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Im Schatten Der Finanzkrise 2010

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Das Entstehen der heutigen Krise und ihr Übergreifen auf die gesamte Welt stellen uns vor eine alte, aber immer noch unbeantwortete Frage: welche Art von internationaler Währungsreserve brauchen wir, um globale finanzielle Stabilität zu gewährleisten und das Weltwirtschaftswachstum zu lenken?

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Peter Altmiks (Hg.)

Im Schatten der Finanzkrise

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Peter Altmiks (Hg.)

Im Schatten der Finanzkrise

Muss das staatliche Zentralbankwesen

abgeschafft werden?

OLZOG

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7892-8325-3

© 2010 Olzog Verlag GmbH, München

Internet: http://www.olzog.de

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sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner

Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren)

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oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet,

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Umschlagentwurf: Atelier Versen, Bad Aibling

Korrektorat: Eva Herrmann

Satz: Fotosatz Reinhard Amann, Aichstetten

Druck- und Bindearbeiten: ###

Printed in Germany

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

JÖRG GUIDO HÜLSMANN

Ethische Probleme der Währungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . 13

LAWRENCE H. WHITE

Reform der globalen Geldordnung: ein Plädoyer für ein freies internationales Bankenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . 35

THORSTEN POLLEIT

Freiheit und das Sound Money Principle . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

GEORGE SELGIN

Zentralbanken als Ursache finanzieller Instabilität . . . . . . . 83

ANDREAS HOFFMANN UND EKKEHARD A. KÖHLER

Ursachen und ordnungspolitische Konsequenzen der Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

FRANK SCHÄFFLER UND NORBERT F. TOFALL

Währungswettbewerb als Evolutionsverfahren . . . . . . . . . . 135

Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

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Vorwort

Angesichts der Finanzkrise und ihrer negativen Auswirkungen auf die Soziale Marktwirtschaft als ordnungspolitisches Kon-zept ist ein genauerer Blick auf die Ursachen der Finanzkrise notwendig. Eine der Ursachen liegt in der fehlgeleiteten Geld-politik vieler Zentralbanken. Die US-Notenbank hatte einen künstlichen Boom auf dem innerame rikanischen Immobilien- und Häusermarkt und bei den Kon sumentenkrediten allge-mein durch Überproduktion von Geld ausgelöst. Dieser Boom wurde als Blase entlarvt und führte zu einem nie dagewesenen scharfen Zusammenbruch von Finanz-, Versicherungs- und Realwirtschaft mit katastrophalen Folgewirkungen für den Rest der Welt im Ausmaß der globalen Finanz- und Wirtschaftsver-flechtungen. Folglich lud die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit international bekannte Experten zu einem interna-tionalen Kolloquium „Free Currency – the Future of Money“ nach Potsdam ein, um sowohl die Rolle der staatlichen Zentral-banken und ihre Geldpolitik zu beleuchten als auch um Alter-nativvorschläge zu unterbreiten.

Im ersten Beitrag analysiert Jörg Guido Hülsmann die Geld-produktion vom Standpunkt der christlichen Ethik. Schon Nico-las von Oresme habe im Jahr 1358 erkannt, dass künstliche Aus-weitungen der Geldmenge vor allem von den Währungshütern selber betrieben werden, für Handel und Wirtschaft schädlich sind und sogar zivilisationsbedrohend sein können. Es gäbe einen Zielkonflikt zwischen Geldpolitik, freiem Kapitalfluss und stabilen Wechselkursen. Schon Horaz habe darauf hingewiesen, dass Münzen nicht verändert werden sollten, da Regierungen zum Missbrauch neigten. Im Lauf der Geschichte habe sich Geld

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8 Vorwort

zu einem Tauschmittel gewandelt und reflektiere nicht mehr den realen Wert des Metalls oder Papiers. Immaterielles Zwangsgeld (Fiat Money) existiere einzig und allein aufgrund fortgesetz-ter rechtlicher Privilegien. In einem freien Markt könne es ge-gen den Wettbewerb der Warengeldarten nicht bestehen. Auch fehle jeglicher empirische Beweis für irgendwelche gesamtwirt-schaftlichen Vorteile des immateriellen Zwangsgeldes. Im Ge-genteil könne ein immaterielles Zwangsgeld gesamtwirtschaft-liche Schäden verursachen und habe dies in der Vergangenheit auch getan.

Anschließend hält Lawrence H. White ein Plädoyer für ein freies internationales Bankenwesen und beschreibt die Erfor-dernisse für eine Reform der Währungssysteme. Die Garantien der Regierungen für ihre Banken müssten begrenzt werden. Die Reserveanforderungen der Regierungen seien abzuschaffen. Die sinnvollen Aufgaben der Zentralbanken seien zu privatisieren, während die schädlichen Funktionen der Zentralbanken zu besei-tigen seien. Nationale Papiergeldstandards seien zu ersetzen. Em-pirisch gesehen hätten die Bankensysteme, die dem Laisser-faire am nächsten sind, die geringsten Finanzkrisen. In einem wettbe-werblichen Bankensystem gäbe es für den Internationalen Wäh-rungsfonds (IWF) keinen Bedarf. Der IWF sei gegründet wor-den, um die Kurskrise des Bretton-Woods-Systems in den Griff zu bekommen. Die Kurskrise sei aber durch die Geldpolitik einer nationalen Zentralbank entstanden, die nicht im Einklang mit der Erhaltung des festen Wechselkurses der Währung stand. In einem internationalen freien Bankensystem gäbe es keine natio-nalen Zentralbanken, die eine Politik verfolgten, die zu solchen Problemen führe.

