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Im Lichte der Mystik: Eine Sammlung wahrer und tiefer Gedanken mystischer Dichter

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Alle Gedanken dieses Buches sind Bekenntnisse wiedergeborener Seelen. Mögen ihre herrlichen und sinnvollen Worte fühlende Menschen im Sein so tief bewegen, dass auch in ihren Herzen die geistige LICHT-Geburt Wirklichkeit werde, die einst allen Seelen ihr wahres, unsterbliches SELBST-Bewusstsein schenken wird.

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Franz Bernhard AmmannIm Lichte der Mystik

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IM LICHTE DER MYSTIKEine Sammlung wahrer und tiefer Gedanken

mystischer Dichter aus Ost und West

Aurora-Verlag

Franz Bernhard Ammann

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Titelbild: CHRISTUS erscheint den Jüngern aus der Weltsonne.(Fresco von Fra Angelico, Kloster San Marco, Florenz)

Gedichte von Charles Waldemar aus: Das innere ParadiesMit freundlicher Genehmigung des Werner Classen Verlags Zürich

Erstveröffentlichung 2003

ISBN 3-9521793-1-0

© 2003 Aurora-Verlag StäfaAlle Rechte vorbehalten. Auszüge mit Quellenangabe gestattet.

Aurora-Verlag, Rainstrasse 12, CH-8712 Stäfa SchweizDruck: Optifol-Druck, Fritz Tanner, CH-8645 Jona

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VORWORT:

Mystiker sind tief religiöse Menschen, die ihre Blutsee-le durch das innere Geistesfeuer so weit geläutert ha-ben, dass sie im Grunde ihres Herzens die bewusste Vereinigung mit dem göttlichen LICHT erfahren. Diese Erleuchtung wird möglich, weil die wahre, ewige Geistseele - der Gottesfunken - als zentrales Licht-prinzip in der Mitte des gefallenen Mikrokosmos ver-borgen ist.

Wer seinen göttlichen Funken, der kraft seines Wesens auf die universelle Strahlungsaufnahme des Logos ab-gestimmt ist, zum Leben erweckt, indem er sich Ihm aus liebender Erkenntnis ganz bewusst übergibt, be-schreitet den Weg der Mystik. Der Gottesfunken be-ginnt dann im Herzen aufzustrahlen, bewirkt die Ae-therisierung des Blutes, die Läuterung der Gefühle, die Reinigung der Gedanken, die Verfeinerung aller Sinne, und zuletzt die Offenbarung des mystischen Christus, als die Geburt des göttlichen LICHTES in der eigenen Seele.

In der Vergangenheit hat es zu allen Zeiten begnadete Menschen gegeben, die die geistige LICHT-Geburt während ihres irdischen Lebens erfahren durften. Das Mysterium der geistigen Wiedergeburt ist so alt wie das Menschengeschlecht.

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Es waren aber stets nur wenige Seelen, die durch bewusste Selbsthingabe die geistige Wiedergeburterlangt haben.

Doch im Wassermannzeitalter, das bereits begon-nen hat, werden immer mehr suchende Menschendie Wahrheit erkennen und ihre geistige LICHT-Geburt erringen, weil die Veränderung der kosmi-schen Atmosphäre tiefgreifend und entscheidendauf die Evolution der ganzen Menschheit bereitseinwirkt. Das 21. Jahrhundert wird entweder zurwahren - mystischen Religion zurückfinden, oderdas Leben der Menschen endet in einer fortschrei-tenden Selbstzerstörung auf Erden!

Alle Gedanken dieses Buches sind Bekenntnisse wiedergeborener Seelen. Mögen ihre herrlichen undsinnvollen Worte fühlende Menschen im Sein so tiefbewegen, dass auch in ihren Herzen die geistigeLICHT-Geburt Wirklichkeit werde, die einst allenSeelen ihr wahres, unsterbliches SELBST-Bewusst-sein schenken wird.

Franz Bernhard AmmannWeihnachten 2002

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Was ist Gott ?Die wir hier kamen,schweigen wir still.Nennen wir nicht seinen Namen.Bleiben wir still,beten wir still —Wer sagen will,wer er ist,muss sein,der Er ist !

Amen.

Weihespruch der Katharer

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Der Sinn, den man ersinnen kann,ist nicht der ewige Sinn.Der Name, den man nennen kann,ist nicht der wahre Name.Jenseits des Nennbarenliegt der Anfang der Welt.Diesseits des Nennbarenliegt die Geburt der Geschöpfe.Darum führt das Strebennach dem Ewig-Jenseitigen,zum Schauen der Kräfte.Das Streben nach dem Ewig-Diesseitigenzum Schauen der Gestalt.Beides hat den gleichen Ursprung,und nur verschiedene Namen.Diese Einheit ist das grosse Geheimnis.Und des Geheimnissesnoch tieferes Geheimnis:Das ist die Pforteder Offenbarung aller Kräfte.

LAO-TSE

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In den Sinn des Seins zu dringen,halte in dir selber Wacht.Du selbst musst Nacht für Nachtmit deinem Gotte ringen.Und wenn sein erstes Sonnenlichtdurch die Nacht deiner Seele bricht,und Er dir in dir selbst begegnet,lasse Ihn nicht -eh’ dass Er dich gesegnet.

Manfred Kyber

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Wer reinen Herzens sucht, sucht nicht vergebens.Er sucht und findet Quellen reinen Lebens,die in der Brust des reinen Menschen springen.Wenn er versteht zu Ihnen vorzudringen,ist er im Land, das seine Seele liebt,im Land, das seiner Seele Frieden gibt.Such nach den Quellen, tief in dir vergraben,und schöpf aus ihnen ihre heilgen Gaben.Oh such, du findest sie, und schöpf aus ihnendie Kraft, als Fels zu stehn und anderen zu dienen.

Ephides

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Wo die reinen Quellen rinnen,ist das ewige Neubeginnen.Unsere Tage sind verloren,wenn wir nicht wie neugeborenalte Vorurteile lassen,höhere Entschlüsse fassen,neuen Weg zu Menschen finden,enger uns mit Gott verbinden,andre zu den Quellen führen,bis auch sie den Aufschwung spürenund das Wasser weiterreichen –Solches Glück ist ohnegleichen,eint den Himmel mit der Erde,mit dem Schöpfungswort «Es werde» !

Ephides

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Siehe das LEBEN,das alles erfüllt.Tief im Geheimnisist es verhüllt -.Wer kann es fassen, wer es ergründen ?Welche Sprache sein Wesen verkünden ?Niemandem noch ist es vor Augen gekommen,kein äusseres Ohr seine Stimme vernommen.Die Seele allein nur kann es verstehn,wenn Sehen und Hören stille stehn.

Bhagavad Gita

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Die Finsternis begreift es nicht,dass alles, was wir Menschen suchenauf irdischen Bewusstseinsstufen,zu finden ist im innern LICHT. -Sobald wir geistig atmen lernenaus dem göttlichen Wesenskerne,bis Er zur strahlenden Flamme wird,die Tag und Nacht in uns vibriert,erfassen wir den Sinn auf Erden,den Weg - die Wahrheit - und das Lebenim Herzen, als das tönende LICHT, -erleben Es als ewiges ICH, -das nicht mehr stirbt,und nicht mehr wird,doch immerzu -in heiliger Ruh -sich offenbart,als Gegenwartauf leibliche Art.

