer Ausdruck einer Seele waumlre ebenso wenig alsetwas uumlberhaupt ohne Form denken koumlnnen Bilden kann alleinder Geist Dinge der Kunst die nur mittelbare Wirkungen desGeistes sind fuumlr lebendige Formen auszugeben waumlre aller-dings abgeschmackt und laumlcherlich Mein Tisch ist als Tischmeine Kleidung als Kleidung nicht belebt da sie aber ihrenStoff aus der Natur haben so bestehen sie aus lebendigen Tei-len Kein Ding ist so gering und klein daszlig nicht Geist in ihmwohnte und diese geistige Substanz bedarf nur eines schickli-chen Verhaumlltnisses um sich als Pflanze auszubreiten oder alsTier zu den Gliedern eines regen Leibes zu gelangen Darausuumlbrigens daszlig in der Natur Alles bis zum kleinsten Teile ausForm und Materie besteht und nichts unbelebt ist folgt nochkeineswegs daszlig alles was ist eine tierische Natur oder einlebendiges Wesen sei Nicht alle Dinge welche Seelen habensind darum was wir beseelte Wesen nennen Aber alle besitzender Substanz nach Seele und3 Leben nur sind nicht alle imwirklichen Genusse des Lebens und der Anwendung der See-leldquo4 Dieser Verstand ist nun aber nicht ein der Welt und Mate-rie aumluszligerlicher Verstand er ist bdquoein innerlicher Kuumlnstler dervon Innen aus die Materie bildet und gestaltet die innerlicheUrsache derselben die nur insofern als aumluszligerliche Ursache zufassen ist als sie im Verhaumlltnisse zu den zusammengesetztenund hervorgebrachten Dingen nicht als ein Teil derselben ange-sehen folglich auszliger ihnen gedacht w[erden] muszligldquo5 Aber wie

1 Vgl ebenda S 92 Alles ist belebt Wenn Alles belebt Korr im Ms3 und [so auch A] oder Ms4 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 13-145 Vgl ebenda S 14

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haumlngt nun der allgemeine Verstand die Seele der Welt dieForm aller Formen mit dem materiellen Prinzip oder der Mate-rie allgemein1 zusammen bdquowie sind sie vereinigt unzertrenn-lich verschieden und dennoch Ein Wesenldquo2 bdquoDas Prinzipwelches Materie heiszligt kann auf zweierlei Weise gefaszligt wer-den einmal als Potenz hernach als Subjekt Wenn wir sie alsPotenz betrachten fallen alle moumlglichen Wesen auf gewisseWeise unter ihrem Begriffeldquo3 Denn es ist unmoumlglich einerSache Dasein zuzuschreiben welcher das Vermoumlgen da zu seingebraumlche4 bdquoWenn also von jeher ein Vermoumlgen zu wirkenhervorzubringen zu erschaffen da war so muszligte auch vonjeher ein Vermoumlgen bewirkt hervorgebracht und erschaffen zuwerden da sein

415 Der Begriff der Materie als eines passiven Wesens aufdiese Art gefaszligt laumlszligt sich mit dem Begriffe des houmlchsten uumlber-natuumlrlichen Prinzips ohne Bedenken vereinigenldquo6 bdquoDas ersteund vollkommenste Prinzip faszligt alles Dasein in sich kann allessein und ist alles Wenn es nicht Alles sein koumlnnte so waumlre esauch nicht alles Taumltige Kraft und Potenz Moumlglichkeit undWirklichkeit sind in ihm also ein unzertrenntes und unzer-trennliches Eins Nicht so die andern Dinge welche sein undnicht sein so oder anders bestimmt sein koumlnnen Jeder Menschist in diesem Augenblick was er in diesem Augenblick seinkann aber nicht Alles was er uumlberhaupt und der Substanz nachsein kann Was Alles ist was es sein kann ist nur ein Einzigeswelches in seinem Dasein alles andre Dasein begreift Dieuumlbrigen Dinge sind nur was sie sind und jedesmal sein koumlnneneinzeln besonders in einer gewissen Ordnung und Folgeldquo7

bdquoDiese Materie welche den unkoumlrperlichen wie den koumlrperli-chen Dingen zu Grunde liegt ist daher ein mannigfaltiges We-sen insofern es die Menge der Formen in sich schlieszligt in sichbetrachtet aber schlechterdings einfach und unteilbar Sie istalles was sein kann in der Tat und auf einmal und weil sie

1 Materie allgemein allgemeinen Materie Korr im Ms2 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 233 Ebenda S 23-244 Vgl ebenda S 245 Am Rande r o Verweis auf V Vorlesung und Verweis auf Paginie-

rung S 216 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 24-257 Ebenda S 25-26

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alles ist kann sie nichts insbesondere seinldquo1 bdquoSie ist (in ihrerIdentitaumlt mit der absoluten Form) das formelle Wesen vonallem ohne doch selbst eine Form zu haben Was sehen wirselbst in der Natur der Materie vor unsern Augen alles sein undwerden ohne daszlig wir sie nach einer der besondern Kontraktio-nen der Form benennen koumlnnte[n] Die Materie im houmlchstenVerstande nimmt also Formen an ohne durch eine dargestelltzu w[erden] Nullas habet dimensiones ut omnes habeat Aberjene Unendlichkeit von Formen nimmt sie nicht von einemandern und gleichsam nur aumluszligerlich an sondern sie bringt sieaus sich selbst hervorldquo2

Wenn nun aber alles eine gemeinschaftliche Ursache3 vor-aussetzt und diese Ursache der innre Grund das innre wesen-hafte Prinzip der Dinge ist und dieses Prinzip selbst ebensodas materielle als formale oder geistige Prinzip und in dieserIdentitaumlt das allgemeine Prinzip aller Dinge ist so sind bdquoalleDinge der Substanz nach Einesldquo4 die unendliche Menge dereinzelnen Dinge in der Welt macht nur Ein Wesen aus bdquoAlleswas zu den Verschiedenheiten der Geschlechter Arten undEigenschaften gehoumlrt was durch Geburt Aufloumlsung Wechselund Wandel zum Dasein gelangt ist kein wahrhaftes Wesenund sein Dasein kein eigentliches Dasein 42 sondern es ge-houmlrt nur zu den Beschaffenheiten und dem Zustande des We-sens welches in sich Eins unendlich unbeweglich SubjektMaterie Leben Seele uumlberhaupt das allein Wahre und Guteistldquo5

bdquoWie unser Aufsteigen zu dem unendlichen Wesen so istsein Herniedersteigen zu uns Wir erzeugen durch Zusammen-fassen des Mannigfaltigen Einheit des Begriffes das erstePrinzip erzeugt indem es seine Einheit entwickelt die Mannig-faltigkeit der Wesen Es nimmt aber dadurch daszlig es zahlloseArten und Geschlechter eine Unendlichkeit von einzelnenDingen hervorbringt fuumlr sich selbst keine Zahl kein Maszlig nochVerhaumlltnis an sondern bleibt Eins und unteilbar in allen Din-gen Wenn wir also einen einzelnen Menschen ansehen so

1 Ebenda S 30-312 Vgl ebenda S 31-323 Ursache Grund Korr im Ms4 Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 28 und

395 Ebenda S 41

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nehmen wir nicht eine besondre Substanz sondern die Sub-stanz im Besondern wahr

Demjenigen der unseren Betrachtungen bisher gefolgt istkann die Behauptung des Heraklit von der durchgaumlngigen Ko-inzidenz des Entgegengesetzten in der Natur welche alle Wi-derspruumlche enthalten aber zugleich sie in Einheit und Wahrheitaufloumlsen muszlig nicht mehr anstoumlszligig sein Von dieser Koinzidenzgibt uns nicht allein die Mathematik manche Beispiele undBeweise sondern wir finden ihre Wirklichkeit auch auf jedemandern Wege bestaumltigt Muszlig nicht das Principiatum [Angefan-gene] von seinem Principio [Anfang] allemal wesentlich ver-schieden seinldquo1

Die Idee daszlig Gott nicht bloszlig die aumluszligerliche sondern dieinnerliche Wesensursache der Welt damit der absolute Grunddas absolute Innre und Wesen der Welt selbst sei oder die Ideevon der Einheit der Welt mit Gott ndash eine Einheit die keinenSinn haumltte wenn der Unterschied zwischen Gott und Weltaufgehoben wuumlrde der Unterschied der notw[endig] zwischenihr als dem Principiatum und ihm als dem Prinzip stattfindet ndashdiese Idee war es die in Jordano Bruno die Idee von der Un-endlichkeit der Welt erzeugte die er mit aller ihm so eigen-tuumlmlich[en] Kraft der Begeisterung [vertrat] und ihn zu einemgenialen2 Anhaumlnger und Verbreiter des kopernikanischen Welt-systems machte indem [er] mit diesem System als Folge dieVorstellung von geschlossnen Welten leicht verknuumlpft unddiese Vorstellung der Unendlichkeit der Welt auf eine sinnli-che die Phantasie erregende Weise dem Menschen zu Gesichtebringt3

1 Ebenda S 43-44 ndash Am Rande Side [] in Text2 genialen begeisterten Korr im Ms3 indem bringt welchem er Folgerungen machte die eigentlich auf

spaumlter allgemeine [] und so zur allgemeinen Anschauung derMenschheit brachte Korr im Ms Unsichere Transkription

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VI Vorlesung [Bruno Descartes]1

43 Den Anfang der neuern Philosophie verlegten wir nachItalien und fanden ihn in dem Pantheismus des Jordan[o] Bru-no von Nola so daszlig2 wir den fruumlhern Ausspruch die Natur-philos[ophie] ist der Anfang dahin modifizieren koumlnnten derPantheismus ist der Anfang der neuern Philosophie DieserBestimmung des Anfangs tritt eine andere Auffassung gegen-uumlber die besonders in der Hegelschen Schule sich geltendmacht So hat Erdmann in s[einem] bdquoVersuch einer wissen-schaftl[ichen] Darstellung der Geschichte der neuern Philoso-phieldquo welches auch den besondern Titel hat bdquoDarstellung undKritik der Philos[ophie] des Cartes[ius]ldquo den Satz ausgespro-chen daszlig das Cartesische System das erste in der Geschichteder neuern Philosophie sei indem er den Protestantismus (inder allgemeinen uneigentlichen3 Bedeutung daszlig er sei dasProtestieren des Bewuszligts[eins] gegen alles was nicht durchdas Bewuszligts[ein] fuumlr es vermittelt und gegeben ist gegen allesAumluszligerliche Positive Traditionelle) als den allgemeinen Cha-rakter der neuern Philos[ophie] bezeichnet und demzufolgebehauptet daszlig nur das System der Anfang sei in dem der Ge-gensatz zwischen dem Bewuszligtsein und Dasein dem Ich undder Auszligenwelt bestimmt ausgesprochen sei4 Dies ist5 bei Car-tes[ius] der Fall6 Also

Allein dagegen ist einzuwenden Schon a priori laumlszligt sichfestsetzen daszlig der Anfang nie der Gegensatz der Unterschiedsondern stets nur die Einheit sein koumlnne Der Gegensatz setzt apriori seinem Begriffe seiner Natur nach die Einheit voraussie muszlig also auch in der Zeit ihm vorangehen Im Anfangekoumlnnen die Elemente nicht so bestimmt so entschieden so

1 So auch A2 Im Ms folgt gestr man sich3 Im Ms folgt gestr Bede[utung]4 Vgl J E Erdmann Darstellung und Kritik der Philosophie des

Cartesius nebst einer Einleitung in die Geschichte der neuerenPhilosophie In Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung derGeschichte der neuern Philosophie 1 Bd 1 Abt Riga ndash Dorpat1834 S 99

5 ist [so auch A] sei Ms6 Vgl J E Erdmann Darstellung und Kritik der Philosophie des

Cartesius hellip a a O sect 21 S 269-270

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different sein als sie es im Laufe der spaumltern Entwicklungnotwendig werden Die Menschheit beginnt uumlberall in und mitder Einheit Sie muszligte mit ihr auch in der Philosophie begin-nen und sollte dies Eine im Anfang selbst nur ein Glied desGegensatzes sein welches mit Ausschluszlig des andern allein denGeist erfuumlllte Diese apriorische Notwendigkeit tritt uns nun inItalien als wirkliches Faktum vor die Augen und wir sind alsodoppelt gezwungen Italien als den Boden zu erkennen wo derSame der Philosophie aufging Denn der Grundcharakter deritalienischen Philosophie liegt in der Idee oder Anschauung derEinheit die sie durchdrang erfuumlllte und begeisterte

44 Bruno sprach sie fuumlr jeden der Ohren zu houmlren hat un-verkennlich als ein System des Pantheismus aus in dem Ge-danken von der absoluten Identitaumlt der Dinge in ihrem Grundeund Wesen Aber die Einheit beherrschte nicht weniger denzweiten groszligen Denker ndash den Campanella und kommt bei ihmnicht nur in der Grundidee seiner Metaphysik sondern auch inandern Ideen zum Vorschein In der Grundidee darin daszlig erselbst all[en] Dingen allem was uns als bloszliges Objekt er-scheint Subjektivitaumlt zuschreibt ein offenbarer Beweis daszlig derMensch sich also hier noch nicht so getrennt hat von der Weltund entzweit mit ihr wie spaumlter daszlig der Geist sich nicht imGegensatze gegen die Natur und die Natur im Gegensatze ge-gen sich erfaszligt und bestimmt hat Alles ist dem Italiener belebter kennt keinen Tod kein seelenloses Objekt keinen reinenGegensatz des Lebens des Geistes die Auszligenwelt repraumlsen-tiert ihm selbst sein Innerstes er findet in ihr keinen Abbruchvon sich1 In den besondern Ideen aber darin daszlig er sich gegenalle Sonderungen und fixen Unterschiede namentlich was dieSeele betrifft wehrt und straumlubt So polemisiert er gegen denGalen der die rationale zuumlrnende und begehrende2 Seele alsdrei besondere Fakultaumlten unterscheidet Aber es ist nur EineSeele Nur die Verschiedenheit der Objekte bringt den Schein

1 Am Rande Mundus totus est sensus vita animus Ferner adfirmare

licet mundum esse animal totum sentiens omnesque portiones eiuscommuni gaudere vita [Die ganze Welt ist Gefuumlhl LebenGeist Ferner Man kann behaupten daszlig die Welt ein lebendes We-sen ist das alles fuumlhlt und dessen Teile alle gemeinsam sich des Le-bens erfreuen] [T Campanella De sensu rerum et magia Francofurti 1620 lib I cap IX S 36]

2 begehrende empfindende A

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hervor als waumlren viele Seelen und die Seelen der Tiere we-sentlich verschiedener Art Alle Handlungen und Wirkungenkommen nur von einer und derselben Seele Selbst die sinnli-che Begierde ist der Vernunft nicht entgegengesetzt und unver-nuumlnftig denn sie hat einen vernuumlnftigen Zweck und sie wirdnur durch den Anblick der Schoumlnheit erweckt aber die Wahr-nehmung der Schoumlnheit ist eine Handlung oder Sache der Ver-nunft Ebenso ist die zuumlrnende oder leidenschaftliche Seeleauch die vernuumlnftige denn sie sinnt nicht auf Rache wenn sieeiner beleidigt hat wenn er es nicht freiwillig getan hat undwenn der Beleidiger fuszligfaumlllig um Verzeihung bittet so besaumlnf-tigt sie sich leicht indem sie [ihn] nicht fuumlr verachtet ansiehtEbenso polemisiert er gegen die Annahme verschiedner SinneSo sagt er im 17 cap bdquoDie Verschiedenheit der Objekte be-weist keineswegs das Dasein verschiedner Sinne sondern nurverschiedener Arten und Weisen des Empfindens DieselbeWaumlrme die als Objekt des Gefuumlhls Waumlrme heiszligt heiszligt alsObjekt des Auges Licht als Objekt des Gaumens1 GeschmackUnd es ist ein und derselbe Lebensgeist der alle diese Objektewahrnimmt aber vermittelst verschiedner Organe gleichwiederselbe Mensch mit der Feder schreibt mit dem Messerschneidet mit dem Spaten graumlbt Wenn ich aufmerksam etwashoumlre so sehe ich nicht das 45 was an mir voruumlbergeht undwenn ich recht vertieft Jemand anschaue so houmlre ich nicht dieWorte dessen der mich ruft ndash ein Beweis also daszlig der Lebens-spiritus das gemeinschaftliche eine Prinzip alles Empfindensist der Brand wie dies2 hauptsaumlchlich in den Affekten sichtbarist in die Augen stroumlmt und sie feurig macht dann wieder nachinnen zuruumlckstroumlmt so daszlig die Extreme des Koumlrpers erkaltenwie z B im Zorn und ein Beweis daszlig das empfindende Prin-zip ein koumlrperliches bewegliches Prinzip istldquo3 Jenes Zusam-mendenken des Menschen mit den Dingen des Geistes mitdem Koumlrper jene Idee der Einheit kommt selbst in der Formdes groumlbsten Materialismus und Aberglaubens in den Koumlpfendieser Italiener in denen noch nicht der Geist des MittelaltersPlatz gemacht hat dem denkenden und pruumlfenden Geist zumVorschein Nur ein Beispiel bdquoDie Erfahrung lehrt daszlig ein 1 Gaumens Geschmacks Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr hoffen3 T Campanella De sensu rerum et magia hellip a a O lib II cap

XVII S 114-115

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unbewohntes Haus wenn es auch fest gebaut und in ganz gu-tem Stande ist eher altert und zusammenstuumlrzt als ein schlechtund leicht gebautes aber bewohntes Haus Denn der Menschist die wirkende die ideale und Zweckursache des HausesJede Wirkung wird aber durch die Gegenwart ihrer Ursachemehr belebt und im Wesen erhalten Das Haus w[ird] durchs[einen] Bewohner belebt und bleibt ohne ihn ein Kadaverldquo1

Daher auch die scheinbar widersprechende Erscheinung daszligwaumlhrend dem Camp[anella] alles Leben Gefuumlhl Bewuszligtseinist ihm die Seele selbst ein materielles Prinzip ein Spiritus einaumltherisches Fluidum nur ist Indem die Idee der Einheit undzwar der Einheit in ihrer Unmittelbarkeit nicht als durch denUnterschied und Kritik vermittelte Einheit die Grundidee die-ser ersten Periode der neuern Philosophie war so konnte dieseEinheit nicht die des gestaltenden sondernden und organisie-renden Begriffs sondern der alles in sich befassenden wie dergeduldige Raum alles ohne Distinktion in sich aufnehmendenAnschauung sein Mit Ausnahme des Jordan[o] Bruno in demsich das Licht von der Finsternis schied der Gedanke der Ein-heit in der reinsten Form sich aussprach obwohl er im Beson-dern selbst deutliche Spuren dieses Geistes in sich noch traumlgtlaumlszligt sich daher die erste Periode der Philosophie mit dem Cha-os vergleichen in dem alle Dinge noch ununterschieden inein-ander lag[en] πάντα ὁμὸςἦν [Alles ist einander gleich] Esfehlt alle Kritik alle Skepsis obwohl Camp[anella] die Zwei-felsgruumlnde des Pyrrho[n] im Anfang seiner Metaphysik vor-bringt2 Mit den trefflichsten feinsinnigsten philosophischenIdeen spukt3 in dem Kopfe eines Camp[anella] eines Car-dan[us] der altglaumlubige Sinn des Mittelalters mit allen seinenDaumlmonen Geistern Bildern Maumlhren und Zaubereien

Aber eben bei dieser Einheit konnte es sein Bewenden nichthaben Die wahre Einheit ist nur die aus dem Unterschiede undGegensatze wiederhergestellte und resultierende Einheit dieEinheit die nicht Ausgang sondern Ruumlckgang ist Es muszligtedaher zum Unterschiede zur bestimmten Scheidung der Ele-mente oder Momente der Einheit kommen Der Pantheismus

1 Zitat nicht nachgewiesen2 T Campanella Universalis Philosophiae seu Metaphysicarum

rerum juxta propria dogmata partes tres Parisiis 1638 lib I capIII S 30-31

3 spukt unleserl Korr im Ms

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schlieszligt keineswegs den Unterschied aus denn dann waumlre esein sinn- und verstandloses System Denn wo 46 kein Unter-schied ist ist kein Sinn und Verstand Er sagt nur Substanz istnicht der Unterschied sondern die Einheit Er leugnet nicht dasDasein des Unterschieds er leugnet nur daszlig der Unterschieddas wahre das letzte das prinzipielle substantielle Dasein istAber es ist notwendig ndash und keineswegs ist diese Notwendig-keit ein Widerspruch gegen den Pantheismus uumlberhaupt son-dern nur gegen den Pantheismus der die unmittelbare Einheitzu seiner Basis hat und daher auch mit einer Voraussetzungbeginnt die Einheit nicht genetisch aus dem Unterschiedeentwickelt ndash es ist notwendig ndash und diese Notwendigkeit liegtselbst in der Entwicklung des Pantheismus ndash daszlig der Unter-schied fuumlr sich selbst fixiert wird daszlig der Unterschied zu seinerBedeutung und Realitaumlt kommt namentlich der Unterschiedder beiden wesentlichen Ur-Momente der Identitaumlt des Geistesund der Materie Bruno leugnet keineswegs den Unterschiedzwischen Geist und Koumlrper sein Interesse ist aber nur zu er-kennen daszlig sie in ihrem letzten Grund und Wesen eine ge-meinschaftliche Basis haben er statuiert selbst Gegensaumltzeaber folgert gerade aus ihnen auf die Identitaumlt Die Philosophiemuszligte daher jetzt das Interesse haben oder die Aufgabe war ihrgestellt diesen Unterschied festzuhalten und zu sehen wasund wie ist der Unterschied wie unterscheiden sich Geist undMaterie Die Philosophie die diese Frage sich stellte und vonihrem Standpunkt aus loumlste ist die Philosophie des CartesiusDer Standpunkt des Cartesius ist der Standpunkt der Kritik derScheidung und Ausscheidung der Geist stellt sich auf diesemStandpunkt die Frage was ist mein was nicht mein was gehoumlrtmir an was gehoumlrt der Materie an wo houmlrt sie auf wo fangeIch an Aber eben deswegen kann man den Anfang der Phi-los[ophie] nicht mit seiner Philos[ophie] machen mit demStandpunkt der Kritik faumlngt die Menschheit nicht [an] Er istder Anaxagoras der neuern Zeit Alles war anfangs ὁμός Einsbeisammen unentschlossen aber da kam der Nοῦς der Ver-stand dazu der eben deswegen das Prinzip seiner Philosophie[wurde] nach welchem ihm daher auch die Alten schon denNamen des Nοῦςgaben und derNοῦς sonderte und schiedDieses πάντα ὁμὸςἦν [alles gleich sein] kann man aber eben-so auf den fruumlhern Zustand der griechischen Philosophie an-wenden wie auf die vorcartesianische Periode Mit dem Carte-sius die Philosophie der neuern Zeit anfangen [zu] wollen ist

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daher gerade so viel wie wenn man mit dem Anaxagoras nichtmit der Ionischen Schule den Anfang der griechischen Philoso-phie machen wollte Allerdings kann man sagen das Daseineines neuen antischolastischen abtruumlnnigen heterodoxenGeistes setzte Cartes[ius] erst auszliger allen Zweifel gab hiervoneinen sonnenklaren 47 Beweis denn seine Philosophie gabsich in einer Schule aumluszligerliche Existenz und erst die Cartesi-sche Schule stuumlrzte die Scholastik indem sie ins Leben trat unddie Katheder die allein diese in Beschlag genommen hattebesetzte Er setzte das Dasein eines neuen nur auf sich selbstsich verlassenden von allem Vorhandenen Geltenden Uumlber-lieferten abstrahierenden ja es als gar nicht vorhanden alsnichtig betrachtenden Geistes auszliger allem Zweifel und zwardurch seine Skepsis die ihn mehrere Jahre im Zweifel und inder peinlichsten Unruhe herumtrieb durch die1 Geringschaumlt-zung und Verachtung alles dessen was bisher in den Wissen-schaften namentlich in der Philosophie geleistet sei eine Ver-achtung die ihn zur Verzweiflung brachte und den Entschluszligeinfloumlszligte selbst die Wissenschaften wenigstens alle Buumlcher-gelehrsamkeit aufzugeben2 durch die Forderung die er aus-druumlcklich geltend machte daszlig man an allem wenigstens einmalin seinem Leben zweifeln muumlsse 3 durch die Behauptung diePhilosophie ist nicht sie muszlig erst erzeugt werden Und derMensch kann sie nur aus sich selbst schoumlpfen nicht aus Buuml-chern nicht von andern Alle Philosophen vor Cartes[ius] hat-ten die Autoritaumlt bekaumlmpft hatten geschuumlttelt und geruumlttelt andem was bisher unerschuumlttert dastand und als Fideikommiszligvon einer Hand in die andere ging hatten gezweifelt an demWert und der Wahrheit der vorhandenen Wissenschaft aberkeiner trieb den Zweifel so auf die Spitze machte das so zwei-felnde tadelnde unzufriedene kritisierende nur auf sich selbstsich verlassende nur aus sich selbst schoumlpfende Selbst oder Ichausdruumlcklich zum Prinzip Und insofern als Cartesius das wasdie fruumlhern Philosophen getan und vorausgesetzt hatten imStillen zum Bewuszligtsein und zur Gewiszligheit erhob laut undoffen aussprach das Dasein eines neuen seiner selbst gewissenphilos[ophischen] Geistes zu eine[r] sonnenklare[n] unleugba-

1 Im Ms folgt gestr Forderung2 Im Ms folgt gestr endlich3 Im Ms folgt gestr auszliger allem Zweifel

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re[n] Tatsache machte kann man1 allerdings mit dem Cartesiusden Anfang machen Die Menschheit muszlig wenn sie eine neueEpoche begruumlnden will mit der Vergangenheit brechen Siemuszlig voraussetzen das bisher Gewesene sei gar nichts Nur indieser Vorstellung des Nichtseins und der Leere entsteht ihr dieLust und Kraft zu neuen Taten Wer sich vorstellt2 er hat schonalles sucht und forscht begreiflicherweise nach nichts weiter3

Alle Anhalts- und Anknuumlpfungspunkte an das Vorhandne wuumlr-de[n] ihren Flug laumlhmen Sie muszlig daher zu Zeiten das Bad mitdem Kinde ausschuumltten sie muszlig ungerecht sein So war sie esgegen die Scholastiker und gegen Aristoteles namentlich Car-tesius und Baco waren es

48 Erst der spaumltern Nachwelt ist es aufbewahrt die Ver-kannten und Verworfnen wieder ans Licht zu ziehen und nachGebuumlhren zu schaumltzen wie wir sehen daszlig Plato und Aristotelesin neuern und neuesten Zeiten zu Ehren wieder kamen so ist esgegenwaumlrtig mit Hegel der Fall man ist mit blindem Hassegegen ihn eingenommen eine spaumltere Nachwelt wird ihn erstwahrhaft erkennen und zu schaumltzen wissen Aber es ist not-wendig daszlig jede Veraumlnderung mit dem Bewuszligtsein einerdurchgreifenden wesentlichen Reformation unternommenwerde daszlig die Gegensaumltze des Alten und Neuen mit der Schaumlr-fe des Gegensatzes von Sein und Nichtsein gegeneinanderauftreten So sagte Bacon von Verulam daszlig es jetzt ndash zus[einer] Zeit ndash das Heil der Wissenschaft nur von einer radika-len Wiedergeburt von einer Revolution die ihre unterstenGrundlagen erschuumlttere zu erwarten [sei] daszlig es sich um eineneue Basis neue Prinzipien der Wissenschaft handle denn daswuumlrde wenig die Wissenschaft foumlrdern wenn man das Neue4

auf das Alte pfropfen wollte5 und sprach daher als eine not-wendige Bedingung der Wiedergeburt der Wiss[enschaft] esaus daszlig der Mensch6 sich von allen Vorurteilen die bisher ihnerfuumlllt hatten so auch von dem Vorurteil das man fuumlr das Altehabe sich befreien seinen Geist zu einer tabula rasa machen

1 Im Ms folgt gestr ihn als den Anfaumlnger2 sich vorstellt denkt Korr im Ms3 weiter bessern Korr im Ms4 Neue Alte Korr im Ms5 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

Francofurti 1665 lib I Aph XXXI S 2826 Mensch menschliche Geist Korr im Ms

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muumlsse Mit einer solchen Skepsis am Vorhandnen am Positi-ven uumlberhaupt mit einer solchen Ausleerung und Purifikationdes Geistes begann nun auch die Philosophie des Cartesiusobwohl gleich von vorneherein1 er Ideen aufstellt von wel-chem ihm seine Gegner vorwarfen daszlig er sie aus Plato oderandern Denkern genommen habe die auch wirklich groszligeAumlhnlichkeit damit haben aber doch das Gepraumlge2 eigentuumlmli-che[r] Erzeugnisse seines Geistes an sich tragen so sind daszligallerdings C[artesius]3 aus s[einem] Standpunkt auf sie kom-men muszligte

C[artesius] erzaumlhlt selbst in s[einer] Schrift bdquoDe methodoldquos[einen] Entwicklungsgang Er war auf der Schule sehr fleiszligigsein Wissenstrieb beschraumlnkte sich nicht allein auf die ge-woumlhnlichen Schulgegenstaumlnde er las was ihm in die Haumlndekam nicht bloszlig die Klassiker In der Mathematik die ihmbekanntlich so viele Fortschritte verdankt hat er sich schon aufder Schule ausgezeichnet Aber am Ende seiner Schulstudienfand er sich in einer ganz andern Lage als er vor dem Studiums[ein] Wiss[en] erwartet hatte Ich sah mich in so viel Zweifelund Irrtuumlmer verwickelt daszlig all mein Lernen und Wissen mirzu nichts geholfen zu haben schien 49 als zur Einsicht meinerUnwissenheit4 Er faszligte daher den Entschluszlig keine Wissen-schaft in Zukunft mehr zu suchen er faumlnde sie denn entwederin sich selbst oder in dem groszligen Buche der Welt5 Demgemaumlszliglebte er denn auch eine Zeitlang in Paris bloszlig in jugendlichenAusschweifungen und den Vergnuumlgungen der vornehmen

1 Im Ms folgt gestr sich in ihm2 das Gepraumlge als Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr durch4 Am Rande Er fand nichts fuumlr [unbezweifelbar] [unbezweifelbar [so

auch A] unleserl Wort im Ms] gewiszlig in der Philosophie und nochungewisser als die Philosophie alle andern Wissenschaften weil sievon ihr ihre Prinzipien entlehnten und d[ie] Philosophie kam ihmvor wie ein Gebaumlude an welchem eine Menge verschiedner Bau-meister nach und nach gearbeitet und gebessert hatten dessen Teiledaher nicht zus[ammen]paszligten sondern vielmehr sich widersprauml-chen Es muszligte also ein neues Gebaumlude aufgestellt und von einemund demselben Kuumlnstler vollendet werden ohne daszlig dieser einschon bestehendes System zum Muster nehme [Vgl R DescartesSpecimina philosophica seu Dissertatio hellip In Opera philosophicaAmstelodami 1656 S 7]

5 Vgl ebenda S 1-7

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Welt Aber sein Geist lieszlig ihn nicht in Ruhe Er zog sich zu-ruumlck in die tiefste Einsamkeit versenkt in das Studium derMathematik und Philosophie Aber die Gegensaumltze die seinePhilosophie bewegen ndash der Materialismus und der Idealismus ndashbewegen auch sein Leben aus der Welt geht es bei ihm in dieEinsamkeit des Gedankens und wieder aus der Einsamkeit desGeistes in das Getuumlmmel der Welt So sehen wir denn denCartes[ius] wieder aus s[einer] Einsamkeit heraustreten und aufdem Theater der Welt als Volontaumlr in Kriegsdienste tretenAber die1 Qual und Sorge des nach Gewiszligheit und Wissen-schaft verlangenden Geistes2 verlieszlig ihn selbst im Kriegsge-tuumlmmel nicht So als er einst in Neuburg an der Donau lag imWinterquartier als Freiwilliger unter den bayrischen Truppendie von Tilly kommandiert wurden3 ergriff ihn die Idee diePhilosophie umzuschaffen und ein neues sicheres Prinzip zufinden so lebhaft daszlig er ndash dieser stoische abstrakte Philosophndash eine Wallfahrt nach Loretto zur Mutter Gottes zu tun gelobtewenn sie zur4 Ausfuumlhrung dieser Idee ihren gnaumldigen Beistandleisten wollte Aber er kam noch lange nicht zu der Ruhe diedie Realisierung eines solchen Unternehmens bedarf wie imGeiste so hatte er sich auch im Leben noch nicht fixiert undhinlaumlnglich orientiert Er verlieszlig zwar die Kriegsdienste abermachte noch mehrere groszlige Reisen wo er einst auch eine Pro-be von seiner Geistesgegenwart und s[einem] ritterlichen Mutgab5 Er kam dann wieder nach Paris und balancierte hier wie-der zwischen den Gegensaumltzen des einfachen und geselligenmateriellen Lebens herum Aber endlich entschied er sich umallen Bande[n] des Lebens allen Anspruumlchen von Freundenund Bekannten zu entgehen so verlieszlig er selbst sein geliebtesVaterland und begab sich nach Holland wechselte aber auchhier einen Ort um den andern damit sein Aufenthaltsort nichtbekannt und er mit Besuch uumlberhaumluft wuumlrde 1 Im Ms folgt gestr Sorge2 nach Geistes Wissenschaftstriebes Korr im Ms3 Im Ms folgt lag4 zur ihn die Korr im Ms5 Am Rande Seine Reisen hatten jedoch keine andre Uumlberzeugung in

ihm hervorgebracht als s[eine] Buumlcher daszlig alles ungewiszlig sei ja erfand hier noch eine groszlige Verschiedenheit von Ansichten und Mei-nungen uumlber die mathematischen Gegenstaumlnde und zugleich tau-sendfachen Wahn des Aberglaubens von dem er sich schon laumlngstbefreit hatte

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Dieser an nichts Aumluszligerlichem haftende von den Banden desLebens die sonst den Menschen mit der Wirklichkeit verstrik-ken abstrahierende unruhige Zweifelgeist den wir schon imLeben des Cartes[ius] ausgesprochen finden 50 ist es nunmit dem Cartes[ius] auch die Philosophie umzugestalten suchtund jene Bewegung der Geister hervorrief die mit Recht Cou-sin eine unsterbliche nennt1 da jene rastlose produktive Taumltig-keit die im Gebiete der neuern Philos[ophie] sich zeigte undbis auf unsre Tage sich erstreckt jene allgemeine Bewegungverdankt allerdings dem2 Geiste des Cart[esius] seinen erstenImpuls

Cartes[ius] beginnt s[eine] Philos[ophie] mit dem ZweifelbdquoSchon vor vielen Jahrenldquo sagt er in der ersten Meditatio deprima philosophia bdquohabe ich wahrgenommen wie viele Taumlu-schungen und Irrtuumlmer ich schon von Jugend auf als Wahrhei-ten3 annahm wie ungewiszlig daher alles sei was ich spaumlter daraufbaute und deswegen mich von der Notwendigkeit uumlberzeugtdaszlig ich wenigstens einmal im Leben alles von Grund ausverwerfen und von den ersten Grundlagen an von neuem an-fangen muumlsse wenn ich je etwas Festes und Bleibendes in derWissenschaft begruumlnden wollte Um mich daher von den vielenVorurteilen die ich schon in der Kindheit wo ich noch nichtim gehoumlrigen Gebrauch meiner Vernunft war zu befreien muszligich alles was nicht vollkommen gewiszlig ist in4 Zweifel ziehenDas hauptsaumlchlichste Vorurteil ist aber der Glaube an die Exi-stenz sinnlicher Dinge Allein die Sinne taumluschen bisweilenund die Klugheit gebietet dem der uns auch nur einmal ge-taumluscht hat nicht viel Zutrauen zu schenken Uumlberdem nehmeich taumlglich im Traume mit dem lebhaftesten Gefuumlhl unzaumlhligeDinge wahr ohne daszlig sie doch existieren so daszlig ich daherkeine zuverlaumlssigen Kriterien habe um das Traumlumen vom Wa-chen zu unterscheiden Ich muszlig daher die Existenz der sinnli-chen Dinge bezweifeln und nicht bloszlig diese sondern auch die

1 Vgl V Cousin Uumlber Descartes und sein Verhaumlltnis zur Philosophie

in Frankreich aus dem Prospectus der Œuvres compl de Descar-tes publ per V Cousin 1824 In P P Royer-Collard V CousinN de Massias Religion und Philosophie in Frankreich Goumlttin-gen 1827 S 7-8

2 Im Ms folgt gestr Zweifel3 Im Ms folgt [so auch A] ich4 in auszliger Korr im Ms

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einfachen und allgemeinsten Gegenstaumlnde wie die koumlrperl[iche]Natur die Ausdehnung ja selbst auch die mathematischen Wahr-heiten weil sich schon viele in Betreff ihrer taumluschten fuumlr gewiszlighielten was sich nachher als irrig erwies vor allem aber deswegenweil in unserm Kopfe die Vorstellung eines allmaumlchtigen Gottes alsunseres Schoumlpfers eingewurzelt ist Denn wir wissen nicht ob er unsnicht so erschaffen hat daszlig wir uns immer selbst in dem was wirfuumlr das Gewisseste und Allerbekannteste halten1 taumluschenldquo2 Es istaber nicht hinlaumlnglich bloszlig zu zweifeln Ich muszlig vielmehr umdesto sicherer zur Gewissheit zu kommen alles woran ich zweiflefuumlr falsch ja fuumlr nichts fuumlr gar nicht existierend annehmen Aberindem ich so von allem ab- 51 strahiere alles was als ein andresgegen mich sich bestimmt mir aus dem Kopfe und Sin[ne] schlageals haumltte es gar keine Existenz indem ich alles in Zweifel setze undziehe so kann ich doch nicht das Zweifeln nicht das Denken ndash denndas Zweifeln ist ja Denken ndash bezweifeln nicht das Denkende nichtdie erste3 Person die in dem Cogito steckt nicht Mich als Denken-den bezweifeln Ich denke ich bin ist also unzertrennlich ist unbe-zweifelbar gewiszlig Cogito ergo sum ist die erste die allererste undgewisseste Erkenntnis4

1 halten gestr im Ms2 Vgl R Descartes Principia philosophiae Pars Prima In Opera

philosophica Amstelodami 1656 Abs I-VI S 1-23 Im Ms folgt gestr Ich4 Im Ms kein Absatz

Am Rande Der Zweifel des C[artesius] an der Existenz sinnlicher Dingeund der darauf gebaute Satz der natuumlrlich nicht so zu verstehen ist alsleugne C[artesius] daszlig man mit den Haumlnden halte und man mit denAug[en] farbig Dinge wahrnimmt sondern nur als die Frage Ist das wasmeinen Sinnen eine Realitaumlt [ist] auch fuumlr den Geist fuumlr die Vernunftauch in der Wahrheit eine Realitaumlt [Im Ms folgt ist] ndash eine Frage die sicheng anschlieszligt an die besondere Bedeutung die bei Cartes[ius] der Zwei-fel hat wie wir sogleich ersehen werden Der Zweifelsatz hat schon zuseiner Zeit viel Anstoszlig erregt und erregt es noch heute bei allen die be-fangen oder oberflaumlchlich diesen Satz uumlberdenken Die einen sind gleichfertig mit dem Satze Er ist ihnen eine Hyperbel der Abstraktion Wie oftdenken sie bei sich oder sagen es laut wie oft habe ich schon nicht ge-dacht wie es in jenen Xenien Schillers [F Schiller Musen-Almanach fuumlrdas Jahr 1797 Tuumlbingen 1797 S 292] heiszligt und bin doch gewesen jadie gluumlcklichsten Stunden meines Lebens waren vielleicht gerade die woich nicht gedacht habe andere sind gnaumldiger aber sie schuumltteln bedenklichden Kopf und verwundern sich houmlchlich

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VII Vorles[ung] [Descartes] 1

Der Satz Cogito ergo sum2 hat bei s[einem] Auftreten in dieWelt und spaumlter noch Anfechtungen aller Art zu bestehen ge-habt Man hat sich gewundert und noch mancher wundert sichnoch jetzt daruumlber wie man aus einem solchen Satze3 ein sol-ches Wesen und Aufsehen habe machen koumlnnen und als einebesondere Wahrheit als ein Prinzip ausgesprochen [hat] denndas sei doch klar daszlig wenn ich denke ich auch sei denn dasDenken setze ja das Sein voraus es sei eine einzelne Aumluszligerungoder Handlung des Seins und ganz natuumlrlich ergebe sich daherder Schluszlig oder versteht sich von selbst daszlig wenn ich denkeich auch sei Aber dies Resultat ergaumlbe sich auch aus jederHandlung4 Ich gehe spazieren also bin ich So hat schon Gas-sendi ein Zeitgenosse des C[artesius] der ein empirischerepikureischer Denker [war] den Satz des C[artesius] aufge-faszligt5 Der sinnliche Mensch begreift freilich nicht den Satz desCartes[ius] er schlieszligt vielmehr also Edo bibo ergo sum Ichesse ich trinke ich sehe ich rieche ich gehe spazieren alsobin ich Allein die Schluumlsse aus solchen Handlungen sind sehrprekaumlr Wenn man mir die Beine abschlaumlgt so kann ich nichtmehr spazieren gehen aber ich houmlre deswegen nicht zu seinauf wenn ich die Beine verloren habe Kann ich auch zu mei-ner sinnlichen Existenz des Essens und Trinkens nicht entbeh-ren so kann ich doch den Geschmack durch Krankheit odergeistige Anstreng[ung]6 verlieren so daszlig mir der Appetit ver-geht sie mir houmlchst gleichguumlltig werden und ich die Lust ver-liere aus der Handlung des Essens und Trinkens stante pedeauf mein Sein zu schlieszligen Ja es kann so weit gehen daszlig ichsie vielmehr als eine traurige Notwendigkeit ansehe als einenTribut den ich dem Magen einem laumlstigen Schmarotzertiere in

1 So auch A2 R Descartes Principia philosophiae Pars Prima In Opera philo-

sophica Amstelodami 1656 S 2-33 Im Ms folgt gestr der er einerseits ganz richtig sei aber sich von

selbst verstehe4 Im Ms folgt auch5 P Gassendi Disquisitio metaphysica seu dubitationes et instantiae

adversus Renati Cartesii Metaphysicam et responsa In Operaomnia T III Lugduni 1658 S 285 minus Im Ms folgt gestr Allein

6 Im Ms folgt den Geschmack

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mir einem zudringlichen Fremdling der sich ich weiszlig nichtwoher und wie Anspruumlche auf mich1 anmaszligt und was ich mitsaurer Muumlhe im Schweiszlige meines Angesichts verdiene alswaumlre es sein Eigentum in seinen unergruumlndlichen Schlund d iden Magen verschlingt bezahle um ihn zufriedenzustellendaszlig er mich meiner Wege ungeschoren gehen lasse Aus demEssen Trinken Spazierengeh[en] [] verliert der Mensch alsoleicht den Appetit zum Sein 52 er schlieszligt2 Ich habe einenMagen eine Gurgel aber auf sein Sein macht3 er praktischhieraus keinen Schluszlig Der Mensch kann im Uumlberfluszlig allersinnlichen Guumlter das Leben satt bekommen es kann ihm daswas sonst im Leben fuumlr das Reellste gilt als wertlos4 erschei-nen er kann daher bei sich selbst denken und fuumlhlen ich lebezwar aber mein Leben ist kein Sein ich will daher meinegleichguumlltige ja meine ekelhafte widerliche Existenz aufge-ben ich will dem Gassendi ndash allen Epikureern ndash zum Trotz undHohn der Welt durch einen Schuszlig in meinen Schaumldel einenerschuumltternden Beweis von der Nichtigkeit der bloszligen Existenzgeben ich will freiwillig mein Leben d h meinen Ekel mei-nen Widerwillen enden5 Denken wir uns in die Seele einesedlen6 Menschen7 hinein der den Verlust der Freiheit seines8

Vaterlandes nicht mehr uumlberleben mag etwa eines Cato9 undsehen wir wie dieser schlieszligt was sonst der gemeine Menschunmittelbar fuumlr eins mit s[einem] Sein haumllt woraus er mit pa-storalischer Wohlbehaglichkeit mit epikureischer Selbstgefaumll-ligkeit schlieszligt10 daszlig er ist11 mangelt mir zwar nicht aber mir 1 Im Ms folgt gestr macht2 also schlieszligt Im Ms gestr und unleserl korr3 Im Ms daruumlber unleserl Erg4 als wertlos fuumlr Nichts Korr im Ms5 es enden bei sich fuumlhlen und denken ich habe Alles und bin

doch Nichts ndash mein Sein ist Nicht-sein ich will daher auch nichtmehr existieren Ich vernichte mein Nichts ich werde SelbstmoumlrderIm Ms gestr und korr

6 Im Ms folgt gestr aber beschraumlnkten7 Menschen Helden Korr im Ms8 Im Ms folgt gestr Staates9 Vgl Plutarch Cato Minor In Plutarchus Chaeronensis opera

quae exstant omnia cum Latina interpretation Hernanii Cruserii Bd II Francofurti 1620 S 484-485

10 mit schlieszligt schlieszligt und fuumlhlt Korr im Ms11 daszlig er ist Ruumlckgaumlngig gemachte Streichung im Ms

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fehlt der Zweck die Idee meines Lebens der ich allein michbestimmt und geweiht habe mir fehlt die Vernunft der Sinnmeines Daseins die Freiheit war meine Seele mein Lebenmein Sein mit ihrem Verluste habe ich mich selbst verlorenich bin ein Nichts ein stinkender Kadaver ich habe keineKraft keine Aufgabe mehr als mein Nichtsein zu vernichtenmeine Existenz die nur noch eine Sinnentaumluschung eine Luumlgeein Betrug ist aufzuheben Ein solcher1 Selbstmoumlrder endetnicht sein Leben er endet nur seinen Tod denn er war schonvorher Nichts auch Der Mensch erklaumlrt nur ein Sein fuumlr Seindas mit seinen Interessen Zwecken und Tendenzen uumlberein-stimmt mit einem Worte mit seinem Denken ndash habe diesesauch einen noch so beschraumlnkten und endlichen Inhalt ndash uumlber-einstimmt Er2 verneint in s[einem] Gefuumlhle unzaumlhlige Male imLeben3 die Realitaumlt der sinnlichen Dinge jede Traumlne die eruumlber einen groszligen und schweren4 Verlust5 vergieszligt wischt ihmdie Farben an dem Gemaumllde6 der Natur mit welchen er sonstdie Dinge unterscheidet weg mit jedem dieser Schmerzens-hauche verschwindet und zerstaumlubt sich ihm die sonst so festeMasse der Auszligendinge die Sonne verliert fuumlr ihn ihre allbele-bende Kraft der Himmel sein entzuumlckendes Blau die Erde ihrlachendes Gruumln kurz alle Dinge verlieren fuumlr ihn ihre Kraftihre Wirkung ihre Bedeutung ihre Realitaumlt sie existieren nichtmehr fuumlr ihn ndash denn was ist Existenz ohne Wirkung ohne Kraftndash es vergeht ihm Sehen und Houmlren ndash sein Schmerz ist die Ne-gation der Dinge Nur die uumlberflieszligende aus sich herausstrouml-mende7 flatterhafte geschwaumltzige Freude versetzt ihr Wesennach auszligen zerstreut sich in die Dinge und macht sich lustig8

an den tausenderlei buntfarbigen Spielsachen die an demBaume der Natur haumlngen nur ihr scheint die Sonne nur ihrduften9 die Blumen bluumlhen die10 Baumlume Aber der mit finstremErnste in sich gekehrte Schmerz will von den Dingen nichts 1 Ein solcher Der Korr im Ms2 Er Der Mensch Korr im Ms3 in Leben durch sein ganzes Leben Korr im Ms4 einen schweren den Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr eines geliebten Gegenstandes6 Gemaumllde Tableau Korr im Ms7 aus sich heraus nach auszligen Korr im Ms8 Im Ms folgt gestr uumlber ihre Kraumlfte und []9 duften bluumlhen Korr im Ms10 bluumlhen die und Korr im Ms

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wissen fuumlr ihn haben sie keine Realitaumlt er verschmaumlht sie alseine 531 Eitelkeit Und die Freude selbst woher stammt sieWas bedeutet sie Nichts als den Ausdruck von der Harmoniedes Aumluszligern mit dem Innern als das Gefuumlhl der Wahrheit daszligder Mensch nur ein mit seinem Innern seinem Geiste seinemDenken identisches Sein fuumlr Sein haumllt Aber so elend und ver-blendet ist der Mensch daszlig er die Wahrheit die er tausendmalim Leben und in seinem Gefuumlhle bekraumlftigt verleugnet undnicht mehr erkennt so wie sie als Gedanke in ihrer Allgemein-heit seinen bloumldsichtigen Augen vorgehalten wird daher diemeisten auch die2 Wahrheit des Cartes[ianischen] Satzes ver-leugneten ob sie sie gleich in ihrem Gefuumlhle haben und beken-nen3 Es erhellt naumlmlich auf der Stelle daszlig das Denken in die-sem Satze nicht in dem Sinne genommen in welchem Sinnewir gar nichts gegen den Cartes[ius] einzuwenden wuumlszligtenauszliger etwa daszlig ein solcher trivialer Satz gar nicht zu einemPrinz[ip] aus dem sich etwas folgern lasse4 erhoben werdenkoumlnne5 daszlig man eben so gut von ihm aus auf das Sein uumlberge-hen koumlnne wie man aus jeder andern Handlung als einer ein-zelnen Aumluszligerung auf es schlieszligen koumlnne es erhellt vielmehrdaszlig der Sinn des Satzes ist [daszlig] nur das Denken allein mitAusschluszlig aller uumlbrigen Handlungen von welchen aus sonstdie Menschen auf dem Standpunkt der gemeinen Sinnlichkeitsich als seiend erschlieszligen die Gewiszligheit des Seins in sichschlieszlige ndash nur das mit dem Denken identische Sein ist gewis-ses untruumlgliches konstatiertes unzweifelhaftes [] unabson-derliches Sein6 Denn das Denken allein ist von mir unabson-derlich Cogitatio sola a me divelli nequit7 von allem kann ichabstrahieren ndash vom Essen Trinken vom Sehen HoumlrenSchmecken und folglich auch von ihren Gegenstaumlnden ndash vonden allgemeinen mathematisch[en] Gegenstaumlnden selbst kann

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 27 und VII Vorles[ung]2 daher die wie er es auch mit der Korr im Ms3 Im Ms folgt gemacht hat Fehlt in A4 Im Ms folgt gestr sich5 werden koumlnne lasse Korr im Ms6 nur Sein eine Auffassung des Denkens die eben deswegen

Anstoszlig erregt obgleich unbewuszligt alle Menschen mehr oder weni-ger diese Wahrheit bestaumltigen und praktisch ausuumlben Korr im Ms

7 R Descartes Meditationes de prima philosophia hellip In Operaphilosophica Amstelodami 1657ndash1658 Meditatia secunda S 11

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ich abstrahieren ohne daszlig ich aufhoumlre zu sein1 aber vom Den-ken kann ich nicht abstrahieren2 ohne daszlig ich aufhoumlre zu seinnur im Denken bin ich meiner selbst gewiszlig und versichert nures ist meine Bejahung und Selbstbekraumlftigung es ist also einsmit meinem Sein Cogito Sum ist identisch Du entgegnestmir Aber ohne Essen kannst3 Du auch nicht sein Aber hieraufgebe ich Dir die kategorische Antwort Das Sein welches eineunmittelbare Wirkung des Essens oder Trinkens und in Aus-duumlnstungen und Blaumlhungen taumlglich wieder von mir geht dasmit der Bestie identische Sein halte ich auf diesem Standpunktwo es sich nicht vom Sinnlichen uumlberh[aupt] noch von mei-nem sinnlichen sondern um uumlbersinnlich[es] Sein handelt garnicht fuumlr mein Sein Und dann kann ich nicht freiwillig desHungertodes sterben Wie koumlnnte ich aber das Essen und dasmit ihm zus[ammen]haumlngende Sein von mir excernieren [aus-sondern] und verneinen und wie koumlnnte ich von ihm abstrahie-ren wenn ich nicht von ihm abstrahieren koumlnnte es4 nicht vonmir abtrennbar und unterscheidbar waumlre wirklich also nichtmein gewisses mit mir identisches Sein waumlre Der Entschluszlignicht mehr zu existieren dieses Denken dieses Wollen meinesEndes5 diese Macht6 der Verneinung meiner sinnlichen Exi-stenz diese Kraft7 der Unsinnlichkeit die Kraft des Denkens8nur diese ist meine Realitaumlt mein Sein Nur wenn diese nichtist bin ich nicht Aber entgegnest Du mir wieder ich kann Dirja auch das 54 Denken nehmen Du9 brauchst10 nur11 einebetaumlubende Substanz etwa ein Glas Opium12 auszuleeren umdamit ein Pereat [Sie moumlge untergehen] Deiner Denkkraftzuzutrinken Allein Du taumluschst Dich von dem bloszligen Scheinegeblendet Das Denken koumlnntest Du mir nur entreiszligen wennich noch uumlbrig bliebe nachdem das Denken weg ist wenn ich 1 Im Ms uumlber der Zeile unleserl Erg2 Im Ms folgt gestr es ist3 Im Ms folgt gestr ich4 Im Ms folgt gestr mit5 Im Ms folgt gestr ist meine Position [] meiner gemaumlszlig6 Im Ms folgt gestr diese Kraft7 diese Kraft die in Wahrheit die Kraft des Denkens Korr im Ms8 die Kraft des Denkens ist Korr im Ms9 Du ich Korr im Ms10 brauchst [so auch A] brauche Ms11 nur Dir Korr im Ms12 Im Ms folgt gestr einzugeben

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also den Verlust des Denkens so gut uumlberleben koumlnnte wie ichden Verlust meiner Beine und Haumlnde meines Gehoumlrs meinerSehkraft uumlberlebe wenn ich gleich dadurch defekt werde Daswas von mir nicht abgesondert werden kann ohne daszlig ichdamit selbst zugrunde gehe oder das mit dessen Verlust meinNichtsein notwendig verknuumlpft ist1 das ist wahrhaft unabson-derlich von mir So ist es nun in der Tat mit dem DenkenNimmst Du mir ndash was uumlbrigens nur eine bildliche uneigentli-che Redensart ist ndash das Denken so ist das was als Naturnach-laszlig von mir uumlbrig bleibt eine gleichguumlltige herrenlose SacheDu kannst damit machen was Du willst denn nur durch dasDenken ist das Ich ein Ich das Dies ein Dieses das Mein einMein So Dann2 waumlrst Du also eigentlich nur durch das Den-ken erst Herr und Besitzer Deines Leibes Allerdings Dukannst mir allerdings durch einen bloszligen Tritt auf meinen Fuszligoder einen Schnitt in3 mein Fleisch einen houmlchst empfindlichenBeweis geben daszlig dieser Leib den Du so beschaumldigt hastmein Eigentum ist aber wuumlrde dieser Schmerz diese besonde-re sinnliche Art wie ich meines Koumlrpers als meines bewuszligtwerde fuumlr mich selbst wenn nicht das Bewuszligtsein selbst dieabsolute und allgemeine Weise oder Form des Bewuszligtseinsdas Denken diese besondre Weise als eine Art unter sich sub-sumierte Tritt einen Ohnmaumlchtigen des Bewuszligtseins Be-raubten auf den Fuszlig und er wird nichts davon spuumlren OhneDenken bin ich darum Nichts Der Unterschied zwischen Seinund Nichtsein zwischen Etwas und Nichts ist nur das Bewuszligt-sein

Das Denken hat aber nun eine doppelte Bedeutung es isteine zweifache in sich selbst unterschiedne Kraft Es ist eineExpansions- und eine Kontraktionskraft Als Expansionskraftist es Kraft durch die wir uns uumlber uns selbst hinaus ausdeh-nen in Gegenstaumlnde in das Wesen uns vertiefen verlieren dieKraft durch die wir uns vergessen wie sich der Mathematikerder Philosoph vergiszligt Als Kontraktionskraft ist es die Taumltig-keit wodurch wir wir sind wodurch wir uns bejahen und set-zen wodurch wir andre von uns und von andern und den Din-gen unterscheiden wodurch wir Bewuszligte Selbste sind DieKraft des Bewuszligtseins ist nichts andres als die Kraft des Unter- 1 ist war Korr im Ms2 Dann [so auch A] das Ms3 in auf Korr im Ms

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schieds Die wenigsten Menschen reflektieren uumlber ihr Be-wuszligtsein es erscheint ihnen als etwas Fixes wie ein Zustandeine Eigenschaft sie verwechseln es mit ihrer Individualitaumltsie sehen nicht ein daszlig es nichts weiter als Denken ist Unddieses Denken durch das wir vermittelst der Sinne die Dingeihrer Existenz nach voneinander und uns von ihnen unterschei-den ist das bei jeder Sinnenwahrnehmung mitwirkend[e] denndie Sinne reichen zur Unterscheidung1 nicht hin ist allein2 dieGewiszligheit unsrer Exis[tenz] ja diese Gewiszligheit selbst ist unserSein Sein ist uumlberhaupt nichts andres als Gewiszligheit3

Das Denken nun in dem Cartes[ianischen] Satze ist das Den-ken in dieser letztern Bedeutung Ich kann mich unterscheidenund unterscheide mich wirklich von den Objekten namentlichden sinnlichen koumlrperlichen Dingen zu welchen 574 auchmein Koumlrper gehoumlrt und bin in diesem Misch-Selbst-Unterscheiden unmittelbar meiner als eines sich selbst von denDingen und dem Koumlrper Unterscheidenden und Unterschiednenbewuszligt und diese Selbst-Unterscheidungskraft dieses Be-wuszligtsein oder schlechtweg das Bewuszligtsein ist meine RealitaumltIch denke ndash denn unterscheiden ist Denken ndash Denken ist meinWesen ndash denn nur von ihm kann ich nicht abstrahieren ohneaufzuhoumlren zu sein ich bin Geist und dieses Geistsein ist meinunbezweifelbar gewisses Sein Die unbezweifelbare Realitaumltdes Geistes ndash aber nicht als ein Satz als ein Dogma sondernals ein wirklicher Actus dieser Akt des Denkens wodurch ichmich von allem Sinnlichen unterscheide und in diesem Unter-schiede mich selbst erfasse5 meiner gewiszlig und bewuszligt bin ndash istdas Prinzip der Philosophie

Das Ich in dem Cogito bei Cartes[ius] hat darum an sichurspruumlnglich in der Idee nicht die Bedeutung der Person desIndividuums des Ichs in dem Sinne in welchem einer6 auf dieFrage wer da antwortet ich wo das ich den Namen diesesMenschen vertritt obgleich C[artesius] auch von dieser Ideeherabsinkt und es spaumlter confundiert [vermischt] sondern eshat eine allgemeine Bedeutung die Bedeutung des Geistes

1 Unterscheidung unleserl Korr im Ms2 allein nicht Korr im Ms3 Im Ms kein Absatz4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 29 und VII Vorlesung5 erfasse erfasst Ms A6 in einer wie wenn drauszligen vor der Tuumlr Korr im Ms

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Daher1 der2 Vorwurf des Egoismus ein toumlrichter Vorwurf istund es auch ein ungeschickter zweideutiger Ausdruck istwenn man sagt dem Cartes[ius] habe sich zuvoumlrderst bdquodieUumlberzeugung von seinem eignen Daseinldquo3 aufgedrungen Wernur sein Denken als sein Eigen ansieht der hat nichts mehr zueigen kein eignes Dasein kein eignes Wesen sondern [ist]allgemeinen Wesens wie das Licht wie die Vernunft derGeist er hat die Dinge abgetan durch die [die] Menschen sonstals Iche sich voneinander trennen und ausschlieszligen Obwohlnur durch das Denken Ich als eigne Person das Eigentumuumlberhaupt im engsten und weitesten Sinne gesetzt ist so ist4

doch der Mensch der nur das Denken als sein Eigentum an-sieht kein eignes Ich er ist eins mit dem namenlosen Men-schen mit dem Menschen in uns allen denn er nennt ein Gutsein von dessen Genuszlig keiner ausgeschlossen ist das Jeder5

ohne Unterschied und Ausnahme sein nennt oder wenigstensnennen kann Unrichtig ist es auch wenn man behauptet wieneuerdings Kuhn C[artesius] habe die Gewiszligheit s[eines] Prin-zips6 gestuumltzt auf das Gesetz des Widerspruchs indem er sagedaszlig es unmoumlglich sei daszlig wir die wir denken nicht seiendenn es sei ein Widerspruch daszlig das was denkt zu derselbenZeit wo es denkt nicht existiere und daher etwas vorausge-setzt was fruumlher gewiszlig sei als sein Satz7 Das Denken bedeutetbei C[artesius] das Bewuszligtsein und das Bewuszligtsein ist ebendie8 unmittelbare Einheit zwischen Denken und Sein Ich den-ke oder [viel]mehr9 Ich denke mich Ich bin ist unzertrennlichWie sollte also das Bewuszligtsein 58 welches eben die unmit-telbare Gewiszligheit von der Einheit des Seins und Denkens istnoch eines besondern Grundes beduumlrfen um sich die Gewiszlig-heit zu verschaffen daszlig das Sein mit dem Denken verbunden 1 Im Ms folgt es2 der ein Korr im Ms3 Vgl P Gassendi Disquisitio metaphysica seu dubitationes hellip a a

O S 284-2904 ist hat Korr im Ms5 Jeder Alle Korr im Ms6 Prinzips unleserl Korr im Ms7 Vgl J Kuhn Jacobi und die Philosophie seiner Zeit Ein Versuch

das wissenschaftliche Fundament der Philosophie historisch zu er-oumlrtern Mainz 1834 S 67-68

8 Im Ms folgt un-9 [viel]mehr vielm[ehr] A

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sei Aber das widerspricht geradezu dem ganzen Geiste desC[artesius] C[artesius] stellt sich da wo er diesen Satz bdquoeswiderspricht sichldquo anfuumlhrt auszliger den Standpunkt hinaus aufdem er d[as] Cogito e[rgo] s[um] aussprach und fand wo er diewirkliche Handlung der Unterscheidung und des Selbstbewuszligt-seins ausdruumlckt wo das bdquoIch denke Ich binldquo schlechthin durchsich selbst gewiszlig ist er verobjektiviert diese1 Handlung re-flektiert daruumlber und fuumlhrt nun diesen allgemeinen und aumluszligerli-chen Grund der gar nicht mehr aus der Natur des Denkensgeschoumlpft ist nicht mehr der Bedeutung entspricht in derC[artesius] am Anfang das Denken nimmt denn der Grunddaszlig es sich widerspraumlche daszlig das Denkende in dem Augen-blicke wo es denkt nicht sei gilt von jeder sinnlich[en]Handlung es ist ein Widerspruch daszlig das was ist zu dersel-ben Zeit wo es ist nicht existiere Ebenso widerspricht dieBehauptung das der Satz C[ogito] e[rgo] sum eigentlich dieConclusio eines Schluszligsatzes sei der laute Alles was denktist nun denke ich also bin ich Waumlre dieses wirklich so sohaumltte der Satz gar keine Bedeutung Aber daszlig es ein Schluszlig istwiderspricht der Idee des C[artesius] geradezu denn in demObersatze Alles was denkt wuumlrde ja Cart[esius] das Denkenvon sich absondern und zur Bestimmung von auszliger ihm seien-den Wesen machen er wuumlrde das Denken in das Gebiet desBezweifelbaren und wirklich Bezweifelten versetzen er wuumlrdeaus dem Ungewissen also Gewiszligheit schoumlpfen wollen Selbstals Folgerungssatz betrachtet oder als ein allgemeiner Satz dererst aus dem speziellen Cogito ergo sum abstrahiert sei hatder Satz keinen rechten Sinn denn dann wuumlrde das Denken indem unbestimmten Sinne einer Eigenschaft oder Handlunguumlberhaupt genommen und das Sein2 in dem unbestimmtenallgemeinen Sinne wie es mit jeder Handlung als deren Vor-aussetzung verknuumlpft mit dem Denken verknuumlpft [werden] eswuumlrde ferner ganz dahin gestellt und folglich ungewiszlig seinwas das fuumlr ein Subjekt ist (in dem Satze das was oder alleswas denkt) welches denkt es koumlnnte dieses Subjekt am Endeauch der Koumlrper sein Aber das ist eben wieder ganz und gar imWiderspruch mit C[artesius] Nur der Geist istrsquos der denkt nurdieses und kein andres Subjekt nur Ich als Geist natuumlrlichdenke und dieses mein Denken ist selbst mein Sein ich gewah- 1 diese jene Korr im Ms2 Sein Denken Korr im Ms

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re es nicht als eines vom Denken unterschiednes1 so daszlig icherst durch einen Schluszlig durch Reflexion seinen Zusammen-hang mit dem Denken erkennte denn ich bin nur durch dasDenken was ich bin Geist Bewuszligtsein das Denken ist dasWesen des Geistes nicht eine Eigenschaft nicht eine Aumluszligrungwaumlre es nur dieses so waumlre mir natuumlrlich mein Sein im Denkennicht unmittelbar gewiszlig denn nur mit dem Wesen nicht miteiner Eigenschaft ist das Sein unmittelbar eins Vom Wesenlaumlszligt sich das Sein nicht absondern

Die Aufgabe des Cartes[ius] war den Unterschied des Gei-stes von der Materie zu begreifen deswegen muszligte er zwei-feln Der Zweifel war der notwendige Weg zur Erkenntnis desGeistes denn der Zweifel hat bei 592 ihm keine andre Be-deutung als die der Unterscheidung und Abstraktion Auf die-sem Wege fand er daher daszlig nichts Sinnliches nichts Koumlrper-liches zum Geiste gehoumlrt daszlig er immateriell ist daszlig dieseImmaterialitaumlt ndash denn die Immaterialitaumlt ist nur ein negativesein unbestimmtes Praumldikat ndash eben im Denken besteht3 ndash derUnterschied von der Materie lediglich die Selbstunterschei-dung das Bewuszligtsein ist der Wille die Imagination die Ge-fuumlhle sind daher dem Cartes[ius] nur Weisen nur Bestimmun-gen modi des Denkens denn auch in der Vorstellung in demGefuumlhle selbst einem sinnlichen Wahrnehmungsgefuumlhle neh-me ich mich selbst wahr unterscheide ich mich von den Din-gen bin ich meiner bewuszligt kein Gefuumlhl keine Vorstellungkein Wille ohne Bewuszligtsein ohne Denken es ist also das Factotum die allgemeine Einheit das allgemeine Wesen des Gei-stes Es ergibt sich ferner auf diesem Wege oder es ist nur eineweitere Explikation daszlig der Begriff des Geistes nicht abhaumlngtvon dem Begriffe irgendeines materiell[en] Dinges daszlig derGeist nur durch sich selbst d h durch den reinen Verstandnicht durch eine Vorstellung oder die Imagination gefaszligtw[erden] kann daszlig der Geist das Allerklarste und Begreiflich-ste ist ja daszlig seine Erkenntnis fruumlher und gewisser ist als dieirgendeines koumlrperlich[en] Dings daszlig ferner die Erkenntnis desGeistes mir ein Maszlig der Gewiszligheit in aller Erkenntnis ist daszligAlles was ich so klar und deutlich was ich in demselbenLichte schaue in welchem ich die Realitaumlt und das Wesen des 1 unterschiednes [so auch A] unterschiednen Ms2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 30 und VII Vorlesung3 besteht bestimmt Korr im Ms

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Geistes wahr ist daszlig also der reine der intellektuelle Begriffdem nicht das Dunkel und die Ungewiszligheit einer sinnlichenVorstellung beigemischt ist der wahre Begriff eines Gegen-standes der Begriff der mir die Buumlrgschaft gibt daszlig wahr seiwas ich mit ihm begreife1

1 Am Rande Der klare und deutliche Begriff ist dem C[artesius] der

rein geistige der mit dem Wesen des Geistes identische Begriff derBegriff dem nichts Sinnliches Materielles beigemischt ist welchesnach Cart[esius] das Ungewisse Undeutliche ist daher es demCart[esius] zufolge strenggenommen auch nur vom Unsinnlichenklare und deutliche Begriffe geben k[ann] Die erste Regel der Ge-wissheit die C[artesius] aufstellt naumlmlich daszlig das was ich klarund deutlich einsehe auch wahr [Im Ms folgt gestr und die er][ist] zieht er sogleich von dem Satz Cog[ito] ergo sum ab und gehtdann erst uumlber zur Bestimmung des Geistes Wir fuumlhrten sie zuletztan weil die Bestimmung der Klarheit und Deutlichkeit nicht in demSinne der gewoumlhnl[ichen] Logiken und Psychologieen sondern mits[einer] Auffassung des Geistes uumlberh[aupt] zus[ammen]haumlngt

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VIII Vorlesung1 [Descartes]2

Aber dieses Maszlig oder Prinzip der Gewiszligheit ist doch selbstnur noch ein subjektives es faumlllt ja nur innerhalb des Unter-schieds des Geistes von den Objekten hinein sein Bewuszligtseinist sein Unterschied von den Dingen was er also auch noch soklar einsieht was er selbst mit der Evidenz s[eines] Selbstbe-wuszligtseins behauptet und bejaht er bleibt doch in dieser evi-denten Klarheit in der Beziehung nur auf sich in dem Bewuszligt-sein seines Unterschieds von dem Objektiven Wie3 werde ichgewiszlig daszlig das was ich klar und deutlich einsehe auch wirk-lich objektiv wahr ist Wie komme ich zum Bewuszligtsein derExistenz der Realitaumlt von mir unterschiedner Objekte MeineRealitaumlt mein Bewuszligtsein besteht gerade nur in dem Bewuszligt-sein ihrer Unrealitaumlt wenigstens fuumlr mich besteht in meinerUnterscheidung 60 von ihnen ja wenn ich es gerade heraus-sage gerade in ihrer Negation4 denn der Geist ist unsinnlichdie Negation alles Sinnlichen und ich bin was ich bin nurdurch das Denken durch den Geist Wie komme ich also zudem Bewuszligtsein zu dem Glauben daszlig sie sind oder uumlberhauptwie werde ich gewiszlig daszlig meine Vorstellungen5 objektive Rea-litaumlt haben6 Offenbar nicht durch mich selbst durch meinSelbstbewuszligtsein noch durch die Dinge selbst denn sie sind javon mir unterschieden Ja beide Geist und Materie sind sichselbst radicitus [von Grund auf] entgegengesetzt ihre Attribu-te durch die7 sie das sind was sie sind schlieszligen sich geradezugegenseitig aus praumlzise das was das eine ist ist das anderenicht die Materie z B teilbar der Geist einfach unteilbar DerGeist wird daher in diesem Gegensatze gegen die Materie sei-ner Schranke seiner Endlichkeit sich bewuszligt denn er hat ja ander Materie sein Ende wo sie anfaumlngt8 ist er nicht aber imBewuszligtsein seiner Endlichkeit und der Endlichkeit der Materiewird er sich zugleich der Idee der Unendlichkeit bewuszligt ja das 1 Im Ms kein Absatz2 So auch A3 Im Ms folgt gestr ent4 Negation Negation A5 Im Ms folgt gestr etwas Rea[les]6 haben [so auch A] haben Ms7 die [so auch A] das Ms8 Im Ms folgt gestr houmlrt

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Bewuszligtsein des Endlichen setzt das des Unendlichen vorausUnd in dem Bewuszligtsein des unendlichen des nicht im Gegen-satze begriffnen ja des absolut gegensatzlosen Wesens wirddaher der Geist gewiszlig daszlig die Vorstellungen von den Dingennicht nur subjektiv1 gewiszlig sondern auch objektiv wahr sindwird er sich daher seiner2 Verbindung oder Einheit mit derMaterie gewiszlig Die Idee der Einheit ist das Prinzip3 der Ge-wiszligheit aller reellen und objektiven4 Erkenntnis5 wie uumlber-haupt das Prinzip alles realen Seins

Dies ist die Idee die bei C[artesius] zugrunde liegt indem ervon dem Prinzip der Gewiszligheit zu dem der Wahrheit von demsubjektiven Geiste zu dem objektiven oder absoluten Geisteund Wesen uumlbergeht Aber diese Idee faszligt Cart[esius] in ganzpopulaumlren theologischen Vorstellungen auf macht sich dabeider groumlbsten Inkonsequenzen6 und Nachlaumlssigkeit schuldig sodaszlig die Einwuumlrfe die man dagegen macht durch seine eignenschiefe[n] und unphilosoph[ischen] Ausdrucksweisen hervor-gerufen sind Er geht so zu Werke unter den Ideen die ich inmir finde finde ich auch die Idee eines absolut vollkommnenWesens Gottes in mir Diese Idee ist die vorzuumlglichste houmlch-ste wesenhafteste Idee denn ihr Inhalt ist selbst das Unendli-che sie ist zugleich die allerdeutlichste allerklarste denn siedruumlckt keine Einschraumlnkung keine Negation sondern reineRealitaumlt aus7 sie ist die absolute Idee die Idee aller Ideen dieUr-idee die alle anderen Ideen voraussetzen denn die Idee desUnendl[ichen] ist fruumlher in mir als die des Endlichen sie ist dieIdee κατ΄ἐξοχήν denn sie unterscheidet sich von allen andernIdeen wesentlich dadurch daszlig sie allein nur schlechthin not-wendige Existenz ausdruumlckt und enthaumllt Nur mit der Idee Got-tes ist die Existenz notwendig unzer- 618 trennlich verknuumlpftGott kann ich nicht denken ohne ihn als existierend zu denkensein Wesen und seine Existenz ist9 identisch waumlhrend sie bei

1 subjektiv [so auch A] subjektive Ms2 seiner der Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr aber4 aller objektiven und Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr aller Realitaumlt6 Inkonsequenzen Unkonsequenzen Ms7 aus ausdruumlckt Ms fehlt in A8 Am Rande r o Verweis auf VIII Vorlesung9 Im Ms folgt gestr allein

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allen andern Dingen unterschieden sind Gott denken und ge-wiszlig sein daszlig er ist ist identisch Idem est concipere Deum etconcipere quod existat Gott ist und die Gewiszligheit aller Er-kenntnis haumlngt daher von der Erkenntnis1 Gottes ab2 Die Artwie aber ein C[artesius] dies auffaszligt ist absolut unphiloso-phisch indem er solche subjektive menschliche persoumlnlichePraumldikate wie die Wahrhaftigkeit zu Praumldikaten macht be-hauptet daszlig Taumluschung Betrug eine Unrealitaumlt ausdruumlckefolglich nicht in dem absolut realen liegen koumlnne daszlig aberGott ein Betruumlger waumlre wenn er uns ein Erkenntnisvermoumlgengegeben haumltte das sich selbst im Evidentesten taumluscht wennunsere Uumlberzeugung von der Realitaumlt der Dinge die sich uns sostark aufdraumlngt keinen realen Grund haumltte und dglDie Frage wie wird der Geist der Existenz materieller Dingegewiszlig oder wie sind die subjektiven Vorstellungen zugleichobjektive reale haumlngt aufs innigste zusammen oder ist iden-tisch mit der Frage wie haumlngt der Geist mit der Materie dieSeele mit dem Leibe zusammen Denn nur durch meinen Leibwerde ich gewiszlig der Realitaumlt sinnlicher Dinge Die Schwierig-keit die3 namentlich auf dem Cart[esianischen] Standpunkt[besteht] die Verbindung beider zu begreifen ist demCart[esius] selbst nicht entgangen Denn beide sind unabhaumlngigihrem Begriffe nach sind sich radicitus entgegengesetzt unddoch sollen sie nun in ihrer Identitaumlt begriffen4 w[erden] bdquoSiemuumlssen ut unum quid [als eines] und zugleich ut duo diversa[als zwei verschiedene] gefaszligt werden duarum enim rerumconjunctionem concipere aliud non est quam illas ut unum quidconcipereldquo5 Einige Gedanken kommen allerdings bei C[arte-sius] vor die ihm einen Faden zur Verknuumlpfung beider an dieHand haumltten geben koumlnnen So sagt er vom organischen Leibedieser Koumlrper ist Eines unum et gewissermaszligen unteilbarindivisibile ruumlcksichtlich der Beschaffenheit und Anordnung

1 Im Ms folgt gestr alles2 R Descartes Epistola CXIII In Epistolae omnes Partim ab

auctore latino sermone conscriptae partim cum responsis doctorumvirorum ex Gallico translatae Pars tertia Editio secunda prioremendatior Francofurti ad Moenum 1692 S 367

3 die unleserl Korr im Ms fehlt in A4 begriffen eingesehen Korr im Ms5 R Descartes Epistola XXX In Epistolae omnes hellip Pars prima

a a O S 55

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s[einer] Organe die sich gegenseitig aufeinander dergestaltbeziehen daszlig wenn eines fehlt der1 ganze Koumlrper mangelhaftwird Er anerkennt also hier in der Materie als organischemKoumlrper eine der Materie wenn sie nur im Allgemeinen gedachtwird entgegengesetzte ihr abstraktes materielles Wesen ver-neinende Bestimmung die Bestimmung der Einheit2 und Un-teilbarkeit die er sonst nur dem Geiste zuschreibt3 Aber demGeiste kommt die Bestimmung der Unteilbarkeit nur4 als Be-wuszligtsein zu oder die Unteilbarkeit ist auf den Geist angewandtnur eine negative uneigentliche bildlich-materielle Bestim-mung diese negative in eine positive 62 dem Wesen desGeistes entsprechende Bestimmung verwandelt heiszligt sie undist sie Bewuszligtsein denn das Bewuszligtsein ist absolute Einheitmit sich ich kann es nicht teilen Aber auf die Materie ange-wandt ist sie eine sie vergeistigende dem Geiste befreundendeund annaumlhernde Bestimmung Hier war also C[artesius] aufdem rechten Wege5 Um begreifen zu koumlnnen die Vereinigungder Materie mit dem Geiste muszlig ich6 in der Materie selbstetwas gegen die Materie Strebendes etwas Negatives erken-nen wie umgekehrt auch in dem Geiste wenn ich lediglich beider positiven Bestimmung der Materie sie ist AusdehnungTeilbarkeit d h bei ihrem abstrakten Wesen stehen bleibe undsie7 so betrachte8 als waumlre dies ihre ganze einzige wahreBestimmung9 so ist es unmoumlglich einen Punkt zu finden andem man die Materie packen und mit dem Geiste in Verbin-dung setzen koumlnn[t]e Ebenso war Cart[esius] vom Geiste ausauch auf Gedanken gekommen die ihm die Schwierigkeiterleichtern konnten Er sagt bdquoDer Begriff der Seele ist ein reinintellektueller Begriff oder die Seele erfaszligt sich allein durchden reinen Verstand oder Gedanken der Koumlrper kann auchdurch den bloszligen Verstand gefaszligt w[erden] aber weit besser 1 der das Korr im Ms2 Einheit Einfachheit Korr im Ms3 Vgl R Descartes Passiones animae Gallice ab ipso conscriptae

nunc autem in exterotum gratiam Latina civitate donatae In Operaphilosophica Amstelodami 1656 Articulus XXX S 18

4 Im Ms folgt gestr ent5 rechten Wege [so auch A] Wege rechten Korr im Ms6 ich [so auch A] sich Ms7 Im Ms folgt gestr als8 betrachte betrachtet Ms A9 Im Ms folgt [so auch A] bestehen lasse

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durch den Verstand in Verbindung mit der bloszligen Einbil-dungskraft die Verbindung aber von Leib und Seele und wasdarauf sich bezieht kann nur dunkel durch den Verstand alleinoder in Verbindung mit der Imaginatio am klarsten aber durchdas bloszlige Gefuumlhl erfaszligt werdenldquo1 Hier war C[artesius] auf demWege im Geiste ein Medium selbst zwischen ihm und derMaterie zu finden denn das Gefuumlhl ist das wodurch der Geistgegen sich selbst negativ ist denn im Denken und Wollen istder Geist sich selbst bestimmend im Gefuumlhl ist er bestimmt imDenken ist die Seele2 bei sich Eines unteilbar3 in der Empfin-dung aber auszliger sich diffus wie wir ganz richtig sagen vorFreude verflieszligen vor Freude auszliger sich sein Man sagt dieFrage nach dem Zusammenhang der Seele mit dem Leibe seiunaufloumlslich Dies kommt nur auf die Weise4 an wie die Fragegestellt wird Wenn ich freilich bei der Seele im Allgemeinenstehenbleibe die Seele ist unsichtbar unausgedehnt der Koumlr-per ist materiell so muszlig ich allerdings die Haumlnde uumlber demKopf zusammenschlagen und ausrufen wie ist das moumlglichAber jede ungeschickte Frage macht eine Antwort unnoumlt[ig]Die Frage nach dem Zus[ammen]hang des Geistes mit derMaterie ist keine andere als die Frage nach dem Zus[ammen]-hang des Denkens mit dem Empfinden5 Aber C[artesius] hatte 1 R Descartes Epistola XXX In Epistolae omnes hellip Pars prima

a a O S 54-552 die Seele der G[eist] Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr aber4 Weise Frage Korr im Ms5 Am Rande Die Schwierigkeit reduziert sich also darauf die Emp-

findung abzuleiten aus dem Begriffe des Geistes Ist dies gefundenso [so hat Korr im Ms] ist das Medium zwischen Materie undGeist gefunden Die Empfindung ist das Mysterium die Quelle derMaterie selbst zwischen der Empfindung und dem Intellectus in derMitte liegt aber die Imaginationskraft die man sich aber nicht alseine eigne vom Denken abgesonderte Kraft [Im Ms folgt sich]vorstellen muszlig Derselbe Prozeszlig nun den wir [bei] uns erfahrenwenn der Gedanke in uns 63 sich zum Bilde entaumluszligert und als die-ses Bild ein Objekt unsrer Empfindung wird das uns ergreift ent-zuumlckt aufregt und so die Nerven affiziert und vermittelst dieserselbst ins Blut dringt derselbe Prozeszlig oder Weg ist es auf dem wirden Zus[ammen]hang des Geistes mit der Materie zu machen unduns zu denken haben Ebenso klar oder ebenso mysterioumls wennman will wie dieser Zus[ammen]hang der reinen Intelligenz mit derunmittelbaren Empfindung oder diese Entaumluszligerung des Gedankens

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nicht die Ruhe und allerdings auch nicht die Aufgabe die Seelein ihrem innern Unterschied bis in die Tiefe zu verfolgen erfaszligt nur die allen Bestimmungen der Seele gemeinsame Formdie naumlmlich daszlig sie in allen ihren Bestimmungen ndash allerdingsfuumlr sich im Unterschiede von den Objekten [sich] wahrnimmtbewuszligt ist er faszligt das Denken welches allerdings das univer-sale Wesen der Seele oder des Geistes die C[artesius] nichtuntersucht nur von seiner subjektiven nicht von der ihr auchentgegengesetzten Seite auf und statt nach Innen in den Geistden Blick zu wenden 63 geht er unmittelbar sogleich ohnesich nach einem Medium umzusehen zur Materie uumlber DieVereinigung des Geistes mit der Materie konnte daher bei ihmkeine andre als eine willkuumlrliche sein Es gehoumlrt nicht zumWesen der Seele daszlig sie mit dem menschlichen Koumlrper verei-nigt ist die Einheit ist daher nicht eine unitas naturae [Natur-einheit] sondern nur eine unitas compositionis [zusammenge-fuumlgte Einheit] d h ihre Einheit ist eine willkuumlrlich gemachtesie geht nicht mit Notwendigkeit aus ihrem Wesen und Begriffhervor Es ist nur Gott der sie ndash man weiszlig nicht warum ndash zu-sammengefuumlgt hat ndash eine Vorstellung die der Philosophieunwuumlrdig ist Etwas andres ist wenn man sagt Gott ist dasBand zwischen Materie und Geist nur das unendliche Wesenist als der Grund beider Gegensaumltze auch ihr reales Bandworin sie vereinigt sind obwohl auch dieser Satz nicht hinrei-chend ist denn man muszlig an der Materie selbst an dem Geisteselbst in ihrer Natur ihre Vereinigungspunkte finden aberwenn man es sich so vorstellt Gott hat beide zusammengefuumlgtso nimmt man zu dem bekannten Asyl der Ignoranz dem Wil-len Gottes seine Zuflucht womit man nichts Vernuumlnftigesnicht nur sondern auch eben viel Unvernuumlnftiges auch imhoumlchsten Grade der Idee Gottes Unwuumlrdiges gesagt hat Aller-dings liegt nun auch bei C[artesius] jene Idee zugrunde aberbei ihm schieben sich immer sogleich zwischen die Idee dieallerlosesten und unphilosophischsten Vorstellungen ein sohier zwischen die Idee des unendlichen Wesens als des realenMediums zwischen Geist und Leib die unangemeszligne Vorstel-lung des Willens der in Wahrheit statt ihre Verbindung zuerzeugen und damit begreiflich zu machen diese Verbindungunmoumlglich und unbegreiflich macht

in s[ein] Bild und die Empfindung ist ebenso klar und mysterioumls istauch der Zus[ammen]hang des Geistes uumlberhaupt mit der Materie

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In C[artesius] sind1 eigentlich nur zwei2 groszlige und philoso-phische Gedanke[n] der Gedanke des Cogito ergo sum nebstden unmittelbaren Folgen die sich in betreff des Geistes darananschlieszligen und der Gedanke daszlig die Idee des Unendlichenvorausgesetzt ist der Idee des Endlichen und daszlig die Idee desUnendlichen die Idee des Wesens ist welches unmittelbar dieExistenz in s[ein] Wesen faszligt obwohl auch diese Ideen ohnegehoumlrige Anwendung und Ausfuumlhrung bei ihm bleiben Es3

sind nur Blitze die ihn augenblicklich nur erleuchten um4

sogleich wieder den Nebeln der unphilosophischen Vorstellun-gen Platz zu machen Die Metaphysik war dem C[artesius]nicht sein Element er konnte es in ihrem Denken nicht langeaushalten wie er selbst in einem Briefe eingesteht ob er wohluumlberzeugt war daszlig sie die houmlchste Wissenschaft war Seinemetaphysischen Meditationen kommen einem so vor als 645

haumltte er nur in aller Eile und so gut als es anginge sein intelli-gentes Gewissen welches die Forderungen beunruhigten diedie Metaphysik an ihn als einen von der Wuumlrde und Wesenhaf-tigkeit derselben uumlberzeugten Kopf machten beschwichtigt6um [sich] dann um so ungestoumlrter und berechtigter an die Teiledes Wissens zu machen fuumlr die er mehr sich geschaffen hielt7Die Metaphysik war fuumlr ihn nur eine Kapelle in der er seineMorgenandacht verrichtete8 um dann den ganzen uumlbrigen Tagin seinem chemischen Laboratorium oder der Werkstatt derMechanik und Physik zuzubringen In der Mathematik PhysikDioptrik und Mechanik hat er groszlige Erfindungen gemacht oderdoch vorbereitet und veranlaszligt ob er wohl namentlich in derPhysik voreiliger Hypothesensucht nicht mit Unrecht huldigte9und sein Weltsystem bald durch das des Newton verdraumlngtwurde Es war jedoch nicht bloszlig eine Folge seiner subjektivenNeigung und Anlage fuumlr die Mathematik es war auch eineFolge seines metaphysischen Prinzips ja eine notwendige Fol- 1 sind [so auch A] ist Ms2 zwei Ein Korr im Ms3 Es Sie Korr im Ms4 um aber Korr im Ms5 Am Rande l o Verweis auf VIII Vorlesung6 Forderungen beschwichtigt Forderungen der Metaphysik an

seinen denkenden Kopf machten zu beschwichtigen Korr im Ms7 hielt [so auch A] hielte Ms8 verrichtete hielt Korr im Ms9 huldigte beschuldigte Korr im Ms

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ge desselben daszlig seine Anschauung von der Natur eine ledig-lich mathematische abstrakt-materielle nicht physikalischeAnschauung war bdquoAls die Materie der koumlrperl[ichen] Dingenehme ichldquo1 sagt Cartesius ausdruumlcklich bdquonur die Materie anwelche Gegenstand der Geometrie ist jene durchaus teilbarebildsame und bewegliche Materie welche die Geometer dieQuantitaumlt nennen und bringe bei ihrer Betrachtung nichts inAnschlag als2 diese Teilungen diese Figuren und Bewegun-genldquo3 Das Wesen der Materie und des Koumlrpers besteht dahernicht in s[einen] sinnlichen Beschaffenheiten sondern lediglichin seiner Ausdehnung in die Laumlnge Breite und Tiefe Das We-sen der Natur ist also die bloszlige Quantitaumlt Diese Betrachtungder Natur nun haumlngt aufs innigste mit seiner Metaphysik zu-sammen Fuumlr den nur von der Materie abstrahierenden und sichunterscheidenden ja diese Abstraktion diesen Unterschied alsseine einzig positive [Bestimmung] als sein Wesen erfassen-den Geist ist notwendig auch nur die abstrakte von der sinnli-chen Qualitaumlt abgezogne Materie die einzig reale Materie undals solche Objekt seines Denkens und Betrachtens Denn indieser Betrachtung und Anschauung der Materie als einer blo-szligen Quantitaumlt entaumluszligert sich nicht der Geist seiner selbst ervermengt sich hier nicht mit dem Schmutz der Materie erbleibt so bei sich selbst in der Abgezogenheit und Unterschie-denheit von der Materie Denn die Materie bloszlig betrachtetnach Groumlszlige Figur und Bewegung ist ja so nicht Objekt derSinne sondern nur Objekt des abstrakten mathematischenDenkens

654 Was ist hart weich suumlszlig bitter rot blau Das kann ichkeinem sagen und beschreiben es sind dunkle Vorstellungenes fehlt die Klarheit und Bestimmtheit durch welche eine Vor-stellung allein beschreibbar und mitteilbar wird wer es wissenwill5 muszlig es selbst fuumlhlen und fuumlhlen kann er es nur wenn ersich vermischt mit der Materie entaumluszligert versenkt in die Flu-ten der Sinnlichkeit Aber die Groumlszlige die Gestalt die Bewe-gung sind mitteilbare klare deutliche Vorstellungen sind

1 Im Ms folgt nur2 Im Ms folgt gestr ihr3 R Descartes Principia philosophiae Pars secunda In Opera

philosophica Amstelodami 1656 Abs LXIV S 55-564 Am Rande r o Verweis auf VIII Vorlesung und Paginierung5 Im Ms folgt gestr kann

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Begriffe keine Gefuumlhle Eine Maschine zu fassen dazu gehoumlrtnicht unmittelbare sinnliche Gegenwart und Anschauung ichbrauche nicht einmal die Augen aufzuschlagen ich kann sie inmeinem Kopfe mir konstruieren Diese quantitative Anschau-ung der Materie obwohl sie1 eine rein materielle oder mecha-nische Betrachtung derselben ist ist es also in der der von derMaterie abstrahierende Geist sich keine Gewalt antut sichnicht von sich entfremdet sondern bei sich selbst bleibt undwar daher die dem Cartes[ianischen] Standpunkt gemaumlszlige

1 obwohl sie obsie wohl Ms

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IX Vorles[ung] [Malebranche Geulincx] 1

Je weniger2 C[artesius] seine Ideen ausfuumlhrte und begruumlnde-te je3 leichter er sich die Loumlsung so vieler4 Schwierigkeiten5die sich dem darbieten der sich naumlher in s[einer] Philosophieumsieht machte so6 inkonsequent er auch verfuhr und je mehrer die wichtigsten7 Fragen wie die nach dem Ursprung derErkenntnis nach dem Zusammenhang des subjektiven Prinzipsder Gewiszligheit mit dem objektiven Prinzip der Erkenntnisuneroumlrtert lieszlig um so mehr trug d[ie] Philo[sophie]8 weiter dasBeduumlrfnis die Notwendigkeit einer gruumlndlicheren Ausfuumlhrungihrer Ideen in sich zumal da diese9 ihrer Beschaffenheit nachschon einer weitern Entwicklung nicht nur beduumlrftig sondernauch faumlhig waren (Die Philosophie des C[artesius]10 bedurftedaher nur eines empfaumlnglichen Gemuumlts eines11 aufmerksamenund konsequenten Denkers um ihre Luumlcken und Bloumlszligen zuenthuumlllen12) Als einer der13 dieses Beduumlrfnis in sich empfandund mit selbststaumlndigem Geist die Philos[ophie] ausbildetebegegnet uns zunaumlchst Nikolaus Malebranche (geb 1638)Mal[ebranche] geht wie C[artesius] von dem Gegensatz zwi-schen Geist und Materie aus er haumllt beide in den abstraktenBestimmungen fest daszlig das Wesen der Materie nur in derAusdehnung das des Geistes nur in der des Denkens besteheund zwar des Denkens nur in der Bedeutung des Bewuszligt-seins14 Beide sind als entgegengesetzte besondre Wesen beide 1 So auch A ndash Am Rande r Verweis auf IX Vorlesung ndash Im Ms kein

Absatz2 Je weniger So wenig Korr im Ms3 je [so auch A] so Ms Im Ms daruumlber gestr unleserl Erg4 je vieler so sehr er auch die Im Ms gestr5 Im Ms folgt gestr nicht loumlste oder uumlbersprang6 so Im Ms gestr7 und wichtigsten und die wichtigsten Korr im Ms8 Im Ms folgt gestr den Knoten der Entwicklung nicht mit zumal da

oder auch9 Im Ms folgt gestr an und fuumlr10 Die C[artesius] Die [] die C[artesius] ausgestreut hatte Korr

im Ms11 Gemuumlts eines Denkers wie Korr im Ms12 enthuumlllen [so auch A] verhuumlllen Ms13 der [so auch A] Denker Ms14 Im Ms folgt gestr der Subjektivitaumlt

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sind besondre Arten des Wesens1 Die Vorstellungen von denmateriellen Dingen kann daher der Geist weder von den Din-gen bekommen sie sind ihm ja entgegengesetzt ndash die Materieist nicht durch sich selbst sichtbar intelligibel sie ist dem Gei-ste ein absolut Andres Finstres und Dunkles ndash noch kann derGeist da er ja ebenso der Materie geradezu entgegensteht dieVorstellung materieller Dinge aus sich bekommen2 66 oder insich haben Die Seele erkennt3 ndash eine unleugbare Tatsache ndashallgemeine Wahrheiten sie erkennt das Besondere nur in undaus dem Allgemeinen das Endliche nur aus dem UnendlichenSo sehen wir alle sinnliche[n] Dinge ausgedehnt wir koumlnnenkein sinnliches Objekt wahrnehmen auszliger in der Idee Vor-stellung oder Anschauung der Ausdehnung Aller Wahrneh-mung ist daher die Idee der Ausdehnung des Raumes voraus-gesetzt der Raum die Ausdehnung oder die Idee derselben isteher in mir als die Idee der bestimmten ausgedehnten DingeDiese Idee ist eine allgemeine und unendliche Idee4 denn alleGeister schauen5 alle Dinge nur in ihr an Wie kommt nun dieseIdee in die Seele Die Seele ist als ein der Materie entgegenge-setztes Wesen ein besonderes ndash die Ideen oder Vorstellungensind Modifikationen Bestimmungen der Seele wenn ich6 eineVorstellung habe bin ich auf eine gewisse Weise modifiziertbestimmt Wie kann eine allgemeine7 eine unendliche Ideealso Modifikation eines besonderen Wesens sein wie in ihrihren Grund haben8 wie aus ihr kommen Es ist nur das allge-meine Wesen also das Wesen das schlechtweg Wesen ist dasWesen das in keinem Gegensatze steht9 das unendliche dasgoumlttliche Wesen in dem wir alle Dinge schauen Jede notwen-dige jede allgemeine Idee ist eine goumlttliche Idee Wie es aberallgemeine unendliche Ideen oder Anschauungen gibt wie die 1 Im Ms folgt gestr beide setzen daher voraus das Wesen schlecht-

weg das allgemeine Wesen das nicht dies oder das nicht ein derNatur entgegengesetzter Geist noch eine dem Geist entgegenge-setzte Materie sondern schlechtweg ist

2 kann bekommen kann er sie aus sich bekommen Korr im Ms3 erkennt hat Korr im Ms4 Im Ms unleserl Erg5 Im Ms gestr und unleserl Erg6 Im Ms folgt gestr ja7 Im Ms folgt gestr Idee8 ihren haben sein Korr im Ms9 steht stehen Korr im Ms

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unendliche Idee des Raumes in der wir alle Dinge schauen sogibt es auch allgemeine1 Vernunftwahrheiten Ich weiszlig z Bdaszlig zwei mal zwei vier ist daszlig man seinen Freund seinemHunde vorziehen muszlig und ich bin gewiszlig daszlig es keinen (ver-nuumlnftigen) Menschen gibt der es nicht ebenso gut wissen kannwie ich Nun erkenne ich aber diese Wahrheiten nicht in demGeiste der andern ebensowenig als sie sie in dem meinigenerkennen Es gibt also notwendig eine allgemeine Vernunft diemich und alle Geister beleuchtet Denn wenn die Vernunft dieich befrage nicht dieselbe waumlre die den Chinesen auf ihreFragen an sie antwortet so koumlnnte ich es doch offenbar nicht sobestimmt wissen als ich es wirklich weiszlig daszlig die Chinesendieselben Wahrheiten einsehen die ich einsehe Die Vernunftdie wir befragen wenn wir in uns gehen ist daher eine allge-meine Vernunft Ich sage wenn wir in uns gehen denn ichmeine nicht die Vernunft der ein leidenschaftlicher Menschfolgt Wenn einer das 692 Leben s[eines] Pferdes dem seinesKutschers vorzieht so hat er dazu wohl auch s[eine] Gruumlndeaber es sind nur besondere Gruumlnde vor denen jeder vernuumlnftigeMensch zuruumlckschaudert und die in Wahrheit unvernuumlnftigsind weil sie der houmlchsten oder allgem[einen] Vernunft diealle Menschen befragen widerstreiten

bdquoWenn es nun aber wahr ist daszlig die Vernunft an der alleMenschen teilnehmen allgemein ist wahr daszlig sie unendlichwahr daszlig sie ewig und notwendig ist so ist es gewiszlig daszlig sienicht von der Vernunft Gottes selbst unterschieden ist dennnur das allgemeine und unendliche Wesen enthaumllt in sich eineallgemeine und notwendige Vernunft Diese allgemeine Ver-nunft ist daher von Gott nicht unterschieden sie ist mit ihmvon gleicher Ewigkeit und Wesenheitldquo3 Gott ist nicht mehralso bloszlig wie bei Cart[esius] das Prinzip der Gewiszligheit er istalso nicht bloszlig ein Patent das sich der Geist4 ausfertigen laumlszligtum dann seine Gewerbe desto ungestoumlrter fuumlr sich auf eigneFaust fuumlhren zu koumlnnen er ist das reale Prinzip der Erkenntnisund Anschauung er ist die allgemeine Anschauung das allge-meine Gesetz die notwendige Vernunft das allgemeine Licht

1 Im Ms folgt gestr Wah[rheiten]2 Am Rande r o Verweis auf IX Vorlesung3 N Malebranche De la recherche de la veacuteriteacute hellip T IV Paris 1721

X Eclaircissement sur le livre III S 207-2084 Im Ms folgt gestr im Himmel

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aller Geister Maleb[ranche] nennt daher Gott den Ort der Gei-ster1

Es ist hier wesentlich gleich zu bemerken daszlig Ma-leb[ranche] unter Geist und Ich nichts anderes versteht als daseinzelne Ich das einzelne Selbst das Individuum2 SchonC[artesius] sinkt sogleich von der allgemeinen Bedeutung desIchs herab in die Bedeutung des Ichs als der IndividualitaumltC[artesius] ist eigentlich nur so lange Philosoph als er3 zwei-felt und die Philosophie sucht so wie er sich in ihrem Besitzduumlnkt so verliert er sie auch schon wieder und plumpst herun-ter in das Gebiet der bloszligen Vorstellung So lange Cart[esius]auf dem Standpunkt des Cogito ergo sum steht und nichts wei-ter tut als daszlig er analysiert was in dieser Wahrheit liegt denBegriff des Geistes daraus abstrahiert oder vielmehr darin fin-det ist er Philosoph aber sowie er weitergeht macht er es sichsehr kommod er versetzt den Geist in die Klasse der Erfahrun-gen selbst wovon er doch abstrahiert hat indem er von ange-bornen Ideen spricht identifiziert4 [er] den Geist mit sichdiesem Menschen und macht sich nun dadurch5 den Schluszlig aufdas Dasein eines unendlichen Wesens sehr leicht6 von demDasein eines Individuums als eines endlichen Wesens das alsonicht den Grund in sich haben kann ist der Uumlbergang auf dasDasein eines unend[lichen] Wesens Gottes sehr leicht In die-ser Bedeutung nun wie man auch im Leben den Geist das Ichversteht nimmt Malebr[anche] den Geist bei sich auf DieseVorstellung lag dem Malebranche um so naumlher als sein Kopf7

von theologischen besonders 70 Augustinischen Vorstellun-gen eingenommen worden in der Theologie aber das was 1 N Malebranche De la recherche de la veacuteriteacute hellip T III a a O

livre III part II chap VI S 3402 als das Individuums als das Ich im gewoumlhnlichen Sinne wo es

eins ist mit dem Individuum Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr sucht und4 identifiziert verwechselt Korr im Ms5 Im Ms folgt durch6 Am Rande Diese [Im Ms folgt gestr Verwechs[lung]] Identifikati-

on liegt sehr nahe denn das Ich hat hier konkret [hier konkret fehltin A] reale Existenz als Individuum weswegen beide zu unterschei-den sind Das Ich kommt nur durch das Denken zustande das Ichaber als bloszlig seiend vom Denken abgetrennt fuumlr sich betrachtet istIndiv[iduum]

7 Kopf Geist Korr im Ms

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man Geister Seelen auch wohl gar Intelligenzen nennt nichtsanderes bedeutet als die Personen menschliche1 Individuali-taumlten Maleb[ranche] nimmt den Geist also nicht in seiner Ein-heit mit der Vernunft obwohl Geist im houmlhern Sinne identischmit Vernunft ist Da Maleb[ranche] also den Geist abgetrenntvon der Vernunft denkt den Namen Geist auf das individuelleSelbst anwandte so war es ganz notwendig daszlig er den Ur-sprung der Ideen die allgemein und notwendig sind und derenDasein unleugbar nicht im Geiste des Menschen fand undfinden konnte sondern im Geiste Gottes denn nur dann koumlnn-ten diese Ideen im Geiste des Menschen ihren Grund habenwenn dieser Geist selbst allgemeiner Natur ist oder in seinerEinheit mit der Vernunft und die Vernunft in uns als allgemei-ne Vernunft als eine nicht nur subjektive Vernunft erkanntwird Alle Menschen die auf dem Standpunkt des Male-b[ranche] in dieser Beziehung stehen und die meisten denkensich unter Geist nichts anders als ihr Selbst muumlssen wenn siekonsequent sind wenn sie die Tatsache unendlicher notwendi-ger und allgemeiner Ideen gehoumlrig bedenken auf ein und das-selbe Resultat mit Maleb[ranche] kommen denn wollte mandieser Notwendigkeit damit entschluumlpfen daszlig man sagte alleMenschen haumltten gleiche2 Gesetze des Denkens so ist dies einebloszlige Ausflucht denn woher worin liegt diese Gleichheitdiese setzt eben selbst eine gemeinschaftliche allgemeine Basisvoraus

Aber die cartes[ische] Philosophie indem sie vom Ich aus-ging oder dieses ihre Idee war ob sie gleich d[as] Ich nicht ins[einem] idealen mit der Idee identisch[en] Begriff festhieltsondern es in s[einer] empirischen Gestalt eingefuumlhrt hattedamit kein andres Wort ausgesprochen3 als was der Weltgeistder neuern Zeit auf der Seele hat Die Philosophie betrachtetaber das in seinem Wesen seiner Wahrheit seinem Grundewas in den uumlbrigen Sphaumlren der Manifestation des Geisteseines Zeitalters4 nur als Wirkung als Folge als ErscheinungGegenstand ist So ist es ein wesentlicher Charakterzug derneuern Zeit daszlig der Mensch als Individuum sich fixierte und

1 menschliche [so auch A] menschlichen Ms2 Im Ms folgt gestr Anlagen3 Aber ausgesprochen Die Cartesische Philosophie indem sie vom