Thorsten Polleit untersucht den Zusammenhang von Freiheit und gesundem Geld und bezieht sich dabei auf die Österreichi-sche Schule der Nationalökonomie. Die Österreichische Schule sähe in dem Geldangebotsmonopol der staatlichen Zentralban-ken und der Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken einen

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Vorwort 9

Unheil bringenden Fremdkörper im System der freien Märkte. Es gäbe keine Möglichkeit, den finanziellen Kollaps eines Booms zu verhindern, der durch eine Kreditexpansion verursacht wurde. Geld müsse zwingend an einen Rohstoff, wie z. B. Gold oder Sil-ber, gekoppelt sein. Jegliche Münzaktivitäten der Regierungen sollten unterbleiben. Das Münzwesen könne auch durch private Unternehmen erfolgen. Mit dem staatlichen Papiergeld hätten sich die Volkswirtschaften auf einen unheilvollen Pfad eingelas-sen, auf dem sie mit immer mehr Kredit und Geld sowie immer niedrigeren Zinsen der unausweichlichen Bereinigungskrise zu entkommen versuchten. Um den entstandenen Schaden nicht noch weiter in die Höhe zu treiben, sei eine Reform der Geldord-nung bitter nötig.

George Selgin identifiziert das exklusive Geldschöpfungsmo-nopol als Hauptursache für die Instabilität. Zentralbanken seien aus fiskalischen Gründen etabliert worden, um die Regierung bzw. die herrschenden Monarchen zu stützen. Die Idee, dass Zentralbanken die Volkswirtschaft eines Landes stabilisieren sollen, sei erst wesentlich später aufgegriffen worden. In Kanada habe es ein wettbewerbliches Bankensystem ohne ein staatliches Geldschöpfungsmonopol gegeben, welches immer genügend Geld zur Verfügung gestellt habe. In einem wettbewerblichen System würden Banken durch einen internen Zahlungsaus-gleich in ihrer Geldschöpfung beschränkt und es käme nicht zu einem Überangebot an Geld. Eine stabile Geldnachfrage stabili-siere auch die jeweilige Volkswirtschaft. Während die Heraus-gabe von immateriellem Zwangsgeld die Zentralbanken nicht gehindert habe, Aufschwünge und Krisen zu verursachen, habe sie aber die Möglichkeit von grundlegenden Reformen erheb-lich erschwert. Es sei an der Zeit, das romantische Bild von der Zentralbank zu revidieren.

Ekkehard A. Köhler und Andreas Hoffmann befassen sich mit den Ursachen und ordnungspolitischen Konsequenzen der Finanzkrise. Für die Entstehung spekulativer Übertreibungen

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10 Vorwort

seien zwei Voraussetzungen erforderlich: Erstens müsse reichlich Liquidität vorhanden sein, die den Nährboden für Übertreibun-gen bietet. Zweitens müssten die Investoren hohe, d. h. über-durchschnittliche, Renditen in einem spezifischen Markt er-warten. Nicht nur die Ostasien-Staaten und Europa, sondern auch Japan, Russland und die meisten anderen G20-Staaten hät-ten sich dem Ziel der günstigen Liquiditätsbereitstellung unter-geordnet. Die Geschäftsbanken hätten darauf mit der Auswei-tung ihres Investitions- und Kredit- bzw. Finanzierungsgeschäfts reagiert. Die verbrieften Forderungen auf Zahlungen der US-Hausbesitzer seien für die Geschäfts- und Investmentbanken zunehmend interessanter geworden. Die Produkte seien fälsch-licherweise als wenig riskant und lukrativ angesehen worden. Zu-dem hätten die US-Banken ihre Risiken nicht nur bündeln, son-dern auch noch weiterverkaufen und streuen können. Es müssten nun ordnungspolitische Konsequenzen aus der Finanzkrise ge-zogen werden. Derzeit setze die Politik nur an den Symptomen, nicht aber an den regelbasierten Gründen der Finanzkrise an.

Frank Schäffler und Norbert F. Tofall beschäftigen sich mit dem Übergang vom staatlichen Papiergeldmonopol hin zu einer marktwirtschaftlichen Geldordnung mittels Wettbewerb. Der Staat könne eine evolutionäre Entwicklung nur be- oder verhin-dern und im positiven Fall erlauben oder durch eine geeignete Privatrechtsordnung sogar fördern. Handeln müssten die ein-zelnen Menschen jedoch immer selbst. Zudem benötige mensch-liches Handeln immer Zeit und sei nur im Zeitablauf mög-lich. Folglich falle eine funktionierende marktwirtschaftliche Geldordnung nicht vom Himmel, sondern müsse schrittweise entwickelt werden. Deshalb müssten konkurrierende Privat wäh-rungen zugelassen und ein allumfassender Währungswettbe-werb ermöglicht werden. Das Geldmonopol der Regierung und nationale Währungssysteme seien durch freien Wettbewerb zwi-schen privaten Emissionsbanken zu ersetzen. Selbst nach der Be-seitigung der Beschränkungen werde es einige Zeit dauern, bis

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Vorwort 11

eine befriedigende Anzahl von privaten Währungsemissions-banken, die eine ausreichende Menge von gutem Geld emittieren könnten, parallel zum staatlichen Währungssystem entstünde.