F.B. Ammann

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Gott schuf den Menschen sich zum Bilde,zum Bilde Gottes schuf Er ihn.In flammend wunderbarer Weisegab Er sein Herz dem Menschen hin.Sein Feuerherz, die eine Sonne,die alle andern Sonnen speist,und die in heilig naher Wonne,auch durch das Herz des Menschen kreist.

Charles Waldemar

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Wer den Weg nach innen fand,wer in glühendem Sichversenkenje der Weisheit Kern geahnt,dass sein Sinn sich Gott und Weltnur als Bild und Gleichnis wähle,ihm wird jedes Tun und DenkenZwiegespräch mit seiner eigenen Seele,welche Gott und Welt enthält.

Hermann Hesse

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Die Sonne tönt nach alter Weisein Brudersphären Wettgesang,und ihre vorgeschriebne Reisevollendet sie im Donnergang.Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,wenn keiner sie erkennen mag,die unbegreiflich hohen Werkesind herrlich wie am ersten Tag.

J.W. Goethe

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Wär nicht das Auge sonnenhaft,es könnt die Sonne nicht erblicken,läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft,wie könnt’ uns Göttliches entzücken !Lass der Sonne Glanz verschwinden,wenn es in der Seele tagt.Wir im eignen Herzen finden,was die ganze Welt versagt.

J.W. Goethe

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Es sei des Menschen Herzder Kelch des Herrn,darin die heil’ge Wandlung sich vollzieht.Dem roten Lebenstrankentsteigt der Sternvon Bethlehem, vor dessen Strahlglanz flieht,was dunkel ist und mächtig war im Blut,und sich verklärt zu Morgensonnenglut.

Ephides

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Alles, was die Seele sucht,kann sie in sich nur finden.Es öffnet sich das Lebensbuch,soweit sie überwindet.Erst, wenn sie lernt zu sterben,das heisst, sich selbst zu lassen,und wirklich selbstlos werden,wird sie das SELBST erfassen,das aus sich selber strahltals göttlicher Flammengeist,der allezeit und überallsie heilend unterweist.

F.B. Ammann

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Je weniger ich von mir,je mehr will Gott von mir.Er kommt aus mir hervor,sobald ich mich verlier.Ueber und um dich her ist Gottund unter dir, -fortwährend ist er tiefals Gegenwart in dir.Fühl Gott in deinem Haupt,den Gliedern, in der Brust.In deinem ganzen Leib sei Gott dir stets bewusst.So wahr du formgestaltet,so wahr ist Gott Person,ein Teil des Weltengeisteslebt in dem Körper schon.

J.F. Fink

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Im HERZEN - Haupt und Lendenwebt in Dir Gottes Geist, -in Füssen - wie den Händenfühlst du den heiligen Strom.Und wenn Gott dir erscheintim reinsten Aether-LICHT,schaust du in Dir den Sohn,als ewig - wahres ICH !

F.B. Ammann

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In dem Schoss der ewigen Rosetönt das höchste Schöpfungslicht.Dauernde Metamorphosewandelt diese Rose nicht.

Ihr im Purpurkelche glühenwunderbar die sieben Sphären.Duftend muss ihr heilig Blühenalle Seraphime nähren.

Myriaden Welten schwebentief von ihrem Hauch entzückt,denn die Rose ist das Leben,das sich brennend selber glückt.

Ja, sein Herz ist selbst die Blüte,deren Duft unwandelbar,und in grenzenloser Gütebringt Er jedem Sein sie dar.

Auch im Menschenherzen glüheteine Rose keusch und zart,und je reiner sie erblühetspürst du seine Gegenwart.

Charles Waldemar

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Gott ist in mir das Feuerund ich in Ihm der Schein,sind wir einander nichtganz inniglich gemein ?

Das Feuer schmelzt und eint,sinkst du in Ursprung ein,so muss dein Geist mit Gottin eins geschmolzen sein.

Sobald durch Gottes Feuerich mag geschmolzen sein,so drückt mir Gott alsbaldsein eigen Wesen ein.

Berührt dich Gottes Geistmit seiner Wesenheit,so wird in Dir geborndas Kind der Ewigkeit.

Angelus Silesius

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Wär Christus tausendmalin Bethlehem geboren,und nicht in Dir,so bleibst du doch verloren.

Soll ich mein letztes Endund ersten Anfang finden,so muss ich mich in Gottund Gott in mir ergründen.

Je mehr du dich aus dirkannst austun und ergiessen,je mehr muss Gott in dichmit seiner Gottheit fliessen.

Wer sich verloren hat,von seinem Ich entbunden,der hat Gott seinen Grundund seinen Heiland funden.

Angelus Silesius

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Wer in dem Nächsten nichtsals Gott und Christum sieht,der siehet mit dem Licht,das aus der Gottheit fliesst.

Oh Wesen, dem nichts gleicht,Gott ist ganz ausser mir,und inner mir auch ganz,ganz dort und auch ganz hier.

Vom ersten Anbeginnund noch bis heute zu,sucht das Geschöpfe nichts,als seines Schöpfers Ruh.

Gott ist das höchste Gut,und wäre Gott nicht Ruh,ich schliesse für Ihn selbstmein’ Augen beide zu.

Angelus Silesius

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Glaubst du, dass du zuerstim Mutterleib entstanden,so liegst du noch gar tiefin der Verblendung Banden.

Bei Gott gibt’s kein Entstehn,kein Werden, kein Vergehn,all’ drei sind bei Ihm eins -wenn du dies kannst verstehn.

J.F. Fink

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Immer wieder und wiedersteigst du herniederin der Erde wechselnden Schoss,bis du gelernt im Lichte zu lesen,dass Leben und Sterben eines gewesen,und alle Zeiten zeitenlos.Bis sich die mühsame Kette der Dingezum immer ruhenden Ringein dir sich reiht -in deinem Willen ist Weltenwille,Stille ist in dir - Stille -und Ewigkeit.

Manfred Kyber

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Wohl ist der Gottheit Kernin jedem Ding enthalten,nur muss sich Gottes Geisterst deinem Geist entfalten.

Dein Leib, er lebt so lang,als sich das Herz bewegt,Du aber lebest erst,wenn Gott in Dir sich regt.

In jedem Augenblickdie Botschaft in mir ruht,in Gott zu sein im Geist -in Gott mit Fleisch und Blut.

J.F. Fink

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Wer seine Lebenszeitin Gott hat zugebracht,dem ist der Tod so viel,als spräch er: Gute Nacht.

Der Himmel ist ein Reich,das jetzt schon in dir waltet,und nach dem Erdentodnach aussen sich entfaltet.

Ich bin vereint mit Gottim Denken - Fühlen - Sehn,gehst du denselben Weg,wirst du nie irregehn.

J.F. Fink

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Im schwachen Menschen ist Gott mächtig,weil in der Demut liegt die Kraft,was du gewirkt im Leben täglich,hat Liebe wohl zuerst geschafft.Doch an der Demut kannst du rankenempor zum wahren Gotteskind,wenn deine Werke und Gedankenin Demut erst geboren sind.

Das Zentrum Gottes steht dir offen,die ganze Schöpfung ist enthüllt,wenn du in demutsvollem Hoffendes Vaters Willen hast erfüllt.Der Vater lässt dich alles schauen,Er teilt die Herrschaft dann mit dir.Du Gotteskind auf Himmelsauen,die Gottheit findet sich in Dir !

