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Soziologische Expertise und Familienpolitik Beitrag zur Veranstaltung „Blickwinkel auf Familienpolitik“ Göttinger Graduiertenschule Gesellschaftswissenschaften 3. Methodensommer Historische Sternwarte 30. September 2008 Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität Platz der Göttinger Sieben 3 D - 37073 Göttingen e-mail: [email protected]

Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

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Soziologische Expertise und Familienpolitik Beitrag zur Veranstaltung „Blickwinkel auf Familienpolitik“ Göttinger Graduiertenschule Gesellschaftswissenschaften 3. Methodensommer Historische Sternwarte 30. September 2008. Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität - PowerPoint PPT Presentation

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Page 1: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Soziologische Expertise und Familienpolitik

Beitrag zur Veranstaltung „Blickwinkel auf Familienpolitik“Göttinger Graduiertenschule Gesellschaftswissenschaften

3. Methodensommer

Historische Sternwarte30. September 2008

Ilona OstnerInstitut für Soziologie

Georg-August-UniversitätPlatz der Göttinger Sieben 3

D - 37073 Göttingene-mail: [email protected]

Page 2: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Gliederung

1. Einleitung / Anliegen

2. Soziologie und Politik 1: den Politikwechsel nachträglich

legitimieren

3. Soziologie und Politik 2: die Notwendigkeit des Wandels

kommunizieren

4. Soziologie und Politik 3: das Phänomen / Problem für die

Praxis definieren

5. Soziologie und Politik 4: den verunsicherten Bürger

erklären

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Der Siebte Familienbericht 2006: Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik. (Vorsitz: Hans Bertram, Soziologe)293 Seiten Text, 77 Expertisen

Zum Vergleich: der Zweite Familienbericht 1975: Familie und Sozialisation : Leistungen und Leistungs-grenzen der Familie hinsichtlich des Erziehungs- und Bildungsprozesses der jungen Generation(Vorsitz: Friedhelm Neidhardt, Soziologe)143 Seiten Text, 7 Expertisen

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Soziologie und Politik 1: den Politikwechsel nachträglich legitimieren

These: … dass sich das Wirken der Familienberichtskommission und sein Ergebnis, der vorliegende Siebte Familienbe- richt, – nicht nur in den Kategorien der Policyforschung, sondern auch in Kategorien der soziologischen Anwen-dungsforschung als argumentative Nachbereitung – sozusagen als ex post Unterstützung der von der Politik bereits getroffenen Entscheidungen für einen Politik-wechsel in Richtung einer nachhaltigen Familienpolitik interpretieren lassen …

Page 5: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Politikwechsel wohin …

„The new social policy agenda is how to achieve social solidarity through enabling individuals and families to support themselves ...“(OECD 1999: 4)

Page 6: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Politikwechsel wohin …

„The main policy concern addressed is that of encoura-ging a higher participation by mothers in paid employ-ment. This is important to maintain their labour market skills, to ensure adequate resources for families and women living by themselves, and to make further pro-gress towards gender equity. In addition, the skills of mothers will be increasingly needed in the labour market as the population of working age in most OECD countries begins to shrink. The chapter notes the probable rele-vance of the work/family relationship to fertility – the low fertility rates seen in most OECD countries will exacerbate shortfalls in labour supply if they continue“.(OECD Employment Outlook, 2001: 29).

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Politikwechsel wohin …fünf Trends nach Daly (2004)

1. Ein Interesse des Staates an “Familiensolidarität”, ent-sprechende Diskurse, wobei “Familie” und “Solidarität” neu gefasst werden: ausgreifend auf Nachbarschaft, Quartier; starke Betonung des Beitrages der Väter und der älteren (auch nicht-verwandtschaftlichen) Generationen,

2. jeweils mit Blick auf Erhöhung elterlicher Erwerbsbeteiligung; 3. ein individualisierender rechtlicher und politischer Zugriff auf

Kinder;4. Betonung der größeren Rolle des welfare mix (von Einkommen

und Diensten);5. Geschlechtsneutrale Formulierung der Erwartungen an

Familien und Design geschlechtsneutralerer Politiken [entsprechend (1) und (3)].