Künstlich niedrigere Zinsen ermöglichen kein nachhaltiges Wachstum, sondern verschärfen die Krise. Eine Politik des billigen Geldes, die zeitweilig sogar zu negativen (sic!) Realzinsen führt, hat fatale Konsequenzen. Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Begründer der Raiffeisen Banken- und Landhandelsorganisation, schrieb um das Jahr 1859: „Es schreit die ganze Welt nach Geld, und zwar nach möglichst billigem Gelde. Je leichter, je mehr und je billiger dieses erlangt wird, umso schlimmer werden die Zustände werden.“ 1980, lange vor den beiden letzten Krisen, dem Platzen der Internetblase 2000/2001 und der derzeitigen Finanzkrise, befassten sich Joachim Starbatty und Rainer Gerding mit Hayeks Vorschlag zur Entnatio-nalisierung des Geldes. Die Warnungen verhallten, Konsequenzen wurden nicht gezogen. Derzeit wird versucht mit deutlichen Zins-senkungen seitens der Zentralbanken und mit weitreichenden staatlichen Interventionen die Finanzmärkte zu stabilisieren. Zins-senkungen tragen aber direkt zum Entstehen der nächsten Blase bei.

Ein Währungswettbewerb ist grundsätzlich möglich. Men-schen sind sehr wohl in der Lage, mit mehreren Währungen par-allel umzugehen, wenn sie darin Vorteile erkennen, z. B. einer anderen Währung mehr Wertstabilität zutrauen als der nationa-len. So haben z. B. die D-Mark und der US-Dollar in vielen Län-dern des östlichen und südöstlichen Europa viele Jahre lang als Parallelwährung gedient und Sparen überhaupt erst ermöglicht. Die gegenwärtige Finanzkrise muss zu einer ordnungspolitischen Besinnung und Umkehr genutzt werden. Die Autoren dieses Sammelbandes haben dazu eindrucksvolle und fundierte Bei-träge geleistet. Es liegt an uns, sie umzusetzen.

Potsdam, im Oktober 2009Peter Altmiks

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JÖRG GUIDO HÜLSMANN

Ethische Probleme der Währungspolitik

Die Diskussion währungspolitischer Probleme wird häufig nicht grundsätzlich genug geführt. Gerade Fachleute begeben sich allzu schnell auf das enge Gebiet rein technischer Probleme und begnügen sich damit, die Abwicklung des Tagesgeschäfts von Währungsbehörden (das sind heute zumeist die Zentralbanken) zu erörtern. In den einschlägigen Lehrbüchern wird heute das Thema Währungspolitik (bzw. Geldpolitik) in der Regel als eine beschreibende Darstellung der Mittel und Zwecke von Zentral-banken abgehandelt.

Die Folge ist, dass die institutionellen Gegebenheiten recht-licher und moralischer Art, unter denen die Betätigungen der Währungsbehörden überhaupt erst möglich sind, aus dem Blick fallen.1 Dazu gehören u. a. die Monopolstellung der Zentralban-ken und ihrer Produkte, aber auch die Verwendung von Papier-geld bzw. von elektronischem Geld. Diese institutionellen Gege-benheiten stehen somit außerhalb der in Fachkreisen geführten geldpolitischen Diskussion. Gerade sie verdienen es aber, befragt und hinterfragt zu werden, vor allem indem man sie mit alterna-tiven Institutionen vergleicht.

Für einen Vergleich ist außer den zu erwägenden Alternativen auch ein gemeinsames Merkmal – das Tertium comparationis – nötig. Im Fall der Geldpolitik ist dies die Geldproduktion. Die staatliche bzw. halbstaatliche „Geldpolitik“ durch Zentralban-ken ist nämlich im Grunde nichts anderes als eine besondere Art

1 Vgl. die glänzenden Ausführungen von Wilhelm Kasch, „Geld und Glaube. Problemaufriß einer defizitären Beziehung“, in ders. (Hg.), Geld und Glaube (Paderborn: Schöningh, 1979), S. 19–70.

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der Geldproduktion. Auch das kann leicht aus dem Blick gera-ten, denn die Berichterstattung über die Geldpolitik konzen- triert sich in der Regel auf die Leitzinssätze, die von den jeweiligen Währungsbehörden (in Europa ist das der Rat der Zentralbank-chefs des sogenannten Eurosystems) monatlich oder auch in kürzeren Abständen festgelegt werden. Aber die Zentralbanken können eben nur darum und nur dadurch die kurzfristigen Zins-sätze steuern, weil sie die Geldmenge beinahe unbegrenzt erhö-hen können.

Geldpolitik ist also letztlich eine besondere Art der Geld-produktion und als solche kann sie mit anderen Arten der Geldproduktion verglichen werden. Der Vergleich kann unter rein ökonomischen Gesichtspunkten (Wachstum, Stabilität u. Ä.) erfolgen, aber auch ethische Kriterien heranziehen. Letz-teres will ich im Folgenden tun, indem ich die Geldproduk-tion insbesondere vom Standpunkt der christlichen Ethik be-leuchte.

Der christliche Standpunkt empfiehlt sich aus drei Gründen: (1) weil er auf einer sehr langen Denktradition beruht, die viele wichtige Anstöße zur Entwicklung der Geldtheorie gegeben hat; (2) weil sich die christliche Argumentation zur Währungsmoral nicht auf Glaubenssätze stützt, sondern aus Prämissen abgeleitet wird, die auch für Verfechter einer rein weltlichen Moral an-nehmbar sind; (3) weil der ausdrücklich religiöse Standpunkt mich von der Pflicht entbindet, die Allgemeinverbindlichkeit je-ner Prämissen wissenschaftlich nachzuweisen; mit anderen Wor-ten: Mir reicht es, sagen zu können, dass diese Prämissen für Christen verbindlich sind und dass folglich die aus ihnen abge-leitete Währungsmoral, sofern die Ableitung richtig ist, ebenfalls für Christen verbindlich ist.