Otto Hillig

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Durch all mein heimlich Sehnen gehtein leuchtend stiller Schein,und wann ich lieb und wann ich bet’ ,webt er sich golden drein.

Oft glüht er fern, oft glüht er nah,wie Licht von reiner Firn !Doch noch so schwach, er ist stets da,umglänzt mir Herz und Stirn.

Mir ist, als käm der gold’ne Scheinvom Vaterauge licht,denn alle Welt und alles Seinsich strahlend in Ihm bricht.

In seinem wunderbaren Glanzwerden die Dinge schön,das Dunkle hell, das Halbe ganzund liebend anzusehn.

Charles Waldemar

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Licht schwingt sich durch alle Sphärenund verbindet Stern mit Stern.Aus verborgnem, dunklem Kernmuss sich Blume, Frucht gebären.

Licht besiegt die Finsternisseund erfüllt die tiefste Leer,denn der Sonne Flammenspeertötet jedes Ungewisse.

Licht beseligt alle Wesender eratmenden Natur,und in der Atome Spurist noch strahlend Gott zu lesen.

Licht und Liebe: Gleiche Worte,kennen nicht der Trennung Schmerz.Sie erfüllen Herz zu Herzleuchtend alle Zwischenorte.

Charles Waldemar

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Aus dem Innersten wächstin der Stille das Licht.Es durchdringt in der Seeledie dichteste Schicht -als Erkenntnis der göttlichen Gnade.Doch nur jener, der liebt,trotz Enttäuschung und Last,und das Himmlische suchtohne Neugier und Hast,kommt voran auf dem geistigen Pfade.Denn Ihm bleibt auch im Alltag,in Leid und in Lust,die Verbindung zu Gottjede Stunde bewusst,dass er Wahrheit vom Trug unterscheidet.Er vergisst nicht die Erde,und dient ihr, er strebet nach Ruh -und vollkommenem Friedenmit allem, was lebt -und die Schmerzen des Wachstums erleidet.

Margarita Kritzinger

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Wir Menschen verlorenden Sinn unseres Lebens.Wir sind nicht geborenum leidend zu sterben.Einst müssen wir lernenaus der Strahlung der Sterneder tönenden Sphärenunsere Seele zu nähren,um im eigenen Wesenauf mystische Weise,aus geistiger Speise,durch wahre Syntheseund reines Empfindenunserer höheren Sinnedie Kleider zu webenfürs ewige Leben.

F.B. Ammann

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Nächtliche Stille,Heilige Fülle,wie von göttlichem Segen schwer,säuselt aus ewiger Ferne daher.Was da lebte,was aus engem Kreiseauf ins Weiteste strebte,sanft und leise,sank es in sich selbst zurückund quillt auf inunbewusstem Glück.Und von allen Sternen niederströmt ein wunderbarer Segen,dass die müden Kräfte wiedersich in neuer Frische regen,und aus den Finsternissentritt der Herr, so weit Er kann,und die Fäden, die zerrissen,knüpft Er alle wieder an.

Friedrich Hebbel

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Oh Atem der Sterne, - Wir neigenins leuchtende Schweigenuns betend hinein.Das Lauschen, das Schauen,das tiefe Vertrauen,sind Dein.

Oh Atem der Sterne, - Wir hebendas zitternde, zuckende Lebenzu Dir, der die Welten durchdringt.Es heilt uns dein heiliger Wille.Das goldene Herz der Stilleerklingt.

Oh Atem der Sterne, - Oh Wesendarinnen wir hören und lesenvom höchsten Gebot:Ich und der Vater sind eines !Oh Purpur des Abendmahl - Weines,Oh Hochzeit - oh Tod.

Herbert Fritsche

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In meinem Herzen kreisenalle Gedanken um Dich,nichts anderes spricht die Zungeals meine Liebe zu Dir.Wenn ich nach Osten mich wende,strahlst Du im Osten mir auf.Wenn ich nach Westen mich wende,stehst vor den Augen Du mir.Wenn ich nach oben mich wende,bist Du noch höher als dies.Wenn ich nach unten mich wende,bist Du das Ueberall hier.Du bist, der allem den Ort gibt,aber Du bist nicht sein Ort.Du bist in allem das Ganze,doch nicht vergänglich wie wir.Du bist mein Herz, mein Gewissen,bist mein Gedanke, mein Geist,Du bist der Rhythmus des Atems,du bist der Herzknoten mir.

Al - Halladsch

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Niemals steigtund niemals sinkt die Sonne,ohne dass nach Dir der Sinn mir stände,nie sitz’ mit den Leuten ich zu sprechen,ohne dass mein Wort Du wärst am Ende.Keinen Becher Wasser trink ich dürstend,ohne dass Dein Bild im Glas ich fände.Keinen Hauch tu ich, betrübt noch fröhlich,dem sich Dein Gedenken nicht verbände.

Al - Halladsch

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Sei verbunden seinem Bunde,aller Wesenheit geweiht,mit dem Blut aus seiner Wundekünde seines Kelches Kunde,Rufer in der Einsamkeit.Werde Träger seiner Male,Er in dir und du in Ihm.Einmal in topasnem Saaleneigt sich dir des Grales Schaleaus der Hand der Cherubim.

Manfred Kyber

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Oh lebendige Liebesflamme,wie zärtlich verwundest dudie Seele in der tiefsten Mitte !Da du nicht mehr spröde bist,vollende, wenn Du willst, -zerreiss die Hülle dieserzärtlichen Begegnung.

Oh sanfte Gefangenschaft !Oh geschenkte Wunde !Oh milde Hand !Oh zarte Berührung,die nach ewigem Leben schmeckt,und alle Schulden tilgt !Sterbend hast Du Todin Leben umgewandelt.

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Oh Leuchter aus Feuer,dessen Widerscheinden tiefen Höhlen der Sinne,die finster und blind waren,in seltener Pracht -Wärme und Licht verleihn,dem Liebsten im Verein.

Wie sanft und wärmevollerwachst Du in meinem Schosse,wo Du insgeheim alleine wohnst !Und mit deinem köstlichen Sehnenvoll des Guten und der Herrlichkeit,wie zärtlich führst Du michzur Liebe !

Johannes vom Kreuz

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Wenn alle untreu werden,so bleib’ ich dir doch treu,dass Dankbarkeit auf Erdennicht ausgestorben sei.Für mich umfing dich Leiden,vergingst für mich in Schmerz,drum geb’ ich dir mit Freudenauf ewig dieses Herz.

Oft muss ich bitter weinen,dass du gestorben bist,und mancher von den Deinendich lebenslang vergisst.Von Liebe nur durchdrungenhast du so viel getan,und doch bist du verklungen,und keiner denkt daran.

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Du stehst voll treuer Liebenoch immer jedem bei,und wenn dir keiner bliebe,so bleibst du dennoch treu.Die treuste Liebe sieget,am Ende fühlt man sie,weint bitterlich und schmiegetsich kindlich an dein Knie.

Ich habe dich empfunden,Oh ! Lasse nicht von mir,lass innig mich verbundenauf ewig sein mit dir.Einst schauen meine Brüderauch wieder himmelwärts,und sinken liebend nieder,und fallen dir ans Herz.

Novalis

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Ich habe den Menschen gesehnin seiner tiefsten Gestalt.Ich kenne die Welt bis auf den Grundgehalt.Ich weiss, dass Liebe -Liebe ihr tiefster Sinn,und dass ich da,um immer mehr zu lieben bin.Ich breite die Arme aus, wie Er getan,ich möchte die ganze Welt, wie Er umfahn.