Iche ausging hatte damit nichts anderes ausgesprochen Korr im Ms4 eines Zeitalters Grunde was ein Zeitalter Korr im Ms

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Grundlage aller Forschungen Fragen und Interessen wurdeDer Grund des Individuums sein Wesen ist das denkende IchVon diesem nun ging C[artesius] aus Er erfaszligte daher denGeist seines Weltalters in seinem Grunde Aber das denkendeIch war bei C[artesius] nur ein Blitz nur ein Meteor das so-gleich in die niedere Atmosphaumlre herabsank und hier als 71irdisches Individuum niederfiel ndash in der Gestalt in welcher dasIch Objekt wurde in jeder nicht- oder auszliger-philosophischenAnschauung So1 war Montaigne 1533 geb in seinen Essais2

schon ein Portraumltmaler von sich selbst und Malebranche ver-denkt es ihm gewaltig daszlig er so viel von sich spraumlche machtihm daruumlber die groumlszligten Vorwuumlrfe So gab auch schon derItaliener Cardan[us] seine Individualitaumlt mit allen ihren furcht-baren Widerspruumlchen mit all ihren Schwaumlchen Fehlern jaLastern und Abscheulichkeiten ungescheut der Welt zum Be-sten Wie der Mensch als Kind sich fuumlrchtet wenn er sich indem Spiegel erblickt und vor dem Maler der es portraumltierensoll davonlaumluft so hatte der Mensch in der Befangenheit fruuml-herer Zeit religioumlse Scheu vor sich selbst3 dem Verbot desClemens4 sich5 im Spiegel zu betrachten kann man eine tiefreBedeutung geben und es als einen allgemeinen Ausdruck desbefangnen religioumlsen Geistes ansehen denn gerade dadurchdaszlig er so sich scheut ist er gerade ein subjektiver6 der Mensch 1 Im Ms folgt gestr ist es nicht unerheblich gab2 Vgl M E de Montaigne Les Essais de Michel Seigneur de Mon-

taigne hellip T I-III Paris 17253 Im Ms daruumlber unleserl Erg4 Gemeint ist der griechische Philosoph und Theologe Clemens Alex-

andrinus Titus Flavius (Clemens von Alexandria) und dessen erstechristliche Ethik (bdquoPaedagogusldquo) Vgl Clemens AlexandrinusContinens protrepticum ad Graecos et paedagogi In Titi FlauiClementis Alexandrini opera omnia Vol I Lipsia 1831 lib IIIcap 2

5 Im Ms A folgt nicht6 und subjektiver und dem Maler Mensch fruumlher eine religioumlse

Scheu ansehen Korr im MsAm Rande Dem befangnen religioumlsen Menschen der nicht philo-sophiert ist [nicht] das Ich im Sinne des Cartesius das Ich im Sinnedes denkenden Geistes sondern das ich als seine Person nur Ge-genstand [Im Ms daruumlber teilw unleserl Erg noch als Objekt []Objekt] und indem dieses ihm Gegenstand ist so entspringt ihm ge-rade der Trieb von diesem Ich sich wegzuwenden sich von sich zubefreien nicht an sich zu denken sondern nur an Gott Indem der

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Mensch so sich anschaut gewahrt er nur sein Elend sein Nichtsund dieses Nichts ist eben diese einzelne fuumlr sich fixierte Personmit ihren Schwaumlchen Fehlern Aber auf diesem Standpunkt w[ird]er nicht von sich frei denn der Standpunkt selbst ist schon Befan-genheit Beschraumlnktheit die [] liegt daszlig [Im Ms folgt gestr ihm]er sich Gegenstand ist wenngleich nur Gegenstand seines Mitleidsseiner Verachtung und Verabscheuung Eine solche von sich selbstwegfliehende und doch nicht von sich frei 72 werdende eine sol-che sich selbst quaumllende und durch Selbstqual sich von sich erloumlsenwollende und doch eben durch diese Tendenz nur in sich befangneungluumlckselige Subjektivitaumlt begegnet uns in einem juumlngern Zeitge-nossen des Cartesius in dem beruumlhmten Pascal Die wahre undeinzige Tugendldquo sagt Pascal bdquoist sich zu hassen [Im Ms unleserlErg] denn man ist haumlszliglich durch seine Begierdeldquo [Vgl B PascalPenseacutees de M Pascal sur la religion et sur quelques autres sujetsLa Haye 1743 Art XXVIII Penseacutees chreacutetiennes Nr 64 S 194]Es ist ungerecht daszlig man sich an uns anschmiegt mit Liebe ob esgleich freiwillig und mit Vergnuumlgen geschieht Wir enttaumluschen diein denen wir ein Verlangen nach uns erwecken denn wir sind nichtder Zweck der Person und haben keine Mittel in uns sie zu befrie-digen denn sind wir nicht stets zum Tode bereit und wuumlrden sie al-so nicht so den Gegenstand ihrer [ihrer unserer Korr im Ms] Zu-neigung verlierenldquo [Vgl B Pascal Penseacutees hellip a a O ArtXXVIII Penseacutees chreacutetiennes Nr 65 S 194] Wenn die Notwendig-keit ihn zwang etwas zu tun was ihm irgendwie Befriedigung ge-waumlhren konnte so hatte er eine bewunderungswuumlrdige Geschick-lichkeit seinen Geist so davon abzukehren daszlig er nicht daran teil-nahm z B als ihm s[eine] anhaltenden Krankheiten zwangen 73feine Speisen zu sich zu nehmen so gab er sich alle Muumlhe das nichtzu kosten (als etwas Wohlschmeckendes zu empfinden) was er aszligP[ascal] verbannte das Moi [mich] Diese Negation der Selbstheitist aber eine verkehrte und unvernuumlnftige daher gerade das Gegen-teil von dem was sie sein will sie ist die in sich befangenste Sub-jektivitaumlt Es erhellt daszlig wer sich jeden Genuszlig versagen will stetsauf sich ein Auge haben [Im Ms folgt gestr muszlig] stets an sichdenken stets es nur mit sich zu tun haben muszlig Er straumlubt sich ge-gen das Unvermeidliche gegen die Notwendigkeit Denn das ganzeLeben ist Genuszlig nur daszlig wir wegen seiner Ununterbrochenheit esnicht als Genuszlig fuumlhlen So ist das Atmen ein Genuszlig Daszlig es ein sol-cher ist erfahren wir wenn wir uns den Atem eine Zeit lang neh-men So ist das Gehen Laufen Genuszlig was wir erfahren wenn [ImMs folgt wir Fehlt in A] in einer verschraumlnkten Stellung unsreGlieder sich nicht bewegen koumlnnen Wer sich dem Genuszlig entziehtentzieht sich dem allgemeinen Leben reiszligt sich aus dem Ganzenheraus wird dadurch im houmlchsten Grade subjektiv Ja im Genuszlig

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war unfrei nicht seiner selbst bewuszligt Aber jetzt blickte derMensch mit Klarheit und Freiheit in den Spiegel er betrachtetesich wie1 ein anderes Wesen nahm ein objektives Interesse ansich aber er konnte sich auch war er von sich eingenommenmit Eitelkeit mit Interesse an sich wie ein Montaigne be-trachten Aber es ist nichts schlechter als zu moralisieren dieAufgabe ist den Menschen zu begreifen und darzustellen wieer ist und dieses wie er ist in s[einem] Grunde und Wesen zuerfassen Die Fehler sind nur verkehrte Tugenden es liegtihnen etwas Tiefes Gutes Positives zugrunde So auch in die-ser Richtung des Menschen auf sich selbst sollte sie auch ei-nen2 tadelswerten Charakter nehmen denn sie kam nur daherdaszlig der Mensch sich in s[einem] Wesen das3 Selbstbewuszligtseinals sein Wesen wenigstens sein naumlchstes Wesen erfaszligte Nurdie Idee von der Realitaumlt des Geistes des Selbstbewuszligtseinswar der houmlhere der wahre Grund daszlig der Mensch auch alsIndividuum sich Gegenstand wurde denn mit der Idee desSelbstbewuszligtseins mit der Erfassung des Geistes [hatte] dasBewuszligts[ein] sich als reell erfaszligt Das Individuum hat abereine mehrfache Existenz es muszligte daher von mehrern Seitenaus Objekt werden So wurde das Individuum als soziales oderpolitisches Gegenstand und Ausgangspunkt des NaturrechtsHobbesrsquo Naturzustand Grotius und Pufendorf nach ihm gingenvom Gluumlckseligkeitsprinzip oder richtiger der Selbstliebe ausSo wurde es als Empirisches Gegenstand und Ausgangspunktder Psychologie und der empirische Ursprung der Ideen undErkenntnisse selber wurde daher eine notwendige Folge denndas Individuum steigt nur vermittelst der Sinne zur4 Vernunftempor So wurde auch d[as]5 Individuum6 jetzt7 hauptsaumlchlicherst Objekt als religioumlses Objekt Der Mangel bei allen diesen72 war nur daszlig man das Individuum fuumlr sich fixierte bei ihm

w[ird] der Mensch mehr von sich frei als im Denken 74 an s[eine]Suumlndhaftigkeit sein Elend frei ist nur der der weder an s[eine] Tu-genden noch an s[ein] Suumlndenelend denkt Diese Freiheit ist alleinDemut

1 wie als Korr im Ms2 Im Ms daruumlber unleserl Erg Fehlt in A3 das sein Korr im Ms4 zur zum Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr religioumlse6 Im Ms folgt gestr als religioumlses7 Im Ms folgt d

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und folglich bei der Erscheinung stehen blieb es nicht aufseinen Grund zuruumlckfuumlhrte wo1 man uumlber es hinaus gekommenwaumlre sich nicht zur Philosophie erhob denn nur durch sie wirdman wahrhaft frei von der Individualitaumlt und gerade dadurchdaszlig2 man sie in ihrem Wesen erfaszligt Das Ich das philosophiertuumlberwindet seine Schranke es schlaumlgt geradezu in sein Ge-genteil um es bezieht sich auf einen Boden[] wo es [sich] ausdem Gesichte verliert es versenkt sich in dem Aumlther des Den-kens in die Anschauung des reinen unendlichen Wesens denndem Philosophen ist es an der Erkenntnis dem Objektivengelegen So sehen wir den Cartes[ius] auf eine freilich inkon-sequente dem Begriff des Cogito widersprechende Weise zurIdee des Unendlichen uumlbergehen So geht auch Maleb[ranche]vom denkenden Ich aus aber er verknuumlpft3 [die] Bedeutung derIndividualitaumlt4 aber nur um es aufzuheben und vielmehr seinBewuszligtsein zum Bewuszligtsein der goumlttlichen Substanz als seineres erleuchtenden Wesenheit als seiner Vernunft seiner An-schauung zu erheben Die Abstraktion von der Materie inwelcher das Ich als denkendes5 sich erfaszligt nimmt bei Ma-leb[ranche] aber einen Pascal-aumlhnlichen religioumlsen Charakteran Die Materie ist ein ungoumlttliches negatives Wesen die ma-teriellen Dinge sind die untersten der Wesen sich vom Sinnli-chen zu befreien ist daher die Tendenz des Geistes Alles wasdie Seele vermittelst des Koumlrpers erhaumllt ist fuumlr den Koumlrper DieMenschen sont faits pour penser [sind gemacht zu denken]denn sie sind fuumlr die Wahrheit bestimmt Mal[ebranche] hatdaher im Praktischen eine aumlhnliche Richtung mit Pascal aberda uumlber dieser praktischen Tendenz der freie Geist des Denkensbei ihm schwebte so verfiel er natuumlrlich nicht in diese asketi-sche ungluumlckliche befangne Subjektivitaumlt wie Pascal Wie diePhilos[ophie] des Cart[esius] in Maleb[ranche] einen mehrreligioumlsen Charakter annahm so in einem andern Schuumller des-selben Arnold Geulincx eine rigoristisch-moralische TendenzEr geht vom Denken in jener einseitigen Bedeutung und vomGegensatz der Materie aus Das Einzige was mein ist ist dasDenken Ich bin bloszlig Zuschauer dieser Welt ich kann nichts

1 Im Ms folgt gestr dan[n]2 Im Ms folgt gestr man sie anerkennt daszlig3 er verknuumlpft in einer Korr im Ms4 Im Ms folgt aus5 das denkendes das denkende Ich Korr im Ms

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auszliger mir hervorbringen denn wie koumlnnte ich auf das Materi-elle von dem ich streng unterschieden bin einwirken unsreWirkungen koumlnnen nicht uumlber uns hinaus die der Welt nichtuumlber ihr Gebiet ndash das Materielle hinaus denn wenn die Dingeauch in meinem Gehirn z B ein 73 materielles Bild hervor-bringen wie wird aus dem materiellen Bilde eine ideale gei-stige Vorstellung Gott ist es daher der im Geiste den materi-ell[en] Eindruumlcken entsprechende Wirkungen hervorbringt undumgekehrt den geistigen Bewegungen entsprechende Bewe-gungen im Koumlrper so daszlig wenn infolge eines Willensaktessich mein Arm bewegt diese Bewegung nicht von mir hervor-gebracht ist sondern Gott die Ursache dieser Uumlbereinstim-mung ist er der Leib und Seele Aumluszligeres und Innres auf einewunderbare unbegreifliche Weise miteinander zu einem Gan-zen harmonischer Wirkungen verknuumlpft hat Ich bin nur dieVeranlassung daszlig wenn ich dies oder jenes will diese oderjene entsprechende Bewegung erfolgt ebenso ist die Materienur die Veranlassung Occasio daszlig auf eine Bewegung in ihreine1 ihr entsprechende Bewegung in mir vorgeht Gott istallein die wahre Ursache Man nennt daher dieses System dasdes Occasionalismus welches Maleb[ranche] und Geulincxbesonders ausbildeten Aus diesen Praumlmissen entwickelt nun AGeulincx eine strenge rigoristische Sittenlehre eine Ethik desleidenden Gehorsams der unbedingten Unterwerfung unter dieGesetze die Bestimmungen des goumlttlichen Willens Wo Dubist das ist der Sinn s[einer] Ethik da bleibe verlasse nichtden Ort den Posten das Amt wo Du einmal hingestellt wor-den bist wenn es Dir auch nicht behagt wolle nichts aumlnderndurch Deinen Willen denn Du kannst nichts aumlndern es sindDir uumlberall die Haumlnde gebunden So schlaumlgt das Ich also in seindirektes Gegenteil in die haumlrteste Negation seiner selbst umOder die Anschauung seiner selbst ist unmittelbar die An-schauung seines Gegenteils Das2 Bewuszligtsein seines Denkensentaumluszligert sich sogleich in das Bewuszligtsein eines nicht-denkenden eines nur materiellen dem Denken entgegenge-setzten Wesens So schlug bei C[artesius] wie wir sahen derIdealismus sogleich in der Naturphilosophie um in reinen Ma-terialismus der Geist erblickt auf diesem Standpunkt in derNatur nicht ein befreundetes verwandtes Wesen ein Wesen 1 Im Ms folgt gestr harmo[nische]2 Das Mit dem Korr im Ms

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das wenn auch noch kein Bewuszligtsein wie er doch wenigstenseine Seele hat da er nichts Negatives in sich selbst findet soversetzt er das Negative auszliger sich er erblickt nur in der Ma-terie das Negative gegen sich Die Realitaumlt der Materie istdaher auf diesem Standpunkt keineswegs aufgehoben dennindem der Geist sein Wesen nur im Unterschied im Gegensatzzur Materie 74erfaszligt so ist ihm ja die Materie vorausgesetztund notwendig um sich von ihr zu abstrahieren und als Geistzu wissen

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X [Vorlesung]1 [Descartes Spinoza]2

Der Anstoszlig des Fichteschen Nicht-Ichs ist daher im Car-tes[ius] schon implizite enthalten3 Es ist daher auch nicht rich-tig wenn Cousin irgendwo ich glaube in seinem Prospectuszu C[artesius] behauptet daszlig die materialistische Tendenz diedie franzoumlsische Philosophie nach Cart[esius] annahm ihrenGrund in dem nach Frankr[eich] eingedrungnen Empirismusder Englaumlnder namentlich Lockersquos habe4 Die materialistischeund mechanische Anschauung von der Natur vom Lebenuumlberhaupt durfte nur abgetrennt von ihrem Zusammenhangmit dem metaphysischen Prinzip in welchem sie bei C[arte-sius] stand fuumlr sich fixiert werden um in bloszligen antimetaphy-sischen Materialismus uumlber[zu]gehen Und das ist uumlberhauptder geschichtliche Verlauf oder vielmehr Schicksal5 der philo-sophischen Systeme daszlig die Konsequenzen eines Systems diein ihm durch ein houmlheres Prinzip getragen werden isoliert 1 Am Rande l o Verweis auf X Vorlesung zwischen Randbemerkun-

gen und Text kein Absatz2 So auch A3 Am Rande Das Objekt der gestrigen Vorles[ung] war wie der

Mensch sich in d[er] [d[er] s Korr im Ms] neuern Zeit in s[einer]Selbstaumlndigkeit Realitaumlt und Wesenhaftigkeit erfaszligte wie das Indi-viduum als Individuum von d[er] Philosophie [erkannt] in den ver-schiednen Sphaumlren die Basis der Anschauung [als Anschauungin den verschiedensten Sphaumlren Basis Anschauung Korr im Ms]war [Im Ms folgt gestr diese ist [] eine] das Individuum welches[welches aber Korr im Ms] auf dem Standpunkt der Philosophieals Ich in seiner Einheit mit dem Denken erfaszligt wurde Wir sahenwie das Ich hierin [] aber auf dem Standpunkt der Philosophieeben weil es hier in s[einem] Grund und Wesen erfaszligt wird vonsich frei wird was schon daraus erhellt daszlig uumlberhaupt das Ichhierin in die Anschauung seines Gegenteils sich versenkt wie wirbei Arnold Geulincx in der strengen ethischen Notwendigkeit oderder unbedingten Unterwerfung unter das einmal Bestimmte zu wel-cher A[rnold] G[eulincx] uumlbergeht diesen Gegensatz des Ichs er-kannten

4 Vgl V Cousin Uumlber Descartes und sein Verhaumlltnis zur Philosophiein Frankreich aus dem Prospectus der Œuvres compl de Descar-tes publ Per V Cousin 1824 In P P Royer-Collard V Cousinund N de Massias Religion und Philosophie in Frankreich Goumlt-tingen 1827 S 8-9

5 Im Ms folgt der

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selbstaumlndig fuumlr sich herausgerissen werden wo sie dann schaumld-liche Wirkungen hervorbringen die im System selbst uumlber-wunden sind weil sie im Zus[ammen]hang mit einem houmlherngeistigen Prinzip stehen Solche Wirkungen kann aber auchund hat wirklich wie die Geschichte lehrt jede selbst religioumlseLehre1 wenn auch ihr Inhalt wahr und trefflich ist Die Men-schen halten sich uumlberall an die Folgen die Prinzipien liegenentfernt die Folgen aber ndash indem sich in ihnen ein Prinzip andas Praktische annaumlhert ndash fallen in die Sinne sie sind dasNaumlchste worauf man verfaumlllt Daher gibt es nichts Unvernuumlnf-tigeres und selbst Gemeineres als wenn man die Wahrheit undden Geist eines Philos[ophen] dadurch verdaumlchtigen will daszligman sagt er enthalte2 schaumldliche Konsequenzen3 und sie her-vorhebt Fuumlr den der in dieser Philosophie lebt und webt ndash undnur von einem solchen kann die Rede sein nicht von einemder auszliger ihr sich befindet ndash existieren diese Konsequenzen garnicht er ist uumlber sie hinaus er uumlberwindet sie indem er sie aufihr Prinzip zuruumlckfuumlhrt sie nur in dieser Verbindung schautund [sie] so bei ihm unter die Herrschaft eines houmlhern Prinzipsgestellt sind So verdaumlchtigt man den sogen[annten] Pantheis-mus dadurch besonders ndash obwohl diese Lehre gar nicht not-wendig zus[ammen]haumlngt mit ihm wie die Geschichte beweistndash daszlig man sagt die Negation der4 individuellen Fortdauer desMenschen nach dem Tode5 sei eine notwendige Konsequenzvon ihm Da nun aber diese Folge alle sittlichen Grundlagenerschuumlttere sei es ein falsches System 756 Aber diese Konse-quenz existiert nur fuumlr die welche auszliger dem Panth[eismus]stehen Das Bewuszligtsein des Endlichen entspringt bei demPantheismus nur aus dem Bewuszligtsein des Unendlichen derGlaube an7 das Ende seiner persoumlnlich[en] endlichen Existenzist unmittelbar eins mit dem Glauben an die allein wahrhafteuneingeschraumlnkte und darum ewige Existenz des goumlttlichenWesens Nicht mit den Sinnen mit dem Geiste nimmt derPantheist sein Ende wahr nur in der Anschauung des unendli-

1 Im Ms folgt haben2 sagt enthalte auf die Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr die es haben koumlnnte enthaumllt hinweist4 die der er habe die Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr auf6 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung7 Im Ms folgt gestr sein

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chen1 Lebens ndash eine Anschauung die unmittelbar mit Erhaben-heit und Reinigung der Gesinnung mit Erhebung der Seeleuumlber die endlichen Interessen und Leidenschaften der Men-schen verbunden ist eine Anschauung die also keine Wirkungeines Daumlmons sondern eines guten Geistes eine Anschauungin der der Mensch das Gefuumlhl seiner houmlchsten Wuumlrde hat undsein houmlchstes Gut erkennt nur in dieser sieht er sein Leben alseine einzelne Woge verrinnen Dieser Gedanke hat daher fuumlrihn keine schaumldlichen Konsequenzen denn er bleibt uumlber seinEnde hinuumlber in den Urquell seiner Existenz in das unend-lich[e] in immer neue Formen sich offenbarende Leben [ge-bunden] er findet einen reichlichen Ersatz fuumlr den Verlustseiner persoumlnlichen Existenz in dem Besitze2 und Genusse derIdee in der er sich3 als ein vergaumlngliches Wesen verschwindensieht er verliert in ihr den Verlust seiner Unsterblichkeit auszligerden Augen und dem Herzen Aber fuumlr den freilich der diesesBewuszligtsein des Endlichen abtrennt von der Idee des Unendli-chen der diese Konsequenz isoliert sie durch nichts zu ergaumln-zen und ersetzen weiszlig ist diese Lehre eine schreckliche Lehreeine Lehre des absoluten Nichts Fuumlr alle diejenigen die auszligerdem Pantheismus stehen ist daher4 dieses System allerdingsein System von houmlchst verderblichen Folgen ist es notwendigdarum auch ich sage notwendig ein ganz irriges nichtigesSystem

So war es nun auch bei C[artesius] der Fall5 Der Materialis-mus ist in ihm da aber uumlberwunden insofern als er mit einemantimaterialistisch[en] metaphys[ischen] Prinz[ip] verbundenwar Die materialistische Tendenz war nur die Isolierung derMaterie von ihrem Grunde und Prinzip an das sie inC[artesius] angeknuumlpft w[ar]

Die cart[esische] Philosophie griff darum wegen dieser idea-listisch[en] und materialist[ischen] Tendenz tief in das geistigeLeben der Menschheit ein6 Dies muumlssen wir nicht etwa in derVerbreitung die sie als Schule gewann allein finden Der Ge-

1 Im Ms folgt gestr Wesens2 dem Besitze der Idee Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr als ein endliches und sterbliches aus den Augen

[ver]liert4 Im Ms folgt gestr seine5 Im Ms folgt gestr Sein6 ein [so auch A] an Ms

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gensatz von Materialismus und Idealismus war eine allgemeineAngelegenheit der neuern Zeit der tief den Geist bewegt[e] Erbrachte ihn1 in den schaumlrfsten Formen zur Sprache Er be-maumlchtigt[e] sich daher der Geister 76 so viel Gegensatz auchC[artesius] fand Nicht bloszlig Gelehrte im strengen Sinne desWortes wie Bayle selbst Weltmaumlnner huldigten dem Car-tes[ius] d h fanden an ihm die Interessen ihres eignen Den-kens befriedigt und ausgesprochen So finden wir z B in denCharakteren des La Bruyegravere der sich durch seine feinen Beob-achtungen uumlber die Welt die Menschen ihr Treiben ihre Sit-ten ihre Leidenschaften in Frankr[eich] als Schriftsteller einenausgezeichneten Namen erwarb cartesische Gedanken entwik-kelt2

Die cartesianische Philosophie bezeichnet man gewoumlhnlichals Dualismus Und erst in diesem Jahre ist ein Schriftstelleraufgetreten mit der Behauptung der Dualismus sei die wahrePhilosophie und man muumlsse3 daher auf den Cartes[ius] als diewahre Heilquelle wieder zuruumlckgehen4 Aber der gute Mannuumlbersah in seinem Eifer daszlig C[artesius] selbst den Dualismusaufhob indem er von dem Gegensatze zur Einheit der Materieund des Geistes fortstieg indem er behauptete beide muumlszligtennicht bloszlig ut duo diversa [als zwei verschiedene] sondern auchut unum als Eins begriffen w[erden] Da er jedoch von demBegriffe ihrer Entgegensetzung ausging so konnte diese Ein-heit an sich nur eine mechanische sein und in Beziehung aufden Geist nicht ein Objekt des Begriffs sondern des Gefuumlhlsindem er sagte wie wir fruumlher anfuumlhrten diese Einheit wuumlrdeam besten durch das Gefuumlhl erfaszligt5 Und dieser Einheit lag beiihm zu Grunde der Gedanke der absoluten Einheit ndash der Ge-danke des unendlichen Wesens welches als das gegensatzlosedie absolute Macht uumlber beide Gegensaumltze ist und daher beide[sich] gegeneinander straumlubende wider Willen und Wissen

1 Im Ms folgt gestr aufs2 Vgl J La Bruyegravere Les Caractegraveres de Theacuteophraste Traduits du

Grec Avec les Caractegraveres ou les Moeurs de ce siegravecle Bd I-II Am-sterdam 1701

3 Im Ms folgt man4 Vgl C F Hock Cartesius und seine Gegner Ein Beitrag zur Cha-

rakteristik der philosophischen Bestrebungen unserer Zeit Wien1835ndash1836 S IV

5 erfaszligt bew[ahrt] Korr im Ms

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zusammenknuumlpft Ebenso schwebt bei Maleb[ranche] undArnold Geulincx uumlber dem Kampf der Gegensaumltze der Friededer Einheit Gott ist die Ursache daszlig Leib und Seele zusam-menstimmen die Quelle aller Harmonie Aber das Mediumzwischen L[eib] und S[eele] ist bei ihnen nur der Wille Undder Wille ndash er mag nun absolut uneingeschraumlnkt als WilleGottes oder eingeschraumlnkt als Wille des Menschen betrachtetw[erden] ndash ist kein principium cognoscendi [Prinzip der Er-kenntnis] noch essendi [des Seins] sage ich der Wille hat dieMaterie erschaffen und sie mit dem Geiste verbunden so istdas ein bloszliger Machtspruch ich habe nichts begriffen dieGegensaumltze sind nur willkuumlrlich verknuumlpft sie sind nur in mei-ner Vorstellung aber nicht an sich nicht wirklich verknuumlpftNur Notwendigkeit ist Erkenntnis Der Wille ist nur dann einereale Macht ndash keine leere 771 Willkuumlr die Kraft des Nichts ndashwenn er in Einheit mit der Notwendigkeit d h dem Wesender Vernunft gedacht w[ird] Gott kann nicht anders wollen alser ist koumlnnte er anders wollen als er ist als wie und was er istso waumlre er nicht Gott sein Wille ist also eins mit seinem We-sen Was er will will er notwendig Was als Wirkung Gottesbetrachtet werden soll muszlig daher unmittelbar als Wirkungs[eines] Wesens und erst mittelbar als Wirkung s[eines] Wil-lens betrachtet [werden] Der Wille fuumlr sich fixiert ist = NullDer Wille ist nichts Besonderes nichts fuumlr sich er ist nur dieMacht die Actuositaumlt des Wesens Hat also die Einheit vonL[eib] und S[eele] ihren Grund im Willen des unendlichenWesens so2 muszlig sie vor allem in seinem Wesen ihren Grundhaben hat sie aber im Wesen ihren Grund so muszlig ebenso wiedas Universalpraumldikat des Geistes das Attribut durch das derGeist ist was er ist Geist das Attribut des Denkens nicht vonGott ausgeschlossen w[erden] auch das Universalpraumldikat derMaterie das Attribut durch das sie ist was sie ist und diemateriellen Dinge sind was sie sind das Attribut der Ausdeh-nung nicht von ihr ausgeschlossen sondern vielmehr in3 ihrbegriffen werden Was in der Wirkung ist das muszlig auch in derUrsache sein denn woher kaumlme sonst das was in der Wirkungist Das Dasein einer Materie4 ist eine Wirkung des unendli- 1 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung2 so sie Ms ndash Fehlt in A3 in von Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr und ihre Verbindung mit dem Geiste

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chen Wesens es muszlig daher in Gott auch ein reales Prinzip derMaterie sein oder er haumltte sonst die Materie durch s[einen]bloszligen Willen d h aus Nichts hervorgebracht aber dieseVorstellung die nichts Bestimmtes gibt ist eine selbst nichtigeVorstellung eine Vorstellung von Nichts Oder die Verbindungder Materie und des Geistes zur Einheit ist eine Wirkung Got-tes sie hat also in seinem Wesen nicht bloszlig s[einem] Willens[einen] Grund es muumlssen daher an und fuumlr sich im Begriffedes absoluten Wesens die Begriffe der Materie und des Geistesenthalten und miteinander verknuumlpft sein Die Philosophie nundie also aus den Prinzipien des Cartes[ius] weiter schlieszligt undsich begruumlndet ist keine andre als die Philosophie des Spinoza

Wir fanden daszlig der Wille eine bloszlig negative Vorstellung istdaszlig die Materie und ihre Verbindung mit dem Geist1 also indem Wesen Gottes ihren Grund habe daszlig folglich beide Ge-genstaumlnde in dem Begriffe desselben verknuumlpft sein muumlszligtenSp[inoza] verknuumlpft sie nun so daszlig er die Ausdehnung eben-sowohl als das Denken zu Attributen der goumlttlichen Substanzmacht d i zu Eigenschaften die der Verstand als die das We-sen Gottes konstituierenden2 78 Grundeigenschaften begreiftDas Denken ist ein Attribut Gottes oder Gott ein denkendesWesen Ebenso ist die Ausdehnung ein Attribut Gottes oderGott ist ein ausgedehntes Wesen Deus est res cogitans Deusest res extensa3

Dieser Begriff von der Ausdehnung als einer goumlttlichen We-senseigenschaft scheint so zu widersprechen der Idee Gottesund ist auch wirklich so zuwider gewesen den herrschend ge-wordenen Vorstellungen von Gott daszlig es nicht zu verwundernist wenn Sp[inoza] und Atheist fuumlr identische Namen [ge-nommen] wurden wie denn wirklich in einem Lexikon Atheistmit assecla Spinozae [Anhaumlnger Spinozas] uumlbersetzt wurdeAber bei genaurer Eroumlrterung erscheint die Ausdehnung nichtin einem so gemeinen sondern einem himmlischen Licht Wirmuumlssen um dies zu begreifen wieder auf C[artesius] zuruumlckObwohl in Cart[esius] die Materie vom Geiste ausgeschlossenist der Geist vielmehr die Negation alles Materiellen ist so istdoch die Materie eine Realitaumlt ein Wesen eine Substanz Der 1 Geist [so auch A] Leibe Ms2 konstituierenden begreifen Korr im Ms3 Vgl B Spinoza Ethica pars secunda In Opera quae supersunt

omnia Vol II Ienae 1803 S 78-79

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substantia cogitans steht die materielle oder ausgedehnte Sub-stanz gegenuumlber Mit dem Begriffe des Wesens der Substanzvertraumlgt sich daher ebensogut der Begriff des Denkens wie derAusdehnung Der Begriff der Substanz ist beiden gemein Sowenig wir mit dem Begriffe des Denkens so wenig verlierenwir mit dem Begriffe der Ausdehnung den Begriff der Sub-stanz Was heiszligt das nun anders als die Ausdehnung ist eben-sogut etwas Substantielles Wesenhaftes als das Denken dennder Begriff der Substanz negiert ja nicht schlieszligt nicht vonsich aus den der Ausdehnung Die Ausdehnung ist daher eben-sogut eine Bestimmung der Substanz uumlberhaupt wie das Den-ken Mit dieser Erkenntnis kommen wir aber zur Erkenntnisder absoluten Substanz der Substanz die weder nur Denkenmit Ausschluszlig der Ausdehnung noch nur Ausdehnung mitAusschlieszligung des Denkens ist sondern die beides ist und seinkann die uumlber beiden als ihre Einheit ist die beide nur alsBestimmungen Eigenschaften in sich begreift Und diese ab-solute uneingeschraumlnkte Substanz deren wesentlichen Eigen-schaften oder Attribute Denken und Ausdehnung sind ist esdie mit dem Namen Gottes bezeichnet werden muszlig

Es ist daher unvernuumlnftig und schlecht ndash wie denn alles Un-vernuumlnftige auch moralisch schlecht und verwerflich ndash ich wie-derhole es es ist ebenso unvernuumlnftig als moralisch schlechteinen Philosophen wenn er von der letzten und houmlchsten Idees[eines] Denkens wenn er 791 von dem unendlichen Wesenwofuumlr er aus der Sprache den Namen Dei Gottes gebrauchtvon dem die meisten nur den Namen kennen verehren undanbeten weil sie nie das Objekt zum Gegenstande machenetwas verneint was bisher in dem Begriff Gottes rezipiert unddaher sanktioniert war oder bejaht was [von] den bisherigenoder allgemeinen Vorstellungen2 Gott nicht zugeschriebenw[urde] als einen Atheisten oder irreligioumlsen Menschen zuverschreien Denn er verneint es nur von Gott weil er es alsetwas Ungoumlttliches mit der houmlchsten Idee von der er erfuumlllt istnicht Uumlbereinstimmendes ihrer Unwuumlrdiges und bejaht es nurvon ihm weil er es als etwas Goumlttliches erkennt Nur die Maje-staumlt der houmlchsten Idee erfuumlllt ihn und nur in ihrem Namenverneint oder bejaht er So ist es mit Sp[inoza] wenn er dieAusdehnung zu einem Praumldikate Gottes macht Gott ist das 1 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung2 Im Ms folgt gestr von

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absolut reale Wesen das alle Realitaumlten alle Vollkommenhei-ten und Fuumllle in sich hat ndash ein Begriff der auch in der car-tes[ischen] Philosophie und selbst schon in der Philosophie derScholastiker sich vorfindet ndash oder wie Sp[inoza] sagt Gott istdas absolut nicht das in seiner Art unendliche Wesen zu demdaher alles gehoumlrt was Wesenheit ausdruumlckt und keine Negati-on keine Verneinung keine Schranke in sich enthaumllt1 Nun istaber die Ausdehnung des Wesen der Materie und aller materi-ellen oder koumlrperlichen Dinge das worin sie ihr Bestehenhaben das Reale in ihnen denn die sinnlichen Eigenschaftenkann ich wohl von einem Koumlrper wegnehmen ohne daszlig ichdadurch den Begriff des Koumlrpers verliere aber die Ausdeh-nung daszlig der Koumlrper ein Ausgedehntes kann ich nicht weg-nehmen ohne daszlig er Nichts wird Die Ausdehnung druumlckt alsoWesen Realitaumlt aus sie gehoumlrt also zu dem absolut realen We-sen es wuumlrde ihm etwas fehlen wenn2 ihm diese Realitaumlt fehl-te Dies erhellt naumlher durch die Definition der Substanz bdquoUnterSubstanz verstehe ich das was in sich ist und durch sich ge-dacht und begriffen wird d h das dessen Begriff nicht desBegriffs eines andern Dings oder Wesens bedarf um von ihmabstrahiert oder gebildet [zu] werdenldquo3 Nun ist aber der Be-griff der Ausdehnung ein schlechthin unabhaumlngiger durchkeinen andern Begriff vermittelter Die Ausdehnung wird nurdurch sich gedacht und gefaszligt Sie ist kein abgeleiteter son-dern urspruumlngl[icher] Begriff Denn wovon sollte der Begriffderselben abhaumlngen Doch nicht vom 80 Begriffe des Geistesoder Denkens Denn die Ausdehnung ist ja gerade das Entge-gengesetzte des Denkens wie sollte ich sie also vom Begriffedes Geistes abstrahieren oder aus ihm ableiten Ebensowenigkann ich sie aber von den materiellen Dingen abziehen undableiten denn alle Koumlrper muszlig ich als ausgedehnt wahrneh-men dazu daszlig ich eine bestimmte Ausdehnung eine endlicheGroumlszlige als Groumlszlige als Ausdehnung wahrnehme ist schon dieIdee der Ausdehnung notwendig und vorausgesetzt Der Be-griff der Ausdehnung ist daher ein unmittelbarer urspruumlngli-cher absoluter selbststaumlndiger Begriff Wie aber der Begriffso das Objekt des Begriffs Die Ausdehnung ist daher WesenSein sie ist selbststaumlndig urspruumlnglich unendlich nicht ge- 1 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 35-362 wenn was Korr im Ms3 B Spinoza Ethica pars prima a a O S 35

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setzt nicht abgeleitet sie ist also Substanz wenn sie fuumlr sichnur in Beziehung auf sich betrachtet [wird] Die Ausdehnungist aber nicht Denken oder sie ist nur Ausdehnung sie ist alsoin dieser Beziehung nur in ihrer Art unendlich wie das Denkennur in seiner Art d h als Denken unendlich ist die Ausdeh-nung ist daher nur ein Attribut des nicht in ihrer Art sonderndes absolut unendlichen Wesens das daher beide Realitaumltenoder Perfektionen als Eigenschaften in sich begreift

Die Ausdehnung ist nicht deswegen unvollkommen oderbeschraumlnkt oder endlich weil sie nicht denkt sagt [Spinoza]denn ihre Natur erfordert das nicht es gehoumlrt nicht zu ihremWesen sie ist vollkommen mangellos unbeschraumlnkt in ihrerArt sie druumlckt also Sein aus Und weil Gottes Wesen sagtSp[inoza] nicht in einer gewissen Weise oder Art oder Gattungdes Seins oder Wesens1 besteht non in certo entis genere son-dern in dem absolut uneingeschraumlnkten Wesen so forderts[eine] Natur id omne quod τὸ esse perfecte exprimit weilsonst s[ein] Wesen beschraumlnkt und defekt waumlre Es verstehtsich von selbst daszlig Gott deswegen nicht Gestalt bestimmteAusdehnung oder Groumlszlige zukommt sondern die unendlicheeinfache unteilbare Ausdehnung d i d[ie] Ausdehnung nichtin ihrer sinnlichen Erscheinung sondern in ihrem Wesen undGrunde gedacht2

Da nun aber die Ausdehnung und das Denken jene das We-sen und Prinzip der besondern materiellen dieses das allge-meine Wesen und Prinzip der denkenden Wesen ist Attributeoder3 Eigenschaften der Substanz sind so folgt notwendig daszliges im wahren Sinne der Substanz nur eine einzige Substanzgeben kann [] daszlig uumlberhaupt alle besondern Dinge nur Af-fektionen dieser Substanz oder nur4 bdquoAttribute sind d i Artenund Weisen modi die auf eine bestimmte Weise die AttributeGottes ausdruumlckenldquo5 keine selbstaumlndigen Substanzen oderWesen daszlig bdquoalles was ist nur in Gott ist und ohne Gott nichtgedacht werden kannldquo denn ohne die Begriffe der Ausdehnung

1 Im Ms folgt nicht2 Vgl B Spinoza Epistolae doctorum quorundam virorum ad B D

S hellip In Opera quae supersunt omnia Vol I Ienae 1802Epistola XLI (versio) S 596-597

3 Im Ms folgt gestr goumlttliche4 dieser nur dieser Korr im Ms5 B Spinoza Ethica pars prima a a O S 59

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und des Denkens kann nichts gedacht werden daszlig bdquoGott nichtdie voruumlbergehende transeuns sondern die immanente 811

Ursache d h d[ie] innewohnendeldquo innerliche mit [dem]Wesen der Dinge identische Wirkung ist2 daszlig die Welt daher(der Inbegriff der materiellen oder uumlberhaupt realen Dingeeben weil die Ausdehnung als das Wesen absolut der Dingeeine Eigenschaft der Substanz ist) nicht eine Wirkung desWillens sondern der Notwendigkeit d i des Wesens ist daszlig3

alles was ist als eine Folge des goumlttl[ichen] Wesens [begriffenwird] da dieses Ausdehnung und Denken in sich begreiftebenso4 ausgedehntes als geistiges Wesen ebenso beleibt alsbeseelt ist obgleich in sehr verschiedenen Graden daszlig aberLeib und Seele der Substanz nach identisch sind daszlig beide einund dasselbe Wesen bedeuten und ausdruumlcken welches unterder Form der Ausdehnung oder unter dem Attribut derselbenbetrachtet Leib heiszligt unter dem Attribut des Denkens be-trachtet Geist heiszligt daszlig aber endlich eben weil das Denkenund [die] Ausdehnung nicht durcheinander sondern jedesdurch sich selbst begriffen wird jedes die Substanz selbst istaber in certo genere entis die Seele und ihre Bestimmungenihre Bewegungen Vorstellungen nicht aus der Materie oderder5 Ausdehnung und umgekehrt die Bestimmungen der Aus-dehnung nicht aus der Seele abgeleitet werden duumlrfen die Ma-terie also nicht durch das Denken das Denken oder der Geistnicht durch die Materie bestimmt wird Wille und Verstandnegiert daher Sp[inoza] von der goumlttlichen Substanz aber ernegiert sie nur weil sie ihm ein Negatives Endliches ausdruumlk-ken weil sie ihm nur Modi des Denkens weil sie ihm nur einbeschraumlnktes Denken nicht das uneingeschraumlnkte unendlicheDenken ausdruumlcken das allein Gott zukommen kann und er-hellt auch daszlig Verstand und Wille so wie wir sie haben sowie sie in uns als Individuen erscheinen einem unendlichenWesen nicht zukommen koumlnnen6

1 Am Rande r o Verweis auf X Vorlesung2 B Spinoza Ethica pars prima a a O S 543 daszlig [so auch A] daszlig Ms4 Im Ms folgt gestr als5 der die Korr im Ms6 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 63 ndash Im Ms kein

Absatz

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XI Vorles[ung] [Spinoza Leibniz]1

Die2 Philosophie des Sp[inoza] hat man als das konsequente-ste und vollendetste System des Pantheismus bezeichnet DerAusdruck Pantheism[us] fuumlhrt eine schiefe dem Geiste derPhilosophie widersprechende Vorstellung mit sich ndash eine Vor-stellung die alle diejenig[en] auch mit dem Namen Pantheis-mus verbinden die ihn gebrauchen um damit3 jene Philoso-phie in Miszligkredit zu bringen Dieser Ausdruck fuumlhrt naumlmlichdie Vorstellung mit sich daszlig der Kern des Pantheism[us]4 indem Satze Alles ist eins Gott ist alles enthalten sei und dieVorstellung aller jener absurden Folgerungen die sich weiteran diesem Satze unmittelbar anknuumlpfen die zuletzt [hinfuumlhrt]auf das mir ist alles eins ob ich bin oder bin nicht gut oder

1 So auch A2 Am Rande Die Philosophie des Sp[inoza] ist eine der wichtigsten

Philosophien der neuern Zeit Wer den Spinoza nicht von Grundaus inne [Im Ms folgt gestr hat] oder von ihm nur ein historischeskein lebendiges Wissen hat wer nicht in innigster Gemeinschaft mitihm lebt oder wenigstens gelebt hat der bleibt stets im Anti- 82chambre der Philosophie stehen Wer nie den geistbefreienden undherzerhebenden Gedanken der Einheit gefaszligt und ergriffen hat niedie fixen Unterschiede und Vielfachheiten die sonst die sinnlicheAnschauung und Verstandesreflexion beherrschen in dem kaltenaber gesunden Wasser der spinozistischen Substanz ausgeloumlscht hatder erblickt vor lauter Baumlumen nie den Wald Stehenbleiben kannman nicht bei Sp[inoza] denn die Vernunftidee ist nicht vollstaumlndigin ihm realisiert ndash aber anfangen muszlig man mit ihm wenn man nichtin der Mikrologie befangen bleiben will

Sp[inoza] konnte daher auch von seiner Zeit nicht begriffenwerden Seine Zeit war zu pedantisch zu widerlogisch zu einge-schnuumlrt in den Formeln der Dogmatik Er fand daher nur wenigFreunde s[einer] Philosophie und diese s[ind] in der Literatur [ImMs folgt gestr ja] von keiner Bedeutung aber um so mehr heftigeGegner und Widersacher Erst als die deutsche Literatur eine freieselbstaumlndige universale Tendenz bekam fand Sp[inoza] eine aner-kennende Aufnahme Lessing Herder Jacobi Lichtenberg erfuumlllteer mit Begeisterung und Bewunderung Jacobi obwohl s[einer]Subjektivitaumlt die Substanz widerstand ein fremdes Ungeheuer warerklaumlrte doch s[eine] Philosophie fuumlr d[ie] einzige wirklich wissen-schaftliche

3 Im Ms folgt gestr etwas4 Im Ms folgt gestr sich

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schlecht dumm oder gescheit Tier Pflanze oder Mensch1 aufdas Goethische Ich hab mein Sach auf Nichts gestellt2 Alleinsolche Saumltze wie Alles ist Eins die der Panth[eist] schon solimitiert daszlig er zwischen das Alles und [das Eins] das Ist [als]3

Medium oder den Terminus medius des Wesens hineinstellt82 sind unbestimmte vage Ausdruumlcke Sie sind eigentlichAusdruumlcke des Affekts nicht des Begriffs der Poesie nicht derErkenntnis ndash Ausdruumlcke deren sich der Pantheist nur bedientindem er die Idee in die sinnliche Anschauung versenkt oderdie der Pantheismus nur in s[einer] Kindheit oder im Feuer derJugendkraft aber nicht wenn er in das ernste Mannesalter derPhilosophie getreten ist zur Bezeichnung4 seiner Empfindun-gen anwendet Der Satz Alles ist Eins im Ernste gemeint unddurchgefuumlhrt wuumlrde alle Vernunft alles Denken aufheben undes laumlszligt sich daher im Voraus erwarten daszlig da es5 ernste be-sonnene denkende Maumlnner waren die den Panth[eismus] aus-sprachen sie nicht so ihn fassen6 konnten wie die welche indem Satze Alles ist Eins das7 Raumltsel des Pantheis[mus] geloumlstfinden wollen Eine Grundeigenschaft des Denkens ist Unter-scheiden ja das Naumlchste was sich vom Denken darbietet istdaszlig es Unterscheiden ist wer nicht unterscheidet denkt nichtEs ist daher schon im voraus zu erwarten daszlig Maumlnner diedenken8 und zwar denken9 wie Sp[inoza] dem man wohl nichtdas Praumldikat eines Denkers streitig machen wird [nicht] ein dasDenken das Unterscheiden schlechthin aufhebendes Prinzipals das Erste und Wahre setzen werden es laumlszligt sich sage ichnicht erwarten daszlig sie10 werden unterscheiden um nichts zuunterscheiden d h denken um Nichts zu denken und folglichnicht zu denken denn wo kein Unterschied ist [ist] auch keinObjekt kein Etwas kein Gedanke Denken ndash Denken im stren-gen Sinne in dem in welchem es in der Philosophie gilt ndash laumlszligt 1 Im Ms folgt gestr Allein2 J W v Goethe Vanitas Vanitatum vanitas In Werke Bd I

Tuumlbingen 1806 S 983 [als] das Ms4 zur Bezeichnung zu seiner Korr im Ms5 da es Wesen Korr im Ms6 fassen denken [] Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr Ge[heimnis]8 denken Denker A9 denken Denker A10 Im Ms folgt gestr denken

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sich nichts was nicht zu Denken gibt Der Pantheismus beruhtauf dem Denken ndash die Geschichte schon lehrt es daszlig nur derMensch auf dieses verrufne System verfaumlllt wenn er Denkerwird ndash es muszlig daher notwendig auch in dem Objekte demrealen Prinzip des Panth[eismus] die Natur des Denkens folg-lich der Unterschied da zur Natur des Denkens dieser gehoumlrtenthalten sein Und so ist es denn auch in der Tat Eine Einheitohne Unterschied ist ein Non Ens ein Unding eine Einheit laumlszligtsich nicht denken ohne ein Etwas wovon sie Einheit ist aberein Etwas nicht ohne Unterschied Die Einheit muszlig wesentlicheinen Inhalt haben ndash dieser Inhalt aber ist und kann nichtsandres sein als der Unterschied ndash eine Einheit ohne Inhalt ist =Nichts Eine bloszlige Einheit haumltte kein Interesse keine Bedeu-tung keinen Sinn 831 Denn worin soll das Interesse die Be-deutung liegen wenn nicht in dem was sie vereint So ist auchdie Substanz die Unitas von Leib und Seele Ausdehnung undDenken wie uumlberhaupt von allen nur moumlglichen oder wirkli-chen Realitaumlten Der Pantheism[us] schlieszligt also uumlberhaupt denUnterschied nicht aus ja er erhebt sich nur vermittelst desUnterschieds zum Gedanken der Einheit (der Unterschied istein wesentlicher Begriff in ihm) So unterscheidet Sp[inoza]zwischen der unendlichen unteilbaren Ausdehnung und zwi-schen der endlichen in Teile zerleg- und unterscheidbaren undnur jene macht er zum Praumldikat Gottes Er unterscheidet alsozwischen Unendlich und Endlich Er sagt ferner nicht dieendliche Ausdehnung ist Nichts sondern er sagt nur sie ist dieAusdehnung wie sie in der sinnlichen Vorstellung existiertoder die Ausdehnung nur in ihrer Erscheinung nicht in ihrerWahrheit und Wesenheit2 Er setzt also einen Unterschied zwi-schen Unendlich und Endlich zwischen Wesen und Erschei-nung zwischen Vernunft und Vorstellung oder Einbildungoder Sinnlichkeit3 Der Substanz nach sind die Dinge identischoder vielmehr die Substanz ist ein absolutes Eins das also imMehreren im Vielen im Verschiednen nur Eines sein kann

1 Am Rande ro Verweis auf XI [Vorlesung]2 Vgl B Spinoza Epistolae doctorum quorundam virorum ad B D

S hellip In Opera quae supersunt omnia Vol I Ienae 1802Epistola L (versio) S 634

3 Im Ms folgt gestr Er (setzt nicht nur diesen Unterschied sondernsein System selbst beruht auf diesem Unterschiede) (Er setzt ihnaber nicht so wohl als er ihn vielmehr voraussetzt)

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der Erscheinung nach den Akzidenzen nach aber sind sie un-terschieden Der Pantheism[us] beruht daher auf dem Unter-schied zwischen Substanz und Akzidenz1 Aber damit daszlig ersagt der Unterschied ist die Erscheinung sagt er nicht derUnterschied ist Nichts etwas rein Unreelles er sagt nur er istallerdings2 aber er ist nicht das Sein nicht reines nicht daswahrhafte wesenhafte sondern beschraumlnktes negatives endli-ches Sein ndash ein Sein welches darum nur sein Wesen und seinenGrund nur in der Einheit nicht in sich hat Das Tadelnswerteam Pantheis[mus] des Spinoza3 ist nicht4 daszlig er den Unter-schied zwischen Denken und Ausdehnung5 negiert ndash denn dastut er nicht sondern6 unmittelbar aus der Cartes[ianischen]Philosoph[ie] aufnimmt ndash Spino[za] erzeugt wohl die Einheitaus dem Unterschiede sie resultiert aus dem Gegensatz zwi-schen Geist und Materie aber diesen Unterschied setzt er nochals seiend aus d[er] Cart[esianischen] Philos[ophie] voraus847 Und man hat daher auch dem Sp[inoza] vorgeworfen erstneuerdings wieder wie kommt Sp[inoza] zur Wahrnehmungeiner Vielheit Unterschiedenheit dies kommt nicht auss[einem] Prinzip das hat ihm die Erfahrung aufgedrungenWenn es sich bloszlig um Unterschied um Vielheit handelt so hates keine Schwierigkeit damit Die Substanz das identischeWesen ist8 keine leere abstrakte unterschiedslose Einheit sieist die Fuumllle aller Kraumlfte und Realitaumlten der Born aller Voll-kommenheit das ἓνκαὶπᾶνdas Ein und Alles] das absolut-unendliche Wesen das also auch unendliche Eigenschaften undBestimmungen haben muszlig je mehr Attribute ein Wesen hat 1 Im Ms folgt gestr Er setzt ihn aber die naumlhere eigentuumlmliche Be-

stimmung des Setzens dieses Unterschieds im Pantheism[us] ist ersetzt ihn voraus Es ist ihm eine unmittelbare Gewiszligheit der Unter-schied zwischen Wesen und Erscheinung und von dieser Gewiszligheiterhebt er sich zum Gedanken daszlig ndash Im Ms folgt das Wesen dieEinheit der Unterschied die Erscheinung ist

2 Im Ms folgt gestr Sein3 Im Ms folgt gestr daher4 nicht Im Ms gestr5 zwischen Ausdehnung aufhebt Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr daszlig er ihn verursacht7 Im Ms folgt gestr Der Pantheist reflektiert nicht daruumlber und er-

klaumlrt daher nicht fuumlr den gemeinen Menschenverstand wie das ansich identische Wesen als Vieles Unterschiedenes erscheint

8 Im Ms folgt gestr zwar

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desto mehr Realitaumlt hat es auch1 Der absoluten Substanzkommen daher auch unendliche Attribute zu von denen2 je-doch Spinoza nur zwei Denken und Ausdehnung anfuumlhrt3 undihr beilegt aber diese4 Attribute bringen keinen realen Unter-schied in die Substanz selbst gleichwie Denken und Ausdeh-nung nicht der Substanz nach unterschieden sind es sind nurverschiedene Ausdruumlcke und Formen die eine und dieselbeSache ausdruumlcken ohne im Wesen etwas zu aumlndern5 Die Er-scheinung einer unendlichen Vielheit ist als6 eine Folge von derSubstanz als von der unendlichen Realitaumlt zu begreifen eineunendliche Kraft populaumlr ausgedruumlckt hat auch nicht einebeschraumlnkte sondern unzaumlhlige Kraft-aumluszligerungen Je intensi-ver je reeller je kraumlftiger eine Kraft desto Mehreres bringt sieauch hervor Aber eine andre Frage ist es wie kommt es nundaszlig uns diese7 Kraftaumluszligerungen die nur Affektionen der Attri-bute Variationen und Modifikationen der Grundeigenschaftender unendlichen Substanz sind als wirkliche Dinge oder We-sen als Individuen erscheinen Fuumlr uns sind die an sich imWesen identische Wesen unterschieden besondere selbststaumln-dige fuumlr uns deren Geist nur endliche eingeschraumlnkte Denk-weisen sind befestigt sich das Endliche zur Realitaumlt Aberdiese Antwort loumlst nicht die Frage sie laumlszligt noch allerlei Fragenuumlber8 Denn eben die endlichen Dinge sind fuumlr uns besondereSubstanzen weil9 wir fuumlr uns selbst als solche erscheinen10

Reflektieren wir wieder so ergibt sich die Folgerung daszlig sienur so fuumlr uns sind weil sie fuumlr sich selbst so [sind] daszlig alsodiese Erscheinung selbst im objektiven Wesen der Dinge be-gruumlndet gefunden wird Die Philosophie nun die den Unter-schied der im System des Panth[eismus] nur ein Sein fuumlr uns 1 Vgl B Spinoza Ethica pars prima In Opera quae supersunt

omnia hellip Vol II Ienae 1803 S 412 Im Ms folgt gestr wir3 anfuumlhrt kennen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Unterschiede5 aber diese Attribute etwas zu aumlndern In A am Rande im Ms

Texteinfuumlgung ndash Am Rande Aber gleichwohl reicht dies hin um dieWahrnehmung und solche sind oder [] Text bricht ab

6 als also Korr im Ms7 Im Ms folgt diese8 uumlber uumlber Ms9 Im Ms folgt gestr sie10 erscheinen [so auch A] erscheinen Ms

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ist zu einem Fuumlrsich und Ansichsein erhebt ist die Philosophiedes Leibniz Unterschied ist wohl in der Substanz enthaltenaber es handelt sich auch darum den Unterschied zu 85 reali-sieren oder den Unterschied der Dasein wohl hat bei Spi-noz[a] aber nur das Dasein eines Accidens substantiell zumachen den Unterschied nicht als Erscheinung sondern alsWesen zu fassen

Die Substanz handelt mit Notwendigkeit es liegt in ihremWesen zu wirken Sie wirkt aber sie wirkt nur Akzidenzensie bringt nur Wirkungen hervor die unter ihr sind Modifika-tionen ihrer Attribute oder es sind nur Emanationen sie bringtnicht hervor was ihres Gleichen ist Sp[inoza] sagt wohl dieSubstanz ist causa sui [ihre eigene Ursache] aber dies ist nurein negativer Begriff nur im Unterschied von den endlichenDingen die ein Anderes zur Ursache haben von ihr ange-wandt bdquoUnter Ursache seiner selbst verstehe ich das dessenWesen die Existenz in sich schlieszligt oder dessen Wesen garnicht anders [als] seiend gedacht w[erden] kannldquo1 Ein Wesendessen Sein durch sein bloszliges Wesen schon gegeben oder inihm enthalten ist ist eben ein absolut selbstaumlndiges urspruumlngli-ches Wesen2 Sie ist schlechtweg sie ist was sie ist weil sieist nicht durch sich selbst durch Selbsttaumltigkeit durch die Tat3Ihr Sein ist wohl Tun Wirken aber Wirken eines von sichUnterschiednen das als ein von ihr der absoluten RealitaumltUnterschiednes nur ein Endliches Gesetztes eine unselbst-staumlndige Affektion ist nicht Hervorbringung einer Wirkungdie mit ihr identisch ist Die Substanz unterscheidet sich nichtvon sich selbst setzt sich nicht selbst entgegen sie ist nichtGeist sie ist absolutes ruhiges unveraumlnderliches Sein es fehltihr das Prinzip der Selbsttaumltigkeit4 ihre Taumltigkeit ist eine un-mittelbare Folge ihres Wesens keineswegs ihr Wesen eineWirkung ihrer Taumltigkeit Oder sie wirkt nicht nach Innen nichtauf sich selbst zuruumlck sie bestimmt nicht sich selbst sie wirdzwar nicht von Auszligen bestimmt sie ist frei weil sie nur nachder Notwendigkeit ihres Wesens handelt aber diese Handlun-gen folgen so aus ihr wie aus einer mathematischen Figur ihre

1 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 352 Unter Ursache urspruumlngliches Wesen In A am Rande im Ms

Texteinfuumlgung3 Vgl B Spinoza Ethica pars prima a a O S 38-394 Im Ms folgt gestr sie ist nicht was sie ist durch ihre Taumltigkeit

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Beschaffenheiten folgen Es ist dies uumlberhaupt ein Mangel inder spinoz[istischen] Philos[ophie] daszlig er seine Notwendigkeitstets versinnlicht unter der mathematisch[en] Notwendigkeitund er haumltte nicht zu dieser Vergleichung stets seine Zufluchtnehmen koumlnnen wenn er nicht eine objektive Aumlhnlichkeitzwischen beiden anerkannt haumltte aber eben die Kette der geo-metrischen Notwendigkeit vertraumlgt nicht der feurige Lebens-geist1 die Qualitaumlt unterbricht das Gesetz der Stetigkeit undIdentitaumlt an welcher die Quantitaumlt fortlaumluft 862 Es laumlszligt sichnicht alles mathematisch bestimmen Der mathematische Mit-telpunkt ist nicht der physikalische Es gibt in der Natur keinenvollkommnen Kreis

Das Prinzip der Selbsttaumltigkeit der Selbstbestimmung derindividuellen Lebendigkeit ist es das dem Spinozisch[en] Sy-stem mangelt und dieses Prinzip ist es welches das Wesen derLeibnizschen Philosophie konstituiert An die Stelle der Ruheund Klarheit und Abstraktion der mathematischen Anschauungtritt jetzt die Lebendigkeit und Ruumlhrigkeit der metaphysischenAnschauung Schon die Individualitaumlt der beiden Philosophenstellt die Verschiedenheit ihrer3 Prinzipien dar Spinoza fuumlhrteein stilles abgezognes4 einfoumlrmiges sich immer gleiches Le-ben der Himmel seiner Substanz in der alle Differenzen auf-geloumlst sind war stets in der Seele er war Herr seiner selbst undseiner Leidenschaften man sah ihn nie sehr traurig oder sehrvergnuumlgt kein Gut wonach sonst die Menschen ringen undhaschen hatte fuumlr5 ihn Reiz und Interesse Nur die Erkenntniswar sein houmlchstes und alleiniges Gut Das Ziel des Geistes istdie Erkenntnis der Einheit die er mit der ganzen Natur hatsein houmlchstes Gut die Erkenntnis Gottes6 Nur im Denken imErkennen nicht im aumluszligeren Handeln sind wir frei die absoluteTugend oder Kraft des Geistes ist die Erkenntnis Denn freisind wir wo wir die alleinige Ursache unsrer Handlung[en]sind frei sind nur die Handlungen die mit Notwendigkeit7 aus

1 Kette Lebensgeist geometrische Notwendigkeit ist nicht das

allgemeine Band des Lebens Korr im Ms2 am Rande o l Verweis auf XI V[orlesung]3 ihrer der Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Leben5 fuumlr ihn[] Korr im Ms6 Das Ziel Erkenntnis Gottes In A am Rande im Ms Texteinfuumlgung7 mit Notwendigkeit rein Korr im Ms

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unsrer Natur aus dem Wesen des Geistes allein erfolgen wowir nicht von auszligen bestimmt w[erden] wie in der Leiden-schaft []1 Sein Leben war ein Bild dieses Gedankens Sowenig [s]ein Leben ein zerstreutes veraumlnderliches vielfachesso war auch der Kreis s[einer] Taumltigkeit kein vielfacher Philo-sophie und Mathematik waren s[eine] Hauptbeschaumlftigungenob wir gleich auch eine hebraumlische Grammatik von ihm [ha-ben] Ein bemerkenswerter Umstand ist es auch daszlig er sich mitder Verfertigung optischer Glaumlser beschaumlftigte und s[einen]Unterhalt sich [dadurch] verdiente Und wahrlich nur das Amteines Glasschleifers paszligt auch ganz fuumlr einen Mann dessenAufgabe2 s[eines] Lebens klare und gewisse Einsicht war Nuraus einem solchen Charakter3 und aus einem4 so einfachenleidenschaftslosen klaren 875 nuumlchternen in sich geschloss-nen beschaulichen Leben konnte eine solche philosophischeAnschauung entspringen wie Spinoza oder umgekehrt (undzwar dieser Weg ist ebenso richtig6) nur aus einer solchenAnschauung aus der Anschauung Gottes als eines rein objekti-ven von allen anthropomorphist[isch]en oder menschlich[en]Bestimmungen und Affektionen gereinigten nur nach innrerNotwendigkeit handelnden Wesens konnte ein solches Lebenein solcher Charakter entspringen sein Leben s[eine] geistigeIndividualitaumlt ist nur das reflektierte Licht der milde Wider-schein von dem Sonnenlichte der Substanz s[einer] Phi-los[ophie] die er uns in s[einen] Schriften hinterlassen hat undin der er jetzt noch ist und lebt denn nur das ist die wahreSeele des Menschen was er als sein Houmlchstes und Bestes er-kennt verehrt und liebt ndash der objektive Gehalt des Menschen

Ganz anders erscheint Leibniz Die Philosophie Sp[inoza]sberuht auf der einfachen aber doch so tiefen und in ihren Fol-gen so fruchtbaren Idee daszlig nur Ein dem Wesen und Sein nachwahrhaft selbststaumlndiges Wesen oder Substanz existiert unddiese eine Substanz Gott ist Die Leibniz[sche] Philosophie dieMonadenlehre ist im allgemeinen nichts weiter als die Unter-

1 in der Leidenschaft [] im Handeln Korr im Ms2 dessen Aufgabe der nur klar Korr im Ms3 Im Ms folgt und Leben4 einem seinem Korr im Ms5 Am Rande o r Verweis auf XI Vorles[ung]6 richtig richtiger Ms

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scheidung oder Aufloumlsung dieser einen Substanz in unzaumlhlige1

Diminutiva von Substanzen die uumlbrigens nur dem Grade nichtdem Wesen nach von einander unterschieden sind nichts alseine Zerstreuung des an sich einfachen Lichtes der Substanz indie Farben tausendfaumlltiger kleiner Einheiten oder Goumltter SeinSystem ist kein Sonnensystem sondern eine Milchstraszlige herr-licher glaumlnzender Welten eine Welt in der alle Wesen []2

Diesem polytheistischen Prinzipe seiner Philosophie entsprichtaber nun ganz das unruhige Feuer die Lebendigkeit und Be-weglichkeit die Gewandtheit und Elastizitaumlt s[eines] Geistesund Charakters seine immense Polyhistorie die Zerstreutheitund die buntfaumlrbige Mannigfaltigkeit und unglaubliche Viel-seitigkeit seiner wissenschaftl[ichen] Taumltigkeit wie seinerLebensbeziehungen Keine Wissenschaft ja kein Zweig einerWiss[enschaft] war es woran er nicht taumltigen schaffenden An-teil nahm Mathematik 883 Physik Mechanik Botanik Me-dizin Geographie Theologie Jurisprudenz Philologie Lingui-stik4 Historie ndash alles umfaszligt sein universaler Geist Er war eineigentliches Perpetuum mobile seine Taumltigkeit rastlos Als ernoch von der Gicht befallen war ging er nie zu Bette als spaumltnach Mitternacht ja oumlfters schlief er mit der Feder nur aufs[einem] Arbeitsstuhl Ja man ruumlhmt ihm nach daszlig er ununter-brochen fortstudierte und oft ganze Monate gar nicht oder nurauf Augenblicke von s[einem] Stuhl wegging Er exzerpierteunermeszliglich aber war sehr5 gluumlcklich nie mehr was er einmalaufgeschrieben nachlesen zu muumlssen er hatte es nicht demPapier sondern s[einem] Kopfe anvertraut Er fuumlhrte einenauszligerordentlich groszligen Briefwechsel er stand fast mit allenGelehrten Europas und selbst andern beruumlhmten Maumlnnern inVerbindung nahm an ihren Plaumlnen und Arbeiten Anteil er-munterte sie und gab ihnen selbst Gesichtspunkte an die HandSo vielseitig wie s[eine] wissensch[aftliche] Taumltigkeit warauch seine Konversation Er [diskutierte]6 mit Leuten aller Artund aus allen Staumlnden mit Hofleuten Bauern Handwerkern

1 Im Ms folgt gestr Sub2 Satz bricht ab ndash Sein System alle Wesen In A am Rande im Ms

Texteinfuumlgung3 Im Ms folgt Mathematik4 Im Ms folgt gestr Anhaumlu5 Im Ms folgt unleserl Wort6 [diskutierte] discutirte [] A im Ms unleserl Einfuumlgung

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Soldaten Dieser sein universaler Geist war es auch der denLeib[niz] alles in seinem gehoumlrigen Maszlige anerkennen undschaumltzen lieszlig Und hierin kann er als wahres Muster aufgestelltwerden Bei widerstreitenden Behauptungen und Meinungenmachte er stets den Vermittler Alles wuszligte er so lange zu dre-hen und wenden bis er ihm eine gute Seite abgewann bdquoIchverachte fast nichtsldquo (sagte er in einem Brief an Bourguet1)bdquo(ausgenommen die willkuumlrliche Astrologie und andere truumlge-rische Wissenschaft) Ich verachte selbst nicht die Mystikerdenn auch ihren verworrnen bilderreichen Gedanken kann mannoch eine gute Seite abgewinnenldquo2 bdquoNiemand ist wenigertadelsuumlchtig als ich Das meiste was ich lese billige ich undgefaumlllt mir Denn da ich weiszlig wie verschieden alle Dinge be-trachtet und aufgefaszligt w[erden] koumlnnen so finde ich immerwaumlhrend des Lesens Entschuldigungen und Entschuldigungs-gruumlnde fuumlr d[en] Schriftstellerldquo3

89 Nicht zu leugnen ist es indes daszlig eine solche allgemeineAnerkennung der Philosophie indem er zu vielerlei in ihr ver-knuumlpfen und miteinander vermitteln wollte selbst einenschwankenden unbestimmten inkonsequenten Charakter gabund daszlig die Vielseitigkeit und Zerstreutheit s[einer] wis-sensch[aftlichen] Taumltigkeit uumlber die Le[ibniz] selbst haumlufig inseinen Briefen klagte seiner metaphysischen Taumltigkeit nurnachteilig sein konnte Seine philosophischen Ideen sind daherzerstreut in einer Menge kleiner Aufsaumltze Briefe gelegentli-cher Aufsaumltze daher das Studium s[einer] Philos[ophie] schonaus diesem aumluszligerlichen Grunde mit Peinlichkeit und Muumlhselig-keit verbunden ist Ein Zeugnis seiner Groumlszlige und der Gedie-genheit seines Geistes und philosophischen Talents ist es aberdaszlig er ungeachtet der Zerstreutheit und Vielartigkeit s[einer]Taumltigkeit und Beschaumlftigung mit realen Wissenschaften die beiden meisten Gelehrten ihren Sinn fuumlr metaphys[ische] Ideenabstumpften ja mit Hochmut und Eitelkeit erfuumlllen so daszligihnen die Philos[ophie] eine unreale Wiss[enschaft] w[ird]doch nie die Metaphysik aus dem Auge verlor sie stets fuumlr die

1 Bourguet Burnet Ms A2 Vgl G W Leibniz Epistolae ad D Bourguet In G G Leibnitii

Opera Omnia hellip Tom VI Pars I Genevae 1768 Epistola IV S211

3 Vgl G W Leibniz Epistolae ad V Placii In G G LeibnitiiOpera Omnia hellip a a O Epistola 48 S 64

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houmlchste und wichtigste Wissenschaft hielt Dieser Punkt fuumlhrtuns nun sogleich zur Einleitung in die Philosophie bdquoSchon alsKnabe studierte ich den Aristoteles und selbst die Scholastikerschreckten mich nicht ab und ich aumlrgre mich heute noch nichtdaruumlber Aber auch Plato und Plotin gaben1 mir damals einigeBefriedigung zu geschweigen die uumlbrigen Alten die ich umRat frug Nachdem ich die Schule verlassen kam ich uumlber dieneuern Schriftsteller und ich erinnre mich noch daszlig2 ich einsteinen einsamen Spaziergang in einem Waumlldchen bei Leipziggenannt Rosenthal machte damals 15 Jahre alt um mich dar-uumlber zu beraten ob ich die substantiellen Formen beibehaltensollte Endlich bekam der Mechanismus die Oberhand und ichwarf mich auf die Mathematik In die tiefern mathemat[ischen]Untersuch[ungen] kam ich erst hinein nachdem ich mit Huy-gens in Paris verkehrt hatte Aber als ich die letzten Gruumlnde lesdernieres raisons des 90 Mechanismus und der Gesetze derBewegung selbst untersuchte wie war ich da erstaunt als ichentdeckte daszlig es unmoumlglich sei sie in der Mathematik zu fin-den und daszlig man zur Metaphysik seine Zuflucht nehmenmuszligte als ich mich uumlberzeugte daszlig die Quelle des Mechanis-mus in der Metaphysik enthalten istldquo3

1 gaben Unleserl Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr als3 Vgl G W Leibniz Lettres agrave MM Remond de Montmort In G G

Leibnitii Opera Omnia hellip Tom V a a O Lettre 1 S 9-10

125

[XII Vorlesung]1 [Leibniz]2

340 Dem sp[inozischen] S[ystem] mangelt also d[as]Prinz[ip] der Realitaumlt des Unterschieds Wir haben also in ihmzwei Universalpraumldikate oder Attribute der Substanz ndash Denkenund Ausdehnung Er nimmt diese Attribute aus der car-tes[ischen] Philosophie auf Er deduziert sie nicht Er unter-scheidet sich aber dadurch streng von C[artesius] daszlig er nichtbeide als besondere Substanzen faszligt sondern als Eigenschafteneines und desselben Wesens Beide sind nur der Art nach un-terschieden aber nicht dem Wesen nach Das Genus sozusa-gen die Gattung3 die beide als Arten unter sich begreift ist dieSubstanz oder beide sind Formen die eine und dieselbe Sacheausdruumlcken aber in verschiedener Art die eine in ausgedehnterWeise die andere in denkender Weise Man kann sich das sodenken Eine Erkenntnis eine Wahrheit kann ich auf unter-schiedliche Weise ausdruumlcken Einmal als Bild wie4 ein Ge-maumllde fuumlr die Pinakothek das mir eine Gestalt ein Koumlrperli-ches etwas Ausgedehntes vorstellt das andre Mal als Gedan-ke ein wahres treues Bild gibt den Gedanken rein wieder ohneetwas beizumischen ohne ihn zu veraumlndern es ist nichts andresals der Gedanke in sinnlicher Anschauung das Bild und derGedanke jenes ein Ausgedehntes dieses ein Einfaches stellenmir also Ein und Dasselbe5 vor nur in unterschiedner Weisebeide sind der Substanz nach Eins Es ist ein formeller Unter-schied D[enken] und A[usdehnung] sind Synonyma nur daszligdas eine denselben Begriff sinnlich das andere unsinnlichauffaszligt und darstellt

1 Im Ms steht die Uumlberschrift Nachtrag zur XI V[orlesung] in der

XII Vorles[ung] Der folgende Text schlieszligt unmittelbar an ndash Demsp[inozischen]hellip selber zwischen Vgl W Schuffenhauer Aut Deusndash Aut Natura Zu Ludwig Feuerbachs Spinoza- und Leibnizbild InLo Spinozismo ieri e oggi Archivio di Filosofia dir da Marco MOlivetti Roma 1978 Anhang S 290-291 In B unter dem TitelLudwig Feuerbach Uumlber das spinozische System Nachtrag zur XIVorlesung u XII Vorles[ung] Nachtrag in A nicht vorhanden

2 So auch A3 Gattung Gattung B4 wie als B5 Ein und Dasselbe einu[nd]dasselbe B

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341 Wir haben also in der Substanz Unterschied aber for-mellen Die Substanz ist an sich gleichguumlltig indifferent dage-gen ob sie als Ausd[e]h[nung] oder Denken gefaszligt wird siebleibt immer dieselbe sie mag in dieser oder jener Form vor-gestellt und ausgedruumlckt w[erden] gleichwie eine gediegenewesenhafte Wahrheit in den unterschiedensten Formen ausge-druumlckt w[erden] kann ohne dadurch veraumlndert zu werden Esgehoumlrt zu ihrem Wesen der verschiedenartigsten Ausdrucks-weisen faumlhig zu sein eben wie sie1 indifferent gegen den Un-terschied ist sie kann in diese unterschiedensten Formen ge-faszligt ohne dadurch in ihrem Texte veraumlndert zu werden Einbeschraumlnkter Gedanke ist an diese oder jene beschraumlnkte Formgebunden und in sie gebannt ich kann ihn nicht verschieden-artig ausdruumlcken Es ist daher insofern ganz falsch wenn mansagt daszlig Sp[inoza] von Unterschieden rede sei ganz gegensein Prinzip ndash denn sein Prinz[ip] ist kein abstraktes keinbeschraumlnktes sondern die absolute unendliche Macht undWesenheit die daher dadurch ihre Unendlichkeit beweist daszligsie in alle Sprachformen uumlbersetzt werden kann ohne dadurchin ihrem Text sich zu veraumlndern Der Inhalt bleibt derselbe dumagst ihn nun in der abstrakten Sprache des Okzidentalen oderin der sinnlichen Sprache des Orientalen lesen Offenbar istaber eine solche Faumlhigkeit sich in die unterschiedenstenForm[en] zu fuumlgen ein Zeichen von der Universalitaumlt Gedie-genheit und Substantialitaumlt des Gedankens

Der zweite Unterschied in der spinoz[ischen] Philos[ophie]ist der Unterschied zwischen Attribut2 und dessen Modifikatio-nen3 selber4 zwischen5 916 Unendlichem und Endlichemoder Substanz und Akzidenz denn das Attribut ist im Verhaumllt-nis zu s[einen] Modifikationen das Unendliche die SubstanzDas Dreieck z B hat zu seiner Grundlage zu s[einer] Substanzdie Ausdehnung die ein Attribut der goumlttlichen Substanz istdas Dreieck7 ist eine endliche eine beschraumlnkte eine be-stimmte Art der Ausdehnung d h also eine Modifikation der-

1 eben sie Ebenso wie die Form B2 Im Ms folgt gestr oder3 Modifikationen Modifikationen B4 selber oder B5 Ende des Nachtrags vgl Fuszlignote zur Uumlberschrift6 Am Rande r o XII V[orlesung] A [XII Vorlesung] [Leibniz]7 Dreieck Δ Ms

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selben denn die Ausdehnung ist noch unzaumlhliger andrer For-men und Arten faumlhig1 Die Ausdehnung ist daher das Attribut[der] Substanz2 das Dreieck das Akzidenz Denn das Dreieck3

kann als eine bloszlige Art und Weise der Ausdehnung weder seinnoch gedacht w[erden] ohne die Ausdehnung es ist nur in derIdee der Ausdehnung sie ist und besteht nicht in sich sondernnur in der Ausdehnung sie ist nicht Selbst- nicht Fuumlrsichsein ndashsie ist nur eine Weise wie die Ausdehnung ist Was nun hiervon dem Dreieck4 beispielsweise gesagt wurde gilt von allenbesondern Dingen Die5 Dinge sind ndash jedoch nach verschiednenGraden groumlszligerer und geringerer Realitaumlt ndash Akzidenzen derSubstanz Und auf diesem Unterschied beruht der PantheismusKein Geist war mehr bemuumlht das Unendliche vom Endlichenzu unterscheiden keiner hat auch so scharfe Unterschiedegegeben wie Sp[inoza] So unterscheidet er dadurch die Sub-stanz wie wir sahen von den andern Dingen daszlig sie nur insich ist und durch sich gefaszligt w[erden] koumlnne die andern Din-ge dagegen nur in einem Andern sind eben darum keine Ressondern Modif[ikationen] daszlig die Substanz das Wesen istwelches gar nicht anders denn als seiend gedacht w[erden]kann das Endliche dagegen gedacht w[erden] kann ohne zuexistieren Aber ndash und hier kommen wir daher auf einen Man-gel und die Bedingung zu einer weitern Entwicklung in derPhilosophie ndash das von der Substanz Unterschiedne ist nur alsAkzidenz nur als Modifikation nur als ein Endliches Einge-schraumlnktes Negatives bestimmt und gefaszligt Warum soll aberdas absolute Wesen nur Wesenloses erzeugen Warum dasUnendliche nur Endliches Das Unendliche kann wie Brunosagte 92 nur Unendliches hervorbringen das Positive nurPositives6 Warum soll die Substanz nicht Substanzen zeugen 1 Am Rande Die Substanz ist nicht im Unterschied sich selbst gleich

er ist nicht sie selbst der Unterschied ist nur im Unterschied vonder Substanz gesetzt der Unterschied ist nur [nur keine Korr imMs] Wirkung nicht Objekt der Substanz nur als unter ihr in ihr

2 Die Substanz Das Attribut der Ausdehnung ist daher SubstanzKorr im Ms

3 Dreieck Δ Ms4 Dreieck Δ Ms5 Im Ms folgt gestr materiellen6 Vgl F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno von Nola Beylage I zu

den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza In Friedrich Heinrich Ja-cobirsquos Werke 4 Bd 2 Abth Leipzig 1819 S 35-37

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Warum nicht was ihres Wesens und Gleichen Wenden wirdas Verhaumlltnis des Ganzen und der Teile obwohl dieses Ver-haumlltnis nur ungeschickte Vorstellungen mit sich fuumlhrt auf dieSubstanz an und sagen die1 Substanz ist das Ganze die beson-dern Dinge die Modifikation[en] sind die Teile derselbengleichwie z B aber nur bildlich das Dreieck2 ein homoumlopathi-sches Teilchen der unendlichen Ausdehnung genannt w[erden]koumlnnte so fragen wir aber nicht im Namen des Leibniz denSpinoza Warum sollen und koumlnnen denn nicht die Teile desUnendlichen selbst Ganze selbst Totalitaumlten sein Warumsollten sich denn nicht mit dem Begriffe der3 Substanz auchendliche Substanzen vertragen Warum sollte nicht das was imUnendlichen ist zugleich in sich sein koumlnnen so gut als derTeil in unserm Koumlrper ein Organismus im Organismus istbegabt mit eignem Leben mit eignen Gefaumlszligen

Das Unterschiedne von der Substanz muszlig daher nicht alsbloszliger Unterschied sondern als Unterschiedenes oder es muszlignicht bloszlig im Unterschiede von der Subst[anz] und darum alsetwas an sich Unreelles Endliches sondern in der Einheit mitder Substanz begriffen4 werden Oder Der Unterschied der inSpinoza nur ein Praumldikat ist ein Adjektivum muszlig zum Sub-jekt zu5 einem Substantiv erhoben werden Gestern w[urde]der Unterschied so gemacht daszlig gesagt6 wurde Der Unter-schied habe wohl Dasein aber keine Realitaumlt Die Philosophennaumlmlich unterscheiden Dasein bedeutet ein aumluszligerlichesgleichguumlltiges wertloses Sein Realitaumlt das Gegenteil DerUnterschied ist nur fuumlr uns eingeschraumlnkte Denkweisen einSubjekt eine fixe Realitaumlt aber dieses Sein fuumlr uns dieses nurrelative Sein muszlig als Ansichsein oder Fuumlrsichsein = reellesselbststaumlndiges Sein begriffen w[erden]

In den Fragen die wir eben an Sp[inoza] stellten suchten wirim Uumlbergange zu Leib[niz] beide Philosophien miteinander zuvermitteln Aber in der Geschichte der Philosophie spricht sichdas naumlchst[]7

1 die das Korr im Ms2 Dreieck Δ Ms3 Im Ms folgt gestr unendlichen4 begriffen Unleserl Korr im Ms5 zu zum Korr im Ms6 daszlig gesagt [so auch A] daszlig ich sagt Ms7 Der Text bricht ab

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931 lasse sich wohl aus dem Gesagten Alles was sich be-wegt bewegt sich immerfort wenn nicht ein aumluszligerliches Hin-dernis in den Weg trete erklaumlren aber nicht die jaumlhrliche in-dem sie in der Sonnennaumlhe wieder umkehre Er behauptet da-her auch daszlig alle Substanzen drei urspruumlngl[iche] VermoumlgenVorstellung Trieb und Bewegung in sich haumltten Man hat des-wegen auch die Vermut[ung] aufgestellt daszlig Leib[niz] ausdiesem seltnen wenig bekannten Buch seine Ideen geschoumlpfthabe2 Allein ungeachtet3 einer Aumlhnlichkeit in der allgemeinenTendenz und selbst in vielen einzelnen Individu[alitaumlten] sosind doch die Leibniz[schen] Prinzip[ien] ganz spezifisch4eigentuumlmlich bestimmt Uumlberdies hat Glisson nur die Ideen desCampanella den er auch nennt weiter begruumlndet limitiert undausgefuumlhrt und L[eibniz] haumltte sie daher aus dem C[ampanella]selbst den er kennt und oumlfters anfuumlhrt schoumlpfen koumlnnen waumlh-rend der Name Glisson gar nicht oder nur houmlchst selten vor-kommt Erst in Leib[niz] aber konzentrierte sich dieser Gegen-satz gegen die nur mechanische oder mathem[atische] An-schauung der Natur den die genannten Maumlnner un- oder nurhalbphilosophisch aussprachen zu einem gediegenen philoso-phischen Prinzip

Die Substanz ist nur Kraft Selbsttaumltigkeit bdquoaller Substanzsei sie nun geistige oder koumlrperliche eine Kraft der Taumltigkeit5

[wohnt] inne ein nimmer ruhendes Prinzip der Taumltigkeitldquo 6bdquoInder Natur der Koumlrper muszlig man daher auszliger der Groumlszlige und derVeraumlnderung der Groumlszlige und der Lage d h auszliger den Begrif-fen der bloszligen Geometrie einen houmlhern Begriff [einfuumlhren]dies ist der Begriff der Kraft durch welche die Koumlrper handeln 1 Am Rande r o Verweis auf XII Vorlesung2 Vgl F Glisson Tractatus De Natura Substantiae Energetica Lon-

dini 16723 Im Ms folgt gestr der4 Im Ms folgt gestr verschieden5 Im Ms folgt gestr ein6 Vgl G W Leibniz Nouveaux Essais sur lrsquoentendement humain In

Œuvres Philosophiques latines hellip Ed R E Raspe Amsterdam ndashLeipzig 1765 Avant-Propos S 20 Vgl Ebenda Liv II Chap XXIsect 72 S 169 Vgl G W Leibniz Epistolae ad D Bourguet In GG Leibnitii Opera Omnia hellip Tom VI Pars I Genevae 1768 Epi-stola V S 215 Vgl G W Leibniz Essais de Theacuteodiceacutee sur labonteacute de Dieu la liberteacute de lrsquohomme et lrsquoorigine du mal P III Am-sterdam 1710 sect 393 S 592-593 Vgl GW 3 S 33-37

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und Widerstand leisten koumlnnenldquo1 Lettre agrave M Pellisson2bdquoWenngleich ein Phaumlnomen der Natur z B die Schwere oderElastizitaumlt mechanisch erklaumlrt werden kann und z B aus derBewegung abgeleitet w[erden] muszlig so ist doch der letzteGrund der Bewegung in der Materie die jedem Koumlrper inwoh-nende Kraft Emend prim Philos3 bdquoDie Prinzipien der Me-chanik und der Gesetze der Bewegung liegen daher auszliger derMathematik und Mechanik sie sind in einem Begriffe enthal-ten der vor das Forum der Metaphysik gehoumlrt in dem derKraftldquo4

1 Vgl G W Leibniz Lettres de M Leibniz et de M Pelisson De la

toleacuterance et des diffeacuterens de la Religion hellip In G G LeibnitiiOpera Omnia hellip Tom I a a O S 719

2 Pellisson Pelsson A3 Vgl G W Leibniz De Primae Philosophiae Emendationes et de

Notione Substantiae In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom IIPars I a a O S 20

4 Vgl G W Leibniz Systegraveme nouveau de la nature et de la communi-cation des substances hellip In G G Leibnitii Opera Omnia hellip TomII Pars I a a O S 49-50 ndash Im Ms schlieszligt die XIII Vorlesungohne Absatz an

131

XIII Vorles[ung]1 [Leibniz]2

Was ist nun aber die Kraft die Leibniz hier aufstellt NichtsAusgedehntes Teilbares Zusammengesetztes Vielfachesnichts Mechanisches nichts Materielles denn eben daruumlbersind wir hinausgegangen indem die bloszlig materiellen Prinzipi-en zur Erkenntnis und Erklaumlrung der Phaumlnomene nicht hin-reichten 943 Die Kraft ist daher ein Einfaches Unteilbaresein metaphysisches (nicht physikalisches) spirituelles PrinzipWir haben daher in der Koumlrperwelt ein geistiges Prinzip selbstzu erkennen Die koumlrperliche Substanz ist nur Substanz durch4

dieses einfache geistige Prinzip Die Substanz ist identisch mitRealitaumlt Wesenhaftigkeit Nur was Substanz ist ist reell DasZusammengesetzte Ausgedehnte Koumlrperliche als solche[s] istaber nicht Substanz denn Substanz ist nur das Wirkende Taumlti-ge die Kraft Das Reale Wesenhafte in den Koumlrpern ist dahernicht das Vielfache sondern das Einfache nicht das Teilbaresondern das Atomon das Non-Dividendum [Nicht-Teilbare]das In-Dividuum [Unteilbare] ndash das Reale das Wesenhafte istaber das was besteht was Bestand hat die Koumlrper haben daherin dem Einfachen ihr5 Bestehen ihren Halt ihren Grund ihrWesen ihre Realitaumlt bdquoDas Zusammengesetzteldquo sagt Leibnizbdquosetzt das Einfache voraus denn ohne einfache kann es keine 1 Am Rande r u Verweis auf XIII Vorles[ung]2 So auch A3 Am Rande l o Verweis auf XIII [Vorlesung] ndash Am Rande r o

Verweis auf Paginierung S 464 Vielfaches durch sondern das Entgegenges[etzte] also ein Ein-

faches Unteilbares Metaphysisches Spirituelles Das MaterielleMechanische setzt einen houmlhern Begriff hervor als diesen fand erden der Kraft 94 Das Materielle Mechanische ist aber ein Vielfa-ches Zus[ammen]gesetztes Teilbares indem aber das Materielledie Kraft voraussetzt als Prinzip so setzt es also ein Einfaches vor-aus als sein Prinzip uumlberhaupt Die Vielheit kann nur haben ihreRealitaumlt in der Einheit Sie kann nicht fuumlr sich und durch sich beste-hen die Vielheit hat nur in der Einheit ihr Bestehen bdquoOhne einfa-che Substanzen kann es keine zusammengesetzten gebenldquo [Vgl GW Leibniz Principia Philosophiae seu Theses in Gratiam hellip In GG Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I Genevae 1768 Nr 1S 20] ndash Der Koumlrper ist zus[ammen]gesetzt das Prinzip der Koumlrperist daher die einfache Substanz Und diese ist es was wir vorherKraft nannten Korr im Ms ndash Im Ms folgt durch

5 dem ihr der Kraft das Korr im Ms

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zusammengesetzten Substanzen d i keine Koumlrper gebenldquo1 Nurdie Einheit haumllt die Vielheit nur die einfache Kraft das Teilba-re2 nur der Geist den Koumlrper zusammen daszlig er nicht haltungs-und einheitslos ins Nichts sich zerstaumlubt Die Koumlrper sind dahernicht eigentlich Substanzen sondern nichts andres als Zusam-mensetzungen als Aggregate von3 Substanzen die einfache4unteilbare spirituelle Kraumlfte sind oder die Koumlrper bestehen auseinfachen Substanzen oder Elementen Diese einfachen Sub-stanzen nennt nun L[eibniz] Monaden Diese einfachen Ele-mente der Koumlrperwelt nennt nun L[eibniz] mit unterschiedenenNamen veras et reales unitates atomes de substance im Unter-schiede gegen die atomes de matiegravere points metaphysiquesFormas substantiales Vires primitivas Entelecheias primas[wahre und reale Einheiten Substanzteilchen Materieteilchenmetaphysische Punkte substantiale Formen primitive Kraumlftedie urspruumlnglichen Entelechien] auch Atomes formels Atomeder Form nach nicht der Masse er nennt sie ferner Seelen oderdoch den Seelen analoge Wesen

Populaumlr ausgedruumlckt ist also der Hauptsinn der LeibnizschenPhilosophie Nur die Kraft ist Sein Alles was existiert wasreal ist ist Kraft Was keine Kraft ist oder hat ist Nichts DieKraft 955 ist aber ein unmaterielles Wesen sie ist Seele Nurdie Seele ist Sein Realitaumlt Was keine Seele hat oder ist istNichts Nur die Seele ist das Wesen des Koumlrpers oder der Koumlr-per ist eine Realitaumlt Wesen Substanz nur durch die Seeledenn nur durch die Seele ist er eine Einheit ndash ja die Seele istdiese Einheit selbst ndash und ohne Einheit waumlre er ein sich Zer-streuendes Zerfahrendes in Nichts Aufloumlsendes Dissoluteskoumlnnte er keinen Widerstand keinen Druck keine Kraft aumlu-szligern denn wo Widerstand ist Kraft wo Kraft aber Seele waumlreer ein dissolutes wehrloses selbstloses sich gegen nichts and-res behauptendes Wesen was doch jede koumlrperliche Substanzist Toute la Nature sagt daher der Leibniz est pleine de vie

1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 1-2 S

202 das Teilbare den Koumlrper zusamm[en] Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr diesen4 Im Ms folgt gestr sind5 Am Rande r o Verweis auf XIII Vorles[ung] ndash Am Rande r o

Verweis auf Paginierung S 47

133

[die ganze Natur ist voller Leben]1 Alles ist daher plena ani-marum vel analogarum naturarum [voller Lebewesen oderverwandter Naturen]2 bdquoUnser Geist oder Seele hat die Kraftimmanente Aktionen d h Handlungen die untruumlglich unsresind nur von uns selbst kommen wie es die Gedanken undWillensbestimmungen sind hervorzubringen aber diese Kraftmuszlig man nicht nur der menschl[ichen] Kraft zuschreibensondern als eine allgemeine allen Substanzen zukommendeKraft anerkennen man muumlszligte denn3 der Meinung sein daszlig dasPrinzip immanenter oder lebendiger Handlungen allein mitdem Intellectus dem Verstande verbunden sei was aber nichtrichtig istldquo4 bdquoEs waumlre ganz im Widerspruch mit der Vernunftder Schoumlnheit und Ordnung der Natur wenn ein lebendigesund immanentes Taumltigkeitsprinzip vitale aliquid seu imma-nente agens nur in einem geringen Teil der Materie waumlre da esdoch offenbar zur groumlszligeren Vollkommenheit gehoumlrt daszlig es injedem Teile der Materie ist und nichts im Wege steht daszlignicht uumlberall Seelen oder doch den Seelen analoge Wesen exi-stierenldquo5 Um dies zu begreifen muszlig man nur nicht wie dieCartes[ianer] mit dem Begriffe des denkenden Bewuszligtseinsder klaren und deutlichen Vorstellung den Begriff der Seeleidentifizieren oder das Dasein einer Seele nur von dem Daseindes Bewuszligtseins abhaumlngig machen Zur Seele gehoumlrt6 nichtnotwendig Wille und Bewuszligtsein 96 zur Seele gehoumlrt nichtsandres als Spontaneitaumlt Auch in unsrer Seele gibt es bewuszligtlo-se Zustaumlnde gibt es dunkle verworrne Vorstellungen die abernicht weniger obgleich sie fuumlr uns nur als Passionen als Lei-den erscheinen in der Selbsttaumltigkeit der Seele ihren Ursprunghaben Und nach Analogie dieses bewuszligtlosen dunklen ver- 1 Vgl G W Leibniz Principes de la Nature et de la Gracircce fondeacutes en

Raison In G W Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I a aO S 32

2 G W Leibniz Meditationes observationes et crises hellip In OtiumHanoveranum sive Miscellanea Leibnitii Lipsiae 1718 Nr CS 189

3 Im Ms folgt gestr allein4 Vgl G W Leibniz De ipsa natura sive de vi insita actionibus

creaturarum pro dynamicis suis confirmandis illustramdisque InActa eruditorum anno 1698 publicata N IX Lipsiae 1698 sect 10S 433 und sect 12 S 436

5 Vgl Ebenda sect 12 S 4366 Zur Seele gehoumlrt Die Seele ist auch Korr im Ms

134

worrnen Lebens in unsrer Seele1 muumlssen wir die Seele uumlber-haupt die Monade denken wie sie nicht bloszlig in uns sondernauch auszliger uns in den koumlrperlichen Dingen existiert die Sub-stanz der Natur ist

Die Natur der Dinge besteht also nicht in der Materie in derGroumlszlige der Gestalt sondern in der Monade Alles was ist undbesteht ist eine Monade eine eigentuumlmliche individuelleselbsttaumltige Substanz In die Monade kann daher von auszligennichts eindringen Sie kann daher durch etwas Aumluszligres nichtveraumlndert werden Die Monaden haben keine Fenster durch dieetwas hinein oder herausgehen kann Wie entspringt nun aberVeraumlnderung in der Welt bdquoDie Monaden sind zwar einfachaber sie haben doch Qualitaumlten sonst waumlren sie keine WesenEntia Ja es ist notwendig daszlig jede Monade sich von jederandern unterscheide Denn es gibt nimmermehr in der Naturzwei sich vollkommen gleiche Wesen an denen eine innereVerschiedenheit aufzuzeigen unmoumlglich waumlreldquo2 Da nun dieMonaden keine Gestalt haben ndash sonst haumltten sie Teile ndash so kanneine Monade an sich betrachtet nur durch innerliche Qualitaumltenund Wirkungen sich von einer andern M[onade] unterscheidenbdquoUnd es darf uns nicht befremden daszlig die Monaden ungeach-tet ihrer Unteilbarkeit eine Mannigfaltigkeit in sich enthaltenDie Einfachheit der Substanz schlieszligt keineswegs die Vielfach-heit der Modifikationen aus die sich zusammen in eben diesereinfachen Substanz vorfinden muumlssen gleichwie in einemZentrum oder Mittelpunkt so einfach er ist eine unendlicheMenge von Winkeln ist welche die in ihm zusammenlaufen-den Linien bildenldquo3 bdquoDie natuumlrlichen Veraumlnderungen kommendaher aus einem innern Prinzip weil keine aumluszligere Ursache inihr Innres eindringen kann uumlberhaupt nur die Vis die Kraftdas Prinzip der Veraumlnderungen istldquo4 bdquoAlle einfachen Substan-zen kann man Entelechien nennen denn sie haben in sich einegewisse Vollkommenheit ἔχουσι τὸ ἐντελές 975 sie haben insich eine gewisse Selbstgenuumlgsamkeit αὐτάρκεια vermoumlge

1 in Seele unseres Lebens Korr im Ms2 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 8-9 S

213 Vgl G W Leibniz Principes de la Nature hellip a a O S 324 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 11 S

215 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 48

135

welcher sie die Quellen ihrer innern Aktionen sind wie auto-mata incorporea [koumlrpereigene Automaten]ldquo1 Was sind abernun diese Qualitaumlten der Monade ohne welche eine Veraumlnde-rung unmoumlglich waumlre Was sind diese Unterschiede derM[onade] wodurch sie eine so oder so beschaffne ist einebestimmte ist im Unterschied von einer andern M[onade] DieBeschaffenheiten die Bestimmungen einer Monade sind Kraft-aumluszligerungen sind Aktionen Handlungen Die Bestimmungeneiner selbsttaumltigen Kraft die Bestimmungen die nicht vonauszligen in eine Substanz kommen sondern aus ihr selbst ent-springen deren Prinzip sie selbst ist sind Selbst- Bestimmun-gen Bestimmungen nun aber einer Substanz die in dieserselbst vorgehen von ihr selbst hervorgebracht werden nichtvon auszligen kommen wie wenn ich z B in ein Wasser einStuumlck Zucker werfe und das an sich geschmacklose Wassernun dadurch die Bestimmung der Suumlszligigkeit erhalten hat diefolglich keine materielle sondern ideale immanente spontanekurz Selbst-Bestimmungen sind sind Vorstellungen Die M[o-nade] ist eine Vorstellungskraft Die Qualitaumlten der M[onade]sind Aktionen die Aktionen aber Perzeptionen [Wahrnehmun-gen] Die Bestimmung ist eine Passio aber eine Passio dieAktivitaumlt ist die zugleich Wirkung2 Spontaneitaumlt ist ist Vor-stellung Moumlge diese beispielsweise eroumlrtert w[erden] durch dieVorstellung wie sie in ihrer houmlchsten Form im Bewuszligts[ein]im Menschen erscheint Ein3 Mensch der nie eine Vorstellunggehabt haumltte nichts gesehen gehoumlrt geschmeckt gefuumlhlt haumlttewaumlre ein personifiziertes Non-Ens Nihil er haumltte keine Praumldi-kate keine Qualitaumlten und das Nichts ist eben was keine Be-stimmungen hat Ich bin nur Etwas dadurch daszlig ich Etwasvorstelle Ohne Vorstellung von Etwas bin ich auch ohne Be-gierde nach Etwas ohne Begierde ohne Willen bin ich Nichtsbin nicht gut nicht schlecht nicht dumm nicht reich Dadurchdaszlig ich Bestimmtes vorstelle Bestimmtes will bin ich selbstein bestimmtes Wesen Vorstellung ist Bestimmung Wenn icheine Kroumlte mir vorstelle bin ich anders bestimmt als wenn icheinen schoumlnen Vogel mir vorstelle Als Bestimmung aumluszligert sie

1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 18 S

222 Im Ms folgt der ndash Im Ms folgt gestr Aktivitaumlt3 Ein [so auch A] Eine Ms

136

sich daher in mir als Affekt Die Vorstellung des1 Haumlszliglichen istEkel Abneigung Haszlig die entgegengesetzte Freude Wohlbe-hagen Zuneigung Aber diese Bestimmung entspringt nur ausder Kraft 98 der Vorstellung Der Gegenstand der fuumlr michist d h den ich mir vorstelle ist nur durch mich fuumlr mich ndasheine Bestimmung aber die nur durch mich selbst durch meineSelbsttaumltigkeit in mir ist oder in ihr ihr Prinzip hat ist eineVorstellung Ein Simpel sieht houmlrt kurz erinnert das nicht wasein Mensch ein gesunder Mensch2 Warum nicht Weil fuumlr einvorstellendes Wesen Etwas nur durch es selbst durch s[eine]Selbsttaumltigkeit vermittelt ist weil seine Bestimmung[en] keineunmittelbare[n] Affektionen3 ndash materielle sondern durch dieSelbstkraft vermittelte ndash d i Vorstellungen sind Die Vorstel-lungen jedoch wie sie Vorstellungen der Monade uumlberhauptnicht der freien denkenden Monade sind sind zugleich alsunmittelbare Bestimmungen und4 Affektionen als Zustaumlndestatus zu denken gleichwie wir die Vorstellungen eines Nar-ren eines Simpels wohl unterscheiden muumlszligten5

Die Vorstellungen des Narren sind6 solche die fuumlr den Men-schen unmittelbar die Gestalt die Form der Objektivitaumlt desSeins eines Dings haben ndash der Narr haumllt die Einbildung fuumlrRealitaumlt ndash von denen er sich darum nicht frei machen kann dieihn vielmehr unmittelbar bestimmen und beherrschen vondenen er sein Wesen nicht absondern kann die in ihm haftenwie die Beschaffenheiten an einem sinnlichen Dinge nicht alsfreie ideale Selbstbestimmungen in ihm sind ndash Vorstellungendie fixe Ideen unmittelbare Seelenzustaumlnde sind Nach Analo-gie dieses Zustandes muumlssen wir die Vorstellungen der Monadedenken

bdquoAuszliger den Perzeptionen und ihren Veraumlnderungen gibt esalsoldquo wie Leib[niz] sagt bdquoin der einfachen Substanz nichts unddarin allein muumlssen alle innerlichen Aktionen einfacher Sub-

1 Im Ms folgt gestr Ekel2 Mensch [so auch A] Mensch Ms3 keine Affektionen Affektionen keine unmittelbaren Korr im Ms4 und als Korr im Ms5 Am Rande Was in niedern Dingen und Subj[ekten] [Im Ms folgt

gestr Sub] Gesundheit und richtiges Maszlig ist w[ird] in houmlhernKrankheit Miszligstand ndash Im Ms folgt kein Absatz In BwN folgt Ab-satz

6 Im Ms folgt gestr fixe Ideen Zustaumlnde

137

stanzen bestehenldquo1 bdquoDie Taumltigkeit des innerlichen Prinzipsaber wodurch die Veraumlnderung vor sich geht eine Vorstellungan die Stelle der andern tritt heiszligt Triebldquo2 Begierde Verlan-gen appetitus nisus Der Connexus zwischen Trieb oder Be-gierde und Vorstellung erhellt daraus daszlig eben die Vorstellungals eine Determination als Bestimmung der Seele3 (diesestimmt) unmittelbar als Stimmung sich aumluszligert angenehm oderunangenehm die Seele affiziert Die Monade ist aber in einembestaumlndigen Zustande des Strebens Denn da die Vorstellung zuihrem Wesen gehoumlrt so stellt sie immer vor sie geht 994

immer von einer zu einer andern Vorstellung uumlber Ihr Sein istewiger Wechsel kontinuierliche Veraumlnderung