Die christliche Literatur und Tradition hat dem Umgang mit Geld und Reichtum aus ersichtlichen Gründen große Aufmerk-samkeit geschenkt. Sie hat sich dagegen mit der Frage der Pro-duktion von Geld weniger intensiv und systematisch auseinan-

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dergesetzt.2 Diese Lücke in der intellektuellen Durchdringung der menschlichen Lebenswelt betrifft insbesondere die zentralen Währungsinstitutionen der Gegenwart: immaterielles Zwangs-geld und Zentralbanken.

Im Folgenden will ich zunächst in aller Kürze die Entwicklung des christlichen Denkens über das traditionelle Warengeld dar-legen und anschließend erörtern, wie eine moralische Kritik der heutigen Währungsinstitutionen aussehen könnte.

1. Die Entwicklung christlicher Grundsätze für die Warengeldproduktion

Bis zur Wende vom 17. auf das 18. Jahrhundert kannte der christ-liche Westen nur Warengeld und insbesondere Münzen aus Edel-metall. Die karolingische Münzreform des achten Jahrhunderts hatte ein System von Silbermünzen geschaffen, das auf dem Pfennig (Denarius) beruhte, der lange Zeit auch die einzige Münze war, die überhaupt geprägt wurde. Erst im Hochmittel-alter kam es zur Ausprägung größerer Silbermünzen und die ers-ten Goldmünzen traten ebenfalls erst dann auf.

So lagen die Dinge auch schon im Altertum. Griechen und Römer benutzten Warengeld. Dies waren wiederum vor allem Münzen aus Kupfer, Bronze, Silber und Gold, auch wenn Athen im Inlandsverkehr mit Zwangsgeld ohne eigent lichen Waren-wert experimentierte. Die Israeliten verwendeten gleichfalls sol-ches Warengeld und im Alten Testament werden die moralischen Grundsätze der Geldproduktion daher auch unzweideutig aus-gesprochen.

2 Siehe die Einführung meines Werkes Die Ethik der Geldproduktion (Leipzig: Manuscriptum, 2007), insbesondere Abschnitt 1.

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1.1 Altes Testament

Diese Grundsätze leiten sich allesamt aus den Zehn Geboten (Exodus 20: 2–17; Deut. 5: 6–21) ab, insbesondere aus den dort enthaltenen Verboten betreffend Diebstahl (7. Gebot), Falschaus-sagen (8. Gebot) und geplanter Enteignung (10. Gebot). Diese allgemeinen Grundsätze gelangen im Alten Testament in dreifa-cher Hinsicht zur Anwendung auf konkrete Probleme der Geld-produktion:

(1) wird vom Propheten Isaias eine möglichst große Reinheit der Münzen empfohlen oder zumindest als Ideal hingestellt.3

(2) finden wir, in Anwendung der Gebote sieben und acht, die ständige Ermahnung, ehrliche Gewichte und Maße zu verwen-den.4 Die Bedeutung dieser Vorschrift ist vor dem technischen Hintergrund zu verstehen, dass die Münzproduktion noch unbe-kannt bzw. so primitiv war, dass die getauschten Mengen an Edel-metall nicht durch einfaches Abzählen der Münzen ermittelt wer-den konnten, sondern fallweise durch Abwägen des betreffenden Metallgewichts und durch Ermittlung seiner Feinheit bzw. Rein-

3 „An Erzes Statt will ich dir Gold bescheren und statt des Eisens Silber, Erz statt der Hölzer, statt der Steine Eisen. Ich setze als Regierung dir den Frieden ein, als deinen Obern die Gerechtigkeit.“ (Isaias 60: 17)

4 „Ihr sollt keine Verdrehung beim Rechtsprechen, beim Längenmaß, Gewicht und Gefäß machen! Richtige Waage, richtige Gewichtssteine, richtiger Scheffel und richtige Kanne sollen bei euch sein. Ich, der Herr, bin euer Gott, der euch aus Ägypterland geführt hat.“ (Levitikus 19: 35–36) „In deiner Tasche sollst du nicht zweierlei Gewichtssteine tragen, einen grö-ßeren und einen kleineren! Nur volles und richtiges Gewicht sollst du haben, vollen und richtigen Scheffel, auf dass du lange lebst in dem Land, das dir der Herr, dein Gott, gibt! Denn ein Greuel für den Herrn, deinen Gott, ist jeder, der solches tut und solche Unredlichkeit verübt.“ (Deuteronomium 25: 13–16) „Zweifach Gewicht und zweifach Maß, sie beide sind dem Herrn ein Greuel. […] Ein Greuel für den Herrn ist zweierlei Gewicht; nichts nützt die falsche Waage.“ (Sprüche 20: 10,23)

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heit zu bestimmen war. Dadurch ergaben sich wiederum zahlrei-che Missbrauchsmöglichkeiten, indem z. B. ein Kaufmann oder Münzwechsler verschieden schwere Gewichte gleichen Namens verwendete, um sich Tauschvorteile zu verschaffen.

(3) wird, wiederum in Anwendung der Gebote sieben und acht, jegliche Münzverschlechterung vom Propheten Isaias kate-gorisch abgelehnt und aufs Schärfste verurteilt.5 Was ist da runter zu verstehen? Mit einer Münzverschlechterung im hier relevan-ten Sinn ist nicht die Abnutzung einer Münze im Zeitverlauf ge-meint, sondern die durch den Münzer willentlich herbeigeführte Verringerung ihres Gehaltes an Edelmetall im Moment der Pro-duktion. Mit anderen Worten handelt es sich hier um eine Form von Betrug.