Christian Morgenstern

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Licht ist Liebe- Sonnen- Weben,Liebes-Strahlung einer WeltSchöpferischer Wesenheiten,die durch unerhörte Zeitenuns an ihrem Herzen hält,und die uns zuletzt gegebenihren höchsten Geist in einesMenschen Hülle während dreierJahre, da Er kam in seinesVaters Erbteil - nun der Erdeinnerlichstes Himmelsfeuer,dass auch sie einst Sonne werde.

Christian Morgenstern

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Oh göttlicher Weltenlogos,weil wir aus Dir genommen,bist Du zu uns gekommen,nahmst unser Wesen anund ziehst uns stets hinan,bei Tag und Nachtdurch Deine Kraftzu Dir - oh LICHT -wer Dich je sah,erstirbt in sichzum ewigen JA !

F.B. Ammann

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Hinüber wall ichund jede Peinwird einst ein Stachel der Wollust sein.Noch wenig Zeiten,so bin ich los,und liege trunken der Liebe im Schoss.Unendliches Lebenwogt mächtig in mir,ich schaue von obenherunter nach Dir,an jenem Hügelverlischt mein Glanz -ein Schatten bringetden kühlenden Kranz.Oh sauge Geliebtergewaltig mich an,dass ich entschlummernund lieben kann.Ich fühle des Todes verjüngende Flutzu Balsam und Aetherverwandelt mein Blut -Ich lebe bei Tagevoll Glauben und Mut -und sterbe die Nächte -in heiliger Glut.

Novalis

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Wer mit den Augender Andacht geschautwie die Seele der ErdeKristalle baut,wer die Flammeim keimenden Kern gesehn,im Leben den Tod,Geburt im Vergehn -wer in Menschen und Tierenden Bruder fand,und im Bruder den Bruderund Gott erkannt,der feiert am Tischedes heiligen Gralmit dem Heiland der Liebedas Abendmahl -er sucht und findet,wie Gott es verhiess,den Wegins verlorene Paradies.

Manfred Kyber

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Wie ist die Welt ein Hochaltar,gar herrlich ausgeschmückt.Der Himmel stellt das Linnen dar,mit Sternen reich bestickt.

Die Sonne als ein Weihkelch glühtaus laut’rem reinen Gold.Die Erde selber duftend blühtals Blumenopfer hold.

Der Aether, sieh, ist die Monstranz,die das Geheimnis wahrt.Wie funkelt hier der Liebesglanzvon seiner Gegenwart.

Charles Waldemar

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Wenige wissendas Geheimnis der Liebe,fühlen Unersättlichkeitund ewigen Durst.Des Abendmahls göttliche Bedeutungist den irdischen Sinnen Rätsel.Aber wer jemalsvon heissen geliebten LippenAtem des Lebens sog,wem heilige Glutin zitternden Wellen das Herz schmolz,wem das Auge aufging,dass er des Himmelsunergründliche Tiefen mass,wird essen von seinem Leibeund trinken von seinem BluteEwiglich!Wer hat des irdischen Leibeshohen Sinn erraten?Wer kann sagen, dass er das Blut versteht?Einst ist alles Leib,Ein Leib -in himmlischem Bluteschwimmt das selige Paar.

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Oh dass das Weltmeerschon errötete,und in duftiges Fleischaufquelle der Fels!Nie endet das süsse Mahl,nie sättigt die Liebe sich.Nicht innig, nicht eigen genugkann sie haben den Geliebten.Von immer zärteren Lippenverwandelt wird das Genosseneinniglicher und näher.Heissere Wollust durchbebt die Seele,durstiger und hungriger wird das Herz. -Und so währet der Liebe Genussvon Ewigkeit zu Ewigkeit.Hätten die Nüchternen einmal gekostet,alles verliessen sie, und setzten sich zu unsan den Tisch der Sehnsucht,der nie leer wird.Sie erkennten der Liebeunendliche Fülle,und priesen die Nahrungvon Leib und Blut.

Novalis

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Wie rot und rein die Rose ruhtin ihrer Blätter Schoss -und giesst ihr blühend Rosenblutins Licht, begierdenlos -eins mit dem Weltenwillen - also werdedie Seele auf der Wanderung dieser Erde.so rosenrein, bis frei von aller Qual,sie selig blutet in das Blut des Gral.

Manfred Kyber

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Du, meine Seele neigein Ehrfurcht dich und schweige,dass sich das Wunder zeige:

Es kommt aus Sternenweiten,es klingt aus fernen Zeitenund rührt der Seele Saiten.

Die unerschaffne Weise,nach der die ew’gen Kreisedie Sterne ziehn. - Erst leise,

dann aber hell aufrauschend,vernimmt die Seele lauschendund Brudergrüsse tauschend

der Sterne Klang und Singenund wird dann selbst ein Klingen,und darf mit ihnen schwingenim heilgen Weltenreigen.

Soll sich das Wunder zeigen,oh Seele, musst du schweigen -und dich in Ehrfurcht neigen.

Ephides

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Durch die Ketten deiner Lebenerdennah und erdenfern -immer segnend dir zu Häuptenhält dein Engel deinen Stern.

Geh in Grauen, Not und Schande,wandre aller Hoffnung bar,auch im allertiefsten Dunkelflammt das Licht, das ewig war.

Unter Dornen, unter Rosen,unbeirrt seit Urbeginnleuchtet über deiner Seeledas urewige «ICH-BIN».

Jede Nacht kannst du Es schauen,neu zu jedem neuen Tagrührt dich reinigend und sühnenddeines Engels Schwingenschlag.

Und befreit die Todesstundedeines Wesens wahren Kern -heimwärts in die ewige Heimatträgt dein Engel deinen Stern.

Manfred Kyber

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Es kehrt nicht um, wer seinen Stern erkannt,der ihm als flammend hohes Zeichenzu Häupten steht, das niemals zu erreichen,bis es in seiner eigenen Brust entbrannt.

Das Zeichen ruft ihn stets in jeder Nachtmit fernen, doch verheissungsvollen Blitzen.Er weiss, er muss das Feuer selbst besitzen,bis sich ihm zeigt des nahen Sternes Pracht.

Es ist der Stern das allerhöchste Ziel,und zu erreichen nur in heissem Mühn.Das eitle Leben wird zum Kinderspiel,der Stern und du ein einz’ges Glühn.

Charles Waldemar

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Allnächtlich überschreiten wir die Schwelle,wir alle, die dem Tag verpflichtet sind,und tauchen in die uferlose Helleund stehen staunend an des Ursprungs Quelleund werden, was wir sind, des Lichtes Kind.

Warum, so fragt ihr, findet uns der Morgenso unbelehrt, als wäre nichts geschehn ?Wir stehen ratlos vor dem Stapel Sorgenund müssen mühsam fremdes Wissen borgen,aus fremdem Buch und könnten doch verstehn.

Warum, warum ? Ihr selbst löscht eure Lichter, weil ihr nicht wisst, dass Leben brennen heisst.Im Tode erst entspannt ihr die Gesichter,doch jeden Abend spinnt das Netz ihr dichterund spinnt Ihn ein, den flugbereiten Geist.Er weiss den Weg zum Licht,dem wir entstammen,die kurze Frist der Nacht nur gebt ihn frei,statt Ihn zum Lastentragen zu verdammen.Ja, leuchtet, lodert auf,verklärte Flammen,dass jeder Morgen neu voll Wunder sei !