Da nun die Monaden nur durch innre Qualitaumlten sich vonein-ander unterscheiden diese aber Vorstellungen sind so unter-scheiden sich die M[onaden] voneinander nur durch ihre Vor-stellungen ndash und da das Wesen der Monade hiermit aller Mo-naden die Vorstellung ist hiermit darin miteinander alle uumlber-einstimmen daszlig sie vorstellen ndash so koumlnnen sie nur durch unter-schiedene Grade oder Arten und Weisen der Vorst[ellung] sichvoneinander unterscheiden Sie unterscheiden sich also durchdie verschiedenen Grade der Deutlichkeit bis herab zur voumllli-gen Dunkelheit zum Stupor [Erstarrung] Die Monaden dienur eine einfache Perzeption ohne Apperzeption ohne Be-wuszligts[ein] und Gedaumlchtnis haben koumlnnen den Namen Seelenur uneigentlich und analogisch haben man unterscheidet sievon den houmlhern Stufen die eine deutlichere Vorstellung habendurch den Namen bloszliger einfacher nackter Monaden oderEntelechien In solchen Zustaumlnden wo wir uns an nichts erin-nern und keine deutliche Vorstellung haben wie im Zustandeder Ohnmacht des Traumes des Schlafs des Schwindels un- 1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 17 S

222 Vgl Ebenda Nr 15 S 223 Seele Monade Korr im Ms4 Am Rande r o Verweis auf XIII Vorles[ung] ndash Am Rande r o

Verweis auf Paginierung S 49 ndash Am Rande eine teilw unleserleingefuumlgte Anmerkung die nicht zuzuordnen ist [] Es ist demGeiste nach eine wahre echte Philos[ophie] es ist ihr nichts beige-mischt was fremdartig Daher der Horror vor Hegel Wie die ge-meinen Leute in den Wein Zucker und [] tun [] So viel ist ge-wiszlig daszlig die neuste Freiheitsschmiede in der sogen Spekulationkeine Fruumlchte tragen wird [] ndash Im Ms folgt geht

138

terscheidet sich unsre Seele was das Gefuumlhl betrifft nicht vonder einfachen Monade Wenn keine Deutlichkeit sozusagenkein houmlherer feinerer Geschmack in unsern Vorstellungenwaumlre so befaumlnden wir uns in einem bestaumlndigen Stupor wel-cher der Zustand der nackten Monade ist

Was ist denn nun aber die Vorstellung bdquoDie Repraumlsentationvon dem Zus[ammen]gesetzten oder dem Aumluszligeren in demEinfachenldquo Oder bdquoder voruumlbergehende Zustand der in derEinheit oder einfachen Substanz Vielheit involviert und reprauml-sentiert ist nichts andres als was wir Perceptio nennenldquo1

bdquoMannigfaltigkeit in der Einheit sonst nichts 1002 wird zurVorstellung erfordertldquo3 Vorstellen ist ein Zusammenfasseneines in sich Vielfachen zur Einheit wie denn schon in denSprachen wie z B in den Worten fassen begreifen Inbegriffcomprehendere concipere usw die Einheit der V[orstellung]angedeutet oder sinnlich vorgestellt ist Die Monade ist vor-stellend heiszligt also nichts andres als sie ist die Comprehensiodie Zus[ammen]fassung die Einheit des Vielen oder dessenwas auszliger der Monade ist Die M[onade] ist aber nicht be-schraumlnkt auf die Vorstell[ung] einer beschraumlnkten Vielheit DieM[onade] ist ihrer Idee4 nach an sich unbeschraumlnkt das Ob-jekt der M[onade] ist daher auch nicht beschraumlnktes Nicht imObjekt sondern in der Art und Weise der Vorstellung des Ob-jekts sagt L[eibniz] sind die M[onaden] beschraumlnkt Alle stre-ben verworren nach dem Unendlichen Jede M[onade] stelltdas ganze Universum vor bdquoJede M[onade] ist daher ein Spiegeldes Weltalls ein konzentriertes Universumldquo5 gleichsam einsummarischer Inbegriff des Weltalls (Jedes Ding in der Naturist gewissermaszligen alle Dinge jedes Einzelne absolut allgemei-ner Natur jedes Einzelne das Universum das Unendliche ineiner bestimmten Form oder Vorstellung) bdquoEs gibt kein indivi-duelles Wesen das nicht alle andern ausdruumlcken oder vorstel- 1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 14 S

21-222 Am Rande l eine unleserl eingefuumlgte Anmerkung die nicht zuzu-

ordnen ist3 G W Leibniz Epistola ad Des-Bosses In G G Leibnitii Opera

Omnia hellip Tom II Pars I a a O S 2714 Idee Natur Korr im Ms5 Vgl G W Leibniz G G Leibnitii animadversiones circa

Assertiones hellip In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II ParsII a a O S 154

139

len muumlszligteldquo1 bdquoDie Monaden sind daher Bilder des Universumsverkuumlrzte und zus[ammen]gezogne Welten des mondes enraccoursi fruchtbare Einfachheiten Einheiten der Substanznach aber unendlich der Kraft nach virtuellement infiniesdurch die Vielheit ihrer Modifikationen Centra welche eineunendliche Peripherie circonfeacuterence ausdruumlckenldquo2

Die Vorstellungen s[ind] also die rapports die Verhaumlltnisseund Beziehungen der M[onade] zur Welt und aus dem fruuml-her[n] erhellt daszlig die rapports der M[onade] als eines immate-riellen einfachen Wesens keine andre sein koumlnnen als Vorstel-lungen Allein wie und wodurch kommt denn die M[onade]die fuumlr sich ist unabhaumlngig und Auszligen abgesondert von denandern Monaden eine Welt fuumlr sich selbst ist []3

1014 [] bestimmt sich jetzt daher dahin die Seele dieMonade ist der konzentrierte Mechanismus des Leibs oder dieSeele ist nichts andres als der konzentrierte in einen unteilba-ren Punkt zus[ammen]gezogne Leib der Leib5 nichts als dieexplizierte auszligereinandergelegte die entfaltete Seele6 Die 1 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 64 S

282 G W Leibniz Reacuteplique de Mr Leibniz aux reflexions contenues

dans la seconde eacutedition du Dictionnaire Critique de Mr Bayle Ar-ticle Rorarius sur le systecircme de lharmonie preacuteeacutetablie In G GLeibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I a a O S 86

3 Der Text bricht ab4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 505 der Leib die Seele Korr im Ms6 Am Rande die Fortsetzung einer hinzugefuumlgten Anmerkung []

Leidenschaft Gefuumlhl Affekt [Im Ms folgt gestr haben] sind iden-tisch mit der Materie Ein unabweisliches Gefuumlhl das Gefuumlhl einerSchranke einer Notwendigkeit weiter nichts ist die Materie Washat die M[aterie] mit dem Gefuumlhl zu schaffen Materie ist StoffWas ist denn aber Stoff Gefuumlhl und Gefuumlhl ist nicht ohne Schran-ke Wo ich an eine Schranke anstoszlige wo ich nicht weiter kann woich mich gehemmt wo ich Widerstand fuumlhle da ist Stoff Man muszligbei Materie nicht an Steinbloumlcke und Holzkloumltze denken Es gibtGefuumlhle im Menschen und in diesen Gefuumlhlen erfahren wir aberdaszlig wir endliche beschraumlnkte Wesen sind die mehr Gewalt uumlberihn ausuumlben als irgend etwas aumluszligerlich Materielles denen er unter-liegt wenn er nicht die houmlchste Kraft des Selbstbewuszligtseins an-wendet [Gefuumlhle] die ihn niederdruumlcken ohne aumluszligerliche Notwen-digkeit [aumluszligerliche Notwendigkeit Veranlassung Korr im Ms] ei-nes aumluszliger[n] Gegenstandes Zum Begriffe der Materie gehoumlrt nichts

140

Seele ist ein metaphysischer Punkt derselbe Punkt aber alsrealer als mathematischer oder physikalischer Punkt ist derLeib Oder1 Als Objekt der Metaphysik des klaren deutlichenDenkens ist die Monade Monade als Objekt der Physik ist sieLeib Die Seele ist daher ein geistiger Mechanismus der Leibein koumlrperlicher oder materieller bdquoDie Gruumlnde der Mechanikdie in den Koumlrpern entfaltet und entwickelt sind sind vereintund gleichsam konzentriert in den Seelen oder Entelechien undfinden fort selbst ihre Quelleldquo2 Aber sie enthalten nicht nur diePrinzipien des Mechanismus Leib weil sie selber spirituelleAutomate [sind]

Der fruumlhre Satz die Seele stellt das ganze Universum vor3bekommt nun auch jetzt seinen bestimmten realen S[inn]4 undder Leib ist nichts andres als der Gesichtspunkt der Monadeihr Standpunkt in der Welt das Schema nach welchem sievorstellt der Grad der Realitaumlt des Leibs ist daher auch derGrad der Realitaumlt des Geistes bdquoWie daher dieselbe Stadtldquo sagtLeibniz bdquovon verschiednen Orten aus gesehen anders er-scheint und gleichsam optisch vervielfaumlltigt wird so gibt esdaher auch wegen der unendlichen Menge von einfachen Sub-stanzen gleichsam ebenso viele verschiedne Welten die jedochnur stenographische Vorstellungen einer einzigen Welt sindnach den verschiedenen (eigentuumlmlichen) Gesichtspunkten derMonadeldquo5 Die M[onade] stellt nur vermittelst des Leibes undder Vorstellung von dem was in ihm passiert ndash eben deswegenist er ihr Gesichtspunkt ndash die aumluszligern Dinge vor Der Leib abersteht nicht isoliert abgeschnitten da In der Welt gibt es nichts

als der Begriff der Unfreiheit und Unklarheit denn Unfreiheit istwo keine Klarheit des Geistes ist

1 Im Ms folgt gestr die2 G W Leibniz Reacuteplique de Mr Leibniz hellip a a O S 863 vor Im Ms nicht hervorgehoben ndash Vgl G W Leibniz Principia

Philosophiae hellip a a O Nr 64 S 284 Am Rande chaque acircme se repreacutesente lunivers suivant son point de

vue et par un rapport qui lui est propre [Ebenso muszlig man zugebendaszlig jede Seele das Universum nach ihrem Blickpunkt vorstellt unddaszlig sie in einzigartiger Beziehung zu ihm steht] (Theod III P p552) [G W Leibniz Essais de Theacuteodiceacutee sur la bonteacute de Dieu laliberteacute de lrsquohomme et lrsquoorigine du mal Amsterdam 1710 P III sect357 S 552]

5 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 59 S27

141

Leeres Getrenntes sie ist ein absolutes Kontinuum bdquoAlles isterfuumlllt alle Materie verbunden Jede Bewegung affiziert nicht1

nur die naumlchsten Koumlrper sondern vermittelst dieser auch dieentfernten so daszlig sich gar kein Grad der Entfernung bestim-men laumlszligt auf den sie nicht noch mittelbar sich erstreckte JederKoumlrper w[ird] daher von allem ergriffen was im Universumvor sich geht 102 so daszlig das Auge das alles durchschaut injedem einzelnen Koumlrper lesen kann was im Universum2 ge-schieht selbst was schon geschehen ist oder noch geschehenwird Σύμπνοια πάντα [alles wirkt zusammen]ldquo sagte Hippo-krates3 bdquoWeil und wie nun aber dieser Leib wegen der durch-gaumlngigen Kontinuitaumlt d i Zus[ammen]hangs der Materie imerfuumlllten Raume das ganze Universum ausdruumlckt so stellt auchdie Seele das ganze Universum vor indem sie den Leib vor-stellt4 der sich unmittelbar auf sie bezieht Obgleich sie aberdas ganze Univ[ersum] vorstellt so stellt sie doch viel deutli-cher den Leib vor der ihr selbst auf besondere Weise angepaszligtistldquo5

Was ist nun aber der Leib selbst Nichts als eine Menge eineder Zahl nach unbestimmbare und unbegrenzbare Menge vonMonaden denn das Zusammengesetzte hat ja sein Bestehennur in den einfachen Substanzen und so viel Teile ich dahernur immer unterscheiden kann so viel Monaden muszlig ich an-nehmen jedes Faumlserchen meines Koumlrpers jedes auch das billi-onste Teilchen desselben hat seinen Grund in einem selbstunteilbaren von andern unterschiedenen fuumlr sich seiendenWesen Der Leib ist daher ein Aggregat wie wir schon fruumlhersahen ein Compositum eine Zusammenhaumlufung von Mona-den und das was wir die Seele eines bestimmten Leibes nen-nen ist nichts andres als die uumlber die andern untergeordnetenihren Leib konstituierende Monade herrschende Monade oder

1 Im Ms folgt nicht2 Im Ms folgt gestr vor sich geht3 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 63 S

274 vorstellt bezieht Korr im Ms5 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 64 S

28 ndash Am Rande Bei der Vorstellung L[eibnizrsquo] muszlig man nur nichtan ein [Im Ms folgt gestr dunkles] Bild denken ein[en] toten Ab-druck s[ondern] d[aszlig] zu Attri[buten] Substanzen Wirkung Le-benskraft Wirklichkeit

142

Entelechie1 Der Leib einer Monade ist daher obwohl er demWesen nach nur ein Aggregat ist der Form nach organischoder eine Maschine die sich aber dadurch von jeder kuumlnstli-chen wesentlich unterscheidet daszlig sie bis ins Unendliche bisin die kleinsten Teilchen noch Maschine ist denn die aller-kleinsten selbst dem Auge verschwindenden Teilchen sindnoch Organe von Seelen Wie der organische Leib ein Systemaus Systemen ist2 so ist der Leib eine Fuumllle von beseelten Lei-bern eine ganze Welt voll Seelen die aber zusammengebun-den sind durch die Eine herrschende Seele

1 Im Ms folgt gestr (Das was wir ein Tier ein lebendiges Wesen

nennen ist nichts andres als so eine mit einem Leibe verbundene[Im Ms folgt gestr die] uumlber andere Monaden herrschende Mona-de Leben gehoumlrt nur den organischen Leibern an) ndash Am RandeDas Atom ist der Rahmen in dem L[eibniz] den Begriff d[er] Seeleeinschlieszligt einfaszligt Daher die Uumlbelstaumlnde Die Materie ist eine Ge-muumltskrankheit der Monade

2 ist sind Korr im Ms

143

XIV Vorlesung1 [Leibniz Kant]2

103 bdquoDer kleinste3 Teil der Materie sagt L[eibniz] ist nocheine Welt von lebendigen Kreaturen von Tieren EntelechienSeelenldquo4 bdquoJeder Teil der Materie kann vorgestellt w[erden] wieein Garten voller Pflanz[en] oder wie ein Fischteich vollerFische Aber jeder Ast der Pflanze jedes Glied des Tieresjeder Tropfen seiner Feuchtigkeiten ist wieder ein Fischteichoder Garten dieser Artldquo5 bdquoEs gibt daher auszliger nur dem Scheinenach kein Chaos im Universum keine Verwirrung nichtsTotes Wuumlstes nichts Ungegliedertes nichts was ohne Zweckund Bedeutung ohne Ordnung6 waumlreldquo7 bdquoEs gibt daher auch imUniversum keine reale Erzeugung keinen realen Tod im stren-geren Sinne Es gibt nur Metamorphosen nur8 Veraumlnderungendenn die Materie befindet sich gleich einem Flusse in bestaumln-diger Veraumlnderung und die Monaden gehen bald diese baldjene Verbindung ein9 Was wir Erzeugung nennen sind nurEvolutionen und Zuwaumlchse was wir Tod nennen nur Involu-tionen und Verminderungldquo10 Obwohl alles in derLeibn[izschen] Philosophie unterschieden fuumlr sich ist eineignes gesondertes Leben hat ja auf dieser unendlichen Dis-krimination das Prinzip s[einer] Philos[ophie] beruht so gibt esdoch keinen realen Unterschied keinen Unterschied dem We-sen nach sondern nur nach Graden und Zustaumlnden Der Unter-schied betrifft nur die Existenz nicht das Wesen der DingeDem Wesen nach s[ind] die Monaden nicht unterschieden 1 Im Ms kein Absatz Am Rande r o Verweis auf XIV Vorlesung und

Paginierung S 512 So auch A3 Der kleinste Jedes kleinstes Korr im Ms4 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae seu Theses in Gratiam

In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II pars I Genevae1768 Nr 69 S 28

5 Vgl ebenda Nr 70-71 S 286 Im Ms folgt gestr her7 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 72 S

288 nur der Seelen und Korr im Ms9 denn ein der Materie die gleich Veraumlnderung sich befindet

was wir so nennen Korr im Ms10 Vgl G W Leibniz Principia Philosophiae hellip a a O Nr 76 S

28

144

sondern nur ihrem Sein ihrer Existenz nach d h darnach daszligsie fuumlr sich seiende oder richtiger sich selbst seiende Wesensind Selbst zwischen Leib und Seele ist kein realer wesentli-cher Unterschied Die Seele ist nur ein geistiger Mechanismusder Koumlrper ein materieller Mech[anismus] ihre Vorstellungenentwickeln sich der Reihe nach auseinander bis ins Unendlichefort wie die Bewegungen der koumlrperl[ichen] Maschine eine ausder andern bis ins Unendliche ruumlckwaumlrts und vorwaumlrts ent-springen Die koumlrperl[iche] und geistige Welt sind getrennteund doch dem Wesen nach nicht unterschiedne Welten

104 Und eben in dieser Fixierung mechanischen Trennunghebt Leib[niz] das Gute seiner Ideen wieder auf indem er sichmit dem Begriffe der Kraft der Seele uumlber den bloszligen Mecha-nismus erhebt faumlllt er doch wieder zuruumlck Das den Mecha-nismus uumlberwindende und aufhebende Prinzip faszligt er selbstwieder mechanisch auf Er trennt die Einheit ab von der Viel-falt fixiert sie fuumlr sich es kommt daher zu keinem Organismusnur zu einem (natuumlrlich[en]) Aggregat1 Der Leib ist nichtsandres als die andern auszliger der M[onade] existierenden Mona-den An sich ist die Mon[ade] nicht verbunden mit andernsondern separeacutee eine getrennte Existenz Der Zusammenhangmit den andern M[onaden] ist daher nur ein aumluszligerlicher vorge-stellter ein idealer ndash2 kein im Wesen begruumlndeter realer DieMaterie entspringt zwar aus der Schranke der M[onade] sie hatinsofern einen innern Grund aber in dem wahren Wesen derM[onade] die in den klaren und deutlichen Vorstellungenexistiert oder an sich hat sie keine Realitaumlt ndash Die Vorstellungder Beschraumlnktheit3 ist selbst bei Leib[niz] nur eine dunkleihm aufgedrungne Vorstellung keine begriffsmaumlszligige aus demlautern Begriffe der Monade abgeleitete Bestimmung denn 1 mechanischen Aggregat der Trennung liegt der Mangel der

leibni[zschen] Philos[ophie] Korr im MsAm Rande Das wahre Mittel wodurch Gott bewirkt daszlig d[ie]Seele Empfindung[en] von dem hat was im Koumlrper vorgeht kommtaus der Natur der Seele die est repraumlsentative des corps und im vor-aus so gemacht daszlig die Repraumls[entation] der Veraumlnderung d[es]Koumlrpers entspricht Theodic p 550 [Vgl G W Leibniz Essais deTheacuteodiceacutee sur la bonteacute de Dieu la liberteacute de lrsquohomme et lrsquooriginedu mal Amsterdam 1710 P III sect 355 S 550]

2 Im Ms folgt gestr der Leib ist ja nur eine dunkle bewuszligtlose un-freie Vorstellung ndash

3 Beschraumlnktheit M[onade] Korr im Ms

145

ihrem urspruumlnglichen Begriff nach ist sie nicht determiniertfrei fuumlr sich Der Zusammenhang der M[onade] mit andernMonad[en] ihre Uumlbereinstimmung zu einem Ganzen hat dahernicht in ihnen selbst sondern in einer vorherbestimmten dersog praumlstabilierten Harmonie ihren Grund die als Subjektvorgestellt ihre Existenz in Gott hat Es ist daher ein Wesenauszliger und uumlber den M[onaden] es ist die urspruumlngliche Mona-de es ist Gott der die M[onaden] verknuumlpft Aber in s[einer]Anwendung auf Gott hat der Begriff der Monade nicht eigent-liche Bedeutung er kann ihm nur bildlich zukommen denn imBegriff der Monade liegt ja die Vielheit ndash in der Monade liegtein polytheistisches Prinzip die M[onaden] sind selbst kleineGoumltter ndash die eigentliche Bedeutung fuumlr Gott ist daher inLeib[niz] nur die gewoumlhnliche populaumlre Vorstellung von Gottals einem auszligerweltlichen Wesen d h einem Wesen dasauszliger der Natur eines Dings dasselbe bestimmt Die Vorstel-lung v[on] Gott ist daher bei ihm1 eine unbestimmte oder we-nigstens dem Wesen nach nicht philosophisch bestimmte nichtim Geiste s[einer] Philos[ophie] bestimmte Idee ob er gleichim einzelnen natuumlrlich mit s[einer] Philo[sophie] zusammen-haumlngende Gedanken uumlber ihn hervorbringt Und hierin steht dasgroszlige Genie L[eibniz]rsquos weit2 unter dem Spin[oza] der nichtsin s[einer] Philos[ophie] eingeschwaumlrzt [] sich zu einer selb-staumlndigen rein philosophischen Anschauung Gottes sich erhobDie M[onaden] bleiben daher bei L[eibniz] weil es nur eineaumluszligerlich[e] Ver- 1053 knuumlpfung ist voneinander getrennt Esist nur ein Consensus aber kein Commercium4 sie sind fuumlrsich Wesen fuumlr einander aber nur Schatten SpiegelbilderGespenster5 Kein Wesen dringt in das andere ein keines ent-huumlllt dem andern sein Antlitz es ist ein Schleier uumlber alle We-sen gezogen und dieser Schleier der Seele ist die Materie6 Es 1 Im Ms folgt gestr nicht2 Im Ms folgt gestr uumlber3 Am Rande r o Verweis auf XIV Vorlesung und Verweis auf Pagi-

nierung S 524 Commercium Hervorgehoben in A5 Am Rande - eine ideale Uumlberwindung aber kein reales [] Der

Text bricht ab6 Am Rande Es erhellt daher hier auch die Schattenseite der Bestim-

mung der Vorstellung bdquoDie realen Dinge wirken nur als von ihrvorgestellte sie ist nur mit sich selbst beschaumlftigt sie ist nur theo-retisch taumltig und leidend ihre Leiden ihre Bestimmungen von den

146

gibt daher keinen realen Influxus zwischen L[eib] und S[eele]Die Leiber handeln in diesem System als gaumlbe es keine Seelenund die Seelen als gaumlbe es keine Leiber Die Seelen handelnnach Zweckursachen die Leiber nur nach hervorbringendenUrsachen Wenn die [Veraumlnderung] und die Bewegung in mei-nem Leibe1 [auf] Grund2 der mechanischen Gesetze erfolgenso erfolgen zugleich in meinem Geiste die ihnen entsprechen-den Vorstellungen die Seele hat von allem was in ihrem Leibevorgeht Bewuszligtsein oder doch eine dunkle Vorstellung eben-so erfolgen wie im System des Occasionalismus auf die Vor-stellungen und Begehrungen der Seelen in den Leibern ent-sprechende und gemaumlszlige Bewegungen ohne daszlig dadurch aberdie Seele oder der Leib in ihren eigentuumlmlichen Wesen undGesetze angegriffen und gestoumlrt wuumlrden Aber der Grund dieserUumlbereinstimmung ist die praumlstabilierte Harmonie Der Unter-schied zwischen dem sogen[annten] System des Oc-cas[ionalismus] und dem Cartes[ianismus] ist nur daszligL[eibniz] auch in der Begierde in dem Triebe in der dunkelnbewuszligtlosen3 Vorstell[ung] die Seele4 Spontanitaumlt Geist er-blickt die Objekte nicht als tote materielle Objekte dahersondern als lebendiges Wesen Seelen anschaut daszlig er dieSeele verobjektivierte aber dessen ungeachtet doch zugleich indieser aumluszligerlichen Trennung beide festhielt Der Grundmangelist nun aber daszlig dem Leib[niz] bei dem Begriffe der Seele derMonade so tief er ihn faszligt doch die Vorstellung des Atomszwar nicht als eines materiellen doch immateriellen Atoms

andern M[onaden] oder den Dingen haben nicht das Feuer die leb-hafte Kraft unmittelbar gegenwaumlrtiger sinnlicher Eindruumlcke sie ha-ben nur die Kraft von Reminiszenzen nur solche Bedeutung wieWirkungen von dem was nur in der Vorstellung der Erinnerungnicht mehr in der Wirklichkeit fuumlr uns Realitaumlt hat Die Monadew[ird] nicht auf sinnliche Weise von dem affiziert was vorgeht inder Welt sie ist kein an Ort und Stelle sich befindender Augen- undOhrenzeuge sie nimmt nur aus der Entfernung Notiz An einer Sa-che nur aus der Entfernung Anteil nehmen bei ihr sein ohne sinnli-che Gegenwart heiszligt sie [Im Ms folgt gestr nur die] vorstellenldquo[Zitat nicht nachgewiesen]

1 Im Ms folgt in2 Grund Folge Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr Seele4 Im Ms folgt gestr die

147

vorschwebte und unter [der] Hand sich einmischte daszlig1 die2

Vorstellung der Seele in dem Sinne wie wir etwa die so-gen[annten] reinen Intelligenz[en] und Engelgeister auf demStandpunkt der Phantasie vorstell[en] ihm zwischen die Ideenkam die Seele nicht idealistisch genug dachte daher es not-wendig war daszlig in der Leibniz-Wolf[f]isch[en] Schule 106die Seele nur als ein einfaches Ding Objekt vorgestellt wurdedaszlig er den Sinn der substantiellen Entelechien in Form derBildung von auszligen erfaszligte3 die Seele nur in einem aumluszligerlichenVerhaumlltnis zum Leibe dachte daher die Seelenwanderung al-lerdings keine weit abliegende Vorstellung ist Die logischeKategorie die L[eibniz] zum Prinzip machte ist allerdings wieHegel richtig bemerkte die Kategorie des Fuumlrsichseins4 Diese5

legte er6 als die absolute Grundbestimmung [zugrunde] ererkannte nicht das Negative in ihr ihre Schranke haumltte er dieseerkannt so wuumlrde er auf einen realen Zus[ammen]hang ge-kommen sein Aber eben eine Philosophie muszlig eine an sichwesenhafte Idee fuumlr sich allein ohne Einschraumlnkungen zumPrinzip machen denn nur dadurch kann er wahrhaft erkanntseine Bedeutung sein Verhaumlltnis zur Totalitaumlt der Vernunftseine Grenzen und der Umfang seiner Folgen ermittelt werdenDie Leibniz[sche] Philos[ophie] enthaumllt tiefe und wahre Ideenaber die Verbindung dieser Ideen ist ungenuumlgend die Keimenicht entwickelt die gehoumlrige Anwendung nicht gemacht Dasdisparate Element seines Lebens ist auch in s[einer] Philoso-phie nicht zu verkennen Seine Philosophie ist ein Aggregatvon Aphorismen d[ie] Aphoris[men] s[ind] trefflich aber dasAggregat taugt nichts Die Leibnizsche Philosophie w[urde]7

bekanntlich jedoch nur auf Kosten ihres philosophischenKerns von einem wirklich tuumlchtigen ja groszligen wenn auchnicht genialen Manne dem Chr[istian] Wolf[f] in ein foumlrmli-ches System gebracht und8 [eroberte] nun in dieser Gestalt1

1 Im Ms folgt gestr er2 Im Ms folgt gestr Seele3 Im Ms folgt gestr nicht4 Vgl G W F Hegel Die objektive Logik In Wissenschaft der

Logik 1 Bd Nuumlrnberg 1812 3 Kapitel Abschnitt A S 92-1005 Im Ms folgt gestr legte6 er ihn Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr als7 Im Ms folgt gestr allerdings8 Im Ms folgt unleserl Wort

148

obwohl sie auch heftige Gegner fand fast ganz DeutschlandDie Philosophie verlor so den Charakter der Produktivitaumlt siew[urde] steifer Pedantismus und selbst in den besten Koumlpfendie auf eigentuumlmliche Weise die Leibnizsche Philosophie insich gestalteten war ihre Vernunft in bestimmte Schrankeneingeschlossen und diese Schranken die einmal festgesetztworden sind waren eben das Ens simplex und das Ens compo-situm das metaphysische Ding als welches selbst der Geistdie Seele fixiert war Bei Leib[niz] selbst schon2 schwebt beiseiner Anschauung der Seele diese antiidealistische Vorstel-lung mit vor Aber das was ein3 schwebendes Gespenst beiL[eibniz] war wurde jetzt die fixe Realitaumlt Der Gedanke desIch kommt zwar bei 1074 L[eibniz] in der spaumltern verhaumlngnis-vollen metaphys[ischen] Bedeutung schon vor er faszligt die Ein-heit der Seele schon als Selbstbewuszligtsein als das Ich aber esblieb bei dem bloszligen Gedanken er kam nicht zur Realitaumlt Inder Leibnizisch-Wolf[f]schen Schule dagegen verschwand dasIch in dieser houmlhern Bedeutung die Einheit des Selbstbewuszligt-seins wurde nur als die einfache Substanz fixiert das Ens sim-plex zu einem Dogma gestempelt Wie war nun in dieser Zeitdes Dogmatismus in der Philosophie ein Fortschritt zu gewin-nen Nur durch einen Bruch mit dem ganzen Genre5 zu meta-physizieren Es bedurfte eines gewaltigen Stoszliges um dieMenschheit wieder vom Flecke zu bringen Nur im Zweifelnur in der Kritik war6 Heil zu finden der Zweifel ist der Hebelder Weltgeschichte Es muszligte ihr das Houmlchste selbst ndash dieErkenntnis der Wahrheit ja die Moumlglichkeit derselben streitiggemacht w[erden] um sie die sich so sicher duumlnkte wieder7

aufzuschrecken Diese groszlige Tat vollzog der KoumlnigsbergerWeise Kant durch den kuumlhnen Gedanken einer Kritik derVernunft Ihr denkt in dem Glauben die Objekte damit erken-nen zu koumlnnen Ihr Toren pruumlft erst euer Denkvermoumlgen fragt

1 [eroberte] Gestalt zu einer fertigen Schulsache gemacht Korr im

Ms2 Im Ms folgt gestr schwimmt3 ein das Korr im Ms4 Am Rande r o Verweis auf XIV Vorlesung und Verweis auf Pagi-

nierung S 535 Im Ms folgt gestr dieser Art6 Im Ms folgt gestr das7 wieder so wohlbehaglich Korr im Ms

149

erst die Vernunft ob sie erkennen kann sonst1 tappt ihr imFinstern herum und wiszligt nicht ob ihr nicht Schatten fuumlr wirk-liche Dinge umfaszligt Die Frage kann die Vernunft die Wahrheiterkennen ist uumlbrigens eigentlich eine Suggestivfrage an dieVernunft denn in der Frage liegt schon die Antwort ndash eineAntwort die nur negativ ausfallen kann Denn der Standpunktist selbst schon ein negativer er ist kein freier sondern schonim Miszligtrauen befangner Standpunkt der Gedanke sie kann sienicht erkennen ist ihr schon im Geheimen vorausgesetzt We-gen dieses ihres negativen Standpunkts und Resultates dasuumlbrigens fuumlr unzaumlhlige Mensch[en] ein houmlchst plausibles und inihren Kopfe wie sonst kein philos[ophischer] Satz freies En-tree hat betrachtet2 man die Kantsche Philo[sophie] als reinabgeschnitten von der fruumlhern Philos[ophie] gleichsam wie ausden Wolken herabgefallen Allein wir haben sie dennoch in derKontinuitaumlt im Zus[ammen]hang mit den fruumlhern Philosophienzu begreifen Die Substanz des Spi[noza] die Monade 108des L[eibniz] sind nur Gegenstaumlnde des Denkens die Monadedie Subst[anz] ist kein Objekt des Sinnes die Sinne zeigen mirnur Buntes Vielfaches Zusammensetzungen aber keine einfa-chen Substanzen Das Wahre das wahrhaft Objektive wird nurdurch das Denken erkannt Das Denken wird daher im Objekteseiner selbst bewuszligt es wird sich selbst Gegenstand der Ge-genstand ist der Spiegel in dem es sich selbst erblickt (dennda diese Gegenstaumlnde nur fuumlr das Denken sind so koumlnnen sieihm nicht entgegengesetzt sein es muszlig eine innre Verwandt-schaft oder Identitaumlt stattfinden) das Denken wird darum imGedachten auf sich selbst aufmerksam erfaszligt sich selbst re-flektiert uumlber sich selbst zuruumlckgefuumlhrt und dieses auf sichselbst zuruumlckgehende Denken dieses sich im Unterschiedevom Objekte denkende Denken dieses Denken des Denkens(ist das Selbst-Bewuszligtsein) ist das Prinzip der Kantsch[en] undFichteschen Philosophie Die Richtung des Denkens auf sichselbst muszlig aber eine doppelte Wendung nehmen Im Anfang istdas Denken3 sich selbst miszligtrauisch es ist mit sich im Wider-spruch die Vernunft ist ihm alles und nichts es erfaszligt die Ge-genstaumlnde die nur fuumlr das Denken Gegenstand sind als Pro-

1 Im Ms folgt gestr denn wollen wir erst an die Dinge gehen2 betrachtet erkennt Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr gegen

150

dukte des Denkens und1 als bloszlige Gedanken es faszligt sich nurals subjektiv und diese Subjektivitaumlt als eine Schranke alsUnrealitaumlt hinter der2 das reale Objekt daher noch versteckt istunerreichbar dem Denken es erfaszligt sich nur als subjektiv d[as]Objekt als Ding an sich das Denken ist noch nicht vollkom-men seiner gewiszlig es ist noch im Widerspruch mit sich esschlieszligt daraus daszlig die Gegenstaumlnde nur fuumlr d[as] Denkensind3 es die Gegenstaumlnde nur so erkennt wie sie fuumlr d[as]Denken aber nicht wie [sie] an sich sind das Ens der altenMetaphysik ist ganz hinten in den Grund gestellt als ein unbe-kanntes Ding an sich aber nicht aufgenommen in den Geistnicht idealisiert nicht uumlberwunden [es schlieszligt] auf eineSchranke seiner selbst Es4 traut sich noch nicht die Wahrheit5

ndash die volle Wahrh[eit] auf diesem Standpunkt ndash einzugestehenund auszusprechen Es erfaszligt seinen Unterschied als SchrankeUnrealitaumlt es setzt ein Ding an sich als Schranke Aber imFortgang erstarkt und ermutigt sich der denkende Geist Er faszligtden Unterschied des Denkens von d[em] Objekt als seine Rea-litaumlt6 Allerdings sind die Objekte nur Produkte des Denkensaber daraus folgt keine Unrealitaumlt keine Schranke des Den-kens vielmehr das Gegenteil alle Realitaumlt liegt nur im Denkennur Selbstbewuszligtsein ist Sein nur Fuumlrsichsein Sich-selbst-Gegenstand-sein ist Realitaumlt ist Wahrheit Das Objektive istnur Sein fuumlr uns es ist nur Objekt des Selbstbewuszligtseins es istfuumlr sich nichts Ein Ding an sich ist ein Unding Ansichsein istnur der Geist Der Geist setzt sich selbst bringt sich selbsthervor d h er ist nur durch sich das Ding 1097 ist aber nurfuumlr den Geist es ist nur ein von ihm gesetztes und dahinge-stelltes Durchsichselbstsein ist nur der Geist das Selbstbe-wuszligtsein nur Durchsichselbstsein ist Sein das Objekt istnichts den Gedanken mit heftiger Leidenschaft ausgesprochenUnd der Geist setzt sich nur ein Nicht-Ich gegenuumlber um an

1 Im Ms folgt gestr deswegen weil sie bloszlig Produkte des Denkens

sind ndash Am Rande nicht geteilt zwischen sich und der Objektivitaumltund erfaszligt sich nur als subjektiv das Objekt als Ding an sich

2 es der als Non-Entia als Unrealitaumlt hinter denen Korr im Ms3 daszlig sind daszlig es nur Gedanken sind Korr im Ms4 Es Aber Korr im Ms5 Im Ms folgt ganze volle6 Im Ms folgt gestr Allerdings Produkte7 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 54

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ihm seiner selbst bewuszligt zu sein Das Nicht-Ich ist eineSchranke die der Geist sich selbst setzt Er fixiert nur einenPunkt auszliger sich um die Reflexion und Aufmerksamkeit aufsich desto besser richten zu koumlnnen wie Kant nur dadurchdenken und sich im Kontext in s[einen] Vorlesungen erhaltenkonnte daszlig er einen Knopf an dem Rocke1 eines seiner Zuhouml-rer fixierte2

Fichte ist der Spinoza als Idealist Auszliger der Substanz istnichts die Substanz ist alle Realitaumlt alle Dinge sind in ihr sindnur ihre Bestimmungen Affektionen Aber die Substanz ist einGedachtes ist vom Geiste als Objekt angeschaut als Ens fi-xiert Durch den Idealismus des L[eibniz] hindurch der jedochnoch ein Mittleres zwischen dem Realismus oder Objektivis-mus des Sp[inoza] und zwischen dem Idealis[mus] Kants undFichtes ist geht das Denken auf sich zuruumlck und erfaszligt dasDenken das Selbstbewuszligtsein des Geistes als diese Substanzderen Affektion[en] die Dinge sind Aber das die Substanz alsderen wesentliche Bestimmung schon Leibniz die Spontaneitaumltdie Selbst-Taumltigkeit faszligte nicht als bloszliges Ansichsein als rei-nes Sein als Sein schlechtweg wie die Substanz des Sp[inoza]sondern als Durchsichselbstsein darum als Geist bestimmt istso sind die Dinge keine unmittelbaren Affektionen mehr son-dern schlechthin durch den Geist vermittelt und gesetzt siesind nicht mehr Bestimmung[en] in der Subst[anz] sondernSelbst-bestimmungen und -beschraumlnkungen Objekte Vorwuumlr-fe die er sich macht3 Um den F[ichte] zu verstehen muszlig mannur nicht an sein eignes Ich denken und sich einbilden als haumltteF[ichte] es so verstanden daszlig wenn ich dieser Mensch nichtdenke die Dinge nicht sind daszlig sie jetzt in dem gegenwaumlrtigenAugenblick entstehen daszlig ich mit dem Gedanken Tische []und Baumlnke hinstelle Es ist der Geist Und was fuumlr den Geistnur Produkt seiner selbst ist ist fuumlr mich das endliche Ich dasIndiv[iduum] eine unmittelbare Realitaumlt 110 ein PositivesDie Kantsche Philosophie ob sie gleich mit der Metaphysikihrer Zeit sich gaumlnzlich entzweit und einen foumlrmlichen Bruchbildet steht daher doch mit der Leibnizschen Philosophie ininnigem Zus[ammen]hang bdquoDie absolute Realitaumlt bestehtldquosagt L[eibniz] bdquonur in den Monaden und ihren Vorstellun- 1 dem Rocke s[einem] Korr im Ms2 Im Ms Absatz nachtraumlglich eingefuumlgt3 macht setzt Korr im Ms

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genldquo1 Das Reale ist nur die Seele Nur Selbsttaumltigkeit ist SeinRealitaumlt Was auszliger uns ist ist unsers Gleichen und Wesensunser Sein und Wesen ist die Seele aber die Dinge auszliger unssind auch Seelen oder doch ihnen analoge Wesen sie sindEbenbilder unseres Wesens Dinge sind sie nur fuumlr uns oder fuumlrandere Monaden fuumlr sich selbst aber Monaden SeelenL[eibniz] verobjektiviert die Subjektivitaumlt er macht dieSelbsttaumltigkeit die Bestimmung wodurch wir [uns] nur als Ichfassen und denken als Seele als Selbst zu einer realen objek-tiven Bestimmung oder umgekehrt er vergeistigt die Dingedie Selbsttaumltigkeit ist auch d[as] Prinzip der Kantschen Phi-los[ophie] aber als2 Verstand der Wille3 Die Selbsttaumltigkeitmuszligte daher in dieser Spitze erfaszligt w[erden] und folglich dadie Selbsttaumltigkeit als Seele uumlberhaupt bereits zum Prinzip allerRealitaumlt und Objektivitaumlt erhoben w[urde] nun daher dieSelbsttaumltigkeit als Vernunft oder die Vernunft als das Prinzipaller4 Realitaumlt und Objektivitaumlt gefaszligt w[erden] Indem dieVernunft zum Prinzip gemacht w[urde] so kam das5 Denkenhinter sich selbst wurde sich Gegenstand aber anfangs erfaszligtees sich6 nur im Unterschiede von der Objektivitaumlt7 noch unent-schieden8 hin und her schwankend9 zwischen dem Respekt vorsich selbst und dem Respekt vor dem Objekt10 teilt es d[as]Objekt selbst in d[as] Objekt wie es fuumlr d[as] Denken ist unddas Objekt an sich setzte es der Vernunft in diesem Ding ansich eine Schranke faszligte sie nur als subjektive als unsere Ver-nunft So daszlig es nun auf diesem Standpunkt also hieszlig die Weltist allerdings unseresgleichen und -wesens aber wir sind ebennur wir unser Wesen ist nur ein subjektives wir schauen in der 1 G W Leibniz Lettre a Mr Dangicourt eacutecrite en Septembre 1716

In Opera Omnia hellip Tom III a a O S 4992 ist als in ihrer houmlchsten Potenz ist der Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr oder wahre Selbsttaumltigkeit ist nur Vernunft

Verstand Wille4 aller der Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Denken6 das Denken sich das Denken auf sich und hinter sich selbst kam

sich Gegenstand wurde so konnte es sich Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr erfassen oder Gegenstand werden und da es

anfaumlnglich8 Im Ms folgt gestr war9 schwankend [so auch A] schwankte Ms10 Im Ms folgt gestr so

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Welt nur uns selbst an der Verstand oder die Vernunft ist wohldas Prinzip der Objektivitaumlt1 Realitaumlt aber nur fuumlr uns odereiner selbst subjektiven Objektivitaumlt die Welt die und wie wirsie anschauen nur ein Machwerk unsrer Vernunft aber dieseWelt ist eben nicht die wahre objektive Welt Vermoumlge derGesetze die in uns sind erscheint uns die Welt so und so aberdiese Gesetze sind nur subjektive die Welt ist nur eine Er-scheinung von den2 seltsamsten Phaumlnomenen der Vernunft wiesie an sich ist wissen wir nicht3

1 der Objektivitaumlt aller Korr im Ms2 den [so auch A] dem Ms3 Am Rande und unter der letzten Zeile unleserl Erg

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XV [Vorlesung]1 [Kant]2

1113 K[ant] beginnt s[eine] Untersuchung mit der Frage wiesind synthet[ische] Urteile a priori moumlglich Synthet[ische]Ur[teile] s[ind] solche wo ich mit einem Subjekt ein Praumldikatverbinde das nicht im Begriffe des Subj[ekts] enthalten ist unddaher nicht durch Analyse aus ihm gefunden w[erden] kannwo ich also zu einem Begriffe etwas davon Unterschiedneshinzusetze Ein solches Urteil ist zB alle Koumlrper sind schwerIm Begriffe des Koumlrpers liegt Ausdehnung Groumlszlige aber nichtdie Schwere die Schwere erkenne ich durch den Druck dend[er] K[oumlrper] auf mein Gefuumlhl aumluszligert Es ist aber ein apriori-sches dh ein Urteil von Allgemeinheit Notwendigkeit Indem Urteil liegt daszlig es alle Koumlrper s[ind] und daszlig wasK[oumlrper] ist notwendig schwer ist Allgemeinheit und Not-wendigkeit kommt nicht aus der Erfahrung Sie sagt nur daszlig4

so und sooft etwas geschehen ist nicht daszlig es sein muszlig undebensowenig gehoumlrt ihr alles sondern nur d[ie] Kategorie Eini-ges Ich habe nicht alle K[oumlrper] erprobt Wie komme ich alsozu von der Erfahrung unabhaumlngig[en] Urteilen Synthet[ische]Urteile s[ind] naumlher solche in denen ich mit dem Begriffe demObjekt des Denkens verknuumlpfe ein Praumldikat das wirklichesoder moumlgliches Objekt der Anschauung und der Erfahrung istwie zB d[ie] Schwere Sie ist ein Praumldikat das ich aus derErfahrung kenne Der Begriff des Koumlrpers ist ein geometri-scher ein von der Erfahrung unabhaumlngiger d[ie] Schwere aberein Erfahrungsprodukt Wie komme ich also dazu mit einemBegriff eine sinnliche Anschauung zu verknuumlpfen oder ein 1 Im Ms kein Absatz Am Rande r o Verweis auf XV Vorlesung und

auf Paginierung S 542 So auch A3 Im Ms folgt gestr Bei Kant ist der [der die Korr im Ms] Verstand

die Monade die alles aus ihrem eignen Grund und Boden hat dasPrinzip ihrer Bestimmungen ist Das Insichsein und Weben ist ihmdie wesentliche Kategorie des Geistes Damit tritt K[ant] dem Em-pirismus der Englaumlnder entgegen Schon L[eibniz] hatte gegen Lok-ke behauptet daszlig der Verstand sich selbst angeboren d h imma-nent daszlig es also urspruumlngliche immanente nicht aus den Sinnengeschoumlpfte oder [durch] die Erfahrung erworbene Begriffe gibtwas daher kam daszlig den Englaumlndern nie der Geist Gegenstand warsondern nur das Individuum K[ant] verfaumlhrt nun also

4 Im Ms folgt es

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Objekt der Erfahrung zu verknuumlpfen und diese Verknuumlpfungals eine allgemeine und notwendige auszusprechen und anzu-sehen da die Erfahrung nur einiges liefert Alle mathe-m[atischen] Saumltze s[ind] synthetisch Wie komme ich alsodazu nur dadurch daszlig apriorische von aller bestimmten Er-fahrung unabhaumlngige urspruumlngl[iche] Begriffe und apriorischeAnschauung urspruumlngl[ich] in uns ist Diese Anschauung istRaum und Zeit Sie s[ind] keine Substanzen keine Dinge auchkeine aus der Erfahrung abgezognen Begriffe1 die Ma-them[atik] eine apriorische Wissensch[aft] setzt das Daseineiner apriorischen Anschauung voraus Alles muszlig ich inR[aum] und Zeit anschauen Sie sind notw[endige] und all-gem[eine] Formen unsrer Anschauung sie sind aber nur For-men unsrer Sinnlichkeit Rezeptivitaumlt d[ie] Weisen wie wirvon den Dingen affiziert w[erden] Aber ebenso gibt es auchreine urspruumlngl[iche] Begriffe in uns der Verstand ist einselbsttaumltiges Prinzip der Schoumlpfer immanenter Begriffe eineMonade die alles aus sich schoumlpft und hervorzieht er ist keinBettler der von der Erf[ahrung] ein Stuumlck [] hat er lebt vonseinem Vermoumlgen Und nur darum haben wir also apriorischeUrteile weil ein apriorische Begriffe schaffendes Prinzip inuns [ist]2 Alle wahre Erkenntnis ist nun aber eine synthetischealso aus Verknuumlpfung von Denken und Anschauung [hervorge-gangen]3 Das Tiefe in Kant ist die Erkenntnis dieser Einheitvon Denken und Ansch[auung] und des Verst[andes] als einesSelbsttaumltigen aber K[ant] trennt als zwei besondere Bestand-teile Denken und Anschauung voneinander und setzt sie soentgegen4

Seine Philosophie ist eigentlich wie [die] des Cartes[ius]Dualismus Aber der Geist ist nicht mehr das einfache ab-strakte Selbst dem daher sein Gegensatz als Materie aumluszligerlichgegenuumlbersteht sondern erfuumlllter in sich vertiefter Geist DerGegensatz der Dualismus tritt daher bei dem Kant in den Geistselbst hinein und die Formen dieses Gegensatzes sind An-schauung und Denken wie wir fruumlher hatten den Gegensatz

1 Begriffe unleserl Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr Erkenntnis3 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 153-

1564 K[ant] entgegen Text im Ms am Rande

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zwischen Ausdehnung und Denken1 Die Anschauung ohneDenken ist blind das Denken ohne Anschauung leer2 DasDenken ohne Anschauung ist leer heiszligt nichts anderes als3 esist gegenstandslos nur durch die Anschauung ist ein realerGegenstand gesetzt Aber die Anschauung setzt nur das Daseineines Gegenstandes seine Determination seine Bestimmungkommt nur vom Denken Die Anschauung liefert mir4 denStoff das Mannigfaltige d[as] Denken die Form d[en]Beg[riff] Unterschied und Verknuumlpfung liegen nur im Ver-stand5 ohne Denken ist fuumlr mich der Gegenstand der Anschau-ung kein bestimmter Die Anschauung liefert mir bloszlig dasMannigfaltige und erst das Denken verknuumlpft d[as] Mannigfal-tige zu einer bestimmten Einheit zu einem Begriff ZB dieSonne hat durch ihre Waumlrme dieses Baumlchlein ausgetrocknetich verknuumlpfe hier also die Erscheinung der Trockenheit 112mit der Waumlrme der Sonnenstrahlen setze sie in einen Conne-xus einen Zus[ammen]hang indem mir die Sonne als Ursa-che die Trockenheit als Wirkung Gegenstand ist aber diesesVerknuumlpfen ist Denken ist Urteilen ich denke mir beide Ge-genstaumlnde im Verhaumlltnis der Kausalitaumlt zueinander stehend ichsubsumiere sie unter den Wechselbegriff der Urs[ache] undWirkung Desgleichen ich schaue an eine Blume mit rotenFarben ndash hier ist die Blume mir Objekt als Subjekt dem dierote Farbe als Praumldikat inhaumlriert Ich verknuumlpfe also hier dasMannigfaltige der Anschauung6 vermittelst des Begriffs vonSubjekt und Praumldikat Solche Urteilsformen solche Begriffeheiszligen Kategorien Diese Begriffe entspringen nun nicht ausder Erfahrung sondern sie sind vielmehr die Prinzipien dersel-ben die Bedingungen die der Erfahrung vorausgesetzt sinddie sie moumlglich machen sie sind deswegen apriorische Begrif- 1 Im Ms folgt gestr Erkenntnis kommt nur durch die Synthesis die

Zusammensetzung der Anschauung und des Denkens zusammen2 Im Ms folgt gestr Anschauung ist d[ie] Materie Denken die Form

Die Weisen der Anschauung sind aber Raum und Zeit alles muumlssenwir in R[aum] und Zeit anschauen Sie s[ind] eine Anschauung apriori sie entspringen nicht aus der Wahrnehmung und Erfahrungvielmehr [vielmehr sie Korr im Ms] setzen die Erfahrung sie alsihre Moumlglichkeit voraus

3 Im Ms folgt gestr das4 liefert mir Im Ms irrtuumlml gestr5 und Verstand setzt nur das Denken Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr unter

157

fe Begriffe die im Verstand selbst ihren Ursprung haben DieKategorie ist aber nur eine bestimmte Art oder Form wie ichdas Mannigfaltige verknuumlpfe und wie ein1 Sinnliches daherObjekt meines Bewuszligts[eins] w[ird] Die Kategorie setzt daherdie urspruumlnglich synthetisch-verknuumlpfende Einheit der Apper-zeption (d i des Selbstbewuszligtseins) voraus bdquoDas Ich denkemuszlig alle meine Vorstellungen begleiten koumlnnen alles Mannig-faltige der Anschauung hat eine notwendige Beziehung auf dasIch denkeldquo sonst [waumlren] d[ie] Vorstellungen nicht meine siegehoumlren nicht zu einem und demselben Bewuszligtsein nur da-durch daszlig ich d[as] Mannigfaltige der Vorst[ellungen] in ei-nem Bewuszligtsein begreifen kann nenne ich dieselben insge-samt meine Vorstellungen denn sonst wuumlrde ich ein so vielfaumll-tiges verschiedenes Selbst haben als ich Vorstellungen habederen ich mir bewuszligt bin2 Das houmlchste Gesetz und Prinzipunter dem daher die Kat[egorien] als bestimmte Arten derVerbindung [stehen] ist die Einheit des Selbstbewuszligts[eins]bdquoDie Synthet[ische] Einheit der Apperzeption ist daher derhoumlchste Punkt der Philos[ophie] ja dieses Vermoumlgen ist derVerstand selbst der kein andres Geschaumlft hat als das 1133

Mannigfaltige gegebner Vorstellungen unter Einheit des Be-wuszligtseins zu bringenldquo4 K[ant] tat daher den kuumlhnen Aus-spruch bdquoDer Verstand schoumlpft seine Gesetze (a priori) nichtaus der Natur sondern schreibt sie dieser vorldquo5 bdquoDie Grund-saumltze der Moumlglichkeit der Erfahrung sind selbst die Gesetze derNaturldquo6 aber da7 wir nur nach den notwendigen Denkgesetzen[denken] nach8 uns die Gegenstaumlnde als Erscheinungen sichrichten so in der Natur nur unsre Natur erscheint denn was dieNatur an sich ist wissen wir nicht Raum und Zeit sind nurWeisen wie uns die Dinge gegeben s[ind]

Die Kateg[orien] obwohl unabhaumlngig von der Erfahrunghaben jedoch keinen andern Umfang ihrer Guumlltigkeit als die 1 Im Ms folgt gestr Gegen2 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 131-1323 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 564 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 134-1355 Vgl I Kant Kritik der reinen Vernunft Riga 1781 S 1266 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 197-

198 und vgl I Kant Critik der Urtheilskraft Berlin ndash Libau 1790Einleitung S LIV

7 da nachdem Korr im Ms8 nach [so auch A] fuumlr Ms

158

Erfahrung Nur in der Anwendung auf die sinnliche1 Anschau-ung haben sie Realitaumlt Nur durch Anschauung sind reale Ob-jekte gegeben wir haben aber keine andre als d[ie] sinnlicheAnschauung Uumlber die Grenzen der moumlglichen oder wirklichenErfahrung ausgedehnt werden sie transzendent sie werden hierbloszlige leere Gedankenwesen bezeichnen2 keine realen Objek-te Sie erstrecken sich also nur auf das Endliche Aber damitbefriedigt sich nicht die Vernunft Sie ist der Grund fuumlr Ideendie notwendig sind die sich durch Erfahrungen weder bestaumlti-gen noch widerlegen lassen weil ihre Gegenstaumlnde uumlber alleErfahrungen hinausliegen Denn die Idee geht auf d[as] Unbe-dingte Unendliche aber deswegen ist sie eben nur Idee3 DieIdeen haben aber dafuumlr die praktische Vernunft Realitaumlt Dieprakt[ische] V[ernunft] hat uumlberh[aupt] den Primat4 vor dertheoret[ischen] denn jene bezieht sich auf den Willen istselbst bestimmend waumlhrend die theoret[ische] von den Gegen-staumlnden bestimmt ist5 sie bringt Objekte hervor bdquoIn prak-t[ischer] Beziehung als Bedingungen der Anwendung d[es]moral[isch] bestimmten Willens w[ird] d[ie] Moumlglichkeit die-ser Ideen angenommenldquo6 K[ant] verlegt also die Realitaumlt ind[ie] prakt[ische] Vern[unft] in die Moral Er korrigiert in ihrdie Maumlngel der theoret[ischen] Aber dieser Zwiespalt ist[nicht] aufgehoben wie der Zwiespalt zwischen Denken undAnschauung Die K[antische] Philos[ophie] ist die Philosophiedes Zwiespalts D[ie] K[antische] Philo[sophie] trug die Not-wendigkeit einer diese Widerspruumlche loumlsenden Entwicklung insich K[ant] w[ar] uumlber[haupt] in dem Pedantismus s[einer]Zeit noch etwas befangen beschraumlnkt Mit dem allgemeinenAuf- und Umschwung den die deutsche Literat[ur] gegen d[as]Ende des 18t[en] Jahrh[underts] nahm muszligte auch d[ie] Phi-los[ophie] befreit w[erden] von den Fesseln und Beschraumlnkun-gen in denen noch die Vernunft bei K[ant] schwebt Ders[elbe]Geist der in der Poesie einen Schiller Goethe hervorbrachte

1 Im Ms folgt gestr Realitaumlt2 bezeichnen beziehen A3 eben Idee nur Idee eben Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr fuumlr Fehlt in A5 Am Rande D[er] Wille ist d[as] Vermoumlgen den Vorstellungen

entsprechende Gegenstaumlnde hervorzubringen Einl[eitung] [Vgl IKant Critik der practischen Vernunft Riga 1788 S 29-30]

6 Vgl ebenda S 249

159

derselbe war es der einen Fichte und s[eine] Nachfolger insDasein gerufen Viele1 die ihre Beschraumlnktheit zur Schrankeder [] 114 die die Tendenz die d[ie] Philos[ophie] geg[en]d[as] 18[te] Jahrh[undert]2 zum Teil schon in K[ant] nahmbejammern als eine []3 transzendente die Grenzen derMenschheit uumlberfliegende in schwindelnder Houmlhe sich halten4

wollende Allein wenn man diese Transzendenz der Phi-los[ophie] vorwirft so muszlig man es auch der Poesie vorwerfenAuch die Poesie begnuumlgt sich nicht mehr damit sehnsuumlchtigschweratmend die laumlndliche Floumlte der Idylle zu spielen in ei-nem Doumlrfchen mit gluumlcklicher Armut und Beschraumlnktheit zuleben oder als Magister Morum pruumlde Lebens- und Tugendleh-re einzuschaumlrfen oder im Kreise vertrauter Bruumlder mit ledernen5

Philisterwitzen und Scherzen das Mahl zu wuumlrzen Sie bekameine uumlberschwengliche transzendente die houmlchsten und letztenForderungen geltend6 machende rein ideale durch nichts alsdie Idee der Kunst sich beschraumlnken7 lassende Tendenz FaustWallenstein Tasso usw sind lauter solche transzendente uumlberdie engen Schranken des gemeinen Lebens und der Erfahrunghinausliegende Gestalten Das Absolute das Unendliche nurdieses allein nichts Geringeres strebte die Poesie in ihrer Wei-se zu erfasssen In der Philos[ophie] hatte K[ant] schon einenungeheuren Schritt getan indem er nicht das Objekt das wasgedacht w[ird] sondern das Denken selbst die Vernunft zumGegenstand der Philosophie machte und die Prinzipien selbstdie Moumlglichkeit der Erfahrungen untersuchte sich empor-schwingend uumlber die Grenzen der Empirie Aber die8 Philoso-phie teilte noch in K[ant] mit ihrer Schwester der Poesie jenesJahrh[underts] eine gewisse philistroumlse Genuumlgsamkeit undBeschraumlnktheit Er fluumlchtete sich daher aus der Spekulation indie Moral Aber in der Moral abgetrennt von der Spekulationvon der Idee des Unendlichen Gottes zu verharren und sich inihr zu begnuumlgen ist ebenso recht d[as] Zeichen der Be-

1 Viele Es gibt viele Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr nahm3 [] Im Ms unleserl Wort fehlt in A4 halten so auch A haltenden Ms5 ledernen spaumlrlichen Korr im Ms6 geltend geltenden Korr im Ms7 beschraumlnken unleserl Korr im Ms8 die K Korr im Ms

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schraumlnktheit D[as] Resultat der Kant[ischen] Philos[ophie] istdaher ein gemeines Es liegt in ihm der Schluszlig der GemeinheitWas kuumlmmert mich was Gott ja ob er nur ist uumlber diese spitz-findigen Probleme moumlgen sich die Philos[ophen] die Koumlpfezerbrechen ich halte mich allein an das was ich tun sollRechttun ist die Hauptsache es bringt Segen und Frieden insHauswesen Spekulation ist Eitelkeit Bleibe im Lande undnaumlhre dich 1151 redlich das ist mein Wahlspruch Aber dieseSchranke die K[ant] in der Spekulat[ion] stehen lieszlig war einVorwurf fuumlr die Menschheit ein Tusch den sie nicht auf sichsitzen lassen konnte und [den] der ins Unendliche strebendeGeist um so empfindlicher finden muszligte als es ja ein Kantwar Im Grunde also der naumlmliche Geist es war der dieSchranke gesetzt und nun so wieder aufheben wollte Was istein Geist dem ein Ding Widerstand leistet und Grenzen setztNur Geistsein ist Sein ist wahre Realitaumlt wie kann dem Geistalso etwas undurchdringlich sein Was ist denn das Ding ansich das K[ant] als die Grenze der Vernunft setzt Das Ding ansich ist das Ding gedacht ohne seine Beschaffenheiten seineBeziehungen auf mich es ist nur eine fixe Idee von Dir selbstDu verlegst die Realitaumlt auszliger dich hin wo sie nicht hingehoumlrtsie ist nur in Dir zu finden Das wahre Ding an sich (das wah-re Sein2 an sich ist nur das Sein fuumlr sich das nur zu sich selbstsich verhaltende Sein dieses Sein aber das fuumlr kein andres istkein Objekt kein Passivum sondern nur Beziehung auf sichselbst dieses absolut indeklinable nicht konjugierbare3 Sein istBewuszligtsein Selbstbewuszligtsein) Das wahre Ding an sich istdas was schlechterdings kein Ding ist ndash der Geist DerMensch der also das Kantische Ding an sich zur Rede stellteund ihm den Handschuh hinwarf der die4 Schranke der Ver-nunft als einen Vorwurf5 gegen die gesamte Menschheit alseinen persoumlnlichen Vorwurf auf seine Schultern nahm6 unds[ein] Leben tapfer und mutig daransetzte von diesem Schimpfdie Intelligenz zu befreien war wie Jacobi ihn nannte der

1 Am Rande r o Verweis auf XV Vorlesung und Paginierung S 572 Im Ms folgt gestr fuumlr sie3 konjugierbare So auch A konjungierbare Ms4 die das Korr im Ms5 Am Rande unleserl Erg6 Menschheit nahm Menschheit auf seine Schultern nahm als

Vorwurf Korr im Ms

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Messias der spekulativen Vernunft ndash Fichte und konnte keinanderer sein als so ein entschiedner unbedingter ruumlcksichtslo-ser feuriger kristallheller Kopf und Charakter wie er [es] warDas Prinzip s[einer] Philosophie ist der Geist aber der Geistals Ich = Selbstbewuszligtsein Bei K[ant] ist schon die transzen-dentale Einheit des Selbstbew[uszligtseins] als der houmlchste Punktder Philos[ophie] ausgesprochen Aber erst F[ichte] realisiertediesen Gedanken macht es zum wirklichen Prinzip Also dasIch ist d[as] Prinzip s[einer] Philos[ophie]

116 Aber was ist das Ich Zur Erlaumluterung folgendes Ichdenke bestimmte Dinge aber indem ich sie denke unterscheideich mich von den Dingen ich denke sie als Dinge als Objekteund unterscheide mich von ihnen als was als das DenkendeAber dieses Unterscheiden ist Denken indem ich mich alsovon den Dingen unterscheide denke ich mich als den sie Den-kenden ich denke also das Denken und darin bin ich meinerbewuszligt bewuszligt als des Denkenden Was ist also das Ich dasnicht auf die Objekte hinaus sondern das auf sich selbst zu-ruumlckgehende Denken das Denken des Denkens das Sich-selbst-Denken Das Ich ist also Subjekt-Objekt Es ist1 Gegen-stand ndash so ist es Objekt ndash aber es ist Gegenstand seiner selbst ndashso ist es Subjekt oder Subjektivitaumlt und nur dadurch Ich daszlig essich selbst Gegenstand ist Das Ich ist also Einheit des Denken-den und des Gedachten der Subjektivitaumlt und ObjektivitaumltEinheit des Denkens und der Anschauung denn das sich selbstWissen und Denken ist das Sein des Ich ndash das Ich ist nichtwenn es sich nicht denkt2 Dein Ich kommt lediglich durch dasZuruumlckgehen Deines Denkens auf sich selbst zustande ndash aberein Denken mit dem unmittelbar das Dasein seines Objektesgegeben ist ist Anschauung K[ant] sagt nur durch die An-schauung ist ein Objekt3 ist Dasein gegeben ndash mit dem Sich-selbstwissen und Denken ist unmittelbar sein Dasein gegebendas Ich ist also eine denkende intellektuelle Anschauung4 DasSelbstbewuszligtsein ist also das Sein des Geistes und das wahredas einzig reelle Sein die absolute Kraft die absolute Realitaumlt

1 Im Ms folgt gestr sich2 Im Ms folgt Anfuumlhrungszeichen3 Im Ms folgt gestr gegeben4 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 155-

157

162

denn nur Taumltigkeit ist Realitaumlt1 Das Selbstbewuszligtsein ist aber2

Sein das lautere Taumltigkeit ist denn es ist nur durch sich selbstbdquodas Ich setzt sich selbstldquo es ist ja nur dadurch daszlig es sichdenkt sein Sein ist eins mit seiner Taumltigkeit3

Es erhellt hier auch naumlher was das heiszligt das wahre Ding ansich ist der Geist K[ant] sagte wir erkennen nur was ein Dingfuumlr uns nicht was [es]4 an sich ist oder nur was 1175 es inBeziehung auf uns ist aber nicht was es in Beziehung auf sichist Diese Beziehung auf sich nimmt F[ichte] den Dingen dieBeziehung auf sich ist eine Kategorie die nur dem Geiste zu-kommt und in diesem Sinne nur muszlig man es verstehen wennF[ichte] die Realitaumlt der Dinge an sich leugnet jeder andreSinn ist Unsinn Unverstand Selbstbewuszligtsein nur ist Ansich-sein Beziehung auf sich selbst Der Geist ist auch Objekt6Gegenstand aber nur Gegenstand seiner selbst Die beidenUrbestimmungen alles Seins7 Beziehung auf andres und Be-ziehung auf sich sind daher in dem Geiste identisch denn dasAndre das Objektive das wofuumlr er ist ist er selbst Der Geistist eben deswegen das allein Unbeschraumlnkte Unendliche denner hat nichts Aumluszligerliches zu seiner Grenze sonst waumlre er selbstein Aumluszligerliches ein Ding Er bestimmt und beschraumlnkt sichselbst Und eben in dieser Selbstbeschraumlnkung entsteht dasDing Dadurch daszlig ich nicht mich sondern Andres denke undf[erner] daszlig ich etwas fixiere meiner an sich unbeschraumlnktenTaumltigkeit eine Schranke setze entsteht erst das Objekt

Es erhellt ferner daszlig ein schlechter Einwurf waumlre ein Miszlig-verstand der Geist muszlig doch Etwas ein Objekt ein Ding seinsonst ist er Nichts Denn er ist mehr als ein Ding mehr alsEtwas und wenn Du ihn als Etwas denkst so stellst Du ihn indie Kategorie der Dinge und hast daher nur eine Vorstellungvom Geiste eine Einbildung Aber kann ich denn nicht z Bden Geist eines andern Menschen zum Objekt meines Denkens

1 denn Realitaumlt und Taumltigkeit Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr reines uneingeschraumlnktes Sein3 Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 2

verb Ausg Jena ndash Leipzig 1802 insbesondere Erster Teil sect 1Zweiter Teil sect 4 und Dritter Teil sect 5

4 ist es Korr im Ms5 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 586 auch Objekt So auch A Objekt auch Ms7 Im Ms folgt gestr kann Fehlt in A

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machen wie der Psychologe Der Geist das Ich ist etwas and-res als die psychologischen Eigenschaften und Partikularitaumltendie Du als Menschenbeobachter zum Gegenstande machstJeder M[ensch] kann in sich das Bewuszligtsein denken das reineIch fassen wenn er abgesondert den Geist von der Erschei-nung abstrahiert von sich als diesem bestimmten Ich welchesCajus und Sempronius hieszlig das Ich ist allgemeiner Natur Duund ich wir beide zusammen setzen voraus als unsern Grunddas Ich selbst das Ich in s[einer] Wahrheit und Wesen

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XVI Vorles[ung]1 [Fichte Jacobi]2

118 Der Idealismus ist die Philosophie der Sammlung in sichselbst des Beisichselbstseins der Besonnenheit Besinne Dichgehe in Dich sind die ersten Gebote die er denen auferlegt diesich ihm naumlhern wollen

Alles Denken ist ein Insichgehen Man kann nicht denkenund zugleich in der Anschauung sinnlicher Dinge zerstreutsein Zum Denken gehoumlrt Sammlung Wenn wir recht aufmerk-sam ein[en] Gegenstand fixieren wenn wir wahrhaft versenktsind in Gedanken so mag um uns vorgehen was da will esstoumlrt uns nicht wir vernehmen es nicht Sehen und Houmlren ver-geht uns die sinnlichen Dinge haben fuumlr uns kein Dasein sieverschwinden fuumlr uns wenn wir uns im Zustande ernsten3

Denkens gespannter Aufmerksamkeit [befinden] wenn siegleich drauszligen stehen bleiben Die Dinge haben fuumlr uns keinDasein auszliger wenn wir fuumlr sie sind wenn wir sie fixieren zumObjekt machen Und alle Philosophie beruht4 nun auf dem Aktder Sammlung in sich der Abkehr von den Dingen der Ab-straktion Aber Fichte machte diesen Akt als solchen zum Prin-zip der Philosophie (Dieser Actus ist Denken und indem ichnun dieses Denken selbst zum Objekt mache so entsteht mirder Begriff des Ichs ich werde bewuszligt des Denkens meiner imUnterschiede von den Dingen und erfasse dadurch Mich selbstmein Ich)

Es kann nicht geleugnet w[erden] ndash es ist eine Tatsache daszligim Denken im ernsten tiefen Denken uns die Dinge aus demSinne aus den Augen und Ohren schwinden Wie koumlnnten wirsonst denken Indem sie uns aber aus den Sinnen schwindenso vergeht fuumlr uns ihre Realitaumlt Wonach beurteile ich denn einDing daszlig es ist als danach daszlig ich es sehe fuumlhle houmlre Aberwas ist Sehen ohne Bewuszligtsein

1195 Was nicht taumltig ist aus sich selbst ndash selbst-taumltig istkeine Substanz was keine Substanz keine Realitaumlt kein SeinDie Quelle aller Realitaumlt ist daher die Taumltigkeit Das kuumlrzlich

1 Am Rande l o Verweis auf XVI Vorlesung und Paginierung S 592 So auch A3 Im Ms folgt gestr gespann4 beruht [so auch A] beruhen Ms5 Am Rande r o Verweis auf XVI Vorlesung

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der Satz des Leibniz1 Aber was ist denn wahrhaft ndash selbsttaumltigNur die Intelligenz Die Vernunft ist also die Quelle aller Rea-litaumlt oder alle Realitaumlt Aber K[ant] ist noch mit sich in Wider-spruch Wenigstens in der theoretischen Vernunft ist er nochnicht frei hat er noch nicht in Wahrheit sein Prinzip erfaszligt DieIntelligenz als theoretische ist bedingt bestimmt beschraumlnktAber nur das Selbsttaumltige Sich-Selbst-Bestimmende ist imGrunde s[einer] Seele das Reale Wahre Er realisiert daherseine Idee sein Grundprinzip durch die prakt[ische] VernunftDer Wille als das sich Selbstbestimmende ist das Wahre Rea-le Unbedingt und unbeschraumlnkt erfaszligte und realisierte aber erstFichte den Grundgedanken der Kantischen Philosophie Daswahrhafte2 reale Sein ist nur die3 Taumltigkeit ndash nur die Taumltigkeitder Intelligenz ist aber Taumltigkeit ndash die Taumltigkeit der Intelligenzist aber Denken4ndash aber Denken ist Denken eines Objekts ndash wasist nun das erste urspruumlnglichste Objekt der Intelligenz ndash dieIntelligenz selbst die Intelligenz denkt also sich selbst ja die-ses Sich-Selbst-Denken dieses Denken des Denkens ist dieIntelligenz selbst ihr Wesen ihr Sein5 bdquoDie Intelligenz schautsich selbst an bloszlig als Intelligenz oder als reine Intelligenz undin dieser Selbstanschauung eben besteht ihr Wesenldquo6 Das Ichist selbst gar nichts weiter als diese Selbstanschauung der In-telligenz ndash das Ich nichts andres als die ihrer selbst bewuszligteVernunft oder Intelligenz Das Ich ist daher7 die absolute Rea-

1 Vgl XII und XIII Vorlesung im vorliegenden Band2 Am Rande Alle Realitaumlt ist taumltig und alles Taumltige ist Realitaumlt

Taumltigkeit ndash deren Begriff identisch ist mit dem Begriff des Sichset-zens ndash ist positive absolute Realitaumlt (66 Wissenschaftslehre) [J GFichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 2 verbAusg Jena ndash Leipzig 1802 Zweiter Teil sect 4 S 66-67]

3 Im Ms folgt gestr Intelligenz4 Am Rande bdquoeuer Denkenldquo sagt Fichte bdquoist ein Handelnldquo [J G

Fichte Versuch einer neuen Darstellung der WissenschaftslehreFortsetzung In Philosophisches Journal Bd VII Heft 1 Jena ndashLeipzig 1797 S 3]

5 Im Ms folgt gestr Denn was ist Intelligenz ohne SelbstbewuszligtseinJa schon diese Frage ist ungeschickt indem ich trennte was iden-tisch ist Intelligenz ist Selbstbewuszligtsein ist Ichheit

6 Vgl J G Fichte Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre InPhilosophisches Journal Bd V Heft 1 Jena - Leipzig 1797S27

7 Im Ms folgt gestr alle Realitaumlt oder

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litaumlt und als diese das Maszlig aller bestimmten beschraumlnktenendlichen Realitaumlt Das Ich ist durch sich selbst bdquoes setzt sichselbstldquo denn wodurch ist es Nur durch das sich selbst Den-ken aber dieses ist ja es selbst sein Wesen es ist also per sedurch sich selbst Es ist ja absolute Selbst-Taumltigkeit ndash Grundseiner selbst Aber da es die absolute Realitaumlt ist so ist alleswas da als seiend gedacht w[ird] nur insofern als es fuumlr dasIch ist Der Begriff des Objekts des Dings ist nur der Begriffeines Verhaumlltnisses Relation 120 es ist nur als Objekt desBewuszligtseins Es ist nicht an sich Ansichsein ist Beziehung aufsich selbst wenn ich die Dinge an sich kennenlernen will sowill ich damit nichts andres sagen als ich will sie nicht kennenwie sie in Beziehung auf mich sondern in Beziehung auf sichsind Aber Beziehung auf sich selbst was ist denn das anderesals Selbst-Bewuszligtsein Ich bin meiner bewuszligt heiszligt nichtsanderes als ich beziehe mich auf mich selbst ich bin im Ver-haumlltnis zu mir selber nicht bloszlig zu anderen Ein Ding an sichist daher ein Widerspruch denn du gibst ihm ein Praumldikatwelches nur dem Geiste zukommt du willst ein Ding das Dingund zugleich nicht Ding sei Das Ding ist nur1 und ist nurdenkbar als Objekt des Bewuszligtseins Das Selbstbewuszligtsein ndashdenn das Bewuszligtsein der Dinge setzt das Selbstbewuszligtseinvoraus ndash ist daher die Quelle und das Maszlig aller Realitaumlt Wasnicht Objekt des Bewuszligtseins ist ist nicht

Die Philosophie ist darum Idealismus ndash denn er macht dieDinge zu Bestimmungen des Bewuszligtseins sie sind ideell nichtreal an sich ndash unterscheidet sich dadurch von dem Dogmatis-mus daszlig dieser bdquovon einem Seinldquo wie F[ichte] sagt bdquoals Ab-solutem ausgeht und s[ein] System sich sonach nie uumlber dasSein erhebt Der Idealismus kennt schlechthin kein Sein alsetwas fuumlr sich bestehendesldquo2

Es scheint nichts natuumlrlicher als von einem Sein an sich odervon dessen Annahme auszugehen Aber erwidert hieraufFichte bdquovermagst Du von einer Realitaumlt zu reden ohne von ihrzu wissen ohne sie wenigstens dunkel an Dein Bewuszligtsein zuhalten und auf dasselbe zu beziehenldquo (Sonnenklarer BerichtS 37)3 Das ist ganz richtig fuumlr ein bewuszligtes Wesen gibt es 1 nur Fehlt in A2 Vgl J G Fichte Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre In

Philosophisches Journal Bd VI 1 Heft Jena 1797 S273 J G Fichte Sonnenklarer Bericht Berlin 1801 S 37

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kein Sein an sich denn was fuumlr es ist das ist eben nur fuumlr esals fuumlr s[ein] Bewuszligtsein seiend denn nur in seinem Bewuszligt-sein hat es das Maszlig dessen was ist oder nicht ist was nichtObjekt s[eines] Bewuszligtseins ist davon weiszlig es nichts dasexistiert nicht fuumlr es das Sein an sich hat daher nur als Objekts[eines] Bewuszligtseins fuumlr es Sein aber ebenso ist es nicht mehrSein1 an sich sondern Sein fuumlr Bewuszligtsein Ein Sein an sich ndashein Sein abgetrennt gedacht vom Bewuszligtsein ndash ist daher eineEinbildung [k]eine Realitaumlt Von einem Sein an sich auszuge-hen heiszligt daher immer von Dingen 1212 denken dem Be-wuszligtsein des Seins an sich aus[zu]gehen ich kann nicht ausge-hen von ihm ohne es zu denken was ist aber Denken [ande-res] als ein Objekt beziehen auf mein Selbstbewuszligtsein Undso draumlngt und treibt uns denn alles auf das Selbstbewuszligtseinzuruumlck Die Philosophie muszlig es zu s[einer] Quelle seinemPrinzipe nehmen Man kann dies so sich auch vorstellen ichkann nicht auszliger mein Bewuszligtsein noch uumlber es hinaus allesfaumlllt innerhalb meines Bewuszligtseins hinein Das Bewuszligtseinerscheint daher so als eine Grenze Schranke Und Kant war esder indem [er] erkannte daszlig alles nur als Objekt unseres Be-wuszligtseins wir denken nicht uumlber uns hinauskoumlnnen diesesNicht-Hinaus-Koumlnnen als Schranke faszligte Aber so ist nicht zuschlieszligen Wir koumlnnen nur deswegen nicht hinaus weil es dasAllumfassende das Absolute das unbedingt Gewisse dasunmittelbar Erste die positive Realitaumlt das Sein selbst dasSein schlechtweg ist wenn wir anders diese dogmatischenBestimmungen auf das Ich das lautere Taumltigkeit Sichselbst-Setzen Sichselbst-Denken ist3 anwenden duumlrfen Die Dingekoumlnnen auch nicht hinaus aus der Substanz sie inhaumlrieren ihraber wer wird dieses Nicht-Hinauskoumlnnen als eine Schrankeder Substanz und nicht vielmehr darin ihre Unendlichkeit ihreRealitaumlt erkennen wollen4 bdquoEs ist urspruumlnglich nur eine Sub-stanz das Ich in dieser einen Substanz sind alle moumlglichenAkzidenzien also alle moumlglichen Realitaumlten gesetztldquo

1 Im Ms folgt gestr fuumlr2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 603 Im Ms folgt gestr unleserl Wort4 wollen koumlnnen Korr im Ms

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(Wiss[enschafts]lehre p 79)1 Wir koumlnnen nicht auszliger dasBewuszligtsein hinaus weil es das Unbeschraumlnkte ist

Aber wie Ist das nicht eine unerhoumlrte Behauptung Es waumlrealso nicht was ich nicht weiszlig Mein Wissen waumlre also dasMaszlig dessen was ist Wie vieles ist was ich nicht weiszlig Vielehaben wirklich F[ichte] so verstanden D[ie] Fichtesche Phi-los[ophie] waumlre so eine Absurditaumlt Aber die Absurditaumlt liegtnicht im Gegenstande sondern in der Auffassung Man kannuumlberhaupt als Regel fuumlr alle vorkommend[en] Faumllle im Lebenes sich merken wo [man] einem Philosophen von einem sol-chen der bereits unbezweifelbare Proben s[eines] philo-soph[ischen] Talents2 gegeben hat eine absurde Behauptungaufbuumlrden houmlrte da kann man sicher sein daszlig die Absurditaumlt inder Auffassung oder Darstellung liegt Einem Denker Abs[ur-ditaumlt] zumuten ist selbst Absurditaumlt Die Einwuumlrfe die manvom Standpunkte der Nicht-Philosophie aus einem Philoso-phen macht die hat er alle schon von jeher gewuszligt und in dem-selben Augenblick gewuszligt wo er den Gedanken dachte gegenden 122 man diese Einwuumlrfe macht um ihn absurd darzustel-len Er hat das volle Bewuszligtsein uumlber alle Einwuumlrfe ja nurmoumlglichen Miszligverstaumlndnisse die s[einen] Gedanken gemachtw[erden] koumlnnen Namentlich zeichnete sich F[ichte] durch dasklare Bewuszligts[ein] durch den durchdringenden Blick in allenur immer moumlglichen E[inwuumlrfe] und Miszligv[erstaumlndnisse] ausdenn den natuumlrlichen Menschenverstand hat der Philosophebenso gut in sich als Mensch wie die andern aber er hat nochein houmlheres Bewuszligtsein und wenn er daher Gedanken faszligt dieden Gemeinplaumltzen widersprechen so hat er seine guten Gruumln-de wenn er der Stimme des gem[einen] Menschenverstandeskein Gehoumlr gibt Es gibt Zeiten wo die Menschheit wirklichallen Sinn und Faumlhigkeit verliert philos[ophische] Ideen zubegreifen So war sie es zur Zeit d[er] Kirchenvaumlter bei denRoumlmern Cicero behauptete sogar bekanntlich es sei nichts soabgeschmackt was nicht einmal von einem Philos[ophen]behauptet w[orden] sei So macht er sich z B uumlber die Be-hauptung des Anaxagoras daszlig der Schnee schwarz sei lustig3

1 J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre a a

O S 792 Talents Kopfe Korr im Ms3 Vgl M T Cicero Academicorum Liber II 23 In M Tullii Cicero-

nis opera philosophica T 3 Halis Saxonum 1806 S 164

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Aber was hat das wohl fuumlr einen Sinn Die alten Philosophenstimmten mit Cartes[ius] Spi[noza] Leib[niz] Kant Hegelund untereinander selbst etwa mit Ausnahme der Kyrenaikerund Epikuraumler darin uumlberein daszlig die Dinge nur so an sichsind wie sie gedacht w[erden] aber nicht wie sie1 empfundendaszlig sie als Objekte des ΝοῦςGeist Vernunft]als Νοό-μεναIdeen]Wesen als Obj[ekte] des Sinnes nur Φαινόμενα[Phaumlnomene] sind daszlig sie also anders im Wesen als in derErsch[einung] sind Was hat also wohl A[naxagoras] gemeintHat er etwa geleugnet daszlig der Schnee weiszlig scheint oder denAugen weiszlig vorkommt Mitnichten sondern nur daszlig derSchnee wenn er mit Verstand betrachtet wenn danach gefragtw[ird] was er ist an sich oder s[einen] Elementen nach nichtweiszlig ist daszlig die Farbe kein reales mit dem Wesen zus[am-men]haumlngendes Praumldikat ist

So ist es nun auch mit F[ichte] Wer unter dem Ich seinpartikulaumlres2 Ich seine Person versteht der findet mit Recht esabsurd [die Objekte] vom Wissen des Individ[uums] ab-haumlng[ig] zu machen Aber F[ichte] versteht unter Ich die Intel-ligenz selbst das Selbstbewuszligtsein des Geistes der VernunftIch bediene mich statt des Wortes Intelligenz lieber der Benen-nung Ichheit weil diese das Zuruumlckgehen der Taumltigkeit in sichselbst fuumlr jeden der nur der geringsten Aufmerksamkeit faumlhigist am unmittelbarsten bezeichnet Selbst setzt den Begriff vomIch voraus und alles was darin von 1233 Absolutheit gedachtw[ird] ist aus diesem Begriffe entlehnt bdquoIchheit und Indivi-dualitaumlt sind sehr verschiedene Begriffe und die Zus[ammen]-setzung in letzterem laumlszligt sich sehr deutlich bemerken Durchden ersteren setzen wir uns allem was auszliger uns ist nicht bloszligPersonen auszliger uns entgegen und wir befassen unter ihm nichtnur unsre bestimmte Persoumlnlichkeit sondern unsre Geistigkeituumlberhauptldquo4 bdquoIn der Wissenschaftslehre ist die Vernunft daseinige an sich und die Individualitaumlt nur akzidentell die Ver-nunft Zweck und die Persoumlnlichkeit Mittel die letztere nur einebesondere Weise die Vernunft auszudruumlcken die sich immermehr in der allgemeinen Form derselben verlieren muszlig Nurdie Vernunft ist ihr ewig die Individualitaumlt aber muszlig unauf- 1 Im Ms folgt gestr erschei[nen]2 partikulaumlres Im Ms nicht hervorgehoben3 Am Rande r o Verweis auf XVI Vorlesung und Paginierung S 614 J G Fichte Zweite Einleitung a a O S 21

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houmlrlich absterben Wer nicht in diese Ordnung der Dingezufoumlrderst s[einen] Willen fuumlgen w[ird] der w[ird] auch nieden wahren Verstand der Wissenschaftslehre erhaltenldquo1

Das Ich des F[ichte] ist also das Ich absolut gedacht diereine Intelligenz kein persoumlnliches kein bestimmtes Ich Unddieses Ich in der Identitaumlt mit der Intelligenz ist reine Taumltigkeituneingeschraumlnkte Taumltigkeit lauteres Durchsichselbstsein An-schauung seiner selbst Subjekt-Objekt Fuumlr dieses absolute Ichnun existiert kein Objekt kein Ding denn dann waumlre es jabeschraumlnkt bestimmt Wenn ich an etwas denke so ist ja meinean sich unbeschraumlnkte und unbestimmte Taumltigkeit sistiert fi-xiert d h bestimmt Aber das Ich beschraumlnkt sich selbst oderrichtiger zunaumlchst bestimmt sich selbst Als solches bestimm-tes Ich setzt es sich ein Nicht-Ich gegenuumlber und entgegen esteilt seine Realitaumlt in seine und die des Nicht-Ich So entstehtalso das Ding das Objekt Die Objekte sind BestimmungenBeschraumlnkungen des Ichs die es aber sich selbst setzt es sindfreiwillige Schranken2 Hier entsteht daher auch erst der Begriffdes Etwas Das Nicht-Ich ist Etwas und das dem Nicht-Ichentgegengesetzte Ich ist Etwas Aber nicht das absolute Ichdas hat keine Praumldikate Beide bestimmen sich Der Grundsatzder theoret[ischen] W[issenschaftslehre] ist Das Ich setzt sichselbst als beschraumlnkt durch das Nicht-Ich Der Hauptsatz allerpraktischen 124 Wiss[enschaftslehre] [ist] bdquoDas Ich setzt sichals bestimmend das Nicht-Ichldquo3 Auf diesem Standpunkt desIch entsteht auch der Begriff des Du die Wissenschaftslehreverfaumlhrt the[ore]tisch Gegensaumltze setzend synthetisch Gegen-saumltze verknuumlpfend bdquoDer Begriff des Du entsteht durch Verei-nigung des Es und des Ichldquo4 bdquoDas Es bedeutet naumlmlich diebloszlige Objektivitaumlt Das Du ist ja nichts andres als5 das Ich alsObjekt gedacht Ein solches Ich ist das Individuum Fuumlr das Ichals Individuum hat nun das was an sich nur Produkt des abso-

1 Ebenda S 222 Am Rande Das Ich ist nur taumltig es ist bloszlig Ich inwiefern es taumltig

ist und inwiefern es nicht taumltig ist ist es Nicht-Ichldquo (S 73) Hierheiszligt es auch kein Subjekt kein Objekt kein Objekt kein Subj[ekt](ibid p 137) [Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissen-schaftslehre a a O S 73 und S 137]

3 Ebenda S 2314 J G Fichte Zweite Einleitung a a O S 175 Im Ms folgt gestr Objekt

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luten Ich ist von ihm nur gesetzt ist unmittelbare Realitaumlt esist schlechtweg In dieser Sphaumlre also sind die Dinge Realitauml-ten Was fuumlr das Ich die reine Intelligenz ein AufgehobnesIdeelles was fuumlr sie nur Affektion ist ist hier fuumlr es SubstanzSein Dieser Standpunkt ist nun uumlberhaupt der Standpunkt desLebensldquo1 Das Leben ist2 nichts andres als das unmittelbareBewuszligtsein der Objekte als gegebner ein Versenken in dasObjekt bdquoAlle Realitaumltldquo sagt F[ichte] bdquoentsteht uns durch dasEinsenken und3 Vergessen unsers Selbst in gewissen Bestim-mungen unseres Lebens und dieses Vergessen unsers Selbstuumlberhaupt ist es was den Bestimmungen in denen wir unsvergessen den Charakter der Realitaumlt und uns uumlberhaupt einLeben gaumlbeldquo (Sonnenklarer Bericht p 38)4 bdquoIch denke garnicht an mich ich vergesse mich selbst durchaus im Gegen-standeldquo (p 23)5 bdquoDarum sagt man auch ich sei darin begriffenund vertieftldquo6 bdquoRealitaumlt gibt daher nur das Leben die Erfah-rung nicht das Denken Das Leben kann man nur durch dasLeben selbst keineswegs durch Spekulieren kennenlernenldquo (p9 ibid)7 bdquoDer Mensch kommt zu allem wozu er kommt nurdurch die Erfahrung durch das Leben selbstldquo (p 12 ibid)8Leben und Spekulation setzt daher F[ichte] aufs schaumlrfste ein-ander entgegen bdquoLeben und [d]i[e] Speku[lation] s[ind] nurdurcheinander bestimmbar Leben ist ganz eigentl[ich] Nicht-philosophieren philosophieren ist ganz eigentlich Nichtle-benldquo9 bdquoWorin man befangen ist was man selbst ist das kannman nicht erkennen Man muszlig aus ihm herausgehen auszligerhalbdesselben sich versetzen Dieses Herausgehen aus demwirkl[ichen] Leben dieser Standpunkt auszligerhalb desselben istd[ie] Spekulationldquo10 Die Philos[ophie] bringt nichts hervor 1 Im Ms folgt gestr Hieraus kann man nun einsehen die Laumlcherlich-

keit der Auffassung von F[ichte] wie sie gewoumlhnlich im Lebenvorkommt

2 Im Ms folgt ist3 Im Ms folgt und4 J G Fichte Sonnenklarer Bericht a a O S 385 Ebenda S 236 Ebenda S 237 Vgl ebenda S 98 Vgl ebenda S 129 I H Fichte Johann Gottlieb Fichtersquos Leben und litterarischer

Briefwechsel 2 Bd Sulzbach 1831 S 19110 Ebenda S 190

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erschafft nichts sie ist nur Nach-Konstruktion Nachbilden desurspruumlngl[ichen] Bewuszligts[eins] sie ist nur das Bewuszligtsein desBewuszligtseins sie leitet nur aus dem absoluten Prinzip des Be-wuszligts[eins] dem Ich ab was im Bewuszligtsein ist sie ist nurWissen des Wissens sie hat 1251 nicht unmittelbar realeObjekte zu ihrem Gegenstande sondern nur das Wissen vonden Objekten die Philos[ophie] ist darum Wissenschafts-Lehrenicht Weltweisheit bdquoSie konstruiert d[as] gesamte gemeinsame[Bewuszligtsein] aller vernuumlnft[igen] Wesen schlechthin a prioris[einen] Grundzuumlg[en] nach ebenso wie die Geometrie dieallgemeinen Begrenzungsweis[en] des Raums durch alle ver-nuumlnftig[en] Wesen schlechthin a priori konstruiert Sie hebt anvon der einfachsten und durchaus charakteristisch[en] Bestim-mung des Selbstbewuszligtseins der Anschauung oder Ichheit undgeht in der Voraussetzung daszlig d[as] vollstaumlndig bestimmteSelbstbew[uszligtsein] letztes Resultat aller andern Bestim-mung[en] des Bewuszligts[eins] sei fort bis dieses abgeleitet istldquo(p 127 Sonn[en]kl[arer] B[ericht])2 Durch freie Abstraktionbdquomuszlig jedoch erzeugt w[erden] d[as] Ich d[as] nicht im gemei-nen Bewuszligts[ein] gefunden w[ird] d[as] Ich des wirkl[ichen]Bewuszligts[eins] ist eine Person unter mehreren Personenldquo3 Die-ses Bewuszligtsein der Persoumlnlichkeit leitet d[ie] Wiss[enschafts-lehre] ab bdquoGanz etwas andres ist d[as] Ich von dem sie aus-geht es ist durchaus nichts weiter als die Identitaumlt des Bewuszligt-seienden und Bewuszligten und zu dieser Absonderung muszlig mansich erst durch Abstraktion von allem uumlbrigen in der Persoumln-lichkeit erhebenldquo4

Aus dem Bisherigen erhellt zur Genuumlge wie sinnlos5 dieje-nig[en] F[ichte] auffassen die die Saumltze die Dinge s[ind] le-diglich im Ich gesetzt sie sind Produkte des absoluten Ichs soverstehen als waumlren die Dinge nicht wenn ich sie nicht daumlchte 1 Am Rande r o Verweis auf XVI Vorlesung und Paginierung S 622 J G Fichte Sonnenklarer Bericht a a O S 1273 Vgl ebenda S 1344 Ebenda S 134-135 ndash Am Rande Unser System will nicht d[as]

gemeine und allein reelle Denken erweitern sondern es will dassel-be lediglich erschoumlpfend umfassen und darstellenldquo (an J[acobi])Unser philos[ophisches] Denken bedeutet nichts und hat nicht denmindesten Gehalt nur das in diesem Denken gedachte Denken be-deutet und hat Gehaltldquo [Vgl I H Fichte Johann Gottlieb FichtersquosLeben a a O S 188]

5 sinnlos absurd Korr im Ms

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als braumlchte ich wirklich jetzt in diesem Zeitmomente wo ichdenke diese Dinge hervor als stellte ich Tische und Baumlnke mitdem bloszligen Gedanken her Das Denken das sich [auf] Objektebezieht ist ein schlechthin bestimmtes und beschraumlnktes Den-ken ein unmittelbares Bewuszligtsein eine absolut bestimmteunfreie Anschauung ein Gegenstand entsteht ja uumlberhaupt nurdadurch daszlig das Ich s[eine] Unbeschraumlnktheit aufgibt sicheine Schranke s[einer] freien Taumltigkeit setzt es ist daher eineunbedingte Notwendigkeit daszlig ich die Dinge so und so und indiesem Zus[ammen]hange anschaue die Anschauung des Ob-jekts ist ja die Aufhebung schon die Negation des Denkensgedacht als unbestimmt und eingeschraumlnkt 126 des Denkenswie es eins ist mit dem sich selbst setzenden Ich Das Ich lei-det indem es das Objekt denkt oder in dem Bewuszligtsein seinerobjektiven Welt ist das Ich in dem Zustande des Leidens ge-bunden affiziert Wie abgeschmackt ist es daher dem Denkendie Freiheit und die Kraft des Schaffens und Hervorbringensder Objekte beizumessen Dem Denken wie es in der Wissen-schaftslehre und wie es vom Philosophen exerziert w[ird] demDenken wie es nicht d[as] Denken der Objekte sondern nurdas Denken des Denkens der Gegenstaumlnde nur das Be-wuszligts[ein] oder die Reflex[ion] uumlber das Bewuszligtsein d[er]Dinge [ist] so daszlig es Fichte wenn der Philos[oph] da auf demKatheder also diese Stube nicht daumlchte so wuumlrde sie ver-schwinden Eben dieses wenn und wenn nicht diese Moumlglich-keit des Einen oder Andern1 ist in dieser Sphaumlre ganz aufgeho-ben Es ist die Sphaumlre der Notwendigkeit oder AbhaumlngigkeitIch bin hier bestimmtes Ich in einem gesetzmaumlszligigen Zus[am-men]hang und das bestimmte Ich hat nur Realitaumlt durch einbestimmtes Objekt die Realitaumlt des bestimmten Ich und dieRealitaumlt des bestimmten Objekts ist identisch so daszlig die Ab-leitung der Realitaumlt der Dinge eins ist mit der Ableitung derRealitaumlt der Schranke der Bestimmtheit der Grenze d i alsodes bestimmten Ichs aus dem reinen Iche Man verwechseltalso hier wesentlich-verschiedene Sphaumlren

Die Fichtesche Philosophie hat dadurch daszlig sie nur dieSelbsttaumltigkeit in ihrer houmlchsten Potenz als Intelligenz alsSelbstbewuszligts[ein] als einzige Realitaumlt als die wahre Realitaumltmit unbeschraumlnkter Kraft ausspricht einen hohen geistigen undsittlichen Charakter bdquoDie Wissenschaftslehre gibt dem Geiste 1 Einen oder Andern Nicht-Denkens Korr im Ms

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nicht nur Aufmerksamkeit Gewandtheit Festigkeit sondernzugleich absolute Selbststaumlndigkeit indem sie ihn noumltigt mitsich selbst allein zu sein und in sich selbst zu wohnen und zuwaltenldquo (p 190 Sonnenkl[arer] Bericht)1 bdquoDurch die Wissen-schaftslehre kommt der Geist des Menschen zu sich selbst undruht von nun an auf sich selber ohne fremde Hilfe und wirdseiner durchaus maumlchtigldquo (p 192)2 Eben indem die FichteschePhil[osophie] das Selbstbewuszligtsein auf diese aumluszligerste Spitzetreibt und in dieser Schaumlrfe zum Prinzip erhebt fordert sieunmittelbar den Menschen dazu auf alle Kraumlfte in sich aufzu-raffen sich zu sammeln zu konzentrieren bei sich selbst zusein

1273 Ihr oberstes Prinz[ip] das spekulative Prinzip enthaumlltunmittelbar das absolute Gebot an den Menschen Sei wach-sam werde Deiner selbst bewuszligt Ein seiner selbst bewuszligterMensch ist aber zugleich ein freier wahrhafter im houmlchstenSinne sittlicher Mensch denn ein selbstbewuszligter M[ensch] istzugleich unmittelbar ein der hohen Idee der Realitaumlt des Gei-stes4 der Realitaumlt [der] Wahrheit selbst sich bewuszligter Mensch5

denn der Geist ist die Wahrheit des Lebens Und so war Fichteein durchaus seiner selbst bewuszligter wahrhafter freier reinidealer im gemeinsten und houmlchsten Sinne sittlicher MenschDenn was ist sittlich im houmlchsten Sinne Rein um der Wahrheitwillen nicht um seiner selbst willen leben Wahrhaftigkeit istdie houmlchste ja einzige Tugend6 ndash sie ist die Einheit der Er-kenntnis7 und der Handlung der Person und der Idee sie ist8

die unbedingte Bejahung einer houmlchsten einer absoluten IdeeDie Philos[ophie] F[ichte]s ging daher aus s[einem] Charakterhervor oder umgekehrt aber deswegen hat sie keinen subjekti-ven Char[akter] Ein im wahren Sinne groszliger Mensch ist einallgemeiner Mensch Ja die Idee selbst die dem Fichte zugrun-de liegt ist nichts andres als die Idee der Sittlichkeit in ihrer 1 Vgl J G Fichte Sonnenklarer Bericht a a O S 1902 Ebenda S 1923 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 634 Realitaumlt des Geistes Menschheit Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr

ein5 Im Ms am Rande gestr denn wo ist die Wahrheit wenn sie im

Innersten des Mensch[en] nicht existiert6 Im Ms folgt gestr zu sein was man denkt7 Im Ms folgt gestr der Idee8 sie ist oder Korr im Ms

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Absolutheit in ihrem houmlchsten Prinzip wo sie eins mit der1

Intelligenz ist gedacht Selbststaumlndigkeit und Sittlichk[eit]s[ind] identische Begriffe Ein von2 zufaumllligen Neigungen vonInteressen und Ruumlcksichten von den Auszligendingen bestimmterund abhaumlngiger M[ensch] ist ein unsittlicher nur ein auf sichselbst bestehender und beruhender M[ensch] nur ein Menschder durch sich selbst ist was er ist der sich selbst durchbildetin rastloser Taumltigkeit sich selbst schafft unbekuumlmmert um Loboder Tadel Nutzen oder Schaden nur ein freier M[ensch] istein sittlicher Und ein solcher Mann war Fichte Seine Wirkun-gen als Lehrer sind unberechenbar Er war ein3 Lehrer derdeutschen Nation Die hohe Kraft die die preuszligische Nationwaumlhr[end] des Freiheitskampfes entwickelte hat F[ichte] mitangefacht Die Wirkungen des Geistes fallen nicht so in dieAugen sie sind unberechenbar unbestimmbar deswegen nichtweniger wirksam Fichtes Reden an d[ie] deutsche Nations[ind] bekannt Er hielt furchtlos in Berlin durch []4 Ebendaher kam auch der Mangel Fichtes in Betreff s[einer] Weltan-schauung Die Welt ist ihm lediglich Objekt5 nur in ihrer6 Be-ziehung auf die Moralitaumlt das Nicht-Ich ist nur dazu da dasIch setzt sich nur darum einen Gegensatz um darin seinerselbst bewuszligt zu w[erden] um daran ein Medium zu habenseine Kraft zu exerzieren bdquoMeine Bestimmung istldquo sagtF[ichte] in der Bestimmung des M[enschen] bdquondash sittlich zuhandelnldquo7 bdquoMeine Welt ist ndash Objekt 128 und Sphaumlre meinerPflichten und absolut nichts anderes (p 210)8 bdquoDer Glaube andie Realitaumlt der Sinnenwelt entsteht nur aus [einem] Begriffevon einer moralischen Weltldquo (p 211)9 Die Freiheit bedarf 1 Im Ms folgt gestr Sittlichkeit2 Im Ms folgt gestr Auszligen ndash Im Ms folgt von3 ein unleserl Korr im Ms4 Er hielt durch[] Er hielt sie [] in Berlin A5 Im Ms folgt gestr als6 ihrer [so auch A] s[einer] Ms7 Vgl J G Fichte Die Bestimmung des Menschen Berlin 1800 S

210 ndash Am Rande bdquoNicht bloszliges Wissen sondern nach deinemWissen Tun ist deine Bestimmungldquo (p 182) [Ebenda S 182]bdquozum Handeln bist du da dein Handeln und allein dein Handelnbestimmt deinen Wertldquo [Ebenda S 183]

8 Ebenda S 2109 Vgl ebenda S 211 ndash Am Rande Drei Emanationen aus dem Jupi-

terskopfe der kritischen Vernunft Der Idealismus ndash die rein ethi-

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einer Sphaumlre zum Handeln bdquodiese Sphaumlre ist die wirklich undin der Tat vorhandene Welt so wie wir sie antreffenldquo (p 214)1bdquoDie praktische Vernunft ist die Wurzel aller Vernunft DieHandelsgesetze fuumlr vernuumlnftige Wesen s[ind] unmittelbar ge-wiszlig ihre Welt ist gewiszlig nur dadurch daszlig jene gewiszlig sindldquo2

bdquoDer Glaube an die Realitaumlt anderer mir gleicher Wesen wur-zelt3 im Gewissen das mir Pflichten gegen sie vorschreibt sohaumlngt an der prakt[ischen] Vernunft alle Realitaumltldquo4 Der BegriffGottes hat eben darum von diesem Standpunkt aus eine morali-sche Bedeutung In dem gemeinschaft[lich] mit Niethammerherausgegebnen philos[ophischen] Journal v[om] Jahre 1798lieferte F[ichte] eine Abhandl[ung] uumlber den Grund unsresGlaubens an eine moralische Weltordnung5 Diese zog ihm diefoumlrmliche Anklage als6 eines Atheisten zu bei d[em]saumlchs[ischen] Konsistorium F[ichte] stellt darin den Satz aufGott sei die Ordnung der Welt7 d h die lebendige ordnendewirkende Ordnung ordo ordinans Dies hat diesen Sinn DerMensch handelt d h er setzt sich seinen Zweck er will ihnrealisieren Dieser Zweck ist die Idee des Guten denn es han-delt sich ja nur um8 moral[ische] Handlung Die Handlung setztaber voraus den Glauben an das Gelingen des Zwecks an dieRealisierbarkeit Dieser Glauben aber setzt selbst wieder vor-aus den Glauben an eine Ordnung ein Gesetz eine Macht dieda bewirkt und bestimmt daszlig das Gute wirklich gelinge daszligdie Hindernisse die ihm entgegentreten verschwinden miteinem Worte der Glaube an Gott ist der Glaube an die Machtund Realitaumlt des Guten Die Praumldikate Sein Substanz koumlnnennach F[ichte] nicht von Gott angewendet w[erden] Nur Taumltig-keit ist Sein nach F[ichte] Sein im Sinne des Dogmatismus

sche Fichte ndash die aumlsthetische ndash Schelling ndash die metaphysische ndashuniversal geistige ndash die Hegel[sche Philosophie]

1 J G Fichte Die Bestimmung des Menschen a a O S 2142 Ebenda S 2153 Im Ms folgt gestr auf4 Zitat nicht nachgewiesen5 J G Fichte Uumlber den Grund unsers Glaubens an eine goumlttliche