1.2 Neues Testament

Im Neuen Testament werden diese Grundsätze bestätigt. Dies ge-schieht zum einen auf allgemeine Art, indem der Heiland erklärt, er sei zur Erfüllung des Gesetzes gekommen, nicht zu dessen Aufhebung (Matt. 5: 17). Zum anderen zeigt sich diese Bestäti-gung in der schieren Masse von Parabeln, in denen Fragen des Glaubens und der Moral anhand von Geld und Reichtum erör-tert werden. Dabei geht es wiederum insbesondere um die rich-tige Verwendung von Geld, während die Geldproduktion vernach-lässigt wird. Allenfalls die Frage der Rechte des Geldproduzenten erfährt eine Bereicherung, und zwar durch die berühmte Anord-

5 „Dein Silber ward zur Schlacke, dein Trunk verwässert. Abtrünnige sind deine Fürsten, Diebsgesellen, verliebt ist alles in Bestechung und auf der Jagd nach Entgelt. Den Waisen schaffen sie nicht Recht; der Witwen Klagen dringen nicht vor sie. Deshalb, so lautet jetzt ein Spruch des Herrn der Heeresscharen, des Starken Israels: – ‚Ein Wehe, wenn ich meine Gegner rüge und mich an meinen Feinden räche! Mit dir befasse ich mich gründlich und schmelze deine Schlacken wie mit Lauge aus, entferne alle deine Bleiklumpen.‘“ (Isaias 1:22–25)

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nung „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Matt. 22: 21). Diese Stelle wird in Bezug auf mein Thema zuweilen dahin gehend interpretiert, dass der Geldpro-duzent (in der Praxis ist das in der Regel die Regierung bzw. der Staat) ein dauerhaftes Eigentumsrecht an seinen Münzen behält, auch nachdem diese in den Verkehr gelangen. Jedoch ist diese Interpretation umstritten und wurde im Verlauf der Jahrhun-derte von vielen christlichen Ökonomen aus guten Gründen ver-worfen.

1.3 Überlieferung im kirchlichen Lehramt

In der kirchlichen Tradition wurden die Grundsätze des Alten Testamentes aufrechterhalten, so etwa durch die kleine Denk-schrift Quanto des Papstes Innozenz III. aus dem Jahre 1199. Hier ermahnt der Papst den König von Aragon, eine unter sei-nem Vater erfolgte Münzverschlechterung wieder rückgängig zu machen. Aber ab dem 14. Jahrhundert geht das kirchliche Lehr-amt auch weit über solche bloßen Anwendungen althergebrach-ter Grundsätze hinaus. Im Kreise der Scholastiker entsteht eine systematische Geldlehre, die den Ausgangspunkt für die Ent-wicklung der nationalökonomischen Theorie in den folgenden Jahrhunderten bilden sollte.

Die zentrale Figur unter den Scholastikern ist natürlich Tho-mas von Aquin, und wie Fabian Wittreck vor Kurzem in brillanter Weise dargelegt hat, entwickelte er auch zum Thema Geldtheorie und Währungspolitik sehr reiche Gedanken, die sich aus vielfälti-gen Quellen speisten, insbesondere aus der christlichen Überlie-ferung, der griechischen Philosophie, sowie dem byzantinischen und islamischen Denken.6 Unter anderem kann der Hl. Thomas

6 Siehe Fabian Wittreck, Geld als Instrument der Gerechtigkeit – die Geldrechts-lehre des Hl. Thomas von Aquin in ihrem interkulturellen Kontext (Paderborn: Schöningh, 2002).

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mit Fug und Recht als Urvater des Postulats der Geldwertstabili-sierung gelten. Doch er fand nie die Zeit, seine geldtheoretischen Überlegungen zu einer geschlossenen Darstellung zu bringen. Auch in seinem wichtigen Werk über die Regierungskunst De rege ad regem Cypri (Über das Königtum an den König von Zypern, ca. 1256) ist er nicht zur Behandlung dieser Fragen vorgedrun-gen. Erst eine posthume „Nachbearbeitung“ durch Tholomäus von Lucca fügte dem Text des Hl. Thomas einige Kapitel hinzu, in denen u. a. auch währungspolitische Fragen erörtert werden. Die-ser erweiterte Text erhielt den neuen Titel De regimine principum (Über die Herrschaft der Fürsten, ca. 1300) und wurde lange Zeit irrtümlich dem Hl. Thomas in Gänze zugeschrieben.

Der wichtigste geldtheoretische Denker des Mittelalters war jedoch Nicolas von Oresme, seines Zeichens nicht nur ein hoch-rangiger kirchlicher Würdenträger (er war Bischof von Lisieux und Beichtvater des französischen Königs), sondern auch ein wissenschaftliches Genie mit bahnbrechenden Arbeiten zur Ma-thematik, zur Physik und eben zur Geldlehre. Um das Jahr 1358 verfasste Oresme seinen Tractatus de origine, natura, jure, et mu-tacionibus monetarum (Abhandlung über den Ursprung, das Wesen, das Recht und die Veränderungen der Währungen).7 Es handelt sich dabei um eine systematische Abhandlung über Geld und Geldproduktion. Oresmes Schrift gilt als erstes Werk der Geistesgeschichte, das sich ausschließlich mit einem ökonomi-schen Thema befasste. Auch wenn er hier keine im engeren Sinne ökonomische Beweisführung vorlegt, kann er somit durchaus als Begründer dieses Wissenszweiges angesehen werden.