Ephides

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O könntest du in deinem Lebenund wär’s nur für geringe Zeit,allwie zum Saum der Ewigkeitdich federleicht ins Sein erheben.

Und in ihm wie im Aether schwebenvor dräuendem Geschick gefeit,in tiefgefühlter Seligkeitverflochten mit dem Weltenweben.

Wie blüht darin des Daseins Felddem wachen Sinn in neuen Tönenergreifend vor ihn hingestellt.

Im Bunde mit dem göttlich Schönen,das strömend in ihm Einzug hältsein Schaun aufs herrlichste zu krönen.

Ludwig Weibel

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Willst du den Pfad vollendet sehn,musst du im Herzen tief verstehn,der Funke muss zur Flamme werden,solange du noch lebst auf Erden.Musst auf die Flamme atmen lernen,deinem göttlichen Wesenskerne,und hüten sie bei Tag und Nachtbis sich ihr Wesen ganz entfacht,und sie zur Innen-Sonne wird,die alle Wesen selbstlos liebt -und segnet ohne Unterschied.

F.B. Ammann

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Sobald des Feuers Glutein grünes Hölzchen findet,saugt sie den Stoff heraus,und alle Kraft vertreibt,sie macht die Rinde schwarz,die Flamme sich entzündet, und brennet durch und durch,bis nichts vom Holze bleibt.Dann glüht es schön und still.So geht es auch im Herzen,wenn man sich unbedingtder Liebe Zucht ergibt.Dies Feuer läutert unsdurch wunderliche Schmerzenund öfters um und um,bis in den Tod betrübt.Doch ist es Liebe nur !So muss sie mit uns handeln,und brennen weg, -was ihr im Grunde widerstrebt.Gib ihrer Flamme Raum,so wird sie dich verwandeln,bis du ganz eins mit Gott -und Gott in Dir nur lebt.

Gerhard Tersteegen

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Wir müssen Eines nur erkennen,geistig leben, heisst entbrennen,des HERZENS - Liebe-Glut entzünden,durch seine Wahrheit überwinden,indem wir täglich uns verleugnen,und unser Sein soweit erneuern,dass im innersten Seelengrunde,zu vorbestimmter Gnadenstundeunser Ich sich SELBST erkennt,als das LICHT, - das ewig brennt.

F.B. Ammann

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Wenn nur mein Herze brennend ist,da ich das Wort des Lebens fasse,so weiss ich, dass Du’s selber bist,des Vaters Wort, das ich nicht lasse.

Die Flamme deiner Liebe macht,dass ich mich immer höher schwinge,und wenn ich deine Treu betracht,ein Liebes-Feuer-Opfer bringe.

Die Flamme ist von Dir entzündt,drum eilt sie zu dem Ursprung wieder,und wenn sie unterwegs Dich findt,so kehrt sie nie zur Erde nieder.

Oh’ lass mich stille stehn und hören,wenn Du willst in mein Herz einkehren,Du ziehst allein bei denen ein,die Dir im Grund gelassen sein.Wie gerne wär’ ich dochin dieser Flamme rein.

Gottfried Arnold

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Der Schlaf ist heilig.Wenn die Nacht sich neigtherab mit ihren sterngeschmückten Schwingen,löst sich der Geist vom Leib und steigtempor zur Heimat, die er nie erreicht,wenn ihn des Körpers Fesseln zwingen.

Der Schlaf ist heilig.Sein umflorter Schleierhüllt das Vergängliche in seine Nacht.Das Geistige in dir erwachtund rührt die sieben Seiten seiner Leierallabendlich zur Auferstehungsfeier.

Der Schlaf ist heilig.Heilig halte ihnals deines Seins verhangne Tempeltüre,dass er dein ewiges Ich-Binallnächtlich zu des Daseins Sinnaus deiner Tage wirrer Wildnis führe.

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Er trägt dich fern von Lust und Qualen,die du in seinem Schoss vergisst,in blaue Flammenfernen des Astralen,in dem sich tausend lichte Farben malen,in dessen Formen, Wesenheit und Zahlendein eigentliches Leben ist.

Er lehrt dich sterben, auferstehen,im Tag den Trug,im Schlaf das Wachen sehen.

Der Schlaf ist heilig.Bette sanft und sachtdie Seele ein in seinen Engelsarmenund denke: neben ihm im Allerbarmenhält Nacht für Nachtder Tod, sein Bruder, treue Tempelwacht.

Manfred Kyber

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Ich liebe Dich oh Gott in mir,Du Herzensflamme mein,mein Atem und mein Leben Du,wie könnte ich sonst sein?So lange schweifte ich umher,verlor Dich aus dem Sinn,doch endlich bin ich heimgekehrtund gebe mich Dir hin.

Ich spüre Dein Verlangen nun,und tauche ein in Glück.Oh, all’ mein Wollen, all’ mein Tunführt ja zu Dir zurück.Und Deine Wahrheit steht nun da,enthüllt für jedermann,die Liebesmacht in jedem Herzalles befreien kann !

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O Liebesmacht in jedem Herz,tritt Deine Herrschaft an !In Lieb’ verwandle Not und Schmerz,verzehre Angst und Bang !Bis jede Seele endlich sieht,Dein Wille, Gott, ist gut,und Gross und Klein in sicherer Hutin Deinen Armen ruht.

Wir Menschen lernen, dass Dein PlanVollendung für uns will,und Dankbarkeit füllt jede Brust,und macht uns froh und still.O Wahrheitsflamme, tritt hervor,zeig Deine Herrlichkeit,Dein hoher Plan vollziehe sich,jetzt und in Ewigkeit.

Unbekannter Autor

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Ach, dass ich dich so spät erkannte,du hochgelobte Schönheit du,dass ich nicht eher mein dich nannte,du höchstes Gut, du wahre Ruh,es ist mir leid, ich bin betrübt,dass ich dich, ach, so spät geliebt.

Ich lief verirrt und war verblendet,ich suchte dich und fand dich nicht,ich hatte mich von dir gewendetund liebte das geschaffne Licht.Nun aber ist’s durch dich geschehn,dass ich dich habe ausersehn.

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Ich danke dir, du wahre Sonne,dass mir dein Glanz das Licht gebracht,ich danke dir, du Himmelswonne,dass du mich froh und frei gemacht,ich danke dir, du güldner Mund,dass du mein Herze machst gesund.

Erhalte mich auf deinen Stegen,und lass mich nicht mehr irregehn,lass meinen Fuss auf deinen Wegennicht straucheln und nicht stille stehn,erleucht’ mir Leib und Seele ganz,mit deines Himmelslichtes Glanz.

Angelus Silesius

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Entflammtes Herz bannt alle Welten,entflammtes Herz ist Morgenrot.Und ob auch tausend Höllen gellten,entflammtes Herz bannt jede Not.Nur eine Wahrheit gilt für alle Zeiten,des wahren Menschen innres Königtum.Du sollst in Dir die Schwelle überschreitenzu deines eignen Herzens Eigentum.

Albert Moldenhauer

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Es brennt die Welt,ein fressend schwelend Feuer,mit der Begierde FlammenNahrung suchend.

Entbrenne selbstzur Flamme der Befreiung,eh’ dich die Welt verbrenntzu toter Asche.

Entbrenne selbstim Feuer innrer Wandlung,dich selbst verzehrendin der eignen Glut.