Weltregierung In Philosophisches Journal Bd VIII Heft 1 Je-na ndash Leipzig 1798 S 1-20

6 als Fehlt in A7 Vgl J G Fichte Uumlber den Grund unsers Glaubens an eine goumlttli-

che Weltregierung a a O S 8-188 um von Ms A

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druumlckt nun bei F[ichte] einen fixen Zustand eine Schranke ausebenso Substanz Gott als Substanz denken heiszligt ihn endlichmachen er waumlre ein Ding Der Geist ist nicht Etwas Nur dieBarbarei konnte F[ichte] daher einen solchen Vorwurf machenDenn abgesehen davon daszlig unter Ordnung kein Abstraktumsondern die 1291 ordo ordinans zu verstehen war was istdenn das absolute Ich das lautere Taumltigkeit nur durch und aussich ist unabhaumlng[ig] das oberste Prinzip aller Dinge undPersonen ist2 In Wahrheit gedacht nichts andres als Gott Aufden Namen kommt es nicht an sondern auf den Begriff3 dieBestimmung den Inhalt darauf daszlig ich mit dem was ich alsErstes und Houmlchstes setze ob ich es nun Gott nenne oder nichtauch wirklich goumlttliche Begriffe und Bestimmungen verknuumlpfe

Noch haben wir eines Denkers zu erwaumlhnen der mit Kantund Fichte ein gemeinschaftl[iches] Prinzip der Philosophiehatte Es ist Friedr[ich] H[einrich] Jacobi4 Viele haben F[ichte]und Jacobi nur im Gegensatz gefaszligt Aber das ist falsch Da-durch unterscheidet er sich nur von Fichte daszlig5 das Ich6 nur alsPerson ihm Gegenstand und Prinzip ist daszlig er die Spekulationdaher ausschloszlig und verabscheute nur in dem7 mit der Personidentisch[en] Wissen in der8 unmittelbaren Uumlberzeug[ung] indem Gefuumlhle die Quelle der Realitaumlt den Born des wahrengoumlttlichen Lebens9 fand Der Standpunkt des Individuums derwo unmittelbar mit dem Ich ein Du ein Objekt gesetzt ist denF[ichte] aber ableitet aus dem houmlhern Standpunkt der Spekula-tion ist ihm der alleinige der primitive Standpunkt Dies istdie Wurzel ihrer Differenz wie ihrer Identitaumlt F[ichte] warfreier stand unendlich houmlher F[ichte] konnte daher auch denStandpunkt Jacobis anerkennen aber nicht J[acobi] den Stand-punkt F[ichte]s Dieser war fuumlr ihn weil s[einem] persoumlnlichenWesen widersprechend ein rein negativer F[ichte] schreibtselbst an J[acobi] [in einem Brief] vom J[ahre] 1795 bdquoich bin

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 642 Im Ms folgt gestr Was3 Im Ms folgt gestr auf4 Im Ms folgt gestr Am5 Im Ms folgt gestr er6 Im Ms folgt gestr nicht7 in dem an das Korr im Ms8 in der an die Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr faszligt

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erstaunt uumlber die auffallende Gleichfoumlrmigkeit unsrer philo-soph[ischen] Uumlberzeug[ungen]ldquo1 Vom Jahre 1796 bdquoWir stim-men ganz uumlberein Auch Sie suchen alle Wahrheit 130 wo ichsie suche im innersten Heiligtum unsres eignen Wesens Nurfoumlrdern Sie den Geist als Geist so sehr die menschl[iche] Spra-che es erlaubt zutage ich habe die Aufgabe ihn in der Formdes Systems aufzufassenldquo2

1 I H Fichte Johann Gottlieb Fichtersquos Leben a a O S 1802 Vgl ebenda S 184

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XVII Vorles[ung]1 [Schelling]2

Die Fichtesche Philosophie hatte kaum einige Jahre bestan-den als sich inmitten ihrer selbst im Innern derselben derGeist eine Richtung nahm die zunaumlchst als eine ihr rein entge-gengesetzte erscheint die Richtung auf das Objekt indem sielediglich in der Richtung auf den selbstbewuszligten Geist denman auch die Subjektivitaumlt nennt begriffen war Man kann dieFichtesche Philos[ophie] aber deswegen nicht eine einseitigenennen Einseitigkeit ist nur mit Beschraumlnktheit verbundenAber der Geist ist nichts Einseitiges Er ist unendlich mankann ihn nicht bejahen ohne die Dinge zu verneinen Um sichzu erfassen muszlig er sich nur auf sich konzentrieren In dieserKonzentration auf sich muszligte ihm die Realitaumlt des Objektsverschwinden Die Philos[ophien] haben uumlberh[aupt] nichteinseitige Gedanken zu ihren Prinzipien sondern unendlicheIdeen die Totalitaumlt sind die darum mit Ausschluszlig oder mit derVerneinung der entgegenstehenden Idee allein fuumlr sich alsPrinzipien ausgesprochen w[erden] koumlnnen

Indem nun aber das Objekt fixiert w[urde] oder der Geist dieRichtung auf das Objekt nahm muszlig d[as] Objekt selbst eineandere Bedeutung erhalten denn eben schon die Richtung aufes ging ja aus einem besonderen Interesse an ihm hervorF[ichte] bezog das Objekt nur auf das Ich Es ist nur fuumlr einIch nicht fuumlr sich Allein indem ich das Objekt zum Gegen-stande mache so beziehe ich 1313 indem ich dasselbe aufmein Ich beziehe zugleich das Objekt auf sich selbst oder dieBeziehung des Gegenstandes auf mein Bewuszligtsein ist umge-kehrt zugleich die Beziehung meines Bewuszligtseins auf denGegenstand Das Fuumlrunssein des Gegenstandes ist keineswegsdie Negation seines Ansich- und Fuumlrsichseins er ist wesentlichObjekt des Bewuszligtseins aber dessen ungeachtet an sich selberreal denn kann ich einen Gegenstand auf mein Bewuszligts[ein]beziehen ihn gleichsam subjektiv machen ohne mein Be-wuszligts[ein] auf ihn zu beziehen mein Bewuszligts[ein] objektiv zumachen ohne ihm also wieder zuruumlckzugeben was ich schein-bar genommen habe dadurch daszlig ich ihn versubjektiviereKurz mein Bewuszligtsein des Gegenstandes ist die Zuruumlckbezie- 1 Am Rande l Verweis auf XVII Vorlesung2 So auch A3 Am Rande r o Verweis auf XVII Vorlesung

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hung des Gegenstandes auf sich selbst Ein Beispiel Das reineWasser ist farblos und geschmacklos Farbe und Geschmacksind Affektionen meines Bewuszligtseins zuvoumlrderst meinesGaumens meiner Sehnerven Beziehungen Relationen aufmich sind die Beschaffenheiten sie sind Praumldikate die ich demObjekt beilege weil es1 mich so und so affiziert Allein in die-sen Beziehungen auf mich bezieht sich der Gegenstand aufsich er unterscheidet sich dadurch von andern ich mache dieseWeisen wie mich d[er] Gegenstand affiziert zu EigenschaftenPraumldikaten eines Subjekts Das Ding ist nicht nur so fuumlr michsondern es ist so fuumlr mich weil an sich dieses So unabhaumlngigvon mir im Dinge liegt Wir unterscheiden die Dinge durch2 dieBeschaffenheiten die wir vermittelst der Sinne an ihnen wahr-nehmen es sind insofern subjektive Bestimmungen Eindruumlckedurch die wir sie unterscheiden aber warum3 [macht] ein Ge-genstand nur diese bestimmten Eindruumlcke auf uns und keineandern Sie liegen also im Objekte an sich selber sie sindFaksimile die Zuumlge ihres Namens die sie mit eigner Handniederschreiben 132 sie sind Selbst-Bejahungen und -Bekraumlf-tigungen der Objekte Das Objekt stellt sich mir indem ich esmit meinem Geiste fixiere als kein totes Auge dar sondern alsein Auge aus dem eine Seele mir entgegenspricht Meine Be-hauptungen von dem Gegenstande ndash selbst die sinnlichen Be-schaffenheiten sind ja Behauptungen wie wenn ich den suumlszligenGeschmack behaupte vom Zucker ndash sind Behauptungen dieich in seinem eignen Namen tue die er selbst bekraumlftigt unter-zeichnet ich spreche sie nur aus weil er stumm ist aber ichspreche nur aus was ihm selbst im Sinne liegt was seine An-gelegenheit ist ich behaupte nur vom Gegenstande was4 ervon sich selbst behauptet Das Empfinden das Denken miteinem Worte das Bewuszligtsein des Objekts des Realen desSeins ist nichts anderes als die Behauptung BekraumlftigungAffirmation die Bejahung des Objekts ndash das Fuumlrunssein desObjekts ist zugleich sein Fuumlrsichsein ndash das Bewuszligtsein desGegenstandes eigentlich nichts anderes als das Sichselbst Ob-jekt5 sein des Gegenstandes So entsteht uns also aus dem

1 es [so auch A] er Ms2 Im Ms folgt gestr unsere Sinn3 Im Ms folgt auch Fehlt in A4 was was A5 -Objekt -gegen Korr im Ms

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Fichte die Lehre von der Einheit des Denkens und Seins des1

Subjektiven und Objektiven des Idealen und Realen des Dingsfuumlr uns und des Dings an sich die Lehre die Schelling aus-sprach Das Denken ist nur das Sagen dessen was der Gegen-stand selbst ist in sich hat aber nicht sagen kann es benenntnur das Objekt

Die Schellingsche Philos[ophie] ergab sich aus der Fichte-schen mit leichter Muumlhe koumlnnte man sagen Das Objekt vondem wir eben sprachen ist naumlher die Natur Das Objekt ist nurProdukt des Geistes der Intelligenz des Ichs Es ist nichts alsdas verobjektivierte Ich die Natur ist nichts als die sinnlicheAnschauung des Geistes von sich selbst wie das Bewuszligtseins[eine] intellektuelle Anschauung von sich ist bdquoDie 1332

Dinge erscheinen Dir nicht durch einen Repraumlsentantenldquo sagtFichte bdquodes Dings das da ist und sein kann wirst Du Dir un-mittelbar bewuszligt und es gibt kein anderes Ding als das des-sen Du Dir bewuszligt bist Du selbst bist dieses Ding Du selbstbist durch den innersten Grund Deines Wesens Deine End-lichkeit vor Dir selbst hingestellt und aus Dir selbst herausge-worfen und alles was Du auszliger Dir erblickst bist immer Duselbst Man hat dieses Bewuszligtsein sehr passend Anschauunggenannt In allem Bewuszligtsein schaue ich mich selbst an dennich bin Ich Fuumlr das Subjektive das Bewuszligtseiende3 ist esAnschauung Und das Objektive das Angeschaute und Be-wuszligte bin4 abermals ich selbst dasselbe Ich welches auch dasanschauende ist ndash nur eben objektiv vorschwebend dem Sub-jektiven In dieser Ruumlcksicht ist dieses Bewuszligtsein ein taumltigesHinschauen dessen was ich anschaue ein Herausschauen mei-ner selbst aus mir selbst Heraustragen meiner selbst durchd[ie] einzige5 Weise des Handelns die mir zukommt durchd[as] Schauen Ich bin ein lebendiges Sehen Darum ist auchdieses Ding dem Auge Deines Geistes durchaus durchsichtigweil es Dein Geist selbst istldquo (p 137 Bestimmung des Men-schen 1800)6 Ich erblicke also im Objekte nur1 Intelligenz es

1 des von Korr im Ms2 Am Rande r o Verweis auf XVII Vorlesung3 Bewuszligtseiende Bewuszligtseiende A4 Im Ms folgt gestr ich5 einzige [so auch A] einige Ms6 J G Fichte Die Bestimmung des Menschen Berlin 1800 S 136-

137

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ist nichts als der entaumluszligerte Geist es ist also selbst Geist Esdarf also nur das Angeschaute fuumlr sich selbst als real gefaszligtw[erden] so haben wir die Schellingsche NaturphilosophiebdquoDie Natur ist nur der sichtbare Organismus unsres Verstan-desldquo (p 32 Einleitung zu einem Entwurf3 eines Systems derNaturphilosophie 1799)4 Wenn die Natur aus der Intelligenzentsprungen ist so muszlig ich ja auch von der Natur aus auf dieIntelligenz zuruumlckkommen Versuchen wir also einmal denumgekehrten Weg 134 des Idealismus fangen wir von derNatur an und steigen von ihr zum Geiste auf Fangen wir abervon ihr an so ist die Natur unmittelbar vorausgesetzt als das5

Reale aber sie ist zugleich das Ideal-Reale kein Reales ohneIntelligenz So ungefaumlhr muumlssen wir die Entstehung des Schel-lingschen Systems uns denken Schelling ist nichts als der aussich hinausgeworfne der vor sich selbst hinausgeschaute und -gestellte Fichte Es darf nur das was F[ichte] als negativ setzteals positiv gesetzt w[erden] so haben wir Schell[ing] DieUnrealitaumlt der Natur besteht bei F[ichte] darin daszlig die Naturnichts ist als die Anschauung der Intelligenz bei Schell[ing]aber gerade darin ihre Realitaumlt Denken wir uns das Verhaumlltnisdes Geistes zur Natur unter dem Verhaumlltnis zweier Personenzueinander Die eine6 sagt zu einer andern Person Du bist meinAlter Ego mein rdquoAλλος Ἐγώ mein anderes Ich ich erblickenichts in Dir als mich selbst Du bist ein Ausfluszlig meinerselbst ein Abglanz meines Geistes Du bist nichts fuumlr Dich

1 Im Ms folgt gestr in meinem Leibe meine2 3 8 Korr im Ms3 Im Ms folgt eines Natur4 Vgl F W J Schelling Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems

der Naturphilosophie Oder Ueber den Begriff der speculativenPhysik und die innere Organisation eines Systems dieser Wissen-schaft Jena ndash Leipzig 1799 S 3 ndash Am Rande bdquoWenn nach Prinzi-pien der transzendent[alen] derselben [Philosophie] alles was istKonstruktion des Geistes ist so ist das [Im Ms folgt gestr Selbst]Sein selbst nichts andres als d[as] Konstruieren selbst oder da Kon-struktion nur uumlberh[aupt] als Taumltigkeit vorstellbar ist d[ie] houmlchstekonstruierende Taumltigkeitldquo (p 4 Entwurf eines Systems d[er] Natur-phil[osophie]) [Vgl F W J Schelling Erster Entwurf eines Sy-stems der Naturphilosophie Zum Behuf seiner Vorlesungen Jena ndashLeipzig 1799 S 4]

5 das Im Ms irrtuumlmlich gestr6 die eine der Eine Korr im Ms

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nichts besonderes Du bist mein Ego selbst so spricht F[ichte]zur Natur Aber erstaunt uumlber die frappante Aumlhnlichkeit ruftdagegen Schell[ing] aus1 Du hast recht2 aber warum hebst Dunur das3 Ego nicht das Alter hervor Sie ist Dein Ego aberDein anderes und darum fuumlr sich reales von Dir unterschiede-nes Ich Sie ist Wesen von Deinem Wesen aber deswegennicht ein nicht reales Wesen Schelling trat4 daher keineswegsin ein negatives Verhaumlltnis zu F[ichte] er lieszlig den Idealismusals das Wahre bestehen er5 wollte nur den umgekehrten Wegeinschlagen und geltend machen Lange hielt man daher auchbeide fuumlr identisch so daszlig Hegel erst den Leuten die Augenoumlffnen muszligte durch s[eine] Schrift uumlber die Differenz zwischender Schellingschen und Fichteschen Philosophie6 Schell[ing]7

schrieb selbst uumlber das Ich eine Schrift Und s[ein] System destranszend[entalen] Idealismus vom Jahre 135 1800 beruhtungeachtet des entgegengesetzten Weges ganz noch auf denPrinzipien des Idealismus bdquoDie notwendige Tendenz allerNaturwissenschaft ist (p 3)8 von der Natur aufs Intelligente zukommen Die houmlchste Vervollkommnung der Naturwissen-schaft waumlre die vollkommene Vergeistig[ung] aller Naturgeset-ze zu Gesetzen des Anschauens und des Denkensldquo9 bdquoDas Ob-jektive zum ersten zu machen und das Subjektive daraus abzu-leiten ist Aufgabe der Naturphilosophieldquo (p 6)10 bdquoDie Tran-szend[ental]philos[ophie] hat die entgegengesetzte Richtung

1 Im Ms folgt gestr Nein2 Im Ms folgt gestr sie ist der Alter Ego3 Im Ms folgt gestr Alter4 trat wollte Korr im Ms5 er aber Korr im Ms6 Vgl G W F Hegel Differenz des Fichtersquoschen und Schellingschen

Systems der Philosophie In Beziehung auf Reinholds Beytraumlge zurleichtern Uumlbersicht des Zustands der Philosophie zu Anfang des 19Jahrhunderts Jena 1801

7 Schell[ing] Fichte Korr im Ms8 Im Ms folgt ist9 Vgl F W J Schelling System des transscendentalen Idealismus

Tuumlbingen 1800 S 3-410 Vgl ebenda S 6 ndash Am Rande In den spaumltern Schriften

Sch[ellings] vermissen wir jene frische [] Kraft die in s[einen]idealistischen [Werken] ihn auszeichnete ndash erst spaumlter spinnt er sich[] ein [und] verpuppt sich in mystische penseacutees confuses [verwor-rene Vorstellungen]

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vom Subjektiven als vom Ersten und Absoluten auszugehenund das Objektive aus ihm entstehen zu lassen In die beidenmoumlglichen Richtungen haben sich alle Natur- und Transzen-d[ental]phil[osophien] gestellt Alle Philos[ophie] muszlig daraufausgehen1 entw[eder] aus der Natur eine Intelligenz oder ausder Intelligenz eine Natur zu machen Zwei notwendige Grund-wissenschaften hat darum die Philosophieldquo2 bdquoIn der Transzen-d[ental]phil[osophie] ist das Subjektive einziger Grund allerRealitaumlt einziges Erklaumlrungsprinzip alles andernldquo3 Die Natur-philos[ophie] abstrahiert aber vom Ich bdquoDer Grund daszlig auchsolche die den Idealism[us] wohl gefaszligt haben die Natur-philos[ophie] nicht begreifen ist weil es ihnen schwer oderunmoumlglich ist sich von dem Subjektiven der intellektuellenAnschauung loszureiszligen Ich fordere zum Behufe der Natur-philos[ophie] die intellektuelle Anschauung wie sie in derWissenschaftslehre gefordert w[ird] ich fordere aber auszligerdemnoch die Abstraktion von dem Anschauenden in dieser An-schauung eine Abstraktion welche mir das rein Objektivedieses Akts zuruumlcklaumlszligt welches an sich bloszlig Subjekt-Objektkeineswegs aber = Ich istldquo (Zeitsch[rift] fuumlr spekul[ative] Phy-sik)4 Eben hierin haben wir wieder einen AusgangspunktOberstes Prinzip ist bei F[ichte] das Subjekt-Objekt nur be-stimmt es F[ichte] als Ich 136 es durfte also nur vom Ichabstrahiert w[erden] das Subjekt-Objekt fuumlr sich gedachtw[erden] bdquoDie Natur ist daher nicht bloszliges Objekt sie istSubjekt-Objektldquo5 bdquoMir ist d[as] Objektive selbst ein zugleichIdeelles und Reelles beides ist nie getrennt sondern urspruumlng-lich (auch in der Natur) beisammen dieses Ideal-Reale w[ird]zum Objektiven nur durch d[as] entstehende Bewuszligtsein inwelchem das Subjektive sich zur houmlhern (theoretischen) Potenzerhebtldquo6 Die Natur aber so gefaszligt so [ist] sie nicht mehr blo- 1 darauf ausgehen [So auch A] daraus aufgehen Ms2 Vgl F W J Schelling System des transscendentalen Idealismus a

a O S 6-73 Vgl ebenda S 7-84 Vgl F W J Schelling Anhang zu dem Aufsatz des Herrn Eschen-

mayer betreffend den wahren Begriff der Naturphilosophie und dierichtige Art ihre Probleme aufzuloumlsen In Zeitschrift fuumlr speculativePhysik hrsg von F W J Schelling Jena ndash Leipzig 1801 ZweytenBandes erstes Heft III S 122

5 Vgl ebenda S 125-1266 Vgl ebenda S 121

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szliges Produkt sondern selbst hervorbringend produktiv eineselbsttaumltige selbstwirkende schaffende Kraft und Wesenheit1

bdquoEs reicht keineswegs hin zu behauptenldquo sagt er in s[einer]Freiheit[sschrift] bdquodaszlig Taumltigkeit Leben und Freiheit allein daswahrhaft Wirkliche seien womit auch der subjektive Idealis-mus Fichtes bestehen mag es w[ird] vielmehr gefordert auchumgekehrt zu zeigen daszlig alles Wirkliche (die Natur die Weltder Dinge) Taumltigkeit Leben und Freiheit zum Grunde habeoder im Fichteschen Ausdruck daszlig nicht allein die Ichheitalles sondern auch umgekehrt alles Ichheit seildquo2 Reflektierenwir nun aber daruumlber nach daszlig die Natur nichts ist als die an-geschaute Intelligenz der3 Geist die sich anschauende Intelli-genz ndash dies ist der erste und bedeutendste Schritt von F[ichte]zu Schelling ndash daszlig aber die Natur ndash und jetzt4 trennen wir unsweiter von F[ichte] ndash nicht bloszlig angeschaute Intellig[enz] d ials Objekt als reines Passivum sondern als ein Aktivum alsselbst Intelligenz als selbst Taumltigkeit gefaszligt w[erden] muszlig undist daszlig wir also im Realen auch das Ideale zu erkennen habenso kommen wir notwendig auf den Gedanken oder er ist schondamit ausgesprochen Der Geist und die Natur sind identischauf den Gedanken der absoluten Identitaumlt oder Einheit DieNatur ist die bewuszligtlose Intelligenz der Geist die bewuszligte bdquoEsgibt eine bewuszligtlose aber der bewuszligten urspruumlnglich ver-wandte Produktivitaumlt deren bloszligen Reflex wir in der Natursehenldquo ([p] 3)5 bdquoDie Regelmaumlszligigkeit in allen Bewegungender Natur die erhabne Geometrie welche in den Bewegungender Himmelskoumlrper aus137geuumlbt wird wird nicht darauserklaumlrt daszlig die Natur die vollkommenste Geometrie sondernumgekehrt daraus daszlig die vollkommenste Geometrie das Pro-duzierende der Natur ist durch welche Erklaumlrungsart das Re-elle selbst in die ideelle Welt versetzt w[ird] und jene Bewe-gungen in Anschauungen die nur in uns selbst vorgehen und

1 Im Ms folgt gestr Die Natur ist Ich aber ein selbstbestehendes []2 Vgl F W J Schelling Philosophische Untersuchungen uumlber das

Wesen der menschlichen Freyheit und die damit zusammenhaumlngen-den Gegenstaumlnde In F W J Schellingrsquos philosophische SchriftenErster Band Landshut 1809 S 420

3 der das Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr kommen5 Vgl F W J Schelling Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems

der Naturphilosophie a a O S 3

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denen nichts auszliger uns entspricht verwandelt1 w[erden]ldquo(Einleitung zu einem Entw[urf])2 bdquoDie Natur als Ganzes so-wohl als in ihren einzelnen Produkten erscheint als ein3 mitBewuszligtsein hervorgebrachtes Werk und doch zugleich alsProdukt des blindesten Mechanismus sie ist zweckmaumlszligig ohnezweckmaumlszligig erklaumlrbar zu seinldquo (p 17 Transzend[entalphilo-sophie])4 In s[einer] Transzend[entalphilosophie] verfaumlhrt umdiese Identitaumlt herauszubringen Schell[ing] also Das Ich ist insich selbst entgegengesetzte Taumltigkeiten enthaltend Die Vor-stellung und den Willen Der Wille ist nichts anderes als dieKraft des Geistes einen Gegenstand nach Vorstellungen zubestimmen die Vorstellung aber die Kraft nach dem Gegen-stande sich zu richten Wie kann also zugleich die objektiveWelt nach Vorstellungen in uns und [die] Vorstellungen in unsnach der objektiven Welt sich bequemen Wie ist dieser Wi-derspruch zu loumlsen Nur dadurch daszlig bdquozwischen der reellenund ideellen Welt eine sbquovorherbestimmte Harmonielsquo existiertldquo5

Diese selbst aber ist nicht erklaumlrbar bdquowenn nicht die Taumltigkeitdurch welche die objektive Welt produziert ist urspruumlngl[ich]identisch ist mit der welche im Wollen sich aumluszligert und umge-kehrtldquo6 bdquoDieselbe Taumltigkeit welche im freien Handeln mitBewuszligtsein produktiv ist ist im Produzieren der Welt produk-tiv ohne Bewuszligtseinldquo7 Die Transzendentalphilos[ophie] diedie Aufgabe hat alles im Ich zu finden hat daher nachzuwei-sen den Ort wo im Ich beide Taumltigkeiten verknuumlpft sind DieseEinheit der bewuszligt[en] und bewuszligtlosen Taumltigkeit 138 ist dieaumlsthetische oder kuumlnstlerische bdquoDer Vereinigungspunkt dertheoretischen und praktischen Philos[ophie] ist die Teleologieoder die Philosophie der Naturzweckeldquo8 denn der Zweck ist jaein Produkt der bewuszligtlosen Taumltigkeit das aber erscheint []als ein Produkt des Bewuszligtseins Es ist also die Identitaumlt zuder sich Schell[ing] erhebt und die er als das Prinzip der Philo- 1 verwandelt [So auch A] verwandeln Ms2 Vgl F W J Schelling Einleitung zu seinem Entwurf eines Systems

der Naturphilosophie a a O S 23 Im Ms folgt gestr Produkt4 Vgl F W J Schelling System des transscendentalen Idealismus a

a O S 175 Vgl ebenda S 166 Ebenda S 16-177 Vgl ebenda S 178 Vgl ebenda S 17-18

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sophie setzt1 bdquoEs ist dieselbe und gleiche absolute Identitaumltdie2 als Subjekt und Objekt gesetzt istldquo3 bdquoEs findet zwischenSubjekt und Objekt an sich kein Gegensatz stattldquo4 bdquoZwischenSubj[ekt] und Objekt ist keine andere als quantitative Differenzmoumlglichldquo5 bdquoDiese quantitative Differenz ist nur in Ansehungdes einzelnen Seins nicht aber an sich oder in Ansehung derabsoluten Totalitaumlt denkbarldquo6 bdquoSie ist der Grund aller Endlich-keitldquo7 bdquoAn sich d h dem Wesen nach ist daher nichts Endli-chesldquo8 bdquoAlles was ist ist an sich eins Alles was ist ist dieabsolute Identitaumlt selbstldquo9 bdquoEs gibt kein einzelnes Sein odereinzelnes Ding an sichldquo10 Sch[elling] meint11 deswegen dieabsolute Identitaumlt die absolute Indifferenz Gleichguumlltigkeitgegen den Unterschied Es erhellt daszlig Schelling zu Brunodem er ja bekanntlich auch eine Schrift zu Ehren schrieb12 undSpinoza zuruumlckkehrt Er spricht sich hieruumlber selber in s[einer]Schrift uumlber d[as] Wesen der menschl[ichen] Freiheit 1809 alsoaus []13

1 Im Ms folgt gestr Diese2 Im Ms folgt gestr der Form nach3 Vgl F W J Schelling Darstellung meines Systems der Wissen-

schaft In Zeitschrift fuumlr speculative Physik hrsg von F W JSchelling Jena ndash Leipzig 1801 Zweyten Bandes zweytes Heft sect 22S 13

4 Ebenda sect 22 S 135 Ebenda sect 22 S 136 Vgl ebenda sect 22 S 137 Ebenda sect 37 S 228 Vgl F W J Schelling Darstellung meines Systems der Wissen-

schaft a a O sect 14 S 89 Vgl ebenda sect 12 S 710 Vgl F W J Schelling Darstellung meines Systems der Wissen-

schaft a a O sect 28 S 1611 meint nimmt A12 Vgl F W J Schelling Bruno oder uumlber das goumlttliche und natuumlrli-

che Princip der Dinge Ein Gespraumlch Berlin 180213 Vgl F W J Schelling Philosophische Untersuchungen uumlber das

Wesen der menschlichen Freyheit a a O ndash Der Text bricht ab ndashEs ist also die Identitaumlt aus Text mit Bleistift geschr

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XVIII [Vorlesung]1 [Schelling Hegel]2

139 Es gibt nur eine wahre Philosophie diese ist der Idea-lismus Es gibt nur einen Gedanken Er ist der Gedanke desGeistes Was nicht Geist ist ist Nichts Was Wahrheit ist be-staumltigt sich im Leben bestaumltigt sich im gemeinsten MenschenAber im Gemeinen w[ird] die Wahrheit selbst Gemeinheit So3

bestaumltigt sich denn auch im Leben die Wahrheit des Idealismusaber des subjektiven wo der Geist die Dinge nur als selbst- undwesenlose Dinge betrachtet4 Was sind dem Menschen diegemeinen Objekte des Lebens Sie sind ihm Mittel An sichsind sie ihm nichts sie haben ihm nur Wert fuumlr seine ZweckeDie Wahrheit die dem houmlhern M[enschen] als Gedanke Ge-genstand w[ird] w[ird] dem nicht denkenden M[enschen] imWillen in der Praxis Gegenstand Das Interesse der Genuszlig istihm das Reale Aber der Genuszlig das Interesse ist der Idealis-mus der Dinge er ist das Absolute das Houmlchste wie sie als dasGemeinste erscheinen Der Genuszlig zerstoumlrt das Objekt in ihmw[ird] d[as] Individuum die Erscheinung des Geistes seinerselbst gewiszlig Das Interesse entreiszligt der Tiefe die edelsten undentlegensten5 Stoffe6 die sie sorgfaumlltig in sich verbirgt7 undschmilzt sie8 die die Erde mit den Banden der Schwere an sichfesthaumllt in Muumlnzen um denen er sein Bild das Wappen9

s[einer] Majestaumlt aber10 ebenso auch den11 Schmutz s[einer]Finger das Bild d[es] menschl[ichen] Elends aufdruumlcktschmilzt das gediegne Metall in Geld um12 liefert [es] demMenschen in die Hand so daszlig es von einer zur andern gehtwas mit ehernen Banden durch das Gesetz der Schwere an dieTiefe der Erde gebunden ist es beugt das harte Eisen zu einem

1 Am Rande r o Verweis auf XVIII Vorlesung 2 So auch A3 Im Ms folgt gestr sich4 Im Ms folgt gestr Aber5 Tiefe entlegensten Erde ihre geheimsten Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr es7 in verbirgt in der Tiefe verbirgt Korr im Ms8 und sie Unleserl Korr im Ms9 sein Wappen ebenso das Siegel Korr im Ms10 aber unleserl Korr im Ms11 auch den unleserl Korr im Ms12 Im Ms folgt gestr nach dem

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nuumltzlichen Instrument um es rodet Waumllder und Suumlmpfe aus esverackert den Boden1 setzt dem Meere selbst Grenzen ver-breitet uumlber den ganzen Erdkreis was die Natur nur da unddorthin gesaumlt hat bestimmt selbst das unbestimmbarste feinsteallmaumlchtigste lebendigste2 Wesen der Natur die Luft die At-mosphaumlre veraumlndert sie Der Genuszlig zerstoumlrt die Dinge scho-nungslos die Natur ist ihm nur ein Leckerbissen s[eines] Gau-mens der Duft der Blumen bloszlig Weihrauch der ihm gestreutw[ird] Selbst die Anschauung der Natur ist nur ein Genuszligderselben Wir freuen uns nur ihrer weil sie uns entzuumlckt Sobezieht der Mensch alles auf sich er ist ein Alchimist der ausallen Dingen den edelsten Stoff zieht den Stoff desmenschl[ichen] des geistigen Lebens der sie alle verwandeltin nuumltzliche Mittel Er erfaszligt sich als den3 Zweck aller Dinge ndasher ist es denn er ist das absolute Ich als Natursubjekt Die ab-solute Form des Idealismus ist daher daszlig alle Dinge um desMenschen willen seien Aber dieser Idealismus ist ein unreinersubjektiver roher Der Idealismus ist der Endzweck der Welt-geschichte ndash das Prinzip des Lebens nur daszlig er hier als Interes-se Zweck Nutzen Genuszlig erscheint

1404 Allerdings ist der M[ensch] der Endzweck der Dingeaber nur gedacht uumlberhaupt als ein5 theoretisches ein schauen-des bewuszligtes empfindendes Wesen gedacht nicht als einsubjektives sich auf s[eine] Zwecke beziehendes Wesen son-dern in seiner Einheit mit dem6 Sein so daszlig das Sein um desM[enschen] willen seiend zugleich7 um seiner selbst willen istWenn ich den M[enschen] so denke so kann ich nicht fragenwozu ist der M[ensch] was ist s[eine] Bestimmung Wozu istder Mensch gedacht uumlberhaupt als ein empfindendes bewuszlig-tes Wesen Was ist s[eine] Bestimmung Diese Frage ist einsmit der Frage was ist die Bestimmung des Seins Die Frageaber ist toumlricht denn das Sein ist um seiner willen es ist dasabsolut Positive frage ich nach dem Zwecke eines Dings so

1 verackert Boden durchpfluumlgt [] die Erde Korr im Ms2 lebendigste koboldartige Korr im Ms3 Er den Der Mensch ist Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Der Mensch ist eben sowohl um des Seins als

das Sein um des M[enschen] willen5 ein Hervorgehoben im Ms6 Im Ms folgt gestr Menschen7 Im Ms folgt gestr als

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frage ich worin liegt s[eine] Realitaumlt s[ein] Positives Aberwie kann ich darnach beim Sein fragen Was ist nun aber1 dasSein wenn es nicht sich ist wenn es nicht Genuszlig nicht Ge-fuumlhl nicht Bewuszligtsein nicht Mensch ist Denn der Mensch istdas seiner selbst bewuszligte Sein Der Mensch stellt auf demgewoumlhnlichen Standpunkt2 das Empfundene das Bewuszligte alsgegen das Bewuszligtsein gleichguumlltiges Objekt sich gegenuumlberAber das gilt nur von dem bestimmten Gegenstand dem be-stimmten Menschen nicht von dem Menschen an sich dennein bestimmter M[ensch] kann sein und kann nicht sein abernicht so der Mensch an sich er ist ewig in der Idee des Welt-alls notwendig im Wesen der Dinge gegruumlndet Er ist das sei-ner selbst gewisse und bewuszligte das sich empfindende3 dassich selber seiende und schauende Sein4 Das Sein ohne Be-wuszligtsein ist nichts Aber davon abgesehen von dieser Bezie-hung auf d[as] Sein uumlberhaupt So wahr und gewiszlig die Existenzdes5 Menschen ist so wahr und gewiszlig ist der IdealismusKannst Du zweifeln daszlig Du bist Ist Dir Deine Existenz nichtunbezweifelbar gewiszlig Kannst Du Deine Existenz aber vomBewuszligtsein unterscheiden Ist sie nicht eins mit ihm Ja ist esnicht selbst Dein Sein Kannst Du also zweifeln an der Wahr-heit des Cartesisch-6Fichteschen Prinzips Was ist der Dichterals ein begeisterter Redner im Namen der ganzen Menschheitals ein Verkuumlnder der Wahrheit wie sie im Gefuumlhl in derPhantasie waltet Und was ist7 das Thema ihrer Lieder als derKlage oder Freudenruf was ist das Leben ohne Liebe Was istaber die Liebe Idealismus sie verknuumlpft Getrenntes hebt dieselbststaumlndige Existenz des Auszligenwesens auf sie macht auszwei Wesen ein Wesen und widerspricht darum dem gemeinenMenschenverstande nicht weniger als der Idealismus Selbst inder Natur haben wir ein Zeugnis von der Realitaumlt des Idealis-mus er faumlllt uns hier in 1418 die Augen Es ist das Licht9 Das 1 Was aber Aber was ist Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr des Lebens3 empfindende Im Ms nur teilw unterstr4 Im Ms folgt gestr Was ist also5 des zw Korr im Ms6 Kannst Cartesich- Eine groszlige urspruumlngliche Wahrheit hat daher

Cartesius daszlig Korr im Ms7 Und ist Was ist aber Korr im Ms fehlt in A8 Am Rande r o Verweis auf 18ste Vorl[esung]9 Licht Licht Korr im Ms

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Licht ist das idealste Naturwesen es ist nicht an die Schweregebunden es ist imponderabel seine Bewegung ist von soauszligerordentlicher Schnelligkeit daszlig es beinahe fuumlr keine Be-wegung mehr zu achten ist die Grenzen des Raumes die Weiteder Entfernung hat daher fuumlr es keine Realitaumlt mehr Was waumlredie Natur ohne Licht Eine absolute Finsternis aber eine ab-solute Finsternis ist vom Tode vom Nichts1 nicht zu unter-scheiden Erst das Licht unterscheidet spezifiziert Es ist dasPrinzip alles Lebens aller Bewegung wie wir dies deutlich anden Pflanzen Tieren sehen2 viele Tiere leben3 zwar nur beiNacht in Bewegung aber die Nacht ist kein absolutes Dunkeldeswegen kann auch das Auge vieler Tiere in ihr sehen DiePhysik leitet das Licht aus der Bewegung ab aber es ist viel-mehr eins mit der Bewegung D[ie] Phys[ik] betrachtet nur dasLicht in der Erscheinung dieses bestimmte Licht wie es vonder Sonne auf uns einstroumlmt und wie es modifiziert auf derErde wirkt Aber d[as] Licht ist universelles Wesen4 nur durchdas Licht verkuumlndet uns ja der Himmel sein Dasein Es ist dasBand aller Wesen Aber was ist das Licht ohne Auge dassieht Erhellung und Sehen koumlnnen wir gar nicht unterschei-den Wir koumlnnen uns nicht einmal denken Licht ohne Seheneinbilden koumlnnen wir es uns wohl aber nicht denken Es isteine bloszlige Taumluschung Das Licht macht sichtbar d h es machtdie Materie zum Objekt des Auges und ist darum das ersteUnterscheidungsprinzip der Materie Das Licht ist die Erschei-nung des Bewuszligtseins es ist die Kraft des Bewuszligtseins selbstals Naturkraft der versinnlichte Geist es ist die Wahrheit desIdealismus als sinnliches Faktum wie die Liebe die Wahrheitdes Idealism[us] als persoumlnliche Empfindung ist

Alle wahre Philosophie ist Idealismus Der5 Idealismus istnichts als der seiner selbst bewuszligte Pantheismus Der Pan-th[eismus] nichts als ein unbewuszligter Idealismus Der Panthe-is[mus] ist Idealism[us] denn er hebt das sinnliche Bestehender Dinge auf er identifiziert sie er idealisiert sie er sagt imWesen sind sie identisch Er setzt ein Wesen das alle Wesenist Aber dieses eine Wesen das alle Wesen ist das ist die

1 Nichts Unleserl Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr denn obgleich3 Im Ms folgt ist4 Wesen [so auch A] Wesens Ms5 Im Ms folgt gestr Pantheismus

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Seele das ist der Geist Der Geist ist kein besonderes keinbeschraumlnktes Wesen 142 dann waumlre er ein sinnliches Dingwie Luft Wasser er ist unendliches Wesen aber ein unendli-ches Wesen ist All-Wesen ist ein pantheistisches Wesen Blei-ben wir selbst auf dem Standpunkt Kants jede Kategorie jederBegriff ist die Einheit des Vielen und Mannigfaltigen wiekoumlnnte aber der Geist die Einheit eines Besondern eine be-stimmte Einheit sein oder in sich bilden wenn er nicht dieallgemeine die absolute Einheit waumlre Schon Aristoteles sagtDie Seele ist gewissermaszligen alles was ist1 und mit ihm dieneuplatonische Schule und nach ihrem Vorangang die tiefstenMystiker des Mittelalters Aber der Pantheism[us] erkenntnicht dieses alleinige Wesen als Geist er stellt es nur vor alsWesen er ist ein blinder Idealist ein Idealist in der Form desDogmatismus Der Panth[eismus] verstoumlszligt2 darum3 gegen denKopf des M[enschen] weil er nicht kommen kann zur wahr-haften Realisierung des Unterschieds Nur der Idealismus istdas Licht des Geistes das Licht ist aber wie das Verbindendedas Einende so das Unterscheidende Erst der sich als Idealis-mus begreifende Pantheismus versoumlhnt indem er die wesentli-chen Elemente des Lebens den Unterschied und die Einheitmiteinander verknuumlpft Fichte ist der seiner selbst bewuszligte4

Spinoza Es ist nur eine Substanz aber diese existiert nicht alsObjekt sondern als Ich ist nicht Sein sondern SelbsttaumltigkeitIntelligenz Aber wenn wir nicht von Sp[inoza] aus zu F[ichte]uumlbergehen oder nicht vom Panth[eismus] sondern vom Idea-lism[us] selbst ausgehen so ist der Idealismus zuvoumlrderst sei-ner nur als Idealismus sich bewuszligt F[ichte] sagt wohl zuSp[inoza] Was Du unter Deiner Substanz denkst das ist inWahrheit nur das Ich aber er behauptet nicht den Begriff derSubstantialitaumlt vom Geiste er negiert den Begriff der SubstanzEs5 ist darum subjektiver Idealismus die Welt erscheint hiernur als Negatives als Objekt fuumlr den moralischen Standpunktals die Sphaumlre aber zugleich auch als die Schranke der Frei-heit der Geist erblickt sich wohl im Realen es [ist] ihm nur ein

1 Vgl Aristoteles De anima In Operum philosophorum omnium hellip

T I Lugduni 1590 Cap VIII S 4032 verstoumlszligt hat Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr etwas4 selbst bewuszligte [so auch A] selbstbewuszligte Ms5 Es Er Ms A

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Bild der Intelligenz aber ein stoumlrendes Bild das er sich eigent-lich aus dem Sinne schlagen moumlchte Aber gleichwohl istF[ichte] der Mittelpunkt der neuern Philos[ophie] es bedurftenur einer Erweiterung des auf das Ich zusammengezognen Mit-telpunkts es be- 143 durfte nur der Synthese der Verknuumlp-fung des Begriffs der Substanz in dem Sinne wie Bruno undSpinoza sie an die Spitze der Philosophie stellten mit demBegriffe der Intelligenz es bedurfte nur daszlig der Idealismussich nicht mehr nur als Idealism[us] sondern als Pantheism[us]begriff um den subjektiven Id[ealismus] in den absolutenIdealismus zu verwandeln Schelling verknuumlpfte zuerst dieseBegriffe aber schwankend unbestimmt subjektiv nur in sei-ner Anschauung Er lieszlig bestehen das Fichtesche Ich er griffdie Sache nicht bei der Wurzel1 Er erweiterte nicht diesen Be-griff aus sich selbst er verknuumlpfte aumluszligerlich die Anschauungder Natur als das Ideal-Reale darin (er fiel vom Idealismus abwieder in den Realismus so daszlig drei Prinzipien sich in ihmdurch und umeinander drehen und waumllzen so daszlig das oberstePrinzip bald zum Untersten und das Unterste zum Oberstenverkehrt w[ird]) Das Fichtesche Ich imponiert ihm aber dieNatur imponiert ihm nicht weniger er laumlszligt beide bestehen dasIch ist ihm das Reale aber die Natur ist ihm auch das Reale erist so Realist beide sind absolut (Der Idealism[us] ist ihmnicht die Totalitaumlt sondern der Pars obwohl die houmlchste Po-tenz)2 Er schwankt unentschieden zwischen her bis er beideverknuumlpft3 aber mit Ausloumlschung des Unterschieds [in] derabsoluten unterschiedslosen Identitaumlt4 der Identitaumlt des Pan-theismus Er verknuumlpft also den Pantheism[us] mit dem Idea-lismus aber auf eine den Forderungen des Idealismus5 wider-

1 Am Rande es handelt sich nicht mehr sagt Sch[elling] uumlber d[ie]

verbesserte Fichtesche Lehre vom bloszligen Denken dem sich dannein anderes Denken entgegenstellen kann es handelt sich vom Se-hen (p 127) ndash von sichtlicher Wahrheit [Vgl F W J SchellingDarlegung des wahren Verhaumlltnisses der Naturphilosophie zu derverbesserten Fichteschen Lehre Eine Erlaumluterungsschrift der er-sten Tuumlbingen 1806 S 127]

2 Im Ms folgt irrtuumlml nicht gestr Und) ndash Im Ms folgt gestr beidebegr

3 Im Ms folgt gestr er in4 Im Ms folgt gestr Und diese5 den des dem Korr im Ms

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sprechende Weise in der Form des Pantheismus1 Seine Philo-sophie kann daher selbst im Ganzen als ein Abfall vom Idea-lism[us] bezeichnet w[erden] ndash ein Abfall der die unerlaumlszliglicheBedingung zur Entwicklung des absoluten Idealism[us] ist2und dem wir das hohe nicht genug in Anschlag zu bringendeVerdienst seiner Naturphilosophie ndash die sein eigentuumlmlichesProdukt ist zu verdanken haben Schelling scheint ein Denkerzu sein der wesentlich zur Spekulation eines Substrats einerFolie einer Unterlage3 [bedarf] wo er keine gegeben hat wiefruumlher an der Natur und 144 in der Transzendentalphi-los[ophie] an dem Ich wo er keines hat gibt er seinem Denkeneine Folie wie wir denn in der Voraussetzung jenes Grundes ins[einer] Schrift von dem Wesen der menschl[ichen] Freiheit4

dieses Beduumlrfnis seines Geistes nach einer Folie objektiv ge-setzt und ausgesprochen finden

Die Verknuumlpfung des Pantheismus mit dem Idealismus in-nerhalb des Idealismus selbst die Verknuumlpfung derselben aufeine den unabweislichen Forderungen und dem Geiste derneuern Philos[ophie] gemaumlszlige folglich auf wahrhaft philoso-phische und organ[ische] Weise bewerkstelligte erst HegelAus dem Daumlmmerlichte der Schellingschen Identitaumltslehretreten wir mit Hegel in das Licht des Idealismus ein Wir sindhier wieder auf einem entschieden-idealistischen Boden Hegelschlieszligt sich obwohl durch Schelling vermittelt wieder5 anKant und Fichte an Denen die Hegel so herabsetzen undSchelling als den Plenipotentiarius6 [Generalbevollmaumlchtigten]der spekulat[iven] Vernunft ansehen koumlnnte man entgegnendaszlig die Schelling[sche] Phil[osophie] nur ein poetisches Inter-

1 Am Rande Wollte man dagegen einzelne Gedanken und Bestim-

mungen wie sie sich in spaumltern Schriften finden zur Widerlegungvorbringen so ist eben zu erwidern daszlig wo solche vorkommen diewidersprechen nur Versicherungen sind die nicht organisch mits[einem] Prinzip verknuumlpft sind

2 ist war Korr im Ms3 Im Ms folgt hat4 F W J Schelling Philosophische Untersuchungen uumlber das Wesen

der menschlichen Freyheit und die damit zusammenhaumlngenden Ge-genstaumlnde In F W J Schellingsrsquo philosophische Schriften ersterBand Landshut 1809

5 obwohl wieder unmittelbar Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr als

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mezzo zwischen1 Fichte und Hegel w[ar] Hegel begann s[eine]Laufbahn mit Kritiken und zwar abgesehen von der Beurtei-lung einiger fuumlr die Philos[ophie] unbedeutender Erscheinun-gen wie Krug mit der Kritik der Kantisch[en] Fichteschenund Jacobischen Philosophie2 (Diese Kritiken zeichnen sichaus wie alles was aus der Feder dieses3 seltnen Mannes floszligdurch tiefe Gruumlndlichkeit und Gediegenheit durch eine4 dasInnerste der Sache treffende5 eine das Objekt penetrierendeuumlberwaumlltigende Kraft ndash eine Kraft die nur der Idealismus ver-leihen kann das Bewuszligtsein daszlig der Intelligenz kein DingWiderstand leisten kann da der Geist in Wahrheit alle Dingeselbst ist Selbst Schell[ing] nennt6 die Kritik der Fichtesch[en]Philos[ophie] in s[einer] Schrift uumlber d[ie] verbesserte Fichte-sche Lehre v[om] Jahre 1806 eine treffliche K[ritik] von ein-dringender Kraft und daszlig er sie ihrem Gehalte nach vollkom-men unterschreibe7 H[egel] anerkannte stets mit groszliger Hoch-achtung d[ie] Fichtesche Philos[ophie]) In jener8 Zeit wo jeneKritik9 erschien trat die Subjektivitaumlt des F[ichteschen] Idea-lism[us] in den populaumlren Schriften F[ichtes] wie in der Be-stimmung des Menschen10 am grellsten hervor in dem schonihrer Tendenz nach das spekulative Interesse dem moralischen145 weichen muszligte ja in diese moralische Tendenz alle Rea-litaumlt aufging Die Fichtesche Phil[osophie] hatte an dem abso-luten Ich ein absolutes spekulatives Prinzip Aber statt beidiesem zu verweilen und in sich zu vertiefen geht er sogleichzur Deduktion des bestimmten subjektiven Ich uumlber dem dasNicht-Ich als eine tote nichtige und zu vernichtende Welt als 1 Im Ms folgt gestr dem2 G W F Hegel Glauben und Wissen oder die Reflexionsphiloso-

phie der Subjectivitaumlt in der Vollstaumlndigkeit ihrer Formen alsKantische Jacobische und Fichtesche Philosophie In KritischesJournal der Philosophie hrsg von F W J Schelling u G W FHegel 2 Bd 1 St Tuumlbingen 1802

3 Im Ms folgt gestr vom Denken4 Im Ms folgt gestr in5 treffende eindringende Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr ihn7 F W J Schelling Darlegung des wahren Verhaumlltnisses hellip a a O

S 1618 In jener aber namentlich bei der Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr auf10 J G Fichte Die Bestimmung des Menschen Berlin 1800

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eine Schranke gegenuumlberstand Die Schellingsche Naturphilo-sophie bildete gegen diese subjektive Richtung1 einen direktenGegensatz indem sie das Reale als ein mit dem Geiste Ver-soumlhntes ansah oder stellte vielmehr die houmlhere Wahrheit derEinheit dar Ein so objektiver Idealist wie H[egel] war muszligtesich natuumlrl[ich] zu dem Identitaumltssyst[em]2 hingezogen fuumlhlenund in das Verhaumlltnis der Krit[ik] gegen den Id[ealismus] ins[einer] subj[ektiven] moral[ischen] Richtung treten H[egels]3

Kritik ist schneidend negativ Sein penetrierender Verstands[eine] tiefe Gruumlndlichkeit und Gediegenheit seine d[as] Ob-jekt bewaumlltigende Kraft eine Kraft die nur der Idealismusgeben kann4 kurz die Eigenschaften die in H[egel] auch demoberflaumlchlichsten Blick den Denker erkennen lassen und ihnv[on] Schell[ing] unterscheiden bei dem wenigstens d[as]Charakteristisch[e] des Denkers nicht so entschieden hervor-tritt der Gedanke in den Nimbus eines poetischen Dunkels sichhuumlllt so daszlig es nicht zu verwundern [ist] wenn selbst Maumlnnernvon nicht gerade gemeiner Urteilskraft durch diese Eigentuumlm-lichkeit der Schellingschen Schr[iften] ndash sei sie nun Scheinoder Wirklichkeit ndash wir lassen es dahingestellt sein Eigen-schaften die er spaumlter so sehr entwickelt hat s[ind] bereits inihnen ausgepraumlgt Eine5 andere Schrift H[egel]s um diese Zeitw[ar]6 uumlber die Differenz zwischen dem Schell[ingschen] undFichtesch[en] System7 Hegel bedient sich hierin Schell[ing-scher] Formen wie z B Potenz Abgesehen von den persoumln-l[ichen] Verhaumlltnissen die d[ie] Literatur nicht interessierenwaren es diese ersten Schriften in denen sich H[egel] gegend[en] Fichtesch[en] Idealismus uumlberh[aupt] d[ie] Philos[ophie]der Subjekt[ivitaumlt] aussprach und fuumlr d[as] System der Identitaumltwelche ihn in den Ruf eines unbegreiflich Schuumllers sprachen8

1 Im Ms folgt gestr unleserl Wort2 Im Ms folgt sich3 Im Ms folgt gestr hat auch vortrefflich diese Maumlngel dargestellt4 Im Ms folgt gestr sich5 Im Ms folgt gestr spauml[tere]6 Im Ms folgt gestr s[eine] Sch[rift]7 G W F Hegel Differenz des Fichtersquoschen und Schellingschen

Systems der Philosophie In Beziehung auf Reinholdrsquos Beytraumlge zurleichtern Uumlbersicht des Zustands der Philosophie zu Anfang des 19Jahrhunderts Jena 1801

8 welche sprachen welche ihn [unbegreiflich] in den Ruf einesSchuumllers sprachen A

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obwohl schon in diesen Kritiken H[egel] keineswegs den Cha-rakter und die Manieren eines Schuumllers [zeigte] sondern dieeines selbststaumlndigen1 aber gleichdenkenden Mannes einesFreundes der in den Worten seines Freundes wenigstens fuumlrden naumlchsten Augenblick weil er gerade keine bessern Wortefindet nicht deswegen weil er nicht bessere treffendere sagenkoumlnnte sondern weil er Zeit braucht um bessere zu sagenseine eigene Gesinnung ausgesprochen findet

146 Aber dieses Phaumlnomen kann als ein Beispiel gelten wieoberflaumlchliche und leichtfertige Ansichten selbst in der Litera-tur wie im Leben [durch] uumlbelwollende[s] Klatschen2 in Um-lauf kommen Glauben finden und endlich zu Wahrheitenw[erden]3 Ein Schuumller ist nur der der nicht nur im Wesentli-chen sondern selbst im Formellen das Gepraumlge s[eines] Leh-rers traumlgt oder der nur das sagt was sein Lehrer gesagt hatoder wenigstens4 haumltte sagen koumlnnen wenn er es haumltte so sagenmoumlgen oder die Zeit und Lust dazu gehabt haumltte Aber jeneKritiken tragen schon ein so bestimmtes eigentuumlml[iches] Ge-praumlge daszlig sie nie ein Schuumller Schellings ja nicht einmalSchell[ing] selbst sie haumltte schreiben koumlnnen denn jene pene-trierende auch gar keinen Punkt mehr als einen moumlglichenAngriffspunkt uumlbriglassende kritische Intelligenz ist nicht imVermoumlgen Schellings Im J[ahre] 18075 erschien H[egel]s Phauml-nomenologie des Geistes Diese Schrift laumlszligt an Originalitaumlt anGroszligartigkeit des Gedankens an Erhabenheit des Stils allesandere hinter sich zuruumlck was je aus H[egel]s Feder floszlig Erkuumlndigt sich hier als einen durchaus selbststaumlndigen Denkerals einen urkraumlftigen Geist an6 Die Vorrede ist nur Polemikgegen die Schellingsche Naturphilos[ophie] und ihre MethodeAber7 H[egel] hatte ein aumlhnliches Schicksal mit Kant dessenKritik der reinen Vernunft8 acht volle Jahre zur Schande derdeutschen Liter[atur] unbeachtet im Buchladen9 liegenblieb 1 Im Ms folgt gestr Mannes der2 Klatschen Geruumlchte Korr im Ms3 Am Rande abgebroch Erg wenn man sich freilich4 gesagt wenigstens auch Korr im Ms5 1807 1806 Ms ndash G W F Hegel Die Phaumlnomenologie des Geistes

In System der Wissenschaft Thl 1 Bamberg ndash Wuumlrzburg 18076 an [so auch A] aus Ms7 Im Ms folgt gestr es ging8 I Kant Kritik der reinen Vernunft Riga 17819 Buchladen Buchhandel Korr im Ms

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Die Erscheinung des Hegelschen Geistes ereignete sich1 uumlbri-gens2 zu einer Zeit wo es schwer war literar[ischen] Ruhm zuerlangen Die groszligen politisch[en] Ereignisse verschlangenalles Interesse Es wird wohl unter den Aumlltern keinen der3 be-deutenderen Namen in der Lit[eratur] geben dessen Zelebritaumltnicht schon fruumlher als aus [dem] Jahr 1806 herstammt ZurZeit wo Sch[elling] auftrat war bei allem noch vorhandnenPedantismus ein jugendlich aufstrebender Geist in Welt Kunstund Wissensch[aft] eingedrungen In einer solchen Zeit findetalles was nur uumlber die Grenzen des Bisherigen dessen manuumlberdruumlssig ist sich emporschwingt findet Teilnahme Aner-kennung Erscheinungen die jetzt unbeachtet bleiben wuumlrdendamals Epoche gemacht Gluumlck und Ehre gebracht haben ImZustand des Werdens Strebens ist der Geist gereizt exaltiertund bewundert oder verachtet leidenschaftlich Die Schrift er-weckt nicht bloszlig Gedanken sondern Talente Und gewoumlhnlichnennt man nur die erweckenden nicht die erweckten Talentesollten auch diese die ersten uumlberbieten Der literar[ische] Na-me erbt4 sich fort wie die Wuumlrde eines Peers5 noch bei Leb-zeiten des Traumlgers wenn er auch schon geistig tot ist er wirdzu einer Kategorie unter die man kapselt der Bequemlich[keit]1786 halber um nicht sich das Gedaumlchtnis mit zu vielen Un-terschieden zu belasten was auch nur einigermaszligen Aumlhnlich-keit hat und so w[urde] denn auch H[egel] commoditatis causa[der Bequemlichkeit halber] nicht nur in dieselbe Kategorie mitSch[elling] sondern als ein Subalternbeamter ihm untergestelltund als Epitheton7 ornans [schmuumlckendes Beiwort] s[einem]Namen beigefuumlgt Uumlberdem trat H[egel] mit einer Anforderungan die Menschheit auf die ihr zu jeder Zeit namentlich aber zuseiner8 Zeit ungelegen kam mit der Forderung das bdquoKreuzldquodes Begriffs auf sich zu nehmen zu denken und zu denken inder demuumltigen Unterwerfung unter die Notwendigkeit der Sa-

1 ereignete sich erschien Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr schon3 Im Ms folgt gestr groumlszligeren4 Der erbt Literar[ische] Namen erben Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr sch[on]6 Am Rande r o Verweis auf 18ste [18ste 19ste Korrim Ms] Vor-

les[ung]7 Epitheton [so auch A] Epitethon Ms8 Im Ms folgt gestr und zu unserer

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che mit der Entsagung aller Blendwerke der Phantasie und desGefuumlhls der Entaumluszligerung aller subjektiven Willkuumlr undSchoumlngeisterei Schell[ing] forderte als1 Bedingung s[einer]Philosophie eine unmittelbare Naturgabe den Sinn die intel-lektuelle Anschauung wer das Absolute nicht erblickt nichtsieht dem kann ich nicht helfen der mag sich weiter begebenDas war hart Aber man konnte sich daruumlber noch beruhigenund troumlsten Fehlt es mir am Sinn nun gut so kann ich nichtsdafuumlr Alle Menschen koumlnnen nicht Neujahrskinder sein Ist diePhilosophie ein Geschenk des Gluumlcks der Philosoph2 ein Phi-losoph von Gottes Gnaden so wird sie ohne eignes Verdienstund Arbeit erworben aber auch ohne besondre Gemuumltsschmer-zen entbehrt Sie ist ein individuelles Gut Aber die Forderungdes Denkens stoumlszligt den Menschen aus dem Paradiese oder derEinfalt oder wenn man lieber will dem vornehmtuenden Duumln-kel der intellekt[uellen] Anschauung wo man dem absolutenWesen vertraulich in die Augen guckt wie einem seinesglei-chen in eine Welt unendlicher Not aber auch unendlicherKraft und Taumltigkeit verweist den Menschen auf sich selbst sieist die Forderung des konsequenten3 mit eiserner Strengedurchgefuumlhrten und geltend gemachten Idealismus des Inhaltsdaszlig die Wahrheit der Geist kein Unmittelbares kein PositivesGegebnes sondern nur durch Selbsttaumltigkeit vermitteltes undhervorgebrachtes ist Schelling erhob sich auf den Pfauenaugender aumlsthetischen Anschauung4 empor zu dem Gipfel der Phi-los[ophie] und des Ruhmes Schoumln ist s[eine] Darstellungschoumln wie eine Braut die eben zum Altar gefuumlhrt wird5 An-schauung die subj[ektive] Bedingung der Philos[ophie]6 Aumls-thetik als der houmlchste Gipfel 179 der Philos[ophie] die abso-lute Taumltigkeit die Synthesis der bewuszligten und bewuszligtlosenIntelligenz So sehr die Forderung der intellekt[uellen] An-sch[auung] bei vielen Anstoszlig erregte so lag sie doch wie dieBedeutung die dem Aumlsthetis[chen] gegeben w[urde] ganz imSinne der Zeit Jacobi schon machte das Gefuumlhl die unmit-

1 als eine Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr nun so bin ich3 die Forderung des konsequenten nichts als das konsequente Korr

im Ms4 aumlsthetischen Anschauung Poesie Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr intellekt6 Im Ms folgt gestr Kunst

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telb[are] Uumlberzeugung den Sinn mit andern Worten die intel-lekt[uelle] Anschauung zum Organ des Absoluten Kant schoballen Inhalt alles Positive der Anschauung in den Sack1 underklaumlrte2 d[as] Denken im Widerspruch mit seiner Erkenntnis3

der Kategorien als immanenter Bestimmungen fuumlr leer alskoumlnnte das Denken denken wenn es nicht sich selbst bestim-mende und erfuumlllende Kraft waumlre als konnte eine leere Kraftwirken taumltig Kraft sein selbst der klare entschieden ideali-stisch[e] Denker Fichte4 macht die intell[ektuelle] Anschauungzur subj[ektiven] Bedingung wenigstens des Anfangs s[einer]Philos[ophie] So arbeiteten die Philosophen den Poeten alleRealitaumlt in den Sack Die Zeit wo der denkende Geist selbstvon sich alle Realitaumlt5 in die Anschauung verwies war es da-her wo sich alle Kraft der ganze Mensch in die Poesie ver-senkte und konzentrieren konnte und in ihr sein Heil und seineRuhe fand Nur diese Zeit konnte einen Goethe einen Schillerhervorbringen Die Kunst w[ar] das ecirctre suprecircme [houmlchsteWesen] Schill[er] stellte die aumlsthet[ische] Bildung als die wah-re Bildung hin Im6 Zus[ammen]hang mit dieser Zeit ist zuerkennen die Bedeutung die Schell[ing] in der Philosophie derKunst gibt und der leichte Eingang Beifall und Ruhm zu be-greifen die bei den jungen Geistern so schnell Sch[elling]fand Was Wunder wenn das aumlsthet[ische] Gefuumlhl die An-schauung das Praumldominierende wurde das Interesse am Ge-danken der Sinn fuumlr das ernste Denken zuruumlcktrat7 Hegel tratdarum in absoluten Gegensatz mit s[einer] Zeit mit dem kate-gorischen Imperativ denkt nur im Denken ist die Wahrheit inihrer wahren Gestalt zu finden Die Forderung zu8 denken warden Leuten ein wahres Memento Mori Sie erschraken undentsetzten sich vor ihm als waumlre es der Sensenmann Selbstjetzt haben sie sich noch nicht erholt als ein Knochengerippeschwebt der Begriff9 noch immer vor ihrer Phantasie Sie haben 1 in den Sack Im Ms gestr2 erklaumlrte machte Korr im Ms3 seiner Erkenntnis Unleserl Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr versetzte5 Im Ms folgt gestr abwies und6 Im Zu Korr im Ms fehlt in A7 zuruumlcktrat [so auch A] auftrat Ms8 zu Hervorgehoben im Ms9 als Begriff das Knochengerippe des Begriffs schwebt Korr im

Ms

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keine andern Namen fuumlr ihn als tot duumlrr1 abstrakt schola-stisch Worte die trivial und nichtssagend [sind] in Bezug aufdie Philosophie 147 denn jede Philos[ophie] die auftrittmacht2 neue Begriffsunterschiede3 die zunaumlchst als scholasti-sche Distinktionen erscheinen jede neue Philos[ophie] abge-sehen davon daszlig d[ie] Phil[osophie] an und fuumlr sich insofernabstrakt ist als die Abstraktion ein unerlaumlszligliches Moment derErkenntnis ist ist abstrakt denn sie geht uumlber das hinaus wasbereits bekannt ausgemacht in die4 Anschauung uumlbergegangenist Mundus vult decipi [Die Welt will betrogen werden] DieWelt w[ird] nur durch den Schein fuumlr das Wesen einer Sachegewonnen Aber so einfach schlicht und anspruchslos H[egel]im Leben war so resigniert5 auch als Schriftsteller Es ist ihmum nichts als die Sache zu tun Seine Sprache ist die Spracheder Wahrheit und Notwendigkeit sie ist nicht reizend undlockend aber voller Energie nicht mild und weich wie Speck-stein sondern hart granitkoumlrnig

Schellings Charakter6 ist der der Rezeptivitaumlt H[egel]s derder Spontaneitaumlt S[chelling] geht darum von Voraussetzungenaus Er pruumlft nicht7 die Bestimmungen die der Philos[ophie]s[einer] Zeit von der Anschauung vom Denken vom Begrifffeststanden er geht nur daruumlber hinaus zur Idee und Anschau-ung des Absoluten er laumlszligt sie aber hinter sich bestehenH[egel] lieszlig es nicht beim Alten bewenden und verknuumlpfte nuraumluszligerlich das Neue mit dem Vorhandenen aber nahm die phi-los[ophischen] Untersuch[ung]en von vorne wieder auf er gingauf die Quelle zuruumlck er unternahm eine Reformation derneuen Philos[ophie] von ihrer untersten Grundlage an derKritik der reinen Vernunft Durch diesen Ruumlckgang auf denIdealismus bekam d[ie] Philos[ophie] jetzt wieder einen ent-schieden idealistischen Charakt[er] aber als vermittelt durchd[ie] Naturphilos[ophie] und die Identitaumlt des Realen und

1 duumlrr leblos Korr im Ms2 macht unterscheidet Korr im Ms3 Begriffsunterschiede Begriffsbestimmungen -beziehungen Korr

im Ms4 in die Unleserl Korr im Ms5 resigniert wenig blendend und in die Augen glaumlnzend ist der Geist

Korr im Ms6 Charakter Im Ms gestr7 pruumlft nicht setzt Korr im Ms

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Idealen als nicht mehr den Charakter eines subjektiven son-dern objektiven Idealismus

203

[XIX Vorlesung]1 [Hegel]2

148 Die Phaumlnomenologie ist der erste historische Markstein3

oder Grenzscheide zwischen dem gluumlckseligen Lande wo diekoumlstlichsten Fruumlchte ohne die saure Arbeit des Denkens durchdie generatio aequivoca der intellektuellen Anschauung vonselbst gedeihen und vom Baume der Erkenntnis ohne durchd[as] Instrument der Hand gepfluumlckt w[erden] sondern wo[sie] dem Menschen in den Mund fallen und zwischen demkalten Nordlande des Begriffs wo der Mensch sich erst imSchweiszlige seines Angesichts seinen Boden schafft wo er erstdurch die Selbsttaumltigkeit des Idealismus als ein Resultat sicherzeugt was in der intellekt[uellen] Ansch[auung] dem Men-schen noch ehe er zum Denken erwacht im Traume bei derNacht beschert wird Die Phaumlnomenologie beginnt daher aucham fuumlglichsten die Darstellung d[er] Hegelsch[en] Phi-los[ophie] In der Vorrede polemisiert H[egel] gegen den da-maligen Standpunkt der Philos[ophie] namentlich gegen dieErkenntnisweise der Naturphilos[ophie] als einen bloszligenSchematismus und Formalismus und gegen das Absolute bdquoIr-gend ein Dasein wie es im Absoluten ist betrachten bestehthier in nichts anderem als daszlig davon gezeigt w[ird] es seizwar jetzt von ihm gesprochen worden als von einem Etwasim Absoluten dem A = A jedoch gebe es dergleichen garnicht sondern darin sei alles Eins Dies Eine Wissen daszlig imAbsoluten alles gleich ist der unterscheidenden und erfuumllltenoder Erfuumlllung suchenden und fordernden Erkenntnis entge-genzusetzen ndash oder sein Absolutes fuumlr die Nacht auszugebenworin wie man zu sagen pflegt alle Kuumlhe schwarz sind ist dieNaivitaumlt der Leere an Erkenntnisldquo4 Daszlig wir endliche Dingesehen daszlig wir sie nicht im Absoluten sehen daszlig wir ihre Un-terschiede fixieren uumlber sie als eigene Wesen nachdenkendies5 1496 ist nach Sch[elling] nur unsere Reflexion an sichim Wesen im Absoluten sind die Dinge nicht viele nicht un- 1 Am Rande l o Verweis auf 19 Vorlesung2 So auch A3 Im Ms folgt gestr zwischen dem4 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes In System der

Wissenschaften Thl 1 Bamberg ndash Wuumlrzburg 1807 S XIX5 Im Ms folgt dies6 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 75

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terschieden Sie im Absoluten betrachten heiszligt daher sie nichtin ihrer Besonderheit betrachten heiszligt sie in die Nacht dernicht unterscheidenden Einheit versenken Aber diese Be-trachtungsweise ist keine Erkenntnis ein wesentliches Momentder Erkenntnis ist die Besonderheit Nach Sch[elling] ist daherdie Reflexion die absolute Suumlnde der Suumlndenfall sie ist dasPrinzip der Endlichkeit Alle Schuld waumllzt er auf das arme Ichdas Subjekt ndash das ist der leibhaftige Teufel selbst Allein damitist was erklaumlrt w[erden] soll nicht erklaumlrt Was ist denn derGrund der Reflexion Warum komme ich dazu die Dinge nichtin Gott zu sehen Weil ich mich abtrenne es wird also daswas erklaumlrt w[erden] soll die Trennung durch das selbst erst zuErklaumlrende ndash eben durch die Trennung erklaumlrt Das Raumltsel kanndaher nur dadurch geloumlst werden daszlig die Reflexion selbst alsein Moment d i als ein wesentliches gewichtiges Ingredienzdes Absoluten erkannt w[ird] bdquoEs ist ein Verkennen der Ver-nunftldquo sagt H[egel] bdquowenn die Reflexion aus dem Wahrenausgeschlossen und nicht als positives Moment des Absolutenerfaszligt wirdldquo(p 24)1 Wesentlich unterscheidet sich also H[egel]darin von Sch[elling] daszlig H[egel] das Erklaumlrungsprinzip derEndlichkeit der Pluralitaumlt der Differenz der Verstandesweltwelches bei Schell[ing] nur im Subjekte liegt nur auf Rech-nung des menschlichen subjektiven Verstandes geschobenw[ird] daher in Schell[ing] ein Unerklaumlrtes Unbegreiflicheswillkuumlrlich Angenommenes ist ndash denn wie gesagt woher istdenn dieser kuumlnstliche Verstand ndash als ein objektives Prinzipeine Bestimmung des Absoluten selbst erkennt Die Differenzzwischen Sch[elling] und H[egel] ist daher keine formelle dienur in der Form liegt so daszlig etwa H[egel] die Schelling[schen]Ideen nur in eine Schulform in [ein] System gebracht habe sieist eine 150 Differenz im Prinzip es ist nicht mehr dasselbees ist ein anders bestimmtes ein reicher erfuumllltes in Wahrheitein andres Prinzip denn eine Philosophie unterscheidet sichuumlberhaupt nur dadurch daszlig sie zu dem Begriff des Absoluteneinen Begriff der im fruumlhern Systeme ausgelassen w[ar] d hwohl da war aber nicht auf wahrhafte Weise synthetisch hin-zugefuumlgt So hat wie wir sahen Leibniz zu dem Begriff derSubstanz den Begriff der Unterscheidung der selbsttaumltigenKraft hinzugefuumlgt Bei Spinoza war auch der Unterschied daaber bei ihm ist es auch nur der menschliche Verstand eigent- 1 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes a a O S XXIV

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lich wie bei Schelling der die Substanz in denkende und aus-gedehnte Substanz begreift der uumlberhaupt Unterschiede setztdie Dinge als unterschiedne selbststaumlndige Substanzen fixiertan sich der Substanz nach ist kein Unterschied L[eibniz] un-terscheidet sich daher nur dadurch von Sp[inoza] daszlig er diesessubjektive Erklaumlrungsprinzip den Unterschied verobjektivierteals eine Bestimmung der Substanz selbst erkannte und setzteEbenso unterscheidet sich Hegel von Schelling wie Leibnizvon Spinoza1 dieses Gleichnis findet [sich] in vielen StudienStatt Reflexion koumlnnen wir das Wort Verstand gebrauchen derVerstand ist es der den Unterschied festhaumllt fixiert der sichdaher auch so gegen den Pantheismus straumlubt die Identitaumltnicht begreift der nur das Endliche sieht Wir muumlssen abernicht an uns bloszlig denken sondern uumlberhaupt den Verstand2

setzen [als] das allgemeine Principium discernendi Das Unter-scheidungsprinzip ist aber ndash und hiermit kommen wir an einwichtiges Wort an eine Gedankenbestimmung die in der He-gelschen Philosophie eine bedeutende Rolle spielt auf derenErkenntnis daher alles ankommt ndash das Prinzip der Negativitaumltoder Andersheit Wenn ich unterscheide so behaupte ich daskommt dem3 Gegenstande zu das nicht Die Behauptung istunmittelbar zugleich Verneinung bdquoAlle Dingeldquo4 sagt derSchuster Jakob B[oumlhme] 1515 bdquobestehen aus Ja und Neinldquo6

In jedem Unterschied liegt notwendig ein Nicht ein Nein alsoeine Negation Ja den Unterschied in aller Schaumlrfe gefaszligt so istjustement das Eine nicht was das Andre ist Determinatio estnegatio sagt S[pinoza] die Bestimmtheit ist Verneinung7Nichtsein im Gebiete der bestimmten Dinge ist das nicht im-mer ein bestimmtes Nicht eine eigene Beschaffenheit dieNegation ist immer ein Positives Aber an sich betrachtet ab- 1 Spinoza [so auch A] Schelling Ms ndash Im Ms folgt obwohl2 Wir Verstand Statt Korr im Ms ndash Im Ms folgt Verstand setzen

wir3 dem einem Korr im Ms4 Im Ms folgt bestehen5 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 766 Vgl J Boumlhme Betrachtung Goumlttlicher Offenbarung In Alle theo-

sophischen Wercken hellip T 14 Amsterdam 1682 3 Frage 2 S 18ndash Im Ms folgt gestr Ich verneine ich w[ill]

7 Vgl B Spinoza Epistolae doctorum quorundam virorum ad B DS hellip In Opera quae supersunt omnia Vol I Ienae 1802Epistola L (versio) S 634

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gezogen von den verschiedenen Dingen ist die BestimmtheitNegatio Verneinung schlechtweg Nichtsein ein absolutesNicht Der Unterschied ist daher eins mit dem Begriffe derSchranke Grenze oder der Beschraumlnkung und Begrenzung derLimitation Ein Ding unterscheiden heiszligt es begrenzen DerUnterschied eines Dings ist die Grenze desselben innerhalbwelches es ist was es ist mit deren Aufhebung das Ding selbstverschwaumlnde Der Unterschied ist eben damit das Prinzip derGrund der Endlichkeit Der Unterschied ist aber wieder wiewir schon bei Leibn[iz] sahen eins mit dem Begriffe des Fuumlr-sichseins Indem ich unterscheide isoliere fixiere1 separieresetze [ich] ein Ding fuumlr sich selbst mache es zu einem Subjek-te gleichsam zu einem Ich Ich selbst erfasse mich ja nur alsIch als fuumlr mich seiend indem ich andere von mir ausschlieszligeund mich von ihnen absondere Das Prinzip des Unterschiedsist daher eins mit dem Grunde der Subjektivitaumlt Hegel setztealso das Prinzip der Negativitaumlt der Subjektivitaumlt des Unter-schieds der Endlichkeit als ein wesentliches Moment des Ab-soluten Hieraus ergeben sich nun die weiteren Unterschiedezwischen Schell[ing] und H[egel] und hieraus werden wir so-gleich den Sinn gewisser Ausdrucksweisen bei H[egel] erken-nen die dem der sie nicht versteht als bloszlige Formeln erschei-nen H[egel] gebraucht die Formen oder Denk- und Wesensbe-stimmungen Ansichsein Fuumlrsichsein An- und Fuumlrsichsein sehrhaumlufig Diese sind nichts weniger als Formeln sondern houmlchstein- und angreifende Spezifika An sich d h2 im Absolutensind die Dinge nicht unterschieden sie sind es nur fuumlr uns dasAbsolute ist daher das Ansichsein der Dinge der Unterschiedihr Fuumlr-uns-sein So ist es auch mit der Substanz Der Gegen-satz 152 dagegen ist das Fichtesche System in dem das Fuumlr-sichsein die wesentl[iche] Bestimmung ist Das Ich ist fuumlr sichdas Sein der Dinge ist nur ein Sein fuumlr uns daher man derFichteschen Philos[ophie] auch im Allgemeinen den Namender Reflexionsphilosophie gab F[ichte] koumlnnen wir sagendaher erfaszligte das Absolute als Fuumlrsichsein Sch[elling] alsAnsichsein denn er laumlszligt zwar das Ich bestehen als Absolutesaber im Fortgang seiner Philosophie hebt3 er nur das Ansich-sein die Identitaumlt hervor er verknuumlpft daher nur mechanisch 1 Im Ms folgt gestr unleserl Wort2 d h sind Korr im Ms3 hebt erhebt Korr im Ms

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nicht organisch den Idealism[us] mit dem Pantheismus so wieer an die Identitaumlt kommt so schwindet ihm aus den Augen dasPrinzip des Fuumlrsichseins des Unterschieds der IdealismusH[egel] dagegen indem er das Prinzip der Reflexion des Fuumlr-sichseins als Moment des Absoluten faszligt sagt das Wahre istnur als An- und Fuumlrsichsein zu fassen Die Philos[ophie]H[egel]s ist daher eine wahrhaft dynamische nicht mechani-sche Durchdringung und Vermittlung des Idealism[us] mitdem Pantheism[us] Schell[ing] rezipierte aumluszligerlich denF[ichte] F[ichte] lag ihm wie ein Stein im Magen er ist ihmein Gegebnes er kommt nur los von ihm in der absolutenIdentitaumlt er verbindet in s[einer] Philos[ophie] allerdingsI[dealismus] und P[antheismus] aber da wo sein Ide[alismus]ist ist nicht d[er] Panth[eismus] und umgekehrt wo seinPanth[eismus] ist da ist nicht s[ein] Idealis[mus] H[egel]erzeugt aus sich den F[ichte] wieder hervor er ist ein ur-spruumlngliches selbsteignes Produkt Der Charakter H[egel]s istuumlberhaupt der der Spontaneitaumlt Schellings der der Rezeptivitaumlteine Verschiedenheit des Charakters die schon ihre Spracheausdruumlckt Weibliche Milde bezeichnet Schell[ings] maumlnnlicheKraft H[egels] Spr[ache] Sie ist oft hart schwerfaumlllig unver-staumlndlich abstoszligend aber voller Energie gedraumlngt granitkoumlr-nig oft wahrhaft groszligartig Eigenschaften die schon aus ihrenobersten Prinzipien flieszligen uumlber der Schelling[schen] Dar-stell[ung] schwebt die Indifferenz aber H[egel] setzt schon indas oberste Prinzip die Kraft der Differenz das Prinzip desunterscheidenden Verstandes Analysieren wir nun was allesin jenem einfachen Begriff des An- und Fuumlrsichseins liegt DasAnsichsein ist uumlberhaupt die Einheit das Fuumlrsichsein der Un-terschied1 Nicht die unmittelbare Einheit die Einheit an sichsondern die Einheit durch den Unterschied die vermittelteEinheit ist die wahre In bezug auf das Wissen ausgesprochen2

hat dies folgenden Sinn das Wahre macht sich selbst zumGegenstande aber eben weil das Fuumlrunssein ein3 objektivesMoment des Absoluten selbst ist so ist dieses Fuumlr- 1534 uns-

1 Das Unterschied Das Fuumlrunssein ist also eine objektive Bestim-

mung des Seins selbst oder der Substanz oder des Wahren d hnichts anderes als Korr im Ms

2 Im Ms folgt gestr heiszligt dieses3 ein [so auch A] eine Ms4 Am Rande r o Hinweis auf 19 Vorles[ung] und Paginierung S 77

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sein sein Fuumlr-sich-sein sein Ruumlckgang in sich selbst seineBeziehung auf sich sein An- und Fuumlrsichsein1 Wenn wir sa-gen alle Dinge sind an sich oder im Absoluten identisch oderdas Absolute ist die Identitaumlt so ist das nur eine Behauptungeine Assertion es ist nicht nachgewiesen es muszlig aus demUnterschiede bewiesen oder erzeugt w[erden] Der Beweis istdie Vermittlung wie von selbst erhellt Die intellektuelle An-schauung ist kein Beweis sie schlieszligt vielmehr die Vermitt-lung aus sie setzt schlechtweg gleich am Anfange das Absolu-te sie sagt ich kann Dir kein Mittel an die Hand geben Dumuszligt es sehen alles Mittelbare gehoumlrt nur der Reflexion anDagegen heiszligt es jetzt erst das als das Absolute als das Wahrebewiesene Absolute ist das Wahre Das Absolute soll nichtbloszlig fuumlr die Anschauung sondern auch fuumlr die Reflexion seinEs ist nicht so vornehm daszlig2 nur der Geburtsadel der An-schauung bei ihm Zutritt hat es ist auch auf dem Wege derMittelbarkeit zu erreichen Denn bdquodaszlig das Wahre nur als Sy-stem wirklich oder daszlig die Substanz wesentlich Subjekt ist istin der Vorstellung ausgedruumlckt welche das Absolute als Geistausspricht ndash der erhabenste Begriff der der neuern Zeit undihrer Religion angehoumlrt ndash das Geistige allein ist das Wirklichees ist das Wesen oder an sich seiende ndash das sich Verhaltendeoder Bestimmte das Anderssein und Fuumlrsichsein ndash und in die-ser Bestimmtheit oder seinem Auszligersichsein in sich bleibendeoder es ist an und fuumlr sichldquo Der Geist ist diese Bewegungsich ein anderes d h Gegenstand s[eines] Selbsts zu werdenund dieses Anderssein aufzuhebenldquo3

Die4 Reflexion ist selbst5 ein Moment des Absoluten d halso die Vermittlung6 ein Moment des Wahren Es ist also Re-

1 Im Ms folgt gestr Oder mit anderen Worten das Absolute ist kein

ruhiges Ansichsein das nur wir von dem Fuumlrunssein unterscheidensondern es selbst macht diesen Unterschied es entzweit sich inObjekt und Subjekt es erzeugt den Standpunkt der Reflexion dasPrinzip der endlichen Verstandeswelt aber diese Reflexion ist jasein eignes Moment es ist darin in sich selbst zuruumlckgekehrt

2 Im Ms folgt gestr es3 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes a a O S XLIII4 Die die Korr im Ms5 selbst jetzt Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr ist

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sultat1 der Vermittlung durch den Unterschied Das Wahre istdas sich mit und durch sich selbst Vermittelnde es ist Resultatseiner selbst es ist das Wahre nur als [das] sich selbst bewei-sende Wahre es ist nur als sich selbst erzeugende Taumltigkeit Eskommt darauf an daszlig das Wahre das was es an sich ist auchfuumlr sich selber sei So ist es erst An und fuumlr sich sein Die Re-flexion geht aus dem Absoluten heraus und setzt die endlichenDinge das Mittelbare aber nicht so d[as] Absolute geht aussich selbst heraus und in sich wieder zuruumlck und so als in sichselbst Zuruumlckgekehrtes ist es erst das Wahre2 Es moumlge H[egel]sprechen s[eine] Worte muumlssen jetzt verstaumlndlich sein bdquoEskommt nach meiner Einsicht alles darauf an das Wahre nichtbloszlig als Substanz sondern ebensosehr als Subjekt aufzufassenund auszudruumlckenldquo3 Eben bei Sp[inoza] bei Schell[ing] tretendie Dinge nur 154 fuumlr das denkende reflektierende Subjektaus der Substanz hervor aber nach H[egel] ist die Substanzselbst Subjekt die Subst[anz] geht fuumlr sich selbst aus sich her-aus bdquoDie lebendige Substanz ist Subjekt nur insofern sie dieBewegung des sich selbst Setzens oder die Vermittlung dessich anders Werdens mit sich selbst istldquo4 bdquoNur diese sich wie-derherstellende Gleichheit oder die Reflexion im Anderssein insich selbst ndash nicht eine urspruumlngliche Einheit als solche oderunmittelbare als solche ist das Wahre Es ist das Werden seinerselbst der Kreis der s[ein] Ende als s[einen] Zweck voraus-setzt und zum Anfang hat und nur durch die Ausfuumlhrung unds[ein] Ende wirklich istldquo5 bdquoDas Wahre ist das Ganze DasGanze aber ist nur das durch s[eine] Entwicklung sich vollen-dende Wesen Es ist von dem Absoluten zu sagen daszlig es we-sentlich Resultat daszlig es erst am Ende das ist was es in Wahr-heit ist und hierin eben besteht s[eine] Natur WirklichesSubjekt oder sich selbst Werden zu seinldquo6 bdquoSo widersprechendes scheinen mag daszlig das Absolute wesentlich als Resultat zu 1 Wahren Resultat Wahren erst das bewiesene Absolute ist das

wahre Absolute er ist aber das Resultat Korr im Ms2 Am Rande Oder die Einheit ist nur als den Unterschied selbsttaumltig

setzende und den Unterschied wieder in sich zuruumlcknehmende Ein-heit wahre Einheit So als Resultat der Vermittlung durch den Un-terschied ist sie die wahre

3 Vgl G W F Hegel Phaumlnomenologie des Geistes a a O S XX4 Vgl ebenda S XXI5 Vgl ebenda S XXI6 Vgl ebenda S XXIII

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begreifen sei so stellt doch eine geringe Uumlberlegung diesenSchein von Widerspruch zurecht Der Anfang d[as] Prinzipoder d[as] Absolute wie es zuerst und unmittelbar ausgespro-chen w[ird] ist nur d[as] Allgemeine Sowenig wenn ich sagealle Tiere dies Wort fuumlr eine Zoologie gelten kann ebenso faumllltes auf daszlig die Worte des Goumlttlichen Ewigen Absoluten uswdas nicht aussprechen was darin enthalten ist und nur solcheWorte druumlcken in der Tat die Anschauung als das Unmittelbareaus Was mehr ist als ein solches Wort der Uumlbergang auch nurzu einem Satze ist ein Anderswerden das zuruumlckgenommenwerden muszlig ist eine Vermittlung Diese aber ist das was per-horresziert [verabscheut] w[ird] als ob dadurch daszlig mehr ausihr gemacht w[ird] denn nur dies daszlig sie nichts absolutes undim Absoluten gar nicht sei die absolute Erkenntnis aufgegebenwaumlreldquo1 Dieses letztere ist nun so zu verstehen wenn ich 1552

das Absolute an die Spitze oder am Anfang gleich setze so istdieses zunaumlchst nur ein Wort es kommt auf die Bestimmungan Ich gebe daher dem Subjekt ein Praumldikat ich bestimme esz B als den Geist3 ich gehe daher uumlber das Subjekt hinaus zueinem Verschiedenem Anderem das Subjektive ist zunaumlchstdas Unbestimmte Sein an sich Unmittelbarkeit sein Be-stimmtsein ist sein Anderssein Der Geist4 ist nicht dasselbemit dem Absoluten das waumlre eine bloszlige Tautologie ich will jaeben Etwas von ihm Bestimmtes wissen und gehe eben des-wegen uumlber es hinaus Aber zugleich gehe ich in dem Praumldikatewieder auf das Subjekt zuruumlck erst im Praumldikate wird mir dasSubjekt Objekt wird es mir als das was es ist Gegenstand ichbegreife es jetzt erst im Praumldikate verschwindet mir das Sub-jekt nicht sondern ich beziehe es wieder zuruumlck auf das Sub-jekt Ich vermittle aber5 ich hebe die Vermittlung auf DieErkenntnis ist eine mittelbare nur vermittelst eines Praumldikatserkenne ich das Subjekt aber ich hebe zugleich diese Vermitt-lung auf indem ich im Praumldikate6 auf den Anfang zuruumlckgeheindem ich bei dem Subjekte bin Diese Bewegung diese Taumltig-keit erscheint nun als eine Taumltigkeit meiner selbst als eine nur

1 Vgl ebenda S XXIII-XXIV2 Am Rande r o Verweis auf 19 Vorles[ung] und Paginierung S 783 den Geist das Einfache Wahre Korr im Ms4 Der Geist Das Einfache Korr im Ms5 Ich aber Diese Taumltigkeit diese Bewegung Korr im Ms6 auf in Korr im Ms fehlt in A

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subjektive Taumltigkeit Aber H[egel] sagt Nein Diese Taumltigkeitist das wahre das Absolute selbst und das Absolute ist darumder Geist Denn die Natur des Geistes ist nur durch Unter-scheidung Einheit mit sich selbst zu sein Nur die Unmittelbar-keit die Resultat der Vermittlung ist ist die wahre die geistigeUnmittelbarkeit

Das Organ oder die Form des Absoluten ist daher bei Hegel1

nicht die Anschauung sondern der Begriff Er ist die Selbst-bewegung des Gegenstandes eben jene Taumltigkeit der Vermitt-lung mit sich selbst Er ist ihm eine objektive Form er verstehtdaher etwas ganz andres unter dem Begriffe als in den ge-woumlhnlichen2 Logiken darunter verstanden w[ird] die nur einfa-che Vorstellungen wie H[egel] sie nennt sind Der Begriff istihm wesentlich die Einheit 156 unterschiedener Bestimmun-gen keine Abstraktion keine leere sondern eine fruchtbareEinheit er ist ihm das was dem Leibniz die Monaden sind dieer urspruumlngliche Kraumlfte Entelechien nennt Der Begriff ist ihmdas was ein System ein Organismus in sich [ist] Am anschau-lichsten koumlnnen wir es aus dem organ[ischen] Leben machenwie denn H[egel] selbst d[as] Beispiel des Keimes gebraucht ndashein Beispiel das zugleich ein Bild von der Methode der Hegel-schen Philos[ophie] gibt Der Zweck einer Sache ist ihr BegriffDer Zweck der Pflanze ist die Frucht Dieser Zweck ist ihreSeele ihr Bewegungsprinzip Die Pflanze waumlchst bis sieFruumlchte bringt dies ist ihr Trieb Pflanzen die man in der Luftaufhing und ihnen so alle Nahrung entzog aus dem Boden sahman alle ihre Kraumlfte und Saumlfte noch zusammenraffen und kon-zentrieren um eine Frucht hervorzubringen und ihre Zweckbe-stimmung so3 zu erreichen Mit der Frucht ist ihr Lebenslaufbeschlossen Aber die Frucht existiert schon [] implizit imKeime der Keim ist der Inbegriff der Pflanze sie entwickeltsich aus ihm aber in ihm existieren die Unterschiede die sichspaumlter ausbreiten zusammengefaszligt in einfacher Einheit derKeim ist der Kraft der potentia nach schon die ganze Pflanzeer ist die Monade die Vis primitiva Aber die Pflanze faszligt sichwieder in der Frucht in die erste Einheit zusammen die Ent-wicklung hat keinen Zweck als die Frucht Es ist also einKreislauf eine in sich selbst zuruumlckgehende Taumltigkeit eine am 1 Im Ms folgt gestr die2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort3 so zu Korr im Ms

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Ende in den Anfang zuruumlck sich wendende Bewegung eine1

zur Unmittelbarkeit sich aufhebende VermittlungDer Begriff ist daher wesentlich nach Hegel als die in2 sich

zuruumlckkehrende Taumltigkeit3 erst das Resultat Erst im Resultatoffenbart sich nur das wahre Prinzip der wahre Begriff einerSache

1574 Der Begriff ist dem H[egel] daher nicht die dem We-sen Gegenstande aumluszligerliche Taumltigkeit eines Subjekts er ist dieimmanente Subjektivitaumlt die Selbstheit die Seele des Gegen-standes selbst Der Begriff ist daher die adaumlquate Form dieselbst absolute Form des Absoluten Die in diesem Sinne be-greifende Erkenntnis ist die mit ihrem Gegenstande5 identi-sche Erkenntnis die wahre die absolute Erkenntnis Die wahreErkenntnis ist aber uumlberhaupt die wo das6 Gewuszligte7 selbst dasWissende ist Das Wissen des Geistes von sich selbst ist daherdas houmlchste Wissen die SelbstndashBeschauung die Selbsterkennt-nis des Geistes die houmlchste Erkenntnis Die Phaumlnomenologieist nun die Wissenschaft die vermittelt diese Erkenntnis sie istdie Wissenschaft von dem erscheinenden Geist von dem Be-wuszligtsein wo der Geist sich nicht zu sich selbst verhaumllt son-dern zu einem Andern einem Gegenstande der Weg wie derGeist durch verschiedene Stufen sich zur Erkenntnis des Gei-stes als des Absoluten zum absoluten Idealism[us] erhebt Dieunterste Stufe ist die sinnliche Gewiszligheit und der Zweifel anihrer Realitaumlt

1 Im Ms folgt gestr Vermittlung2 H[egel] in H[egels] System Nur die ganze entfaltete Wissen-

schaft gibt erst den Begriff der Wissenschaft aber weil der Begriffdie sich Korr im Ms

3 Im Ms folgt gestr ist4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 795 Im Ms nur teilw unterstr6 Im Ms folgt gestr Wissen und ndash Im Ms folgt das7 Im Ms folgt gestr identisch sind

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XX Vorlesung1 [Hegel]2

Die Phaumlnomenologie ist die Geschichte von dem Befreiungs-kampfe des Geistes mit der gegenstaumlnd[lichen] Welt als einervon ihm unterschiednen und entgegengesetzten Welt ihr Zielist den Geist als die absolute Realitaumlt zu erkennen Sie ist derWeg wie der Geist zu sich selbst kommt Der Fichtesche Idea-lismus aber nicht mehr in einer beschraumlnkten subjektiven Formsondern in3 absoluter Bedeutung ist die4 zugrundeliegendeIdee Der bei sich selbst nicht bei einem Objekte als einemandern seiende Geist ist der sich selbst zum Objekt habendeder sich selbst denkende Geist Hier ist das Gedachte und Den-kende identisch die absolute Identitaumlt ist nur der sich selbstdenkende Geist ndash das Denken des Denkens Aber das Denkenist nicht mehr in dem subjektiven Sinne genommen 158 wiebei F[ichte] es bedeutet nicht mehr den sich als Ich wissendenGeist sondern den Geist an und fuumlr sich den Geist gedacht alsWesen als Substanz Die Wissenschaft die das Denken desDenkens zu ihrem Gegenstande hat ist die Logik Die Logik istdaher die erste5 Wissenschaft Sie ist es aber nicht in dem Sin-ne wie die gewoumlhnliche Logik die sich nur mit den Formendes subjektiven menschl[ichen] Geistes beschaumlftigt sie hat dieBestimmungen des Denkens zugleich als Wesensbestimmungenzu ihrem Objekt sie ist daher Metaphysik bdquoDenken ist einAusdruck der die in ihm enthaltene Bestimmung vorzugsweisedem Bewuszligtsein beilegt Aber insofern gesagt w[ird] daszligVerstand daszlig Vernunft in der gegenstaumlndlichen Welt ist daszligder Geist und die Natur Gesetze haben nach welchen ihr Le-ben und ihre Veraumlnderungen sich machen so wird zugegebendaszlig die Denkbestimmungen ebenso sehr objektiven Wert undExistenz habenldquo Einleitung zur Logik (p 15)6 D h7 Bestim-mungen die8 unser subjektives Denken selbst zu seiner Vor-

1 Am Rande Verweis auf 20 Vorlesung2 So auch A3 Im Ms folgt gestr einer4 die [so auch A] der Ms5 Im Ms folgt gestr und houmlchste6 G W F Hegel Wissenschaft der Logik 1 Th Die objektive Logik

Nuumlrnberg 1812 S 14-157 dh die Korr im Ms8 die Unles Korr im Ms fehlt in A

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aussetzung hat die der Grund desselben wie der Realitaumlt derDinge sind Sein Wesen Ursache Quantitaumlt Qualitaumlt dieBeschaffenheit sind Bestimmung[en]des Denkens BegriffeFormen nur durch sie ist mir ein Objekt gegeben ohne siekann ich nichts denken und nicht nur ohne sie (negativ) neinnur durch sie kann ich ein Objekt denken sie sind OrganeInstrumente1 In den gemeinsten sinnlichsten Urteilen undSaumltzen sind sie nur unbewuszligt wirksam sage ich dieses Blattist gruumln gefaumlrbt oder es hat gruumlne Farbe so unterscheide ichBlatt und Farbe und denke mir das Blatt einmal als ein unmit-telbar bestimmtes Subjekt ich denke die Farbe als eine unmit-telbare Affektion das andre mal unter einem lockern Verhaumllt-nisse unter der Kategorie des Habens Haben druumlckt keineunmittelbar[e] sondern eine mittelbare trennbare Identitaumlt ausEbenso wenn ich sag[e] die Seele ist einfach unteilbar sodenke ich die Seele unter2 der Kategorie der Einfachheit DieseBestimmung[en] sind Gedanken Die Erfahrung zeigt mir[nicht] die3 Quantitaumlt nicht die Qualitaumlt sondern immer nureine bestimmte Groumlszlige eine bestimmte Qualitaumlt ebenso ist dasWesen nie Objekt der Sinnlichkeit es ist keine sinnliche Sub-stanz Die Welt enthaumllt nur bestimmte Wesen Dies gilt vonallen4 allgemeinen Begriffen wie Verschiedenheit EinheitAber gleichwohl sind diese Bestimmungen 159 reale objekti-ve Bestimmungen bdquoDie notwendigen Formen und eigenenBestimmungen des Denkens sind die houmlchste Wahrheit selbstldquo5bdquoWenn sie nicht Bestimmungen des Dings an sich sein koumln-nen so koumlnnen sie noch weniger Bestimmungen des Verstan-des sein dem wenigstens die Wuumlrde eines Dings an sich zuge-standen werden sollteldquo (p 9)6 Das System der Logik ist dasReich der Schatten die Welt der einfachen Wesenheiten vonaller sinnlichen Konkretion befreitldquo (p 27)7 Sie ist das bdquoSy-stem der reinen Vernunftldquo das bdquoReich des reinen Gedankensldquo(p13)8 bdquoSie ist die reine Wiss[enschaft] befreit von dem Ge-

1 Im Ms folgt gestr Sage ich2 Im Ms folgt gestr einem3 die keine Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr B[egriffen] Fehlt in A5 Vgl G W F Hegel Wissenschaft der Logik a a O S 136 Ebenda S 87 Ebenda S 278 Vgl ebenda S 13

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gensatze des Bewuszligtseinsldquo Sie beruht auf dem Begriffe daszligbdquodas an sich Seiende der Begriff und der Begriff das an sichSeiende istldquo1

Wie koumlnnte ich auch etwas erkennen wenn die Bestimmungenin denen ich denke und denken muszlig nur subjektive nicht ob-jektive an und fuumlr sich seiende Bedeutung haumltten Sie sind2

aber nicht subjektiven Ursprungs also nicht subjektive Wesensubjektiver Bedeutung denn sie entspringen nicht durch Ab-straktion die Abstraktion wie all3 unser bestimmtes bewuszligtesDenken setzt sie voraus als ihre Moumlglichkeit oder richtigerGrundprinzipien Es sind bdquoobjektive Gedankenldquo Vires primiti-vae Entelechien bestimmende Urkraumlfte bdquoSeelenldquo wie sieH[egel] nennt und sie bestimmen nicht nur unser Denken siebestimmen die Dinge selbst die logischen Formen sind uumlber-sinnliche Wesenheit[en] in denen alles was real ist seinenGrund und sein Bestehen habe

Diese Auffassung und Bedeutung der Logik ist es nun wo-mit H[egel] am meisten ebensowohl gegen den delikaten andie Suumlszligigkeiten der aumlsthetisch[en] und intellekt[uellen] An-schauung als gegen den an die Hausmannskost der Empiriegewoumlhnten Geschmack Anstoszlig bei s[einer] Zeit erregte Inwessen Munde waren denn nicht Goethes Worte uumlber die Lo-gik im Fauste die aufgeblaumlhte Genialitaumlt und Vornehmtuerei160 glaubte sich ja laumlngst uumlber alle logischen Gesetze erha-ben empoumlrte sich in die alte Knechtschaft der Logik wiederzuruumlckgefuumlhrt zu w[erden]4 Allein die Logik im Sinne Hegelsin der Art wie er sie auffaszligte ist nicht die alte L[ogik] sieweicht dem Inhalte und der Methode [nach] unendlich von ihrab schon dadurch daszlig sie Metaphysik eigentliche Philosophieist Und es ist toumlricht zu glauben daszlig der menschliche Geist inirgendeiner Produktion uumlber die logischen Gesetze hinauskoumln-ne die man aber nicht als Gesetze sondern als Selbstbestim-mungen der Vernunft fassen muszlig5 so toumlricht als wenn einSeiltaumlnzer glaubte [sich] bestimmten Gesetzen der Natur ent-

1 Ebenda S XII2 sind haumltten Korr im Ms3 all alles A4 Vgl J W v Goethe Faust Eine Tragoumldie neue Aufl Stuttgart ndash

Tuumlbingen 1825 S 118-1195 Uumlber der Zeile Man muszlig nur nicht darunter die trocknen Schluszlig-

formen und die formelle Konsequenz verstehen

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ziehen [zu koumlnnen] daszlig die mannigfaltigen Wendungen undStellung[en] s[eines] Koumlrpers absolut willkuumlrlich nicht ge-setzmaumlszligig bestimmte Bewegungen waumlren1 Selbst in demphantastischsten2 Maumlrchen in dem freisten Spiele der Phantasieherrscht wenn es nicht barer Tollhaumluslerunsinn ist HarmonieEinheit in den disparatesten Elementen herrscht Gesetz Not-wendigkeit herrscht Logik Auch der Kuumlnstler ist ein Logiker3Des4 denkenden M[enschen] ist es unwuumlrdig durch die Viel-heit Beweglichkeit Mannigfaltigkeit der Dinge sich den Kopfverwirren zu lassen und die Unrealitaumlt der einfachen logischenFormen deswegen zu glauben Das Leben ist freilich Freiheitja ein Spiel der Willkuumlr aber ein Spiel in dem ein Sinn liegt indem Gesetz Gedanke herrscht Eine Freiheit die nicht Ver-nunft ist ist die Freiheit des Wahnsinns La nature de Dieu esttoujours fondeacutee en raison [Die Natur Gottes begruumlndet sichimmer in der Vernunft] sagt schon Leib[niz] Die vernunftloseFreiheit ist der5 absolute Wahnsinn unserer Zeit Die Vernunftnegieren heiszligt Gott leugnen6 Alles7 in der Natur strebt nachGestalt nach Form Selbst der Wassertropfen braucht nur ausdem Zus[ammen]hang mit der ganzen Masse herausgerissen[zu werden] um zur Kugelgestalt zu streben Aber wo Formist Ordnung und Wahrheit ist Sinn und Verstand8 Unser Koumlr-per selbst ist ein System aber wo System ist ist Logik DieUnterbrechung selbst eines Gesetzes in der Natur in der Ge-schichte ist selbst wieder ein Gesetz nur ein houmlheres GesetzDas innigste seelenvollste ist der Ton Aber worauf reduziert

1 ein waumlren man glaubte irgendein Koumlrper koumlnne sich dem Ge-

setze der Schwere entziehen Korr im Ms - Am Rande unleserlErg

2 phantastischsten tollsten Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr Selbst die Natur ist nicht bloszlig ein Geometer und

Mechaniker sondern ein Logiker Am Rande Man muszlig unter logi-scher Notw[endigkeit] nur nicht die formelle Konsequenz verste-hen

4 Des Eines Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Wahn6 Vgl G W Leibniz Lettres agrave M Thomas Burnet hellip In G G