Oresme konzentrierte sich insbesondere auf die „Veränderun-

7 Die beste moderne Ausgabe (lateinisch-englisch) dieser Schrift findet sich in Charles Johnson (Hg.), The De Moneta of Nicholas Oresme and English Mint Documents (London: Thomas Nelson and Sons, 1956). Eine (unvollständige) deutsche Ausgabe erschien vor Kurzem unter dem Titel Traktat über Geldab-wertungen (Berlin: Kadmos, 1999).

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gen“ der Währungen, in denen er ein potenzielles Einfallstor für missbräuchliches Handeln der zuständigen Obrigkeit sah. Sein Werk ist daher nicht zuletzt eine Abhandlung über staatlich er-zeugte künstliche Ausweitungen der Geldmenge, und gerade in dieser Hinsicht hat es bleibenden Wert. Oresme zufolge sind Veränderungen an etablierten Währungen grundsätzlich unzu-lässig. Eine Ausnahme besteht allenfalls unter zwei Bedingungen: (1) Die gesamte Gemeinschaft der Geldbenutzer muss ihr Ein-verständnis erklären und (2) es muss eine große und dringende Notlage vorliegen, etwa ein unmittelbar bevorstehender Ein-marsch einer feindlichen Armee. Aber in jedem anderen Fall darf die einmal vorhandene Währung nicht physisch verändert wer-den. Neue Währungen dürfen bei Bedarf geschaffen und einge-führt werden, aber Veränderungen der alten Währungen sind zu unterlassen. Der Sinn dieser starren Haltung liegt darin, dass ge-rade durch die Veränderungen dem Betrug am Geldbenutzer (am gemeinen Bürger) Tür und Tor geöffnet wird.

Oresme erkannte, dass künstliche Ausweitungen der Geld-menge vor allem von den Währungshütern selber betrieben wer-den; dass sie für Handel und Wirtschaft schädlich sind und sogar zivilisationsbedrohend sein können; dass sie aus gesamtwirt-schaftlicher Sicht vollkommen unnötig sind; dass sie unrechtmä-ßigen Besitz schaffen, indem sie einige Gruppen (typischerweise die Obrigkeit und ihre Verbündeten) auf Kosten anderer Grup-pen (der gemeinen Bürger) bereichern; dass sie somit den Weg zur Tyrannei ebnen; und dass man ihnen am besten dadurch zu-vorkommt, dass jegliche Veränderungen des Geldes – jeglicher obrigkeitliche Eingriff in das Geldwesen – von vorneherein aus-geschlossen wird.

Diese Auffassungen sollten das christliche Denken zur Geld-produktion auf Jahrhunderte hinaus prägen.8 Insbesondere fan-

8 Siehe wiederum die Einführung meines Werkes Die Ethik der Geldproduktion (Leipzig: Manuscriptum, 2007), diesmal insbesondere den Abschnitt 2.

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den hier die Spätscholastiker der Schule von Salamanca einen Be-zugsrahmen, innerhalb dessen sie die im 16. und 17. Jahrhundert aufkommenden Finanzindustrien vom christlichen Standpunkt untersuchten. Selbst im Zuge der zunehmenden Verweltlichung des nationalökonomischen Denkens lebten die von Oresme ent-wickelten Grundsätze fort. Nicht zuletzt die von Adam Smith in-spirierte klassische Ökonomie lehnt sich vor allem gegen den bereits von Oresme verworfenen Glauben auf, dass sich das Ge-meinwohl durch eine künstliche Ausweitung der Geldmenge för-dern ließe. Auch in unseren Tagen wird dieser gleiche Gedanke noch von der Österreichischen Schule wachgehalten.

Das christliche Denken zum Warengeld kann allerdings nicht ohne Weiteres auf heutige Verhältnisse übertragen werden. Zwar sind seine allgemeinen moralischen Grundsätze weiterhin zu-treffend, aber die veränderten institutionellen Gegebenheiten er-fordern eine Verschiebung in der Anwendung: von der Ebene der Geldgegenstände zur Ebene der Regeln der Geldproduktion. Dies will ich nun etwas näher erläutern.

2. Ethische Probleme eines immateriellen Zwangsgeldes (Fiat Money)

Im 18. Jahrhundert beginnt im Westen eine neue Epoche: die Epoche der Experimente mit immateriellem Geld, d. h. insbe-sondere mit Papiergeld, da elektronisches Geld noch unbekannt ist. Das wichtigste Zentrum dieser Versuche sind die englischen Kolonien in Nordamerika, die allesamt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Einführung von Papiergeld schreiten. Zwar wird diese Praxis gegen Mitte des 18. Jahrhunderts vom briti-schen Mutterland aus gebremst, aber erst die Gründung der amerikanischen Republik sollte ihr ein vorläufiges Ende setzen. In Europa sind die einschlägigen Fälle seltener anzutreffen. Frank-reich führt im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts ein Papier-

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geld ein, mit dem katastrophalen Ausgang einer Hyperinflation. Während der Französischen Revolution kommt es zu einer Neu-auflage dieser Erfahrung, mit gleichem Ergebnis. Nach und nach führen auch andere europäische Länder Papiergeld ein, sodass dieser Geldtypus gegen Mitte des 19. Jahrhunderts bereits recht weitverbreitet ist. Mit dem klassischen Goldstandard (1871–1914) kommt es noch einmal zu einer internationalen Bewegung zur Wiedereinführung von Warengeld, die auch im 20. Jahrhun-dert noch eine Fortsetzung findet, zuletzt mit dem System von Bretton Woods (1946–1971). Doch immer wieder wird das Zah-lungsversprechen der Zentralbanken (das die Einlösbarkeit ihrer Noten in Gold gewährleistet) gebrochen, sodass die nationalen Geldscheine zu Papiergeld werden. Seit 1971 verwendet über-haupt kein Land auf der Welt mehr Warengeld.