Dem Phönix gleich,der sterbend aufersteht,der Sonne gleich,die leuchtend untergeht.

Anagarika Govinda

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Wie ist doch der Verstandein gar armselig Licht !Es brennt nur aus sich selberweiss um den Starkstrom nicht,

der aus dem Kraftwerk droben,der Lichtzentrale stammt,die angeschlossene Herzenzu lichter Glut entflammt.

Er flackert nur im Umkreis,erlischt gar mit dem Tod,bleibt raum- und zeitgebunden,versaget in der Not.

In Kerkern und in Grüftenmag man sich seiner freu’n,und auch fortan begnügenmit seinem Irrlicht-Wahn !

Allein die Lichtgebornen,die seiner Nacht entronnen,sie wandeln in der Klarheit,die sie in Gott gewonnen.

C.M. Feuerbach

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Unsterblich ist des Menschenewiger Geist,und ohne Grenzen seinesWachstums Weg.Geburt und Tod - Tod und Geburtso kreister auf und ab im buntenSchicksalspiel,bis er durch Leidens-Feuerglutverklärt, -endlich, ein Gott, ins Landder Götter fährt.

Anatol Rembe

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Wenn in langen trüben Stundenunser Herz beinah verzagt,wenn von Krankheit überwundenAngst in unserm Innern nagt,wir der Treugeliebten denken,wie sie Gram und Kummer drückt,Wolken unsern Blick beschränken,die kein Hoffnungsstrahl durchblickt.

Oh, dann neigt sich Gott herüber,seine Liebe kommt uns nah,sehnen wir uns dann hinüber,steht sein Engel vor uns da,bringt den Kelch des frischen Lebens,lispelt Mut und Trost uns zu,und wir beten nicht vergebensauch für die Geliebten Ruh.

Novalis

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Ich spüre einen lichten Geistder segnend mich begleitet.Er ist’s, der Höhenpfade weistund Sterne um mich breitet.

Er schwebt in Zeiten über mir,wenn ich mich selbst gefunden.Dann leuchtet er, nein leuchten wirund müssen beid’ gesunden.

Er kann ohn’ mein Herz nicht sein,und ich nicht ohn’ sein Strahlen.Verlass ich ihn, so fühl ich Peinvon tausend Wundesmalen.

Doch geb ich ihm mit reinem Sinnmein Fühlen und mein Denken,dann werd’ ich wahrhaft, der Ich-Binund kann selbst Licht verschenken.

Es nimmt der Geist an Feuer zu,strömt mir durch Haupt und Glieder,und in der tatenvollsten Ruh -strahl ich Ihn flammend wieder.

Charles Waldemar

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Geht tief nach Innenzur heiligen Mitte.Bei jedem Schritteihr werdet gewinnen.

Ach, nur im Schweigen,in leuchtender Stillekann sich die Fülleall der Himmel zeigen.

Erst im Beschwörenhoch eigener Geister,wird euch der Meisterder Ewige hören.

Habt ihr im Dunkelnder Brust euch entdecket,wird Licht erwecketder Sternenbaum funkeln.

Ewige Quellenkristallenklar springen,hebt nur die Schwingender Seele zum Hellen.

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Selige Lichterdemutsvoll steigen,Götter Gesichterwerden sich zeigen.

Himmlische Roseneuch flammend erblühenbringt ihr euer Mühendem Zeitenlosen.

Goldene Pfortesich offen erweiset,so ihr lobpreisetdas Wort aller Worte.

Herzensaltärestets reiner gebauet,und herrlich erschauetwird siebente Sphäre.

Geist auferstandenzu höherem Werden,lebt ihr auf Erdenin himmlischen Landen.

Charles Waldemar

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Verborgne Kraft - Geheimnis - ewig unversehrt,oh stiller, klarer Quell, aus dem das Leben quillt.Im allertiefsten Wesen sind wir mit dir verbunden,aus dem grossen EINEN fliesst die Vielheit ungezählt.

Die Bahn ist erste Ursach in sich selbst beschlossen.Sie war, ist, und wird sein in alle Ewigkeit.Ihre Allmacht wirkt begrenzt durch Raum und Zeit.,und ihrem LOGOS ist die Weltenseel entsprossen.

Der rechte Weg: In ihrem Rhythmus schwingen,in jedem Atemzug erkennend ‘s Allbestehn.In ihrem geistig-strahlend Leuchten aufzugehn,dass nichts kann sein, als allbeseelend Wollen.

Die grosse Kraft, die alle Form beseelt,die aus der Saat die Eiche aufwärts dringet,die fortbewegt die mächt’gen Himmelschwingen,erschafft den Lotos aus dem dunklen Schlamm.

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Darum sucht jeder Sterbliche auf Erdendas, was ihn bindet ans vergessne Wort,oft schwingt ganz schwach ein zarter Akkord,voll Ehrfurcht fühlt er das göttliche Leben.

Hat einmal ‘s LICHT die Finsternis durchbrochen,erkennt der Mensch sich SELBST im Weltenall,dann keimt das WORT, das einmal ausgesprochen,ihn frei macht von dem irdschen Tränental.

Die Bahn erweckt und lässt Es wachsen,entwickelt, nähret und vollendet,reift, behütet und lässt sterben - werdenin einen Kreislauf, der nie endet.

Sie ist die Macht, die alle Dinge führet,und nichts besitzt, als eignes - tiefes Leben,nicht tuend, atmet sie die Ewigkeit, -als das Geheimnis, das niemals wird umschrieben.

LAO-TSE

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Aus Geist entstand die Welt,und gehet auf in Geist,Geist ist der Grund aus dem,in den zurück sie kreist.Der Geist, ein Aetherduft,hat sich in sich gedichtet,und Sternennebel hatzu Sonnen sich gelichtet.Der Nebel hat in Luftund Wasser sich zersetzt,und Schlamm und Erd und Stein,und Pflanz und Tier zuletzt,und menschliche Gestalt,in der der Menschengeistdurch Gottes Hauch erwachtund Ihn, den Urgeist preist.

Friedrich Rückert

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Nimm einen Sonnenblumenkern und pflanzeihn in der Erde Mutterschoss,und warte andachtsvoll, er ringt sich los,ein kleiner Stiel reckt sich im Sonnenglanze,er wächst, wird stark und gross,umarmt von seiner Blätter grünem Kranze -bis sich das Ganzesonnenüberglühtzur Knospe krönt und eine Blume blüht.

Und in der Blüte, Kern an Kern gereiht,ruht tausendfältig künftige Wesenheit.Und pflanzest du die tausend Kerne wieder ein,es wird dasselbe Bild, dasselbe Gleichnis sein.In tausend Blüten abertausend Keime senkedie Seele allumfassend - und dann lenkelangsam und rückwärtsschauenddie Gedanken heim und denke:das alles war im ersten Keim !

Manfred Kyber

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Herr, deine Welt ist schön,Herr, deine Welt ist gut.Gib mir nur hellen Sinn,gib mir nur frohen Mut !Ich fühle, dass ich bin,ich fühle, dass Du bist,und dass mein Sein von Direin sel’ger Abglanz ist.Die Welt beseeligst du,beseeligst Dich in ihr,sollt ich nicht selig sein,Allseliger in Dir ?