Leibnitii Opera Omnia hellip Tom VI Pars I Genevae 1768 LettreXI S 274

7 Einfuumlgung am Rande Selbst die Natur ist nicht bloszlig ein Geometerund Mechaniker sondern auch Logiker

8 Ordnung Verstand Vernunft Korr im Ms

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sich der Ton Auf mathematische Gesetze auf 1611 Zahlender Ton der Saite auf eine bestimmte Anzahl von Schwingun-gen Wie maumlchtige Naturwirkungen bringen die chemischenStoffe hervor Aber ein bestimmter chemischer Stoff kommtnicht dadurch zustande daszlig ich gesetz-2 und vernunftlos Massemit Masse vermische3 sondern nur dadurch daszlig die ihn kon-stituierenden Stoffe unter einem ganz genau haarscharf be-stimmten quantitativen Verhaumlltnis miteinander gemischt wer-den Nicht in dem Stoffe den der sinnliche M[ensch] allein fuumlrdas Reale das Imponierende haumllt in dem bestimmten Zahlen-verhaumlltnis unter welchem die Teile gemischt w[erden] liegtdas konstituierende Prinzip So ist uumlberall das Abstrakte dieBasis des Konkreten das Abstrakte aber eben deswegen keinAbstraktes kein Totes sondern eine Entelechie Selbst imIndividuellsten im Gebiete der Neigungen herrscht nicht derZufall der Willkuumlr Selbst Baco der sinnliche Baco4 betrachtetdas was gewoumlhnlich die M[enschen] allein fuumlr das Konkrete anden Dingen halten nur fuumlr eine Maske und bestimmte als dieAufgabe der Naturwissenschaft daszlig sie der Maskerade ein5

Ende machen und auf die ewigen und einfachen Gesetz[e] dieer auch Formen nennt die Mannigfaltigkeit der Naturerschei-nungen reduziere6 Er sagt daher deswegen ist die Metaphysik 1 Am Rande r o Verweis auf XX Vorlesung und Paginierung S 812 gesetz- [in A gesetz] Gesetz Ms3 vermische [so auch A] vermischt Ms4 Im Ms folgt gestr der so sehr auf die empirische5 ein [so auch A] eine Ms6 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia hellip

Francofurti 1665 lib II Aph XXXV S 366 Zitat lautet bdquoAt In-stantiae Foederis ostendunt operationes amp effectus quae deputan-tur alicui ex illis Heterogeniis ut propria competere etiam aliis exHeterogeniis ut convincatur ista Heterogenia (quae in opinioneest) vera non esse aut essentialis sed nil aliud esse quam Modifi-catio Naturae communis Optimi itaq sunt usus ad elevandum ampevehendu Intellectum agrave Differentiis ad Genera amp ad tollendum lar-vas et simulachra rerum prout occurrunt amp prodeunt personatae insubstantiis Concretisldquo [bdquoZeigen die verbuumlndeten Faumllle wie Tauml-tigkeiten und Wirkungen die von einer dieser ungleichartigen Ei-genschaften als nur zu ihr gehoumlrig ausgesagt werden sich ebensoauf die entgegenstehenden Eigenschaften erstrecken Daraus ergibtsich daszlig diese vermeintliche Ungleichartigkeit nicht echt und we-sensbedingt ist sondern nur die Abwandlung einer beiden gemein-samen Eigenschaft Dies hilft nun dem Verstand sehr sich von den

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ndash die Metaph[ysik] nennt er die Wiss[enschaft] der einfachenNaturf[ormen] ndash die herrlichste Wiss[enschaft] weil sie denmensch[lichen] Geist am wenigsten mit der Vielheit der Dingebelastet denn sie betrachtet hauptsaumlchl[ich] nur die einfachenFormen der Dinge die so wenige ihrer auch sind doch durchdie verschiednen Grade und Weisen ihrer Verbindung unter-einander die mannigfaltigen konkreten Koumlrper begruumlndenLeibn[iz] war schon uumlberzeugt von der hohen Wichtigkeit undRealitaumlt der allgemeinen Termini oder Notiones L[eibniz] sagtdaszlig die scheinbar bekanntesten Bestimmung[en] die1 ab-strakt[esten] und zweideutigsten sind daszlig die Menschen oftmetaphys[ische] Ausdruumlck[e] im Munde fuumlhren durch einegewisse Notw[endigkeit] dazu gezwungen 162 und sichschmeicheln sie zu verstehen was doch nicht der Fall istUnter diesen Begriffen fuumlhrt er an die der Ursache der Aktionder Substanz der Relation der Aumlhnlichkeit Von der Erkennt-nis dieser Formen macht er das Schicksal der Philos[ophie]namentlich der ersten vorzuumlglichsten der Metaphysik abhaumln-gig2 K[ant] machte diese Formen zum Gegenstande aber erbetrachtete sie bloszlig als Formen des subj[ektiven] Denkensnahm sie unkritisch aus der alten Logik auf in ihrer dortigenDuumlrrheit und Eingeschraumlnktheit F[ichte] deduzierte sie ausdem Ich aber sie blieben bei ihm auch in der Schranke derSubjektivitaumlt Erst Hegel machte sie an und fuumlr sich zum Ge-genstande er realisierte so erst die Idee des Leibniz Er machtsie an und fuumlr sich selbst ohne in bezug auf ein Objekt oder einSubjekt zum Gegenstande3 Es ist ganz gleichguumlltig sagtH[egel] ob sie subjektiv sind es kommt darauf an was ihrGehalt ihr Wert fuumlr sich selber ist Ehe ich an einen positivenGegenstand gehe muszlig ich die Bestimmungen unter denen ichuumlberh[aupt] denke schon untersucht haben um zu wissen obich an ihnen etwas Reales habe Zum Beispiel die Bestimmungder Grenze wenden Unzaumlhlige ohne Bedenken auf die Vernunftan sie sagen d[er] M[ensch] ist beschraumlnkt das ist falsch Die

Unterschieden zum Allgemeinen zu erheben So werden die Larvenund Trugbilder der Dinge beseitigt die gleich Personen in den fe-sten Substanzen sich zeigen ldquo]

1 Im Ms folgt die2 Vgl G W Leibniz De primae philosophiae Emendatione hellip In G

G Leibnitii Opera Omnia hellip Tom II Pars I a a O S 193 Am Rande Notwendig ist aber diese Betrachtung

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Bestimmung der Grenze faumlllt in eine unendlich tiefere Sphaumlreein Ding mit so und so einer Beschaffenheit ein chemisch[er]Stoff eine Spezies eine Art hat an ihrer Bestimmtheit ihreGrenze Aber nicht die Vernunft D[as] Indiv[iduum] ist be-schraumlnkt eine beschraumlnkte Ver[nunft] ist nichts als eine in-div[iduelle] Art des Denkens ein Modus Cogitandi Alle Philo-sophen vor H[egel] gingen insofern als sie nicht diese Urbe-stimmungen der Untersuchung und Kritik unterwarfen vonVoraussetzungen aus Nichts ist auch schwerer als dieseleichtbeweglichen Formen zu fixieren daszlig sie dem Denkenstille und standhalten es gehoumlrt eine auszligerordentliche Geistes-und Denkkraft dazu diese Gasarten der Vernunft aufzufangenund sichtbar darzustellen Und dieses hohe Verdienst w[ird] dieNachwelt 1631 unbezweifelbar anerkennen und ihr nicht nureine negative kritische Bedeutung wie viele jetzt ungeachtetihrer Abneigung gegen H[egel] wenigstens ihm einzuraumlumensich gezwungen sehen sondern eine positive Bed[eutung]einraumlumen2 Unsre Zeit hat eine Scheu vor dem Abstraktenwenn es auch nur der Form nach ein Abstraktes ist eine Scheuder wir bereits es zu verdanken haben daszlig die Hexen und an-deres Gesindel des Aberglaubens in die Akademie der Wis-sensch[aften] wieder rezipiert w[urden] und noch andre loumlbli-che Erscheinungen jetzt und in Zukunft zu verdanken habenwerden

Die Logik hat also zu ihrem Gegenstande die reine Vernunftin ihrer Entfaltung oder die Vernunftbestimmungen in ihrerTotalitaumlt oder die Idee die Vernunft im Elemente des reinenDenkens Die Form oder die Methode der Logik ist die Dialek-tik Sie ist die Aufzeigung wie eine Denkbestimmung notwen-dig in ihre entgegengesetzte uumlbergeht sie ist die Verknuumlpfungdie Synthese der Thesis und Antithesis die Vereinigung derGegensaumltze sie ist3 es die die Philos[ophie] zur spekulativenPhilos[ophie] erhebt Nur durch die Dialektik werden dieDenkbestimmungen4 die auszligerdem endliche Verstandesbe-stimmungen sind faumlhig die Natur des Unendlichen des Wah-ren auszudruumlcken Getrennt auseinandergehalten und fixiertsind sie endlich mit Recht hielt sie K[ant] weil er sie so be- 1 Am Rande r o Paginierung S 822 einraumlumen einzuraumlumen Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr die4 Denkbestimmungen Verstandesbestimmungen Korr im Ms

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trachtete fuumlr unfaumlhig zur Erkenntnis des Unbedingten DieDialektik ist es daher auch die Leben in die Wiss[enschaft]bringt Denn die Dialektik ist die reine Form des Lebens selbstsie ist keine subjektive Kunst Sie ist daher auch in derWiss[enschaft] oder als Form des Denkens nicht ihrem Gegen-stande aumluszligerlich Sie ist die eigne Natur der Denkbestimmun-gen wie aller Dinge und alles Endlichen bdquoAlles Endliche istdiesldquo sagt H[egel] bdquosich selbst aufzuhebenldquo1 d h in seinGegenteil uumlberzugehen Alles in der Welt sehen wir der Veraumln-derung unterworfen Hier aber ist zwischen 164 den Gegen-saumltzen die Zeit die Grenzlinie Etwas wird ein anderes geht insein Gegenteil uumlber aber zwischen s[einem] So- und Anders-sein liegt die Zeit es hat nicht zu gleicher Zeit die entgegenge-setzten Bestimmungen Aber dies aumlndert nichts an der Naturder Sache am Begriffe Die Veraumlnderung ist nichts als diesinnliche Erscheinung der Dialektik bdquoDie Dialektik ist diesimmanente Hinausgehen worin die Einseitigkeit und Be-schraumlnktheit der Verstandesbestimmungen sich als das was sieist naumlmlich als ihre Negation darstellt Das Dialektische machtdaher die bewegende Seele des wissensch[aftlichen] Fortge-hens aus und ist d[as] Prinzip wodurch allein immanenterZus[ammen]hang und Notwendigkeit in den Inhalt der Wissen-schaft kommt so wie in ihm uumlberhaupt die wahrhafte nichtaumluszligerliche Erhebung uumlber das Endliche liegtldquo2 (p 97 Ency-klop[aumldie]) Da die Dialektik darin besteht von einer Bestim-mung auszugehen aber sie nicht stehen zu lassen in aumluszligerlicherTrennung von der entgegengesetzten sondern sie in diese hin-uumlberzuleiten oder diese aus jener zu erzeugen und so entge-gengesetzte Bestimmungen zu verknuumlpfen so schreitet dieMethode vom Einfachen Abstrakten zum Konkreten Verwik-kelten fort denn konkret ist die Einheit entgegengesetzter Be-stimmungen oder sie besteht darin das was zunaumlchst selbst-staumlndig ist und betrachtet w[ird] zu einem bloszligen Momente zueiner Teil-Bestimmung herabzusetzen und so zur Totalitaumlt sichzu erheben Die Methode ist daher wesentlich EntwicklungEntwicklung ist nur dort wo in sich selbst zuruumlckkehrendeTaumltigkeit wo der Anfang in dem Ende das Ende schon imAnfange liegt wo das Ende das Resultat nur der entwickelte 1 G W F Hegel Encyclopaumldie der philosophischen Wissenschaften

im Grundrisse 2 Ausgabe Heidelberg 1827 sect 81 S 972 Ebenda S 97

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der konkrete Anfang ist1 Jeder Keim jede Anlage jedes Ta-lent jedes Vermoumlgen ist das schon was aus ihm w[ird] abernur an sich noch nicht konkret entwickelt (Das Kind ausdem ein Dichter w[ird] ist auch schon ein Dichter aber einunentwickelter Im Resultate in dem es ein konkreter wirkli-cher Dichter w[ird] ist dasselbe was schon in der Anlage waraber entwickelt An sich d i der Moumlglichkeit nach ist dasKind schon Dichter aber nicht fuumlr sich es ist sich noch nichtals des Dichters 1652 bewuszligt noch nicht erscheinenderwirklicher Dichter Das Konkrete das Wirkliche3 ist An- undFuumlrsichsein) Resultat das Ende und der Anfang unterscheidensich nur wie der Zweck in der Vorstellung und der4 realisierteZweck Der ausgefuumlhrte Zweck unterscheidet sich von demvorgestellten nur dadurch daszlig dasselbe was in der Form desGedankens zuerst existierte nur als Innerliches Moumlglichesjetzt in der Form des Daseins existiert bdquoDie Vernunft ldquo sagtdaher H[egel] bdquoist das zweckmaumlszligige Tunldquo5 So schreitet dennauch die Logik von der Sphaumlre oder dem Begriff des Seinsworin die Bestimmungen der Quantitaumlt und Qualitaumlt fallen zudem Begriffe des Wesens fort worin die Reflexionsbestim-mungen des Grundes und der Folge der Ursache und der Wir-kung usw gehoumlren6 und von da zum Begriff des Begriffes oderder Idee sie geht von der einfachsten Bestimmung der desSeins zu der verwickelteren des Wesens ndash ein Begriff der nurdurch Reflexion uumlber das Sein entsteht ndash und vom Wesen zuden Bestimmungen des Geistes die die absolut konkreten oderrealen sind denn der Geist ist allein die houmlchste die absoluteRealitaumlt Die houmlchste Kategorie aber ist die der Idee Aber inder Logik w[ird] nicht eine bestimmte Idee betrachtet sonderndie Natur der Idee an und fuumlr sich Das Resultat der Logik istdaher die absolute Idee Die Idee entwickelt sich aus dem Seindurch das Wesen Aber das Sein ist an sich der Moumlglichkeitnach schon Idee das Wesen ebenso es ist nur noch die unent-

1 Im Ms folgt gestr So entwickelt sich der vollkommene Dichter aus

dem Anfange dem Talente das er als Knabe hat2 Am Rande r o Paginierung S 833 Wirkliche [so auch A] Wirklichkeit Ms4 der das Korr im Ms5 Vgl G W F Hegel Die Phaumlnomenologie des Geistes In System

der Wissenschaft 1 Theil Bamberg ndash Wuumlrzburg 1807 S XXV6 Im Ms folgt gestr fort

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wickelte Idee oder die Idee in der Form der UnmittelbarkeitDie Idee ist daher die Totalitaumlt das Ganze der Logik Sein undWesen sind nur ihre Momente Anfangs w[ird] das Sein selbst-staumlndig betrachtet aber es erhebt sich zum Wesen und w[ird]dann zuletzt als nur eine Bestimmung der Idee gesetzt1 DieserGang H[egel]s nun hat allerdings seine Realitaumlt Im Anfangs[eines] Lebens steht der 166 Mensch auf der Stufe desSeins2 Von dem Kinde kann man weiter gar nichts sagen als esist Die Seele des Kindes ist unmittelbar bestimmt HungerDurst Verlangen und dessen Befriedigung sind die Veraumlnde-rungen die in ihr vorgehen die Bestimmungen s[einer] Seele3

sind Beschaffenheiten Qualitaumlten4 nicht durch Vorstellungendurch Reflexion durch den Willen vermittelte Bestimmungenund diese Beschaffenheiten unterscheiden sich nach verschie-denen Graden die Empfindungen des Hungers sind baldschwaumlcher bald staumlrker groumlszliger geringer und die theoretischeTaumltigkeit ist nur Anschauung die Anschauung hat aber nur zuihrem Objekt d[as] Sein nicht das Wesen Kurz s[eine] Seele5

bewegt sich in den Kategorien der Quantitaumlt Qualitaumlt die indie Sphaumlre des Seins fallen Aber das Kind6 bleibt nicht beimersten Teil der Logik stehen es7 erhebt sich dialektisch in denzweiten Das Kind faumlngt an zu reflektieren uumlber das was essieht es fragt nach Gruumlnden das Sein befriedigt nicht mehr dieSeele es erwacht der Begriff des Wesens Aber so w[ird] esselbst jetzt wesentlicher Mensch Aber am spaumltesten erhebt sichder M[ensch] zu dem Gedanken der Idee zum Begriffe desGeistes weil er obwohl an sich oder in bezug auf sich derreellste konkreteste reiche doch in bezug auf das Sinnlichsteabstrakter Begriff ist Und so w[ird] der Mensch erst geistigerM[ensch] Das erste Bewuszligtsein ist das Gefuumlhl daszlig ich bin ndashdas Bewuszligtsein des Seins ndash das zweite Bew[uszligtsein] die Re-flexion was bin ich das dritte oder das Bewuszligtsein auf derhoumlchsten Potenz die Erkenntnis ich bin Geist mein Wesen ist

1 gesetzt betrachtet Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr Der3 Die Seele Seine Bestimmungen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr die5 Im Ms folgt gestr best Fehlt in A6 Im Ms folgt gestr geht7 es [so auch A] sie Ms

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Geist1 Der Gedanke des Geistes aber ist Idee denn dieserGedanke ist selbst Geist Und die Idee ist die Einheit der Form2

und des Inhalts des Gegenstandes und des Subjektiven desDenkenden und Gedachten Die Idee ist3 nicht mehr die in derForm des Seins oder des Wesens sondern in der Form desreinen Gedankens in der reinsten Vernunftform oder in derdem Wesen der Vernunft absolut entsprechenden d i ad-aumlquaten Form sich wissende Vernunft Die Idee ist das reineSelbstbewuszligtsein der Vernunft aber hier als logische 167Idee sie ist das Resultat der Logik aber auch ihr wahres Prin-zip Das Sein als die erste einfachste Bestimmung ist wohl derAnfang aber der Anfang der als seinen immanenten Zweckals seinen Trieb sein Bewegungsprinzip schon die Idee vor-aussetzt

Dieser Entwicklungsgang ist im Allgem[einen] der Gang derPhilosophie gewesen vom Abstrakten zum Konkreten Einfa-chen zum Verwickelten emporzusteigen aber keiner hat ihn sotief erfaszligt und ausgefuumlhrt als H[egel] [er] hat ihn als einenKreislauf erfaszligt Es ist dieser Entwicklungsgang4 der beiSchell[ing] in dem Gedanken des Grundes den er der Intelli-genz in Gott voraussetzt ein Gedanke den er in s[einen] spaumlte-ren Schriften aussprach auch zugrunde liegt und5 deswegenauch6 beide in diesem Punkte fuumlr wesentlich identisch erkannteMit wenigen Worten muumlssen wir daher hier noch diese7 LehreSchell[ings]8 erwaumlhnen9 und sie wenn auch nicht mit seinen

1 Am Rande Erst auf dieser Stufe erhebt sich der Mensch zu Ideen

gleichwie auch die Philos[ophie] bei den Griechen erst in Plato sichzu Ideen erhebt

2 Der Form [so auch A] des Forms Ms3 Im Ms folgt die Fehlt in A4 Am Rande und uumlber der Zeile Diese Idee ist es nun auch die

Schelling zugrunde liegt wenn er der Intelligenz die Idee einesnicht-intelligenten Grundes voraussetzt

5 und man Korr im Ms Im Ms folgt gestr hat6 Im Ms folgt auch7 diese [so auch A] diesen Ms8 Im Ms folgt gestr ent9 Am Rande Unleserl teilw gestr Satz Es ist daher [] der Ort hier

[] In dieser Lehre ist es bei Schelling in Gott selbst ein negativesPrinzip [Im Ms folgt selbst] das Prinzip der Endlichkeit (p 98)eine Lehre auf die wir fruumlher nur anspielten weil wir [wir obgleichKorr im Ms] schon Spuren derselben in den fruumlhern Schriften [Im

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doch mit so klaren Worten als moumlglich anzugeben suchen Wasist kann sein und ist nur darum weil es sein kann Dem Seingeht die Moumlglichkeit die Kraft des Seins voraus Dies ist einalter Satz1 Dem Sein Gottes geht daher auch die Moumlglichkeits[eines] Seins voraus Er ist weil er sein kann Dieses Koumlnnendiese potentia liegt aber in Gott selber Gott ist causa suiGrund seiner selbst und dieser Grund ist2 eben die innere realeMoumlglichkeit sein Koumlnnen seine Macht zu sein Der moumlglicheGott ist aber noch nicht der wirkliche er ist nur der Gott impli-zite der sein-sollende und sein-koumlnnende nicht der expliziertereale Gott Der reale Gott ist Gott als Intelligenz Aber dieIntelligenz setzt Natur voraus Wir muumlssen also auszliger s[einer]Intelligenz in Gott eine Natur setzen Und diese Natur ist ebenseine Moumlglichkeit sein Vermoumlgen Gott zu sein der GrundZur Annahme dieser Natur zwingt uns das Dasein der Naturder Materie des dunkeln verworrnen Lebens das wir in derNatur sehen Wie kann das Unvollkommne aus dem Voll-kommnen die3 Finsternis aus dem Lichte entspringen dasNicht-Intelligente aus der reinen Intelligenz das Irrationale ausdem Rationalen Wir muumlssen also annehmen daszlig die Intelli-genz selbst in Gott 168 aus dem Nicht-Intelligenten sich ent-wickelt das aber selbst schon die potentia zur Intelligenz insich hat daszlig Gott also sich in sich selbst aus dem Unvoll-kommnen zum Vollkommnen entwickelt bdquoDie Gottheit ist keinLichtldquo sagt wirklich schoumln und geistreich Schell[ing] bdquodasWolken macht sondern ein Licht das schon daseiende Wolkenzerteiltldquo4 Diesen moumlglichen den intelligenten Gott faszligt nun

Ms folgt sich] finden und die Entwicklungsgeschichte der Philoso-phie sich eben an den [den jeden Korr im Ms] Mangel des Prinzipsder Endlichk[eit] wie er in den fruumlhern Darstellung[en] d[er]Schellingschen Philos[ophie] sich vorfand mit Hegel anschloszlig[Vgl F W J Schelling F W J Schellingrsquos Denkmal der Schriftvon den goumlttlichen Dingen [et]c des Herrn Friedrich Heinrich Ja-cobi und der ihm in derselben gemachten Beschuldigung eines ab-sichtlich taumluschenden Luumlge redenden Atheismus Tuumlbingen 1812 S98]

1 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia Francofurti 1620lib I cap VII S 23-24

2 Im Ms folgt gestr aber3 die das Korr im Ms4 Vgl F W J Schelling F W J Schellingrsquos Denkmal der Schrift von

den goumlttlichen Dingen a a O S 108

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Sch[elling] als die Unterlage die Folie den Grund der Intelli-genz Schelling erkannte mit andern Denkern von denen wirnur den Lessing nennen wollen die Notwendigk[eit] Unter-schiede in Gott zu setzen sonst ist kein Bewuszligtsein moumlglichweil er sonst ein leeres bewuszligtloses lebloses nur abstraktesWesen ist Seine Lehre die1 eine Wiedererweckung der JacobBoumlhmesch[en] Lehre ist ist auch in der Tat gegen den ab-strakten Theismus eines Jacobi und anderer Gleichgesinntergegen den einseitigen Rationalismus der eine dem Sein derNatur der Materie entgegengesetzte Intelligenz an die Spitzestellt und fuumlr den daher das Dasein einer Natur ein absolutunbegreifliches Raumltsel ist ein positiver Fortschritt der Erkennt-nis zu nennen Aber die Fassung dieser Unterscheidung istwirklich zu anthropomorphistisch zu sinnlich2 Aber die Vor-stellung einer Unterlage ist eine truumlbe unlautere der Intelli-genz widersprechende unlogische die hinab in den Abgrundeines mystischen Realismus stuumlrzt indem er den Dualismuszwischen dem Intelligenten und Nicht-Intellig[enten] zu loumlsen[versucht] beruht sie selbst wieder auf einem Dualismus desDenkens und Seins und indem sie vieles erklaumlrt3 ebenso vielunerklaumlrt laumlszligt Fragen unbeantwortet laumlszligt die sich notw[endig]ergeben uumlberh[aupt] zu keinem befriedigenden Organism[us]der Wiss[enschaft] fuumlhrt Jene notwendige Folge dieser Lehreist daszlig die wirkliche Natur eigentlich nur durch einen Purzel-baum der in Gott vorgeht zum Dasein kommt (p 95 DenkmalJacobis)4 Schell[ing] geht aus von dem Gegensatz des Voll-k[ommnen] und Unvollkommnen des Ration[alen] und Irrati-on[alen] (und so den Standpunkt gestellt so hat er wie er ins[einer] Schrift gegen Jacobi verfaumlhrt ganz recht5 Aber Sch[el-ling] geht immer von Voraussetzungen aus er laumlszligt die Begriffebestehen ergaumlnzt sie durch andere auszliger ihnen statt daszlig er indiese Begriffe selbst einzugehen und eine Reformation mit

1 Im Ms folgt gestr im Grunde2 Schelling sinnlich Diesen Gedanken liegt tiefe Idee zu Grunde

Wir muumlssen allerdings Unterschiede in Gott setzen sonst ist keinBewuszligtsein moumlglich Im Ms korr und teilweise gestr

3 vieles erklaumlrt [so auch A] erklaumlrt vieles Ms4 Uumlber der Zeile nicht zuzuordnende Erg indem der Grund der vor

Gott uumlber Gott herunterpurzelt als Prinzip der endlichen Welt5 Vgl F W J Schelling F W J Schellingrsquos Denkmal der Schrift von

den goumlttlichen Dingen a a O S 95

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ihnen vornehmen sollte Indes hat aber Schell[ing] nie die Na-tur des Denkens des Logischen der Vernunft selbst untersuchtdiese Probleme beschaumlftigten ihn nicht) Das Irrationale ist keinreines Irrationales1 es sind nur Stufen des Rationellen es kannalso wohl aus ihm abgeleitet w[erden]

1 Irrationales Rationales Korr im Ms

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[Zur I Vorlesung ndash Begeisterte Anschauung]1

1692 Zur Erlaumluterung dieses Gedankens wollen wir nunfolgendes an die Hand geben Denken wir uns einen wahrenaber enthusiast[isch]en Kunstkenner vor einem Bilde stehenDas Bild entzuumlckt ihn setzt ihn auszliger sich vor Bewunderunges reiszligt ihn mit sich fort in s[einer] Seele ist nichts als diesesBild er houmlrt und sieht sonst nichts er ist verloren in d[as] Bildversenkt in s[eine] Anschauung eins mit ihm ist in diesemMomente der Begeisterung nichts als diese Anschauung selbster hat sie nicht er ist sie selbst ndash denn das ist uumlberhaupt d[er]Charakter der Begeisterung daszlig an die Stelle des Habens dasSein die unmittelbare Einheit tritt ndash aber das Bild ist ihmnichts Totes es ist Lebendiges es erweckt Bewunderung eswirkt es bestaumltigt sich die bewundernde Anschauung ist nichtsals die sich selbst betaumltigende Schoumlnheit und Wahrheit desGemaumlldes (ich leihe nur Worte dem stummen Bild ich bringees nur zur Sprache meine Anschauung ist in Wahrheit dieSelbst-Anschauung des Gemaumlldes)3 Wenn nun aber schon hierzwischen einem so aumluszligerlichen der Form nach wenigstenssinnlichen Gegenstand wie ein Gemaumllde und dem Subjekte einso inniges gegenseitiges Verhaumlltnis stattfindet daszlig die in dasObjekt eingehende und sich versenkende Taumltigkeit des Sub-jekts nichts andres ist in Wahrheit als die Selbst-Betaumltigungdes Gegenstandes um wie viel mehr muszlig zwischen einemObjekt das an und fuumlr sich geistiger Natur und zwischen die-sem Subjekt das sich zu ihm nur auf geistige s[einer] Natur170 entsprechende Weise verhalten kann ndash auszligerdem ist ihmja gar nicht der Gegenstand4 gegeben ndash eine solche Gegensei-tigkeit stattfinden so daszlig das Verhalten des Subjekts zu demObjektiven nur das Verhalten des Obj[ektiven] zu sich selberist was man nur so wieder nicht verstehen muszlig als sei derabsolute Geist an sich bewuszligtlos ndash der Mensch fuumlgte erst das

1 Am Rande r o [Einschub] zur 1 Vorlesung [moumlglicherweise von

fremder Hand]2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 853 Im Ms folgt gestr indem er bewundert erfaszligt er den Sinn des

Gemaumlldes erkennt s[eine] Bedeutung s[eine] Idee dieses Erkennenist die Taumltigkeit des Beschauens aber diese Taumltigkeit ist die Rezep-tivitaumlt des Bildes

4 Im Ms folgt Gegenstand

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Bewuszligtsein hinzu was freilich ein absurder Einfall waumlre Undunter dem Subjekt muszlig ich nicht verstehen das endliche ein-zelne Subjekt Zur Anschauung oder Erkenntnis des Geisteserhebt sich der M[ensch] nur auf dem houmlchsten Moment wo eraufhoumlrt Subjekt zu sein wo er sich verliert und vergiszligt wieder Kunstbeschauer in d[er] Anschauung des Bildes sich ver-liert und vergiszligt wo er also selbst Geist w[ird] Nur die Er-kenntnis des Geistes macht1 uns zu Geist Dem Geiste ist alsonur der Geist folglich in Wahrheit der Geist nur sich selbstGegenstand

1 Im Ms folgt gestr z[u]

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[Zur III Vorlesung ndash Das Wesen der Materie]

Das Wesen der Materie gesetzt wird Gott ein materielles1

Wesen ndash die Materie selbst eine Bestimmung d[es] unendlichenWesens d h die Materie ist eine Realitaumlt eine goumlttliche We-senheit Gott als immateriell bestimmen heiszligt nichts andres alsdie Materie als nichtig als Non-Ens bestimmen denn Gott nurist Ens und das Maszlig des Wirklichen nur was in Gott ist Sein2Wahrheit Wesen Das Sein als nicht materiell erkennen heiszligtdas Materielle als nicht seiend erkennen Die Materie aus Gottableiten heiszligt daher nichts andres als aus ihrem Nichtsein ihrSein begruumlnden wollen denn die Frage wirft sich nur auf weildie Materie trotz ihrer Negation in Gott dennoch ist ndash Gott3

zum Trotz und ableiten hieszlige nichts andres als einen Grundvon etwas angeben Etwas begruumlnden Aber diese Begruumlndungist eine Unmoumlglichkeit Die Antwort ist Gott hat sie gemachtAber wie woraus warum ndash darauf keine Antwort Die Mate-rie ist ein unerklaumlrliches Dasein Die Materie ist die Grenzedas Ende der Theologie an ihr scheitert sie wie im Leben soim Denken Wie will ich also aus der Theologie ohne sie zunegieren die Negation der Theologie ableiten4 Wie will ichwo der Theologie der Verstand ausgeht auslaumluft Erklaumlrungs-gruumlnde suchen wie aus der Verneinung der Materie welchedie Theologie ist aus dem Satze die Materie ist nicht dieBehauptung Bejahung derselben den Satz sie ist ableiten Esist doch5 nur der Materialismus der den theologischen Spiri-tualisten wider Willen und Wissen die Frage nach dem Grundder Materie aufdraumlngt6 Die Frage ist hier selbst ein Wider- 1 Am Rande 22 Sein Realitaumlt Korr im Ms3 Gott Sein[] Korr im Ms4 Am Rande Cartes[ius] ist Vater der neuern Philos[ophie] ndash nur im Be-

sondren ndash in der Theol[ogie] steht er auf dem alten Standpunkt der Meta-physik indem er die Materie nur zu einer Bestimmung der geistlosenendlichen Dinge macht Er negiert die Theologie nur in der Physik

5 Im Ms folgt gestr M6 Am Rande Spinozismus ist theologischer Materialismus ndash abstrakter

Materialism[us] ndash empirischer ndash Hobbes ndash qualitativer ndash Hegel ndash franzoumlsi-scher sinnlicher Genuszlig Spinozistische Subst[anz] [Im Ms folgt unleserlkorr Wort] ndash Theologie ist nicht Theologie Die Spekulation ist abernichts andres als die mediatisierende [] umgekehrte Spekul[ation] vomWesen der Realitaumlt Also ist die Materie [] der Real[itaumlt] d[er] Dingheit

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spruch eine Unwahrheit1 ihre Loumlsung desgleichen Die Mate-rie hat nur Dasein fuumlr den Spiritualisten indem er nicht aufdem Standpunkt der Theologie steht auszliger s[ein] System istseinem Gott untreu im Momente der Gottlosigkeit ist im Ge-gensatz der Theolog[ie] sich befindet im Widerspruch mit sichselbst wie will er also Andres als sich selbst Widersprechendesvorbringen weil dem M[enschen] alles Elend von s[einer]Verwicklung in die Welt seiner Liebe seinem Motiv kommter ebendeswegen das immaterielle aller Bande entledigte We-sen als sein houmlchstes erhabenstes Ziel und Wesen feiert sowird Gott indem er nicht mehr als Begriff auf e[in] menschli-ches Elend nicht mehr als der Erretter Erloumlser von diesemJammer und folglich nicht mehr als das von dem Grund diesesJammers erloumlste Wesen gedacht wird als ein reales Wesengesetzt Der Mensch uumlberzeugt durch die Intelligenz von derNotwendigkeit und Realitaumlt der Materie verknuumlpft mit Gottaus einem Vernunftbeduumlrfnis was der M[ensch] aus einemHerzensbeduumlrfnis an Gott [] laumlszligt Der M[ensch] setzt Gott alsein Wesen der Intelligenz oder umgekehrt er setzt ndash unbewuszligtndash die Intelligenz als goumlttl[iches] Wesen Aber das aumluszligere ge-genstaumlndliche Wesen der Vernunft ist die Materie die Weltuumlberh[aupt] Einen vernuumlnftige[n] Inhalt hat die Vernunft in derWelt nur Die Vernunft wird sich ihrer selbst und ihrer Realitaumltnur an dem vernuumlnftigen die Vernunft zu denken vollends []Gegenstand2 ndash am Stoff bewuszligt oder [der] stofflose Gott derTheologie bekommt3 daher indem er sich lediglich zum Objektder Intelligenz bestimmt mit der Vernunft zugleich den Stoffder Vernunft und wird zum Erkenntnisprinzip der RealitaumltWie laumlszligt sich die Welt die Materie aus einem unweltlichenimmateriellen Wesen erklaumlren erkennen Nur durch einenSalto mortale durch einen Verstoszlig gegen die Vernunft Es istkein Uumlbergang da objektiv begruumlndet ich gehe nur uumlber weildie Materie da ist ich habe keinen innren Grund der Uumlbergangist willkuumlrlich Die Materie ist ein Produkt der Willkuumlr ndash derErschaffung Aber damit ist nichts gesagt nichts erkannt DieseFrage laumlszligt sich nur loumlsen indem in Gott selbst4

1 Daruumlber unleserl Erg2 Gegenstand Inhalt Korr im Ms3 bekommt Unleserl Korr im Ms4 Der Text bricht ab

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[Zum Ende der III Vorlesung] Hobbesrsquo Logik1

1712 Da die Gedanken der Menschen im houmlchsten Grade fluumlchtigund vergaumlnglich sind so ist es eine notwendige Bedingung derPhilosophie daszlig gewisse sinnliche Merkmale3 [vorhanden] sindwodurch die vergangenen Gedanken zuruumlckgerufen und gehoumlriggeordnet werden koumlnnen Diese4 Merkmale muumlssen aber zugleich5

gemeinsam sein damit ich andern meine Gedanken mitteilen undbeweisen kann sie muumlssen also zugleich Zeichen (Signa) sein ausdenen der andere erkennt6 was ich gedacht habe oder denke sonstwuumlrde ja mit jedem Einzelnen7 die Wissenschaft zugrunde gehenein Zunehmen und Fortschreiten der Wissenschaften daher unmoumlg-lich sein (Logica c I sect 1 2)8

Diese Merkmale nun die zugleich Zeichen sind sind die NamenDiese Namen haben aber nur in der menschlichen Willkuumlr ihrenUrsprung denn was ist fuumlr ein Zusammenhang zwischen den Din-gen und Worten oder Namen die sie bezeichnen Sie sind Zeichenunserer Begriffe oder Vorstellungen aber nicht Zeichen der DingeIn welchem andern Sinn kann z B der Ton des Wortes Stein9 einZeichen des Steines sein10 als in dem daszlig ich wenn ich einen die-ses Wort11 aussprechen houmlre schlieszlige daszlig er an den Stein gedachthat12 (l c sect 3-5)1

1 Am Rande r o Zum Ende der 3 Vorlesung [moumlglicherweise von

fremder Hand] ndash Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 873 Merkmale Gedankenzeichen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Gedank[en]5 Im Ms folgt gestr wenn sie der Philosophie d[er] Menschheit

nuumltzlich sein sollen6 erkennt erkennen kann Korr im Ms7 jedem Einzelnen eine andere Korr im Ms8 Vgl Th Hobbes Computatio sive Logica In Elementorum

Philosophiae Sectio Prima De Corpore Pars prima Londini 1655Cap II sect 1-2 S 8-9

9 Im Ms folgt gestr als10 sein gedacht werden Korr im Ms11 Im Ms folgt gestr von [] einem12 wenn hat bei diesem Worte an den Stein denke Korr im Ms ndash Am

Rande In seinem Leviathan c 4 wo H[obbes] denselben Gegenstand wiein seiner Logik behandelt nur kuumlrzer deutlicher geistreicher bestimmt erdaher den Gegenstand also bdquoIntellectus enim aliud non est praeter con-ceptam natum a Sermoneldquo [Die Erkenntnis ist naumlmlich nichts anderes als

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Mit Unrecht halten2 die Metaphysiker Gattung und Art fuumlr Dingeund die Definition fuumlr das Wesen des Dings da sie doch nur Anzei-gungen unserer Gedanken von der Natur der Dinge sind Der3

allgemeine4 Name ist nicht der Name eines wirklichen Dings nochder Name einer besondern von den Vorstellungen 172 der einzel-nen Dinge unterschiedenen Idee oder Vorstellung sondern nur derName eines Namens Wenn es daher z B heiszligt daszlig das Tier oderder Stein oder das Gespenst dieses Allgemeine5 sei so ist das nichtso zu verstehen als ob irgendein Stein oder Tier Allgemeines seioder sein koumlnne sondern nur so daszlig diese Worte Stein Tier allge-meine d h mehrerer Dinge gemeinsamer Namen sind und die6

ihnen in der Sache entsprechenden Begriffe sind immer nur dieBilder oder Vorstellungen der einzelnen Dinge (l c sect 9 10)7

Aus der Verbindung zweier oder mehrerer Namen entsteht einSatz Ein wahrer Satz ist der dessen Praumldikat das Subjekt in sichenthaumllt oder dessen Praumldikat der Name irgendeines Dings ist dessenName das Subjekt ist So ist der Satz der Mensch ist ein Tier einwahrer weil8 der Name des Tieres auch den Namen des Menschenin sich begreift (l c c III sect 7)9 Die Worte wahr Wahrheit wahrerSatz bedeuten dasselbe Wahrheit ist keine Eigenschaft des Dingsoder Gegenstands sondern des Satzes10 denn obgleich die Wahrheitbisweilen der Erscheinung oder Erdichtung entgegengesetzt wird soreduziert sie sich doch auf die Wahrheit des Satzes denn nur des-wegen wird geleugnet daszlig das Bild oder die Erscheinung des Men-schen im11 Spiegel der wahre Mensch ist weil der Satz das Bild

eine der Sprache entstammende Auffassung] [Th Hobbes Leviathansive de Materia Forma et Potestate Civitatis Ecclesiasticae et CivilisAmsterdam 1668 S 19]

1 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap II sect 3-5 S 9-102 halten setzen Korr im Ms3 Der Das Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr Z[eichen]5 Allgemeine Allgemeines Ms6 Im Ms folgt in7 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap II sect 9-10 S 12-138 Im Ms folgt gestr alles was Mensch heiszligt9 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap III sect 7 S 22-2310 Im Ms folgt gestr Wahrheit und Falschheit findet bloszlig unter den

Wesen statt die sich der Worte bedienen denn obgleich die Tierewenn sie das Bild des Menschen im Spiegel sehen ebenso affiziertwerden koumlnnen als wenn sie den Menschen selbst sehen

11 Im Ms folgt gestr Spi[egel]

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oder die Erscheinung ist ein Mensch nicht wahr ist denn die Wahr-heit der Erscheinung als Erscheinung1 kann nicht geleugnet werdenWo daher wie bei den Tieren die Sprache wegfaumlllt kann auch vonWahrheit und Unwahrheit keine Rede sein (l c)2

Da ein wahrer Satz der ist in welchem zwei Namen3 desselbenDings verknuumlpft sind ein falscher aber der in welchem Namenverschiedener Dinge verknuumlpft sind so gibt es so viele Arten vonfalschen Saumltzen als es Verbindungsweisen von Namen verschiede-ner Dinge gibt Die benannten 1734 Dinge bestehen aber aus einerKlasse aus Koumlrpern aus Akzidenzien aus Phantasmen und NamenIn jedem wahren Satze muumlssen daher die beiden verbundenen Na-men entweder Namen von Koumlrpern oder von Akzidenzien oder vonPhantasmen oder Namen sein Falsche Saumltze sind5 also z B die6die Wahrheit ist ein Wesen der Koumlrper ist eine Groumlszlige denn hierwerden abstrakte Namen mit konkreten Akzidenzien mit Koumlrpernverbunden ferner7 die das Gespenst ist ein Koumlrper oder Geist d hfeiner Koumlrper die Farbe ist ein Objekt des Gesichts der Ton desGehoumlrs der Raum oder Ort ein ausgedachtes Ding denn die Ge-spenster die Toumlne die Farben der Raum sind keine aumluszligeren Dingesondern nur Phantasmen es koumlnnen daher ihre Namen nicht mit denNamen von Koumlrpern zu einem wahren Satz verbunden werden (cV sect 2-4)8

1 Denn Erscheinung Denn daszlig die Erscheinung keine wahre Er-

scheinung sei [] Korr im Ms2 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap III sect 7-8 S 233 Im Ms folgt gestr eines und4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 885 Falsche sind Ein falscher Satz ist Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr der Satz das W[ahrheit]7 ferner falsche Saumltze Korr im Ms8 Vgl Th Hobbes Computatio hellip a a O Cap V sect 2-4 S 36-37 ndash

Am Rande Ich habe in der alten Ausgabe die Logik H[obbe]s nurmit einer fluumlchtigen Anmerkung abgefertigt Ich war ihr daher dieseEhre schuldig sie wenigstens [Im Ms folgt gestr zum] ihrenHauptgedanken nach zum Gegenstand eines besonderen Paragra-phen zu machen H[obbes] beweist sich gerade darin als einen reel-len Denker daszlig er die Logik in der Identitaumlt mit der Sprache be-greift ob er gleich diese Identitaumlt sogleich dadurch zerreiszligt daszlig erdie Willkuumlr zum Prinzip der Sprache macht daszlig er nicht zwischenWort und Bedeutung [Wort Bedeutung zwischen der BedeutungKorr im Ms] des Wortes unterscheidet und sich hierdurch in Wi-derspruumlche und sonst[ige] Absurditaumlten verwickelt

234

[Zur IV Vorlesung ndash Die Renaissance]1

1742 der christlichen Menschheit von der andern Es wareine eigne selbstaumlndige Zeit die aus- und in sich selbst mitEntfernung alles Fruumlhern und alles Fremden sich entwickelteund sich entwickeln sollte Der christliche Geist w[ar] ein ei-gentuumlmlicher Geist dieses sein eigentuumlmliches Wesen undLeben entwickelte er und stellte er dar im Mittelalter Wie dasLicht der Natur in die heiligen Versammlungsstaumltten der glaumlu-bigen Christen nicht durch ein klares durchsichtiges sondernbuntfarbig getruumlbtes Medium fiel um gleichsam durch dieseseigentuumlmliche3 Licht das Gefuumlhl der eignen Abgeschlossenheitzu erhoumlhen so war nur Aristoteles und zwar in der sonderba-ren Gestalt die er in den damaligen Uumlbersetzungen hatte dastruumlbe Medium durch welches der4 Geist des5 Altertums wie erin Denkbestimmungen und philosophischer Erkenntnis seinWesen niedergelegt in die Anschauung der Christen fiel

Aristoteles w[ar] eben deswegen auch die einzig gemein-schaftlich anerkannte Autoritaumlt fuumlr die Denker des Mittelalterser war gleichsam der Repraumlsentant des Verstandes selbst Dereigne Geist war nur der christlich-religioumlse Geist Die selbst-bewuszligte allgemeine nicht in der Christlichkeit abgeschlosseneund sich selbst abschlieszligende Vernunft war nur noch fremderGeist Als Repraumlsentant des 1756 Verstandes selber und alsder Geist der alten Welt in abstracto muszlig man den Aristot[eles]fassen um zu begreifen s[eine] Herrschaft Denn ein Mediumnur konnte der Geist des Mittelalters dessen eigentuumlmlicherund eigner nur der relig[ioumlse] Geist war konnte es sein in demder denkende Geist und der damit unzertrennliche Geist derklassischen Welt im Mittelalter seine Wirklichkeit hatte DieAutonomie der Vernunft und die Autopsie der Natur wie desLebens in der unmittelbaren Wirklichkeit der klass[ischen]Welt w[ar] unmoumlglich innerhalb des religioumlsen nur in sichselbst seienden Geistes Wenn auch die Philos[ophie] eines

1 Am Rande r o Gesch[ichte] d[er] P[hilosophie] [moumlglicherweise

von fremder Hand] ndash Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 893 Im Ms folgt gestr Bewuszligtsein4 der das Korr im Ms5 des dem Ms6 Im Ms folgt des

235

Volks den houmlchsten Geist eines Volks enthaumllt so ist doch dasbesondere eigentuumlmliche Volksleben und Volkscharakter erlo-schen im Reich der Abstraktion und des reinen Denkens unddie Produkte des Denkens haumlngen daher mit1 dem allgemeinenInnern der Mensch[en] auch von den unterschiedensten Voumll-kern Charaktern und Zeiten naumlher und inniger zusammen alsdie uumlbrigen Produkte des menschl[ichen] Geistes Und es laumlszligtsich erklaumlren warum im Mittelalter gerade die Philosophie eswar welche fast nur allein noch einen Zus[ammen]hang derchristlichen Menschheit mit der heidnischen erhielt2

1763 Italien ist bekanntlich das Land wo die Griechen undRoumlmer ihre Auferstehung feierten Die ersten die Liebe undSinn fuumlr das4 klassische Altertum erregt[en] waren5 DanteAlighieri (dagger 1321) Franz Petrarca (dagger 1374) der von einemMoumlnche namens Barlaam aus Kalabrien das Griechische lernteund besonders Cicero und Seneca studierte besonders derFreund des Petrarca Boccaccio (dagger 1375) der den LeontiusPilatus der nachmals zuerst zu Florenz oumlffentl[icher] Lehrerder griechischen Sprache wurde zu s[einem] Lehrer hatte ZurErweckung des Beduumlrfnisses des Studiums d[er] griech[ischen]Sprache Nahrung und Verbreitung dieses jungen Sinns trugennicht wenig bei die Verbindungen die die griech[ischen] []von Arabern und Tuumlrken bedraumlngten Kaiser mit den abend-l[aumlndischen] Fuumlrsten6 eingingen wie die Gesandtsch[aften] dieeben jene an diese7 schickten Manuel Chrysoloras w[ar] dererste der in Gesandtschaftsangelegenheit nach Italien kam imJahre 1395 aber selbst als oumlffentl[icher] Lehrer d[er] grie-ch[ischen] Sprache und Literatur in Venedig angestellt w[ar]8

1 Im Ms folgt mit2 Am Rande Es gehoumlrt schon ein weit ausgebildetes und zur Univer-

salitaumlt ausgearbeiteter Geist und Gemuumlt dazu die Kunstprodukteeiner Nation wenn sie die d[en] Charakter derselben tragen zu ge-nieszligen selbst noch z B in dem armen Liede eines Lapplaumlndersetwas Vertrautes zu empfinden und zu erkennen

3 Am Rande r o Gesch[ichte] d[er] neueren Philos[ophie] und Ver-weis auf Paginierung S 90

4 das die Korr im Ms5 Im Ms irrtuumlmlich gestr6 abendl[aumlndischen] Fuumlrsten Papste Korr im Ms7 Im Ms folgt gestr Fuumlrsten8 Am Rande Emanuel Chrysol[oras] war zwar auch Schriftsteller

wirkte aber mehr durch s[einen] muumlndlichen Unterricht

236

Seine histor[ische] Bedeutung gewann aber erst durch die Ein-wanderungen der griech[ischen] Gelehrten in den Jahren 1438ndash 1453 dem Jahr der Eroberung K[on]st[antino]pels DieseGelehrten w[aren] Georgius Gemistus oder Pletho Bessarion(dagger 1472) Theodor[us] Gaza (dagger 1478 ausgezeichnet als Gram-matiker)1 Georg[ius] von Trapezunt (Peripatetiker)2 JoannesArgyropolus (dagger 1486) Constantinus und Janus (Joannes) La-scaris Demetrius Chalcondylas Michael Apostolius Androni-cus Callistus 177 Ratgeber derselben waren LaurentiusValla (dagger 1457) Roumlmer (dialectica contra Aristoteleos) Fran-ciscus Philelphus (dagger 1481) Poggius Bracciolini (dagger 1459) Ru-dolph Agricola (dagger 1485) aus Friesland (vulgo Peurlin d iBaumluerlein) Angelus Politianus Hermolaus Barbarus (dagger 1493)welche von Aristoteles von des Themistius Auslegung derPhysik des Aristoteles und [des] Diskorides Uumlbersetz[ungen]aus d[em] Griechisch[en] lieferten Durch die Bestrebungendieser Maumlnner w[urden] die sogen[annten] Humaniora3 mit derPhilosophie in Verbindung gesetzt durch die Kenntnis dergriech[ischen] Sprache w[urde] Aristot[eles] in einer ganzandern Gestalt erkannt als er bei den Scholastikern bekanntwar Aristot[eles] w[ar] nicht mehr die einzige Autoritaumlt in derPhilos[ophie] sondern Plato und die andern Philosophien tra-ten nun mit gleichem Rechte und Anspruch auf Autoritaumlt anseine Seite und sank natuumlrlich nun die alte scholastischeSchulphilosophie Auszliger an letztgenannten Maumlnnern die4 sichdem Scholastizismus streng entgegensetzten koumlnnen noch

1 Am Rande 1430 kam Theodorus Gaza nach Italien besonders als

Uumlbersetzer vorzuumlgl[ich] des Aristoteles bekannt denn er war Peri-patetiker Nicolaus V gebrauchte ihn zu seinem groszligen Uumlberset-zungsplan

2 Am Rande Georg von Trapezunt 1420 oder [14]30 in Ital[ien]angekommen Streitsuumlchtig bdquoComparatio inter Arist[otelis] etPlat[onis]ldquo [Georg von Trapezunt Comparationes philosophorumAristotelis et Platonis Venetiis 1528] heftige Invektive gegen letz-tern Fleiszligiger Uumlbersetzer d[er] Griechen (dagger 1484) verlor im Alters[ein] Gedaumlchtnis Auch Joh Argyropolus kam noch vor dem Fallvon K[on]st[antino]pel nach Italien entschiedner Anhaumlnger d[er]peripat[etischen] Ph[ilosophie] Uumlbersetzer des Aristot[eles] 177Auch Gemistus Pletho und Bessarion kamen noch vor dem Fallv[on] K[on]st[antino]p[el] nach Ital[ien]

3 Studien der griechischen und lateinischen Sprache und Literatur4 die unleserl Korr im Ms

237

genannt w[erden] Joann[us] Picus von Mirandola1 Henric[us]Cornel[ius] Agrippa v[on] Nettesheim (geb 1486) d[er] sichzuerst auf Kabbala Alchemie und Magie verlegte weil er esbewies in s[einen] Werken De occulta philos[ophica]2 spaumlteraber schrieb De incertitudine et vanitate scientiarum3

1 Am Rande Uumlber den Joh[annes] Pic[us] v[on] Mirand[ola] aumluszligert

sich Lucius Phosphorus Pontifex Signinus in e[inem] Brief an An-gel[us] Polit[ianus] (Lib IV S 81) Is enim unus est in quo naturaomnia causa congresisse et ubi omnes suas vires exercuise videtur[Vgl A Poliziano Epistolarum Lib III In Omnium Angelipolitiani operum Tom I [Parisii] 1519 Fol XXVI Brief XIV]Und [Im Ms folgt gestr Polita] Polit[ianus] an die gelehrte Venezi-anerin Cassandra (Ep L III 86) quo nec pulchrior alter mortali-um nec in omnibus (arbitrior) doctrinis excellentior[Vgl A Politi-anus Epistolarum Lib IV a a O Fol XXVIII Brief XVII]

2 Vgl H C Agrippa v Nettesheim De occulta philosophia lib 3 oO 1533

3 Vgl H C Agrippa v Nettesheim De incertitudine et vanitatescientiarum declamatio invectiva [Coloniae] 1531

238

[Zur VndashVI Vorlesung ndash Bruno Cardanus]

1 Aber auch Wittenberg verlieszlig er [Giordano Bruno] wiederund ging nach Prag 1589 aber nach Braunschweig zu denbeiden Herzoumlgen Julius und Heinrich Julius und w[urde] nachHelmstedt als Privatlehrer mit einem Gehalt geschickt Auchdiesen Ort verlieszlig er wieder und ging 1591 nach Frankfurt amMain von da man weiszlig nicht warum nach Italien was keinWunder ist daszlig ihn die Inquisition wegen seines unruhigenGeistes seiner2 ausgesprochenen Verachtung gegen Pfaffentumund d[er]gl[eichen] ins Auge faszligt und nach Venedig und dannnach Rom auf den Scheiterhaufen brachte3

Hieronymus Cardanus geb[oren] 1501 zu Pavia dagger zu Rom1576 der Arzt Mathematiker und Philosoph war ein nicht nurwegen seiner Gelehrsamkeit sondern auch wegen seineshoumlchst merkwuumlrdigen seltsamen originellen Charakters be-ruumlhmter Mann Card[anus] 4 hat nicht sowohl ein System einoriginelles Ganzes aufgestellt5 wie J Bruno aber die Richtungauf die Natur des Sinns fuumlr Natur das Verlangen in ihre Ge-heimnisse zu dringen das Interesse an ihren Erscheinungenund an der eigenen Beobachtung Inspektion gibt ihm docheine Stelle in dieser Ordnung Auch braucht wohl nicht beson-ders entwickelt zu w[erden] daszlig auch derselbe Geist dasselbePrinzip sich in den abweichendsten mannigfaltigsten beson-dersten Arten und Weisen sich aussprechen kann Was vor-zuumlglich diese Maumlnner charakterisiert ist daszlig in diesen Indivi-duen noch der Geist nicht entwickelt sondern erst in Entwick-lung in Trieb und Gaumlrung war daszlig in ihnen das Licht der Zu-kunft und die Schatten der Vergangenheit sich paaren in ihnender Geist nur noch in der Unruhe des Werdens war welcher

1 Am Rande r o Leben und Lehrmeinungen beruumlhmter Physiker am

Ende des XVI und am Anfange des XVII Jahrh[underts] Heraus-gegeben v[on] Thad[daumlus] An[selm] Rixner und Thaddauml[us] Siber[T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen beruumlhmterPhysiker am Ende des XVI und am Anfange des XVII Jahrhun-derts Sulzbach 1819ndash1829]

2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort3 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft

V Sulzbach 1824 S 18-244 Card[anus] Da Card[anus] Ms5 Im Ms folgt hat

239

sich auch sogar in dem Charakter und dem Leben derselbenzB in dem des Cardanus und Brunos die freilich selbst wiederentgegengesetzt sind abspiegelte Daher auch in diesen Maumln-nern wenn sie gleich zu bestimmten Erkenntnissen kamen dieentgegengesetztesten Elemente das Unvereinbarste vereint istwie zB in Cardan Scharfsinn Geist Beobachtung Kenntnismit Aberglauben den sonderbarsten Einfaumlllen den aus denGedanken unvereinbarsten Phantastereien zB TeufeleienHexereien und d[er]gl[eichen] vereint ist Bei Card[anus] istalso keine solche Spekul[ation] zu erwarten1 wie bei BrunobdquoEs seind allein zwo erste Qualitaumlten naumlmlich die Waumlrme unddie FeuchteDas Duumlrrrsquo und das Kalt seiend Privationes [Beraubungen] desWesens aber nicht Qualitates [Qualitaumlten] Alles Leben derNatur beruht auf Sympathie und Antipathie mitleidenderGleichfoumlrmigkeit und Widerwaumlrtigkeit Die Ursachen undGestalten der Antipathie und Sympathie sind aber verschiedenunter diese Ursachen gehoumlren eben die beiden QualitaumltenSympathie kommt her von Gleiche der Substanz und Wesensalso erbarmt sich ein Mensch uumlber den kranken Menschen esw[ird] auch2 das Leben eines Kindes von dem Leben einesstarken Mannes geaumlndert

Ein ander Gleichfoumlrmigkeit ist deren so von einer Ursachherkommen also bekuumlmmert sich ein Bruder von wegen desabwesenden Bruders Unfall darum daszlig sie von gleichen Elternerboren seind Dann was wir vermeinen durch die Weite unter-schieden zu sein seind in der Substanz Eines und betruumlgt unsdarum der Sinn Also daszlig auch ihren Viele von mir gewarnetsolliche Einigkeit so an unterschiedlichen Orten und voraus soweit von einander gelegen nicht verstehen mochten danndurch die Exempel

Ein ander ist zwischen dem gebietenden und dienenden alsdem Herzen und den andern Gliedern zwischen der Sonnenund dem andern Gestirn dann es laumlszligt sich ansehen als wannetwas mit dem andern Mitleiden haumltte dann sie nehmen dengroumlszligten Teil ihrer Kraumlfte davon

1 Am Rande (Offenbarung der Natur und Natuumlrlicher Dinge auch

mancherl[ey] subtiler Wirkungen verteuumltscht Basel) [G CardanoOffenbarung der Natur unnd Natuumlrlicher dingen auch mancherleysubtiler wuumlrckungen Basel 1559]

2 Im Ms folgt auch

240

Die andre ist zwischen der Speise Nahrung und dem dasernaumlhrt wird darum zeucht ein jedes Gewaumlchs an sich was ihmwohl dienet also daszlig die Feigenbonen die Erden saumlubern vonder Bitterkeit und solch ihr Einhelligkeit w[ird] am meistengespuumlrt an den Tieren

Die ander ist die Waumlrme eines jeden gegen dem durch wel-ches sie erhalten w[ird] also sehen wir das Feuer ob es wohlnicht lebt sich neiget1 wie die lebendigen gegen dem Teil dadie Nahrung ist und strecket sich wunderbar zu derselben aus

Wie in dem menschlichen Koumlrper alles miteinander stimmtund das aus mancherlei Ursache also geschieht auch in derWelt Es ist ein Sympathie und Gleichfoumlrmigkeit in der Weltwie auch in menschl[ichem] Koumlrper es stimmen auch alle Teilderselbigen miteinander Es ist von Natur in gemein allen Din-gen eingepflanzt daszlig eins auf das andere folge entw[eder] vonwegen der gemeinen Entspringung oder daszlig eins dem anderndiene So jemand dieses wohl behaltet mag er auch wohl dieEigenschaft der Antipathie und Widerwaumlrtigkeit verstehn danneine jede Gleichfoumlrmigkeit ist in der Widerwaumlrtigkeit bestimmtDeshalben haben weise Leutrsquo viel aus den Koumlrpern Toter ge-nommen so den Lebenden zuwider gewesen dann einem jedenDing ist nichts mehr zuwider dann eben es selb[st] so es totoder verderbt oder uumlberfluumlssig istldquo2

bdquoHomo non plus est animal quam animal planta Si enimanimal quamvis nutriatur et vivat plantae nomen non mereturnec omnino planta est quia animam qua sensit habet praeterplantam homo quam praeter animal animam habeat desinitposse animal (De subt[ilitate] rer[um] XI) [Der Mensch ist sowenig ein Tier wie das Tier eine Pflanze Wenn naumlmlich dasTier egal wie es sich naumlhrt und lebt den Namen Pflanze nichtverdient und uumlberhaupt keine Pflanze ist weil es eine Seeledie fuumlhlt der Pflanze voraus hat so kann der Mensch nachdemer dem Tier die Seele voraus hat auch kein Tier sein]ldquo3

bdquoDes Gemuumlts Wolluumlste und Schmerzen seind viel groumlszligerdann des Leibs um so viel mehr daszlig doch diese von des Ge-muumlts Kraumlften moumlgen hinterhalten w[erden] des Gemuumlts abervon dem Leib keineswegs nitldquo4

1 Im Ms folgt gestr gegen2 H Cardano Offenbarung der Natur S 5-73 H Cardano De subtilitate Liber XI Basel 1554 S 3504 Zitat nicht nachgewiesen

241

[Zur V Vorlesung ndash Cardanus Paracelsus]1

Cardanus (Von des Menschen Wunderwerk) bdquoIch habevier Dinge von Natur an mir welche alle nach meinem Ver-stand wunderbar sind Das erste ist daszlig ich so oft ich willauszligerhalb den Sinnen verzuumlckt werde Das andere ist daszlig ichwann ich will alles sich [sehe] was ich will und solches mitden Augen und nicht aus des Gemuumlts Kraft Das dritte ist daszligich durch Einbildung in dem Traum alle Ding sich [sehe] somir begegnen sollen Ich darf auch mit der Wahrheit sagen daszligmir schier gar nicht begegnet es seis gut oder boumls oder mit-telmaumlszligig daszlig mir nit oft zuvor in den Schlaf fuumlrkommen Zumvierten seind deren Dinge Anzeigungen so mir begegnensollen in den Naumlgeln doch gar klein Der boumlsen Dingen seindschwarz und blau in dem Mittelfinger der gluumlcklichen seindweiszlig Ob ich wohl uumlber d[as] 52ste Jahr kommen weiszlig ichdoch nicht einen Tag an welchem ich recht gesund gewesensondern ich hab allwegen einen Mangel gehabt Ja viel mehrbin ich froumlhlich wann mir etwas Schmerzen bringt und wannich nicht empfind bin ich traurig sonst bin ich uumlber alleMaszligen von Natur zu Wohlluumlsten und Spielen2 geneigt Es miszlig-faumlllt mir auch nicht die Ehrguumltigkeit und die Begierd desGewinns Doch bin ich aus Gewohnheit dahin kommen daszligich den Reichtum wenig und den Ehren gar nicht nachfragDieses halt ich fast fuumlr ein Wunderwerk daszlig mir meine Ge-schaumlft auszurichten nie Zeit uumlbrig geblieben und nie keinegemangelt Denn es begibt sich daszlig ich allewegen eben rechtmein Ding zu dem End bring wann es nit mehr Verzug erlei-den mag Ich hab so viel wunderbar Ding gesehen ich habsoviel Anlaszlig gehabt ich bin bei so viel Sachen gewesen dieman billig behalten also daszlig ich in kurzer Zeitmehr gesehenals vielleicht nach mir viel Welten nicht sehen w[erden] Ichbin zu einer seltsamen Zeit geboren da die ganze Welt erfun-den worden da man auch d[ie] Buchdruckerei und viel andreKuumlnste so den Alten verborgen hervorbrachte Ich bin fleiszligiggewesen begierlich zu wissen ein Verachter der Reichtum undEhren und hab bei den Gelehrten gewohnet ndash D[ie] Wahrheithabrsquo ich also geliebt daszlig ich mich selbs viel lieber dann dieWahrheit hassen wollte denn ich hab mich selbst 100mal ge- 1 Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Im Ms folgt gestr unleserl Wort

242

hasset und die Wahrheit nie Demnach hat mich bedaumlucht esnehme sich ein Gott meiner an Von meiner Jugend an undden achten Jahr bis auf diesen Tag ist keine Zeit gewesen woich von Krankheiten waumlr verhindert je daszlig ich nicht haumltt zujeder Stunde lesen und schreiben moumlgen Dann in meiner Ju-gend wann ich erwachet (was auch einem Greise taumlglich be-gegnet) hab ich in der finstern Nacht alles ersucht als wenn esTag gewesen Doch ist mir solche Kraft bald entzogenw[orden] Ich sich [sehe] auch jetzt Etwas in der Nacht aberich mag nit Alles wohl unterscheidenldquo1

Bernardinus Telesius2 1508 geb[oren] zu Consenza im Kouml-nigreich Neapel aus einem adligen Geschlechte gest[orben]15883 Seine Naturphilosophie die er der aristotel[ischen]Physik hauptsaumlchlich entgegensetzte beruht auf heraklitischparmenideischen Grundsaumltzen Drei Prinzipien der Naturnimmt er an Kaumllte und Waumlrme als zwei unkoumlrperlich[e] undtaumltig[e] Prinzipien und die Materie als ein koumlrperliches diefuumlr Waumlrme und Kaumllte gleich empfaumlnglich gleich durch siebestimmbar ist (de Nat[ura] rerum juxta propria principia)4

Des Telesius Freund und juumlngerer Zeitgenosse war Franz Pa-tritius geb[oren] 1529 zu Clissa in Dalmatien und gestorben zu 1 Vgl G Cardano Offenbarung der Natur unnd Natuumlrlicher dingen

auch mancherley subtiler wuumlrckungen Basel 1559 S 364-3662 Am Rande Tel[esius] schr[ieb] [] libr[is] (unicus) de his quae in

aere fiunt de terrae motibus Neap[el] 1570 ib De Colorum (quodomnes e principios caloris et frigoris deducit) Generatione[Opusculum] Neap[el] 1570 de natura maris [De Mari] lib[e]runic[us] (salsum illud esse natura contra Aristot[elis] disput aquamvero elementorum numero ejuscientam) ibid[em] 1570 - Caloremfrigus et materiam tria principia esse ait in quibus omnia confistantvariasque fieri diversasque operationes ratione locorum in quibusillae fiant ac temperia et moderatione frigoris Hinc siccitatem ethumiditutam declucit et mare solis calore e terra produci ascenditSiccitatem a calore provenire negat quia calor liquefacit humidita-tem a frigore quia friquor acficcat

3 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen beruumlhm-ter Physiker am Ende des XVI und am Anfang des XVII Jahrhun-derts Beytraumlge zur Geschichte der Physiologie in engerer und wei-terer Bedeutung Heft III Sulzbach 1820 S 3 12

4 Die ersten beiden Buumlcher von bdquoDe rerum natura iuxta propriaprincipialdquo erschienen 1565 in Rom eine erweiterte Ausgabe 1570in Neapel die gesamte aus neun Buumlchern bestehende Schrift er-schien 1586 in Neapel

243

Rom 1593 Pat[ritii] nova de universis philosophia1 DasLicht ist das Prinzip von dem er ausgeht

Thomas Campanella 1568 geboren zu Stylo in Calabrienberuumlhmt sowohl durch seinen Geist als seine traurigen Schick-sale indem er die grausamsten Foltern und 27jaumlhrige2 Gefaumlng-nisstrafe ausstehen muszligte weil die spanische Regierung inVerdacht ihn hatte als korrespondiere er mit den Feinden desKoumlnigs Durch die Berufung des Paps[tes] Urbani VIII 1626kam er auf freien Fuszlig nach Rom als er auch hier den Argwohnder Spanier wieder erregte ging er nach Paris wo er von Lud-wig XIII gnaumldig empfangen w[urde] wo er 1639 starb3 Er4

fing des Telesius Lehre in der Naturphilosophie an hatte abereine universelle Reformation der Philos[ophie] im Sinne erwandte daher auch groszligen Fleiszlig auf die Metaphysik selbst diesein beruumlhmtestes Werk5 ist Er hat auch Gedichte gemachtHerder in s[einem] Adrastea6 hat davon Frag[mente] uumlbersetzt

Hieher7 kann auch gerechnet w[erden] Lucilius Vaninigeb[oren] 1585 zu Tauroxano im Neapolitanischen1 1619 zu

1 F Patritius Nova de universis philosophia Ferrariae 15912 27jaumlhrige 25jaumlhrige Ms3 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft

VI Sulzbach 1826 S 3-264 Im Ms folgt gestr hatte5 T Campanella Universalis philosophiae seu metaphysicarum

rerum iuxta propria dogmata partes 3 Libri 18 hellip Parisiis 16386 Adrastea hrsg v J G v Herder 6 Bde Leipzig 1801ndash18037 Am Rande Zu den Novatoribus [Novatoribus Noventoribus Korr

im Ms] in Philos[ophia] gehoumlrt auch Carpentarius Anglus Philo-sophia libera triplici Exercitationum Decade proposita in qua ad-versus hujus temp[oris] Philosophos Dogmata quaedam novadiscutiuntur Londinio 1672 [Ausgabe nicht nachgewiesen] Erbringt folg[ende] Saumltze z[um] B[eispiel] vor Non duri naturales na-titias locum esse nihil omnes res ex nihila fieri sensus non posseerrare ignem esse humidum omnia ab menta esse graviaFerner Joh[annes] Espagnet Autor hic totus quantus chymicus estDuos libr[i] scrips[it] bdquoEnchiridion physicae restitutaeldquo [ Genevae1673] er scheint unzaumlhl[ige] Welten anzuerkennen wie vor ihmBruno in [] und bdquoArcanum hermeticae philos[ophiae opusldquo Gene-vae 1673] Ferner Joh[ann] Amos Comenius [] doctrinam et phi-los[ophiam] reformare valuit Pansophiam molitus est scriptum ipsiperiit Prodromum tamen ejus in lucem edidit Amstelod[ami] fo-l[iae] von ihm bdquoPhysica ad lumen divinum reformandae [synopsisldquo

244

Toulouse verbrannt als Ketzer und Atheisten S[eine] Werkesind am beruumlhmtesten Amphitheatrum aetern[a]e providen-tiae divino-magicum christiano physicum etc Lugduni 1615 Das andre De admirandis naturae reginae deaeque mortali-um arcanis Dialogorum inter Alexand[rum] et Jul[ium] Caesa-rem2 lib[ri] IV cum adprob[atione] facult[atis] SorbonicaeLutet[iae] 1616 8deg Unter dieses Verhaumlltnis setze ich auch denParacelsus der sonst nur unter den Theosophen neben FluddJac[ob] Boumlhm[e] angefuumlhrt w[urde] aber erst in neuern Zeitengewuumlrdigt w[urde] und als Vater einer neuen Medizin erkanntund geschaumltzt w[ird]

Philippus Aureolus3 Theophrastus Bombast Paracelsus v[on]Hohenheim4 geb[oren] 1493 zu Maria Einsiedeln in der

Amstelodami 1663] Die Prinzipien aus I Gen[esis] Lucem primae-vam materiam et spiritum tria statuit mundi principiam

1 Im Ms folgt ungefaumlhr 15852 Lucilius Vanini nannte sich in seinen Dialogen gewoumlhnlich selbst

Julius Caesar3 Im Ms folgt gestr von4 Am Rande Obgleich Paracel[sus] vieles Schwaumlrmerische Phanta-

stische Aberglaumlubische Irrige enthaumllt ja [Im Ms folgt von] Vielennur fuumlr einen Schwaumlrmer galt so ist doch gerade er es in dem dasPrinzip der Erfahrung welches selbst wieder das zum Grunde hatwas als Prinzip der neuern Welt bestimmt w[ar] lebendig regewurde und gerade d[ie] individuellen Eigentuumlmlichkeiten der-selb[en] sein wildes rauh selbstaumlndiges Wesen sind nur eine Folgedieses Prinzips Die Erfahrung hat uumlberhaupt zum Prinzip dieSelbstgewiszligheit die Selbststaumlndigkeit des Individuums sie setzt dasSelbst voraus Nur was das Selbst in seiner unmittelbaren sinnlichenEinzelheit die unbezweifelte Gewiszligheit seiner selbst seiner Realitaumlthat ist ihm auch das allein reell mehr was es selbst erfahren hatDie Erfahrung geht nicht aus Einheit Glaube Vertrauen Gemein-schaft mit Andern sondern aus Zweifel hervor aus einer Isolierungdes [] aus der allein unbedingten Gewiszligheit seines Selbsts DasSelbst ist sich das Maszlig dessen was wahr ist was wahr sein sollmuszlig Ich selbst mit meinen Augen meinen Haumlnden kennengelernthaben Die Empfindung ist die Tuumlr zur Wahrheit nur durch michselbst soll und darf die Sache das Objekt in mich kommen Die Er-fahrung scheint das objektivste Verhaumlltnis zur Sache [zu] sein weilihre Organe die Sinne sind allein in den Sinnen bin ich selbst im-mer nur allein als dieses Selbst als dieses Einzelwesen praumlsent inden Sinnen bin ich nur in meinem einzelnen Selbst bin immer nurwirklich und taumltig als Individuum als sinnliches Selbst Die Sinnesind wohl im Ganzen und Wesentlichen gleich diese Farbe die mir

245

Schweiz S[ein] Vater Wilhelm Bombast von Hohenheim sollder natuumlrliche Sohn eines Fuumlrsten gewesen sein und war selbstArzt und Gelehrter Er trieb von Jugend auf schon1 Heilkundeund Alchemie2 Er genoszlig des Unterrichts vieler guter Lehrerbesonders aber den3 seines eignen Vaters Er besuchte mehre

Schwarz erscheint erscheint auch so den Andern und diese Uumlber-einstimmung meiner Sinne mit denen des Andern macht ihre objek-tive Wahrheit insofern aus denn dies ist nur eine aumluszligerliche for-melle Wahrheit und Objektivitaumlt Denn die Andern verhalten sichimmer nur darin als einzelne sinnliche Selbste und der Skeptikerkann mit vollem Rechte sagen diese Uumlbereinstimmung selbst allerMenschen uumlber diese Farbe daszlig sie schwarz sei ist mir kein Zeug-nis von der Wahrheit denn alle diese verhalten sich nur als selbsti-sche Einzelwesen diese Uumlbereinstimmung Aller hat nicht mehrGewicht als wenn Du allein es mit Deinen Augen saumlhest zwischenallen jenen Andern und zwischen Dir ganz allein ist gar kein Unter-schied diese Uumlbereinstimmung wuumlrde mir nur dann Zeugnis gebenwenn sie nicht eine formelle waumlre denn sie waumlre eine Uumlberein-stimmung von Unterschieden dh wenn die Andern [] wirklichAndere waumlren wenn sie sich anders verhielten zu dem Objekte alsDu Da sie sich aber eben so zu den Objekten verhalten wie Du soist kein Unterschied also auch keine Uumlbereinstimmung es ist ebenso viel als ob Du ganz allein es saumlhest ganz allein urteilst DieErfahrung ist daher die subjektivste Erkenntnisweise und erst inneurer Zeit daher konnte diese Weise so an Autoritaumlt kommen mitsolchem Erfolg Eifer ausschlieszliglichem Geiste gehandhabt []w[erden] Die Beschaffenheit meines Auges Ohres daszlig ich dieFarbe schwarz sehe haumlngt zwar nicht von meiner willkuumlrlichen Lustauf Glaubenstaumltigkeit ab sondern ist von der Natur und deswegenerscheint diese Erkenntnisweise als die wahrste weil ich dabeinichts tue es nicht von mir abhaumlngt allein die Natur selbst ist sub-jektiv ich bin nur als ein Einzelwesen in meinen Sinnen und als einsubjektives sich auf sich beziehendes Subjekt Das Objekt der Er-fahrung ist daher auch nicht Allgemeines Notwendiges Wahrheitsondern Einzelnes die Natur in ihren Erfahrungen weil ich selbstmich nicht allgemein d i denkend verhalte Das sinnende Subjektverhaumllt sich also nur leidend aber was ist das Leidende ein Subjektein Einzelnes Selbst das Leiden ist also selbst ein Zustand des Ein-zel[nen] ein Einzel[nes] ein subjektives Leiden welches der Naturnach selber subjektiv ist

1 Im Ms folgt gestr unleserl Wort2 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

Sulzbach 1819 S 33 Im Ms folgt des

246

hohe Schulen in Deutschl[and] Frankreich Italien gab sichmit den Lehren des Avicenna Galenus1 ab erkennt aber baldeinen andern Weg2 Unzufrieden mit dem damaligen Zustandder Arznei und Naturwissenschaft und mit den hohen Schulenbegab er sich auf Reisen durchzog fast ganz Europa und holtebei allen Leuten ohne Unterschied des Standes des Charaktersbei Badern Fieber Doctorn Weibern [] Erkundigungen ein3

1527 w[urde] er in Basel als ordentl[icher] Stadtarzt und Pro-fessor der Medizin angestellt4

Aumlrgerliche Umstaumlnde Verdrieszliglichkeiten mit den Aumlrztenund Apothekern vertrieben ihn aus Basel er hielt sich hieraufin mehren Orten auf5 Nachdem er sich so fluumlchtig und unstetin der Welt herumgetrieben hatte fand er einen Freund undGoumlnner an dem Erzbischof von Salzburg er starb daselbst1541 im 48st[en] Lebensjahr 6

1 Galenus Gallenus Ms2 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 43 Vgl ebenda S 54 Vgl ebenda S 65 Vgl ebenda S 86 Vgl ebenda S 25

Am Rande [Im Ms auf der ersten Seite] Zu Paracelsus Die Vor-stellung von der allgem[einen] Sympathie und Harmonie desMensch[en] mit der Natur die Par[acelsus] hatte gehoumlrte schon denGriechen Die Verbindung der Chemie mit der Medizin ist schon beiden Arabern Das Haupteigentuumlml[iche] und [] ist nach Schulz(Damerow D[ie] Elemente d[er] naumlchsten Zukunft der Medizin[Berlin 1829])([] und Schulz [] N 27 Februar 1830) bdquoHippo-krates und Galen erwarteten alle Genesung von der Heilkraft derNatur oder mit Huumllfe derselben Paracelsus im Gegenteil erwartetevon der Heilkraft der Natur nichts und fand nur in den heftigen Ein-griffen heroischer Arznei gegen die Krankheit Huumllfeldquo [Zitat nichtnachgewiesen] Dies lag in s[einer] Ansicht von der Krankheit DieKrankheit ist eine Pflanze welche im Koumlrper keimt und wurzelternaumlhrt bluumlht und Fruumlchte traumlgt ein Mikrokosmos im Mikrokos-mos nun heilt der Koumlrper daran indem man sie vergiftet Daherseine heroischen mineralischen chemischen Arzneipraumlparates[eine] Anwendung der Quecksilbergifte gegen d[ie] Lustseuchedie er entdeckte und zuerst versuchte Hippokrates und Galen unter-stuumltzten die Heilkraft der Natur houmlchstens durch Brech- oder Pur-giermittel weil sie sahen daszlig dieses die Wege waren durch welchedie Natur in gelinden Krankheiten haumlufig gegen sie reagiert und sich

247

Was den Paracelsus so sehr auszeichnet und ihm keine unbe-deutende Stelle am Anfang der neuern Zeit anweist ist dieselbststaumlndige alle Autoritaumlt alles Herkoumlmmliche in der ge-meinen Meinung und Achtung Anerkannte und Bestehendeverschmaumlhend aus sich selbst anfangende Energie seines Gei-stes Daszlig er keine andre Autoritaumlt keinen andren Lehrer aner-kannte als Gott und die Natur Man houmlre nur zB wie er sichgegen diejenigen die ihn einen Landstreicher und Vagabundennannten wegen seiner vielen Wanderungen verteidigt bdquoMeinWandern welches ich bisher verbracht habe hat mir wohlerschlossen weil keinem der Meister im Hause waumlchst odereiner seinen Lehrer hinter dem Ofen hat So sind sie auch dieKuumlnstrsquo nicht verschlossen in Eines Vaterland sondern sie sindausgeteilt durch die ganze Welt ndash Die Kunst geht keinem nachihr muszlig nachgegangen w[erden] Darum habrsquo ich Fug undVerstand daszlig ich sie suchen muszlig und sie nicht mich Auchglaubrsquo ich daszlig ich bisher mein1 Wandern billig verbrachthabe und mir dieses ein Lob und keine Schande sind Denn

von ihnen befreit Par[acelsus] war der Meinung daszlig in den gelin-den Faumlllen wo die Heilkraft der Natur von selbst Herr uumlber d[ie]Krankheit war d[er] Arzt und Arzneimittel unnuumltz seien D[ie] ara-bische Medizin durch Erfindung der stark wirkenden chemisch mi-neralischen Arzneien und Gifte war eine Vorbereitung der Pa-rac[elsischen] Reformation und Par[acelsus] selbst houmlchste Ent-wicklung der alchimistischen Schule Die drei Elemente desPar[acelsus] Mercurius [Quecksilber] Salz Schwefel erhi[elten]ihre Bedeutung im Gegensatz der Elemente und Elementarqualitauml-ten der giech[ischen] Aumlrzte Von den ganz allgemeinen und ab-strakten Beziehungen der Elementarqualitaumlten nach d[em] beson-dren Gegenstand des menschlichen Organismus macht Par[acel-sus] den Fortschritt zur Auffassung des Krankheitsprozesses unterdem Bilde eines chemischen besondern und eigentuumlml[ichen] Vor-gangs Die Krankheit ist in der hippokr[atisch]-galenischen Vor-stellung bloszlig eine Disharmonie in den Elementarqualitaumlten desKoumlrpers selbst bei Paracels[us] hingegen ein persoumlnlicher Feindder sich als ein Keim im Koumlrper gebildet und dann verschanzt hatnur um erst eine Stoumlrung d[er] Qualit[aumlten] zu bewirken die Wahr-heit in d[er] Mitte In einzelnen Faumlllen [] [Vgl Paracelsus DasBuch Paragranum In Der Buumlcher und Schriften des Edlen Hoch-gelehrten und Bewehrten Philosophi unnd Medici Philippi Theo-phrasti Bombast von Hohenheim Paracelsi genannt Ander TheilBasel 1589]

1 mein Im Ms gestr

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das will ich bezeugen mit der Natur wer sie durchforschenwill der muszlig mit den Fuumlszligen ihre Buumlcher treten Die Schriftw[ird] erforscht durch ihre Buchstaben Die Natur aber durchLand zu Land so oft ein Land so oft ein Blatt Also ist codexnaturae also muszlig man ihre Blaumltter umkehrenldquo1 Selbst dieVerachtung Par[acelsi] gegen alle Gelehrsamkeit alles Buuml-cherwesen ist nicht etwa daszlig man sie zu entschuldigenbrauchte sie ist an und fuumlr sich gerechtfertigt dadurch daszlig inihr der neue Geist seine Staumltte fand im Bewuszligtsein jener Pro-duktivitaumlt und der Gewiszligheit aus sich selbst Wahres zu findenbdquoMein Buumlchervorratldquo sagt er bdquoist Jedem bekannt Ich vermagnicht sechs Blaumltter und habe doch soviel vor daszlig ich mit denNamen allein einen Bogen uumlberschreiben koumlnnteldquo2 Auch w[ar]zu seiner Zeit allgemein bekannt daszlig er in 10 Jahren kein Buchgelesen habe ndash Gegen die Aumlrzte gegen die er den schneidend-sten Gegensatz bildete sagte er unter anderem bdquoSaget mirwelches ist zur rechten Tuumlr hineingegangen in die ArzneiDurch den Avicennam Galenum Mesue3 Rhasim etc oderdurch das Licht der Natur Denn da sind zwei Eingaumlnge dereine Eingang ist in den bemalten Buumlchern der andre Eingangist in der Natur Ob es nun billig sei daszlig da ein Aufsehengehalten werde welche Tuumlr der Eingang sei welche nichtNaumlmlich4 das ist die rechte Tuumlr welche das Licht der Natur istdas Andere heiszligt oben zum Dach hineingestiegen denn siestimmen nicht zusammen Anderst sind die Codices scribenti-um [Handschriften] anderst lumen naturae [das Licht der Na-tur]ldquo5

Desgleichen bdquoDer Arzt suche s[eine] Kenntnisse nicht ausBuumlchern sondern aus der Erfahrung zu holen denn derMensch w[ird] nicht aus dem Menschen sondern aus der gro- 1 Vgl Paracelsus Das Erste Buch Die Verantwortung uumlber etliche

Unglimpfungen seiner Miszliggoumlnner In Der Buumlcher und Schriftendes Edlen Hochgelehrten und Bewehrten Philosophi unnd MediciPhilippi Theophrasti Bombast von Hohenheim Paracelsi genanntAnder Theil Basel 1589 S 173-177

2 T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I S 43 Im Ms folgt gestr Rhasim4 Im Ms folgt gestr ist5 Vgl Paracelsus Das Ander Buch Labyrinthus Medicorum genant

In Der Buumlcher und Schriften des Edlen Hochgelehrten und Be-wehrten Philosophi unnd Medici Philippi Theophrasti Bombast vonHohenheim Paracelsi genannt Ander Theil Basel 1589 S 195

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szligen Welt kennengelernt Lesen hat nie einen Arzt gemachtsondern die Praktik Alles Lesen ist nur ein Schemel der Prak-tik und ein Federwisch und waumlre latein[isch] griech[isch] undhebraumlisch Lesen und Schwaumltzen zu einem Arzte genug soglaube ich auch daszlig ein Jeder ganz allein durch d[as] Lesendes Livius ein guter Feldherr w[erden] koumlnnte Die Natur alleinsei unsere Lehrmeisterinldquo1

bdquoAus Gott und der Natur muszlig man sein Wissen nehmen Weranderswoher als aus diesem Grunde lernen will der ist imIrrtum

Das Lernen von Menschen ist aber kein (eigentliches) Ler-nen Es liegt alles schon vorher im Menschenldquo2

bdquoDer wahre Grund aller Erkenntnisse liegt in der mit derWissenschaft vereinigten Erfahrenheit Die Theorie und Praxismuumlssen immer zugleich miteinander gehen Entw[eder] sind siebeide wahr oder beide falsch denn die Theorie ist nichts alsspekulative Praktikldquo3 bdquoWer eine vollendete Kenntnis hatder muszlig zB nicht bloszlig wissen was schwarz ist sondern auchwas schwarz macht etc kurz er muszlig das Aumluszligere ins Innerewenden (aus der Ursache d[ie] Erscheinung erkennen) Dierechte Erfahrenheit ist alle Dinge im Unsichtbaren zu erken-nenldquo4 ndash bdquoD[ie] Philos[ophie] erwaumlchst nicht aus der Spekulati-on sondern aus der wahren Erfahrung welche das Innerezeugt ndash Der einzig wahre Weg zur Wissenschaft (Kunst) istnur die Erfahrung der Naturldquo5 Die Scienz muszlig daher von derArt sein das auch die Augen den Verstand begreifen daszlig sie indie Ohren toumlne wie der Fall des Rheins und die sausendenWinde des Meeres daszlig die Zunge sie fuumlhle wie Honig undGall daszlig die Nase schmecke jeden Geruch des ganzen Sub-jekts denn die Philosophie muszlig auf Erfahrung sich gruumlndenund in ihr enden

Von Paracel[si] eigentlichen Ansichten nehmen wir beson-ders die uumlber Makrokosmos und Mikrokosmos heraus (Rixner56)

1 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 422 Vgl ebenda S 313 Vgl ebenda S 334 Vgl ebenda S 345 Vgl ebenda S 34-35

250

bdquoJeder Stern am Himmel ist nichts als ein geistig gewachsenes(spiritualisches) Kraut dem ein Kraut bei uns auf der Erdenentspricht und jener zieht durch s[eine] anziehende Kraft dasihm entsprechende Kraut auf der Erde an und jedes Kraut istdaher ein irdischer Stern und waumlchst uumlber sich dem Himmel zu

Das Gestirn ist den Kraumlften und der Form nach der Ursprungalles Gesteins und an sich selbst nur ein Stein und das irdischeGestein nur ein Auswurf des himmlischen Die ganze Erdeselbst ist Nichts als ein in Truumlmmern ausgeworfenes und wie-der zusammengeschmolzenes Steinwerk welches in der Mittedes Firmamentes in Ruhe gekommen istldquo1

bdquoBesonders und im vollsten Sinne ist aber der Mensch Mi-krokosmos denn der Mensch ist nach Gottes Bilde geschaffenworden damit er die kleine Welt sei nicht zwar der Form undleiblichen Substanz nach sondern nach allen Kraumlften und Ei-genschaften der groszligen Welt gleich

Im Himmel und [auf] der Erde ist die Form abgerechnetnichts was nicht auch im Menschen waumlre und es ist zwi-schen der groszligen Welt und dem Menschen nur der Unter-schied daszlig der Mensch in eine andre Form Gestalt und Sub-stanz geschaffen ist ohne daszlig deswegen die Eigenschaftenveraumlndert w[orden] waumlren ldquo2

bdquoEr ist also der Sohn der ganzen Welt und verhaumllt sich zuderselben wie ein Extrakt zu dem woraus es gezogen wordenund die Welt ist in dem Grade schwaumlcher als sie vom fuumlnftenWesen verloren hat (Naumlmlich der Mensch ist aus den VierenErde Luft Wasser und Himmel gezogen und daher die quintaessentia)ldquo3

bdquoDer Mensch ist daher in der Mitte und d[er] Mittelpunktaller Kreaturen um welche alle aumluszligern Sphaumlren und Kreisegehen denn seinetwegen sind sie erschaffen Deswegen nimmtsie der Mensch auch alle auf

Daher hat der Mensch viele tausend Vaumlter und Muumltter wel-che alle in ihm sindldquo4

bdquoUumlber die Prinzipien aller DingeDas Wort Fiat [Es werde] durch welches alles entstanden

ist war dreifach denn die Dreieinigkeit hat es ausgesprochen 1 Vgl ebenda S 562 Vgl ebenda S 573 Vgl ebenda S 584 Vgl ebenda S 59

251

Daher ist jede Kunst welche in der Natur mehr als drei Prinzi-pien sucht falsch Diese drei sind erste Materie und Eins wieGott Eins ist Wie aber in der Gottheit drei1 Personen sindwelche nach ihren persoumlnlichen Funktionen oder Verrichtungen(officio) verschieden sind also auch die drei Ersten2

Diese drei haben Eine Mutter naumlmlich das WasserIhre Namen sind Sulphur [Schwefel] Mercurius [Quecksil-

ber] und Sal [Salz] (oder Resina [Harz] Liquor (Gotaronium)und Balsam[icum]) Dem physischen Koumlrper koumlmmt auszligerihnen nichts mehr hinzu als das Leben und was zum Lebengehoumlrt - Nur im Tode der Dinge offenbaren sie sich

Zwar koumlnnen wir die materia prima [Urstoff] nicht erklaumlrenAber der Sulphur spiegelt sich ab in unserm gewoumlhnlichenSchwefel der Mercurius in unserm Quecksilber das Sal in

1 Im Ms folgt Per-2 Am Rande Par[acelsus] nimmt (Tennemann S 213 IX B[and])

[W G Tennemann Geschichte der Philosophie IX Bd Leipzig1814 S 213-214] 3 oder 4 Uranfaumlnge der Dinge an d[as] astrumdie radix d[as] elementum und das Sperma d[as] Vehikel des wah-ren Samens Alle diese Uranfaumlnge w[erden] in dem Chaos oder wiees Par[acelsus] nennt dem myster[ium] magnum eingeschlossendas astrum ist s[eine] taumltige Kraft d[ie] der formlosen Materie dieForm mitteilte und ihre Bildung vollendete Diese Astra s[ind] wievernuumlnftige Wesen anzusehen sie sodomieren und adultieren aberso wie andere Kreaturen Jedes Astrum zieht d[as] Kraut und Me-tall nach Willkuumlr aus dem Myst[erio] magno hervor mit welchemes verwandt ist und gibt der Wurzel derselben astrali[sche] FormD[ie] wahren Elemente s[ind] S[al] Mer[ciurius] Sulph[ur] nichtdiese sichtbaren Koumlrper sondern die unsichtbaren astralischen Dasastralische Salz ist der Grund der Konsistenz der Koumlrper und ihresRuumlckstandes nach dem Verbrennen Der siderische Schwefel machtdurch astralische Einfluumlszlige belebt den Grund des Wachstums derKoumlrper und des Verbrennens selbst aus Das siderische Quecksilberist der Grund der Fluumlssigkeit und des Verrauchens D[ie] [Im Msfolgt gestr Zus] Zusammenkunft dieser 3 Koumlrper macht d[en]Koumlrper aus Daraus bildeten sich die Nachfolger des Paracels[us]folgende 3 Harmonien

Seele Geist LeibQuecksilber Schwefel SalzWasser Luft Erde

252

unserm Salze Aber alle drei zusammen sind der Ursprung(Limbus) der Elementeldquo1

bdquoSulphur ist naumlmlich der Grund der Koumlrperlichkeit Sal derGrund des Zusammenhangs (congelation [Verdichtung]) undder Farben Mercurius der Saft in dem er lebt (Liquor in demer steht) und gibt d[ie] Eigenschaften Kraumlfte und verborgenenWirkungen (Arcana)

Daszlig alle Dinge aus Dreien bestehen muumlssen ist schon darausklar weil sie nicht vergehen koumlnnten wenn sie Eins waumlrenwas doch allein geschiehtldquo2

Nahrung des M[enschen]bdquoIm Leibe verteilt sich alles was von auszligen und innen

kommt in die Glieder Von innen koumlmmt alles was durch denMund eingeht Allein dieses reicht nicht hin den Menschen zuerhalten Von auszligen kommt alles was der Mensch durch dieHaut an sich zieht Dadurch koumlnnen Menschen wie Beispielelehren mehrere (bis auf 20) Jahre ohne Nahrung von innenleben Was nun (auf diese oder jene Art) in den Mensch[en]koumlmmt verteilt sich in alle3 Teile wo es sich durch die Wir-kung der Glieder selbst in sie verwandelt

Unsere Nahrung ist also das was wir selbst sind und wiressen daher uns selbst Ohne Nahrung waumlre kein Ding was esist Die Nahrung ist aber keine Anfuumlllung sondern eine For-merstattung denn die Form stirbt ohne die Hinzusetzung vonauszligen weil in uns ein Feuer ist welches Bild und Form ver-zehrt Daher muszlig das was wir essen alle Glieder in sich ha-ben Was der bildenden Kraft zur Ersetzung der Glieder taugtnimmt sie daraus und wirft d[ie] uumlbrigen durch den Stuhl ausldquo4

An den Paracelsus schlieszligen sich an Johann Baptista vanHelmont 1577 geb[oren] zu Bruumlssel (ortus medicinae ieinitia physicae inaudita)5 dagger 1644 Ferner Franciscus Mercurius

1 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 622 Vgl ebenda S 643 Im Ms folgt gestr Glieder4 Vgl T A Rixner und T Siber Leben und Lehrmeinungen Heft I

a a O S 1115 J B v Helmont Ortus medicinae Id est initia physicae inaudita

Amsterodami 1648

253

van Helmont (Opuscula philosophica)1 geb[oren] zu Vilvorden1618 Ferner ist hieher zu zaumlhlen Robert Flud[d] geb[oren]1574 ein gebor[ner] Englaumlnder medicina catholica2 - Rob[ert]Flud[d] alias de fluctibus Utriusque cosmi majoris scilic[et] etminoris metaphysica physica atque technica historia [Op-penhemii] 1617 Sie gehoumlren hierher inwiefern Natur wesent-licher Gegenstand und Zentrum ihres Geistes ist ihre An-schauungsweise ist aber Mystizismus Vereinigung von pla-ton[ischen] und kabbalist[ischen] Gedanken

Dem Paracelsus dem wiefern bei aller Tiefe und Spekulationdoch die sinnlich wirkliche Natur wesentliches Objekt desGeistes ist und in ihm und in dem das Prinzip der neuern Zeitwie es in sich das Prinzip der Erfahrung und die Erfahrungselbst als ein Moment in sich begreift zuerst und eben deswe-gen auf diese und keine andere Weise aussprach und verwirk-lichte kann [man] gegenuumlberstellen den Lord Baco v[on]Verulam den Apollo den heiligen Schutzpatron und Messiasaller Empiristen der das bloszlige Moment der Erfahrung Entdek-kung und Beobachtung fuumlr sich allein fixierte als das einzigeHeil der Menschheit aussprach und in dem daher das Prinzipder neuern Zeit nur als das Prinzip der Erfahrung sich aus-sprach Er kann wohl als der Erste genannt werden der denSchleier am Tempel der Isis der so lange die Natur dem Augeder in die eigne Tiefe oder die Tiefe Gottes versenktenMenschheit entzog luumlftete und die Natur in ihrer sinnlichenGestalt zum Objekte sinnlicher Erfahrung und sinnlicher Be-obachtung3 erhob Das Prinzip einer Philosophie ist ihr Geistdieser Geist ist aber naumlher die Methode Abgesehen von denvielen brillanten Saumltzen und Sentenzen die wie Vorstecknadelndaher auch an4 den Vorreden und Titelblaumlttern unzaumlhlig vielernaturwissenschaftlichen Buumlcher prangen abgesehen davondaszlig Baco schon einen Organismus der Wissenschaft zu gebenversuchte so ist wenn man weiszlig was Geist und Wesen istund wie man nach Geist und Wesen charakterisieren muszlig die

1 F M v Helmont Opuscula philosophica Quibus continentur

Principia philosophiae antiquissimae et recentissimae ac Philoso-phia vulgaris refutatae Amstelodami 1690

2 R Fludd Medicina catholica seu Mysticum artis medicandi sa-crarium In t divisum 2 Francofurti 1629ndash1631

3 Beobachtung Anschauung Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr un

254

Baconische Philosophie damit ganz in ihrem Wesen charakteri-siert und dargestellt wenn man sagt sie ist eine Anweisungaber freilich nicht zum seligen Leben sondern dazu Erfindun-gen und Erfahrungen zu machen seiner Philosophie Inhalt istdas Prinzip die Methode der Erfahrung schlecht ausgedruumlcktund gefaszligt das Mittel zu erfahren als den Inhalt derselben derBaconischen Philosophie kann man ansehen alle Entdeckungenund Erfindungen die in neuern Zeiten gemacht worden sindDie Erkenntnis der Natur die sein Prinzip ist ist die durchErscheinungen vermittelte innerhalb des Kreises der Erschei-nungen bleibende durch Erscheinung die Erscheinung begruumln-dende Erkenntnis der Erscheinungen Die Erfahrung wie sie indiesen Zeiten aufkam und noch lebt stellt man sich oft vor alseinen Standpunkt der sich von selbst versteht als ein unmittel-bar Erstes dem Geiste oder dem Menschen Zunaumlchstliegendesja man wundert sich daruumlber wie sich die Menschen sosehrvon der Quelle von ihrer naumlchsten Bestimmung und Be-ruf[ung] entfernen konnten Aber der Standpunkt der Erfah-rung ist nicht ein absoluter ein erster sondern ein selbst ge-setzter abhaumlngiger vermittelter vielmehr setzt die Art derErfahrung die in unsern Zeiten gilt als die einzig wahre unddem Menschen moumlgliche Erkenntnis eine Entfremdung Ali-enation eine Entfernung des Geistes und des Menschen vonsich weg voraus In der Erfahrung ist der Geist auszliger sich Daswahrhaft Erste Naumlchste wahrhaft Unmittelbarste in dem We-sen der Menschen ist die Philosophie wie auch die Geschichtebeweist Das Sinnliche ist nicht durch sich selbst unmittelbarernaumlchster Gegenstand des Menschen er ist nur Gegenstanddurch den Geist setzt also diesen voraus sowenig das Sinnli-che selbst Erstes Unmittelbares ist sowenig ist die sinnlicheErkenntnis wahrhaft erste unmittelbare Erkenntnis von demwas nicht selbst Erstes ist1 ist auch die Erkenntnis nicht dieErste Das Sinnliche ist nur ein mittelbares und die sinnlicheErkenntnis nicht nur ihrer Natur nach eine mittelbare ohneAnfang und Ende sondern auch ihrem Grunde nach eine ver-mittelte Das Selbstbewuszligtsein des Geistes2 war und ist dasimmanente und verborgene Prinzip der3 Zeit die geistig sinnli-che Existenz derselben ist das Selbst das empirische gemein- 1 Im Ms folgt gestr gilt2 Im Ms folgt gestr war und3 Im Ms folgt gestr neuern

255

same Ich die sinnliche Erscheinung davon daszlig im Grunde undWesen der Weltgeschichte [] der Geist sein Selbstbewuszligtseinfuumlr sich rein erfaszligt war daszlig das eig[ent]l[iche] Selbst sicherfaszligt das einzelne Selbst erfaszligt sich nur im Wesen und Geistsich entfremdend sich herausziehend aus aller Tiefe ein Ge-gensatz ist unzertrennlich von s[einen] Gegensaumltzen Das In-sichsein des Selbstes ist das []1 an-sich-Sein des GeistesBaco beginnt daher mit der Ausrottung der menschl[ichen]Idole

1 Durch Beschaumldigung des Ms nicht lesbar

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[Zur V Vorlesung ndash Bruno Campanella ndash Monismus]1

bdquoIntelligentia est divina quaedam vis insita rebus omnibuscum actu cognitionis qua omnia intelligunt sentiunt et quo-modocunque cognoscunt2 In omnibus vel minimis est cognitioquamvis intelligentiam in quibusdam propter defectum orga-norum non videmus actuldquo3

bdquoDie Intelligenz ist eine gewisse goumlttliche Kraft allen Dingeneingepflanzt vermoumlge deren sie Alles verstehen empfindenund in irgendeiner Weise erkennen In allen auch den gering-sten ist Erkenntnis obgleich wir in einigen die Intelligenzwegen des Mangels an Organen nicht taumltig erblickenldquo (Gior-dano Bruno)

Alles ist der Substanz nach Eins sagt Giordano Bruno4 diegeistige und koumlrperliche Substanz obwohl verschieden redu-zieren sich doch zuletzt auf Ein Sein und Eine Wurzel DieMaterie ist nicht ausgeschlossen von den unkoumlrperlichen Din-gen und der Geist nicht von den materiellen Nein der Geistfindet sich vielmehr in allen Dingen jedes Ding sei es auchnoch so gering hat etwas Geistiges in sich alle Dinge sindbelebt und beseelt wenn auch nicht der Tat der Erscheinungso doch dem Wesen nach Die Welt sagt Campanella5 ist ganzSinn Leben Seele alle ihre Teile empfinden und erfreuen sichdes gemeinsamen Lebens Koumlnnen Wissen Lieben oder Wollen(zuerst die Potentia das Daseinkoumlnnen dann die Sapientiaoder Intelligenz zuletzt der Amor das Verlangen) ist das We-sen aller Dinge denn Alles was ist kann sein will und weiszligdaszlig es ist Was nicht weiszlig was ihm zutraumlglich oder verderblichist kann nicht existieren Selbst die Pflanze unterscheidet dieassimilierbaren Stoffe von den unbrauchbaren den auszuschei-denden selbst der Knochen fuumlhlt denn er ernaumlhrt sich undwaumlchst Keine Ernaumlhrung ist aber moumlglich ohne Wahrnehmung

1 Text aus BwN 1 Bd S 317-318 uumlbernommen Dort unter dem

Titel Giordano Bruno und Campanella uumlber die houmlchsten Prinzipi-en Der Traum des Monismus Beilage in A nicht beruumlcksichtigt

2 G Bruno Jordani Bruni Nolani Opera Latine Conscripta 1 Bd4 Tl Stuttgart-Bad Cannstatt 1962 S 103

3 Ebenda S 1074 Vgl G Bruno De la causa principio et Uno Venetia [ie London]

15845 Vgl T Campanella De sensu rerum et magia Francofurti 1620

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ohne Empfindung der passenden Nahrungsmittel ja selbst diehaumlrtesten Dinge die Steine sind nicht ganz empfindungslos1

So schreibt der Italiener allen Dingen Seele allen ObjektenSubjektivitaumlt zu Er kennt keinen Unterschied zwischen sichund dem Objekt2 keinen Gegensatz zwischen Mensch undNatur zwischen Geist und Materie er lebt und webt nur imGedanken der Einheit Und er bleibt nicht nur bei dem Allge-meinen dieses Gedankens stehen er fuumlhrt die Identitaumlt desGeistes und der Materie der Vernunft und Sinnlichkeit bis insSpezielle durchEs gibt nicht sagt Campanella eine vernuumlnftige eine zuumlrnendeund eine begehrende Seele es gibt nur Eine Seele die sinnli-che Begierde ist nicht unvernuumlnftig oder der Vernunft entge-gengesetzt denn sie hat einen vernuumlnftigen Zweck die Erzeu-gung und wird durch den Anblick der Schoumlnheit erweckt aberdie Wahrnehmung der Schoumlnheit ist eine Sache der VernunftEbenso wenig ist der Sinn der Vernunft entgegengesetzt derSinn ist vielmehr Weisheit oder ein Funke der goumlttlichen Weis-heit Nur das sinnliche Wissen ist gewisses zweifelloses Wis-sen Der Sinn braucht keinen Beweis er ist selbst der BeweisDer Sinn ist das vorzuumlglichste Licht nur er klaumlrt alle Dunkel-heiten und Zweifel auf Niemand fragt disputiert und raumlsoniertjetzt noch daruumlber ob es eine neue Welt gibt nachdem sie vonColumbus entdeckt worden [ist]