Page 8: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Horowitz (1970: 340) …

„Social scientists engaged in governmental work are committed to an advocacy model defined by politicians. For the most part, they do not establish or even verify policy – only legitimize policy. They are, in effect, the great mandarins of the present era. They proclaim a position, more than prove its efficacy or necessity. They operate with a teleological model rather than a causal model. They enter at the termination, not the beginning of the policymaking process. If they are going to be judged, let it be for their role as mandarins, not as logicians: for their adaptation to problems of political advocacy, rather than their unique capacity to predict and operationalize the future.“

Page 9: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Tabelle 1: ‘A pre-school child is likely to suffer, if his or her mother works’ - percentages by age groups

Women MenAges25-40

Ages41-55

Ages55+

Ages25-40

Ages41-55

Ages55+

Denmark 17.9 22.0 43.2 25.8 37.6 53.6Finland 24.2 27.3 57.2 27.8 38.1 63.7Norway 11.3 17.9 33.0 24.8 27.0 47.7Sweden 11.2 16.0 28.6 18.2 36.6 38.4Germany 40.5 40.2 50.2 43.2 51.9 66.8

West 45.1 46.0 59.5 52.7 59.0 75.0Netherlands 28.5 33.9 42.9 34.8 43.6 62.7UK 23.1 36.1 41.1 32.2 51.5 55.2

Source: ISSP 2002, own calculations.

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Tabelle 2: Erwerbsbeteiligung von Müttern und Teilzeitquote nach Alter des jüngsten Kindes in % – 2002

Erwerbsbeteiligung davon teilzeitbeschäftigt

Kind unter 3

3 bis 5 Jahre

6 bis 14 Jahre

unter 6 Jahre

6 bis 14 Jahre

DK 71.4 77.5 79.1 5.1 8.3

FIN 32.2 74.7 85.3 8.3 6.0SWED 72.9 82.5 77.4 41.2 41.3

GER 56.0 58.1 64.3 46.2 59.3

NL 74.2 68.2 70.1 79.0 79.8

UK 57.2 56.9 67.0 58.0 56.9

Quelle: Ostner/Schmitt (2008: 25) – OECD 2005.

Page 11: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Tab. 3: Beschäftigung von Müttern (min 1 Std p/W) in %

Alter des

Kindes

Westdeutschland OstdeutschlandGesamt Vollzeit Teilzeit Gesamt Vollzeit Teilzeit

0-2 29 10 19 44 27 17

3-5 54 12 42 67 38 28

6-9 65 15 50 69 41 28

10-14 71 21 50 73 51 22

Quelle: Statistisches Bundesamt 2005, Klammer 2006, 222

Page 12: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Talcott Parsons’ Familie (1951; 1964)

Horizontale Differenzierung (Un)Gleichheit

Gleich Verschieden

Vertikale Differenzierung

Hierarchie

Oben Ehepaar, Eltern Mann-FrauVater-Mutter

Unten Geschwister-kinder

Mädchen, Jungen

Page 13: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Soziologische Familienkonzepte im Wandel1. Parsons‘ funktional differenzierte Familie – das Kind als

Sozialisationsobjekt, „oversocialized“, nicht als eigenständiger Akteur

2. König, Nave-Herz: Familie als Gruppe; Paar versus Eltern und Kind

3. Partikularismus der Familie als Ursprung solidarischen Handelns (Hegel, Habermas) versus the ‚anti-social family‘, die den ‚public spirit‘ unterminiert (Barrett/McIntosh 1971)

4. Familie als Ausgangspunkt ungleicher Geschlechterchancen „moving towards a society without gender“ (Okin 1989: 179)

5. Exitoptionen für Ehefrauen durch Wohlfahrtsstaat (Pateman 1988; Hobson 1990,Orloff 1993)

6. Institutionalisierung des normalen Lebenslaufs (auch der ‚Normal‘familie) durch Wohlfahrtsstaat: Absicherung von Status und Risikolagen (Beck 1983; Kohli 1985)