Friedrich Rückert

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Der ist gelehrt,wer nichts für sich begehrt,wer nichts will sein bei allen,wer sich auch selbst nicht will gefallen.Wer in sich selbst nichts findt,als dass er wie ein Kind,sonst nichts will wissen, nichts will denken,als in sein Nichts sich zu ersenken.O schönes Nichts !Du Fülle alles Lichts,du Sonne voller Klarheit,Du Brunnen aller Wahrheit,verborgenes Winkeleinso unansehnlich und so klein !Wer sollte das von dirdu armes Häuslein denken,dass du uns würdest sodie wahre Weisheit schenken.

Gerhard Tersteegen

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Eine Sonne fühl ich glühentief im Grunde meiner Brust.Ach, sie scheint und Rosen blühenhimmlisch seliger Liebeslust.

Alle Dunkelheit der Erdewird erlöst durch ihren Glanz.Und sie strahlet: Werde, werdeselbst zu Licht und Klarheit ganz.

Eine Sonne seh ich scheinenan dem hohen Firmament.Und ich fühl’s: Sie will sich einenmit der, die im Innern brennt.

Leuchtet, leuchtet ihr zwei Sonnen,die ihr mir das Leben schenkt.Ach, vermählt euch voller Wonnendem, der nur an Einheit denkt.

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Ja, mit jeder wahren Neigung,die in Liebe sich ergeht,wächst in mir der Sonne Steigungauf zu höh’rer Majestät.

Und ich muss dem Schöpfer danken,aus der Seele quellend heiss,dass Er sich so ohne Schranken,als das Ich des Menschen weiss.

Eine Sonne fühl ich glühenund ich bin mir nicht bewusst,ob im All die Rosen blühen,oder tief in meiner Brust.

Charles Waldemar

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Hätten wir die Flamme nicht,fehlte uns das geistige LICHT.Doch weil sie uns gegeben,- als eingeborenes Leben –geschenkt vom wahren Gott,wird sie ins LICHT uns hebenund immerfort uns segnen,bis wir im GEISTE lebenweit über allen Tod!

F.B. Ammann

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Wenn wir getragenvon der göttlichen Gnade,dann betet’s in unsaus tiefster Inbrunst,weil die Flamme uns nährt,uns nicht nur bekehrt,sondern leiblich durchglüht,bis die Seele erblühtzu wahrer Vollendungund geistiger Sendung,als strahlendes SELBST –zur Verwandlung der Welt.

F.B.Ammann

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Gott, Du bist mir näher,als ich mir selber bin !Wer dessen inne ward,findet zur Freiheit hin.Wenn er nach innen schreitet,erscheint in ihm ein Licht,das ihn zu Gott geleitetund alle Fesseln bricht.Die Einheit, die er findet,ist ewig, ohne Grund,sie wohnet in ihm selber,das Wie ist niemand kund.

Johannes Tauler

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Gott ist gegenwärtig !Lasset uns anbetenin Ehrfurcht vor Ihn treten.Gott ist in der Mitten !Alles in uns schweigesich innigst vor Ihm beuge !Wer Ihn kennt, wer Ihn nennt -schlagt die Augen nieder !kommt, ergebt euch wieder !

Du durchdringest alles,wollst mit deinem Lichte,Herr, berühren mein Gesichte !Wie die zarten Blumenwillig sich entfaltenund der Sonne stille halten,lass mich so still und froh,Deine Strahlen fassenund Dich wirken lassen.

Komm in mir zu wohnen,lass mein Herz auf Erdendir ein Heiligtum noch werden !Komm Du nahes Wesen,Dich in mir verkläre,dass ich Dich lieb und ehre !Wo ich geh, wo ich steh,lass mich Dein gedenken,mich in Dich versenken !

Gerhard Tersteegen

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Gekommen in die Nachtder Welt ist Gottes Licht,wir sind daran erwachtund schlummern fürder nicht.Wir schlummern fürder nichtden Weltbetäubungsschlummer,wir blicken wach im Licht,aufs Nachtgraun ohne Kummer.Wo ist der Nächte Graun ?Es ist vom Licht bezwungen,wir blicken mit Vertraunins Licht, vom Licht durchdrungen.Dass wir durchdrungen sindvom Lichte, dem wir dienen,wir zeigens dem Gesindder Nacht an unsern Mienen.In hellen Mienen machtsich kund die Kraft des Herrn.Und wer nicht in der Nachtkann leuchten, ist kein Stern.

Friedrich Rückert

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Nacht, der Nächte: Weihenacht,weih’ mich ins Geheimnis ein,dass das Wunder ward vollbrachthier auf Erden Gott zu sein.

Allmacht ging zum Menschen hin,kam in menschlicher Gestalt,um zu wandeln unsern Sinnmit der Liebe Allgewalt.

Jedes Dunkle werd’ verzehrtvon dem innern Lichte still:Mensch sein hat er uns gelehrt,kann nur der, der Gutes will.

Der das Gute auch vollbringtfern von Hass, und Neid und Streit,dass dem Fleische sich entringtdie gefangne Göttlichkeit.

Nacht, der Nächte: Weihenachtweih’ mich ins Geheimnis ein,dass das Wunder ward vollbrachthier auf Erden Mensch zu sein !

Charles Waldemar

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Ich finde Dich, wo ichoh Höchster, hin mich wende,am Anfang find ich Dich,und finde Dich am Ende,dem Anfang geh’ ich nach,in Dir verliert er sich,dem Abschluss späh ich nach,aus Dir gebiert er sich.Du bist der Anfang,der sich aus sich selbst vollendet,das Ende, das zurück sichin den Anfang wendet.Und in der Mitte bist Duselber das, was ist:und ich bin - ICH - ,weil Du in mir die Mitte bist !

Friedrich Rückert

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Mit Deiner Seele hat sich meinegemischt wie Wasser mit dem Weine.Wer kann den Wein vom Wasser trennen ?Wer Dich und mich aus dem Vereine ?Du bist mein grosses Selbst geworden,und nie mehr will ich sein dies kleine.Du hast mein Wesen angenommen,soll ich nicht nehmen an das Deine ?Auf ewig hast Du mich bejaht,dass ich Dich ewig nie verneine.

Dschelaleddin Rûmi

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Wenn wir den Flammengeist erfassen,dann sind wir niemals mehr allein,unmöglich kann Er uns verlassen,weil Er der Grund von unserem Sein.Sein Strömen löst von Leid und Schmerzen,und bindet uns an geistige Wonnen.Er weckt die Rose unseres Herzensund wandelt sie zur lichten Sonne.Dieses LICHT - als tönende Helle,das aus sich SELBST strahlt allezeit,trägt uns über alle Schwellenhinan in Gottes Herrlichkeit.

F.B. Ammann

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Der ganzen Natur wird lichter Lauf gelehrt,umfangen sind alle Wesen in mir Selbst.Oh feurig - grenzenloses Herzvon Liebe und Glück, wie pochst Duin eines Sterblichen Leib.

Meine Nerven sind von Wonne durchflammt,Atome und Zellen schauern alle von Dir,mein Leib, Dein Gefäss, das einzig dientals lebendiger Kelch Deiner Ekstase Wein.

Ich bin ein Zentrum Deines goldenen Lichtsund auch sein weiter - vager Kreisumfang.Du bist meine Seele,gross - strahlend und weiss,Dein ist mein Geist und glühender Sinn.

Deinen göttlichen Odem fühl ich in mirals lebenden Puls Deiner Ewigkeit.