1 Der Glaube des Volkes an Nixen Feen Kobolde u dgl die ganze

ehrbare Maumlrchenwelt des Volkes ist nicht ein aberglaumlubisches son-dern tiefes Naturgefuumlhl von der Alleinheit und Allgegenwart desGeistes das darin kindlich ist daszlig es den Geist der Natur in der Ge-stalt und Bestimmtheit der Persoumlnlichkeiten faszligt

2 Gleichwohl sagt Campanella daszlig alle Irrtuumlmer davon herruumlhrendaszlig wir die Dinge so denken wie wir sind Aber wie dies zu verste-hen ergibt sich sogleich aus dem folgenden Beispiel Ventos nil vi-dere putamus quoniam oculos non habent sicut nos bdquoWir glaubendie Winde sehen nichts weil sie nicht Augen haben wie wirldquo [TCampanella] De Sensu rerum et Magia II c 21 [T CampanellaDe sensu rerum et magia hellip a a O Lib II cap XXI S 130]

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[Zur V Vorlesung ndash Bruno ndash Vom Unendlichen]1

[hellip]2 bdquoes gehoumlrt nicht gefaszligt w[erden] zu koumlnnen und wederGrenze noch Ende noch irgend eine letzte Bestimmung zuhaben Es ist also unendlich und unermeszliglich folglich auchunbeweglich Seinen Ort kann es nicht veraumlndern weil auszligerihm kein Ort vorhanden ist Es w[ird] nicht erzeugt weil allesDasein sein eignes Dasein ist Es kann nicht untergehen weilnichts ist worin es uumlbergehen koumlnnte Es kann weder wachsennoch abnehmen weil sich das Unendl[iche] zu dem keineVerhaumlltnisse passen sowenig vermindern als vermehren laumlszligtEs ist keinem Wechsel unterworfen weder von auszligen da ihmnichts aumluszligerlich ist noch von innen weil es alles was es seinkann zugleich und auf Einmal ist Seine Harmonie ist eineewige Harmonie und die Einheit selbst Es ist nicht Materieweil es keine Figur keine Grenze hat noch haben kann Es istnicht Form und erteilt keine Form noch Gestalt weil es selbstJedes und das Gesamte Eins und Alles ist Es kann3 wedergemessen noch zum Maszlig genommen w[erden] Es faszligt undumfaszligt sich selbst nicht weil es nicht groumlszliger ist als es selbstEs w[ird] nicht gefaszligt noch umfaszligt weil es nicht kleiner ist alses selbst Es vergleicht sich nicht4 und kann nicht verglichenw[erden] weil es nicht eins und ein andres sondern Eins unddasselbe ist

Da es Eins und dasselbe ist so hat es nicht ein Sein und einandres Sein und weil es nicht ein Sein und ein andres Sein hatso hat es auch nicht Teile und andre Teile und weil es nichtTeile und andre Teile hat so ist es nicht zus[ammen]gesetzt Esist auf gleiche Weise das Gesamte und ein Jedes Alles undEins also Grenze und dennoch keine Grenze Form und den-noch keine Form Materie und dennoch keine Materie Seeleund dennoch keine Seeleldquo5 bdquoWo kein Maszlig ist da sind keineVerhaumlltniss[e] noch uumlberhaupt Teile welche sich vom Ganzenunterscheiden Ein Teil des Unendlichen waumlre selbst ein Un- 1 Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Text beginnt im Satz Vorangehende Seite fehlt3 Im Ms folgt gestr so []4 Im Ms folgt gestr noch5 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno von Nola Beylage I zu den

Briefen uumlber die Lehre des Spinoza In Friedrich Heinrich JacobirsquosWerke 4 Bd 2 Abth Leipzig 1819 S 35-36

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endliches also Eins mit dem Ganzen Es kann folglich 1 in derunendlichen Dauer auch d[ie] Stunde nicht vom Tag d[er] Tagnicht2 vom Jahr d[as] Jahr nicht3 vom Jahrh[undert] d[as]Jahrh[undert] nicht vom Augenblick unterschieden w[erden]denn das Eine hat zur Ewigkeit nicht mehr Verhaumlltnis als dasandre Auch du bleibst immer eben weit vom Unendlich[en]entfernt und auszliger allem Verhaumlltnisse geg[en] dasselbe dumagst Mensch eine Ameise oder eine Sonne sein Dasselbegilt von allen einzeln[en] Ding[en] ohne Ausnahme weil derBegriff des Unendlich[en] alle Einz[e]lheiten und Verschie-denheit[en] alle Zahl und Groumlszlige aufhebt Im Universo ist derKoumlrper nicht vom Punkt d[as] Zentrum nicht von der Periphe-rie das Endliche nicht vom Unendlichen d[as] Groumlszligte nichtvom Kleinsten unterschieden Es ist lauter Mittelpunkt odersein Mittelpunkt ist uumlberall und sein Umkreis nirgend Darumwar es keine leere Rede wenn jene Alten von dem Vater derGoumltter sagten er erfuumllle alle Dinge hab[e] in jedem Teil desWeltalls s[einen] Sitz sei d[er] Mittelpunkt eines jedes We-sens Eins in Allem und derjenig[e] durch welchen Eins Allesist Die einzelnen Dinge welche sich unaufhoumlrlich veraumlndernsuchen kein neues Dasein sondern nur eine andre Art des Da-seins Sie sind aber sie sind nicht alles was sein kann in derTat und zugleich Dieselbe Kontraktion der Materie d[ie] d[ie]Form eines Pferdes bestimmt kann nicht zugleich d[ie] Formeines Mensch[en] einer Pflanze oder sonst eines einzelnenDings4 bestimmen Alle gehoumlren zu Einem Dasein nur nichtauf dieselbe Weise Das Universum begreift aber nicht alleinalles Dasein sondern auch alle Weisen des Daseins in sich esist Alles was sein kann in der Tat zugleich vollkommen undauf eine schlechterdings einfache Weise Was die Verschie-denheiten der Dinge Zahl Maszlig und Verhaumlltnis ausmachtberuhet auf Zus[ammen]setzung Figur und andern Modifika-tionen der Substanz welche in sich immer dieselbe bleibt Indiesem Sinne sagt Salomo es gescheh[e] nichts Neues unterder Sonne Alles ist Eitelkeit auszliger dem unvergaumlnglich allge-

1 Im Ms folgt gestr nicht2 nicht o Ms3 nicht o Ms4 Im Ms folgt gestr sein

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genwaumlrtigen Einzigen seine Substanz ist die Einzige Substanzalles auszliger ihm ist Nichts1

Die zahllose Menge der Wesen befindet sich also im Weltallnicht wie in einem bloszligen Behaumllter oder Raume sondern essind diese Heere der einzelnen Dinge gleich den Saumlften unddem Blute in dem Leben eines Leibes2 Wie die menschlicheSeele unteilbar und nur Ein Wesen dennoch jedem Teile ihresLeibes ganz gegenwaumlrtig ist indem sie zugleich d[as] Ganzedesselben zusammenhaumllt traumlgt und bewegt so ist auch d[as]Wesen des Weltalls im Unendlichen Eins und nicht weniger injedem der einzelnen Dinge welche von uns als Teile desselbenangesehen w[erden] gegenwaumlrtig so daszlig in der Tat das Ganzeund jeder Teil der Substanz nach nur Eins ist Diese nanntedaher Parmenides mit Recht das Eine Unendliche Unwandel-bare3 hellip

1 Vgl Prediger 12 und 192 Leibes Lebens Korr im Ms3 F H Jacobi Auszug aus Jordan Bruno a a O S 36-40 ndash

Parmenides Fragmente des Parmenides Gesammelt uumlbersetzt underlaumlutert von G G Fuumllleborn Zuumlllichau 1795 Kap I S 56-58

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[Zur IX Vorlesung ndash Pascal ndash Aus seinem Leben1]

2 Blasius Pascal zu Clermont geb[oren] 1623 Schon in fruumlh-ster Jugend Proben auszligerordentl[ichen] Geistes Nach dem Tods[einer] Mutter 1626 wandte sich der Vater mit groumlszligter Sorgfaltauf s[eine] Familie (er hatte nur noch 23 Schwestern) und gabihm selbst Unterricht er hatte nur seinen Vater zum Lehrer1631 zog4 der Vater nach Paris was vorteilhaft natuumlrl[ich] fuumlrdie Erziehung war Der Vater lehrte ihn im Allgemeinen wasdie Sprachen seien Oft sprach der Vater mit ihm von auszligeror-dentl[ichen] Wirkungen der Natur5 Er hatte groszlige Freude andieser Unterhaltung aber er wollte den Grund von allen Din-gen wissen Schlechte Gruumlnde befriedigten ihn nicht Immerund in allen Dingen war die Wahrheit sein einziger Gegen-stand denn nichts konnte ihn befriedigen als seine ErkenntnisPuisque jamais rien ne6 le pu satisfaire que sa connaissanceAinsi degraves son enfance il ne pouvait se rendre qursquoagrave ce qui luiparaissait vrai eacutevidemment de sorte que quand on ne lui disaitpas de bonnes raisons il en cherchait lui-mecircme et quand ilsrsquoeacutetait attacheacute agrave quelque chose il ne la quittait point qursquoil nrsquoeneut trouveacute quelqursquoune qui le put satisfaire Une fois entre autresquelqursquoun aiant frappeacute agrave table un plat de faiumlence avec un cous-teau il prit garde que cela rendait un grand son maisqursquoaussitocirct Qursquoon eut mis la main dessus cela7 lrsquoarrecircta Ilvoulut en mecircme temps en savoir la cause et cette expeacuterience leporta agrave en faire beaucoup drsquoautres sur les sons Il y remarquatant de choses qursquoil en fit un traiteacute agrave lrsquoacircge de 12 ans qui futtrouveacute tout agrave fait bien raisonneacute8 [Fast niemals konnte ihn etwaszufriedenstellen als sein Wissen Seit seiner Kindheit konnteihn nichts mehr interessieren als das was ihm wirklich alswahr erschien solcherart daszlig man ihm nicht die wahren Hin-

1 G Perier La vie de M Pascal eacutecrite par Madame Perier sa soeur

In Penseacutees de M Pascal sur la religion et sur quelques autres su-jets La Haye 1743

2 Am Rande r o Zur Geschichte der Philosophie3 2 Eine Korr im Ms4 Im Ms folgt sich5 Im Ms folgt gestr unleserl Wort6 Im Ms folgt la ( le)7 Im Ms folgt lrsquoarresta8 G Perier La vie de M Pascal hellip a a O S 7-8

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tergruumlnde sagte die er in ihnen vermutete und wenn er sich anetwas festgemacht hatte verlieszlig er es nicht bis zu dem Punktan dem er etwas gefunden hatte was ihn befriedigen konnteEinmal von vielen Malen hatte jemand am Tisch eine Fayence-Schuumlssel mit einem Messer angeschlagen er paszligte darauf aufdaszlig dies einen groszligen Klang abgab aber sobald wie jemanddie Hand daruumlber gelegt hatte houmlrte er auf Er wollte in dem-selben Augenblick den Grund davon wissen und dieses Expe-riment bewegte ihn dazu noch viel mehr andere [Experimente]daruumlber zu machen Er stellte dabei so viele Dinge fest daszlig erdavon eine Abhandlung im Alter von zwoumllf Jahren machte diedurch und durch fuumlr gut durchdacht befunden wurde] Schonim zwoumllften Jahr zeigte sich sein Genie zur Geometrie DerVater der gelehrt in d[er] Mathem[atik] war wollte weil erihn in den Sprachen unterrichten wollte und wuszligte daszlig dieMathematik eine den Geist befriedigende W[issen]schaft istwollte nicht daszlig er eine Kenntnis davon habe Trotz aller Vor-sichtsmaszligregeln des Vaters w[urde] der Sohn neugierig batden Vater sie ihn zu lehren er aber schlug es aus Einst fra-gend was diese Wiss[enschaft] waumlr[e] und wovon sie handleunter[richtete] der Vater daszlig sie waumlre das Mittel gerade Figu-ren1 zu machen und die Verhaumlltnisse dersel[ben] untereinanderzu finden zugleich verbot ihm aber der Vater davon mehr zusprechen und daran zu denken Nach dieser einfachen Eroumlff-nung uumlber die Mathem[atik] fing er selbst an daruumlber nachzu-denken in den Stunden der Erholung und indem er allein ineinem Saale war in dem er sich zu ergoumltzen pflegte nahm erKohle und machte Figuren indem er die Mittel suchte Figurenzu machen z B ein[en] vollkommen runden Zirkel ein Drei-eck2 deren Seiten und Winkel gleich waumlren Er fand dies allesallein endlich suchte er die Proportionen der Figuren unterein-ander Allein er wuszligte selbst nicht die Namen Er w[urde]gezwungen sich selbst Definitionen zu mach[en] er nannteeinen Kreis3 eine Runde eine Linie eine Stanze Nach diesenDefinitionen machte er sich Axiome und endlich machte ervollkommen[e] Beweise er trieb so s[eine] Untersuchungenbis zum 32 Satz im ersten B[uch] Euklids Einst traf ihn seinVater uumlber diesem Geschaumlft Erstaunt voll Freude uumlberlieszlig er 1 Erg im Ms justes fig[ures]2 Dreieck Δ Ms3 Im Ms darunter gestr Zirkel

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ihn s[einer] Neigung und gab ihm Euklid um in den Erho-lungsstunden ihn zu lesen Er las und verstand ihn ganz alleinIndes [ver]wandte er nur die Erholungsstunden auf das Studi-um der Geometrie denn er lernte Latein nach den Regelns[eines] Vaters Die Mathem[atik] befriedigte ganz s[einen]Geist und trotz der wenigen Zeit die er darauf verwendetemachte er im 16ten Jahr eine Abhandl[ung] des coniques[die] Kegelschnitte welche galten fuumlr die houmlchste Kraft desGeistes W[urde] aber nie gedruckt Waumlhrend dem [uumlber]setzteer immer fort Latein und Griechisch der Vater unterrichtet[e]ihn in Physik Philosophie

Seit dem 18 [Lebensjahr] verdarb s[eine] Gesundheit dochhatten die Unpaumlszliglichkeiten noch keine groszlige Wirkung in dieserZeit und im 19 Jahr erfand er eine Rechenmaschine durchwelche man nicht nur jede Art von Rechnung macht ohne Fe-der und Rechenpfennige (jetton) sondern auch selbst ohnearithmetische Regel zu verstehen und mit einer unfehlbarenSicherheit Durch die Anstrengungen die ihm besonders dieseArbeit machte kam er in Unpaumlszliglichkeiten die ihn nie verlie-szligen er selbst sagte seit meinem 18 Jahr verging kein Tagohne Schmerz minus Im 23 Jahre sah er das Experiment des Torri-celli er erfand und bewerkstelligte hernach die anderen Ex-per[imente] Dies war die letzte Beschaumlftigung wo er seinenGeist fuumlr die menschliche Wissensch[aft] anwand[te] dennobgleich er nachher erfand das Walzenrad la Roulette so fander sie doch ohne daran zu denken Unmittelb[ar] nach diesenExperiment[en] und im 24 Jahr noch nicht lieszlig die VorsehungGottes die Gelegenheit kommen die ihn veranlaszligte freie Buuml-cher zu lesen die Wahrheit der christl[ichen] Relig[ion] nurfuumlr Gott zu leben keinen andern Gegenstand als ihn zu habenschien ihm so evident notwendig und nuumltzlich daszlig sie alles[eine] Unters[uchungen] endigten so daszlig er von dieser Zeit anaufgab alle andern Erkenntnisse um sich allein auf die Sachezu legen die J[esus] C[hristus] notwendig nennt Er war bisherbewahrt w[orden] vor allen Lastern der Jugend und vor derFreigeisterei Sein Vater hatte ihn seit s[einer] Kindheit Ach-tung eingefloumlszligt fuumlr die1 Religion indem er ihm zum Prinzipgab daszlig alles was Gegenstand des Glaubens ist nicht Ge-gen[stand] der Vernunft sein darf Da er2 obwohl noch jung 1 Im Ms folgt gestr Tugend2 Da er Daher Ms

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die Freigeister als Leute ansah die in dem falschen Prinzipsind daszlig die menschl[iche] Vernunft uumlber allen Dingen ist unddie nicht die Natur des Glaubens erkennen Und so war diesergroszlige so umfassende vaste [unermeszligliche] und von Kenntnis-sen curiosites erfuumlllte Geist der mit solcher Sorgfalt denGrund und die Ursache von allem suchte zu fruumlher Zeit allenDingen der Religion wie ein Kind unterworfen und diese Ein-fachheit herrschte in ihm sein ganzes Leben durch so daszlig erselbst seitdem daszlig er sich entschloszlig kein anderes Studium alsdas der Religion zu treiben in sich legte auf die neugierigenFragen der Theologie und er alle Kraft seines Geistes daraufsetzte zu erkennen und auszuuumlben die Vollkommenheit derchristl[ichen] Moral welcher er geweiht hatte alle Talente dieGott ihm geschenkt hatte indem er nichts andres tat in demganzen uumlbrigen Leben als dem Gesetz Gottes Tag und Nachtnachzudenken S[eine] Krankheiten mehrten sich immermehr Seiner Gesundheit wegen begab er sich in die Weltallein er zog sich bald zuruumlck aus der Welt und bestimmte bisan sein Ende sein Leben nach den zwei Maximen allen Ver-gnuumlgen und allen Uumlberfluumlssig[em] zu entsagen Er w[urde]jedoch in seiner Zuruumlckgezogenheit von Leuten von groszligemGeist die den Gedanken hatten sich zuruumlck[zu]ziehen und umseinen Rat baten und solchen die zweifelten [aufgesucht] Eruumlbte die groumlszligte Strenge gegen sich aus Seine letzten vier Jahrew[aren] nur fortgesetzte Mattigkeit1 Sein Uumlbel erneuerte sichmit Zahnschmerzen Er w[ar] schlaflos In diesen Nacht-wach[en] kamen ihm2 eine Nacht auch ohne Vorhaben einigeGedanken uumlber die Lehre von der Walze Roulette in denGeist Ein Gedanke folgte dem andern und diese Menge vonnacheinanderfolgenden Gedanken entdeckten ihm gleichsamgegen seinen Willen die Demonstration von allen diesen Din-gen Waumlhrend seiner langen Krankheit hatte er immer die zweigroszligen Maximen vor Augen allem Vergnuumlg[en] und allemUumlberfluszlig zu entsagen Quand la necessiteacute le contraignait agrave fairequelque chose qui pouvait lui donner quelque satisfaction ilavait une adresse merveilleuse pour deacutetourner son esprit afinqursquoil ne prit point de part par exemple ses continuelles mala-dies lrsquoobligeant de se nourrir3 deacutelicatement il avait un soin tregraves- 1 fortgesetzte Mattigkeit Mattigkeit fortgesetzte Ms2 ihm ihn Ms3 nourrir noutrir Ms

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grand de ne point goucircter ce qursquoil mangait1 [Als die Notwen-digkeit ihn dazu zwang irgend etwas zu tun was ihm Befriedi-gung verschaffen konnte hatte er eine wunderbare Adresse umdorthin seinen Geist hinzuwenden so daszlig er sich erholenkonnte zum Beispiel zwangen ihn seine staumlndigen Krankhei-ten sich vorsichtig zu ernaumlhren er hatte eine sehr groszlige Sorgenichts von dem zu schmecken was er aszlig]

1 G Perier La vie de M Pascal a a O S 28-29

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[Zur X Vorlesung ndash Spinoza ndash Gott und Natur]1

2512 Gott in Beziehung auf die daseiende Welt beilegenkoumlnnen wir ihm nicht beilegen vor der Welt Also um abzuse-hen von andern christl[ichen] Lehren daszlig Gott Mensch gewor-den ist usw so w[ird] doch selbst in Gott tief genug eine Artvon Entwicklung und Geschichte gesetzt Wo keine Persoumln-lichkeit keine Individualitaumlt ist da ist kein Werden keineEntwicklung im eigentlich[en] Sinn denn die Individualitaumlt istdas Principium und die Moumlglichkeit des Endlichen erst miteinem persoumlnlichen Gott wird Endliches uumlberhaupt gesetzt erstmit dem Dasein eines persoumlnlichen Gottes ist3 selbststaumlndigesDasein des Endlichen des Bestimmten des Besondern moumlg-lich denn um nur daran zu erinnern Persoumlnlichkeit Indi-vid[ualitaumlt] ist Sammlung auf sich selbst Ausscheidung einesandern des Gegenstaumlndlichen uumlberhaupt erst mit ihr ist Unter-scheidung Trennung Entzweiung gegeben eben in der Tren-nung Entzweiung liegt die Moumlglichkeit eines selbstaumlndigenfuumlr sich bestehenden Endlichen Das zeigt sich so Der Menschist ein endliches einzelnes hinfaumllliges uumlberallhin unterworfnesWesen so ist er aber sinnlich insofern er aber Person [ist] sohat dieses endliche Wesen in seiner Persoumlnlichkeit erst Beste-hen er ist bewuszligtes endliches bewuszligtes einzelnes Wesen d him Bewuszligtsein bejahe affirmiere ich mich im Bewuszligtsein erstmeiner halte ich dieses Einzelne Realitaumlt in diesem halte ichmeine Endlichkeit fest oder so der einzelne Mensch als einzel-ner ist sinnlicher sterblicher indem er aber bewuszligt Person isterst da faszligt er sich unsterblich sich den Einzelnen 252 odererst als Person ist der einzelne nach allen Seiten hin unter-worfne Mensch selbstaumlndig unabhaumlngig aber eben so faszligt derMensch als Person andere und Anderes unabhaumlngig Erst alsomit Persoumlnlich[keit] Indiv[idualitaumlt] ist moumlglich Endliches erstmit ihr hat es Bestehen Von allem dem ist nun nichts in derLehre der Substanz die Persoumlnlichkeit ist nicht als wesentlichals unendlich gefaszligt w[ird] nicht in Gott angeschaut das Be-wuszligtsein die Persoumlnlichkeit ist nur ein Modus Cogitationis Im 1 Am Rande r o Uumlberschrift Spinoza moumlglicherweise von fremder

Hand2 Vorhergehende Manuskriptseite fehlt ndash Am Rande r o Verweis auf

Paginierung S 1223 Im Ms folgt gestr End[liches]

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System1 ist daher alles an und fuumlr sich ohne alle Vermittlungohne alle Geschichte von Ewigkeit her vollbracht abgeschlos-sen ohne daszlig2 ein Vollbringendes vorherging die Welt istnicht geworden ewig war sie da denn in dem Sinne als GottUrsache seiner selbst ist ist er Ursache der Dinge gleichwiedie Blume von Ewigkeit her begriffen und enthalten ist in derNatur der Pflanze als ihrer Ursache Die Blume ist nicht aussich selbst gekommen noch aus andern Teilen noch aus demSamen denn der Samen setzt schon selbst als eine Wirkung dieNatur der Pflanze voraus ewig notwendig folgt die Blume ausder Natur der Pflanze aus dem Wesen nur kann etwas entste-hen das Wesen der Blume und aller andern Affektionen3 ist diePflanze ist die Natur aus der ist Alles entstanden aber ewigliegt im Begriffe der Pflanze der Begriff der Blume enthaltennur als Ursache als Natur dem Begriff bloszlig nach ist die Pflan-ze fruumlher als das Einzelne 2534 Fuumlr uns fuumlr unsre sinnlichenAugen entstehen in der Zeit nacheinander die einzelnen Teileund fuumlr einen der noch nie einen Begriff der Pflanze gehabtwuumlrde wenn er einer Pflanze von Anfang bis zu Ende zusaumlhedie Pflanze sich gleichsam zusammensetzen Das Ganze5 wuumlr-de spaumlter erscheinen Allein fuumlr das sinnliche Auge Totumparte sua prius est [Das Ganze geht dem Einzelnen voran]Denn die Pflanze selbst ist ein unteilbarer Begriff ein Wesensie w[ird] nicht zusammengesetzt der Keim ferner das Blattdas sich aus ihm entwickelt zuerst ist ja selbst schon Pflanzli-ches dieser Keim dieser Teil gehoumlrt ja zu keinem andernDing paszligt nirgends hin als zur Pflanze die Pflanze ist schonim Keim und jedem bestimmten Teil da zugleich ist aber derKeim6 nur eine Seite ein Moment ein Teil am Ganzen derPflanze der Keim und jeder daraus hervortretende Teil setztschon das Dasein der ganzen Pflanze ihrem Wesen nach vor-aus waumlre nicht die hier sinnlich sichtbare sukzessiv sich ent-wickelnde Pflanze aus einer Natur die Pflanze hervorgegan-gen waumlre das Ganze nicht fruumlher als der Teil das Wesen fruumlherals die Erscheinung so wuumlrden also die einzelnen nacheinan-

1 Im Ms folgt der System2 Im Ms folgt es3 Im Ms folgt der4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1235 Im Ms folgt gestr ist6 Im Ms folgt gestr sch []

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der sich entwickelnden Teile die Pflanze erst machen zusam-mensetzen allein so kaumlme nie eine Pflanze ein Ganzes herausdenn waumlre nicht schon in dem einzelnen bestimmten fuumlr dasAuge hervortretenden Teil das unteilbare Ganze der Pflanzeauf unsichtbare Weise vorhanden und folglich das Ganze nichtfruumlher als der Teil 254 so wuumlrde die Pflanze aus selbstaumlndi-gen Teilen zusammengesetzt von denen jeder einzelne fuumlrsich an sich von dem andern abgetrennt waumlre jeder waumlre fuumlrsich nicht Pflanze sondern alle einzelnen zusammen setzenerst das Aggregat einer Pflanze zusammen allein so kaumlme einHaufen heraus von Teilen die fuumlr sich jeder einzelner nichtPflanze waumlre und die erst alle zusammen Pflanze waumlren wasaber unsinnig [ist] es kaumlme kein Ganzes kein unteilb[ares]Wesen heraus was die Pflanze ist Und das Ganze das Wesendie Natur der Pflanze ist daher fruumlher als die sinnlich einzelnenerscheinenden Teile denn als Natur als Pflanze als Wesen istschon seinem1 Begriff nach die Pflanze vollstaumlndig da in jedemeinzelnen Teil2 Die Welt ist also ewig in Gott die Wirkung3

ewig in der Ursache da die Wirkung ist nicht getrennt von derUrsache so wenig als die Blume je getrennt war von der Pflan-ze als ihrer Ursache Eben darum ist alles wie und was es seinsoll denn nur dort wo sich die Wirkung abtrennt von der Ur-sache und das Abgetrennte Selbstaumlndigkeit bekommt ist es 1 Im Ms folgt gestr Wesen2 Am Rande Das Ganze ist fruumlher als seine Teile das Ganze aber der

Pflanze ist ihre Natur inwiefern Blaumltter Blume usw als Wirkungder Natur betrachtet und inwiefern sie Pflanze ist und die Pflanzeals Ursache so ist die Pflanze als Ursache fruumlher aber nicht derZeit nach die Wirkungen aber die aus der Natur der Pflanze folgenfolgen notwendig aus der Natur der Pflanze sind nicht aumluszligerlichezufaumlllige wie etwa solche Wirkungen wenn ich ein Haus baueHolz spalte mir nicht aus meinem Wesen folgende zufaumlllige mirentlegene Wirkungen sind Wirkungen die notwendig aus der Naturder ursaumlchlichen Sache folgen sind innere wesentliche Wirkungendie in der Sache selber liegen [Im Ms folgt liegen] Wirkungen undUrsache machen zusammen Eines aus oder alle Wirkungen zu-sammen Blaumltter Ast Blatt etc zusammen machen das Wesen derUrsache die Pflanze selbst aus sie machen das Wesen aus das We-sen ist aber unteilbar Eines sie sind also nicht spaumlter sie sind zu-gleich mit der Ursache die Pflanze selbst ist Blatt Ast es liegt alsonichts zwischen der Ursache und der Wirkung in der Mitte das sieabhielte voneinander eine Zeit 255 dazwischen

3 Im Ms folgt gestr aber

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moumlglich daszlig das Abgetrennte nicht ist wie es sein soll dieBlume ist wie sie sein soll aber das von einer persoumlnlichenUrsache Gewirkte kann sein wie es nicht sein soll denn dieUrsache ist das1 Wesen der Wirkung indem sich die Wirkungvon der Ursache 2552 abtrennt trennt sie sich von ihrem3

Wesen ab und kann damit sein was sie nicht sein soll z Bich eine persoumlnliche Ursache bringe eine Wirkung hervor ichtue eine Handlung allein da eben die Handlung einer per-soumlnl[ichen] Ursache sich von der Ursache trennt so kann dieseHandlung etwas ganz anders sein als ich wollte und meintesie kann in der Wirklichkeit anders sein als sie in mir ihrerUrsache war

Also in dem spinoz[ischen] System ist alles vollkommendenn alles ist notwendig gefolgt aus der vollkommensten Ursa-che d h die Natur der Ursache ist in ihrer Wirkung nicht ver-lorengegangen sondern erhalten da alles ist real oder nur dasVollkommne das Reale ist Suumlnde Fehler liegt nur in der Ver-gleichung in der subjektiven Ansicht des Menschen ist nichtsWirkliches Aber das ist eben die wesentliche Bestimmung derCharakter der Natur daszlig sie ist wie sie sein soll es ist dies dasWesen der Natur daszlig die Wirkung nicht von der Ursache dieMoumlglichkeit nicht von der Wirklichkeit das Auszligen die Aumluszlige-rung die Handlung nicht getrennt ist von dem4 Innern Das istdas Wesen der Geist der Natur daszlig alles ist was es sein sollDer Baum wirkt nur tut nur bringt nur hervor was in ihmunmittelbar liegt und enthalten ist nichts ist in seiner Wirkungwas nicht in seiner Moumlglichkeit liegt er ist Baum dies ist seinalles was er wirkt Frucht Blatt trennt loumlst sich nicht entferntsich nicht von ihm weg er ist die immanente5 Ursache 256dessen was er wirkt in seinem Begriff liegt nicht mehr undnicht weniger als in seiner Wirkung Es ist ein in sich unent-zweites seliges einiges in sich selbst befriedigtes alles an undfuumlr sich erreicht habendes Leben es ist alles erfuumlllt kein Ster-ben keine Entzweiung kein Schmerz der Trennung Alles istEins in und an dem Baume denn die Affektionen die Modides Baumes trennen sich ja nicht als etwas Selbstaumlndiges von

1 das die Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr Wirkung2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1243 Im Ms folgt ihrem4 dem der Korr im Ms ndash Im Ms folgt gestr Wirk[ung]5 Im Ms folgt gestr Wirkung

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ihm ab sie druumlcken nur das Wesen der Pflanze ihren Begriffauf eine gewisse und bestimmte Weise aus

Die Welt ist wie sie sein soll Gott ist immanente Ursacheder Welt Gott ist also nichts als reine Natur Gott ist die wahreNatur es ist kein Wille kein Verstand kein persoumlnliches Be-wuszligtsein in ihm alle Dinge in sich in ihrer Natur d h in ihrerUrsache betrachtet sind vollkommen gleichwie die niedrigstePflanze in sich betrachtet ebenso vortrefflich und vollkom-men1 ist als das Houmlchste denn in ihrer Moumlglichkeit in demwas sie sein soll liegt nichts andres als was sie wirklich ist

Eine wesentliche Bestimmung der Natur ferner ist daszlig dasEinzelne vergeht das Allgemeine das Innre die Substanzunvergaumlnglich ist Die Wirkung trennt sich in der Natur nichtvon ihrer Ursache hieraus folgt eben daszlig die Ursache als diein ihren Wirkungen innewohnende Substanz ihre Wirkungeninwiefern sie einzeln auftreten verschwinden laumlszligt vernichteteben indem die Substanz gegenwaumlrtig ist in ihren Wirkungenin ihnen bleibt 2572 so trennen sich nicht als selbstaumlndig fuumlrsich bestehend die Teile oder die einzelnen [Wirkungen] vonihren Ursachen sie sind inwiefern sie einzelne sind in der inihnen innewohnenden Substanz aufgehobne unselbstaumlndigeverschwundne verlorne die Wirkungen einer persoumlnlichenUrsache weil sie sich trennen von der Ursache sind selbstaumln-dig bestehen haben Dasein fuumlr sich die Werke die ich tuebleiben wenn ich auch auf ewig von ihnen wegtrete die Wir-kungen aber einer Natur bleiben in ihrer Ursache Da aber dieUrsache die totale Einheit die unteilbare Substanz ist ihrerWirkungen die Wirkungen aber einzeln in der Wirklichkeiterscheinen so verschwinden sie gehen sie in der Zeit unterdenn sie sind ja ihrem Wesen nach schon verflossen ver-schwunden in die Substanz Die Natur der Pflanze als Naturdie Substanz ist ganz unteilbar in der Bluumlte in den Blaumlttern dadenn der Substanz nach der Natur nach ist das Blatt nicht vonder Blume und den andern Teilen unterschieden so vergehendiese Teile wiefern sie sinnlich einzeln existieren denn siesind ja in ihrer Substanz schon vergangen aufgehoben fuumlr dieSinne sind sie einzelne selbstaumlndige allein sie sind unselb-staumlndig ihrem Wesen nach sie muumlssen daher auch fuumlr das Auge

1 vollkommen unvollkommen Ms2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 125

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verschwinden weil sie schon fuumlr die Vernunft1 dem Wesennach verschwunden sind Was nun von den Blaumlttern Keim inbezug auf den einzelnen gilt gilt vom einzelnen Baum in Be-ziehung auf s[eine] Gattung s[eine] Substanz 258 und souumlberhaupt von der Natur Zugleich sind aber ebenso die einzel-nen Modi der Pflanzennatur inwiefern sie nicht einzelne vomsinnlichen Auge getrennte sind ewig zugleich der Begriff derPflanze befaszligt dies alles in Einem sie machen alle zusammenals Eins gedacht das Wesen selber aus dieses Blatt das ichsehe vergeht aber das Blatt in diesem Blatt liegt ewig in demWesen des Baumes ist ewig in ihm ist Teil seines Wesens

Spinoza also2 erkannte Gott in Bestimmungen der Naturoder den Geist in der Form der Natur3 Das lautet paradox DerGeist in der Form der Natur Wie kann der Geist der Geist inder Form der Natur sein Was soll das sein4 heiszligt das nichteben so viel als eine Pflanze in Form des Wassers oder Lichtin Form der Finsternis Kann man so Entgegengesetztes zu-sammenreimen Milder wird es schon erscheinen wenn ichsage Gott oder der5 Geist in der Form der Seele6 oder als See-le Die Natur in ihrer Wahrheit d h in der Vernunft geschautoder die Natur wie sie Gegenstand nur der Vernunft ist istnichts als durchaus lautere Seele die Natur ist7 der Geist uumlber-haupt als Seele8 oder in der Form der Seele Der Mensch unter-scheidet sich nur durch sein Bewuszligtsein als persoumlnlicher vonder Natur seine Seele ist nicht unterschieden als Seele von derNatur wie wir denn taumlglich 2599 im Schlaf aus dem Bewuszligt-sein in die bloszlige Seele zuruumlckkehren daszlig allerdings die Seeledes Menschen10 inwiefern sie Seele eines bewuszligten Geistes istalso auch im Schlaf noch durch bewuszligtes Denken bestimmt istund insofern wohl unterschied[en] ist von der Natur ist nur zu 1 Im Ms folgt gestr fuumlr2 Spinoza erkannte hellip nichts als Seele BwN 1 Bd S 323-324 SW

BJ 4 Bd S 394-395 ndash also [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ3 der Natur oder den Geist in der Form der Natur [so auch A] der

Natur oder den Geist in der Form der Natur BwN SW BJ4 sein [so auch A] bedeuten BwN SW BJ5 der [so auch A] Fehlt in BwN SW BJ6 Seele Hervorgehoben in BwN SW BJ7 Im Ms folgt gestr als8 Seele Hervorgehoben in BwN SW BJ9 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 12610 des Menschen [so auch A] der Menschheit BwN SW BJ

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erwaumlhnen gehoumlrt aber weiter nicht hierher Was ist aber dieSeele1 Die Substanz ihres Koumlrpers das Wesen des Koumlrpers2in dem alle seine Teile nicht getrennt unterschieden nichtselbstaumlndig sind wie das Auge die Eva des Geistes uns dieszu glauben verfuumlhrt sondern alle zugleich beisammen eingoumlttliches Leben sind in dem3 die Teile als besondere selb-staumlndige aufgehoben verschwunden sind Der Koumlrper stirbtdaher nur deswegen weil er eine Seele hat seine Substanz dieSeele ist d h weil er an sich dem Wesen nach schon vor demsinnlichen Tod gestorben idealiter geistig auf unsichtbareWeise vergangen ist d h4 in der Seele das was man eigentlichMaterie Koumlrper nennt Teilbarkeit selbstaumlndige Trennung derTeile das Auszligereinandersein aufgehoben5 ist Was ist nun aberdie Pflanze Ist das etwa ein materielles totes Ding Sie istlauter Leben6 Was ist sie Substanz die materiellen sinnli-chen unterschiednen Teile sind nur Ein Sein Ein Leben ma-chen zumal zusammen nur Ein Wesen aus Ganz ist die Pflan-ze Leben ganz Wesen ganz Seele nicht hier oder da Und dieSubstanz dieser Teile dieser sichtbaren Materie ist eben daswas sie zum innigen Leben 260 zur Pflanze macht ist dieNatur der Pflanze ist ihre Seele Das Wesen der Pflanze istPflanze zu sein ihrer Substanz nach sind die Teile nicht au-szligereinander nicht materiell diese Substanz aber ist eben dieSeele Die Pflanze ist Seele7 Die Seele ist aber auch Geist sie

1 Seele Hervorgehoben in BwN SW BJ2 Die Substanz ihres Koumlrpers das Wesen des Koumlrpers [so auch A]

Die Substanz des Koumlrpers das Wesen des Koumlrpers BwN SW BJ3 dem [so auch A] der BwN SW BJ4 d h [so auch A] mit anderen Worten weil BwN SW BJ5 aufgehoben [so auch A] aufgegeben BwN SW BJ6 lauter Leben Hervorgehoben in BwN SW BJ7 Am Rande [so auch A] Die Pflanze ist ganz Pflanze ganz Sub-

stanz ganz Seele denn an der Pflanze gibt es nirgends einen Punktoder Ort wo bloszlige unbestimmt[e] Materie waumlre sondern die Mate-rie ist durchaus pflanzliche substantielle wesentlich innerlich gei-stig bestimmte seelenhafte Materie wir koumlnnen aber zugleich un-terscheiden an der Pflanze Innres und Aumluszligres Ausdehnung undSeele als solche wiefern sie als Innres abgetrennt betrachtet [wird]wollen wir nun annehmen daszlig jenes Innre auch Denken ist daszlig diePflanze wie sie eine Seele habe so auch denke Gefuumlhl Bewuszligtseinihrer selbst habe allein [hellip] indem die Pflanze Bewuszligtsein ihrerselbst hat so hat zugleich jeder Teil von ihr Bewuszligtsein seiner

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ist aber1 noch der einfache der nicht in2 Wissen und Bewuszligt-sein getrennte und unterschiedne der noch nicht sich selbstGegenstand seiende [sich] auszliger die3 Materie setzende Geistsie ist selbst nichts als lautere reine geistige Natur Nun muszligman aber absehen von den bestimmten Beispielen an denenwir dies zeigten und an Gott selbst denken Gott selbst istlautere Wesenseinheit reine Natur lauter Seele4

Wenn man dem Spinoza vorwerfen will daszlig er die Natur mitGott konfundiert habe so ist zu bemerken 1) daszlig wenn manunter Natur wie die Leute tun die ihm dies vorwerfen dieMaterie die Maszlige drauszligen oder das sichtbare in die Sinnefallende Universum [ver]steht Gott allerdings gewaltig auchbei Spinoza unterschieden ist von der Natur sowenig als diesichtbare Pflanze die unsichtbare ist sowenig ist diese Naturda die wir tasten fuumlhlen sehen Gott wenn Spinoza das ge-wollt haumltte so haumltte er kein System zu denken gebraucht allein

selbst oder indem alle Teile zusammen als Eines die Pflanze aus-machen so ist der Verstand aller einzelnen Teile zugleich der Ver-stand d[as] Bewuszligtsein der Teile von sich selbst alle Teile habenein Innres denken das Denken aller zusammen ist also das Denkender Substanz selber indem ich den Teil fuumlr sich betrachte sage icher hat Bewuszligtsein seiner selbst inwiefern der Teil aber nur eine Af-fektion der Substanz ist so sage ich wenn ich sage der Teil denktnichts andres als die Substanz denkt hat die Idee ihrer inwiefern[sie] als Modus da ist inwiefern sie das Wesen des M[enschen]ausmacht Zugleich sehen wir daszlig es in diesem Wesen keinen frei-en Willen geben koumlnne denn jedes besondere ist unteilbar 261 vondem andern hat also keinen Grund in sich aus dem es zu handelnanfinge denn die Seele das Denken des bestimmten Teiles waumlrenur bestimmtes aber nicht von der denkenden Subst[anz] abge-trenntes unterbrochnes selbststaumlndiges Denken denn das Denkenist ja unteilbar wie die Pflanze selbst das Herrlichste Houmlchste desTeils inwiefern er Geist ist Modus cogitandi waumlre daher die Ein-sicht d[as] Denken und [] diesen [] Verstand kann man sich den-ken als das Licht das durch alles geht dieses Licht ist unteilbarund obgleich d[as] Denken des Einzelnen nur ein Modu[s] einStrahl ist so erstreckt er sich ja mit diesem Licht des Einzelnenuumlber das Ganze saumlhe das Ganze Fehlt in BwN SW BJ

1 sie ist aber [so auch A] nur BwN SW BJ2 in [so auch A] im BwN SW BJ3 die [so auch A] der BwN SW BJ4 Nun hellip Seele [so auch A] So ist im Sinne Spinozarsquos Gott selbst

lautere Wesenseinheit reine Natur nichts als Seele BwN SW BJ

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die Substanz im Sinne des Spinoza ist unsichtbar unsinnlichuumlberhaupt geistig ist nur Gegenstand der Vernunft nur dasDenken 2611 sieht sie (Das Denken ist ja selbst AttributGottes freilich ist das kein persoumlnliches Denken Von denbestimmten Beispielen die ich angebe muszlig man eben nur dasAllgemeine das reine Wesen festhalten sonst wird es schwerzu begreifen wie d[as] Denken der Substanz zukomme)2

2) Wenn man das dem Spinoza vorwirft so kann man ebensodenen die Gott von der Natur unterscheiden und ihn als per-soumlnliches Wesen persoumlnliche Ursache fassen vorwerfen daszligsie Gott mit dem Menschen konfundieren Allein ebensowenigals man diesen dies vorwerfen kann und darf sowenig darfman [es] Spinoza vorwerfen wie diese [Gott] in Bestimmun-gen des bewuszligten Geistes die Bestimmungen des Menschensind und sein Wesen ausmachen fassen so faszligt eben Spi-noz[a] Gott in Bestimmungen oder in der Form der reinenNatur Gott ist ein persoumlnlicher Gott was heiszligt das anderes alsGott ist reine absolute vollkommene Person reines Bewuszligt-sein der Mensch ist endliches beflecktes schmutziges Be-wuszligtsein oder Gott ist die Person wie sie unendlich ist dieunendliche Person Gott ist Substanz d h er ist die unendli-che die reine vollkommne Natur nicht diese schmutzige undbefleckte Natur Wie man nun das Bewuszligtsein die Persoumlnlich-keit in ihrer Reinheit und Unendlichkeit in Gott schauen kannschauen darf schauen muszlig So kann darf muszlig man auch inGott die Natur in ihrer Unendlichkeit 262 anschauen Werbloszlig an Gott in seiner Persoumlnlichkeit festhaumllt der hat an ihmbloszlig einen Protektor einen Schutzpatron an seiner Personseiner Endlichkeit Gott ist dann3 ein absoluter Heiliger Esmuszlig einen Punkt einen Ort sozusagen in Gott geben wo derMensch die Vernichtung seines Selbsts seiner Persoumlnlichkeitanschaut denn sonst befreit er sich in der Anschauung Gottesnicht von sich selbst und dieser Ort ist eben Gott als Bewuszligt-loser als reine Natur die nichts vom Menschen weiszlig Gott hatnicht bloszlig ein Bewuszligts[ein]4 sondern auch eine Seele Waumlre ernur persoumlnlicher so waumlre der Mensch tiefer anbetungswuumlrdi-

1 Am Rande r Verweis auf Paginierung S 1272 Das Denken zukomme (Das Denken zukomme) A Im Ms

Klammern gestr3 Im Ms folgt gestr der4 ein Bewuszligts[ein] eine Seele Korr im Ms

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ger inhaltsvoller als dieser nur persoumlnliche Gott denn derMensch hat doch eine Seele noch im Hintergrund seines Be-wuszligtseins die in die Tiefe der Natur hinunter reicht Allein wiedem Menschen oder in ihm seine Seele seinem Bewuszligtseinvorausgeht so muszlig man in Gott vor sein Bewuszligtsein eineunendliche Wesenstiefe setzen und in Gott Bestimmungenanschauen die uns nicht widerspiegeln sondern in denen wirverschwinden in denen uns das Licht ausgeht mit dem wir nuruns selbst sehen Alle tiefern Denker haben daher in Gott selbstunterschieden wie Jacob Boumlhm[e] der von einem Grunde inGott wo Gott noch nicht als Gott der persoumlnlicher ist spricht

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[Zur X Vorlesung ndash Zur Kritik des Pantheismus]1

2472 Die Philosophie des Spinoza bezeichnet man alsPantheismus und als das charakteristische Kennzeichen desPantheismus daszlig er die wesentlichsten Unterschiede ndash diewelche die Grundlage aller menschlichen Empfindung undVernunft enthalten ndash ausloumlsche und daher das Goumlttliche ver-weltliche das Unendliche verendliche und umgekehrt die Weltvergoumlttere das Endliche zum Unendlichen erhebe3 DenPantheisten trifft jedoch dieser Vorwurf nicht allein er kannihn mit demselben wo nicht mit groumlszligerem Rechte4 zuruumlckge-ben seinen Gegnern sie seien welcher Art sie wollen dennjede Bezeichnung und Benennung jeder Gedanke5 ndash und set-zen wir auch in trivialer und irriger Weise das Empfindungs-vermoumlgen uumlber das Denken ndash jede Empfindung jede Ahnungkurz jede Weise der Wahrnehmung des Unendlichen sie seiund heiszlige wie sie wolle ist notwendig eine Verendlichung desUnendlichen sonst ist es uns gar nicht Gegenstand Ist es unsaber Gegenstand so ist es uns als Etwas Gegenstand oder wirsind Goumltzendiener eines sinnlosen Namens eines6 gedankenlo-sen Nichts Selbst das Gemuumlt das nicht so frei und offen wieder Kopf ist der gerade heraussagt was und wie er denkt dasvielmehr ein Geheimnis aus seinen Angelegenheiten machtsich vor sich selbst verschweigt und aus edler aber falscherobwohl eingeborner Scham [] 2487 den Gegenstand seinerhoumlchsten Liebe und Verehrung mit keinem bestimmten weilgemeinen Namen anredet unterliegt dieser NotwendigkeitDenn das Organ womit8 Gegenstaumlnde wahrgenommen werdenkann als die Gattung als der allgemeine Bestimmungsgrundderselben angesehen werden Das Gefuumlhl ist nun aber nicht daseinzige und ausschlieszliglich fuumlr das Goumlttliche und Unendliche als

1 Im Ms Uumlberschrift Zur 10 Vorlesung moumlglicherweise von fremder

Hand ndash Uumlberschrift in A [Zur X Vorlesung] [Spinoza]2 Am Rande Verweis auf Paginierung S 1213 Am Rande der Seite befinden sich unleserliche Zitate und Anmer-

kungen zu Spinoza aus spaumlterer Zeit So auch A4 Im Ms folgt gestr denen5 jeder Gedanke jede Vorstellung Korr im Ms6 Im Ms folgt gestr lee[ren]7 Am Rande l unleserl Zitate und Anmerkungen8 Im Ms folgt gestr der

277

solches das Organ sondern auch fuumlr das Endliche wie z B dieLiebe das Gefuumlhl der Andacht der Bewunderung Ist das Ge-fuumlhl des Unendlichen auch ein besonderes ein sich unterschei-dendes so hat es doch wenn auch nicht die Art doch die Gat-tung das Wesen mit den Gefuumlhlen des Endlichen gemein1Wenn daher die Identifikation des Unendlichen mit dem Endli-chen das Charakteristische des Pantheismus ist so ist derPantheismus das Charakteristische jeder Vorstellungsweise desUnendlichen Denn wenn2 das Gefuumlhl des Unendlichen demWesen nach identisch ist mit dem Gefuumlhl des Endlichen wasnicht geleugnet werden kann wofern man nicht ein Luumlgner istdenn wie sollte ich z B mein Verhaumlltnis zu Gott mit demWorte Liebe zu bezeichnen [mich gedrungen fuumlhlen] wenn ichnicht in der Natur der Liebe wie ich sie zu dem mir teuerstenWesen trage die Bedeutung und die Art meines Verhaumlltnisseszum Unendlichen richtig getroffen und ausgesprochen faumlndeso muszlig auch zwischen dem Gegenstande in dem Gefuumlhle desUnendlichen und dem in dem Gefuumlhle des Endlichen eine ge-wisse Verwandtschaft ndash wo aber Verwandtschaft ist aber Ein-heit der Gattung der Natur ndash eine gewisse Identitaumlt stattfindenDas Gemuumlt ist durchaus pantheistischer Na- 2493 tur aber inden Menschen die nur in der Weise des Gefuumlhls und derPhantasie zum Unendlichen sich verhalten ist der Verstand ndashund zwar notwendigerweise ndash der Diable boiteux und sarkasti-sche Antagonist ihres Herzens was sie mit diesem bekennenleugnen sie mit dem Verstand rund weg ab So war Fr[iedrich]H[einrich] Jacobi obwohl der leidenschaftlichste Gegner desPantheismus selbst Pantheist4 obwohl in ganz andrer Weiseals Spinoza und andre Pantheisten Die spekulative Vernunft istihm nur der Verstand des Endlichen und daher die Mutter despantheistischen Greuels Das Organ fuumlr das Goumlttliche ist nachihm nur das unmittelbare Gefuumlhl der Glaube die Uumlberzeu-gung Das Goumlttliche ist ihm das unmittelbar das schlechthinGewisse Aber eben dieses ist fuumlr ihn auch die sinnliche Weltder Dinge Ein und dasselbe Organ fuumlr die Existenz und Reali-taumlt des Sinnlichen und Uumlbersinnlichen Aber wie koumlnnte erdieselbe Gewiszligheit von Gott und den sinnlichen Wesen be- 1 gemein uumlberein Korr im Ms2 Im Ms folgt gestr was nicht geleugnet werden kann3 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1284 Pantheist Gegner Korr im Ms

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haupten wenn nicht auch er selber sich zuschulden kommenlieszlige was er dem Pantheisten vorwirft nicht auch ndash freilich aufseine Weise ndash das Unendliche mit dem Endlichen identifiziertePersoumlnlichkeit ist ihm Alles ist ihm allein Sein WahrheitRealitaumlt er macht also ebenso gut wie Spinoza Einen nur sichselbst als Realitaumlt alles Andre nur als Endliches und Negativessetzenden Begriff zur Substanz auch nach ihm ist das Unend-liche denn die Persoumlnlichkeit ist die Bestimmung Gottes nichtdem Wesen nach von 250 dem Endlichen unterschieden denndie reale Bestimmung des Endlichen ist die menschliche Per-soumlnlichkeit Der Unterschied zwischen dem sogenanntenPantheismus besonders dem des Spinoza und den wirklichoder vermeintlich ihm entgegengesetzten Anschauungen be-steht lediglich in der Art und Weise unter welcher das Unend-liche verendlicht wird hauptsaumlchlich darin ob die Idee desGoumlttlichen lediglich in der Beziehung auf sich selbst und dar-um als Objekt der Erkenntnis oder in der Beziehung auf denMenschen sein unmittelbar persoumlnliches Leben und darum alsObjekt des Gemuumlts personifiziert und vergegenstaumlndlicht ob ndashum an beliebte Unterschiede uns zu akkomodieren ndash das Herzoder die Vernunft zu Gott gemacht wird ndash eine Materie derenEroumlrterung ebenso wenig in den Zweck dieses Werkes1 gehoumlrtals die Eroumlrterung der Frage welche Weise der Verendlichungdie der Idee des Unendlichen entsprechendste ist

Es fragt sich nun aber ob es wirklich begruumlndet ist daszlig derPantheismus namentlich der des Spinoza alle wesentlichenUnterschiede in den geschmacklosen Brei einer leeren Identitaumltaufloumlse Die gewoumlhnliche Vorstellung ist dies allerdings DerSatz Alles ist Eins mit allen jenen laumlcherlichen Konsequen-zen die man daraus zieht gilt fuumlr den konsequenten adaumlquatenAusdruck des pantheistischen Systems und jede Unterschei-dung jede Besonderung die der Pantheist mache ja schon seinVersuch den Pantheismus als ein wissenschaftl[]2

1 Im Ms folgt gestr paszlig[t]2 Der Text bricht ab

279

[Zur XI Vorlesung ndash Jacobi zu Spinoza]

2981 Fried[rich] H[einrich] Jacobis Vorbericht zu den Brie-fen uumlber d[ie] Lehre des Spinoza IV B[and] I Abth[eilung]2

bdquoGleich wie Religion den Menschen zum M[enschen] machtund allein ihn uumlber das Tier erhebt so macht sie ihn auch zumPhilosophen Strebt d[ie] Religiositaumlt mit andaumlchtigem Vorsatzden Willen Gottes zu erfuumlllen so strebt d[ie] Religionseinsichtstets sicherer von Gott zu wissen und den Verborgenen zuerkennen Um diese Religion den Mittelpunkt alles geistigenLebens war es meiner Philosophie zu tun nicht um Erwerbungandrer wissenschaft[licher] Erkenntnisse welche auch ohnePhilos[ophie] zu haben sindldquo3 bdquoIch berufe mich auf einunabweisbares unuumlberwindliches Gefuumlhl als ersten und un-mittelbaren Grund aller Philosophie und Religion auf ein Ge-fuumlhl welches den M[enschen] gewahren und inne w[erden]laumlszligt er habe einen Sinn fuumlr das Uumlbersinnliche Diesen Sinn4

nenne ich Vernunft zum Unterschiede von den Sinnen fuumlr diesichtbare Welt Nur w[o] Selbstsein und Persoumlnlichkeit ndash beideEins auch nach Kant ndash vorhanden kann eine solche Berufungund mit ihr Vernunft sich kundgebenldquo5

hellip bdquoWurzel der Philos[ophie] muszlig bleiben Menschl[iche]Erkenntnis gehet aus von Offenbarung die Vernunft naumlmlichoffenbaret Freiheit indem sie Vorsehung offenbaret und alleAumlste der Lehre treiben aus dieser Wurzel hervorldquo6 hellip

299 bdquoWenn die Geschichte der Menschh[eit] eine Religion-geschichte ist warum nicht die innere Geschichte7 jedes ein-zelnen M[enschen] die Geschichte seiner Religion

Wo starke Persoumlnlichkeit hervortritt da w[ird] in ihr unddurch sie die Richtung zum Uumlbersinnlichen und die Uumlberzeu-

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1482 Im Ms am Rande ndash F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des

Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn In FriedrichHeinrich Jacobirsquos Werke 4 Bd 1 Abth Leipzig 1819 S VI-LIV

3 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a aO S XX-XXI

4 Im Ms folgt gestr nahm5 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XXI-XXII6 Ebenda S XXII-XXIII7 innere Geschichte Geschichte innere Ms

280

gung von Gott am entschiedensten zur Sprache gebracht So-krates Christus Feacutenelon beweisen mir mit ihrer Persoumlnlichkeitden Gott welchen ich anbete er ist mir als Schoumlpfer dieserPersoumlnlichkeiten erhabner denn als Urheber des Sternenhim-mels nach Gesetzen innerer Notwendigkeit denen er selbst ins[einen] Werken unterworfen ist Der Gott der Bibel ist erhab-ner als der Gott welcher nur ein Absolutes ist wie sehr mandieses auch schmuumlcke und mit Flitterwerk der Phantasie umge-be

Darum fragt meine Philosophie Wer ist Gott nicht Was ister Alles Was gehoumlrt der Natur anldquo1 bdquoEs gibt keine Vernunftals in Person also weil Vernunft ist so ist ein Gott und nichtbloszlig ein Goumlttlichesldquo2

bdquoNaturdienst ist d[ie] Religion des Heidentums Gottesdienstdie Religion des Christen[tums] Die Tugend ist mit der letz-tern unzertrennlich Eins Wir erfahren daszlig ein Gott ist so oftsich in uns d[as] Gewissen ndash unvertilgbar die freie Persoumlnlich-keit bezeugend ndash uumlbermaumlchtig regt durch ein goumlttl[iches] Le-ben w[ird] der Mensch Gottes inneldquo3

3004 bdquoErkenne dich selbst ist nach d[em] Delphischen Gottund nach Sokrates d[as] houmlchste Gebot und sobald es in An-wendung kommt w[ird] d[er] Mensch gewahr Ohne goumlttlichesDu sei kein menschliches Ich und umgekehrtldquo5

D[er] Glaube bdquoist eine feste Zuversicht zu dem was mannicht sehet Wir sehen nie d[as] Absolute wir glauben es DasNichtabsolute d[as] Bedingte sehen wir und nennen diesesSehen Wissen In dieser Sphaumlre herrscht d[ie] WissenschaftDie Zuversicht zu dem was wir nicht sehen6 ist groumlszliger undgewaltiger als d[ie] Zuversicht zu dem was wir sehenldquo7 bdquoDie wahre Wissenschaft ist der von sich selbst und von Gottzeugende Geist Wie ich von der Objektivitaumlt meiner Gefuumlhledes Wahren Schoumlnen Guten und von einer d[ie] Natur beherr- 1 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XXIII-XXIV2 Ebenda S XXIV-XXV3 Ebenda S XXV4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1495 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XLII6 nicht sehen sehen nicht Ms7 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XLIII

281

schenden Freiheit uumlberzeugt bin so bin ich von dem DaseinGottes uumlberzeugt und so wie diese Gefuumlhle ermatten so er-mattet auch der Glaube an Gottldquo1 ndash bdquoDie Vernunft bejahtwas der Verstand verneint Inzwischen kann der Verstand dieBejahung nicht auf d[ie] Seite bringen ohne daszlig ihm alles ingeistlose Notwen[di]gkeit versinkt Also D[as] Nichts oder einGott Der Verstand wenn er nicht2 geradezu der Vernunft denRuumlcken kehrt hat ein oft miszligratnes Wissen von Gottldquo3

301 bdquoWenn Vernunft nur in Person sein kann und die Welteinen vernuumlnftigen Urheber Allbeweger Regierer haben sollso muszlig dieses Wesen ein persoumlnliches Wesen sein Ein solchesWesen laumlszligt sich nur unter dem Bilde menschl[icher] Vernuumlnf-tigkeit und Persoumlnlichkeit vorstellen ihm muumlssen die Eigen-schaften welche ich im Menschen als die houmlchsten anerkennebeigemessen werden Liebe Selbstbewuszligtsein Verstand freierWilleldquo4 ndash bdquoWenige Menschen erwaumlgen was ihnen Alles mitdem Glauben an einen persoumlnlichen Gott verloren geht Unsresittlichen Uumlberzeugungen gehen alle unter wenn uns das sittli-che Urwesen als ein sittliches d h persoumlnliches Wesen wel-ches das Gute will und wirkt verschwindetldquo5 bdquoD[as] Chri-stentum ist wesentlich anthropomorphistisch es lehrt alleineinen die Welt mit Wissen und Willen erschaffenden Gottd[as] Heidentum ist kosmotheistischldquo6

bdquoEs gibt so gut eine unsichtbare Kirche der Philosophie alseine unsichtbare Kirche des Christentums ndash eine Gemeinschaftder Glaumlubigen D[as] sichtbare Philosophentum wie das sicht-bare Kirchentum will den Verstand abrichten ihm die Wahr-heit erfinden mit Haumlnden greifen lassen will Gott machenEsset und ihr werdet sein wie Gott 3027 Meine Philosophiebekennt sich durchaus zur unsichtbaren Kircheldquo8

1 Ebenda S XLIII2 nicht o Ms3 F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a a

O S XLIV4 Ebenda S XLV-XLVI5 Ebenda S XLVII6 Ebenda S XLVIII-XLIX7 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1508 Vgl F H Jacobi Vorbericht zu Uumlber die Lehre des Spinoza hellip a

a O S LIII

282

Uumlber eine Weissagung Lichtenbergs1

bdquoEin Sein ohne Selbstsein ist durchaus und allgemein un-moumlglich Ein Selbstsein aber ohne Bewuszligtsein und wieder einBewuszligts[ein] ohne Selbstbew[uszligtsein] ohne Substantialitaumltund wenigstens angelegte Persoumlnlichkeit vollkommen ebensounmoumlglichldquo2 ndash bdquoAlso Gott ist nicht ist das Nichtseiende imhoumlchsten Sinne wenn er nicht ein Geist ist und er ist keinGeist wenn ihm die Grundeigenschaft des Geistes d[as]Selbstbewuszligts[ein] Substant[ialitaumlt] und Pers[oumln]lichk[eit]mangelt Ist er aber kein Geist so ist er auch nicht der Anfangder Dinge insofern sie Wirklichkeit und wahres Wesen habendenn d[as] Erste ist notwendig uumlberall wo etwas wahrhaft istder Geist Es ist kein wahres Sein noch Dasein moumlglich auszligerim Geiste und durch einen Geistldquo3

Jacobi an Fichte [1]7994

bdquoAlle M[enschen] insofern sie uumlberhaupt nach Erkenntnisstreben setzen sich ohne es zu wissen jene reine Philosophiezum letzten Ziele denn d[er] Mensch erkennt nur indem erbegreift und er begreift nur indem er ndash Sache und bloszlige Ge-stalt verwandelnd 303 ndash Gestalt zur Sache Sache zu Nichtsmacht5

bdquoWir begreifen eine Sache nur insofern wir sie konstruierenin Gedanken vor uns entstehen werden lassen koumlnnen Insofernwir sie nicht konstruieren in Gedanken nicht selbst hervor-bringen koumlnnen begreifen wir sie nicht

Wenn daher ein Wesen ein von uns vollstaumlndig begriffenerGegenstand w[erden] soll so muumlssen wir es objektiv ndash als fuumlrsich bestehend ndash in Gedanken aufheben vernichten um esdurchaus subjektiv [unser]6 eignes Geschoumlpf ndash ein bloszligesSchema ndash werden zu lassen Es darf nichts in ihm bleiben undeinen wesentlichen Teil seines Begriffs ausmachen was nicht

1 Am Rande r o S 240 III B[and] [F H Jacobi Uumlber eine Weis-

sagung Lichtenbergs In Friedrich Heinrich Jacobirsquos Werke 3Bd Leipzig 1816 S 240]

2 Ebenda S 2403 Ebenda S 2404 Im Ms am Rande ndash F H Jacobi Jacobi an Fichte Hamburg 17995 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 206 [unser] [so auch bei Jacobi] im Ms unleserl Wort

283

unsere Handlung jetzt eine bloszlige Darstellung unsrer produkti-ven Einbildungskraft waumlreldquo1

bdquoAller2 Reflexion liegt Abstraktion dergestalt zum Grundedaszlig Reflexion nur durch Abstraktion moumlglich w[ird] Umge-kehrt verhaumllt es sich ebenso Beide sind unzertrennlich und imGrunde Eins eine Handlung des Aufloumlsens alles Wesens imWissen3 progressive Vernichtung (auf dem Wege der Wissen-schaft) durch immer allgemeinere Begriffe Was nun auf dieseWeise involvierend vernichtet w[urde] kann evolvierend auchwieder hergestellt w[erden] Vernichtend lernte ich erschaffenDadurch naumlmlich daszlig ich aufloumlsend zergliedernd zum Nichts-Auszliger-Ich gelangte zeigte sich mir daszlig 3044 Alles Nichtswar auszliger meiner nur auf eine gewisse Weise eingeschraumlnk-ten freien Einbildungskraft Aus dieser Einbi[ldun]gskraftkann ich dann auch wieder hervorgehen lassen alleintaumltig alleWesen wie sie waren ehe ich sie als fuumlr sich bestehend fuumlrNichts erkannteldquo5

bdquoIch6 verstehe unter dem Wahren etwas was vor und auszligerdem Wissen ist was dem Wissen und dem Vermoumlgen des Wis-sens der Vernunft erst einen Wert gibt Vernehmen setzt einVernehmbares Vernunft das Wahre zum voraus Sie ist d[as]Vermoumlgen der Voraussetzung des Wahren Eine das Wahrenicht voraussetzende Vernunft ist ein Unding Mit se[iner]Vernunft ist dem M[enschen] nicht das Vermoumlgen einer Wis-senschaft des Wahren sondern nur d[as] Gefuumlhl und Be-wuszligt[sein] seiner Unwissenheit desselben Ahndung des Wah-ren gegebenldquo7

bdquoDarum ist denn auch meine und meiner Vernunft Losungnicht Ich sondern Mehr als Ich Besser als ich ndash ein ganzAnderer ndash Ich bin nicht und ich mag nicht sein wenn Er nicht

1 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 212 Am Rande S 233 Im Ms folgt gestr prog[ressive]4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1515 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 236 Am Rande S 327 F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 32

284

ist - Ich selbst wahrlich kann mein houmlchstes Wesen mir nichtsein So lehrt mich meine Vernunft instinktmaumlszligig Gottldquo1

bdquoUumlber2 sich selbst erhebt den Menschen doch nur sein Herzwelches das eigentliche Vermoumlgen der Ideen ndash der nicht leerenistldquo3

1 Vgl ebenda S 352 Am Rande [S] 413 Vgl F H Jacobi Jacobi an Fichte In Friedrich Heinrich Jacobirsquos

Werke a a O S 41

285

[Zur XI Vorlesung ndash Mechanismus]

3061 bdquoIch verstehe unter Mechanismus jede Verkettung vonbloszlig wirkenden Ursachen welche eo ipso eine notwendige2

Verkettung ndash so wie eine notwendige Verkettung insofern sienotwendig eo ipso eine mechanische istldquo3

bdquoEine nicht mechanische Verkettung ist eine Verkettungnach Absichten oder vorgesetzten Zwecken Sie schlieszligt diewirkenden Ursachen folglich auch Mechanism[us] und Not-wendigkeit nicht aus sondern hat allein zum wesentlichenUnterschiede daszlig bei ihr das Resultat des Mechanismus alsBegriff4 vorhergeht und die mechanische Verknuumlpfung durchden Begriff und nicht wie im andern Fall der Begriff im Me-chanismus gegeben w[ird] Dieses System w[ird] das Systemder Endursache oder der vernuumlnftig[en] Freiheit genannt Jenesdas System der bloszlig wirkenden Ursache oder der Naturnot-wendigkeit Ein drittes ist nicht moumlglich wenn man nicht zweiUrwesen anneh[men] willldquo5

1 Am Rande r o Jacobi Beilage V zu Brief [] [F H Jacobi Bey-

lage V zu den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza In FriedrichHeinrich Jacobirsquos Werke Bd 4 Abth 2 Leipzig 1819 S 81-96]und Verweis auf Paginierung S 183

2 Im Ms folgt gestr Verknuumlpfung3 F H Jacobi Beylage V zu den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza

a a O S 934 Im Ms folgt gestr fuumlr5 F H Jacobi Beylage V zu den Briefen uumlber die Lehre des Spinoza

a a O S 94-95

286

[Zur XndashXI Vorlesung ndash Exzerpte aus Jacobi]1

3072 Die Bedingung der Moumlglichkeit des Daseins einersukzessiven Welt (in Beziehung auf Spinoza auf die ewige []Schoumlpfung der Scholastiker) liegt auszliger dem Gebiete der Be-griffe der Vernunft naumlml[ich] auszliger d[em] Zus[ammen]hangbedingter Wesen d i der Natur Sie sucht also wenn sie jenerBedingung nachforscht das Auszligernatuumlrliche oder Uumlbernatuumlrli-che in ein Natuumlrliches oder auch das Natuumlrliche in ein Uumlber-natuumlrliches zu verwandeln Indem sie auf diese Weise auszligerihrem Berufe taumltig ist kann sie um keinen Schritt ihrem Zwek-ke naumlherkommen sondern immer nur Bedingungen des Be-dingten Naturgesetze Mechanismus3 zutage bring[en]1

1 Am Rande Friedr[ich] H[einrich] Jacobi Beilagen zu den Briefen

uumlber d[ie] Lehre d[es] Spinoza Beilage VII Jac[obi] Werke IVB[and] II Abtheil[ung] 1819 [F H Jacobi Beylage VII zu denBriefen uumlber die Lehre des Spinoza In Friedrich Heinrich JacobirsquosWerke 4 Bd 2 Abth Leipzig 1819 S 125-162]

2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1543 Anm[erkung] bdquoWir begreifen eine Sache wenn wir sie aus ihren

naumlchsten Ursachen herleiten koumlnnen oder ihre unmittelb[aren] Be-dingungen der Reihe nach einsehen was wir auf diese Weise einse-hen oder herleiten koumlnnen stellt uns einen mechan[ischen]Zus[ammen]hang dar So begreifen wir z B einen Zirkel wenn wiruns den Mechanismus s[einer] Entstehung oder s[eine] Physikdeutlich vorzustellen wissen d[ie] syllogist[ischen] Formeln wennwir d[ie] Gesetze welchen der menschl[iche] Verstand im Urteilenund Schlieszligen unterworfen ist s[eine] Physik s[einen] Mecha-nism[us] wirklich erkannt haben oder den Satz des zureichendenGrundes wenn uns d[as] Werden die Konstruktion eines Begriffsuumlberhaupt s[eine] Physik s[ein] Mechanism[us] einleuchtet D[ie]Konstruktion d[es] Begriffs uumlberhaupt ist das a priori aller Kon-strukti[onen] und d[ie] Einsicht in s[eine] Konstrukt[ion] gibt unszugleich auf das gewisseste zu erkennen daszlig wir unmoumlglich begrei-fen koumlnnen was wir zu konstruieren nicht [nicht o Ms] imstandesind 308 Darum haben wir von Qualitaumlten als solchen keine Be-griffe sondern nur Anschauungen oder Gefuumlhle Selbst von unse-rem eigenen Dasein haben wir nur ein Gefuumlhl aber keinen BegriffEigentliche Begriffe haben wir nur von Figur Zahl Lage Bewe-gung und den Formen des Denkens Wenn wir sagen das wir eineQualitaumlt erforscht haben so sagen wir damit nichts andres als [ImMs folgt gestr daszlig] wir haben sie auf Figur Zahl Lage und Bewe-gung zuruumlckgefuumlhrt und darin aufgeloumlst also wir haben die Quali-

287

bdquoIhr Geschaumlft uumlberhaupt ist progressive Verknuumlpfung und ihrspekulat[ives] Geschaumlft Verknuumlpfung nach erkannten Gesetzender Notwendigkeit d i des Identischen denn von einer andernNotwendigkeit als dieser welche die Vernunft selbst mit Huumllfedes bei ihren Progressionen unentbehrlichen Absonderns undWiedervereinigens durch abwechselndes Halten und Lassenerschafft und in identischen Saumltzen darstellt hat sie keinenBegriffldquo2 bdquoAlles was die Vernunft durch Zergliedern Ver-knuumlpfen Urteilen Schlieszligen und Wiederbegreifen herausbrin-gen kann sind lauter Dinge der Natur und die menschlicheVernunft selbst gehoumlrt als eingeschraumlnktes Wesen mit zudiesen Dingen Die gesamte Natur aber der Inbegriff allerbedingten Wesen kann dem forschenden Verstande mehr nichtoffenbaren als was in ihr enthalten ist naumlmlich mannigfaltigesDasein Veraumlnderungen Formenspiel nie einen wirklichenAnfang nie ein reelles Prinzip 309 irgendeines objektivenDaseinsldquo3

(S 152)4

bdquoIch nehme den ganzen Menschen5 ohne ihn zu teilen undfinde daszlig sein Bewuszligtsein aus zwei urspruumlngl[ichen] Vorstel-lungen der Vorstellung des Bedingten und des Unbedingtenzus[ammen]gesetzt ist Beide sind unzertrennlich miteinanderverknuumlpft doch so daszlig die Vorstellung des Bedingten dieVorstellung des Unbedingten voraussetzt und mit dieser nurgegeben w[erden] kann Wir brauchen also d[as] Unbedingtenicht erst zu suchen sondern haben von seinem Dasein diesel-be ja eine noch groumlszligere Gewiszligheit als wir von unserem eige-nen bedingten Dasein haben

Da unser bedingtes Dasein auf einer Unendlichkeit von Ver-mittlungen beruht so ist damit unserer Nachforschung einunabsehliches Feld eroumlffnet welches wir schon um unsrerphys[ischen] Erhaltung willen zu bearbeiten genoumltigt sind Allediese Nachforschungen haben die Entdeckung dessen was dasDasein der Dinge vermittelt zum Gegenstande Diejenigen

taumlt objektiv vernichtetldquo [F H Jacobi Beylage VII a a O S149-150 Auch bei Jacobi als Anmerkung]

1 Vgl ebenda S 148-1492 Ebenda S 1503 Ebenda S 1514 Ebenda S 1525 Im Ms folgt gestr wie er ist

288

Dinge wovon wir das Vermittelnde eingesehen d i derenMechanismus wir entdeckt haben die koumlnnen wir wenn jeneMittel in unsern Haumlnden sind auch hervorbringen Was wir aufdiese Weise wenigstens in der Vorstellung konstruieren koumln-nen das begreifen wir und was wir nicht konstuieren koumlnnendas begreifen wir nichtldquo1 bdquoWenn alles was auf eine unsbegreifliche Weise entstehen und vorhanden sein soll auf einebedingte Weise entstehen und vorhanden sein muszlig so bleibenwir solange wir begreifen in einer Kette bedingter Bedingun-gen Wo diese Kette aufhoumlrt da houmlren wir auf zu begreifen310 und da houmlrt auch der Zus[ammen]hang den wir Naturnennen selbst auf Der Begriff der Moumlglichkeit des Daseinsder Natur waumlre also der Begriff eines absoluten Anfangs oderUrsprungs der Natur er waumlre der Begriff des Unbedingtenselbst insofern es die nicht natuumlrlich verknuumlpfte d i fuumlr unsunverknuumlpfte ndash unbedingte Bedingung der Natur ist Soll nunein Begriff dieses Unbedingten und Unverknuumlpften ndash folglichAuszligernatuumlrlichen moumlglich w[erden] so muszlig das Unbedingteaufhoumlren d[as] Unbedingte zu sein es muszlig selbst Bedingungenerhalten und das absolut Notwendige muszlig anfangen das Moumlg-liche zu w[erden] damit es sich konstruieren lasseldquo2

Da hellip bdquodas Unbedingte auszliger der Natur und auszliger allemnatuumlrlichen Zus[ammen]hange mit derselben liegt die Naturaber d i der Inbegriff des Bedingten dennoch im Unbeding-ten3 gegruumlndet folglich mit ihm verknuumlpft ist So w[ird] diesesUnbedingte das Uumlbernatuumlrliche genannt und kann nicht andersgenannt w[erden] Aus diesem Uumlbernatuumlrlichen kann denn auchdas Natuumlrliche oder das Weltall nicht anders als auf eineuumlbernatuumlrliche Weise hervorgehen und hervorgegangen sein

Und ferner Da alles was auszliger dem Zus[ammen]hange desBedingten des natuumlrlich vermittelten liegt auch auszliger derSphaumlre unserer deutlichen Erkenntnis liegt und durch Begriffenicht verstanden w[erden] kann So kann das Uumlbernatuumlrlicheauf keine andere Weise von uns angenommen w[erden] als esuns gegeben ist naumlmlich als Tatsache Es ist 3114 DiesesUumlbernatuumlrliche dieses Wesen aller Wesen nennen alle Zun-gen den Gott 1 F H Jacobi Beylage VII a a O S 152-1532 Ebenda S 154-1553 Im Ms folgt gestr unleserl Wort4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 156

289

Der Gott des Weltalls kann nicht bloszlig der Baumeister desWeltalls sein er ist Schoumlpfer und s[eine] unbedingte Kraft hatdie Dinge auch der Substanz nach gewirkt Haumltte er die Dingenicht auch der Substanz nach gewirkt so muumlssen zwei Urhebersein1 die man weiszlig nicht wie miteinander in Verbindunggeraten waumlrenldquo2

bdquoDer Kern der Kantischen Philosophieldquo (Von goumlttl[ichen]Dingen und ihrer Offenb[arung] S 351)3 bdquoist die von ihremtiefdenkenden Urheber zur vollkommensten Evidenz gebrachteWahrheit daszlig wir einen Gegenstand nur insoweit begreifenals wir ihn in Gedanken vor uns werden lassen ihn im Ver-stande4 zu erschaffen moumlgen Nun vermoumlgen wir auf keineWeise sowenig in Gedanken als wirklich auszliger uns Substan-zen zu erschaffen sondern wir vermoumlgen nur auszliger uns Be-wegungen und Zusammensetzungen von Bewegungen dadurchGestalten in uns aber nur sich auf Wahrnehmungen durch denaumluszligern oder innern Sinn beziehende Begriffe und Zus[am-men]setzungen v[on] Begriffen hervorzubringen Woraus dennfolgt das es nur zwei Wiss[en]schaften im eigentlichen undstrengen Verstande Mathematik und allgemeine Logik gebenkann und daszlig alle andern Erkenntnisse nur in dem Maszlige wis-senschaftliche Eigenschaft erwerben 312 als sich ihre Gegen-staumlnde durch eine Art von Transsubstantiation in mathemati-sche und logische Wesen verwandeln lassen

Offenbar laumlszligt eine solche Verwandlung und Transsubstantia-tion sich nicht vollbringen mit den eigentlichen Gegenstaumlndender5 Metaphysik Gott Freiheit und Unsterblichkeit Diese dreiIdeen liegen ganz auszligerhalb dem Kreise jener zweiWiss[en]schaften und koumlnnen aus ihren Mitteln schlechterdingsnicht realisiert w[erden] d h es laumlszligt sich daszlig diesen dreiIdeen Wirklichkeit entspreche aus den Prinzipien der Ma-them[atik] und allgemeinen Logik ebensowenig dartun als sichdiese Wirklichkeit unmittelbar vor Augen stellen mit den Sin-nen aumluszligerlich erfahren laumlszligtldquo6

1 Im Ms folgt so muumlssen zwei Urheber sein2 F H Jacobi Beylage VII a a O S 155-1563 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen und ihrer Offenbarung In

Friedrich Heinrich Jacobirsquos Werke 3 Bd Leipzig 1816 S 3514 Im Ms folgt gestr vor5 Im Ms folgt gestr Mathematik6 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 351-352

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Lange vor Kant zu Anfange des 18 Jahrh[underts] schriebJoh Bapt Vico zu Neapel ( Joh Bapt a Vico Neapoli regeloq Professor de antiquissima Italorum sapientia ex linguaelatinae originibus eruenda lib tres Neap 1710) Geometricaideo demonstramus quia facimus Physica si demonstrarepossemus faceremus hinc impiae curiositatis notandi quiDeum a priori probare student Metaphysici veri claritas eademac lucis quam non nisi per opaca cognoscimus nam nonlucem sed lucidas res videmus Physica sunt opaca nempeformata et finita in quibus metaphysici veri lumen videmus[In der Geometrie deshalb beweisen weil wir hier hervorbrin-gend taumltig sind wenn wir in diesem Sinne auch in der Naturer-kenntnis beweisen koumlnnten muumlszligten wir auch hier in diesemSinne hervorbringend taumltig sein Daher sind hier eines ganzunfrommen Forschergeistes diejenigen zu bezichtigen dieeinen apriorischen Gottesbeweis fuumlhren wollen Die Klarheitdes metaphysisch Wahren und des Lichtes das wir auch nur imMedium des Schattenhaften erkennen Naumlmlich nicht das Lichtsondern die leuchtenden Dinge sehen wir Die Naturdinge sinddunkel naumlmlich geformt und somit begrenzt und in dieserihrer Geformtheit und Begrenztheit werden wir des Lichtes desmetaphysischen Wahren ansichtig]1 3132 Pascal Ce quipasse la Geacuteomeacutetrie nous surpasse [Denn was uumlber die Mathe-matik geht uumlbersteigt uns] (Penseacutees de Pasc[al] Part I Art IIReflex[ions] sur la Geacuteomeacutet[rie] en geacuteneacuteral Ed d 1779)3 Vglauch Kaumlstner (Eberhards phil Magaz[in] 2 Bd 4 St S 402)4

bdquoAllemal5 und notwendig ist der Beweisgrund uumlber dem wasdurch ihn bewiesen werden soll er begreift es unter sich aus 1 Vgl G Vico De antiquissima Italorum sapientia ex linguae Latinae

originibus eruenda liber primus Metaphysicus Neapoli 1710 S51-52 [Uumlbersetzung nach G Vico Liber metaphysicus De anti-quissima Italorum sapienta liber primis 1710 Muumlnchen 1979 S69]

2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1573 B Pascal Penseacutees In Œuvres de Blaise Pascal T 2 La Haye

1779 Art II Reacuteflexions sur la Geacuteomeacutetrie en Geacuteneacuteral S 134 Vgl A G Kaumlstner Was heiszligt in Euklids Geometrie moumlglich In

Philosophisches Magazin hrsg V J A Eberhard 2 Bd 4 StHalle 1790 S 402 ndash Vgl F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 352-353

5 Am Rande Uumlber den Beweis (V[on] goumlttl[ichen] Dingen bei Gele-genheit []) [F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O]

291

ihm flieszligen Wahrheit und Gewiszligheit auf das zu beweisendeerst herab es traumlgt seine Realitaumlt von ihm zu Lehnldquo1 bdquoWennd[as] Dasein eines lebendigen Gottes sollte bewiesen w[erden]koumlnnen so muumlszligte Gott selbst sich aus etwas dessen wir uns alsseines Grundes bewuszligt w[erden] koumlnnten das also vor2 unduumlber ihm waumlre dartun ableiten als aus seinem Prinzip evolvie-ren lassenldquo3 ndash

bdquoEs4 kann nur zwei Hauptklassen v[on] Philos[ophen] gebensolche welche das Vollkommnere aus dem Unvollkommnerenhervorgehen und sich allmaumlhlich entwickeln lassen und solchewelche behaupten das Vollkommenste sei zuerst und mit ihmund aus ihm beginne alles oder es gehe nicht voraus als An-beginn eine Natur d[er] Dinge sondern es gehe voraus und essei der Anbeginn 314 von allem ein sittliches Principium einemit Weisheit wollende und wirkende Intelligenz ndash ein SchoumlpferGott

Die Lehre der einen dieser zwei Hauptklassen ist der Lehreder andern dergestalt entgegengesetzt daszlig keine Annaumlherungzwischen beiden noch weniger eine Vereinigung derselben zueiner dritten in welcher sie sich ausglichen oder indifferen-zierten moumlglich ist ndash Es gilt die Entscheidung der Frage obam Anfang war die Tat und nicht der Wille oder ob am An-fang w[ar] der Wille und erst nach ihm wurde als seine Folgedie Tatldquo5 bdquoSoll angenommen w[erden] mit Spinoza daszlig derWille die Tat nur begleite so daszlig diese jenen verursache leiteund regiere oder soll angenommen w[erden] mit Platon dasgerade Entgegengesetzteldquo6 (Tim 304 305 Vol IX ed Bipde legib p 92 Definit ibid 287 Vol XI)7

1 Ebenda S 3672 Im Ms folgt gestr ihm3 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 3684 Am Rande von goumlttl[ichen] Dingen 382 [F H Jacobi Von den

goumlttlichen Dingen a a O S 382]5 Ebenda S 382-3836 Ebenda S 3837 Vgl Ebenda S 383 [Fuszlignote bei Jacobi] ndash Platon Timaeus Sive

De Natura vel De Universitate In Platonis Philosophi QuaeExstant Vol IX Biponti 1786 S 304-305 Platon De LegibusIn Platonis Philosophi a a O S 91-92 Platon Definitionis In Platonis Philosophi Vol XI Biponti 1787 p 44 S 287

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bdquoWille setzt Verstand voraus Einsicht und Absicht Einewillenlose unvorhergesetzte Handlung ist eine blinde Hand-lung es moumlge sich Bewuszligts[ein] dazugesellen oder nicht

D[ie] Frage stellt sich so Besteht d[as] Weltall durch eineninnern in sich beschlossenen selbst[aumlndigen] Mechanism[us]und hat es auszliger sich weder Ursache noch Zweck oder ist esum des Guten und des Schoumlnen willen vorhanden das Werkeiner Vorsehung die Schoumlpfung eines Gottes

3151 Die letztere bejaht die bloszlig gesunde sich selbst nochunbedingt vertrauende Vernunft Es war daher diese Meinungdie aumlltere und der Theismus als Glaube ging dem Natura-lism[us] als Philosophie voraus Dieser d[er] Naturalism[us]entstand zugleich mit der2 Wissenschaft er begann so wiediese sich zu entwickeln anfing und wurde (etc ) die erstePhilosophieldquo3

bdquoSollte je die Wissens[chaft] vollkommen w[erden] ein ausEinem Prinzip abgeleitetes in sich vollendetes alles Erkennba-re umfassendes System ndash so muumlszligte der Naturalism[us] zugleichmit ihr s[eine] Vollkommenh[eit] erhalten Alles muumlszligte erfun-den w[erden] als nur Eines und aus diesem Einen nun allesbegriffen alles verstanden w[erden] koumlnnen

Es ist demnach d[as] Interesse d[er] Wissenschaft daszlig keinGott sei kein uumlbernatuumlrl[iches] auszligerweltl[iches] supramun-danes Wesen Nur unter dieser Bedingung naumlmlich daszlig alleinNatur diese also selbstaumlndig und alles in allem sei ndash kann dieW[issen]schaft ihr Ziel der Vollkommenheit erreichen kannsie ihrem Gegenstande gleich und selbst alles in allem zuw[erden] sich schmeicheln

316 Selbstaumlndigkeit der Natur setzt als wissenschaftl[icher]Naturforscher auch d[er] Theist4 insofern und dergestalt vor-aus daszlig er sich streng untersagt irgend etwas in der Naturanders als aus ihr selbst verstehen und erklaumlren zu wollen Erzumal erkennt an als Gesetz der Wissenschaft daszlig sie vonGott nicht duumlrfe wissen wollen uumlberhaupt von keinem Uumlber-

1 Am Rande r o 5 Jac[obi] v[on] d[en] goumlttl[ichen] Dingen [F H

Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis auf Pagi-nierung S 158

2 Im Ms folgt gestr Philos[ophie]3 Vgl F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 383-

3844 Im Ms folgt gestr voraus

293

natuumlrlichen weil sie gleich der Natur deren Reflex sie istnotwendig da aufhoumlrt wo dieses beginnt1 Mit Recht aber for-dert er ein Gleiches von dem Naturalisten der dogmatischbehauptet Alles sei Natur und auszliger und uumlber der Natur seinichts ndash er fordert naumlmlich von ihm daszlig er sich gewissenhaftenthalte dem Theismus abgeborgte2 Ausdruumlcke bei d[em]Vortrag s[einer] Lehre zu gebrauch[en]ldquo3 etc

bdquo d[as] Schoumlpferwort des naturalist[ischen] Gottes welcheser von Ewigk[eit] zu Ew[igkeit] ausspricht ist Es werdeNichts Er ruft hervor aus dem Sein das Nichtsein wie der Gottdes Theismus aus dem Nichtsein hervorruft d[as] Seinldquo4

Die hervorbringende Ursache (d[as] naturalist[ische] [hellip])3175 bringt in Wahrheit nichts hervor sondern macht sichewig nur eine Veraumlnderung mit sich selbst d h sie gebiertewig nur die Zeit Diese zu erzeugen in einem ununterbrochnenWechsel das ist all ihr Leben und ihres ganzen Lebens Inhaltnur damit sie lebe tut sie alles was sie tut sie hat keinen houml-hern Zweck k[einen] Lebensinhalt6

bdquoWir fanden auf d[em] Grunde den Ungedanken einer Iden-titaumlt (eines idem esse) des Seins und Nichtseins welche Iden-tit[aumlt] aber sein sollte nicht d[ie] Identitaumlt des offenb[aren]Nichts sondern die Identit[aumlt] des Unbedingten und Bedingtender Notw[endigkeit] und der Freiheit in Wahrheit die Identitaumltndash der Vernunft und d[er] Unvernunft des Guten und Boumlsendes Dinges und Undingsldquo7 ndash bdquo denn allein auf jenem Gegen-satze und unvertilgbarem Dualismus des Uumlbernatuumlrl[ichen]und Natuumlrl[ichen] d[er] Freiheit und Notw[endigkeit] einer 1 Am Rande Anm[erkung] Wohl gibt es ein Wissen von dem Uumlber-

natuumlrlichen von Gott und goumlttl[ichen] Dingen und zwar ist diesesWissen das Gewisseste im menschlichen Geiste ein absolutes ausder menschl[ichen] Vernunft unmittelbar entspringendes Wissenaber zu einer Wissenschaft kann dieses Wissen sich nicht [nicht oMs] gestalten [F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a OS 385 Auch bei Jacobi als Anmerkung]

2 Im Ms folgt gestr Saumltze3 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 384-3864 Ebenda S 3925 Am Rande r o 6 von d[en] goumlttl[ichen] Dingen [F H Jacobi Von

den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis auf Paginierung S159

6 Vgl F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 3937 Ebenda S 394

294

Vorsehung und des blinden Schicksals oder Ungefaumlhrs1 beru-het d[ie] menschliche Vernunft sie gehet aus diesen Gegensaumlt-zen die miteinander nur Einen und denselben Gegensatz aus-machen hervor so 318 daszlig mit der Realitaumlt Objektivitaumlt undvollkommenen Wahrhaftigkeit dieses Urgegensatzes des Na-tuumlrl[ichen] und Uumlbernatuumlrlich[en] oder der Notwendigkeit undFreiheit oder einer Vorsehung und des blinden Schicksals dieRealitaumlt der Vernunft selbst ihre Wahrhaftigkeit und Wuumlrdeverlorengehen und der Mensch alsdann mit ihr und durch sievon dem vernunftlosen Tiere nichts als Irrtum und Luumlge zumVoraus fuumlr sich haben wuumlrdeldquo2

bdquoDer Mensch unstreitig dem Natur- und Tierreich angehoumlriggehoumlrt ebenso unstreitig auch dem Geisterreiche an und istnach einem allgem[ein] bekannten treffenden Ausdruck einBuumlrger zweier verschiedener wunderbar aufeinander sich be-ziehender Welten einer sichtbaren und unsicht[baren] einersinnlich[en] und einer uumlbersinnl[ichen]ldquo3

bdquoDer im Menschen uumlber d[ie] Natur sich erhebende Geist istaber keineswegs ein der Natur widerwaumlrtiger und ihr feindli-cher Geist er will nicht scheiden den M[enschen] von demM[enschen] Eine solche Scheidung wuumlrde Vernichtung seinAlles was ist 4 auszliger Gott gehoumlrt der Natur an und kann nurim Zus[ammen]hang mit ihr bestehen denn alles auszliger Gott istendlich die Natur aber ist der Inbegriff des Endlichen DieNatur vernichten wollen wuumlrde demnach so viel heiszligen als dieSchoumlpfung vernichten wollenldquo5

bdquoGott selbst schuf den Menschen und gab ihm unmittelbar

aus s[einem] Geiste den Geist Das ist der Mensch daszlig in ihmist der Atem Gottes des Allmaumlchtigen des Urhebers der Naturdes Beginnenden des absolut Unabhaumlngigen und Freien

1 Am Rande (Anm[erkung] bdquoD[as] Ungefaumlhr ist d[as] Entgegenge-

setzte der Absicht nicht d[er] Notwendigkeitldquo) [F H Jacobi Vonden goumlttlichen Dingen a a O S 394 Auch bei Jacobi als An-merkung]

2 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 394-3953 Ebenda S 3984 Am Rande r o 7 Jac[obi] v[on] d[en] goumlttl[ichen] Dingen etc [F

H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis aufPaginierung S 160

5 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 398-399

295

Geistesbewuszligtsein heiszliget Vernunft Der Geist aber kann nursein unmittelbar aus Gott Darum ist Vernunft haben und vonGott wissen Eins so wie es Eins ist von Gott nicht wissen undTier seinldquo1

bdquoAlso wie der Mensch sich selbst erkennt als ein freies dh als ein durch Vernunft uumlber die Natur erhabenes Wesen alsein Wesen dem geboten ist zu schaffen das Gute und Schoumlnenach einem ihm inwohnenden Urbilde wie er dergestalt sichselbst erkennt so erkennt er auch daszlig uumlber der Natur und uumlberihm selbst sein muszlig ein allerhoumlchstes Wesen Gott2 Und wieer sich nicht erkennt 319 als ein freies durch s[einen] Geistvon der Natur unabhaumlngiges Wesen so erkennt er auch Gottnicht sondern erblickt uumlberall bloszlig Natur

Natur ist die Macht die im Weltall alle Teile auszliger einanderund zugleich in Verbindung erhaumllt Trennung und Verbindungsetzen sich in ihr gegenseitig voraus und in einer Mitte zu seinist das Wesen aller Naturwesen Daher Raum und Zeit undjene ununterbrechbare Verkettung von Allem mit Allem derGrund und Abgrund menschl[icher] W[issen]schaft und Er-kenntnis mit ihr[er] unendl[ichen] Fuumllle und unendl[ichen]Leerheit Was in der Natur erfolgt erfolgt nach dem Gesetzedes Zus[ammen]hangs aller ihrer sich gegenseitig vorausset-zenden Teile d h auf eine durchaus notw[endige] bloszlig me-chan[ische] Weise3 Von sich selbst uumlbt sie weder Weisheitnoch Guumlte aus sondern uumlberall nur Gewalt sie ist was ohneFreiheit ohne Wissen und Willen wirkt in ihr herrscht alleind[as] Gesetz der Staumlrke Wo aber Guumlte und Weisheit mangelnund nur d[as] Gesetz der Staumlrke4 waltet da ist sagt ein alterSpruch keine wahre Erhabenheit da ist keine Majestaumlt bdquoSinebonitate nulla majestasldquo 1 Ebenda S 4002 Am Rande bdquoWer das Genie der Liebe und d[er] Tugend hat der

glaubt notw[endig] an Gott an Vorsehung an Unsterblichkeitldquo Zu-faumlllige Ergieszlig[ungen] eines einsamen Denkers II Jacobi I B[and][F H Jacobi Zufaumlllige Ergieszligungen eines einsamen Denkers IIAn Ernestine In Friedrich Heinrich Jacobis Werke Bd 1 AllwillsBriefsammlung Leipzig 1812 S 296]

3 Am Rande (Anm[erkung] Der lebendige von Innen heraus sichentwickelnde Mechanismus w[ird] Organismus genannt) [F H Ja-cobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 402 Auch bei Jacobials Fuszlignote]

4 Im Ms folgt gestr mangelt

296

3201 Weil die im Weltall sich darstellende und mit ihmidentische Natur lauter Anfang und Ende ohne Anfang undEnde in diesem Sinne also offenbar ein negatives Unendlichesist so ist es unmoumlglich sie in ihr selbst zu ergruumlnden sie ausihr selbst zu erklaumlren unmoumlglich ihr Ur- und Anbeginnen ausihr selbst zu erforschen und hervorzuholen dergestalt daszlig ihrSein und Wesen sich als ein durchaus selbstaumlndiges Sein undWesen ja als das absolut alleinige Wesen welches alles inAllem und auszliger welchem nichts sei unwidersprechlich of-fenbarte

Aber ebenso unmoumlglich ist es auch das Gegenteil darzutundaszlig naumlmlich die Natur ein Werk und nicht2 Gott daszlig sie nichtSchoumlpfer und Geschoumlpf zugleich nicht in Wahrheit d[as] allei-nige Wesen seildquo3

bdquoDaszlig alles Werden notw[endig] voraussetze ein Sein oderSeiendes welches nicht gew[orden] ist alles Veraumlnderlicheund somit Zeitliche ein Unveraumlnderliches Ewiges alles Be-dingte zuletzt ein nicht4 bedingtes Absolutes Diese Wahrheitw[ird] als eine unmittelb[are] Voraussetzung der Vernunft oderals eine positive Offenbarung durch dieselbe von allen Philo-so[phen] einstimmig anerkannt und sie trennen sich nur uumlberder Frage 321 ob dieses Absolute ein Grund oder ob es eineUrsache sei Daszlig es Grund sei und nicht Ursache behauptetd[er] Natur[alismus] daszlig es Ursache sei und nicht Grund derTheismus

Es ist aber die Voraussetzung eines Absoluten oder Unbe-dingten vor allem Bedingten und die Erkenntnis daszlig diesesnicht sein koumlnne ohne jenes so wie eine in jedem vernuumlnf-tig[en] Bewuszligts[ein] notw[endige] Voraussetzung und ihmwesentlich inwohnende Erkenntnis so auch und zugleich einedem menschl[ichen] Verstande durchaus unbegreifliche Vor-aussetzung und Erkenntnis

Die Voraussetzung des Unbedingten ist eine unbegreifl[iche]Voraussetzung deswegen weil sie eine Beziehung alles Be-dingten auf ein Unbedingtes zwar apodiktisch behauptet den

1 Am Rande r o 8 Jacobi v[on] d[en] g[oumlttlichen] D[ingen] idem etc

[F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O] ndash Verweis aufPaginierung S 161

2 Im Ms folgt gestr ein3 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 401-4034 nicht o Ms

297

wirkl[ichen] Zus[ammen]hang zwischen beiden aber keines-wegs offenbartldquo1

Versuch zu erklaumlrenbdquoDieser allein seiende Gott aber der erworben wuumlrde durch

die Vertilgung d[es] Zeitlichen d i alles endl[ichen] Daseinsund Wirkens d[er] erblickt wuumlrde allein mittelst eines absolu-ten Hinwegsehens vom Gesetze der Erzeugung dieser Gott daer keine Natur keine Welt auszliger sich uumlberall nichts wahrhafthervorbraumlchte uumlberhaupt und durchaus nicht Ursache waumlreldquo2

1 F H Jacobi Von den goumlttlichen Dingen a a O S 403-4052 Ebenda S 407 ndash Der Text bricht ab

298

[Zur XIndashXIV Vorlesung ndash Vernunft und Glaube]

1 Sein Leben war die Natur sein bezeichnendster Ausspruchist Gebt dem Glauben was des Glaubens ist2 nachgemachtdem Ausspruch Christi Gebt dem Kaiser was des Kaisers istund Gott was Gottes ist3 Aber so wie dieser Ausspruch Christi 1 Am Rande r o L[eibniz] bemerkt selbst in s[einer] Praefat[io]

[Vorrede] zur Theod[icee] daszlig s[ein] System nicht neu sei sondern[] an das des Zoroaster der aus dem Mithras nicht nur das Lichtsondern auch die Finsternis d i die Grenzen und Negationen ab-leitete [Vgl G W Leibniz Essais de Theacuteodiceacutee sur la bonteacute deDieu la liberteacute de lrsquohomme et lrsquoorigine du mal Amsterdam 1710Preface]

Nullum artem malum esse in mundo quod non respecta totiusbonum evadat adeoque mundum hunc esse optimum dixit jamBrunus [Zitat nicht nachgewiesen]

Kahl Examen comparationis Voltaireanae Gottingae 1741 [VglL M Kahle Vergleichung der Leibnitzischen und NeutonischenMetaphysik hellip und dem Herrn von Voltaire entgegen gesetzet vonLudewig Martin Kahlen Goumlttingen 1741] Setzte in dem StreitLeibniz vor Clarke

Fundamentum omnium veritatem mathematicarum est principiumcontradictionis sive identitatis ut vero mathesos traduratur ad phy-sicam opus est principio rationis sufficientis [Vgl G W LeibnizEpistolarum pentas una cum totidem responsionibus D SamuelisClarckii hellip Groningae 1740 Epistola II Nr 1 S 14]

Quod necessarium esse tale est per essentiam suam quiaoppositur contradictionem implicat quod autem contingens estdebet existentiam suam principio melioris quae est ratio sufficiensrerum [Vgl ebenda Epistola V sect 1amp2 Nr 9 S 115]

Causa harmoniae universalis quaerenda est in natura substantiaesimplicis sive monadis verae quae in eo consistit ut status sequensexoriatur ex statu antecedente [Vgl ebenda sect31 Nr 91 S 159]

Uumlber d[as] [] s[iehe] auch Lettre agrave Mr de Remond T[ome] IV[Vgl G W Leibniz Lettre de M de Leibniz sur la philosophie chi-noise agrave M de Remond In G G Leibnitii Opera Omnia hellip Bd IVPars I Genevae 1768 S 173-174] wo [wo er gibt Korr im Ms]einen guten Sinn ich gab (sect11 255 8 sect ) Wenngleich L[eibniz]hierin die Chinesen zu milde nach d[er] Vorstellung deutet so istdoch die Tendenz groszligartig und wahr Er nimmt vgl s[einen] []Begriff [hellip] von Gottheit das ihm nicht nur das [hellip]

2 Vgl F Bacon Novum organum scientiarum In Opera omnia Francofurti 1665 Praefatio S 275

3 Mt 222

299

etwas ganz andres enthaumllt als man gewoumlhnlich aus ihm dedu-ziert so1 auch mit dem Bacons Er hat ihm daher gesagt was ernicht sagen wollte aber eben damit wider Willen und Wissendie Wahrheit eingestanden Jener Ausspruch Christi enthaumlltnaumlmlich offenbar eine Anerkennung des Staates die zugleicheine Abfertigung desselben ist Gebt dem Staate - ist der Sinn -was des Staates ist damit ihr von ihm ungestoumlrt religioumlsenZwecken leben koumlnnt Gebt es ihm denn es ist blutwenig wasihr ihm zu geben habt es sind ein paar Schilling etwas das imGrunde euch gar nichts angeht aber Gott gebt was Gottes istd h eure Kleinodien euern Schatz euer Selbst eure Seele2

Der Apostel sagt Wenn du ein Sklave bist so bleibe ein Skla-ve3 Es waumlre toumlricht daraus die Rechtmaumlszligigkeit oder Christ-lichkeit des Sklavenstandes folgern zu wollen Der Sinn ist nurSei Christ das andre ist gleichguumlltig So ist es auch mit demAusspruch Christi zu nehmen Das Christentum anerkannte denpolitischen Status quo und den Staat aber nicht deswegen weilihm der Staat Etwas sondern gerade deswegen weil er ihmNichts war So muumlssen wir auch den Satz Bacons fassen Diebeste d[er] objektiven Auslegung davon ist sein Leben selbstEr gab allerdings dem Glauben was des Glaubens ist aber seinWesen seine besten Kraumlfte sein Leben widmete er nur derErkenntnis dieser Natur4 Es war eine Anerkennung die nuraus einer innerlichen Entfremdung nur daher kam daszlig er nichtden Glauben zum Objekte seines Geistes machte indem erdiese andern Angelegenheiten gewidmet hatte die ihm mehrauf dem Herzen lagen eine Anerkennung die wie ein Dahin-gestelltseinlassen war Dadurch gerade wodurch man der Re-ligion die groumlszligte Ehre zu erweisen suchte tat man ihr diegroumlszligte Unehre an Man machte sie zu etwas ganz Besonderemman lieszlig ihr sozusagen keinen Anteil an den oumlffentlichen An-gelegenheiten sperrte sie wie der Orientale das Weib in dasGemach der subjektiven Gesinnung und trennte sie ab von denGegenstaumlnden des Nachdenkens und Untersuchens machte mitihr in allem dem was man sonst als notwendig gut und heil-sam erkannte eine Ausnahme schloszlig sie von den Gesetzenvon den Schicksalen alles Menschlichen aus aber entfremdete 1 Im Ms folgt gestr ist es2 Im Ms folgt gestr Man kann daher nur diesen Ausspruch3 1 Kor 7 20-224 dieser Natur dieses Staates Korr im Ms