2.1 Probleme bei der Anwendung der Warengeldethik auf den Fall des immateriellen Geldes

Wie stellt sich diese Praxis nun aus moralischer Sicht dar? Es ist ohne Weiteres ersichtlich, dass die alttestamentarischen Postu-late sich hier nicht direkt anwenden lassen. Was könnte es schon bedeuten, dass Papiergeld nicht mit zwei Gewichtsmaßen ge-messen werden soll? Oder dass elektronische Kontoeinträge be-sonders „rein“ sein sollten? Auch der Vorgang der Münzver-schlechterung scheint keine moderne Entsprechung zu finden.

Man könnte vielleicht argumentieren, dass die Kaufkraft jedes einzelnen Geldscheines sich tendenziell verringert, wenn die Ge-samtmenge der Geldscheine zunimmt. Aber ließe sich dieser Vorgang in Analogie zur Münzverschlechterung als „Papiergeld-verschlechterung“ deuten? Schließlich könnte man genau das Gleiche von jeder Ausweitung der Münzgeldmenge sagen, nicht nur von „künstlichen“ Ausweitungen! Die Folge einer solchen Argumentation wäre mithin, dass man die Zulässigkeit der Geld-produktion überhaupt infrage stellen würde. Aber die dabei ins

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Feld geführte Überlegung – dass nämlich der Tauschwert je-der Einheit durch eine Erhöhung der Gesamtmenge verringert wird – würde nicht nur die Geldproduktion betreffen, sondern letztlich alle Produktionsvorhaben, die irgendwelche homoge-nen Güter betreffen. Somit befände man sich in einer intellektu-ellen Sackgasse.

Ähnlich problematisch ist die Argumentation einiger namhaf-ter Ökonomen, Theologen und Historiker, die die Herausgabe von Papiergeld kategorisch als „Betrug“ bezeichnet haben.9 Die Berechtigung dieser Argumentation hängt davon ab, was man mit dem Ausdruck „Papiergeld“ meint. Soweit damit solche No-ten gemeint sind, die zur Einlösung eines „Grundgeldes“ ver-wendet werden können – wie z. B. unter dem Goldstandard die Inhaber von Banknoten bei der emittierenden Institution eine Einlösung der Noten in Gold verlangen können – kann die ge-nannte Argumentation durchaus zutreffen. Wenn etwa die be-treffende Bank Noten als Goldzertifikate im Gesamtwert von 1000 Kilogramm Gold herausgibt, während sie nur 500 Kilo-gramm Gold zur Deckung dieser Noten in der Kasse hält, so liegt hier eindeutig ein Fall von Betrug vor.

Aber die Dinge liegen anders, wenn die betreffenden Geld-scheine keine solche Einlösung verbürgen, insbesondere wenn sie selber schon „Grundgeld“ sind. Genau dieser Fall ist bei den heutigen Papierwährungen gegeben. Sie sind uneinlösbares Pa-piergeld, auch „Papiergeld im engeren Sinne“ genannt. Hier nun trifft die o. g. Argumentation nicht zu. Eine Zentralbank, die neue Noten drucken lässt und in Umlauf bringt, handelt nicht

9 Siehe insbesondere Murray Rothbard, The Mystery of Banking (New York: Richardson & Snyder, 1983), S. 51 f. und passim; Gary North, Honest Money (Fort Worth: Dominion Press, 1986), Kap. 9; Thomas Woods, The Church and the Market (Lanham: Lexington Books, 2005), S. 97; Beutter, Zur sittlichen Beurteilung von Inflationen (Freiburg: Herder, 1965), S. 157, 173. Beutter be-zeichnet Inflation auch als Diebstahl; vgl. ebenda, S. 91, 154.

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betrügerisch. Der für einen Betrug charakteristische Tatbestand – die absichtliche Vorspiegelung falscher Tatsachen – ist nicht ge-geben. Daraus darf nun im Umkehrschluss keinesfalls gefolgert werden, dass mit dem Handeln der Zentralbank aus moralischer Sicht alles zum Besten steht. Aber das Problem liegt eben nicht in einem vermeintlich betrügerischen Handeln.

2.2 Ein ordnungstheoretischer Lösungsansatz

Wie lässt sich also eine christliche Kritik an immateriellem Geld formulieren? Eine solche Kritik muss sich auf die rechtlichen Re-geln konzentrieren, unter denen Geld produziert wird. Mit an-deren Worten, sie muss ihren Blick von den einzelnen Akteuren bzw. Institutionen, die ja nur innerhalb des durch die Regeln konstituierten Systems handeln, lösen.10 Sie muss sich eben je-nen Regeln und somit dem System als Ganzem zuwenden. Die-sen Denkansatz habe ich in Die Ethik der Geldproduktion zur An-wendung gebracht. Im Folgenden will ich meine wichtigsten Thesen zusammenfassend darstellen, wobei ich mich auf den wichtigsten Fall konzentrieren werde: den Fall des uneinlösbaren Papiergeldes bzw. des uneinlösbaren elektronischen Geldes.