Sri Aurobindo

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Mein Atem fliesst in rhythmischem Strom,erfüllt meine Glieder mit göttlicher Kraft,ich trank das Ewige wie eines Riesen Wein.Die Zeit ist mein Dramaoder mein Festzugstraum.Nun sind die erleuchteten Zellenflammendes Glück, die verzweigten Nervenfeine Bahnen, durchbebt von Entzücken,Opalen oder klar wie Kristall, für des Unbekannten und Höchsten Einwirkung.

Ich bin nicht länger ein Sklave des Fleisches,ein Knecht der Natur - ihrer Herrschaftwie Blei, ich bin nicht mehr in der SinneMaschen verstrickt.

Meiner Seele Schau weitet unermesslich sich,mein Leib ist Gottes lebendiger Träger,mein Geist eine Sonne unsterblichen LICHTS.

Sri Aurobindo

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Sieh: der Sonne musst du gleichen,nicht dem Mond dem kalten feuchten,der mit seinem Glanz dem bleichenspiegelt nur das wahre Leuchten.

Selbst musst du zur Sonne werden,fraglos kreisend aus dir handeln,und es werden Mond und Erdendann nach deinem Rhythmus wandeln.

Auch die Ursonne will Sonnen,Sonnen will der grosse Meister,Seiner Gnade heller Bronnentränkt die goldnen Himmelszahlen,die Myriaden Liebesgeister !Tränkt auch dich, willst du nur strahlen !

Charles Waldemar

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Die Geisterwelt ist nicht verschlossen,dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot !Auf ! Bade Schüler, unverdrossendie irdsche Brust im Morgenrot !Wie alles sich zum Ganzen webt,Eins in dem andern wirkt und lebt !Wie Himmelskräfte auf und nieder steigenund sich die goldenen Eimer reichen.Mit Segen duftenden Schwingenvom Himmel durch die Erde dringen,harmonisch all’ das All durchklingen !

J.W. Goethe

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Nimm mich auf in deine Einheit,aller Leben einiges All,bade rein mich in der Reinheitdeines Meeres von Kristall.

Gib mir jenen Trank zu trinken, der Vergessenheit verleiht,lass die Seele sehnend sinkenin den Ring der Ewigkeit -

wo in diamantnen FernenStern um Stern im Aether kreist.Sternenengel, zu den Sternenleite meinen ewigen Geist.

Manfred Kyber

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Erlösung kommt von innen,nicht von aussen,und wird erworben nurund nicht geschenkt.Sie ist die Kraft des Innern,die von draussenrückstrahlend deines Schicksals Ströme lenkt.

Was fürchtest du ?Es kann dir nur begegnen,was dir gemäss und was dir dienlich ist.Ich weiss den Tagda du dein Leid wirst segnen,das dich gelehrt zu werden, was Du bist.

Ephides

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Sagt es niemand, nur den Weisen,weil die Menge gleich verhöhnet:Das Lebendige will ich preisen,das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,die dich zeugte, wo du zeugtest,überfällt dich fremde Fühlung,wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangenin der Finsternis Beschattung,und dich reisset neu Verlangenauf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,kommst geflogen und gebannt,und zu letzt, des Lichts begierig,bist du Schmetterling verbrannt.

Und solang du das nicht hast,dieses: Stirb und Werde !Bist du nur ein trüber Gastauf der dunklen Erde.

J.W. Goethe

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Das göttliche Feuer muss Es sein,nicht menschliche Willenskraft,Es brennt allein die Seele reinvon Schuld und Leidenschaft.Wir müssen selbst zum Weg entwerdendurch wahres Lassen, statt durch Tun,nur durch das mystische Ersterbenwird’s Herz zum strahlenden Heiligtum.Dann offenbart sich uns das LEBENin der bewussten Gegenwart,als das ewige LICHT der Seele,weil Gottes Werk in uns vollbracht.

F.B. Ammann

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O Licht, das aus des Himmels Höh’ins Herz mir scheint hinein,durchstrahl mich jetzt so lieb wie eh’lass meine Seele göttlich sein.

Lass sehen mich die einz’ge Kraft,die LIEBE - das bist Du. -Die Menschheit aus Gefangenschaftführst Du dem Himmel zu.

Lass Dein verwandelnd Feuer danndurch mein Bewusstsein ziehn,dass ich rechtschaffen leben kann,und nur dem Wunsche dien:

Zu lieben and’re setz’ mich ein,dass ich ein Beispiel sei,und alle nun verstehn, - alleindie LIEBE macht uns frei.

Unbekannter Autor

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Durch des Feuers belebende Machtstiegen wir aus des Geistes Nacht.durch des Feuers verzehrenden Sturmsinken wir tiefer, als Schlange und Wurm.

Es fliesst das Blut wie Feuerdurch des Menschen Adern,wer will mit Prometheus hadern,dass er dem Himmel es entwandund mit dem Erdenkloss verband ?

Das Feuer erwärmt die erkaltete Seele,das Feuer entzündet die Weges-Fackel,dass ich den Freund erwähle,das Feuer erwacht unter Menschenhandzum friedlichen Herd,zum zerstörenden Brand.

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Doch wenn du den Tag erlebst,wo in deinem Allerheiligstendas eigene, schuldbeladene Blutin jene ewige Feuerflamme sich verwandelt,in der der Hass, der Neid und Hochmut,die Eifersucht, Verzweiflung, Traurigkeit,Unmässigkeit, Unkeuschheit, Zorn,wie Zunder brennen -und verbrennen zu roten,Blut-durchglühten Rosen,die nicht mehr welken können,die sich ewig speisenaus dem Kreuz aus Ebenholz, -dann bist du - hingegeben -ganz ergriffenvom Blut und Feuer - Eins -,im CHRISTUS-Leben.

Anna - Iduna Zehnder

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Wenn du den Weg der Wege,Wanderer, zu wandern gewillt, -ein Kreuz mit sieben Rosenist deiner Wanderung Bild.

Dein Kreuz, an das du geheftet,muss mit dir verbrennen, verglühn,bis aus der Asche des Kreuzesdeine sieben Rosen blühn.

Manfred Kyber

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Die letzten Stufendes geistigen Wegeskann niemand vollbringendurch eigenes Streben.Denn die werden vollbrachtvon der göttlichen Macht,wenn wir selbst nicht mehr ringen,uns im HERZEN einklingenin den Strom ihrer Kraft,die das Werk für uns schafft.

F..B. Ammann

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Zieh deine Ichheit aus,und an die Göttlichkeit,die Ichheit ist so eng -die Göttlichkeit so weit.Sei SELBST ! Er selber will,dass selbst du sollest sein,dass du erkennest selbst,Er sei dein SELBST allein.Erinnre dich daran ! Duhast es nur vergessen.Lass dich erinnern !Stets erinnert Er dich dessen.Wenn du Ihn hören willst in Dir,musst du nur schweigen, -dann spricht Er laut: Du warst,sollst sein, - und bist mein eigen.

Friedrich Rückert

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Du bist das immanente Licht im Sein,das sanft aus allem strahlt und keinen blendet,und wer sich in die eignen Tiefen wendet,erfasst sich Selbst als Deinen Widerschein.

Und alle Dinge werden zart und fein,da Deines Lichtes Fluten ihn umweben,aus seinem Leben wächst ein neues Leben,und im Bewusstsein gehst Du aus und ein.

Wann ward je Niedriges so gross und rein,Empfinden und Erfassen so gewaltig,als jetzt, da sich Dein Mantel tausendfaltigum alles Dasein hüllt, um Mensch und Stein !

Waltharius