300

eben dadurch die Religion dem Menschen denn nur dadurchwird etwas mein objektives Wesen daszlig ich es zum Objekt desDenkens mache nur der als Gesinnung sich bewaumlhrende Ge-danke ist der wahre Mensch So nahm der fromme Pascal dieReligion von dem Gesetze fortschreitender Entwicklung ausAber liegt nicht in dieser Ausnahme eine1 Furcht eine Angstes moumlchte die Religion das Feuer der Kritik nicht ertragenWenn ein armer Mensch der gerade in der groumlszligten Not bei derNacht auf der Straszlige eine Muumlnze findet2 sich wenn er nachHause3 kommt kein Licht macht4 [um] die Muumlnze5 zu bese-hen ob sie echt oder falsch ist6 sondern sich zur Ruhe legt sogesteht er wenn er andres kein Schlechter7 ist durch diese Handlung ein daszlig er nur aus Furcht sein Gluumlck moumlchte eineIllusion sein die Pruumlfung unterlaumlszligt Es war daher notwendigdaszlig um nicht spaumltere Erscheinungen zu antizipieren sondernim Zeitalter [von] Leibniz stehenzubleiben daszlig diese8 Ent-zweiung des Geistes9 dieser Widerspruch zwischen Wissen-schaft und Glauben der in den genannten Geistern schon ansich aber noch nicht fuumlr sie existierte zum offenkundigenBruch wurde10 Der in dieser Beziehung houmlchst unbewuszligte und 1 Im Ms folgt gestr Gefahr2 Im Ms folgt gestr so wird3 Im Ms folgt gestr oder an eine Lampe4 kein macht mit bangendem Herzen den Fund Korr im Ms ndash

[um] und die Tasche Ms5 die Muumlnze ziehen um sie bei Licht Korr im Ms6 Im Ms folgt oder gar7 Im Ms folgt gestr so eben8 diese jene Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr die d[em] Bacon Cartesius ein ruhiges Dahinge-

stelltseinlassen war10 Am Rande Je suis de sentiment les Thomistes et autres philosophes

qui croyent que tout est preacutedeacutetermineacute et je ne vois pas lieu drsquoendouter Cela nrsquoempecircche pourtant pas que nous nrsquoayons [pas] uneliberteacute exemte non seulement de la contrainte mais encore de la neacute-cessiteacute et en cela il en est nous comme de Dieu lui mecircme qui estaussi toujours deacutetermineacute dans ses actions car il ne peut manquer dechoisir le meilleur Mais srsquoil nrsquoavoit pas de quoi choisir et si ce quifait eacutetoit seul possible il seroit soumis agrave la neacutecessiteacute [Ich bin der-selben Meinung wie die Thomisten und andere Philosophen dieglauben daszlig alles vorherbestimmt ist und ich sehe keinen Grunddaran zu zweifeln Trotz allem jedenfalls haben wir keine [wirkli-che] Freiheit nicht nur vom Zwang als auch von der Notwendigkeit

301

merkwuumlrdige Bayle war es der es direkt aussprach daszlig derGlaube unvernuumlnftig vernunftwidrig sei daszlig die Vernunft dasNichts des Glaubens und umgekehrt der Glaube1 das Nichts derVernunft2 sei Aber obgleich Bayle aufs scharfsinnigste dieinneren Widerspruumlche des Glaubens aufzeigt mit der Kraft desDenkens ihn negiert so unterwirft er doch zugleich - so sehrwar die Menschheit zerfallen und zerrissen - sich3 wieder demGlauben als einer unbezweifelbaren Autoritaumlt So lange dieOrthodoxie eine herrschende bindende Macht war konnte demdenkenden Geist nur eine formelle Taumltigkeit uumlbrigbleibendaher kannte die Philosophie des Mittelalters nichts als schola-stischen Formalismus Es fehlen die prinzipielle die freie dieauf den Uranfang zuruumlckgehende die von Grund ausschoumlpfen-de Taumltigkeit Es fehlte4 Quellenstudium Die erwachte Freiheitund Selbstaumlndigkeit des Geistes begriff daher ihr Positives inder neuern Zeit anfaumlnglich hauptsaumlchlich nur in der Physik undMathematik In den stillen Raumlumen der Mathematik konntedie Vernunft sich selbst Genuumlge leisten der Geist sein Wesenentfalten ohne unmittelbar und direkt mit der Macht der Kir-che in Beruumlhrung und Bruch zu kommen5 Laszligt uns darum die

und von dem was wir von Gott selber wissen der immer in seinenHandlungen vorherbestimmt ist denn er kann nicht versaumlumen dasBeste zu waumlhlen Aber wenn er nicht etwas auswaumlhlen koumlnnte undwenn das was er erwaumlhlt hat allein moumlglich waumlre waumlre er an dieNotwendigkeit gebunden] (Feder p 127) [Lettre de Leibnitz agraveBayle sans date XXXII Lettres choisies de la correspondance deLeibnitz In Commercii Epistolici Leibnitiani hrsg v J G HFeder Hannover 1805 S 126-127]

1 der Glaube die Vernunft Korr im Ms2 der Vernunft des Glaubens Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr der4 Im Ms folgt gestr das Hauptstuumlck5 Am Rande Comme la Nature de chaque substance est telle que son

eacutetat suivant est une conseacutequence de son eacutetat preacuteceacutedent voilagrave lacause de lrsquoHarmonie toute trouveacutee Car Dieu nrsquoa qursquoagrave faire que lasubstance simple soit une fois et drsquoabord une repreacutesentation delrsquoUnivers selon son point de vue puisque de cela seul il suit qursquoellele sera perpeacutetuellement et que toutes substances simples auronttoujours une harmonie entre elles parce qursquoelles repreacutesentent touttoujours le mecircme univers [Da es in der Natur einer jeden Substanzliegt daszlig sein folgender Zustand eine Konsequenz des vorangehen-den Zustandes ist so ist damit die Ursache fuumlr die Harmonie schonvollstaumlndig gefunden Gott braucht nunmehr nur zu bewirken daszlig

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lauten unzweideutigen Lehren der Weltgeschichte denn ihreLehren sind das wahre Wort Gottes nicht verkuumlmmern undverdrehen Sie lautet der Glaube an die positive ausgemachteWahrheit ist der Tod aller Wissenschaft Nur an den Untergangder Orthodoxie war darum das Heil der Wissenschaft gebun-den Die deutsche klassische Literatur beginnt wo der alteGlaube1 aufhoumlrt Solange der Mensch nicht im Houmlchsten inden houmlchsten Gegenstaumlnden frei solange sind ihm Haumlnde undFuumlszlige gebunden er mag auch zappeln wie er will solange wirder auch in Kunst und Wiss[enschaft] nicht das Houmlchste errei-chen Es fehlt der Segen von oben Aber nur der Dichter ist einreligioumlser Dichter dem seine Poesie nur der Philosoph einreligioumlser Philosoph dem die2 Philosophie seine Religion ist

In diese Zeit nun wo der Glaube an eine unbezweifelbareein fuumlr alle Mal aus- und abgemachte buchstaumlblich houmlchsteWahrheit den Aufschwung der Geister darniederhielt so daszligder Gegensatz dagegen sich in keiner positiven Gestalt son-dern nur in der negativen leeren Form des Atheismus undpraktischen oder theoretischen Materialismus aumluszligern konntewo der menschliche Geist innerlich sich losriszlig3 von der Kircheund doch zugleich von ihr als einer aumluszligerlichen fremden dun-keln Macht beherrscht war wo er daher die widernatuumlrlichstenTorturen sich auferlegte eben weil er im Wesen unfrei [] war

die einfache Substanz einmal und im Anfange nichts anderes alseine Vorstellung des Universums aus einem bestimmten Gesichts-punkte heraus ist daraus folgt schon von selbst daszlig sie es immer-waumlhrend sein wird und daszlig alle einfachen Substanzen stets inHarmonie untereinander stehen werden weil sie stets ein und das-selbe Universum vorstellen] (T II P I p 163) [G W Leibniz Oc-casio controversiae inter Leibnitium et Clarkium Cinquieme ecritde Mr Leibnitz on Reacuteponse agrave la quatrieacuteme Replique de Mr ClarkeIn G G Leibnitii Opera Omnia hellip T II Pars I a a O sect 31 Nr90 S 162-163 Uumlbersetzung nach G W Leibniz Schriften zur Pho-ronomie und Dynamik Streitschriften zwischen Leibniz und ClarkeIn Philosophische Werke in vier Baumlnden Bd I Hauptschriften zurGrundlegung der Philosophie Teil I hrsg von E Cassier Ham-burg 1996 S 148-149] Die Har[monie] ist ein Wunder nur im An-fang (P 162 ibid) [Vgl G W Leibniz Occasio controversiae interLeibnitium et Clarkium hellip a a O Nr 89 S 162]

1 Im Ms folgt gestr faumlllt2 die seine Korr im Ms3 losriszlig losband Korr im Ms

303

um sich im Einklang mit dem Glauben zu erhalten wie Bayleund Pascal wo er in der aumluszligersten Zertrennung und Zerrissen-heit mit sich selbst war in diese Zeit faumlllt Leibniz1

1 Am Rande [] setzt auch den Raum der Platz der Ideen ist

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[Zur XIV Vorlesung ndash Kant Erkenntnistheorie Logik]1

2632 Wie sollte ich denn ihn bekommen Etwa durch diewiederholte Erfahrung sich oumlfter wiederholender Erscheinun-gen Wenn ich ihn das erste Mal nicht habe so bekomme ichihn auch das zweite Mal nicht und durch die weitere Wieder-holung auch nicht Ich sehe3 z B daszlig wenn es kalt ist dasWasser friert daraus schlieszlige ich also daszlig das Gefrieren alsdie Wirkung auf die Kaumllte als seine Ursache folgt Aber sokann ich nur schlieszligen unter der Voraussetzung daszlig der Be-griff der Ursache schon in mir ist Aus dieser Wahrnehmungkann ich unmoumlglich den Begriff selbst der Ursache abstrahie-ren denn daszlig ich das Gefrieren als eine Folge von der Kaumlltewahrnehme dem ist schon vorausgesetzt4 die KausalitaumltAuszlig[er] dieser wenn auch hundertfaumlltig sich wiederholendenErfahrung und Wahrnehmung von allen andern kann ich nichtserkennen als daszlig auf Kaumllte Gefrieren folgt aber nicht selbstdieses Gedankenverhaumlltnis abstrahieren Dieses Erscheinendein einer bestimmten Zeit Gewordene kommt zum Begriff diesesBegriffs zur Erkenntnis dieser Erkenntnis d i zum Bewuszligt-sein erst mit der Erfahrung aber es selbst entsteht nicht aus ihrDasselbe ist nun mit dem Begriff der Substanz Dieses ich dasich zum Objekt meines Geistes machen kann es als einen Ei-genschaften 264 habenden Koumlrper als ein Ding mit Akziden-zien wahrnehmen kann ist ja schon diesem Begriff vorausge-setzt5 Darin haben wir also einen wesentlichen UnterschiedKants von dem Empirismus daszlig er die Vernunft als ein selbst-bestimmendes Wesen als eine selbsttaumltige Quelle von Er- 1 Am Rande r o Zur 14 Vorlesung Kant [moumlglicherweise von frem-

der Hand] ndash Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1293 Am Rande r 84 Im Ms folgt gestr der Begriff5 Dieses vorausgesetzt Sich dieser erscheinenden [] einer be-

stimmten Zeit geworden [] kann zum Begriff dieses Begriffs zurErkenntnis dieser Erkennt[nis] d i zum Bewuszligtsein erst mit derErfahrung aber er selbst entsteht nicht aus ihr Dasselbe ist nun mitdem Begriff der Substanz Dieses ist ich [Im Ms folgt gestr einObjekt] ein Koumlrper ein zum Objekt meines Geistes [Geistes Im Msgestr] mach[en] kann es wahrnehmen als einen Eigenschaften264 habenden Koumlrper als ein Ding mit Akzid[enzien] ist ja schondiesem Begriff vorausgesetzt Ms

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kenntnissen daszlig er in ihr einen Ursprung von Erkenntnissenfindet K[ant] nennt diese Erkenntnisse a priori und die Ver-nunft ist also das Prinzip oder im Besitze gewisser Erkenntnis-se a priori bdquoWenngleich also alle unsere Erkenntnis mit derErfahrung anhebt so entspringt sie darum noch nicht eben alleaus der Erfahrungldquo1 Die Vernunft ist daher geschweige nieTabula rasa wie die Seele bei Locke vielmehr die Moumlglichkeitder Erfahrung in dieser Bestimmung nun wie wir sie hierausdruumlcken liegt zugleich der Unterschied vom Emp[irismus]in der die Vernunft einen Vorzug hat vor der Bestimmung d[es]Emp[irismus] laumlszligt zugleich aber noch die Herkunft aus d[er]Empir[ie] oder den Ruumlckfall in sie

Es gibt synthetische Urteile a priori d h Urteile in denenmit dem Subjekt des Urteils ein Praumldikat verbunden synthe-tis[iert] wird die2 sich auf die sinnliche Anschauung oder Er-fahrung beziehen ohne doch aus ihr selbst geschoumlpft zu seindenn sonst waumlren sie 2653 ja nicht a priori Daraus folgt daszliges allgemeine und notwendige die Erfahrung bedingende odermoumlglich machende oder auf Gegenstaumlnde der Erfahrung sichbeziehende Begriffe gibt Kategorien die er unter vier Haupt-titel bringt 1) d[er] Quantitaumlt Einheit Vielheit Allh[eit] 2)d[er] Qualitaumlt Realitaumlt Negation Limitation 3) d[er] RelationInhaumlrenz und Subsistenz subst[antia] et accidens Kausal[itaumlt]und Dependenz (Urs[ache] und Wirk[ung]) Gemeinschaft(Wechselwirkung zwischen den Handelnden und Leidenden)4) Modalitaumlt Moumlglichk[eit] und Unmoumlglichkeit Dasein ndashNichtsein ndash Notwendigkeit ndash Zufaumllligkeit4 Diese haben in derVernunft ihre Quelle sind bdquoFunktionen des reinen Verstandesrdquo5

Selbsttaumltigkeiten Selbstbestimmungen desselben Aber dieseBegriffe sind nur Formen sind fuumlr sich selber leer ihren Stoffihren Inhalt ihre realen Gegenstaumlnde schoumlpft die Vernunft ausder sinnlichen Anschauung aus der Erfahrung Und hierin istKant eins mit den Empirikern Nur in den Prinzipien weicht erab in dem was Objekt Inhalt d[er] Vernunft ist stimmt er mitihnen uumlberein Und eben hierin liegt der groszlige WiderspruchKants der sich also ausdruumlcken laumlszligt die Vernunft schoumlpft nur

1 I Kant Critik der reinen Vernunft 2 Aufl Riga 1787 S 12 das die Ms3 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1304 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 1065 Vgl ebenda S 187

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aus sich um nicht aus sich sondern d[er] Erf[ahrung] schoumlpfenzu koumlnnen 266 nur selbstaumlndig um (un)abhaumlngig zu sein nura priorisch um nicht a posteriorisch sein zu koumlnnen Denn dieKategoriata oder Stammbegriffe sind ja nur insofern und darina priori als er damit sie die Erfahrung begruumlnden und bedin-gen [kann] obwohl sie aus der Vernunft stammen beziehen siesich nur auf die Objekte moumlglicher Erfahrung sind fuumlr sichselber gehaltlos

Das Naumlhere nun wenn die Kategorien die Erfahrung bedin-gen ist Folgendes bdquoBegriffe ohne1 Anschauung sind leer DieAnschauung ohne Begriffe aber blindldquo2 Vermittelst der Sinn-lichkeit werden uns Gegenstaumlnde gegeben und sie allein liefertuns Anschauungenldquo3 Die allgemeinen Formen nun unsrer4

Sinnlichkeit oder der Rezeptivitaumlt (Faumlhigkeit) (S 75 S 33)Vorstellungen zu empfang[en] sofern wir auf irgendeine Artvon den Gegenstaumlnden affiziert w[erden] sind Raum und ZeitSie sind Formen der Anschauung der Raum ndash das Aumluszligeredurch die wir die Dinge auszliger uns seh[en] die Zeit ndash die Formder inneren Anschau[ung] oder die Form des inneren Sinnes di des Anschauens unsrer selbst und unseres innern Zustandes5

Sie ist bdquoeine Bedingung a priori von aller Erscheinung uumlber-haupt und zwar die unmittelbare Bedingung der innern(uns[rer] Seelen) und eben dadurch mittelbar auch der aumluszligernErscheinungenldquo (S 50)6 2677

Das heiszligt also [die] notwendigen Weisen wie wir Dingeanschauen und wie uns also Gegenstaumlnde gegeben sind dennnur die Anschauung gibt uns Gegenstaumlnde sind Raum undZeit Durch sie8 allein ist dem an sich leer[en] Denken oderBegriffe ein Mannigfaltiges gegeben Die Anschauung alssolche aber ist blind sie stellt ein bloszliges Mannigfaltiges einenbloszligen Stoff dar Die Einheit nur dieses Mannigfaltigen diesesVielerlei der Sinnlichkeit wodurch das Mannigfaltige ein

1 Am Rande der Zeile 9 Kant2 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 753 Ebenda S 334 Im Ms folgt gestr Anschauung5 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 36-37 S 42 und

S 756 Vgl ebenda S 507 Am Rande r o Verweis auf Paganierung S 1318 sie unleserl Korr im Ms

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Denkbares ein Gedachtes ein Objekt erst wird ist der bdquoreineVerstandesbegriffldquo1 die Kategorie Durch sie w[ird] vermittelstder Einbildungskraft deren Wirkung die Synthesis ist dasMannigfaltige der Anschauung in eine Einheit in eine be-stimmte Einheit zusammengefaszligt und diese Zusammenfas-sung diese Verknuumlpfung ist der Begriff die Kategorie Ob-gleich durch die Anschauung die Gegenstaumlnde erst gegebenwerden so werden doch erst durch die Einheit des Begriffesdiese Gegenstaumlnde zu Objekten denn erst durch sie werden sieein Gedachtes d i ein Objekt Denn der Gegenstand nur alsein sinnlicher oder nur als Objekt d[er] sinnlichen Anschauungist nur ein Vielerlei [so] daszlig er mir als ein Gegenstand underst so ist er eigentl[ich] Objekt als ein bestimmtes Objekterscheint dies kommt nur her von 268 der Bestimmung desDenkens die Bestimmung des Mannigfaltigen des Vielerlei istnur die Einheit also von der Kategorie die eine Einheit ist DieSinnlichkeit gibt eben den bloszligen Stoff aber erst durch dieForm w[ird] der Stoff ein Bestimmtes ein Objekt ein be-stimmter Gegenstand aber diese Form ist die Einheit

Die Kategorie ist also eine bestimmte Einheit des Mannig-faltigen denn es gibt mehrere Kategorien Die Kategorie be-zieht sich daher selbst auf die Einheit urspruumlngl[ich] der Ap-perzeption des Bewuszligtseins des Ich denke oder auf die abso-lute2 Spontaneitaumlt des Verstandes Wie das Mannigfaltige dieKategorie so setzt wieder die Kategorie die Einheit des Selbst-bewuszligtseins voraus Diese ist nun der letzte Grund aller Er-kenntnis und Erfahrung denn nur durch die Verbindung desMannigfal[tigen] ist mir ein Objekt gegeben der Grund aberaller Verbindung ist die Einheit des Selbstbew[uszligtseins] wel-che wie Kant sagt alle meine Vorstellungen begleitet d i inallen ist sie alle zu den meinigen macht denn ohne diese Ein-heit waumlre ich ein so vielfaumlrbiges Subjekt als ich Vorstellungenhaumltte3 Alle Erkenntnis und Erfahrung alle Objek-ti[vi]er[bar]keit beruht daher auf der Autoritaumlt und Spontaneitaumltdes Verstandes oder Selbstbewuszligtseins denn alle Einheit isteine Funktion des Verstandes 2694 Aber gleichwohl liefertden Stoff die Gegenstaumlnde nur die Sinnlichkeit oder die An- 1 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 104-1052 Im Ms folgt gestr Idee3 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 129-1344 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 132

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schauung die bei uns nur eine sinnliche ist die Kategoriendurch die allein Dinge1 denkbar werden geht daher nur aufsinnliche Gegenstaumlnde auf Objekte moumlglicher Erfahrung siegeht nicht auf uumlbersinnliche Objekte oder sie geht nur auf dieDinge wie sie erscheinen wie sie in der sinnlich[en] Anschau-ung die nur unsre Anschauung ist aber nicht die Dinge ansich Diese sind daher unerkennbar Hier liegt also auch dieGrenze der Kategorie und des Verstandes Kant geht nun aberauch uumlber diese Grenze hinaus indem er von dem Vermoumlgender Kategorien das er Verstand nennt das Vermoumlgen der Ide-en z B des Unbedingten die Vernunft abnimmt Alle dieseIdeen sind nur Ideen eben nicht2 ihre Realitaumlt nicht in derSinnlichkeit die gleichwohl nur Erscheinungen darstellen oderErfahrungen nachgewiesen haben sie haben nur einen regula-tiven aber keinen konstitutiven Gebrauch wir koumlnnen durchsie kein Objekt bestimmen oder etwas Objektives von ihnenaussagenAber was Kant der theoretischen Vernunft nimmt das gibt erwieder in reichlich[em] Maszlige der praktischen die das Sollen-gesetz in sich hat die nicht an die Schranken der Erkenntnisund Sinnenwelt gebunden ist

Doch nun zur Beziehung Kants auf die Logik Die Logik diealte wie sie gewoumlhnlich und uns3 270 aus oberflaumlchl[ichen]Modifikationen noch [hellip] richtig Kant als eine vorzuumlglichformale Wiss[enschaft] daszlig sie abstrahierend von allen Er-kenntnissen die bloszlige Form des Denkens betreffe bdquoDie Krite-rien oder logischen Regeln betreffen nur die Form der Wahr-heit d i des Denkens uumlberhaupt und s[ind] sofern ganz richtigaber nicht hinreichend Denn obgleich eine Erkenntnis derlogischen Form voumlllig gemaumlszlig sein moumlchte d i sich selbst nichtwiderspraumlche so kann sie doch noch immer dem Gegenstandewidersprechen Also ist das bloszlige logische Kriterium einerWahrheit naumlmlich die Uumlbereinstimmung einer Erkenntnis mit

1 Im Ms folgt gestr erkennbar2 nicht auch Ms3 Am Rande r u von dieser Trennung des Erkennens und Denkens

entsteht diese Beziehung bdquoWir koumlnnen uns k[einen] Gegenstanddenken ohne Kategorie wir koumlnnen k[einen] gedachten Gegenstanderkennen ohne durch Anschauung[en] d[ie] jenen Begriffen ent-sprech[en]ldquo (S 165) [Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a aO S 165]

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den allgem[einen] und formalen Gesetzen des Verstandes undd[er] Vernunft zwar die conditio sine qua non mithin die ne-gative Bedingung aller Wahrheit weiter aber kann d[ie] Logik1

nicht gehen und den Irrtum der nicht die Form sondern denInhalt trifft kann die Logik durch keinen Probierstein entdek-kenldquo2 K[ant] hat darin vollkommen recht aber unrecht daszlig erdoch wieder dieses formale3 Denken diese formale Logikgeltend laumlszligt wenn auch nur als die formalen Bedingung[en]denn das wahrhaft Logische kann aber kein bloszliges formalessondern muszlig auch das Kriterium des Inhalts enthalten darfkein von der Erkenntnis Abgezogenes sein Denn was ist mitbloszlig formalen negativen Bestimmungen der Wahrheit undgleichwohl bdquodie Grenze der Logik ist dadurch ganz bestimmtdaszlig sie eine Wissenschaft ist welche nichts als die formalenRegeln allen Denkens (es mag a priori oder empirisch seineinen Ursprung oder4 Objekt haben welches es wolle in unse-rem Gemuumlte zufaumlll[ige] oder natuumlrl[iche] Hindernisse antref-fen) ausfuumlhrl[ich] darlegt und strenge beweisetldquo (Vorrede IX)5

1 Am Rande der Zeile r (S 84)2 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S 843 dieses formale diese formales Ms4 Im Ms folgt gestr Ursprung5 Vgl I Kant Critik der reinen Vernunft a a O S VIII-IX

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[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Ich und Nicht-Ich]

3281 Fichte geht mit Jacobi vom Begriff der Freiheit ausaber Jacobi gibt demselben zum Substrat und Unterlage diePersoumlnlichkeit oder Individualitaumlt die Freiheit existiert nur alsIndividuum und im Individuum das Reelle und Wirkliche istallein die freie von sich wissende uumlber die Natur erhabne insich seiende Individualitaumlt und diese hat wieder Dasein undWirklichkeit als unendliches Individuum und als endlicheauszligereinander existierende freie endliche Individuen IndemJacobi von der Substantialitaumlt des Individuums ausgeht allesauf diese konzentriert so ist begreiflich daszlig Jacobi gegen alleobjektive Gestaltung in der Wissenschaft nur ein negativesVerhaumlltnis haben konnte daszlig sowohl im Charakter des Jacobiselber als in s[einem] geistigen Prinzip nicht das Prinzip einesSystems einer Wissenschaft liegt kurz daszlig er den Begriff derFreiheit nur subjektiv faszligte nur in der Gestalt und Form derSubjektivitaumlt2 den [er] 329 in seiner Wahrheit und Objektivi-taumlt erfaszligte und daher wie Fichte das Prinzip der Spontaneitaumltund Freiheit das sich in Kant und Jacobi aussprach zu einem

1 Am Rande Joh[ann] Gottl[ieb] Fichte geb 1762 bei Bischofswerda

in der Lausitz dagger 1814 zu BerlinJacobi sagt von sich selbst bdquoIn d[ie] Klagen uumlber d[ie] Unzu-

laumlnglichkeit alles unseres Philosophierens stimme ich leider vonganzem Herzen ein weiszlig aber doch keinen andern Rat Dies oderkathol[isch] werden es gibt kein Drittes Durchaus ein Heide mitdem Verstande mit dem ganzen Gemuumlte ein Christ schwimme ichzwischen zwei Wassern die sich mir nicht vereinigen wollen sodaszlig sie gemeinschaftlich mich truumlgen sondern so wie das Eine michunaufhoumlrlich hebt so versenkt auch unaufhoumlrlich mich d[as] andreldquoS[iehe] I[mmanuel] H[ermann] [von] Fichtes Beitraumlge zur Charak-teristik der neuern Philosophie zu Vermittlung ihrer Gegensaumltze [IH Fichte Beitraumlge zur Charakteristik der neueren Philosophie ZuVermittelung ihrer Gegensaumltze Sulzbach 1829 S 184-185]

Tatsachen des Bewuszligtseins nach Fichtes Tod erschienen [J GFichte Die Thatsachen des Bewuszligtseins Vorlesungen geh an derUni zu Berlin im Winterhalbjahre 1810-11 Stuttgart ndash Tuumlbingen1817] Wichtiger ist von ihm D[ie] Wissenschaftslehre in ihremallgemeinen Umrisse Berlin 1810 [J G Fichte Die Wissen-schaftslehre in ihrem allgemeinen Umrisse dargestellt Berlin1810]

2 Im Ms folgt gestr festhaumllt

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System einer applizierten Gestaltung einer Wissenschaft aus-breiten konnte Das Beste das Houmlchste laumlszligt sich nicht ausspre-chen es ist nur im Subjekt mit ihm Eins kann sich nicht vonihm abloumlsen das Begreifen und Erkennen geht nur fort in einerKette von endlichen Zus[ammen]haumlngen und Vermittlungensoll daher das Unbedingte in den Begriff erhoben w[erden] sow[ird] es ein Bedingtes es w[ird] vernichtet aufgeloumlst es istalso nur in unserem Sinn und Gefuumlhl des Subjekts in seinemGlauben Alle Wissenschaft hat uns Totes Bedingtes Aufgelouml-stes nichts Erstes Urspruumlngliches d i Freies zu seinem In-halt dies existiert nur im Freien und Ersten des Subjekts selbstdieses Freie und Erste aber im Subjekt ist uumlberhaupt seine un-teilbare lebendige Subjektivitaumlt selbst Im Fichte nun ist nichtPrinzip die Individualitaumlt sondern die Ichheit die eine Intelli-genz [ist] 3301 Das Objekt als Objekt ist nur ein Sein fuumlrandres es ist nicht fuumlr sich selbst nicht durch sich selbst dasObjekt ist nur fuumlr ein Subjekt nicht fuumlr sich selbst Das Objektist darum nicht ein Erstes Urspruumlngliches es ist nur ein Ge-setztes urspruumlngliches Sein Realitaumlt Wirklichkeit kommtallein dem Ich zu denn das Ich ist nur fuumlr sich selbst unddurch sich selbst Ich bin nur Ich nur fuumlr mich nicht fuumlr einmoumlglich[es] Andres auszligerdem fuumlr ein Andres sein heiszligt aberuumlberhaupt gesetzt sein dem Ich kommt aber kein Sein fuumlr and-res zu es ist also nur das Setzen seiner selbst nur die Taumltigkeitist Realitaumlt Taumltig sein aber und sich selbst setzen d h nichtbewirkt gesetzt durch ein Andres vermittelt sein nicht dieFolge eines Andren oder nur die Beziehung auf ein Andres istEins das Ich ist aber reine Identitaumlt es ist absolute Selbstaumln-digkeit es ist nur Ich als nur auf sich selbst bezogen sein Seinist nur als selbst es ist aber kein Ding kein Determinierteskein 331 Abstraktes [] dem Ich kommt allein Taumltigkeit alsoRealitaumlt zu das Objekt ist Objekt nur fuumlr ein Andres es ist alsounter der Voraussetzung nur dessen wofuumlr es ist Objekt seinaber und Sein uumlberhaupt ist Eins es ist also wenn und weil dasist wofuumlr es Objekt ist sein Sein ist abhaumlngig vermittelt hy-pothetisch ein nur Gesetztsein Die Intelligenz ist aber sichselbst anschauend sie ist sich selbst Objekt Gegenstand die-ses ihr sich selbst Objektsein ist unmittelbares Bewuszligtseinihrer selbst sich selbst wissen[de] Anschauung ihrer selbstWissen Anschauung Sein ist mit ihr und aus sich selbst und 1 Am Rande r o Fichte II

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ihr identisch ihr Sein ist das []1 der Anschauung ihrer selbstdiese ihre Selbstanschauung ist aber zugleich ihr Wesen sie istsie2 sie ist nicht etwa von dieser Anschauung Verschiedenesunabhaumlngig von ihr Existierendes die Intelligenz als die Ein-heit ihres Seins und Wesens als diese Anschauung ihrer selbstist Ichheit das Ich ist also Objekt 3323 seiner selbst wasObjekt ist ist es ist also aber dieses sich Objekt Sein machteben den Geist selbst aus das Ich aus ist es selbst es ist alsoweil es ist sein Sein hat keinen Grund es ist das schlechthinUnbedingte das absolut Erste es ist nur fuumlr sich selbst es istnicht weil Etwas andres ist so waumlre es ja Objekt es selbstsein Wesen und sein Sein identisch also ist sein Sein keinvermitteltes es ist das Setzen seiner selbst das Ich ist dahernicht bloszliges Subjekt sondern Subjektobjekt es ist ja Anschau-ung Objekt seiner selbst das Ich ist daher allein die Substanzdie absolute Realitaumlt denn nur das ist was4 fuumlr sich selbst istwas sich selbst Objekt ist und das was es ist nur fuumlr sichselbst ist das Objekt ist aber nur fuumlr das Ich kein Geist keinObjekt es ist nur ein Vermitteltes Negatives durch den GeistGesetztes ein Produkt es ist nur in der Intell[igenz] und fuumlrsie es ist nur eine Selbstbeschraumlnkung des Geistes der sich aufdiese und diese Weise bestimmt erschaut 3335

bdquoAlles moumlgliche Bewuszligtsein als Objektives eines Subjektssetzt ein unmittelbares Bewuszligtsein in welchem Subjektivesund Objektives Eins seien voraus und auszligerdem ist das Be-wuszligtsein schlechthin unbegreiflich man wird immer vergeb-lich nach einem Bande zwischen Subjekt und Objekt suchenwenn man sie nicht gleich urspruumlngl[ich] in ihrer Vereinigungaufgefaszligt hat Darum ist alle Philosophie die nicht von demPunkte in welchem sie vereinigt sind notwendig seicht undunvollstaumlndig und vermag nicht zu erklaumlren was sie erklaumlrensoll und ist sonach keine Philosophie

Dieses unmittelbare Bewuszligtsein ist die Anschauung des Ichin ihr setzt das Ich sich selbst notwendig und ist sonach dasSubjekt[ive] und Objektive in Einem Alles andre Bewuszligtseinw[ird] an dieses angeknuumlpft und durch dasselbe vermittelt

1 das [] daszlig [] Ms2 sie ist sie ist sie ist Ms3 Am Rande r o Fichte III4 Im Ms folgt was5 Am Rande r o Fichte IV

313

wird lediglich durch die Verknuumlpfung zu einem Bewuszligtseindieses allein ist durch nichts vermittelt oder bedingt es istabsolut 334 moumlglich und schlechthin notwendig wenn ir-gendein andres Bewuszligtsein stattfinden1 soll Das Ich ist nichtzu betrachten als bloszliges Subjekt sondern als Subjektob-jektldquo2

bdquoDas Selbstbewuszligtsein ist unmittelbar in ihm ist Subjektivesund Objektives unzertrennlich vereinigt und absolut EinsEin solches unmittelb[ares] Bewuszligtsein heiszligt mit dem wissen-schaftl[ichen] Ausdruck eine Anschauung ldquo 3bdquoIch bin diese Anschauung und schlechthin nichts weiter unddiese Anschauung selbst ist Ichldquo4

bdquoDer Begriff oder das Denken des Ich besteht in dem auf sichHandeln des Ich selbst und umgekehrt ein solches Handeln aufsich selbst gibt ein Denken des Ich und schlechthin kein and-res Denken der Begriff eines in sich zuruumlckkehrenden Den-kens und der Begriff des Ich erschoumlpfen sich gegenseitig DasIch ist das sich selbst Setzende und nichts weiter das sichselbst Setzende ist das Ich und nichts weiterldquo5

bdquoDas Ich kommt nur durch das Zuruumlckgehen des Denkens aufsich selbst zustande ldquo6

bdquoDas Bewuszligtsein meines Denkens ist meinem Denken nichtetwas nur zufaumllliges erst hinterher dazu gesetztes 335 unddamit verknuumlpftes sondern es ist von ihm unabtrennlichldquo7

bdquoDie Intelligenz schaut sich selbst an bloszlig als Intelligenzoder als reine Intelligenz und in dieser Selbstanschauung ebenbesteht ihr Wesen Ich bediene mich statt des Wortes Intelli-genz lieber der Benennung Ichheit weil diese das Zuruumlckge-hen der Taumltigkeit in sich selbst fuumlr jeden der nur der geringstenAufmerksamkeit faumlhig ist am unmittelbarsten bezeichnetldquo8

1 stattfinden sein Korr im Ms2 Vgl J G Fichte Versuch einer neuen Darstellung der Wissen-

schaftslehre Fortsetzung In Philosophisches Journal Bd VII1 Heft Jena ndash Leipzig 1797 1 Kap Abschn II Nr 4 S 12-13

3 Ebenda S 11-124 Ebenda S 135 Vgl ebenda Abschn I Nr 3 S 46 Ebenda Nr 4 S 57 Ebenda Abschn II Nr 4 S 118 Vgl ebenda S 14-15

314

bdquoSelbst setzt den Begriff vom Ich voraus und alles was dar-aus von Absolutheit gedacht wird ist aus diesem Begriffe ent-lehntldquo1

Ichheit und Individualitaumlt s[ind] sehr verschiedene Begriffeund die Zus[ammen]setzung des letzteren laumlszligt sich sehr deut-lich bemerken Durch den ersteren setzen wir uns allem wasauszliger uns ist nicht bloszlig Personen auszliger uns entgegen und wirbefassen unter ihm nicht nur unsre bestimmte Persoumlnlichkeitsondern unsre Geistigkeit uumlberhauptldquo2

In der Wissenschaftslehre ist die Vernunft das einige ansich und die Individualitaumlt nur akzidentiell die Vernunftzweckeund die Persoumlnlichkeit 336 Mittel die letztere nur eine beson-dre Weise die Vernunft auszudruumlcken die sich immer mehr inder allgemeinen Form derselben verlieren muszlig Nur die Ver-nunft ist ihr ewig ndash die Individualitaumlt aber muszlig unaufhoumlrlich3

absterben Wer nicht in diese Ordnung der Dinge zufoumlrdersts[ein] Wollen fuumlgen w[ill] der w[ird] auch nie den wahrenVerstand der Wissenschaftslehre erhalten

Die Ichheit (in sich selbst zuruumlckgehende Taumltigkeit Subjekt= Objektivitaumlt oder wie man will) w[ird] urspruumlnglich dem Esder bloszligen Objektivitaumlt entgegengesetzt und das Setzen dieserBegriffe ist absolut durch kein andres Setzen bedingt thetischnicht synthetisch Auf etwas das in diesem ersten Setzen alsein Es als bloszliges Objekt als etwas auszliger uns gesetzt wordenw[ird] der in uns selbst gefundene Begriff der Ichheit uumlberge-tragen und damit synthetisch vereinigt nur durch diese be-dingte Synthesis erst entsteht uns ein Du Der Begriff des Duentsteht durch Vereinigung des Es und des Ich Der Begriff desIch in diesem Gegensatze also als Begriff des Individuum[s]ist eine Synthesis des Ich aus sich selbst das in dem beschrie-benen Akte sich selbst nicht uumlberhaupt Setzende sondern alsIch setzend bin ich und das in demselben Akte durch michund nicht durch sich selbst als Ich gesetzte heiszligt Du 3374

1 Ebenda Fuszlignote 1 S 152 J G Fichte Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre In

Philosophisches Journal Bd VI 1 Heft Jena ndash Leipzig 1797 S21

3 Im Ms folgt gestr auf4 Am Rande r o Fichte V

315

bdquoDas Ich ist nur taumltig es ist bloszlig Ich inwiefern es taumltig istund wiefern es nicht taumltig ist ist es Nichtichldquo1 Das Ich ist ur-spruumlnglich nur ein Tun Alles Sein bedeutet eine Beschraumlnktheitder freien Taumltigkeit

Der Dogmatismus geht von einem Sein als Absolutem ausund sein System erhebt sich sonach nie uumlber das Sein DerIdealismus kennt schlechthin kein Sein als etwas fuumlr sich Be-stehendes Der erstere geht von der Notwendigkeit aus derletztere von der Freiheit2

bdquoSichselbstsetzen und Sein s[ind] vom Ich gebraucht voumllliggleich Der Satz Ich bin weil ich mich selbst gesetzt habekann demnach auch so ausgedruumlckt w[erden] Ich bin schlecht-hin weil3 ich bin

Das sich setzende Ich und das seiende Ich sind voumlllig gleichEin und eben dasselbe Das Ich ist dasjenige als was es sichsetzt und es setzt sich als dasjenige was es ist Ich binschlechthin was ich binldquo4 bdquoDas Ich setzt urspruumlnglichschlechthin sein eignes Seinldquo5

338 Das ist der erste schlechthin unbedingte Grundsatz derGrundsatz des Setzens der zweite ist die Handlung des Entge-gensetzens Das Ich setzt sich schlechthin ein Nicht-Ich entge-gen Der dritte Grundsatz ist der [der] Synthesis bdquoIch sowohlals Nicht-Ich w[ird] teilbar gesetzt So wie dem Ich einNicht-Ich entgegengesetzt w[ird] w[ird] demnach das Ich dem

1 J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre 2 verb

Ausg Jena ndash Leipzig 1802 Zweiter Teil sect 4 D Nr 5 S 732 J G Fichte Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre a a

O S 273 Im Ms folgt am [] Verderbte Stelle im Ms4 Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre a

a O Erster Teil sect 1 Nr 9 S 11-125 Ebenda Nr 10 S 12 ndash Am Rande bdquoAller Realitaumlt Quelle ist das

Ich denn dieses ist das unmittelbar und schlechthin Gesetzte Erstdurch und mit dem Ich ist der Begriff der Realitaumlt gegeben Aberdas Ich ist weil es sich setzt und setzt sich weil es ist Demnachsind sich Setzen und Sein Eins und dasselbe Aber der Begriff dessich Setzens und der Taumltigkeit uumlberhaupt sind wieder Eins und ebendasselbe Also ndash alle Realitaumlt ist taumltig und alles Taumltige ist RealitaumltTaumltigkeit ist positive absolute (im Gegensatz gegen bloszlig relative)Realitaumltldquo [J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschafts-lehre a a O Zweiter Teil sect 4 C Nr 2 S 66-67]

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entgegengesetzt w[ird] und das Nicht-Ich das entgegengesetztw[ird] teilbar gesetztldquo1

bdquoDas Ich ist im Ich nicht gesetzt insofern d i nach denjeni-gen Teilen der Realitaumlt mit welchen das Nicht-Ich gesetzt istEin Teil der Realitaumlt d i derjenige der dem Nicht-Ich beige-legt w[ird] ist im Ich aufgehoben Insofern das Nicht-Ichgesetzt ist muszlig auch d[as] Ich gesetzt sein naumlmlich sind s[ie]beide uumlberhaupt als teilbar ihrer Realitaumlt nach gesetzt

Erst jetzt vermittelst des aufgestellten Begriffs kann manvon beiden sagen sie sind etwas Das absolute Ich des erstenGrundsatzes2 ist nicht etwas (es hat kein Praumldikat und kannkeins haben) es ist schlechthin was es ist 339 und dies laumlszligtsich nicht weiter erklaumlren Jetzt vermittelst dieses Begriffs istim Bewuszligtsein alle Realitaumlt und von dieser kommt dem Nicht-Ich diejenige zu die dem Ich nicht zukommt und umgekehrtBeide sind etwas das Nicht-Ich dasjenige was das Ich nicht istund umgekehrt Dem absoluten Ich entgegengesetzt (welchemes aber nur insofern es vorgestellt w[ird] nicht insofern es ansich ist entgegengesetzt w[erden] kann ) ist das Nicht-Ichschlechthin Nichts dem einschraumlnkbaren Ich entgegengesetztist es eine negative Groumlszligeldquo3

bdquoIch setze im Ich dem teilbaren Ich ein teilbares Nicht-Ichentgegenldquo4

Grundsatz des Theoret[ischen] bdquoDas Ich setzt sich selbst alsbeschraumlnkt durch das Nicht-Ichldquo5

In dem Satze welcher das Resultat der drei Grundsaumltze dergesamten Wissenschaftslehre ist d[as] Ich und d[as] Nicht-Ichbestimmen sich gegenseitig liegen folgende zwei bdquoD[as] ichsetzt sich als bestimmt durch das Nicht-Ich ldquo6 und dannbdquoDas Ich setzt sich als bestimmend das Nicht-Ichldquo7 welcherder Hauptsatz aller praktischen Wissenschaftslehre ist

1 Vgl ebenda Erster Teil sect 3 B Nr 9 S 28-292 Im Ms folgt gestr hat3 Vgl J G Fichte Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre a

a O Erster Teil sect 3 C Nr 1 S 29-304 Ebenda D S 305 Ebenda Zweiter Teil sect 4 A Nr 1 S 536 Ebenda B S 567 Ebenda S 56

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[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Wahrheit des Ideals]1

271 Nichts ohne Ich Der letzte Satz wird geleugnet Das Ichkann man wegdenken aber der Gegenstand ist ohne daszlig d[as] Ichist Klar hierin liegt eine Taumluschung und w[ir] bilden uns ein es seihelle auch wenn kein Auge waumlre denn es ist nur Einbildung ichdenke die Wirkung des Lichts auf d[as] Auge schon in den Gegen-stand hinein Wir haben die Vorstellung vom Licht von der Farbenur durch d[as] Auge und wir koumlnnen uns daher keine helle Weltohne Auge denken sondern nur glauben zu denken d h einbildenals koumlnnten wir was aber nicht der Fall ist Der M[ensch] kann hiernicht von sich abstrahieren und abstrahiert vom Organe aber dieWirkung des Organs versetzt er schon in den Gegenstand Darumw[ird] das Auge aus dem Gegenstand und der Gegenstand aus demAuge erkannt Der Gegenstand des Sehenden ist das Sichtbare undso unendlich mannigfaltig das Sichtbare dem Stoff nach ist ist eswesentlich doch dadurch bestimmt daszlig es ein Objekt des Auges istgleichwie es eine Bestimmung des Lichts ist daszlig es2 kein Gegen-stand des Objekts ist ndash rein durchsichtig aber nicht selbst sichtbarWenn man den M[enschen] individuell [] auffaszligt so mag die Leh-re D[ie] Welt ist nichts ohne Ich subjektiv hochmuumltig erscheinenaber wenn man es philosophisch erfaszligt wie Fichte wenn man sichdenn das Auge als Organ des Scheines nicht des Menschl[ichen]uumlberh[aupt] und das Bewuszligtsein als Bewuszligtsein nicht als meinesund deines sondern wie es selbst das Prinzip des M[enschen] istdas ohne welches der M[ensch] nicht Mensch ist so faumlllt dem Ver-nuumlnftigen d[as] Paradox a[uf] Der M[ensch] kann allerdings vonsich als Subjekt abstrahieren aber nicht vom Schall Houmlren vomBewuszligtsein Die Welt ohne Bewuszligtsein ist gleich nichts Aber wieviele Gegenstaumlnde sind von denen wir nichts wissen und vielleichtauch andre nichts wissen und doch3 sinnhaft [] werden [] IhrerSpezialitaumlt nach sind [sie] nicht Objekt des Bewuszligtseins Aber dieWelt im Ganzen im wesentlichen in der sie sich befinden ist Ob-jekt des Bewuszligtseins Sie stehen unter bekannten Kategorien ndash sosehr der besondre Inhalt verschieden sein mag ndash so wenn [] alleHimmelskoumlrper unter dem Gesetz der 272 Attraktion stehen daherauch ein absolutes ein Wesensunterschied zwischen den entfalteten 1 Uumlberschrift am Rande r o moumlglicherweise von fremder Hand ndash

Beilage in A nicht beruumlcksichtigt2 es sie Ms3 Im Ms folgt gestr nicht

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uns unbekannten und den [hellip] uns bekannten Gegenstaumlnden nicht[hellip] Dem Weisen genuumlgt die Kategorie der Gesetze dem sinn-lich[en] Menschen freilich nur die sinnliche Vielheit in Verschie-denheit im Grunde nur zu wissen wo er das Partikulaumlre wahrnimmtDem Wesen genuumlgt auch eine Liebe und Freundschaft in die Ferneohne unmittelbare persoumlnliche Bekanntschaft der sinnlicheM[ensch] muszlig die Person beschnuppern [] und betasten Den Mei-sten genuumlgt das Allgemeine er schlieszligt daraus daszlig sie auch wieandere nicht wesentlich verschieden sind daszlig sie Nase MundOhren haben [] Welche ist ihm gleichguumlltig darin daszlig wir vieleDinge nicht wissen liegt mehr Weisheit und Vernunft als wenn wires wuumlszligten (ob es gleich nicht Geheimnisse gibt d[ie] nur gemachtekuumlnstliche G[egenstaumlnde] sind hervorgerufen durch ungeschicktes(urspruumlngl[iches]) Verhalten und ungebuumlhrliches Fragen) Die Fra-ge Ist ein Schall ohne Ohr ein Geruch ohne Nase ist laumlcherlichebenso als die Antwort Ja Auch wenn die Geruumlche nicht waumlrenwuumlrden die Dinge riechbare Stoffe exhalieren Denn wir wissennichts ohne riechb[are] Eff[ekte] [] und [] nichts [] ohne GeruchDas wovon wir nur eine Vorstellung haben durch den Sinn dasdessen Dasein fuumlr uns eben nur dieser Sinn ist oder uns nur durchihn gegeben ist koumlnnen wir uns nicht denken ohne diesen Sinnohne uns einer albernen Einbildung schuldig zu machen ohne zufaseln Nicht mit Vernunft hat man gesagt D[er] Gegenstand derwahrgenommen w[ird] nimmt in dem Wahrnehmenden sich selbstwahr das Auge ist der Spiegel des Gegenstands ndash Bruno Sol seipsum videt [Die Sonne sieht sich selbst] Hegel Gott indem ergedacht w[ird] denkt sich selbst ndash Das Bewuszligtsein des M[enschen]von der Welt ist das Selbst-Bewuszligtsein der Welt die selbstbewuszligteWelt aber mit demselben Rechte kann man sagen weil derM[ensch] kein toter geistiger sondern ein sich selbst abspiegelnderein lebendiger selbsttaumltiger selbstbewuszligter Spiegel ist DerM[ensch] nimmt im Wahrgenommenen sich selbst w[ahr] dasm[enschliche] Bewuszligtsein von der Welt ist sein Selbstbewuszligtseindie Welt ist sein Ich Dem Gegenstand seines Selbstes dieses seinSelbst folgt [] Der Gegenstand 1

1 Text bricht ab ndash Am Rande quodcumque quod extra nos est pro eo ut

confirmatus a nobis ita nos sibi subjectos habet Epikt[eti] Arrian[i] LibIV c 4 p 44 [Jedes aumluszligere Ding welches es auch sei dem man einenhohen Wert beilegt macht von andern abhaumlngig Uumlbers aus EpictetusWas von ihm erhalten ist Epiktet nach d Aufzeichnungen Arrians Heidelberg 1926 Lib IV cap 4 S 287]

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[Zur XVIII Vorlesung ndash Differenzen Hegel und Schelling]1

3222 Die Entwicklung wie sie H[egel] in s[einer] wissen-schaftl[ichen] Methode befolgt und Schell[ing] als einen realenEntwicklungsprozeszlig des goumlttl[ichen] Wesens auffaszligt ist we-sentlich zu unterscheiden Auf ihrer Unterscheidung beruht dieErkenntnis uumlberh[aupt] der Differenz zwischen H[egel] undSch[elling] ndash eine Differenz die bereits keineswegs in derLiteratur schon befriedigend eroumlrtert ist Nur der Geist ist we-sentlich bei H[egel] wie er sagt Prozeszlig aus sich selbst sichentwickelndes Leben sich selbst hervorbringende TaumltigkeitResultat seiner selbst er ist nur das wozu er sich selbst machtAber dieses aus sich versubstantialisiert verselbstaumlndigt hypo-stasiert S[chelling] als ein nicht-intelligentes Prinzip er reali-siert fixiert die bloszlige Moumlglichkeit als ein Subjekt ein Substratdas er voraussetzt der Intelligenz Es ist an und fuumlr sich unlo-gisch unphilosophisch sich widersprechend mit dem Setzender Finsternis die Welt erleuchten und erklaumlren zu wollen wirhaben nur das Licht um die Welt hell zu machen und diesesist d[ie] Intelligenz es ist eine Inkonvenienz [Unschicklich-keit] ja ein Verstoszlig gegen die Idee und Vernunft an die aumluszliger-ste Spitze der Realitaumlt einen dunkeln Wolkengrund hinzustel-len aus dem wie ein Blitz die Intelligenz herausfaumlhrt DasAnfaumlngliche in der Bestimmung eines nicht-intelligenten Prin-zips wenn dieses gleich das moumlgliche Intelligente ist zu set-zen ist kein Akt der Intelligenz des Denkens die Intelligenzkann nur sich selbst3 setzen sie kann das4 Objektive auch nurals Intelligenz anschauen oder wenigstens als IntelligiblesVernuumlnftiges sie kann das Reale das Urspruumlngliche nur alsIntellig[enz] fassen was in uns so erscheint Denken koumlnnenwir nur das Denkbare Vorstellen Einbilden kann man sichalles Moumlgliche aber denken kann man nur das VernuumlnftigeWahre Denken ist die wahre houmlchste Taumltigkeit des Geistes siekann also nicht ihr Gegenteil denken sonst wuumlrde sie sichselbst aufheben der Irrtum als solcher fuumlr sich ist undenkbarDie Einsicht in den Irrtum ist nur moumlglich als die direkte oder 1 Am Rande r o Zur 18 Vorlesung [moumlglicherweise von fremder

Hand] In A folgt Uumlberschrift [Hegel Schelling]2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1623 Im Ms folgt gestr denke4 das sich Korr im Ms

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wenigstens indirekte Einsicht der Wahrheit Das Setzen einesnicht-intelligenten Prinzips ist also selbst eine Handlung derNicht-Intelligenz der Nicht-Philosophie denn die1 Intelligenzkann sich nicht selbst verneinen ist eine Handlung der Phanta-sie der Vorstellung Sch[elling] setzt so eine dunkle Vorstel-lung dem 3232 Gedanken voraus die Intelligenz den Gedan-ken selbst faszligt er nicht als ein entwickelndes Leben und weilkeine Bewegung also in dem intelligenten Wesen waumlre setzt erals das eigentlich unmittelbar Lebendige in die dunkle Vor-stellung eines Grundes Er wirft in den Kristallquell des goumlttli-chen Lebens einen dunkeln Erdklumpen hinein weil ihm dieBewegung die das Wesen fuumlr sich hat zu tot abstrakt lang-weilig ist er bringt auch wirklich durch diesen Hineinwurf einaufgaumlrendes aufbrausendes Wesen hervor aber er hat auchdadurch dem Kristallquell seinen schoumlnsten Schmuck genom-men s[eine] Hellig[keit] ihn getruumlbt Sch[elling] ist uumlber-h[aupt] ein Geist [der]3 mythologisiert nicht philosophiert derdie Ideen in Fabeln und Mythen verwandelt Seine Entwick-lungsgeschichte Gottes in Gott ist eine wirkliche Theogonie Ererfaszligt die Idee nicht in der Form des Begriffes Leben ist fuumlrihn nur in der Sage dem Mythos der Erzaumlhlung Tod im Be-griffe in der denkenden Erkenntnis H[egel] ist das Umge-kehrte das Entgegengesetzte Die Entwicklung die er als dieLebensform des Wahren faszligt muszlig daher bei ihm schon not-wendigerweise eine ganz andere Gestalt eine wesentlich ver-schiedne Form annehmen Bei H[egel] ist die Vernunft selbstdieses Leben in sich die absolute Idee ist ein Kreis ein in sichgeschloszlignes und vollendetes sie faumlngt mit sich an und endet insich Sie ist kein passiv sich entwickelndes Leben wie dieEntwicklung der Natur z B der Pflanze ihre Entwicklung istSpontaneitaumlt Selbsttaumltigkeit die Entwicklung Sich-Selbst-Hervorbringung sie setzt selbst das4 Niedere Untere Andereihrer was Sch[elling] als Substanz voraussetzt5 und6 ist darinnur ihrer selbst gewiszlig und bewuszligt sich zuruumlckziehend auf sich

1 Im Ms folgt gestr Nicht2 Im Ms folgt dem3 Im Ms folgt gestr der Idee4 Im Ms folgt gestr Nichtintelligente5 Im Ms folgt gestr als ihren Gegensatz6 und aber Korr im Ms

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selbst H[egel] faumlngt nun an 3241 von dem Unvollkommen-sten Abstraktesten um uumlber den2 Anfang hinaus zum Grundezum Prinzip desselben zu kommen Das Resultat ist das wahr-haft Erste Die Idee in der Logik ist nicht[s] anderes als derBegriff des absoluten Wesens wie es in der Logik Gegenstandist in der Logik w[ird] Gott nur als Idee betrachtet als absolutrealer Geist w[ird] er erst in den konkreten Teilen der Philoso-phie bestimmt3 in dem Elemente des reinen Denkens nimmtGott das absolute Wesen nur die Form der Idee an In derLogik kommt uumlberhaupt der Inhalt aller andern Wis-s[en]schaften schon vor aber lediglich nach s[einer] logischenBedeutung so kommt in ihr vor der Begriff des Guten desErkennens ebenso des Mechanismus des Chemismus aberlediglich nur nach der Bedeutung die sie fuumlr den Gedankenhaben nach der Stufe die4 sie im Ganzen einnehmen der Me-chanism[us] der Chemism[us] sind Kategorien so gut wie dieKategorien der Quantitaumlt der Qualitaumlt aber schon konkretereinhaltsreichere houmlhere Kategorien Kategorien die nicht mehreinfache Bestimmungen sind sondern selbst Totalitaumlten Soalso kommt der Begriff des absoluten Wesens das unter keinebestimmte Kategorie mehr faumlllt das die absolute Totalitaumlt undFuumllle aller Kategorien ist auch in der Logik [vor] aber hier indem Namen und unter der Form der absoluten Idee derenMomente und Bestimmungen nur Sein und Wesen sind Wasdaher von der absoluten Idee gilt das gilt auch von dem abso-luten Wesen wenn und wie es nicht mehr als Idee sondern alsabsolut konkreter und realer Geist gedacht w[ird] Houmlchstwichtig ist es wenn man H[egel] nicht Dinge aufbuumlrden willdie nicht in s[einem] wahren Sinne liegen So haben ihn aber325 die meisten verstanden als unterwuumlrfe er Gott dem Fa-tum einer Entwicklungsgeschichte so daszlig Gott sich aus einemunvollkommnern Zustande gleichsam zum vollkommnernBewuszligtsein fortentwickele oder wenn auch nicht einem Fa-tum da die Entwicklung aus ihm vor sich gehe der Grundderselben er selber sei doch wenigstens einer realen Entwick-lung Dies ist5 eine rohe krasse Auslegung Die absolute Idee

1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1632 den [so auch A] dem Ms3 bestimmt realisiert Korr im Ms4 die in der Korr im Ms5 Die ist Im Ms irrtuumlmlich gestr

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ist das A und O der Logik die Idee des Seins setzt voraus alsihr Prinzip die Idee der Idee Man kann daher mit dem Schlusseder Logik anfangen und aus der Idee erst das Sein das Wesenkurz die endlichen Kategorien ableiten Hegel hat selbst ein-mal wie er selbst sagte die Logik so vorgetragen Also ist aufGott nicht dieser Entwicklungsprozeszlig anzuwenden Er ist dasabsolute Prius Die philosophischen Ideen w[erden] immer soverstanden daszlig man [ihnen] die Vorstellungen die man auszligerder Philosophie hat und die nur eine ganz entfernte Analogiemit ihnen haben unterschiebt so schiebt man der Idee H[egels]die Vorstellung unter die man von der Entwicklung einesMenschen aus dem Zustande der Unwissenheit zum Be-wuszligts[ein] die Entwicklung der Pflanze die nur als Bild ge-braucht w[erden] kann unter und vergiszligt daszlig diese Entwick-lung in dem Kreise der selbsttaumltigen Intellig[enz] vor sich gehtdie nicht unmittelbar bestimmt ist sondern sich selbst be-stimmt daszlig die Bestimmungen in die sich die Idee versetztSelbst-Bestimmungen derselben sind Nun ist allerdings nichtzu leugnen daszlig die Darstellung H[egel]s selbst diesen Miszligver-stand diesen Schein1 als unterwuumlrfe er das absolute W[esen]der Entwicklung wie einer aumluszligern Naturnotwendigkeit erregtund mit sich fuumlhrt Es gibt Miszligverstaumlndnisse denen notwendigdie Philos[ophie] ausgesetzt ist um die sie sich daher auchnicht zu kuumlmmern hat weil2 nicht ihr Schuld gegeben w[ird]sondern in dem Unverstand3 ihre Quelle haben Aber es gibtMiszligverstaumlndnisse die in einem objektiven Mangel ihren Grundhaben Und dieser scheint bei H[egel] darin zu liegen daszlig erdie Kreisbewegung der goumlttlichen Idee nicht bloszlig im Begriffezu erfassen und nachzuweisen 3264 sondern auch selbst inder Darstellung5 versinnlichte daszlig also nicht die Idee nursondern auch die Darstellung der Idee selber eine Kreisbewe-gung sein soll daszlig er selbst formell diese Beweg[ung] gleich-sam nachmachte Daher kommt es auch daszlig seine Methode solebendig und tief und objektiv sie an sich ist doch in einengewissen Formalismus und Mechanismus verfiel Daher kames daszlig man die Darstellung der Idee fuumlr die Idee selbst hielt

1 Schein Schein A2 Im Ms folgt sie3 Im Ms folgt gestr der Phil[osophie]4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S 1645 Im Ms folgt gestr zu

323

daszlig man das Subjektive1 und Objektive miteinander verwech-selte2 daszlig man die Logik selbst in ihrer Ausbreitung auf demPapier fuumlr das absolute Wissen in selbsteigner Person hielt dadoch subjektiv d h in Bezug auf den Philosophen die Logiknur das Wissen von dem absoluten Wissen ist Eben dadurchdaszlig H[egel] in der Darstellung selbst die Idee vergegenwaumlrtig-te wurde [sie]3 unvermeidlich eine Verendlichung des Unend-lichen eine Veraumluszligerung und Zerteilung des an sich Identi-schen eine Zerlegung in nacheinander auftretende Momenteund Stufen wenigstens wenn auch nicht der Idee dem Inhaltedoch der Form nach so daszlig der der4 sich nur an die Darstel-lung haumllt allerdings auf solche Vorstellungen verfaumlllt als sichviele von H[egel] machen Es haumlngt damit zusammen daszligH[egel] uumlberhaupt zu sehr sondert und teilt daher auch derUumlbelstand kommt daszlig dieselben Gegenstaumlnde mehrmals vor-kommen muumlssen weil sie jedesmal nur in einer besondernBestimmtheit die nicht ihr ganzes Wesen ausdruumlckt betrachtetwurden Ein Uumlbelstand durch den viele scheinbare aber auchwirkliche Widerspruumlche entstehen Die Idee der Einheit trittdaher uumlberhaupt zu sehr bei H[egel] in den Hintergrund Es istnotwendig daszlig5 fuumlr uns nur sukzessiv die Gedanken entstehen[wir] zum Bewuszligtsein eines Gegenstandes nur nach und nachkommen Aber eben in dem Gedanken der Einheit soll dieWiss[enschaft] die Sukzession vernichten nur dadurch beru-higt und befriedigt sie den Menschen Aber eben bei Hegelobwohl die Momente zuruumlckkehren in die Einheit in das Prin-zip woraus sie entspringen ist doch durch die Bedeutung6 dieder Darstellung gegeben w[ird] erloumlst die Wissensch[aft] nichtvon dem natuumlrlichen Uumlbel der sukzessiven Wahrnehmung327 Aber uumlber diesen Mangel der Form und Darstellung nachmuszlig man nicht das Tiefe und Wahre der Idee uumlbersehen diebei Hegel auch zugrunde liegt

1 Subjektive [so auch A] subjektive Ms2 verwechselte [so auch A] verwechselt Ms3 [sie] es im Ms gestr4 der [so auch A] wer Ms5 Es daszlig Im Ms gestr6 Im Ms uumlber der Zeile unleserl Erg

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[Die Kanzel-Moralisten]1

Die Moralisten auf der Kanzel gleichen den Rhetoren2 derAlten die hauptsaumlchlich nach dem Untergang der echten Rede-kunst3 erdichtete Faumllle willkuumlrlich ersonnene Verhaumlltnisseoder auch4 laumlngst vergangene Ereignisse so behandelten alswaumlren sie Ereignisse ihrer Zeit und ihrer naumlchsten UmgebungEs laumlszligt sich leicht vorstellen wie unappetitlich wie eindrucks-und bedeutungslos diese Reden uumlber fingierte Faumllle warenzumal wie hohl deklamatorisch diese Versetzung einer Ver-gangenheit in die Gegenwart dieser blinde Feuerlaumlrm uumlbereinen laumlngst verwesten Philipp oder Catilina diese Vorstellungvon fuumlrchterlichem Unheil und schrecklichen Gefahren diedoch nur den Worten nach existierten welche jedoch weiternichts in Bewegung setzen als die beiden Lungenfluumlgel undden Unter- und Oberkiefer des mutigen Rhetors Nichts ande-res und nichts besseres tut der moralisierende Redner auf derKanzel Gewaltig draumlngt sich aus seinem Mund der Stromseiner Rede hervor alle Springbrunnen Wasserleitungen Ka-naumlle und Schleusen werden wie Gefangene in Freiheit gesetztes blitzt und donnert er droht und beschwoumlrt er klagt undfrohlockt er schildert und verheiszligt er demonstriert und dekla-miert aber woruumlber5 Uumlber ganz unschuldige unschaumldlicheDinge die im friedlichen Gehege leerer Abstraktion ihr stillesSchattenleben fuumlhren und mit ihrer Gegenwart so wenig je dieWelt inkommodieren werden als ein Catilina im zweiten Jahr-hundert nach Chr[isti] Geburt den roumlmischen Staat6 so gefaumlhr-lich ihn auch [] muumlszligiger Tor schildert uumlber zwar gedachteaber sofern sie aller Existenz ermangeln nur erdachte Dingeuumlber ein Gesetz und eine Pflicht die nie wirklich ist7 nie wirk-lich wird8 und eigentlich auch wenn man so recht darauf ein-geht nie wirklich werden soll9 Denn sollte sich einmal der

1 Vgl BwN I S 328-329 ndash Am Rande von fremder Hand 183562 Rhetoren Rhetorikern Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr uumlber4 Im Ms folgt gestr uumlber5 Am Rande saumlmtlicher Geheimnisse Zauber und [] Kunst6 Im Ms folgt gestr wenn er auch noch7 ist sind BwN8 wird werden BwN9 soll sollen BwN

325

ungluumlckliche Fall ereignen daszlig1 Pflicht und Gesetz von einemIndividuum vollkommen erschoumlpfend ganz und rein erfuumllltworden ist so waumlre ja damit das Sollen2 die wesentliche Be-stimmung der Pflicht aufgehoben3 die erfuumlllte Pflicht ist keinePflicht mehr in seiner Erfuumlllung hat das Gesetz sein Ende DerMoralist predigt also nicht uumlber etwas Wirkliches uumlber Etwaswas ist und besteht uumlber ein daseiendes Reich Gottes uumlbereinen sichtbar gewordenen im Fleisch erschienenen SohnGottes eine vorhandene festgesetzte und bestimmte himmli-sche Welt nicht uumlber etwas Gegenwaumlrtiges denn entweder4

rhetorisiert er uumlber den demoralisierten Zustand so seiner Ge-meinde oder der ganzen Zeit uumlber die Verletzung und Uumlber-tretung also uumlber das Nichtdasein des 5 Pflichtgesetzes in denGesinnungen und Handlungen der Menschen oder uumlber Etwaswas noch nicht ist uumlber etwas Zukuumlnftiges was6 erst werdenund geschehen soll und immer werden soll aber nicht ist uumlberdie Pflicht und deren Erfuumlllung Wahrlich ein possierlicherAufenthalt und Standpunkt auf einem reinen Nichtsein undeinem Nochnichtsein Zwar greift der Moralist auch in dieblaue Zukunft hinein er antizipiert den Fall daszlig die Pflichterfuumlllt werde denn7 sie koumlnne und muumlsse8 erfuumlllt werden9 weilsie es solle und das auch dann wenn sie erfuumlllt worden aufdas Bewuszligtsein des Verdienstes die Pflicht mit Selbstaufopfe-rung und arbeitsvoller Taumltigkeit getan zu haben10 Ruhe Be-friedigung und Seligkeit so gewiszlig erfolgen werden als dieWetterprophezeiungen des Kalenders11 Doch mit dieserPflichterfuumlllung istrsquos nicht ernst das ist nur so hingesagt ohneselbst vom Moralisten wenn er sich aufs Gewissen fragt ge-glaubt zu werden sie ist eine von den vielen Moumlglichkeitenmit denen12 sich der Moralist zwar viel herumtreibt welche 1 Im Ms folgt gestr die2 Hervorgehoben in BwN3 Hervorgehoben in BwN4 Im Ms folgt gestr deklamiert5 Im Ms folgt des6 was das BwN7 denn und Korr im Ms8 koumlnne und muumlsse auch Korr im Ms9 Im Ms folgt gestr unleserl Wort10 Am Rande unleserl Ergaumlnzung11 In BwN folgt eintreffen12 denen welchen BwN

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aber so wenig1 zur Existenz gelangen als die vielen als moumlg-lich angenommenen und vorgeschlagenen Mittel und Wege inden Mond hinauf- oder in den Mittelpunkt2 der Erde hinabzu-steigen Er muszlig daher einen anderen Weg einschlagen umseinen Juumlngern fuumlr das gespenstische Schweben von einemNichtsein zu einem Nochnichtsein den Besitz von Etwas zuverschaffen was so ziemlich die Art den Schein und Manier3

von einem Wirklichen hat der groszligmuumltige Moralist erlaumlszligtdaher ihnen4 das unaufloumlsliche Problem einer Pflichterfuumlllungaufzuloumlsen5 man braucht nicht nach dem zwar ausgesproche-nen aber nicht so gemeinten Comment das ganze Maszligglasausleeren6 der humane Kanzelpraumlses ist schon zufriedenge-stellt wenn man nur so viel daran genippt und geleckt hat alsin Kraumlften stand Strebet7 nur redlich gewissenhaft und ernst-lich nach der Pflicht euer Streben8 ist schon genug sowohl fuumlrdie Pflicht als auch fuumlr euch fuumlr euer Wohl und Heil in eue-rem Streben9 habt ihr eine reichliche Schuldentilgungskasse fuumlrden strengen Glaumlubiger das Gesetz10 und zugleich ist es fuumlreuch mit dem honigsuumlszligen Bewuszligtsein verknuumlpft getan zuhaben und zu tun soviel als ihr konntet und koumlnnt und mitdiesem wieder Ruhe und Befriedigung mit dieser wieder Se-ligkeit11 und mit der Seligkeit wieder ein Zustand in dem12

1 so wenig von Korr im Ms2 den Mittelpunkt Fehlt in BwN3 Manier die Materie BwN4 ihnen seinen Zuhoumlrern BwN5 aufzuloumlsen Unleser Korr im Ms6 ausleeren auszuleeren BwN7 Strebet Hervorgehoben in BwN8 Streben Hervorgehoben in BwN9 Streben Hervorgehoben in BwN10 Gesetz Hervorgehoben in BwN11 In BwN folgt euer Theil12 und mit diesem wieder dem und in diesem Bewuszligtsein ist wieder

Ruhe und Befriedigung mit diesen wieder Seligkeit euer TheilBwN ndash Text bricht ab

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II Studien Kritiken und Aphorismen

1 Eintrag in das Poesiealbum eines Ansbacher Freundes1

Unser Vaterland ist jetzt im Spital Alles darin leidet Frei-heit und Recht liegen auf dem Sterbebette und die alten erha-benen Tugenden schleichen nur noch wie blasse duumlrre Totenge-rippe daher und leider sind die Aumlrzte die zu seiner Heilungberufen sind teils selbst auf dem Hunde teils klaumlgliche Quack-salber Darum wollen wir uns zu gesunden und tuumlchtigen Aumlrz-ten bilden die nicht aus Lohnsucht sondern aus reiner Liebezum Vaterland an seiner Heilung arbeiten

Bloszlig in der Treue dieser Vorsaumltze wird die Treue unsererFreundschaft bestehen koumlnnen

Dein Freund und Bruder

Ansb Ludw Feuerbach30 Maumlrz 1823 St Th

1 Uumlbernommen aus G Vocke Feuerbach Erinnerungen Ansbach

1925 S XV ndash Widmung an Christian Heinrich Sixt

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2 Excerpten1 aus Herders Briefe das Studium der Theologiebetreffend anno 1823 im Winter2

[Aus] XIV3bdquoUnglaube4 mag die Pest des Christentums sein schlechte

Beweis-Metaphysik5 ist s[eine] garstige faule Seuche6 Essterben mehr Menschen an dieser wie viell[eicht] an jenerund in uns[ern] Tagen ist sie die Modekrankheit7ldquo8

[Aus] XVbdquoWerden Sie so gluumlcklich nur einige zu uumlberzeugen daszlig

sie sich ohne Schwaumlrmerei und Aberglauben entschloumlssendem Leben und der Lehre Christi maumlnnlich9 zu folgen nachs[einen] Grundsaumltzen zu leben in Wahrh[eit] und stiller Lie-be moumlgen Sie nun diese Leute kennen od[er] nicht10 ndash dasletzte immer um so besser Lasset uns Christi11 Juumlnger zie-hen nicht12 uns Lasset uns ihn nicht uns predigen Liebe istGeist des Christent[ums] nicht Gebraumluche allgemeinerreiner Geist der Wahrheit wo Wahrh[eit] sich finde keineeinzelne Klausur von Wortenldquo13

bdquoDie kuumlnftige Welt wird nur aus dem bestehen was in die-ser reell d i echtes Christent[um] war und als solches in sieuumlbergehen konnteldquo14

1 Exerpten Excerpta BwN2 J G v Herder Briefe das Studium der Theologie betreffend 4

Thle Weimar 1780ndash1781 [beiliegendes Titelblatt]3 In BwN folgt als Einleitung wo das Christentum als historische

Begebenheit gefaszligt wird zu deren glaumlubiger Annahme man nie-manden zwingen koumlnne die Bemerkung

4 Text im Ms am Rande unter der Uumlberschrift 1823 G Herder5 schlechte Beweis-Metaphysik Hervorgehoben in BwN6 garstige faule Seuche Hervorgehoben in BwN7 Modekrankheit Hervorgehoben in BwN8 J G v Herder Briefe das Studium der Theologie betreffend 2

Thl Weimar 1780 Brief 14 S 2489 maumlnnlich naumlmlich BwN10 nicht o Ms11 Christi Christo BwN12 nicht o Ms13 J G v Herder Briefe a a O Brief 15 S 25914 Ebenda S 262

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[Aus] XXIIIbdquoFliehen Sie es wie e[ine] Pest uumlber Relig[ion] zu strei-

ten denn uumlber das was eigentl[ich] Relig[ion] ist laumlszligt sichnicht1 streiten Weder erstreiten noch wegstreiten laumlszligt sichrsquosso wenig man das Licht houmlren od[er] den Geist malenkannrdquo2

1 nicht o Ms2 J G v Herder Briefe a a O Brief 23 S 391

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3 An meine erste Geliebte

Die unter dem Zunamen logische Idee weltbekannteSophia gegenwaumlrtig Hofschauspielerin in Berlin

Sophia Du bist fuumlrwahr von wunderherrlicher SchoumlnheitNie entzuumlckte mein Aug je noch so eine Gestalt

Ach wie zart ist Dein Fleisch wie ganz aumltherischen Wesens Daszlig es nimmer ist Fleisch sondern ein Schein nur1

von ihmAller Materie frei scheint mir Dein magischer

KoumlrperIhn belaumlstiget nicht Schmerz und irdischer Stoff

Ja er ist so subtil daszlig wenn ich umarme Dichzweifle

Ob Du bist Fleisch und Blut oder ein himmlisch Ge-spenst

Deine Augen Dein Mund vor allem aber die ZaumlhneUnerlaumlszliglicher Schmuck sind in dem trefflichsten

StandSchoumln wie die Venus erhaben wie Juno bist Du So-

phiaAber eitel bist Du Dich nur bespiegelnd in Dir

Als2 vor dem Spiegel Du stehst zu schaun Deineigenes Bildnis

Gleich dem eitlen Narziszlig nur in Dich selber ver[liebt]Ewig bleibst Du drum Jungfer Du wirst ach nie

mehr MutterDenn3 das mager Kind welches von Dir selb[st]4

1 Im Ms folgt gestr noch2 Als Stehst Im Ms gestr und korr3 Im Ms folgt gestr auch4 Text bricht ab

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4 Das Ens der NeuplatonikerUnterschied von dem Wesen der Wirklichkeit der alten und der

Hegelschen Metaphysik

Ein sehr klares Beispiel von dem Wesen des metaphysischenDenkens und seinem Unterschied von dem Wesen der Wirk-lichkeit gibt das Ens [Eines] der Neuplatoniker das sie als dashoumlchste Wesen aussprechen Alles was ist sagen sie bestehtnur dadurch daszlig es Eines ist nimm dem Haus die Einheit sofaumlllt es zusammen ist nicht mehr Haus nimm der Pflanze kurzirgendeinem Ding die Einheit so ist es nicht mehr es selbstWesen und Einheit ist identisch Jedes ist nur das was es istdadurch daszlig es Eines ist Aber alles Wirkliche ist zugleich einVieles eine Einheit von Vielem eben deswegen eine zerstoumlr-bare vergaumlngliche Einheit denn das Viele kann seiner Einheituntreu werden sich trennen Das wahre Wesen ist daher nurdas Eine schlechthin das nicht aus Vielen zusammengesetzteEine ndash Das Eine nicht von Vielen sondern von sich selbstAlle Einheit des Wirklichen ist nur eine Einheit durch dieseabsolute Einheit durch die Teilungen daraus Wir haben alsoein endliches und unendliches ein sinnliches und uumlbersinnli-ches ein konkretes oder objektives und ein metaphysischesoder nur intelligibles Eins Und die Realitaumlt dieses Eins scheinterwiesen indem die Einheit als ein Praumldikat der Realitaumlt derWirklichkeit aufgezeigt ist Alles ist nur dadurch daszlig es Einesist wie sollte also das Eine selbst nicht sein Allein schon dieVoraussetzung des absoluten Eins das Eine des Vielen daskonkrete Eins ist ein abstraktes ein nur gedachtes Das Haus istEins der Baum ist Eins [g]anz richtig aber das Eins des Hau-ses ist ein anderes als das Eins des Baumes Dadurch wodurchder Baum Eines ist dadurch ist es nicht das Haus es ist immerein Bestimmtes ein Verschiedenes was die bestimmten ver-schiedenen Dinge eint zusammenhaumllt oder wirkliche Einheitist Differenz Aber eben von dieser Differenz sieht ab das me-taphysische abstrakte Denken hat nur das beschaffen-heit[s]lose unbestimmte allgemeine aber ebendeswegen un-wirkliche Eins im Kopfe Es ist hier ebenso wie mit dem Seinder aumlltern Metaphysik Alle Dinge sind darin eins daszlig sie sindalso ist das Sein das Identische Unterschiedslose Allein dieseDinge an denen das Sein als Praumldikat ausgesagt wird sindselbst schon abstrakte Dinge an denen ihre Differenz wegge-

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lassen ist Es ist daher ganz in der Ordnung ja es ist notwen-dig daszlig das Subjekt endlich wegfaumlllt und das Praumldikat fuumlr sichselbst zum Subjekt gemacht wird wie es in der HegelschenLogik geschieht Die Dinge deren Wesensbestimmungen Ge-dankenbestimmungen sind loumlsen sich notwendig im Denkenauf haben keine Realitaumlt mehr auszliger dem Denken Der Schluszligder Metaphysik ist daszlig sie als Logik erkannt wird Die altenMetaphysiker hielten die Denkbestimmungen fuumlr reale Dingbe-stimmungen weil sie nur auf die Dinge nicht auf das Denkenreflektierend dieselben fuumlr keine Denkbestimmungen hieltenDer moderne durch die Kantsche Kritik der reinen Vernunftgewitzigte Metaphysiker erkannte die metaphysischen Be-stimmungen als Denkbestimmungen erklaumlrte sie aber geradedeswegen also aus dem entgegengesetzten Grunde als realeBest[immungen] Das Eine bestimmten die Neuplatoniker alsdas Selbstgenuumlgsame bdquoAlles was nicht Eines ist sondernVieles ist notwendig beduumlrftig da es selbst nicht Eines istsondern aus Vielem Eines wird Sein Wesen bedarf daherEines zu werden Aber dessen bedarf das Eine nicht denn esexistiert bereits Das Prinzip von allem bedarf nichts vonallem Die Ursache ist nicht dasselbe mit dem VerursachtenDie Ursache von allem ist nichts von allemldquo1 Aber diese Ursa-che von allem die doch Nichts von Allem ist nichts andres alsdas Wesen der Abstraktion ob sie gleich als ein nicht selbstdenkendes Wesen bestimmt wird dieses selbstgenuumlgsameWesen [ist] nichts andres als das eigne aber gegenstaumlndlicheWesen des einsamen selbstgenuumlgsamen Denkens denn imDenken als solchem ist uumlberhaupt der Mensch sich selbst ge-nug er braucht keinen andern er bezieht sich nur auf sichselbst Und wie der Mensch im Denken nicht das Beduumlrfniseines Andern hat in sich findet was er sonst auszliger sich hat -im Denken konversiert der Mensch mit sich numquam minussolus quam cum solus2 [niemals weniger allein als wenn al-lein] - so findet auch objektiv dieses Denken sein houmlchstesWesen darin daszlig es in Eines setzt was in der Wirklichkeit anzwei verteilt ist daszlig es also Ursache und Wirkung Subjekt und

1 Vgl Plotin Die Enneaden des Plotin Uumlbersetzt von Hermann

Friedrich Muumlller Vorangeht die Lebensbeschreibung des Plotinvon Porphyrius Bd 2 Berlin 1880 6 Enneade 9 Buch S 444-445

2 Vgl Cicero De Officiis 31

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Objekt Ich und Du Sein und Sollen in ein und dasselbe Wesenzusammenfaszligt identifiziert der Intellekt der Verstand hatnichts andres im Kopfe als was auch auszliger dem Verstandeexistiert ndash es ist derselbe Inhalt innen wie auszligen dieselbenVerhaumlltnisse dieselben Kategorien in Gott wie in der Welt -aber weil er abstrahiert von der Welt von den Dingen sich nurin der Einheit mit sich befindet so vergegenstaumlndlicht er dieseEinheit in der Identifikation der Unterschiede und Gegensaumltzeder wirklichen Welt So macht er das Praumldikat zum Subjekt vonsich dasselbe zur Ursache und Wirkung von sich

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5 Identitaumlt und Unterschied1

Die Hegelsche Philosophie stellt das logische Gesetz derIdentitaumlt auf gleichen Fuss mit den uumlbrigen sogenannten Refle-xionsgesetzen Die Saumltze jedes Ding ist ungleich verschiedenentgegengesetzt sollen gleichen Rang mit dem Satze bdquojedesDing ist sich selbst gleichldquo haben Allein die Sichselbstgleich-heit oder Identitaumlt steht zur Ungleichheit und Verschiedenheitim Verhaumlltnisse der Grundlage Die Eigenschaften wodurchich ein Ding unterscheide oder anderen Dingen entgegensetzemuumlssen mit dem Gesetze der Identitaumlt wornach es dieses undkein anderes ist uumlbereinstimmen sonst ist ja der Unterschiednicht sein Unterschied der Gegensatz nicht sein GegensatzDas Gesetz der Identitaumlt steht daher nicht neben sondern uumlberden uumlbrigen Reflexionsgesetzen es ist die Regel des Unter-schiedes des Gegensatzes Ich kann die negative Elektrizitaumltnur der positiven Elektrizitaumlt nicht irgend einer anderen Positi-vitaumlt das Suumlsse nur dem Saueren das Boumlse nur dem Guten dasWeisse nur dem Schwarzen d h nur die Farbe der FarbeMoralisches nur Moralischem einen bestimmten Geschmacknur einem anderen Geschmacke entgegensetzen Ein wahrernothwendiger naturbegruumlndeter Gegensatz ist nur der welcherdas logische Gesetz der Identitaumlt respektirt Dieses Gesetzverwerfen oder wenigstens dem Gesetze der Verschiedenheitund Gegensaumltzlichkeit gleichstellen heisst daher der WillkuumlrThuumlr und Thor oumlffnen bdquoAber die Logik hebt ja selbst durch denSatz des Grundes den Satz der Identitaumlt auf denn indem esheisst Alles hat seinen Grund so ist ja damit ausgesagt dasses nicht mit sich identisch also Anderes sein Grund seildquo Istdenn aber dieses Andere was als Grund gesetzt wird nichtauch durch das Gesetz der Identitaumlt bestimmt Kann ich ohneUnterschied was ich nur immer will als Grund von Etwasanfuumlhren Kann ich Gott z B als moralisches Wesen zumGrunde der Natur machen Ist nicht Gott als Grund der Naturselbst nothwendig ein Naturwesen Hebt also der Satz desGrundes das Identitaumltsgesetz auf Nein er hebt es nicht nurnicht auf son-dern bestaumltigt es Warum kann ich Gott als mo-ralisches Wesen nicht zum Grunde der Physik machen Weiles dem Begriffe desselben widerspricht weil ich dem Gesetzeder Identitaumlt zufolge aus einem moralischen Wesen auch nur 1 BwN I S 397-398

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moralische aber keine physischen Gesetze und Prinzipienableiten kann

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6 Gedanken 1834351

Der Glaube ist eben eine solche Wirklichkeit in der Gott istals irgend eine aumluszligere Wirklichkeit in der Natur In dem Glau-ben erkennen wir eine wesentliche Bestimmung Gottes

Die Religion ist die Tonkunst des Geistes die houmlhere Spra-che der Empfindung

Das Herz ist nichts als der Logos der Fleisch geworden

Das Herz ist der geistige Begattungstrieb

Die Geschichte Gottes muszlig man nicht als Historiker sondernals Metaphysiker denken Das sei dir gesagt lieber Daumer

Der Sinn ist die Phantasie der Vernunft

Das Allgemeine versteckt sich zum Zeitvertreib hinter dasEinzelne dieses ist die Lust die es bei scheinbarem Selbst-verlust an sich sich selbst hat

Die Hegelsche Logik mit ihren Distinktionen ist ein philoso-phisches Sprachlexikon eine Purganz des Verstandes Gottmag auch ein Metaphysiker sein da er nach Platon ein Geo-meter war

In der Vergleichung mit der Dicht- und Tonkunst laumlszligt sichdas Wesen der Philosophie anschaulich machen Von der be-schraumlnkten sich einengenden und das Eingeengte und Be-schraumlnkte sich unbeschraumlnkt ergehen lassenden Form der Idyllebis zur Tragoumldie von einem Walzer einem Schnaderhuumlpferleinem Liede bis zur Symphonie eines Beethoven - DasSchnaderhuumlpferl hat wohl auch sein Recht seine Stelle wie diebeschraumlnkte im engen Hauswesen der empirischen Psycholo-gie und Anthropologie sich sistierende Philosophie Wie dieeigentliche Philosophie aber ist dem zahllosen Haufen eineShakespearesche Tragoumldie ein Oratorium begreiflicherweiseetwas was ihn anwidert ein Gemachtes nur Kuumlnstliches odergar ein Nichtiges Unwahres was ihn zu studieren ekelt 1 Text uumlbernommen aus BwN I S 313-316

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Plebs du gibst doch zu daszlig zu einer Ode schon KlopstocksSchwung erfordert wird noch mehr zum Fuumlhlen und Fasseneiner Tragoumldie dennoch aber ein Hans Sachs oder ein Bauern-stuumlck von Voss so etwas nicht erfordert daszlig dagegen die Tra-goumldie die houmlhere Poesie die Unendliches zum Inhalt hat dieeigentliche die wahre ist

Fiat applicatio Auch zur Philosophie wird Schwung erfor-dert Begeisterung Enthusiasmus Ekstasis ist ihr Anfang werihrer unfaumlhig unfaumlhig der Philosophie

Der Bauer begreift keine Ode von Klopstock keine Tragoumldievon Shakespeare der gelehrte Bauer und Handwerksmannkeine Philosophie Aber du hilfst dir damit Sophist die Poesieist eben Kunst die Philosophie soll einfache Wahrheit enthal-ten Der Inhalt der Kunst ist eben so allgemein wie der derPhilosophie die Form die die Philosophie als System hat ihrebenso notwendig als der Dichtkunst die ihrige Und eben dieEinfachheit die wahre ist es die dem Plebs die Philosophieunbegreiflich macht Der Bauer fuumlhlt und begreift den Vossweil die Gegenstaumlnde im Kreise seiner Vorstellung bleiben

Wir sind nur so lange mit dem Leben unversoumlhnt als wir esals einen Schuldner betrachten der unsere Forderung nichtbefriedigt hat als wir noch etwas in ihm suchen was wir in unsselbst vermissen Hat es uns aber die Erfuumlllung der teuerstenletzten Wuumlnsche nicht gewaumlhrt hat es uns das Einzige genom-men was wir uns von ihm als die letzte Gnade ausbaten soversoumlhnen wir uns eben dadurch mit ihm daszlig wir nichts mehrvon ihm wuumlnschen und verlangen

Es ist schwach toumlricht durch Buumlszligungen und Entsagungeneinen begangenen Fehler gutmachen zu wollen Man machtden Fehler nur dadurch noch schlimmer als er in der Tat wardenn durch die Entsagung erneuert man fortwaumlhrend sein An-denken feiert man ihm zu Ehren im eigentlichen Sinne Ge-daumlchtnisfeste Die wahre Buszlige ist man vergiszligt ihn und be-ginnt als waumlre nichts vorgefallen von Neuem mit frischemLebensmut sein Tagewerk Sich durch die Buszlige von dem Ge-nusse und der Arbeit des Lebens abhalten lassen das heiszligt auseinem Fehler der an sich ein Nichts war ein bedeutungsvollesEtwas machen ihn bewahren ndash nicht vernichten Nicht durchden Fehler durch die Buszlige nehmen wir uns das Recht desGenusses Die Buszlige entzieht uns der Genuszlig gibt uns dem

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Menschen Und wahr gut ist nur was uns dem Leben gibt dh dem Genusse der Wahrheit und Wirklichkeit (Nov oderDez 1834ldquo)

Die erste Existenz des Menschen ist der Blick in dem zweiMenschen in Liebe zu einander entbrennen das ist der ersteFunke seines Lebens ndash die zweite Existenz des Menschen istein Druck er kommt aus dem Aumlther der reinen Liebe der Erdeimmer naumlher Der Wohllust verdankt der Mensch sein Daseindie Wollust ist selbst seine Seele ndash das Gefuumlhl der Befriedi-gung der Vollendung der Aufhebung des Unterschiedes - dieGeschlechtseinheit ist die Seele Der Mensch will noch ein-mal guter Dinge sein und sich sein Dasein recht wohl schmek-ken lassen ehe er ein Anderes an seine Stelle setzt Daher dieWohllust Und der Mensch will nicht auf die Welt kommenohne daszlig er fuumlr die Sorge die er ihr macht zum Voraus eineWohltat erwiesen hat Freilich geschah es wider sein Wissenund Wollen (bdquoOkt 1834ldquo)

Das sog Entstehen und Vergehen eines philosophischenSystems stellen sich die rohen Empiristen vor etwa nach Ana-logie der Entstehung und Vergehung der Insel Julia oder Neri-ta die im Juli 1831 erschien und den 12 Januar 1832 wiederunter den Wogen verschwand Leider ndash so wenig paszligt auchdieses rohsinnliche Beispiel ndash kam aber diese vulkanische Insel1833 wieder zum Vorschein

Der Instinkt ist nichts Anderes als der schlechthin bestimmteauf Einen Zweck nur gerichtete mit dem Lebensbeduumlrfnisidentische darum untruumlgliche Verstand Der Vogel baut zurBrutzeit ein kuumlnstliches Nest dessen Bau unsere Bewunderungerregt Aber zu einer andern Zeit oder unabhaumlngig von diesemZwecke vermag er es nicht Die Begierde wenn wir diese alsden allgemeinsten Ausdruck des Lebensbeduumlrfnisses setzen -die den menschlichen Verstand verdunkelt ist das Licht destierischen Der Vogel waumlhlt den passenden Stoff fuumlr sein Nester unterscheidet aber auch diese Unterscheidung ist eineschlechterdings bestimmte Der Instinkt ist ein schlechthinpraktischer Verstand

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Es gibt nur eine wahre vernuumlnftige Religion es ist die Le-bensfreude der durch nichts sich unterbrechen lassende Genuszligdes Positiven im Leben

Man muss auch in der Philosophie von Unten anfangen vonder Pike auf dienen nicht als ein Prinz geboren werden undschon in der Windel Major Oberst oder General sein wollen

Der Deus Crepitus bei den Roumlmern und Aumlgyptern Auch derGott der Pietisten ist ein Stoszligseufzer1

Die Geten glaubten nach Herodot an Unsterblichkeit - undwaren desshalb tapfer Es fehlte ihnen die Geschichte

Die sog unbegreiflichen Ratschluumlsse Gottes sind in der Thatnichts als die hypostasierten Perplexitaumlten in die sich das Sub-jekt verwickelt hat in Folge seiner Prinzipien die es aber un-geachtet es alle auch die naumlchsten Konsequenzen in die Irrefuumlhren nicht aufgeben will

Grenze = Kant2

Eine willkuumlrliche Grenze kann ich uumlberschreiten aber nichteine notwendige wesentliche eine Grenze der Natur ndash einemenschliche aber nicht eine goumlttliche Grenze3 Es4 ist die Zu-friedenheit mit sich selbst die Genuumlgsamkeit an sich5 dieK[ant] das Ding als an sich6 unerkennbar als1 nicht fuumlr uns

1 Crepitus ist Gott Berster d i der Wunsch des Bedruumlckten Der Gott

ist die Erfuumlllung wie Lucina die Entbinderin die ans Licht fuumlhrt2 Titel fehlt in BwN3 Eine willkuumlrlichegoumlttliche Grenze Es gibt Dinge uumlber die man

nicht hinausgehen kann ohne unter sie herunter zu kommen ndash einsolches Ding ist die Vernunft [In BwN folgt Absatz] Die wahreGraumlnze das Positive meiner Natur BwN ndash Am Rande Ist sie einewahre Grenze so konstituiert sie das Wesen die Natur desMensch[en] Sie konstituiert [] uumlber das er nicht hinausgehenkann nicht hinausgehen mag ndash die aber diese Grenze ist der Quellseiner Befriedigung Die Grenze existiert nur in uns[erer] Vorstel-lung sie ist an sich nichts als die Natur eines Dinges in Vergleichund Bezug auf ein andres gesetzt Fehlt in BwN

4 Es Fehlt in BwN5 In BwN folgt selbst6 als an sich an sich als BwN

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seiend abweist2 ndash nicht die Einsicht in die Unmoumlglichkeit derErkenntnis ist das Erste das Wichtigste wie es sich die Mei-sten ausbilden3 Es ist4 eine Indifferenz ndash ein Phlegma ndash einsich Wohl- und Behaglichfuumlhlen innerhalb dieser willkuumlrli-chen5 Grenze6 Die Vernunft zu erkennen ist wichtiger als dieDinge7 das Denken ist mehr wert als d[as] Ding an sich Sovon der einen Seite8 Von der anderen aber auch die Beschraumln-kung auf d[as]9 Praktische Sei gut sei einmal M[ensch]10Voila tout11

1 als Fehlt in BwN2 In BwN folgt Danach ist das Erste3 ist das Ersteausbilden Fehlt in BwN4 Es ist sondern BwN5 dieser willkuumlrlichen der BwN6 In BwN folgt Absatz7 Die Vernunftdie Dinge Fehlt in BwN8 SoSeite Fehlt in BwN9 aberauf das Seite heisst es Beschraumlnke Dich aufs BwN10 sei einmal Mensch Fehlt in BwN11 In BwN folgt (Zuletzt nicht ganz buchstaumlblich)

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7 Einleitung in die Geschichte der neuern Philosophie[Fragmente eines Entwurfes]

151 Die ferneren faktischen oder geschichtlichen Beweisesind drittens die scholastische Theologie und Philosophieselbst deren2 Hauptinhalt im wesentlichen doch immer derGlaube der Kirche war aber objektive Existenz hat jenes nurdann wenn es Objekt des Verstandes ist wenn es von ihmbestimmt ihn beschaumlftigt und Interesse fuumlr ihn hat

Viertens die Werke der Mystik Denn in ihnen sprach sichdas Christentum der damaligen Zeit als die unbedingte alleini-ge sich selbst genuumlge[nde] Substanz3 aus und produzierte derchristliche Geist unmittelbar seiner selbst als des christlichenbewuszligt und aus sich selbst gewiszlig im Besitze der christl[ichen]Wahrheit zu sein aus seinem eigenen mit der christl[ichen]Religion als seinem Wesen identischen Inneren christlichreligioumlsen Inhalt hervor der daher zum Nahrungs- und Erbau-ungsstoff allen spaumlteren Mystikern diente Aber nur das wasim Menschen seine Substanz sein objektiver Geist ist ist pro-duktiv und kann als ein Objekt ein Werk auszliger ihn treten

Nur aus dem selbst Substantiellen oder Wesenhaften selbstObjektiven kann man den wesenhaften den objektiven Geisteines Zeit- oder Weltalters erkennen Solche wesenhaften Wer-ke des Mittelalters sind z B die deutsche Theologie die Wer-ke eines Tauler eines Bonaventura eines Thomas a Kempisusw Denn Individuen wie diese muumlssen selbst angesehenwerden als Produkte und Organe des objektiven Geistes alsIndividuen in denen die4 Wesenheit ihres Zeitalters Fleischund Ichheit annahm ihr inneres Wesen wurde aus ihrer Ver-borgenheit ans Licht trat und sich ein adaumlquates Dasein gabund ihre Werke sind daher zu betrachten als Werke des Gei-stes der5 was das Geistige und Religioumlse betrifft der wesen-hafte Geist ihres Weltalters war In den Mystikern des Mittel-alters ist aber die Religion wie sie damals erfaszligt war die ab-solute Substanz und Energie ihres Geistes ihre Werke sind 1 Paginierung von L Feuerbach ndash Die vorhergehenden Seiten des Ms

fehlen2 Im Ms folgt gestr wesent[lich]3 Im Ms folgt gestr ist4 Im Ms folgt gestr verborgen5 Im Ms folgt gestr der

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daher auch in ihren Sphaumlren vollendet klassisch1 und ist dasunbedingte in sich selbst konzentrierte mit sich einige vonsich selbst anfangende und erfuumlllte in seiner Beschraumlnktheitund Einseitigkeit in sich selige seiner Geistesarmut sich selbstschaumlmende sich offen und ungeheuchelt als Verschmaumlhungalles Wissens alles sogenannten Weltlichen und Menschlichenaussprechende Christentum enthalten2 In der neueren Zeitdaher wo nicht mehr der ausschlieszliglich der beschraumlnkt dernegativ und abstrakt christliche Geist sondern der allgemeinealle seine Momente in Einheit mit Freiheit umfassende undausbildende Geist der wesenhafte 16 der weltgeschichtlicheGeist die Tendenz und das Ziel der Menschheit war wurde derMystizismus als verlassen von geschichtlicher Notwendigkeitjetzt nur ein Produkt krankhafter Partikularitaumlten PietismusDer neuere Mystizismus als unbegruumlndet in der geschichtli-chen Notwendigkeit dem Prinzip und der Tendenz der neuerenZeit obwohl bedingt durch voruumlbergehende partikulaumlre Er-scheinungen und Krisen ging daher jetzt nur hervor aus Despe-ration geistigen Banqueroutes miszliglungenen BestrebungenHypochondrien allgemeinem Uumlbelbefinden usw und ist sei-nem Charakter nach ein charakterloser ohnmaumlchtiger dieMystik affektierender Mystik sein wollender und doch nichtsein koumlnnender Mystizismus und hat daher auch keine andereBedeutung3 als eine aus den disparatesten sich widersprechen-sten Ingredienzen zubereitete Arznei fuumlr Gemuumltsleidende undGeisteskranke zu sein

sect11Die Negativitaumlt4 des kirchlich-religioumlsen Geistes oder des

katholischen Christentums gegen die wesentlichen unveraumlu- 1 Im Ms folgt gestr in ihren2 Am Rande Anm[erkung] Wenn alle Dinge eine zweifache sich

entgegengesetzte Bestimmung und Bedeutung haben so gibt es al-lerdings auch eine wahre und eine falsche Abstraktion und Negati-vitaumlt Heutigen Tages ist aber das Christentum bei den meisten ohnealle Abstraktion und Negativitaumlt ist es nur noch die Religion senti-mentaler Duzbruumlderlichkeit eine Verklaumlrung menschlicher Eigen-tuumlmlichkeiten kurz das Schmalz auf die Wassersuppe des Gemuumlts

3 Im Ms folgt gestr hat4 Am Rande [Im Ms folgt gestr Die Negativitaumlt des [] kurzsichtig

religioumlsen Geistes gegen das []] Als der negativ-religioumlse Geistsich in der Kirche zu einer weltbeherrschenden Macht erhoben hatteund seine anfangs nur innerlich in der Gesinnung existierende Ver-

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kennung und Verachtung alles sogen[annten] Weltl[ichen] endlichzur weltlichen gewaltsamen Unterdruumlckung des Weltlichen zurAnmaszligung der Suprematie der Kirche als des Inbegriffs der Geist-lichkeit uumlber den Staat als des Inbegriffs der Weltlichkeit wurdebestand seine Negativitaumlt gegen das wahre Mensch- und Weltwesennaumlher darin daszlig er Kunst und Wissenschaft die [Im Ms folgt gestrFaumlh[igkeiten]] Taumltigkeiten der houmlchst[en] Freiheit und des neurenMenschentums nicht frei gewaumlhren lieszlig sondern band und gefan-gennahm sich ihrer nur als Mittel einerseits zu seiner Verherrli-chung andrerseits zu seiner Begruumlndung und [seinem] Nutzen be-diente Allein gerade diese scheinbar dienstfertigen Geister warenes die den Sturz der Herrschaft jenes religioumlsen Geistes und seineraumluszligeren Existenz der Kirche [Im Ms folgt gestr herbei] von innenaus herbeifuumlhrte

Die scholastische Philosophie naumlmlich obwohl sie im Dienste derKirche stand ging doch hervor aus Interesse an der Wissenschaftsie befoumlrderte doch den Erkenntnistrieb und [Im Ms folgt gestr er-zeugte ndash Im Ms folgt und] befoumlrderte sie wieder Sie machte dieGegenstaumlnde des Glaubens zu Gegenstaumlnd[en] des Denkens hobden Menschen aus der Sphaumlre des unbedingten Glaubens in dieSphaumlre des Wissens und indem sie die Sache der bloszligen Autoritaumltzu beweisen und durch Gruumlnde zu bekraumlftigen sucht[e] begruumlndetesie gerade 17 dadurch wieder ihr Wissen und Willen die Autoritaumltder Vernunft und brachte sie dadurch ein anderes Prinzip in dieWelt als das Prinzip der alten Kirche war Nur erst da wo dieScholastik selbst nur noch eine historische Reliquie war ver-schmolz sie ganz im Widerspruch mit ihrer urspruumlnglichen ge-schichtlichen Bestimmung mit der Sache des alten Kirchentumszusammen wurde sie die Gegnerin des erwachten besseren GeistesSelbst die ganze Miszliggestalt der Scholastik selbst die vielen absur-den Quaumlstionen auf die die Scholastiker verfielen selbst die tau-sendfaumlltigen unnoumltigen und zufaumllligen Distinktionen ihre Kuriosi-taumlten und Subtilitaumlten muumlssen aus [Im Ms folgt gestr diesem] ei-nem vernuumlnftigen Prinzipe aus ihrem Lichtdurste ihr[em] Erkennt-nistrieb erkannt w[erden] der in jener Zeit und unter der Herrschaftdes alten Kirchengeistes sich so und nicht anders aumluszligern konnteAlle ihre Quaumlstionen und Distinktionen sind nichts [Im Ms folgtgestr als] andres [als] muumlhsam eingegrabne Ritze und Spalten indem alten Gemaumluer der Kirche um zum Genuszlig des Lichtes und fri-scher Luft zu kommen nichts andres als Aumluszligerungen einer Reg-samkeit des Verstandes eines Taumltigkeitstriebes des denkenden Gei-stes der wenn er in einem Gefaumlngnis ist entzogen dem Kreise an-gemessener Taumltigkeit und vernuumlnftiger Gegenstaumlnde jeden Gegen-stand den er aber zufaumlllig findet er sei auch noch so geringfuumlgig