7. Individualisierung und Pluralisierung der Lebensformen, Geschlechterrollenwandel (Beck, Beck-Gernsheim)

8. Generationen- statt Familienbeziehungen

Page 14: Ilona Ostner Institut für Soziologie Georg-August-Universität

Süßmuth (1981: 406, 407)Der Dritte Familienbericht erörtert die Rollenproblematik in erster Linie mit Blick auf die Interessen und Aufgaben, die aus der Kinderbetreuung und Kindererziehung resultieren... die Lösungen, die für Frauen mit Kindern angestrebt werden, müssen zugleich Lösungen für Männer mit Kindern sein.... … Kindergarten und Schule haben nicht jene Entlastungs- und Kompensationsfunktion, wie sie von den Bildungsreformern zu Beginn der 70er Jahre vermutet wurde ... Schule täuscht bei-spielsweise eine Eigenständigkeit in Lernprozessen vor, die faktisch nicht gegeben ist. Entscheidende Leistungen für den Schulerfolg werden von der Familie erbracht oder sind von der Familie zu erbringen ... Eltern wollen den Erziehungs- und Bildungsauftrag an ihren Kindern, soweit es in ihre Zuständig-keit fällt, selbst wahrnehmen. ... Angesichts der Bedeutung, die Eltern nach wie vor für die persönliche, schulische und beruf-liche Entwicklung der Kinder zukommt, ist der zeitlichen, physi-schen und psychischen Beanspruchung durch familienbezoge-ne Tätigkeiten Rechnung zu tragen.

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Familialisierung (Geißler)

Vereinbarkeit (Süßmuth)

Entfamilialisierung (Rürup et al.)

Diskurs ‘Familienleistung trotz Belastung’

‘Wahlfreiheit’ (der Frau)

‘Familienversagen’

Problemgruppe Nichtorganisierte und Nichtprodu-zenten

Unzufriedene Frauen, betrof-fene Kinder

‘ressourcenarme’ Kinder

Familienkonzept

Parsons: Interes-senidentität der Familie

Familie als Gruppe, Rollen-problematik

Frauen, Männer Kinder als Akteure

Grundziele der Politik

Wahlfreiheit durch Stärkung der Familie

Wahlfreiheit* der Frau, aber Rücksicht auf Interessen der Kinder

Wahlfreiheit** durch Erwerbs-arbeit im Zwei-Ver-diener-Haus-halt, Individualisierung der Kinder

Finalziele der Politik

Familialisierung der Kinder

Sequentielle Vereinbarkeit für Frauen

Entfamilialisierung der Elternschaft, des Kindseins

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David Riesmans außengeleiteter Mensch …(1958: 63,66)

„Der Verlust alter Sicherheiten in der Arbeitswelt und in den menschlichen Beziehungen geht einher mit Zweifeln, wie sie ihre Kinder erziehen sollen. Auch fühlen sich die Eltern ihren Kindern nicht mehr überlegen. Die Kinder haben keinen … wirtschaft-lichen Nutzwert mehr … sie sind knapper … man bemüht sich jetzt – und dies ist auch objektiv möglich – alle empfangenen Kinder gewünscht zu haben …“. (Das außen-geleitete Kind wisse oft mehr (schon damals durch Medien! IO) von der Wirklichkeit als seine Eltern … auch die Eltern stellen sich auf die Steuerung durch die Medien ein). „Ihre Unsicherheit bei der Kindererzie-hung bringt sie dazu, sich in steigendem Maße Büchern, Zeit-schriften (… usw.) zuzuwenden. Hier wird der bereits ängstlichen Mutter gesagt, daß sie auf ihre Kinder eingehen soll. Sie lernt, daß es keine problematischen Kinder, sondern nur problema-tische Eltern gibt; und sie lernt ferner, zunächst in ihre eigene Psyche hineinzusehen, wenn sie sich getrieben fühlt, ihren Kindern etwas zu verwehren“ … die Eltern ziehen sich … auf der Persönlichkeit des Kindes angemessene Erziehungsmethoden zurück – auf Beeinflussung mittels Argumentation. Das Kind antwortet darauf in der gleichen Weise …“.