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szligerlichen Lebenskreise des menschlichen Geistes wie StaatKunst und Wissenschaft als welche fuumlr es nur die Bedeutungeines Endlichen Weltlichen und Eiteln oder eines bloszligenMittels nicht eines sich selbst Zweck seienden hatten war derabsolute seinen Untergang erzeugende Mangel an ihm und alsdieser die Quelle aller Unruhe und Unzufriedenheit der Impulszu den gewaltigsten Gegenbestrebungen und Gegenkaumlmpfenund so wie jeder Mangel den Trieb erzeugt den Mangel aufzu-heben und daher Veranlassung der Taumltigkeit und Fortbewe-gung ist der Grund daszlig der menschliche Geist die Einheit derKirche die um als Einheit sich behaupten zu koumlnnen einebestimmte sein d i auf bestimmte Religionssaumltze sich stuumltzenmuszligte und wegen dieser Bestimmtheit aber empoumlrender Gei-steszwang widernatuumlrliche Unterdruumlckung aller freier Ent-wicklung unvernuumlnftiges Widerstreben gegen den unaufhalt-samen Gang der Geschichte und Notwendigkeit war endlichzersprengte die erst allgemeine und herrschende Kirche in dieSchranke einer besonderen zuruumlckwies und herabsetzte dieGrenze der speziellen und beschraumlnkten Christlichkeit als dereinzigen sein Wesen selbst konstituierenden Qualitaumlt durch-brach und so eine neue Zeit eine andere Welt sich schuf in der

noch so unwert der Aufmerks[amkeit] zu einem Objekte seiner Be-schaumlftigung macht

Die die scholastische Philosophie so erzeugte auch die Kunstobwohl sie im [Im Ms folgt gestr ihrem] Dienste der Kirche standund wie ihr nur als ein Erbauungs- und Verherrlichungsmittel derKirche [Im Ms folgt gestr []] angesehen wurde das dem Geiste[Geiste negativ Korr im Ms] und als das [Im Ms folgt gestr nega-tive Geist] [] entgegengesetzte Prinzip Nur in ihrer Unvollkom-menheit konnte die Kunst eine Dienerin der Kirche [sein] [Im Msfolgt aber] aber nicht mehr auf der Stufe ihrer Ausbildung undVollendung Denn hatte sie gleich auch [] da noch [einen] kirch-lich-religioumlsen Gegenstand zu ihrem Objekt so wurde doch auf demGipfel ihrer Ausbildung zugleich damit das Schoumlne als solches jetztGegenstand des Menschen es trat das kuumlnstlerische Interesse alsSelbstzweck hervor es erwachte das unabhaumlngige das lauteredurch keine fremden Influenzen und Beziehungen 18 getruumlbte Ge-fuumlhl der reinen Schoumlnheit und Menschlichkeit es bekam jetzt wie-der der Mensch in der Anschauung der herrlichen Schoumlpfungen sei-nes Geistes ein freies Selbstgefuumlhl das [Im Ms folgt gestr im-man[ente]] Bewuszligtsein seiner Selbstaumlndigkeit seines geistigenAdels das Gefuumlhl der immanenten s[einer] Natur eingeborenenGottaumlhnlichkeit

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er zum Bewuszligtsein seiner selbst seiner Freiheit und Selbstaumln-digkeit gelangt unbeschraumlnkt und universell in allen sein We-sen begruumlndenden und entfaltenden Lebenssphaumlre oder Mo-mente sich verwirklichte und entwickelte1

sect12Das erste Moment das2 in Betracht kommt ist der Staat und

zwar in Ruumlcksicht der Unabhaumlngigkeit seines Oberhauptes unddes freien Buumlrgerstandes Mit der unbedingten Unabhaumlngigkeitdes Staates von der Kirche 17 der unumschraumlnkten Selbstaumln-digkeit desselben bekam jetzt wieder notwendig das von derKirche unterdruumlckte Weltliche und vom abstrakt-religioumlsenGeist als eitel bestimmte Gegenwaumlrtige an und fuumlr sich Wertund Selbstaumlndigkeit und befestigte sich im Bewuszligtsein und inder Anschauung des menschlichen Geistes als ein Absolutesund erhob sich der Geist indem er uumlber die Kirche sich empor-schwang zugleich uumlber jene abstrakte und negative borniertenur in ihrer engen Besonderheit als Religion sich wissende undbehauptende Christlichkeit als die einzig absolute Wesenheitwofuumlr sie fruumlher galt Es entstand der Begriff des Staates alssolches und dieser Begriff wurde jetzt unabhaumlngig von reli-gioumlsen Unterschieden das leitende Prinzip der Staatshandlun-gen Waumlhrend fruumlher die Kirche die uumlber den Voumllkerunter-schieden und -gegensaumltzen und den flutenden Wogen ihrerstreitigen Elemente schwebende sie verbindende allgemeineEinheit war wurde jetzt vielmehr der Staat das Allgemeineund3 die Kirche trat dagegen in den Rang und die Stellungeines Partikulaumlren ein

Bekanntlich stand das Oberhaupt der Kirche der Papst bisauf Gregor den VII unter dem Kaiser Allein dem religioumlsemGlauben nach stand doch der Repraumlsentant des Geistlichen(freilich nicht in weltlicher Beziehung) uumlber dem Repraumlsen-tanten des Weltlichen daher auch die Kaiser vom Papste sichkroumlnen und salben lieszligen was erst spaumlter nur zu einer her-koumlmmlichen aumluszligerlichen Formalitaumlt wurde Schon bald nachKarl dem Groszligen wurde daher wie bekannt in der pseudoisi-dorischen Decretalensammlung (830ndash857) der Supremat des

1 Am Rande Anm[erkung] Die Maumlngel der neueren Zeit koumlnnen

nicht hier sondern nur in der Geschichte derselben angezeigt wer-den

2 Im Ms folgt gestr hier3 Im Ms folgt gestr trat

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Papstes seine Erhabenheit uumlber alle weltliche Macht und Un-abhaumlngigkeit von ihr ausgesprochen Wenigstens war die Supe-rioritaumlt des Kaisers und seiner Macht noch keine entschiedeneund bestimmte erst durch die Ausbildung ihres Gegensatzesdie Bekaumlmpfung und endlich Uumlberwindung derselben wurdesie als eine errungene und erkaumlmpfte jetzt eine bewaumlhrte undbestimmte eine selbstbewuszligte Superioritaumlt Wie identisch aberdie Bekaumlmpfung und Besiegung des kirchlichen Oberhauptesmit dem Geiste der neueren Zeit ist erhellt von sich selbstSchon der edle Hohenstaufe Friedrich II der heftigste Gegnerdes Papsttums stellte in seinem Wesen Leben und Charakterjenes Prinzip der Freiheit des Geistes des rein menschlichen1

Sinnes des allgemeinen Welt- und Selbstbewuszligtseins dar dassich spaumlter allgemeine und objektive Weltexistenz gab

Das reine Selbstbewuszligtsein des Staates d h seine voumllligeUnabhaumlngigkeit von der Kirche und Abtrennung vom kirchli-chen Interesse erhielten wie bekannt ihre ausgebildete Exi-stenz erst in neurer Zeit Man denke z B an2 Richelieu undLudwig XIV auf deren politische Handlungen3 das kirchliche184 Interesse keinen Einfluszlig aumluszligerte

Wie die Erkaumlmpfung und Behauptung der Vollstaumlndigkeitdes Staates so gab auch die Entstehung des Buumlrgerstandes unddie Entwicklung des Buumlrgertums und Buumlrgerlebens dem weltli-chen Leben und Dasein im Gegensatz gegen die Kirche unddas abstrakte Christentum des Katholizismus wieder absoluteBedeutung und Selbstaumlndigkeit und trug so maumlchtig bei zurEntwicklung der neueren Zeit und dem Untergang des christ-lich-katholischen Weltalters5 Denn es entstand mit ihm prakti-scher Weltsinn wie in der Welt sich findender mit der Ge- 1 rein menschlichen allgemeinen Menschen Korr im Ms2 Man denke z B an unleserl Korr im Ms3 Am Rande Anm[erkung] Vergl z B Heeren Entwicklung des

politischen Einflusses der Reformation auf die einzelnen Staatenvon Europa in Ruumlcksicht ihrer innern Verhaumlltnisse[Vgl A H LHeeren Entwicklung der politischen Folgen der Reformation fuumlrEuropa hellip In Historische Werke Thl 1 Goumlttingen 1821 S 59-7091-99]

4 Am oberen Rande Verweis auf Paginierung S 185 Am Rande Anm[erkung] In Betreff [In Betreff uumlber das Korr im

Ms] des Zusammentreffens des freien politischen oder republikani-schen und des antihierarchischen Geistes vgl z B Arnold von Bre-scia [Im Ms folgt gestr und seine Zeit]

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genwart zufriedener und in ihr sich einheimisch machenderGeist Liebe fuumlr das Zeitliche sinnreich erfinderische dasLeben erleichternde verschoumlnernde veredelnde und erweitern-de das Weltbewuszligtsein des Menschen und den Lebensgenuszligerhoumlhende Regsamkeit und Taumltigkeit Patriotismus Freiheits-sinn unumschraumlnkte Entfaltung der Individualitaumlt

sect13Aus dem freien Buumlrgertum und Buumlrgerleben oder demselben

Geiste der dieses erzeugte ging auch die Kunst hervor1 nichtbloszlig insofern als die Kunst praktische Kenntnisse technischeFertigkeit und Geschicklichkeit voraussetzt die sich nur inner-halb des Buumlrgerlebens2 ergeben sondern auch und hauptsaumlch-lich insofern als in dem Buumlrgerleben sich ein erfinderischerproduktiver Geist entwickelt wenngleich zunaumlchst die Pro-dukte desselben sich nur auf Nutzen und aumluszligere Zwecke nichtauf die Schoumlnheit sich beziehen insofern als in ihr die freiemenschliche Individualitaumlt zur Anschauung zum Selbstbe-wuszligtsein und Existenz kam und das Individuelle das Einzelneund Besondere das Sinnliche Welt und Natur die fuumlr denabstrakt religioumlsen Geist ein vom religioumlsen Leben Abziehen-des und Eitles sind in ihr wieder fuumlr den Menschen Realitaumltbekam und Objekt seines Geistes wurde denn nur wo produk-tiver Geist wo frei[e] menschliche Individualitaumlt wo heitererWelt- und Natursin[n] Interesse fuumlr das vom aumlngstlichen undabstrakt religioumlsen Geiste als eitel bestimmte Vergaumlngliche woErkenntnis oder Gefuumlhl und Anschauung des Unendlichen imEndlichen des Wesenhaften im Zeitlichen nur da gedeiht undentwickelt sich die Kunst Und so erhob sich denn jetzt wiederder menschliche Geist zur Idee und Anschauung der Schoumlnheitund deren Verwirklichung der Kunst die solange der abstraktchristliche Geist herrschender Weltgeist war nur eine ganzkuumlmmerliche der Kirche unterworfene und unterdruumlckte Exi-stenz haben konnte Denn die Kunst3 die Idee der Schoumlnheitwar4 keine dem Christentum immanente Idee sie hatte wenig-

1 Am Rande Anm[erkung] V[ergleiche] z B auch Leben Lorenzo

von Medici aus dem Englischen des William Roscoe von KurtSprengel S 372 [W Roscoe Lorenz von Medici Berlin 1797 S372]

2 Im Ms folgt ent[wickeln]3 Im Ms folgt gestr und4 war ist Korr im Ms

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stens in ihm nicht die Bedeutung eines Goumlttlichen und Wesen-haften eines um seiner selbst willen Seienden eines an und fuumlrsich Selbstaumlndig[en] sondern 19 nur die Bestimmung undBedeutung eines Erhebungs- und Erbauungsmittels im Diensteder Kirche eines Vehikels fuumlr den religioumlsen Inhalt Mit derKunst wurde also wieder Natur und rein Menschliches Gegen-stand dem Menschen und erweiterte sich so seine Seele uumlberdie Schranke der Christlichkeit hinaus in das unbeschraumlnkteGefuumlhl reiner Schoumlnheit und Menschlichkeit und den Glaubenan die Goumlttlichkeit der Kunst

Allerdings waren die Kloumlster ehe die Staumldte und mit ihnenBuumlrgertum und -leben aufbluumlhten die einzigen Sitze der Kuumln-ste aber in ihnen lagen nur die ersten vorbereitenden Anfaumlngederselben ihre Ausbildung ihre klassische Existenz ein ihremWesen der Idee der Schoumlnheit adaumlquates Dasein fand dieKunst erst in und mit der Ausbildung und Entwicklung desBuumlrgerlebens Allein koumlnnte man einwenden wie kann dieKunst als ein Produkt des Geistes der neuern Zeit oder als einerder Entstehungsgruumlnde und -weisen derselben und ein Befrei-ungsmittel vom Katholizismus angesehen werden da doch dieKunst sich in ihm entwickelte und in dem Kultus der katholi-schen Kirche eine so groszlige Rolle spielt Das Freiheitselementdas Element der Humanitaumlt und Subjektivitaumlt der Protestantis-mus im Katholizismus ist und war1 die Kunst denn in ihr fanddie in der Einheit der Kirche und dem abstrakten und negativenWesen des Katholizismus verneinte und unterdruumlckte Subjekti-vitaumlt und Menschheit ihre Selbstbefriedigung und Selbstbeja-hung machte sich gleichsam in dem bangenden Verschlage derKirche der freiheitsdurstige Mensch einen geheimen Ausgangund erbaute er sich auf ihr ein Belvedere wo die gepreszligte undbeengte Brust freien Atem heraufholen und frische Luft schoumlp-fen konnte und die Himmelsduumlfte rein und allgemein menschli-cher Gefuumlhle und Anschauungen einsog Die Kunst war dieMaja die scheinheilige Verfuumlhrerin die auf den Zinnen derKirche scheinbar ihre getreueste Dienerin dem Menschen diereizende Aussicht in die Herrlichkeit der irdischen Welt eroumlff-nete und eine andere Welt die Welt der Schoumlnheit der Frei-heit und Wissenschaft ihm aufschloszlig Die Zeit der houmlchstenBluumlte der Kunst faumlllt daher zusammen mit der Zeit wo die

1 ist und war war und ist Korr im Ms

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katholische Kirche und der religioumlse1 Glaube in den groumlszligtenVerfall geriet die Wissenschaften wieder aufbluumlhten und derProtestantismus entstand Raphael wurde in demselben Jahrgeboren in welchem Luther 1483 Die Kunst hatte wohl zuihrem naumlchsten Zweck die Verherrlichung der Kirche anfaumlng-lich bloszlig und spaumlter noch hauptsaumlchlich religioumlsen Inhalt zuihrem Inhalt zu ihrem Gegenstand die Gegenstaumlnde des Glau-

1 religioumlse katholische Korr im Ms ndash Am Rande Anm[erkung] Bei

Gelegenheit der bekannten Verschwoumlrung gegen das Leben derMedicaer deren Urheber Papst Sixtus IV und andre hohe Geistli-che waren und deren Opfer Julian von Medici war macht Voltairefolgend[e] Reflexion uumlber jenes Zeitalter bdquoQuand on voit un papeun archevecircque un precirctre meacutediter un tel crime et choisir pourlrsquoexeacutecution le moment ougrave leur Dieu se montre dans le temple on nepeut douter de lrsquoatheacuteisme qui reacutegnait alors Certainement srsquoilsavaient cru que leur creacuteateur apparaissait sous le pain sacreacute ilsnrsquoauraient oseacute lui insulter aacute ce point Le peuple [Im Ms folgt gestrador] adorait ce mystegravere les grands et les hommes drsquoEacutetats srsquoen mo-quaient toute lrsquohistoire de ces temps-lagrave la demontre Ils pensaientcomme on pensait agrave Rome du temps de Ceacutesar leurs passions con-cluaient qursquoil nrsquoy a aucune religion Ils fesaient tous ce deacutetestableraisonnement Les hommes mrsquoont enseigneacute des mensonges donc ilnrsquoy a point de Dieu Ainsi la religion naturelle fut eacuteteinte dans pres-que tous ceux qui gouvernaient alors et jamais siegravecle ne fut plusseacutecond en assassinats en empoisonnement en trahisons en deacutebau-ches monstrueusesldquo [Wenn man einen Papst einen Erzbischof ei-nen Priester sieht solch ein Verbrechen ausdenkend und fuumlr dieHinrichtung den Moment aussuchend wo ihr Gott sich im Tempelzeigt kann man den Atheismus nicht mehr anzweifeln der nunherrschte Sicherlich hatten sie geglaubt daszlig ihr Schoumlpfer ihnenunter dem geweihten Brot erschien sie haumltten es nie gewagt ihn andiesem Punkt zu beleidigen Das Volk betete dieses Geheimnis andie Groszligen und die Maumlnner des Staates machten sich daruumlber lu-stig die ganze Geschichte dieser Zeit beweist dies Sie dachten wieman in Rom zur Zeit Caesars dachte ihre Leidenschaften bewiesendaszlig er keine Religion hatte Sie machten alle diese verabscheu-ungswuumlrdige Uumlberlegung Die Menschen haben mir Luumlgen beige-bracht weil es keine Ahnung von Gott gibt So erlosch die natuumlrli-che Religion bei fast all denen die damals herrschten und keinZeitalter folgte hiernach mit mehr Ermordungen Giftmorden Ver-raten und abstoszligenden Ausschweifungen] (Essai sur les moeursTom II Chap CV) [Voltaire Essai sur les moeurs et lrsquoesprit desnations hellip Tom II In Œuvres Complegravetes de Voltaire o O 1784[Ed Kehl] Tom XVII Cap CV S 542]

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bens und der Verehrung aber indem die Gegenstaumlnde desGlaubens Gegenstaumlnde der Kunst wurden vermischte [] oderverband sich mit dem religioumlsen zugleich das kuumlnstlerischeInteresse es wurde in ihnen zugleich die Schoumlnheit das reinmenschliche als solches der Mensch sich selbst GegenstandDer menschliche Geist in der 20 Anschauung und Bewunde-rung seiner Schoumlpfungen sich seiner selbst und seiner Freiheitbewuszligt kurz die Kunst im Katholizismus war und ist die An-naumlherung oder richtiger die Versoumlhnung seines abstrakten undgegen den Menschen negativen Wesens mit dem Selbstgefuumlhlund Selbstbewuszligtsein des Menschen welche das Wesen desProtestantismus ist Leo in seiner Geschichte von Italien (IBand S 37) sagt daher sehr richtig bdquoDie groszligen italienischenKuumlnstler haben ebensoviel getan fuumlr die geistige Befreiung undEntwicklung der Welt als die deutschen Reformatoren dennsolange jene alten duumlsteren strengen Heiligen- und Gottesbil-der noch die Herzen der Glaumlubigen fesseln konnten solange inder Kunst die aumluszligere Ungeschicktlichkeit noch nicht uumlberwun-den war war darin ein Zeichen gegeben daszlig der Geist selbstnoch in einer engen Beschraumlnkung in druumlckender Gebundenheitbeharrte Die Freiheit in der Kunst entwickelte sich mit derFreiheit des Gedankens in gleichem Maszlige und beider Ent-wicklung war gegenseitig bedingt Erst als man in der Kunstwieder ein freies Wohlgefallen fand war man auch wiederfaumlhig die Klassiker der alten Welt aufzunehmen sich an ihnenzu erfreuen und in ihrem Sinne weiter zu arbeiten und ohne dieAufnahme der alten klassischen Literatur waumlre die Reformationnie etwas anderes als ein kirchliches Schisma geworden wiedas der Hussiten warldquo1

sect 14Aus demselben Freiheitssinn demselben rein menschlichen

Geiste derselben sich ihnen als selbstaumlndig bewuszligten Indivi-dualitaumlt welche sich im freien Buumlrgersinn und in der Kunstentwickelte oder mit welchen sich diese entwickelten ent-sprang auch die Reformation der katholischen Kirche die pro-testantische Religion Denn in ihr erfaszligte sich der Christ alskonkreten lebendigen Menschen und versoumlhnte sich die Reli-gion mit der Humanitaumlt das Christentum das im Katholizis-mus die Verneinung aller Freiheit des Geistes und aller Indivi- 1 H Leo Geschichte der italienischen Staaten Erster Theil Ham-

burg 1829 S 37

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dualitaumlt und damit im Gegensatze und Widerspruch gegen denMenschen und seine heiligsten Triebe und Interessen war mitdem Menschen Waumlhrend daher im Katholizismus die geistloseEinheit der Kirche und deren Behauptung als das Wesenhafteoder Substantielle zugrunde lag und dem Individuum daherinsofern nichts uumlbrig blieb als das selbstlose aumluszligerliche Beob-achten kirchlicher Vorschriften und Gebraumluche als die Ver-richtung aumluszligerlicher Handlungen und Werke so wurde dage-gen jetzt im Protestantismus der Glauben das Innre die Gesin-nung die Uumlberzeugung1 die Hauptsache das Wesenhafte DerIdealismus des Christentums trat daher erst im Protestantismusin vollendet ausgebildete Existenz Denn der Glaube der inihm nicht die Kirche die Quelle der Seligkeit ist ist ein reinidealistisches Prinzip 21 das mit dem Cartesianischen Cogitoergo sum2 und uumlberhaupt mit dem Idealismus in der neuerenPhilosophie in der innigsten Verwandtschaft steht indem wiein diesem3 das Denken in jenem das Glauben4 mit dem Seinidentisch ist

In dem Protestantismus wurde daher der λόγος [Wort] desChristentums erst σάρξ [Fleisch] Denn sein Mittelpunkt war5

daszlig der Mensch in Christus mit Gott versoumlhnt ist (d i identischist) daszlig die Versoumlhnung oder Identitaumlt mit ihm eine Tatsacheist die das Individuum nur sich anzueignen zu glauben hatum selig zu sein daszlig folglich nur Glaube nicht Buszlige FastenKasteiungen Werke und Werkheiligkeit etc noumltig und wesent-lich sind Durch die Reduktion der Religion auf dieses Bewuszligt-sein diesen Glauben des Versoumlhntseins wurde nicht nur aumlu-szligerlich durch die Vereinfachung und Beschraumlnkung des Got-tesdienstes dem Menschen der Raum und die Freiheit gegeben

1 Im Ms folgt gestr und nachher die Subjektivitaumlt2 R Descartes Principia philosophiae Pars Prima In Opera philo-

sophica Amstelodami 1656 S 2-33 diesem jenem Korr im Ms4 Am Rande So du glaubst sagt Luther irgendwo daszlig Christus deine

Zuflucht ist so ist er es so du es nicht glaubst ist er es nicht [VglM Luther Evangelium am vierdten Sonntag nach Epiphania hellip InD M Luthers Kirchen Postill di Auslegung der Epistel und Evan-gelien hellip I Theil In Des theuren Mannes Gottes D Martin Lu-thers saumlmtliche hellipSchrifften und Wercke Bd 13 Leipzig 1732 S371-373]

5 war ist Korr im Ms

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oder [hellip] zu menschlicher1 Taumltigkeit und Wirksamkeit undkonnte jetzt der Mensch der er nicht mehr in der Religion zutun hatte d h er unmittelbar durch den bloszligen Glauben imBesitz des Heils und der [] sich wuszligte so nicht nur zu erwer-ben und zu [] hatte [] freier weltlicher und geistiger Be-schaumlftigung sich widmen2 sondern es wurde auch die Befriedi-gung aller wesentlicher Beduumlrfnisse Triebe und Interessen desMenschen in der Religion und durch sie begruumlndet geheiligtund gerechtfertigt die Negativitaumlt mit der das Christentumanhub und die das Wesen des Katholizismus blieb gemildertund nur auf die Verneinung der schlechten unheiligen Interes-sen beschraumlnkt denn der ganze der lebendige Mensch im Um-fang aller seiner wesentlichen Interessen und Bestimmungenerfaszligte sich jetzt und wuszligte sich versoumlhnt mit Gott Wie derProtestantismus die Scheidung in Priester und Laienstand aumlu-szligerlich aufhob so uumlberwand er auch innerlich die Trennunguumlberhaupt in Weltliches und Geistliches den Zwiespalt inKirche und Staat wie Sokrates die Philosophie so fuumlhrte Lu-ther die Religion vom Himmel auf [die] Erde erst im Prote-stantismus buumlrgerte sich daher das Christentum wahrhaft in derWelt ein innerhalb des Staates nicht ihm entgegengesetztUnd eben deswegen wurde in ihm der λόγος des Christentumsσάρξ Fleisch und Blut eins mit dem eignen Geiste und Wollendes Menschen Um sich hiervon zu uumlberzeugen vergleicheman nur die geistige und religioumlse Persoumlnlichkeit Luthers wiesie sich in seinen Schriften und Leben aussprach mit einemThomas a Kempis oder dem Geiste der deutschen Theologiedie bekanntlich auch Luther sehr hoch schaumltzte In der letzterennamentlich spricht sich ein ganz in die Religion verstorbenesIndividuum aus das mit unendlicher Selbstverleugnung undVerneinungskraft sich aufgegeben 22 hat er [hat] sie als seineeinzige Substanz alle individuelle Faumlrbung ist in diesem einfa-chen Werke erloschen Es ist als spraumlche ein Verstorbener einGeist ohne Fleisch und Blut aus ihm Der Christus dagegen[an] den Luther glaubt der ist er selbst dieser Mensch ist einsmit seinem Joch seinem Wollen seiner Leidenschaft DasChristentum ist auch seine Substanz aber so daszlig sie seine VisVitalis das Prinzip seines Lebens der Puls seines Herzens istEben deswegen weil der Geist des Protestantismus darin be- 1 Im Ms folgt und menschlicher2 oder widmen verderbte Stellen im Ms unsichere Transkription

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steht daszlig das Christentum in ihm als Humanitaumlt in der Einheitmit dem Menschen in seiner ganzen Lebendigkeit erfaszligt wardist in dem Christentum wie es als Protestantismus sich entwik-kelte wenngleich der Protestantismus wie er sich als Kircheverwirklichte oder verendlichte und die protestantischenTheologen im Widerspruch gegen den Geist des Christentumsbillionenmal uns vorschreien und weismachen wollen daszlig diechristliche Religion etwas Apartes Separates und Unbegreifli-ches d i dem allgemeinen menschlichen Geiste etwas Frem-des nicht aus ihm Entsprungenes und mit ihm Identisches ausder Vernunft Hervorgegangenes sondern gleich einer Arzneioder richtigen Klistier ihm1 Eingegebenes sei dennoch dasPrinzip der freien Entwicklung des freien Denkens und derWissenschaft enthalten Der Protestantismus wurde daher dasAsyl wo die verscheuchten Musen vor dem Altar des christli-chen Gottes Schutz fanden und hauptsaumlchlich nur in den prote-stantischen Laumlndern2 gab sich der Geist der neueren Zeit welt-historisch Existenz konnten die Wissenschaften aufbluumlhen undgedeihen Selbst was in den katholischen Laumlndern fuumlr Kunstund Wissenschaft geschah selbst durch Katholiken das kommtnur auf Rechnung des protestantischen Geistes der uumlberhauptder Geist der neuern Zeit war und von dem die protestantischeKirche selbst nur eine besondere Erscheinung war wenn ersich selbst auch der Katholiken bewaumlltigte und innerhalb desKatholizismus sich Luft und Platz machte Denn der Katholi-zismus3 enthaumllt nicht nur nicht in seinem reinen Wesen so wieer sich in denen aussprach die selbst fuumlr Muster des katholischreligioumlsen Geistes bei den Katholiken galten4 das Prinzip derKunst und Wissenschaft sondern gerade zu der Verneinungderselben Daher auch der Katholizismus wegen dieser seinerGeist- und Gemuumltlosigkeit seiner Leerheit seiner Abstraktionund Negativitaumlt im Kultus notwendig und aus sehr begreifli- 1 ihm Im Ms gestr2 Im Ms folgt gestr gab haup[tsaumlchlich]3 Am Rande Anm[erkung] Mit Recht bemerkt daher Voltaire in

seinen Essai sur les moeurs et lrsquoesprit des Nations Tom III capCXXVII von Papst Leo X On peut dire que le pape Leacuteon X en en-courageant les eacutetudes donna des armes contre lui mecircme [Man kannsagen daszlig Papst Leo X indem er die Wissenschaft foumlrderte auchWaffen gegen sich selbst schuf] [Voltaire Essais sur les MœurshellipT III In Œuvreshellip Tom XVIII a a O Cap CXXVII S 155]

4 Im Ms folgt gestr enthalten []

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chen Gruumlnden geradezu in das Extrem in den eitelsten Pompund Schwall der Sinnlichkeit und Imagination verfaumlllt Organi-sche Produkte des Katholizismus d i aus seinem Prinzipehervorgehende1 und sein echtes Wesen unverfaumllscht darstellen-de Produkte sind z B ein Franziskus von Assisi ein Hierony-mus wie er befiehlt alle Bande der Liebe zu zerreiszligen mitVerschmaumlhung aller Gefuumlhle der Pietaumlt ans Kreuz hinzufliegenein Pascal in der Periode seines Lebens wo er nachdem erseine Wissenschaft seinen Geist und seine 23 Vernunft auf-gegeben ein sich selbst zerquaumllendes Leben fuumlhrte ist dasLeben der Anachoreten der Kartaumluser und sonstigen Moumlnchein dem gewiszlig kein Funke von Wissenschaft und Kunst undAumlsthetik zu finden ist2 sind noch jetzt die Fregraveres Ignorants undFlagellanten Aber ein katholischer Kuumlnstler oder ein katholi-scher Gelehrter oder gelehrter Katholik ist eine Contradictio inadjecto denn Katholik ist er nur als betender fastender beich-tender in die Kirche gehender etc aber soviel und soweit erGelehrter ist soviel und soweit ist er nicht Katholik und umge-kehrt Katholizismus und Wissenschaft sind zwei sich kontra-diktorisch entgegengesetzte Begriffe die nicht ohne Wider-spruch von einem3 und demselben Subjekte praumldiziert werdenund in einem und demselben Subjekte sich vereinen4 koumlnnenDie Wissenschaftlichkeit bei Katholiken war daher auch nurjene todhistorische aumluszligerliche trockne Gelehrsamkeit dienicht den Geist bildet und erleuchtet die Seele nicht erhebtden Menschen in seinem Wesen ganz unberuumlhrt laumlszligt ihn nichtin die Freiheit von der Abhaumlngigkeit von Autoritaumlten und zumSelbstbewuszligtsein erhebt Und wenn Katholiken wirklich wis-senschaftliche und philosophischen Geist hatten so war dieserGeist in ihnen eben der Geist des Protestantismus und dann ihrKatholizismus wenn er wirklich kein bloszlig aumluszligerliches5 durchbesondere Ruumlcksichten veranlaszligtes Bekennen war6 in Wider-spruch7 mit dem was ihr Geist ihre wahre Substanz war oder8

1 Im Ms folgt gestr Produkte2 Im Ms folgt gestr sind die Kartaumluser3 Im Ms folgt gestr Subj[ekte]4 sich vereinen vorfinden Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr Bekennen war6 Im Ms folgt gestr stand7 Im Ms folgt gestr entweder8 Im Ms folgt gestr er

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war er nur noch ein historisches Anhaumlngsel von der Geburtd[er] Zeit her klebte er ihnen nur noch hinten an dem Ruumlckenan wie die Eierschale einem jungen Huhn wenn1 es gleichschon aus dem Ei herausgeschluumlpft und zu selbstaumlndigem Le-ben gediehen ist was z B2 bei Cartesius der Fall war obwohlsein besserer sein wahrer und wesenhafter Geist radicitus demWesen des Katholizismus entgegengesetzt war daher er auchvon den katholischen Theologen und Jesuiten so heftig ange-fochten und ihm Widerstand geleistet wurde doch so noch demGlauben seiner Vaumlter anhing daszlig er selbst der heiligen Marianach einer Wallfahrt gelobte und das Geluumlbde auch3 erfuumlllte

Der Geist des Protestantismus wie er sich als protestantischeKirche und Religion Dasein gab muszligte sich zunaumlchst selbstwieder auf eine aumluszligere Autoritaumlt stuumltzen was teils in einergeschichtlichen Notwendigkeit die aber hier nicht zu eroumlrternist teils in einer allgemeinen Notwendigkeit daszlig jede Volks-religion sich auf eine aumluszligere Autoritaumlt berufen und stuumltzenmuszlig seinen Grund hatte Die protestantische Kirche setzteaber4 an die Stelle der Autoritaumlt der Kirche die Autoritaumlt derBibel eines Buches das in ihr als die Quelle und Norm derWahrheit galt Die protestantische Kirche und Religion ver-setzte daher ebenso wie der Katholizismus 24 mit sich selbstund dem Geiste des Protestantismus der auf dem freien Selbst-bewuszligtsein des Menschen dem freien dem ewigen und allge-meinen Menschengeiste beruht im Widerspruch den menschli-chen Geist in eine druumlckend knechtische unvernuumlnftige empi-rische oder aumluszligerliche Abhaumlngigkeit von einer Autoritaumlt ineine ebenso geist- als gemuumltlose Abhaumlngigkeit die deswegenfuumlr den menschlichen Geist ein ebenso5 Empoumlrendes ihnAufwiegelndes zu Kampf und Bewegung Aufreizendes warwie fruumlher die katholische Kirche es war und den Stoff zu derFeuersbrunst hergab die endlich das ganze Gemuumlt ergriff undverzehrte das hohe wie gleich nur negative Verdienst inner-halb der protestantischen Kirche und Theologie den menschli-chen Geist von der empoumlrenden Knechtschaft der Abhaumlngigkeitvon der Bibel als der Norm und Quelle der Wahrheit erloumlst zu

1 wenn das Korr im Ms2 was z B wie es Korr im Ms3 auch selbst Korr im Ms4 aber daher Korr im Ms5 Im Ms folgt gestr so wie fruumlher die katholische Kirche etwas

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haben gebuumlhrt dem1 Rationalismus die neuen Versuche undBestrebungen aus den laumlngst zu Asche verbrannten Kohlenwieder Feuer sammeln noch einmal den Stoff zur Erneuerungder alten schon durchgemachten Kaumlmpfe geben zu wollennoch einmal die alte Borniertheit den alten Widerspruch unddie alte Knechtschaft und Leibeigenschaft zu erneuern muumlszligtenals Erscheinungen die die Geschichte und Notwendigkeit []und gegen sie sich straumluben wollen und [] als wesenlose undvergaumlngliche Erscheinungen angesehen und ihr Grund teils inder allgemeinen [] Stagnation Desperation und [] Gewitter[]2 teils in ihr den besonderen Zustaumlnden der Individuen inihrer Furcht vor schweren [] Gewittern in ihrem Unvermouml-gen aus der Feuersbrunst und dem Wirrwarr der Gegenwarteinen Ausweg zu finden in ihrer Wahrheit- Wesen- Geist-und Charakterlosigkeit etc und noch in anderen teils psycho-logischen teils medizinischen teils historischen Erscheinun-gen die eine spezielle Krankengeschichte der Gegenwart auf-zuzeigen hat teils in houmlchst materiellen und politischen Gruumln-den und Ruumlcksichten3 gesucht werden

sect15Das4 seinem Wesen entsprechende die Befreiung des

menschlichen Geistes wahrhaft begruumlndende und vollendendeund unuumlberwindlich gesicherte Dasein fand oder gab sich derGeist der neuern Zeit erst in der Wissenschaft Denn wenn-gleich der Protestantismus als protestantische Religion diegeistlose Einheit der katholischen Kirche zersprengte und siesomit aus einer allgemeinen zu einer besonderen herabsetzteso war er gegen sie doch selbst wieder eine besondere Einheit25 eine besondere Kirche im Gegensatz nur gegen sie dem-gegenuumlber sich jene als Gegensatz mit gleichem Rechte undAnspruch auf Guumlltigkeit behauptete Erst die Wissenschaft abernahm der Kirche ihre historische Bedeutung die sie urspruumlng-lich allein darin hatte das sie als die die Voumllker verbindendeuumlber ihre Naturdifferenzen und ihre sich ausschlieszligende undgegenseitig bekaumlmpfende nicht auf das Allgemeine nur auf ihrpartikulaumlres Wohl sehender Besonderheiten erhabene Einheitdas allgemeine Bildungsmittel die Geiszligel Gottes die Zuch- 1 dem den Ms2 Im Ms folgt gestr erkannt werde3 Im Ms folgt gestr []4 Der Ein Korr im Ms

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trute der Voumllker und als die allgemeine Einheit insofern dieRepraumlsentantin der Vernunft und Humanitaumlt oder des Christusin den fruumlhern Zeiten war1 Denn die Wissenschaft die erhabenist uumlber alle nationalen und religioumlsen Zwiste und Differenzenweil sie den Geist selbst nicht den Menschen in seiner beson-deren Individualitaumlt mit seinen trostbeduumlrftigen Gemuumltsangele-genheiten zu ihrem Gegenstande und Prinzip hat trat jetzt andie Rolle der katholischen Kirche und der Kirche uumlberhauptsie wurde jetzt das allgemeine Bildungs- und Verbindungsmit-tel der Voumllker Die Wissenschaft ob sie gleich keine Kirche zuihrem Ausdruck keinen Koumlnig oder Papst zu ihrem Repraumlsen-tanten keine stehenden Heere keine Gendarmen und Polizei-diener uumlberhaupt keine Aumluszligerungsmittel sinnlicher Macht undkeine aumluszligerlichen Verbindungsmittel kennt und hat muszlig dochin der Totalitaumlt ihrer verschiedenen Zweige und in der Totalitaumltder Literatur aller Zeiten und Voumllker als die allgemeine Einheitder Menschheit als der wahre Geisterstaat und Geisterbund alseine gemeinsame Welt2 und zwar als die Welt des freien Gei-stes angesehen werden Nicht die protestantische Religionsondern der Geist der Wissenschaft oder die Wissenschaft als 1 Am Rande Anm[erkung] Z B der Geschichtsschreiber Froissart

aus dem 14 Jahrhundert bemerkt von dem Adel seiner Zeit daszlig erohne die Geistlichkeit wie das Vieh sein wuumlrd[e] les Seigneurs sontgouverneacutes par le clergeacute nrsquoils sauroient vivre et seroient comme be-stes si le clergeacute nrsquoestoit S Mainers histor[ische]Vergleichung derSitten und Verfassungen etc des Mittelalters usw II Band [CMeiners Historische Vergleichung der Sitten und Verfassungen hellipII Band Hannover 1793 S 564]

2 Am Rande Anm[erkung] Apud studiorum cultores minimum ha-bere momenti par est regionum discrimina quisquis communibusmusarum sacris initiatus est hunc ego [im Ms folgt gestr hὁμοπάτριδα duco Erasmus Epist [Erasmus von Rotterdam DEpistolae In Desiderii Erasmi Roterodami Opera OmniaEmendatiora et Auctiora Tomus Tertius Pars Prior Lugduni1703 Epistola CCCXCIII Sp 421] bdquoEs gibt keine patriotischeKunst und keine patriotische Wissenschaft Beide gehoumlren wie alleshohe Gute der ganzen Welt an und koumlnnen nur durch allgemeinefreie Wechselwirkung aller zugleich Lebenden in steter Ruumlcksichtauf das was uns vom Vergangenen uumlbrig und bekannt ist gefoumlrdertwerdenldquo Goethe Aus Makariens Archiv [J W v Goethe WilhelmMeisters Wanderjahre oder die Entsagenden Aus Makariens Ar-chiv Buch III In Goethersquos Werke Bd 23 Stuttgart ndash Tuumlbingen1829 S 259]

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das uumlber die Partikularitaumlten und Differenzen der bestehendenReligionsarten1 und Nationen erhabene Geisterreich muszlig da-her nicht nur als die wahre Gruumlnderin der neuern Zeit sondernals die neure Zeit als die wahre neure Welt selbst angesehenwerden

Es kann freilich wohl ein Schriftsteller aus Vorliebe fuumlr dieReligionssekte zu der er gehoumlrt bei der Behandlung gewisserPartien der Wissenschaft diese mit seiner religioumlsen Parteilich-keit infizieren allein dies ist wie sich von selbst versteht ganzzufaumlllig hat gar nichts gemein mit dem Wesen der Wissen-schaft die absolute Indifferenz ist hat seinen Grund nur in demunwissenschaftlichen Charakter 26 eines der Wissenschaftganz fremden und gleichguumlltigen Subjekts und solche vonreligioumlser Parteilichkeit und Partikularitaumlt infizierten Schriftenkoumlnnen daher nie auf den Rang wissenschaftlicher Werke An-spruch machen Ebenso stellen sich wohl auch in der Behand-lung der Wissenschaft die Nationalbesonderheiten dar alleinder Charakter die Besonderheit einer Nation wie sie sich inder Wissenschaft ausdruumlckt ist selbst schon eine allgemeineBesonderheit d i eine Besonderheit geistiger Natur denn nurein solches Volk arbeitet sich zur Wissenschaft empor dasseine Besonderheit zur Allgemeinheit zu allgemeiner Mensch-lichkeit und Geistigkeit ausbildet und ein klassisches Werk dh ein Werk das der Idee der Wissenschaft entspricht ist im-mer obwohl ein echtes Nationalprodukt zugleich ein allge-meines Werk

sect16 Das Erwachen des freien Geistes des Geistes der Wissen-

schaft und Humanitaumlt aumluszligerte sich daher sogleich darin daszlig erdie alten Heiden wieder aus dem Grabe auferweckte und sieaus der Houmllle der Verdammung und Vergessenheit in die sieder abstrakte und beschraumlnkt christliche Geist verstoszligen hattebefreite und an das offene Tageslicht des Bewuszligtseins wiederhervorzog Der Trieb zu dem Studium der klassischen Literaturund die groszlige Begeisterung fuumlr es ging aus einem Mangel desabstrakten Christentums hervor das sich nur als Besonderheitin der aumlngstlichen und bornierten Abscheidung von dem Wesendes Heidentums erfaszligt und als Christentum behauptet auseinem innern Beduumlrfnisse und dem Freiheitsgefuumlhle dem dieSchranke der Christlichkeit zu enge und zu beschraumlnkend war 1 Religionsarten Religionen Korr im Ms

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und welche daher der menschliche Geist zu durchbrechen undso sein besonderes1 christlich beschraumlnktes Bewuszligtsein zumallgemeinen Welt- und Menschenbewuszligtsein zu erweiterngetrieben war Der Zweck um deswillen das Studium der klas-sischen Literatur wieder erweckt wurde war daher auch keinanderer als das christliche Altertum in Form und Inhalt leben-dig sich anzueignen wieder zu produzieren und darzustellenkein anderer als den wahren Geist des Heidentums mit demdes Christentums zu vereinen und seine weltgeschichtlicheBestimmung deswegen allgemeines Bildungsmittel der neuernMenschheit zu sein

Der Zweck um2 dessen[t]willen man3 wieder das Studiumder klassischen Literatur der Griechen und Roumlmer erneuertewar kein so niedriger und beschraumlnkter wie spaumlter oder garjetzt wo 27 das Studium derselben groszligenteils nicht mehrSache des Geistes und der Menschheit sondern nur noch eineSchulsache wo es ohne Andacht und Resignation als eineaumluszligerliche den Geist die Gesinnung das Herz die innerstenAngelegenheiten des Menschen gleichguumlltig lassende Beschaumlf-tigung nicht mit ganzer Seele mit ganzem Geiste sondern mitunentschiedenem zerbrochnen in die [] Innerlichkeit einerbornierten aumlngstlichen beschraumlnkten Christlichkeit und dieinhaltslose Aumluszligerlichkeit eines nur formalen Sprachstudiumszerfallenen Geist betrieben wird der Zweck zu dem [man]besonders zur Zeit der wiedererwachenden Wissenschaften diealten Heiden studierte die uumlbrigens im Vorbeigehen gesagt obsie gleich nichts von der Person Christi wuszligten doch4 unend-lich mehr vom Geiste Christi bessere Christen waren als diebornierten Christen der modernen Welt d i von goumlttlichemGehalt und Wesen durchdrungenen und erfuumlllten Geister derZweck war um wie Heerens Worte zu gebrauchen zur groszligenEhre des Zeitalters zunaumlchst derjenige der er eigentlich seinsollte Bildung des Geistes bdquoMan erlernte kein Latein um diePandekten kein Griechisch um das neue Testament zu verste-hen die klassische Literatur war damals viel weniger Hilfsstu-dium als sie es nachmals ward man studierte sie zunaumlchst um

1 Im Ms folgt gestr be[schraumlnktes]2 um zu Korr im Ms3 Im Ms folgt gestr fruumlher4 Im Ms folgt gestr mehr

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ihrer selbst willensldquo1 bdquoEs ward lebendigldquo sagt Creuzer vor-trefflich (in jener ersten Periode die er als die der Nachah-mung bezeichnet) bdquodie Idee von der Wuumlrde des Lebens unterden gebildeten Heiden man ward beruumlhrt von der Groumlszlige ihresDenkens und Redens Jene Vollendung des Lebens der Gedan-ken der Dichtung der Rede sollte zuruumlckgefuumlhrt werdenldquo2

Das Zeitalter des Wiederauflebens der Wissenschaften3 dasZeitalter Lorenzos von Medici [war] unstreitig bis jetzt dasschoumlnste und herrlichste im ganzen Verlauf des christlichenWeltalters von daher auch wirklich nichts andres als das glaumln-zende Auferstehungsfest die feierliche Wiederkehr und Wie-dergeburt der schoumlnen heidnischen Welt in Wort und Tat inEmpfindung und Anschauung im Denken wie im Leben Flo-renz selbst4 nichts andres als das wiedergekehrte Athen5

Da es sich bei dem Wiedererwachen des Studiums der altenklassischen Literatur um eine feierliche Assimilation der heid-nischen Welt und des heidnischen Geistes handelte so war esetwas ganz Natuumlrliches wenn der menschliche Geist entzuumlcktvon den Herrlichkeiten und Schoumlnheiten der heidnischen Weltmit ganzer Seele ihr hingegeben in6 jugendliche Gefuumlhle derFreiheit im einzelnen mit der innerlichen Verneinung des Ka-tholizismus7 zu einer Indifferenz oder Abneigung gegen dasChristentum oder selbst die Religion uumlberging So warf man z 1 Am Rande Anm[erkung] Heeren Geschichte des Studiums der

classischen Literatur II B[and] S 278 [A H L Heeren Ge-schichte der classischen Litteratur im fuumlnfzehnten Jahrhundert InGeschichte des Studiums der classischen Literatur seit dem Wieder-aufleben der Wissenschaften Bd II Buch 1 Goumlttingen 1801 S279]

2 Am Rande Anm[erkung] Vergl[eiche] Studien von Daub undCreuzer I L S 8 und des letzteren akademisches Studium des Al-tertums S 80 und 81 [F Creuzer Das Studium des Altertums alsVorbereitung zur Philosophie In Studien Hrsg K Daub F Creu-zer Bd I Frankfurt ndash Heidelberg 1805 S 8 ndash Vgl F CreuzerDas akademische Studium des Altertums Heidelberg 1807 S 80-81]

3 Im Ms folgt gestr namentlich4 Im Ms folgt gestr war5 Am Rande Anm[erkung] V[ergleiche] z B das Leben von Loren-

zo von Medici n[ach] Roscoe und die Vorrede dazu von Sprengel[W Roscoe Lorenz von Medici a a O]

6 Im Ms folgt gestr erste7 Katholizismus alten beschraumlnkten Glaubens Korr im Ms

361

B dem enthusiastischen Platoniker Pletho der auch eine Hym-ne an die Sonne verfertigte 1 vor 28 daszlig er vom Christentumzum Heidentum abgefallen sei und behauptet habe unam can-demque religionem universum orbem esse suscepturumnon agentilitato differentem2 Erasmus war in negatio religionisneutral3 Scaliger sagt von Muretus si tam bene crederet inDeum quam optime persuaderet esse credendum bonus essetChristianus4 Laurentius Valla soll gesagt haben Se haberequoque spicula in Christum5 Justus Lipsius obwohl er die divaVirgo Hellensis als seine gnaumldige Beschuumltzerin verehrte und ihrfuumlr ihre groszligen Wohltaten in seinem Testamente seinen schouml-nen Doktorrock und einen calamum argentum aus Dankbarkeitvermachte changierte dreimal seine Religion6 Der SimiaCiceronis Petrus Bembus geheimer Sekretaumlr Leo des X be-hauptete wer die Eloquenz und elegantiam scribendi liebesolle ja nicht die Episteln seruti lesen7 Bekannt ist die Sinnes-und Denkart des Medicaer Leo X und andrer HumanistenCharakteristisch ist die Sage oder Anekdote die von Hermo-laus Barbarus erzaumlhlt wird naumlmlich daszlig er als er an die Uumlber- 1 Vgl J A Fabricius Bibliotheca Graeca Bd XII Hamburgi 1809

Lib V 23 S 982 Am Rande Anm[erkung] Fabricius Bibl Graec (Vol X Tom X l

V) und Boivin Streit zwischen den Philosophen im 15 saec in ActPhilos X S 541 [Vgl J A Fabricius Bibliotheca Graeca Bd XIHamburgi 1808 Lib V c XXXIX S 390 ndash Vgl J Boivin de Ville-neuve Nachricht uumlber dem Streite der Philosophorum hellip In ActaPhilosophorum hellip X Stuumlck Halle 1719 S 541 ndash Vgl G PlethonTraiteacute des Lois Ou recueil des fragments en parte ineacutedits de cetouvrage Paris 1858 S XVI ]

3 Im Ms folgt gestr die Katholiken [] nannten ihn daher [] Athei-sten [] [Vgl A Clarmundo Desiderius Erasmus In Vitae claris-simorum hellip di Lebensbeschreibungen etlicher HauptgelehrtenMaumlnner Bd I Wittenberg 1704 S 30]

4 A Clarmundo Marcus Antonius Muretus In Vitae clarissimorumhellip a a O S 91

5 Vgl A Clarmundo Laurentius Valla In Vitae clarissimorum hellipBd IV Wittenberg 1711 S 18

6 Vgl A Clarmundo Justus Lipsius In Vitae clarissimorum hellip BdI a a O S 119

7 Vgl A Clarmundo Petrus Bembus In Vitae clarissimorum hellip BdII Wittenberg 1705 S 42 ndash Am Rande Anm[erkung] S[iehe][Adolphus] Clarmundi Vitae clarissimorum in re lit[erari] virorumTom I Tom II T[om] IV

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setzung des Wortes Ẻντελέχεια[Entelechie] kam und nachvergeblichen Bemuumlhungen nicht gewuszligt habe wie er es uumlber-setzen solle in dieser seiner Desperation und Verlegenheit sichendlich entschloszlig den Teufel um Rat zu fragen der ihm dannauch den Rat erteilte wie er es uumlbersetzen solle1 Wenn for-schende Vernunft wenn selbstaumlndiger freier denkender Geisteins ist mit dem Prinzip des Boumlsen dem Teufel so muszlig manbehaupten daszlig nicht nur Hermolaus Barbarus sondern allegroszligen Humanisten Philosophen und Naturforscher der neuernZeit den Teufel um Rat gefragt2 und bei ihm Collegia gehoumlrthaben und daszlig uumlberhaupt nur der Teufel den Menschen zumMagister oder Doctor Philosophiae promoviert

Da die Transsubstantiation der klassischen Welt die Er-kenntnis und das Studium derselben bedingt und vermittelt wardurch Sprach- und sonstige Gelehrsamkeit so war es eine na-tuumlrliche Folge daszlig in neurer Zeit das Mittel fuumlr den Zweckgenommen und der Zweck zum Mittel erniedrigt wurde daszligdas Wissen bis zur voumllligen Indifferenz gegen allen Inhalt fort-ging daszlig jetzt nicht mehr auf das Gewuszligte auf den Inhaltnoch auf den Geist des Wissens sondern auf das bloszlige Wissenals solches ohne Ansehung seiner Qualitaumlt auf die bloszlige Ge-lehrsamkeit als solche unendlicher Wert gelegt wurde und derSinn fuumlr das Wahre und Schoumlne und Vollendete der klassischenWelt sich in bloszlige Eitelkeit in den Wohlgeschmack an derbloszligen Form verlor das houmlchste Ziel der Eleganz und Korrekt-heit in Reden und Schreiben und die unbedingte Hingebung inden Inhalt und das Wesen 3

31 Anschauung seiner als eines Objektes d i durch dieAssimilation der geistigen Werke des Altertums zum Selbst-bewuszligtsein und zur Produktivitaumlt Ehe er produktiv wurdemuszligte er reproduzieren in sich eine geistige Welt die seinesGeistes seines Wesens und Ursprungs war Plato Aristotelesdie uumlbrigen Philosophien und Produkte der klassischen Weltwurden nur deswegen mit solchem Enthusiasmus aufgenom-men studiert und assimiliert weil die welche dieser Enthusi-

1 Am Rande S Clarmundus l c Tom IV [Vgl A Clarmundo

Hermolaus Barbarus In Vitae clarissimorumhellip Bd IV a a O S27]

2 gefragt fragten Korr im Ms3 Text bricht ab Ms S 29 und 30 fehlen

363

asmus ergriff die Befriedigung ihres eignen innersten Geistes-beduumlrfnisses in ihnen fanden weil der freie der universelle derdenkende Geist der in ihnen zum Dasein und zur Taumltigkeiterwachte in jenen Werken die Produkte seiner selbst seinWesen in ihnen und sie in seinem Wesen erkannte Zugleichwar aber auf dieser Stufe der Reproduktion der Geist gleichsambei sich und zugleich auszliger sich d h die Einheit seinesSelbstbewuszligtseins noch getrennt und auseinander gehalten inden Unterschied1 seiner selbst als des denkenden bewuszligtseien-den und seiner als des Bewuszligten des Objektes das [] seineseignen Wesens im Innersten ihm verwandt und gleich dochals ein Gegebenes und Empfangenes kurz als ein Objektivessich zu ihm als ein Andres verhielt Allein eben durch dieseAnschauung seiner als eines Objektes durch dieses Bewuszligt-sein und diese Erkenntnis seiner in einem Objekte oder objek-tiven Welt in der er sein eigenstes Wesen erkannte die Befrie-digung seiner eignen Beduumlrfnisse fand und die Assimilationund Aneignung dieser Welt wodurch sie eben aufhoumlrte eineandre eine fremde und gegebene zu sein gelangte dermenschliche Geist zur freien Einheit mit sich selbst und so erstwurde er produktiv-wissenschaftlicher oder denkender GeistDenn ein produzierender Geist ist eben nur der welcher nichtbei Anderen und der Aneignung eines Gegebenen2 und in derAbhaumlngigkeit davon3 im Unterschied und in der Trennung vonsich stehenbleibt sondern an die innerste Einheit mit sichselbst und damit zum freien Selbstbewuszligtsein und unabhaumlngi-ger Selbstaumlndigkeit gedrungen ist Ein nicht produktiver Geistist dagegen eben ein solcher der nicht mit sich selbst Einsgeworden ist denn nur [] diese Einheit ist4 die Quelle eignenfreien Lebens kraft der Produktivitaumlt denn diese Einheit mitsich [ist] wesentlich Spontaneitaumlt Selbsttaumltigkeit und damitProduktivitaumlt

sect 1932 Von dem Geiste des Mittelalters und seiner Philosophie

unterscheidet sich daher im Allgemeinen der Geist der Philo-sophie der neuern Zeit hauptsaumlchlich dadurch daszlig sie aus demjenseitigen Schattenreich der Logik und Metaphysik an den 1 Im Ms folgt gestr des denk[enden]2 anderen hellip Gegebenen und in Anderen und Anderen Korr im Ms3 davon von ihnen Korr im Ms4 Im Ms folgt gestr ist

364

lichten Tag der Wirklichkeit wie sie Geist und Natur ist her-vortretend die selbsttaumltige Einheit des Geistes mit sich denselbstbewuszligten lebendigen wirklichen Geist selbst zu ihremPrinzipe hat daszlig sie indem sie nicht wie die Philosophie desMittelalters das nur abstrahierende Denken sondern denselbstbewuszligten lebendigen Geist selbst zu ihrem Prinzipe hatnicht abstrakte Dinge abgezogene Wesenheiten nicht Ab-straktionen der Metaphysik keine sogenannten Universaliadenen zwar abstrakte Wahrheit aber nicht Wirklichkeit zu-kommt sondern Gegenstaumlnde zu ihrem Objekt und Inhalt hatderen Wirklichkeit unmittelbar mit dem Denken derselbengesetzt ist die sind indem sie gar nicht werden und gar nichtanders1 als seiend gedacht werden koumlnnen in denen also Seinund Denken identisch sind Gegenstaumlnde die gedacht in derForm des Gedankens zugleich in die Form und Gestalt objek-tiver gegenstaumlndlicher Wirklichkeit traten und so im Denkenzugleich in die Anschauung fallen wie z B die Substanz desSpinoza oder unmittelbar eins sind mit dem gegenwaumlrtigenselbstbewuszligten Geiste wie es im Cartesianischen cogito ergosum der Fall ist daszlig sie also2 nicht den nur distinguierendenfolgenden und schlieszligenden abstrahierenden und durch Ab-straktion zu abstrakten Universalia und in ihnen endendenlogisch-metaphysischen Verstand sondern den an der substan- 1 Am Rande Anm[erkung] Z B Si quis ergo diceret se claram et

distinctam h e veram ideam substantiae habere et nihilominus du-bitare num talis substantia existat idem hercle esset ac si diceretse veram ideam habere et nihilominus dubitare num falsa sitSpinoza Eth P I Prob VIII [] II [B Spinoza Ethica pars primaIn Opera quae supersunt omnia Vol II Jena 1803 Propos VIIISch II S 40] ndash Im Ms folgt gestrichen Lrsquoon ne peut donc voirDieu qursquoil nrsquoexiste on ne peut voir lrsquoessence drsquoun ecirctre infinimentparfait sans en lrsquoexistencehellip si donc on y pense il faut qursquoil soitMalebranche De la recherche de la veacuteriteacute Lib IV Chap XI [NMalebranche De la Recherche de la Veacuteriteacute hellip T I Paris 1721Lib IV Chap XI S 474] Dieser Gedanke kommt als sogenannterontologischer Beweis auch allerdings auch schon im Mittelalter vorder daher unstreitig auch sein geist[vollster] und lebendigster philo-sophischer Gedanke ist aber viel abstrakter und formeller Ein Bei-spiel ferner ist das cogito ergo sum des Cartesius kurz die ganzeGeschichte der neuern Philosophie Die Maumlngel der neuern Philo-sophie [] Geist und Inhalt koumlnnen nur innerhalb ihrer Geschichteselbst gezeigt werden

2 Im Ms folgt gestr der

365

tiellen unendlichen Einheit des Denkens und Seins anhaben-den und nur innerhalb dieser substantiellen Einheit denkendenGeist zu ihrem Prinzip hat

sect 20Mit dem Selbstbewuszligtsein des denkenden Geistes als dem

Prinzipe der neuern Philosophie und Wissenschaft war zu-gleich auch das Bewuszligtsein der Natur wieder gesetzt Denn einBewuszligtsein ist das Selbstbewuszligtsein des Geistes und das Be-wuszligtsein der Natur Die Natur die im Mittelalter in die Nachtder Ignoranz versenkt und vergraben war wurde jetzt wiederaus dem1 Dunkel ans Licht hervorgezogen und zu einem we-senhaften Objekte des Geistes Die Natur erhob sich aber damitjetzt auch wieder aus der Stufe eines Endlichen einer bloszligenNatur in den Rang eines an und fuumlr sich Wesenhaften undUnendlichen eines absoluten Wesens2

1 Im Ms folgt gestr Licht2 Text bricht ab

366

8 Zur Hegelschen Geschichte der Philosophie1

Hegel stellt alles so auch in der bdquoGeschichte der Philoso-phieldquo2 nur in einer sukzessiven Entwicklungsreihe dar dahersubordiniert er Systeme die doch nicht nur gleichzeitige son-dern auch gleichberechtigte sind So setzt er z B den Heraklituumlber Parmenides aber jener steht nicht houmlher als dieser beidestehen auf demselben Boden beide sehen denselben Gegen-stand aber nur unter verschiedenen Formen oder vielmehr mitverschiedenen Augen Halten wir uns nur an den bekanntenbdquoFluszligldquo des Heraklit Parmenides sieht so gut wie Heraklit denFluszlig des Lebens und der Dinge aber er sagt bdquoEs folgt immernur dasselbe auf dasselbe Welle auf Welle aber immer diesel-be Leier kein wesentlicher Unterschied ein Unterschied nurfuumlr das Auge aber nicht fuumlr meinen Verstand mein Verstandsteht stille bei dieser Bewegung sie bewegt sie affiziert ihnnicht unterschiedentlich er langweilt sich es ist also nur eineBewegung dem Scheine aber nicht dem Inhalt der Sache derWahrheit nach Wenn ich dieses Wasser das hier nacheinanderverlaumluft auf eine Flaumlche braumlchte so waumlre der Eindruck einabsolut einfoumlrmiger identischer Was mir jetzt als ein AnderesVerschiedenes erscheint weil ich es nacheinander wahrnehmewuumlrde mir auch als Eines und Dasselbe erscheinen wenn ichauf einmal es uumlberschauen koumlnnteldquo Heraklit dagegen abstra-hiert von der Identitaumlt des Inhaltes und haumllt sich bloszlig an dieForm des Kommens und Vergehens an die sinnliche Bewe-gung die immerwaumlhrend ist waumlhrend das Subjekt der Bewe-gung die Welle vergeht und entsteht Dem Heraklit ist dasFlieszligen das Fortwaumlhrende Bestehende dem Parmenides dasFlieszligende Aber beide Anschauungen sind gleichberechtigtbeide liegen ebenso in der Natur der Sache als in der Natur desMenschen beide repetieren sich in tausenderlei Weisen imLeben und Denken des Menschen Dem Einen genuumlgt z Bsein Weib um das Weib kennen zu lernen der Andere glaubtdas Weib nur zu kennen wenn er es im Plural kennen gelernthat Die eine Anschauung ist die des ruhigen besonnenen Ver- 1 Text uumlbernommen aus BwN I S 393-3972 G W F Hegel Vorlesungen uumlber die Geschichte der Philosophie

1-3 Bd hrsg von K L Michelet In Werke Vollstaumlndige Ausgabedurch einen Verein von Freunden des Verewigten XIII-XV BdBerlin 1833ndash1836

367

standesmenschen die andere die des sinnlichen feurigen Men-schen

Hegel opfert die inneren immer vorhandenen ewigen Gruumln-de den zeitlichen historischen Gruumlnden auf So begruumlndet er zB den Skeptizismus lediglich als Gegensatz gegen die epiku-reische und stoische Philosophie als dogmatische Systeme1

Aber dadurch wird nur der aumluszligere historische nicht der innerepsychologische Grund erkannt und angegeben Und gleichwohlhat der Skeptizismus einen solchen und es ist gerade die Auf-gabe des Philosophen zu fragen worin hat er seinen Grund Zujeder Zeit gibt es Skeptiker wenngleich der Skeptizismus nichtzu jeder Zeit gleiche Bedeutung hat dort ein organisches hierein Produkt einer generatio aequivoca ist Gibt man daher demSkeptizismus nur einen speziell-historischen nur durch denStandpunkt einer bestimmten zeitlichen Philosophie bedingtenUrsprung so ist es unmoumlglich ohne Willkuumlr mit der Empiriefertig zu werden So hat ein Schuumller Hegels den Skeptizismuseines Huet und Bayle lediglich auf Rechnung der CartesischenPhilosophie gesetzt als welche den Gegensatz zwischen Aus-dehnung und Denken Ding und Gedanke aufs aumluszligerste getrie-ben habe ein Gegensatz dessen notwendige Folge eben derSkeptizismus sei Und doch treffen wir schon vor Cartesius undgleichzeitig mit ihm aber unabhaumlngig von seiner Philosophieden Skeptizismus wie z B im Gassendi Aber wie mit demneueren ist es mit dem aumllteren Skeptizismus Pyrrho ist gleich-zeitig mit Aristoteles Notwendig wird daher der Skeptizismushoumlchst einseitig erfaszligt wie es von Hegel und seiner Schulegeschieht wenn nicht sein psychologischer Grund beruumlcksich-tigt wird Ich sage keck weg der psychologische ob ich wohlweiszlig daszlig die psychologischen Erklaumlrungen in Verruf sindaber ich sehe nicht ein warum man mit einer seichten psycho-logischen Erklaumlrung auch die psychologische Erklaumlrung uumlber-haupt verwerfen soll Die Hegelsche Methode hat uumlberhauptden Mangel daszlig sie die Geschichte nur als einen Fluszlig ansiehtohne den Boden zu betrachten uumlber den der Fluszlig hinstroumlmt Siemacht die Geschichte zu einem ununterbrochenen intelligentenAkt was sie doch nicht ist Die Geschichte der Philosophiewird unterbrochen durch antiphilosophische rein praktischeInteressen und Tendenzen durch rein empirische Beduumlrfnisse 1 G W F Hegel Vorlesungen uumlber die Geschichte der Philosophie

1 Bd In Werke XIII Bd Berlin 1833 S 187

368

der Menschheit In solchen Zeiten wird die Philosophie aller-dings auch erhalten aber geschwaumlngert mit den Bestandteilendes Bodens woruumlber sie flieszligt Wird diese Beschaffenheit desBodens nicht beruumlcksichtigt sondern nur der Fluszlig so wird alseine houmlhere Stufe gefaszligt was in ein ganz anderes Gebiet ge-houmlrt daher mit dem fruumlheren gar nicht verglichen werden kannund es ist dann unvermeidlich daszlig nicht das Wesentliche zumUnwesentlichen und umgekehrt das Unwesentliche zum We-sentlichen gemacht wird So ist es mit der Bedeutung die He-gel der neuplatonischen Philosophie im Gegensatze gegen diealtgriechische gibt Hier ist heiszligt es die absolute Idee erschie-nen aber in der Form der Gaumlrung der Ektase der Schwaumlrme-rei Die Ektase wird also zum Unwesentlichen zur bloszligenForm gemacht Allein wo die Form Schwaumlrmerei ist da istauch der Inhalt das Objekt ein schwaumlrmerisches phantasti-sches Objekt So wenn Plotin die bdquounmittelbare Annaumlherungldquound Vereinigung mit der Gottheit als das Ziel der Philosophiebestimmt ndash so kann man nicht sagen nur die Form der Un-mittelbarkeit der Vereinigung ist hier das Phantastische son-dern dieser Inhalt ist gar nichts auszliger dieser Form Ist dennnicht notwendig das Objekt selbst ein Unmittelbares Sinnli-ches oder wenigstens phantastisch Sinnliches wo eine unmit-telbare Annaumlherung stattfindet So wenn bei Plotin das Eineals das Vollkommene uumlberflieszligt und dieses Uumlberflieszligende seinProdukt ist1 so ist dieses Phantasiebild die Sache selbst eslaumlszligt sich nicht mehr der Gedanke vom Bilde absondern Daspositive Philosophische in den Neuplatonikern ist nur der In-halt aus der alten Philosophie aber jetzt versetzt aus dem Ele-mente des Denkens in das Zauberland der Phantasie wo erobgleich derselbe anders und schoumlner als in seinem fruumlherenElemente erscheint gleichwie uns im Traume dieselbe Sacheanders und unendlich schoumlner erscheint als im Wachen DieZeit der Neuplatoniker war eine Zeit des Ungluumlcks der Unzu-friedenheit mit der Welt der Krankheit Die Philosophie hat insolcher Zeit die Bedeutung der Medizin Sie wird nicht getrie-ben aus freiem Interesse mit dem Sinne mit welchem sie derGesunde der Gluumlckliche treibt nicht um ihrer selbst willen Siesoll die Beduumlrfnisse des kranken Herzens befriedigen Wundenheilen den Verlust der Welt der Realitaumlt ersetzen Dies ver- 1 G W F Hegel Vorlesungen uumlber die Geschichte der Philosophie

2 Bd In Werke XV Bd Berlin 1836 S 51-52

369

mag sie aber nur durch das Gemuumlt bezaubernde Vorstellungennur durch die Phantasie nicht durch die Vernunft Der Stand-punkt der Neuplatoniker ist also kein houmlherer sondern ein ganzanderer als der der alten Philosophen - kein theoretischersondern praktischer Aber ebenso waren schon der Stoizismusder Epikurismus und Skeptizismus Erscheinungen von demVerschwinden des philosophischen Geistes Erscheinungendavon daszlig das theoretische Interesse durch praktische Interes-sen verdraumlngt war Der Skeptizismus verdankt seine Entste-hung nicht einer einseitigen dogmatischen Philosophie son-dern der Richtung und Zeit wo der Mensch seinen naumlchstenInteressen das houmlchste Interesse zuwendet und daher gegendas Wissen gleichgiltig wird Was kuumlmmertrsquos mich ob dieSonne so groszlig oder groumlszliger ist als sie erscheint ob die Erde umdie Sonne oder die Sonne um die Erde laumluft Sie mag stehenoder laufen - deswegen geht mein Puls nicht langsamer ver-daut mein Magen nicht besser wird mein Herzeleid nicht ver-mindert Hieraus allein erklaumlrt es sich auch wie der Skeptizis-mus mit dem Pietismus und Mystizismus in Verbindung ge-bracht werden kann wie es von der neueren Zeit geschah

370

9 Neue Philos[ophie] Frankr[eichs] und Engl[ands]1

2 Locke Leibniz Empirism[us] Rationalism[us]Beide bestimmten sie nach ihnen bearbeitet d[ie] Philos[ophie]England[s] Frankr[eichs] Niederl[ande] Deutschl[ands]Schauplatz Aus Engl[and] und Frankr[eich] gingen d[ie] bei-den Hauptrichtungen Empir[ismus] und Rat[ionalismus] her-vor Deutschl[and] spielte anfangs untergeordnete Stellungdurch die Aneignung fremden Ertrags Allmaumlhlich erhob sichDeutschl[and] zum Mittelpunkt alles widersch [] StrebensDieser Geist der Rationalitaumlt sowie d[ie] Beschaffenheit d[es]Deutschen Reichs die Vielheit mehrerer unabhaumlngiger aberverbundener Staaten und d[er] Mangel einer Hauptstadt d[ie]den Ton angibt hat Einfluszlig auf d[en] Gehalt und d[ie] Formder Erschei[nun]gen gehabt so daszlig keine einseitige Richtungfestwurzeln konnte daszlig nicht3 eine Seite des menschl[ichen]Geistes mit Ausschlieszligung der andern fesselte daszlig k[eine]Wiss[en]schaft d[ie] andre daszlig d[as] Wissen nicht den Glau-ben verdraumlngte und dieser nicht jenes ausschloszlig daszlig d[ie]Philos[ophie] ein Bunde mit Mor[al] und Rel[igion] nicht denM[enschen] scheinbar erhob um ihn auf der anderen Seitedesto tiefer zu stuumlrzen

Frank[reich] National eher Hauptstadt die den Ton angibtnur die phys[isch]e Natur als Realit[aumlt] festgehalten Meta-phys[ik] verlacht endlich ganz aus d[em] Gebiete d[er] Phi-los[ophie] verstoszligen

In England haben4 Baco und5 Locke d[ie] Hauptrichtungbestimmt Psychologie mit Lust getrieben Materialis[mus]konnte nicht herrschende Denkart hier w[erden]

In Italien konnte Philos[ophie] nicht aufkommen In Nieder-landen w[urde] Philos[ophie] als Hilfswissensch[aft] getriebenD[ie] nordische[n] Reiche erhielten fast immer d[ie] wissen-schaft[liche] Aufklaumlrung aus d[en] suumldlichen Laumlndern beson-ders aus Deutschl[and]

Frankr[eich]1

1 Uumlberschrift im Ms am Rande r o2 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S I3 nicht o Ms4 haben hat Ms5 Im Ms folgt gestr Verul[am]

371

Eacutetienne Bonnot de Condillac Lehrer d[es] Erbprinzen vonParma geb 1715 dagger 1780 einer der ersten d[er] Lockes Lehreeigentuumlml[ich] auffaszligt und in Frankr[eich] Epoche machtFruumlher w[ar] schon durch Gassendi und d[ie] Schulphi-los[ophie] d[ie] Ansicht vom empir[ischen] Ursprung der Er-kenntnis hervorherrschend Cartes[ius] unterbrach sie Con-dill[ac] stellte sie wieder [her] er wollte auch Lockes Lehred[er] Metaphys[ik] begruumlnden vereinfachte sie

Essai sur lrsquoorigine des connaissances humaines Am-sterd[am] 1746 2 Tom 12deg Deutsche Uumlbers[etzung] vonMich[ael] Hiszligmann Leipz[ig] 1780 8deg2

Die Sensation ist das Prinzip aller Erkenntnis Locke be-trachtet d[ie] menschlichen Wahrnehmungen d[er] Seele alsangeborne Qualitaumlten derselben Cond[illac] als erworbeneFertigkeiten Empfind[ung] w[ird] Aufmerks[am]keit Ge-daumlchtnis ist eine umgewandelte Empfindung Durch transfor-mation des sensations entsteht alle Taumltigkeit d[er] Seele 3

Traiteacute des sensat[ions]4 Encyclop[eacutedie] meacutethod[ique] Philo-sophie anc[ienne] et mod[erne] T II P I5

Charles Bonnet geb 1720 zu Genf (abstammend ausfranz[oumlsischem] Geschl[echt]) dagger 1793 Aumluszligerte fruumlhzeitigbesond[eren] Beobachtungsgeist macht Entdeckungen vonInsekt[en] und Pflanzen

S[ein] erstes ersch[ienenes] Werk Essai de psychologie ouconsideacuterations sur les opeacuterations de lrsquoacircme sur lrsquohabitude et surlrsquoeacuteducation Londres 1755 Deutsche Uumlbers[etzung] v[on]Dohm Lemgo 17756 ndash Essai analyt[ique] sur les faculteacutes delrsquoacircme Copenhague 1760 D[eutsch] v[on] Schuumltz Bremen

1 Vgl W G Tennemann Geschichte der Philosophie 11 Band

Leipzig 1819 [Bis Ende des Kapitels]2 Eacute B d Condillac Versuch uumlber den Ursprung der menschlichen

Erkenntnis Leipzig 17803 Am Rande r o II neue Philos[ophie] Frankr[eichs] und Engl[ands]4 Eacute B d Condillac Traiteacute des sensations Londres 17545 J A Naigeon Encyclopeacutedie meacutethodique ou par ordre de matiegraveres

par une Socieacuteteacute de Gens de Lettres de Savans et dArtistes hellip Phi-losophie ancienne et moderne T II Paris 1792 P I

6 C Bonnet Des Hrn Karl Bonnet psychologischer Versuch als eineEinleitung zu seinen philosophischen Schriften Aus dem Franzoumlsuumlbers und mit einigen Anm begleitet von C W Dohm Lemgo1773

372

17701 La palingeacuteneacutesie philos[ophique] ou ideacutees [sur lrsquoeacutetatpasseacute et] sur lrsquoeacutetat futur des ecirctres vivants Genev 1769Deutsch v[on] Lavater2 Sammlung saumlmtl[icher] Werke Œu-vres drsquohistoire natur[elle] et de philos[ophie] Neufchacirctel 17832 Bd 8 Voll

Richtete Taumltigkeit d[es] Geistes hauptsaumlchlich auf d[ie] Psy-chologie des Geistig[en] d[en] Mechanism[us] der Nervenndashund Gehirnbeweg[un]g[en] erklaumlrt d[ie] sinnliche Vorstel-lungstaumltigkeit durch d[ie] Bewegung d[er] Gehirnfibern D[ie]houmlchste Idee s[einer] nur sinnlich abgeleite[ten] Seele ist je-doch immateriell

Anders erscheint der Geist d[es] Empirism[us] bei den mei-sten andren Gelehrten der Zeit der Encyclopaumldisten Schilde-rung d[er] Zeit und d[er] franz[oumlsischen] Nation in dieserZus[ammenfassung] in Barante3 und Jayrsquos Abhand[lungen]uumlber d[ie] Litter[atur] Frank[reichs] im 18 Jahrh[undert]uumlbers[etzt] v[on] Ukert Jena 18104 S[iehe] auch ArtikelMeslier in d[er] Encyclop[eacutedie] meacutethod[ique] Philos[ophie]anc[ienne] et mod[erne] T III P I S 2185

Diderot und drsquoAlembert w[aren] Urheber der franzoumls[ischen]Encyclopeacutedie und d[ie] Tonangeber d[er] neuern Philos[ophie]

Denis Diderot 1713 geb[oren] zu Langres6 Er beganns[eine] liter[arische] Laufbahn mit d[em] Versuch uumlber d[as]

1 C Bonnet Herrn Karl Bonnets Analytischer Versuch uumlber die

Seelenkraumlfte Aus dem Franzoumlsischen uumlbersetzt und mit einigen Zu-saumltzen vermehrt von M Christian Gottfried Schuumltz Bremen 1770ndash1771

2 C Bonnet Herrn C Bonnets verschiedener Akademien MitgliedsPhilosophische Palingenesie Oder Gedanken uumlber den vergange-nen und kuumlnftigen Zustand lebender Wesen aus dem Franzuumlbers und mit Anm hrsg von Johann Caspar Lavater Theil 1 Zuuml-rich 1770

3 Barante Barente Korr im Ms4 A-G-P Brugiegravere de Barante M Jay Ueber die Litteratur Frank-

reichs im achtzehnten Jahrhundert Zwei Abhandlungen von Ba-rente und Jay Aus dem Franz uumlbers und mit Anm hrsg von F AUkert Jena 1810

5 J A Naigeon Encyclopeacutedie meacutethodique ou par ordre de matiegraverespar une Socieacuteteacute de Gens de Lettres de Savans et dArtistes hellip Phi-losophie ancienne et moderne T III Paris [ca 1803] P I ArticleMeslier S 218-239

6 Langres Langers Korr im Ms

373

Verdienst und d[ie] Tugend Uumlbersetzung d[er] Abhandlungdes ShaftesburyDarauf Penseacutee philosophiques Piscis hic non est omnium[La] Haye 1746 8degMehreres gedruckt von ihm im recueil philos[ophique] Hol-land 1770 erschienen1

Jean le Rond drsquoAlembert ein Findelkind geb[oren] 1717 zuParis beruumlhmter Mathem[atiker] von Friedr[ich] d[em] Gro-szligen Praumlsid[ent] d[er] Akad[emie] zu Berlin2 Beide w[aren]Deisten oder gar Atheisten hielten aber den Atheismus zuruumlckhielten d[ie] Relig[ion] fuumlr eine Kapricerie d[es] Volks siew[aren] wie die meisten Gelehrten Frank[reichs] d[er] Mei-nung Voltaires zugetan es sei nuumltzlich einen Gott zu glaubenund wenn keiner existiert muumlsse man einen erf[inden] D[ie]Encyclop[eacutedie] fand allgem[einen] Beifall ob sie wohl vomHof unterdruumlckt w[urde]

Systegraveme de la nature ou des loix du monde physique et dumond[e] morale Mirabaud Lond[on] 1770 8deg3 4 Mirabaudoder v[on] Holbach oder La Grange der Verfasser D[as] Buchw[urde] durch einen Parlamentsakt verboten und verbrannthalf nichts Helveacutetius verbreitete durch einen Auszug Le vraisens etc5 d[ie] atheist[ische] Denkart

de la MettrieVon der naturalist[ischen] Denkart d[ie] alles Uumlbersinnliche

leugnete s[o] nur ausgenommen Montesquieu und Maupertuissie lieszligen wenigstens Achtung fuumlr d[ie] Sinne und Vernunftblicken Zu diesen kann man auch6 drsquoArgens und Voltaire (mitBedenkl[ichkeit] zaumlhlen)

1 Recueil philosophique ou Meacutelange de pieces sur la religion amp la

morale Par diffeacuterents auteurs hrsg von J A Naigeon Londres1770 [Erschienen in Amsterdam]

2 DrsquoAlembert war Mitglied der Preuszligischen Akademie der Wissen-schaften

3 P H T dHolbach Systecircme de la nature Ou des loix du mondephysique et du monde morale London 1770 [Erschienen in Am-sterdam]

4 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S III5 C A Helveacutetius Le vrai sens du Systecircme de la nature ouvrage

posthume de M Helveacutetius Londres 17746 Im Ms folgt gestr D

374

Newtons und Lockes Philos[ophie] w[urde] in England nichtohne Freiheit betrieben

Aber [das] Verhaumlltnis d[er] Sinnlichk[eit] und Verstand be-treffend [vgl die] Bemerkungen in Two Dissertations concer-ning Sense and Imagination with an Essay on ConsciousnessLondres 1728 8deg1

Einigen Behauptungen v[on] Locke widersprach BischofPeter Brown

Kritische Streitigkeit[en] vorzuumlg[lich] seit Lockes Zeit ArztWilhelm Coward behauptete daszlig d[ie] Immaterialitaumlt d[er]Seele unbegreiflich sei Der beruumlhmte Dodwell behaupteteauch die Sterblichkeit der Seele jedoch aus theolog[ischen]Gruumlnden a[uch] die Unsterblichkeit als eine Folge d[es] vonGott eingehauchten Geistes

Samuel Clarke dagegen bewies d[ie] Unsterblichkeit derSeele aus dem Begriff eines einfachen Wesens Cl[arke] ver-steht [] wenn [ein] einfaches Vermoumlgen wie d[as] Denkeneine Eigenschaft [ist] d[anach] nur ein einfach[es] Wesenexistieren [] kann Dagegen schrieb Anton Collins (dagger 1729)Freiheit [ist] Gegenstand d[es] []

Samuel Clarke 1675 geb bewies d[as] Dasein Gottes Wennheute Etwas existiert so muszlig das immer existiert haben Als[]Ewiger Gott ist d[as] Substrat d[es] unendl[ichen] Raums undd[er] unendl[ichen] Zeit

Theodicee des King2 um diese Zeit [] d[ie] Physikotheolo-gen Derham und RayIdealismus des Collier (Collier allgem[einer] Schluumlssel inEschenbachs Sammlung3) und des Georg4 Berkeley geb 1684Theory of vision by G Berkeley Lond[on] 1709 8deg5 [A]Treatise [concerning] the principles of human KnowledgeLond[on] 1710

1 Die anonym erschienene Abhandlung stammt von Zachary Mayne2 W King De origine mali Authore Guilielmo King S T D

Episcopo Derensi London 1702 [Diese Schrift beruumlcksichtigteLeibniz in seiner Theacuteodiceacutee vgl G W Leibniz Remarques sur lalivre du LrsquoOrigine Du Mal In Essais de Theacuteodiceacutee sur la bonteacute deDieu hellip P II Amsterdam 1710 S 24-99]

3 Im Ms folgt gestr 3474 Im Ms folgt gestr Berkely5 G Berkeley An Essay towards a New Theory of Visions Dublin

1709 2 Edition London 1732

375

Three Dialogues between Hylas and Philonous [London 1713]ndash Aleiphron or the minute philosopher Von d[en] Gespraumlchen2 deutsche Uumlbersetz[ungen] D[ie] erste ist in d[er] Sammlungd[er] vornehmsten Schriftsteller d[ie] d[ie] Wirklichkeit ihreseigenen Koumlrpers und der ganzen Koumlrperwelt leugnen enthal-tend Berkeleys Gespr[aumlche] zwischen Hylas und Philonous undd[es] Colliers 1 allgem[einen] Schluumlssel uumlbersetzt und mitwiderlegend[en] Anmerk[ungen] versehen etc v[on] JohChrist2 Eschenbach Rostock 1756 D[ie] zweite in Berkeleyrsquosphilos[ophische] Werke I B[d] Leipzig 1781 8deg davon nichtsmehr erschienenSkeptizismus David Hume in Grafschaft [Berwickshire]schottischer Graf geb 1711 dagger 17763

A treatise of human nature being an attempt to introduce theexperimental method of reasoning into moral subject by DavidHume Lond[on] 17404 David Humes Abhandl[ung] uumlb[er]d[ie] menschl[iche] Nat[ur] nebst krit[ischen] Versuchen uumlberdieses Werk v[on] L H Jacob Halle 1790 91 3 B[de] Humeuumlberarbeitete es und gab es dann unter d[em] Titel herausUntersuchung uumlber den menschl[ichen] Verstand5

Gegner Humes Reid Prof d[er] Ethik zu Glasgow (dagger 1796)[Standpunkt des] Gemeinsinn[s] Inquiry into the human mindon the principle of common sense by Th Reid [London 1764ndash1769] Deutsch Leipz[ig] 1782 bdquoD[ie] Philos[ophie] hatk[eine] Wurzeln als d[ie] Prinzipien d[es] gemeinenMenschenverstandesldquo6 D[er] common sense w[ar] ihm unds[einen] Nachfolgern Vermoumlgen Wahres unmittelbar zuempfinden Sinn fuumlr d[ie] Wahrheit D[er] zweite Bestreiter 1 Am Rande r o Verweis auf Paginierung S IV2 Im Ms folgt gestr Eschnbach3 [Am Rande] Er beschrieb selbst s[ein] Leben scherzte [] uumlber

s[einen] Tod mit derselb[en] Heiterkeit starb er The life of DavidHume written by himself Lond[on] 1777 franz[oumlsisch London]1777 latein[isch] das[elbst] 1787 Anekdoten und Charakterzuumlgeaus D Humersquos Leben v[on] C[hr] Fr Staumludlin in d[er] Berlin[er]Monatsschrift Nov[ember] 1791 (S Tenne[mann] S 423 11B[d]) [W G Tennemann Geschichte der Philosophie a a O S423-424]

4 1740 1738 Ms5 D Hume An Enquiry Concerning Human Understanding London

17486 Th Reid Untersuchung uumlber den menschlichen Geist Leipzig 1782

S 17

376

d[ie] Wahrheit D[er] zweite Bestreiter Humes James Beattie(Schottlaumlnder) geb[oren] 1735 1803 gest[orben]

Essay on the nature and immutability of truth in opposition toSophistry and Scepticism1 Edinb[urg] 1770 Versuch uumlberd[ie] Natur und Unveraumlnder[lichkeit] d[er] Wahrheit Ko-penh[agen] und Leipz[ig] 1772 8deg Auch in Beatties Werken17792

James3 Oswald ein schottl[aumlndischer] Geistl[icher] tritt ge-gen Hume auf besonders als Verteidiger d[er] Religion

Priestley (besonders in Theol[ogie] Physio[ologie] Phi-los[ophie] beruumlhmt) trat auf erst als Beurteiler der Gegner desSkeptikers dann dieses selbst4 tadelt bes[onders] das Prinzipdes Gemeinsinns ndash d[ie] Widerlegung d[es] Hume5 gelang ihmweniger weil er wie d[ie] schottischen Gelehrten nur d[ie]Folgesaumltze angreift den Grundsatz dagegen stehenlaumlszligt

Priestleys Briefe an einen philosophischen Zweifler in Be-ziehung auf Humersquos Gespraumlche d[as] System d[er] Natur undaumlhnliche Schriften Leipz[ig] 1782 86

1 Scepticism Skepticism Ms2 J Beattie Jakob Beattiersquos Professor der Moral und Logik in Aber-

deen neue philosophische Versuche aus dem Englischen uumlberseztmit einer Vorrede hrsg vom Herrn Professor Meiners 2 Bde Leip-zig 1779ndash1780

3 James Thomas Ms [Fehler bei W G Tennemann]4 Im Ms folgt gestr unleserlWort5 Hume Humes Ms6 J Priestley Briefe an einen philosophischen Zweifler in Beziehung

auf Humersquos Gespraumlche das System der Natur und aumlhnliche Schrif-ten Aus dem Englischen Leipzig 1782

377

10 Zu Hegels bdquoPhilosophie des Geistesldquo

(p 328-29) bdquoJe gebildeter ein M[ensch] desto weniger be-darf er d[er] unmittelb[aren]1 Anschauungldquo2 Das gilt aber dochbloszlig3 nur von besondern Anschauungen v[on] Hundskomoumldi-en Spektakelstuumlcken Kunstreitern geistl[ichen] undfuumlrstl[ichen] Festlichkeiten oder auch von besondern Naturer-scheinungen einem Wasserfall ein [hellip]4 einem RhinozerosEinmal ist genug weil nun die Bilder uns eingepraumlgt s[ind]Aber was von diesen optischen Leckerbissen gilt5 gilt das auchvon dem taumlglichen Brot d[er] Naturanschauung Genuumlgt unsdas Bild von Sonne Mond und Sternen Das Bild vom6 Blaudes Himmels und seiner im Gold der Abend- und Morgensonnestrahlenden Wolken Das Bild vom Gruumln der Wiesen undWaumllder vom Bau d[er] Berge und Taumller Ist diese Anschauungnicht eine stets uns neue so oft sie sich auch wiederholt7 nichteine unerschoumlpfliche Frische so lange wir selbst wenigstens8

noch nicht abgestumpft noch frisch und9 gesund sind D[ie]Masse10 wuumlrdigt nur das Auffallende der Anschauung derGebildete aber d[as] Gewoumlhnl[iche] Alltaumlgliche Profane []11Unbedeutende Die Naturwissensch[aft] ist nur dadurch ent-standen daszlig dem M[enschen]12 nicht mehr nur13 die Bilder14[die] er sich von der Natur gemacht genuumlgt[en]15 sondern1 [er]

1 Am Rande bdquoDie unmittelbareldquo ndash gibt es denn eine andere Anschau-

ung als die unmittelbare Auszliger der sinnlichen gibt es nur eine ein-gebildete imaginaumlre

2 Vgl G W F Hegel Encyclopaumldie der philosophischen Wissen-schaften im Grundrisse 2 Ausg Heidelberg 1827 sect 454 S 420

3 bloszlig Fehlt in BwN SW BJ4 ein [] Fehlt in BwN SW BJ5 gilt Fehlt in BwN SW BJ6 Im Ms folgt vom7 In BwN SW BJ folgt gewaumlhrt sie8 selbst wenigstens wenigstens selbst BwN SW BJ9 frisch und Fehlt in BwN SW BJ10 Die Masse Der grosse Haufe BwN SW BJ11 Profane [] Fehlt in BwN SW BJ12 Im Ms folgt sich13 nur Fehlt in BwN SW BJ14 die Bilder das Bild BwN SW BJ ndash In BwN SW BJ folgt welches15 genuumlgten genuumlgte BwN SW BJ

378

[er] s[ich] nicht oft genug2 nicht genau genug das Ding anse-hen konnte

Schmerz3

Zur Charakteristik d[er] Hegelschen Phil[osophie] gehoumlrtauch daszlig er4 Schmerz rein aus der Seele abgesehen vom Koumlr-per definiert und daher wieder an die Cartesische5 Vorstellungerinnert welche die Empfindung d[es] Houmlllenfeuers ohne Koumlr-per denkbar fand6 Wenn aber die Seele eine einfache alle ihreunterschiedenen Bestimmungen ideell setzende Identitaumlt mitsich ist so ist der Schmerz unbegreiflich Schon Hippokratessagt bdquoWenn der M[ensch] ein Eins waumlre so waumlre er schmerz-losldquo7 H[egel] setzt allerdings [den]8 Unterschied in die Einheitaber diese ist ja rein ideell den Unterschied die Beding[ung]endes Schmerzes also aufhebende ideelle []9 Ident[itaumlt] [hellip]Allerdings ist d[er] M[ensch] eine Einheit aber diese Einheitist zugleich wesentlich eine organische materielle Und10 nureine solche eben wegen dieses ungluumlcklichen Beisatzes []11

zerstoumlrbare zerreiszligbare verletzbare Einheit ist des Schmerzes12

faumlhig fuumlr eine13 Seele gibt es k[eine] Schmerzen Auch dergeistige Schmerz hat nur darin s[einen] Grund daszlig derMensch eine Einheit ist14 nur ein Resultat ist15 = harmonischzusammenwirkende verschiedene Organe Und Schmerz ent-

1 sondern dass BwN SW BJ ndash Am Rande d[ie] unmittelbare An

schauung sondern [hellip]2 genug Fehlt in BwN SW BJ3 Schmerz Fehlt in BwN SW BJ4 In BwN SW BJ folgtden5 Cartesische Descartische SW BJ6 Vgl R Descartes Meditationes de prima philosophia hellip In Opera

philosophica Amstelodami 1657ndash1658 Responsio ad sextas ob-jectiones S 186

7 Zitat nicht nachgewiesen8 So auch BwN SW BJ9 ideelle Fehlt in BwN SW BJ10 Und Aber BwN SW BJ11 Fehlt in BwN SW BJ12 Im Ms folgt gestr un-13 eine die BwN SW BJ14 Im Ms folgt gestr unleserl Wort15 ist Fehlt in BwN SW BJ

379

steht1 daher wenn ein Organ ein System ein Glied wie z Bdas Zeugungsglied2 der Magen die Gurgel die Oberherrschaftuumlber den Kopf bekommt der M[ensch] sonach uumlber dieseKnechtschaft [uumlber] s[ein] Hingerissenwerden3 SchmerzReue Scham empfindet Es gibt freilich viele Schmerzen zeu-gende Handlungen und Triebe welche nicht wie4 d[er] Ge-schlechtstrieb so bestimmte Organe so augenfaumlllig koumlrperlicheTatsachen zur Voraussetzung haben welche als[o] gleichwohlmittelbar sich auf dieselben bez[iehen] und einen5 materiellenGrund haben ohne daszlig man deswegen6 wie [Franz Joseph]Gall dem Diebstahl dem Mord7 einen besondern Mord- oderDiebssinn vorauszusetzen brauchte8 So kann der Geschlechts-trieb einen M[enschen] zum Dieb9 zum Moumlrder zum [hellip]10zum Verleumder machen wenn die[se] Handlungen die Mittelzur Befriedigung s[einer] Leidenschaft s[ind] []

Auszligereinander11 habe ich aber12 vor mir beim13 Anblickeiner Ebene ein anderes beim Anblick eines Berges und wie-der ein anderes beim Anblick eines Basaltkegels als beimAnblick eines Floumlzgebirges Und gehe ich vom14 geognosti-schen Standpunkt zu dem mineralogischen wie ganz anders istdas Auszligereinandersein des Kalkspats und des Kristalls desKiesels15 Wie kann ich also von der Natur der Materie16 den 1 Schmerz entsteht Schmerzen entstehen BwN SW BJ2 das Zeugungsglied Fehlt in BwN SW BJ3 Im Ms folgt sich4 In BwN SW BJ folgt z B5 und einen [So auch BwN SW BJ] x Ms6 deswegen deshalb BwN SW BJ7 dem Diebstahl dem Mord dem Mord dem Diebstahl BwN SW BJ8 Vgl F J Gall J C Spurzheim Anatomie et physiologie du systegraveme

nerveux en geacuteneacuteral et du cerveau en particulier Vol 2 Paris1812 Section III S 133-209 und F J Gall Anatomie et physiolo-gie du systegraveme nerveux en geacuteneacuteral et du cerveau en particulier Vol 3 Paris 1818 Section III Cap V S 199-249

9 Dieb Diebe BwN SW BJ10 Fehlt in BwN SW BJ11 Auszligereinander bdquoAussereinanderldquo BwN SW BJ12 aber Fehlt in BwN SW BJ13 Im Ms daruumlber unleserl Erg14 Im Ms folgt gestr geol[ogischen]15 Kristalls des Kiesels Kieselkrystalls BwN SW BJ16 der Materie Fehlt in BwN SW BJ

380

Begriff eines bloszligen leeren Auszligereinanderseins abstrahierenund diesen ihr als ihre Grundbestimmung aufbuumlrden Werfeich meinen Blick auch nur1 oberflaumlchlich auf die nebenste-hend[en] Pflanze[n] und Tier[e]2 so erblicke ich in diesemAuszlig[er]- und Neb[eneinander] auch ein In- und Beieinander-sein ebenso ein Ober- und Uumlbereinandersein ich sehe denKopf auf den Beinen und dem Rumpfe nicht umgekehrt Waumlreaber d[as] Auszlige[reinander] d[as] Wesen d[er] Materie3 so waumlrees eines4 ob ein Materielles auf der Basis od[er] auf dem Kop-fe der Spitze stuumlnde denn es kaumlme nur darauf an daszlig Kopfund Beine auszliger- und nebeneinander waumlren Die Form desbloszlig[en]5 Auszlig[er-] und Neb[eneinander]6 ist also ein bloszligesGebilde des menschl[ichen] Kopfes ein selbstgemachtes Ab-straktum7 welcher8 nichts Objektives9 nichts Wirklichesnichts auszliger dem Kopfe Seiendes entspricht

Aber umgekehrt werden10 spekul[ative] Philosophen ebenso11

behaupten Nihil est in sensu quod non fuerit in intellectu sect 8Einleit Encyclop12 [Nichts ist in den Sinnen was nicht vorherim Verstand war] also gilt13 allerdings von der Hegel[schen][hellip] spekul[ativen] Philos[ophie] sie sieht nichts in der Naturals was sie schon vorher in der Logik gedacht hat [Wenn]14

uumlbrigens nichts im Sinne ist was15 schon (vorher) od[er]

1 Im Ms daruumlber unleserl Erg2 Pflanzen und Tiere [So auch SW BJ] Pflanze und Tier BwN3 Materie Motive BwN SW BJ4 eines einerlei BwN SW BJ5 Fehlt in BwN SW BJ6 Auszlig[er-] und Neb[eneinander] Neben- und Auszligereinander BwN

SW BJ7 ein selbstgemachtes Abstraktum eine selbstgemachte Abstraktion

BwN SW BJ8 welcher [so auch BwN SW BJ] welches Ms9 nichts Objektives Fehlt in BwN SW BJ10 Aber umgekehrt w[erden] Wenn BwN SW BJ11 ebenso Fehlt in BwN SW BJ12 G W F Hegel Encyclopaumldie der philosophischen Wissenschaften

im Grundrisse a a O sect 8 S 1313 also gilt so gilt dies BwN SW BJ14 So auch BwN SW BJ15 was als was BwN SW BJ

381

uumlberh[aupt] im Verstande ist so ist es sehr uumlberfluumlssig vomSinnlichen anzuheben

Die Hegelsche Philosophie ist entsprungen aus der Begattungdes1 Kant-Fichte[schen] Ichs mit der absoluten Identitaumlt desId[ealen] und Real[en] Das Ich welches nicht ein Ding an sichzu s[einem] Gegensatz2 hat sond[ern] dieses Ding als sichselbst oder als ein von sich3 gesetztes weiszlig ist der Begriff derHegelsch[en] Phil[osophie]

Subjekt = Objekt4

So verschieden d[as] Subjekt so verschieden das was dasSubjekt als d[as] Wesentliche von sich bestimmt so verschie-den ist bestimmt5 auch das Objekt Die Wesen s[ind] Zahlenheiszligt die Zahl ist d[as] Wesen unangesehen d[ie] Dinge Nurdas mathemat[ische] Subjekt macht daher die Zahl z[um] We-sen der Dinge weil d[ie] Zahl sein Wesen [ist] Was ist nun dasSubjekt von d[em] Absoluten we[lche]s Hegel als das Wesender Dinge und Philos[ophie] bestimmt6

Abstrakt HegelAbstrakt nennen wir und abstrakt ist alles was von s[einem]Subjekt od[er] Gegenstand abgetrennt ist Nun soll aber derBegriff des Subjektiven abgetrennt vom Subjekt das Subjekti-ve als nicht Subjektives d[er] Begriff als an sich ja als an undfuumlr sich seiendes Wesen gedacht w[erden] Ist das nicht diehoumlchste gewalttaumltigste Abstraktion7

Der Staat ist nach d[em] Prinzip d[er] Hegelschen Phi-lo[sophie] eigentlich ei[ne] Theokratie oder wenn man dieLogik nicht vergessen will ndash8 die Hauptsache Hegels ndash Theolo-gokratie

1 der Begattung des dem BwN SW BJ2 Gegensatz Gegensatze BwN SW BJ3 sich ihm BwN SW BJ4 Fehlt in BwN SW BJ5 ist bestimmt bestimmt ist BwN SW BJ6 Was ist nun das Subjekt von dem Absoluten welches Hegel als das

Wesen der Dinge und Philosophie bestimmt Hegel BwN SW BJ7 AbstraktAbstraktion Bei BwN SW BJ an anderer Stelle8 oder wenn will ndash Fehlt in BwN SW BJ

382

11 [Fragment Bretschneider]

Herr Bretschneider Die Theologie und die RevolutionbdquoNach Hegels Philosophie ist aber Gott nichts anderes als dieIdee Gottes im menschlich[en] Bewuszligtsein Die christl[iche]Vorstellung von Gott nach welcher ein Unterschied ist zwi-schen der subjektiven Vorstellung von Gott in dem Menschenund zwischen dem objektiven Wesen und Sein Gottes w[ird]v[on] Hegel verworfen und behauptet das Denken des WesensGottes sei sein Sein Gott existiere als Idee der Vernunft Es istin dieser Philosophie wesentlich daszlig d[er] Mensch sich Gottnicht als ein Jenseits und sich selbst als ein bdquoDiesseitsldquo d hsich in s[einer] Vernunft als von Gott verschieden sonderns[eine] Vernunft s[ein] Bewuszligtsein d[er] Idee Gottes als d[as]Wesen und Sein Gottes selbst vorstelle Dies ist aber geraded[as] Gegenteil von dem Gotte des Christentums der ein Jen-seits ist mit welchem d[er] Mensch im Glauben und in derLiebe aber nicht im Denken der Idee Gottes Eins w[erden]sollldquo P 1691

1 K G Bretschneider Die Theologie und die Revolution Oder die

theologischen Richtungen unserer Zeit in ihrem Einflusse auf denpolitischen und sittlichen Zustand der Voumllker Leipzig 1835 S 169-170

383

I Vorlesungen uumlber die Geschichte der neueren Philoso-phie [Erlangen 183536]

I Vorlesung [Vorbemerkung] 3II Vorles[ung] [Der Geist der neuern Zeit] 15III Vorlesung [Pantheistischer Sinn Geist und Materie]

25IV Vorl[esung] [Boumlhme Der Pantheismus in Italien] 37V [Vorlesung] [Telesius Campanella Bruno] 46VI Vorlesung [Bruno Descartes] 62VII Vorles[ung] [Descartes] 73VIII Vorlesung [Descartes] 84IX Vorles[ung] [Malebranche Geulincx] 93X [Vorlesung] [Descartes Spinoza] 104XI Vorles[ung] [Spinoza Leibniz] 114[XII Vorlesung] [Leibniz] 125XIV Vorlesung [Leibniz Kant] 143XV [Vorlesung] [Kant] 154XVI Vorles[ung] [Fichte Jacobi] 164XVII Vorles[ung] [Schelling] 179XVIII [Vorlesung] [Schelling Hegel] 188[XIX Vorlesung] [Hegel] 203XX Vorlesung [Hegel] 213[Zur I Vorlesung ndash Begeisterte Anschauung] 227[Zur III Vorlesung ndash Das Wesen der Materie] 229[Zum Ende der III Vorlesung] Hobbesrsquo Logik 231[Zur IV Vorlesung ndash Die Renaissance] 234[Zur VndashVI Vorlesung ndash Bruno Cardanus] 238[Zur V Vorlesung ndash Cardanus Paracelsus] 241[Zur V Vorlesung ndash Bruno Campanella ndash Monismus]

256[Zur V Vorlesung ndash Bruno ndash Vom Unendlichen] 258[Zur IX Vorlesung ndash Pascal ndash Aus seinem Leben] 261[Zur X Vorlesung ndash Spinoza ndash Gott und Natur] 266[Zur X Vorlesung ndash Zur Kritik des Pantheismus] 276[Zur XI Vorlesung ndash Jacobi zu Spinoza] 279[Zur XI Vorlesung ndash Mechanismus] 285[Zur XndashXI Vorlesung ndash Exzerpte aus Jacobi] 286[Zur XIndashXIV Vorlesung ndash Vernunft und Glaube] 298[Zur XIV Vorlesung ndash Kant Erkenntnistheorie Logik]

304

384

[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Ich und Nicht-Ich] 310[Zur XVI Vorlesung ndash Fichte Wahrheit des Ideals] 317[Zur XVIII Vorlesung ndash Differenzen Hegel und

Schelling]319[Die Kanzel-Moralisten] 324

II Studien Kritiken und Aphorismen

1 Eintrag in das Poesiealbum eines Ansbacher Freundes327

2 Excerpten aus Herders Briefe das Studium derTheologie betreffend anno 1823 im Winter 328

3 An meine erste Geliebte 3304 Das Ens der Neuplatoniker 3315 Identitaumlt und Unterschied 3346 Gedanken 183435 3367 Einleitung in die Geschichte der neuern Philosophie

3418 Zur Hegelschen Geschichte der Philosophie 3669 Neue Philos[ophie] Frankr[eichs] und Engl[ands] 37010 Zu Hegels bdquoPhilosophie des Geistesldquo 37711 [Fragment Bretschneider]382

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