Solches Geld ist in ethischer Hinsicht aus drei Gründen zu be-anstanden.

2.3 Immaterielles Geld ist Zwangsgeld

Erstens ist solches Geld noch niemals spontan in der Wirtschaft verwendet worden. In allen bekannten historischen Fällen ist es seinen Benutzern von der Obrigkeit aufgezwängt worden. Die Logik dieses Sachverhaltes ist für die meisten Leute ohne Wei-

10 Genau daran mangelt es in den meisten einschlägigen Arbeiten zu diesem Thema. Vgl. beispielsweise Helmut Hesse und Otmar Issing (Hg.), Geld und Moral (München: Vahlen, 1994).

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teres einsichtig. Immaterielles Geld hat eben seinem Wesen nach keinen „inneren Wert“ – es hat keinen Warenwert, keinen Wert, der aus einer anderen Verwendung als seinem Gebrauch als Tauschmittel entstehen könnte. Dadurch ist es für den Geld-gebrauch aber weniger geeignet als die Warengeldarten, denn Letztere bieten durch ihren „inneren Wert“ sozusagen größere Garantien dafür, dass die Kaufkraft im Zeitverlauf erhalten bleibt. Wo immer und wann immer es daher zu freier Wahl zwischen Warengeld und immateriellem Geld kommt, endet der Wettbe-werb mit der alleinigen Verwendung von Warengeld und der Verdrängung der immateriellen Geldarten aus dem Währungs-markt.

Die Obrigkeit hat jedoch ein materielles Interesse an der Ein-führung von immateriellem Geld, denn dieses kann äußerst billig und daher praktisch ohne jedwede mengenmäßige Be-grenzung erzeugt werden. Dies wiederum erleichtert die Finan-zierung der öffentlichen Haushalte, entweder direkt durch die Notenpresse oder indirekt durch die Erleichterung der Kredit-gewährung.11 Der Siegeszug des Papiergeldes und des elektroni-schen Geldes erklärt sich vor dem Hintergrund dieser fiskali-schen Zusammenhänge. Zur Aufbesserung der Staatsfinanzen wurde dem Markt das immaterielle Geld in einem zum Teil langwierigen Prozess durch verschiedene Eingriffe aufgedrängt. Zu diesen Eingriffen zählt vor allem (1) die Monopolstellung eines staatlich bevorzugten Geldproduzenten, z. B. einer Bank; (2) der Annahmezwang des vom Monopolisten emittierten Papiergeldes bzw. elektronischen Geldes; (3) ungeahndete Zah-lungseinstellungen des Monopolisten. Solche Eingriffe bedeu-ten, dass die sonst üblichen gesellschaftlichen Regeln – insbe-

11 Zu diesem entscheidenden Punkt vgl. auch M.N. Rothbard, Das Schein-Geld-System (2. Aufl., Gräfelfing: Resch, 2005); G. Selgin and L. White, „A Fiscal Theory of Government’s Role in Money“, Economic Inquiry, vol. 37 (1999), S. 154–165.

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sondere die Eigentumsrechte – gebrochen werden, um den Währungsmarkt im Sinne der Obrigkeit zu manipulieren. Im Ergebnis verschwinden die Warengeldarten aus dem Tauschver-kehr und das eigentlich schlechtere, immaterielle Geld wird zum alleinigen Tauschmittel. Es kommt also zu einer Pervertierung des Marktgeschehens: Das schlechte Geld treibt das gute Geld aus dem Markt.12

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass immaterielles Geld von seinem ganzen Wesen her Zwangsgeld ist. Es existiert einzig und allein aufgrund fortgesetzter rechtlicher Privilegien. In einem freien Markt könnte es gegen den Wettbewerb der Warengeld-arten nicht bestehen. Es wird nur deshalb verwendet, weil es das Privileg eines besonderen rechtlichen Schutzes gegen seine natürlichen Konkurrenten Gold und Silber genießt. Wann im-mer und wo immer es entstand, existierte es nur aufgrund der richterlichen und polizeilichen Unterdrückung der natürlichen Alternativen. In der angelsächsischen Literatur wird es daher fol-gerichtig auch Fiat Money – immaterielles Zwangsgeld – ge-nannt. Die moralische Bedeutung liegt auf der Hand. Wie ich be-reits an anderer Stelle schrieb:

„Eine Papiergeldwährung zu haben bedeutet mit anderen Worten, dass man dem Staat gestattet, die persönlichen Freiheiten seiner Bür-ger erheblich einzuschränken. Die Vereinigungsfreiheit und Vertrags-freiheit werden dabei auf eine Weise beeinträchtigt, die sich auf die Bürger täglich und in massivem Umfang auswirkt. Dazu kommt die richterliche und polizeiliche Bekämpfung aller Formen menschlicher Zusammenarbeit, die auf der Verwendung natürlicher Geldarten wie Gold und Silber beruhen – Geldarten, die seit biblischen Zeiten in Ver-wendung sind.

12 Dieser Vorgang ist in der ökonomischen Literatur als das „Gresham’sche Ge-setz“ bekannt. Ich betone nochmals, dass es sich dabei nicht um eine allge-meine Gesetzmäßigkeit der Währungsmärkte handelt. Vielmehr ist dies ein Gesetz des staatlichen Interventionismus.

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Diese Umstände wiegen schwer gegen das Papiergeld. Der Einsatz bewaffneter Staatsgewalt, um eine ganze Nation vor die Wahl zu stel-len, entweder das vom Staat bevorzugte Papiergeld zu verwenden oder auf die Vorteile des Geldtauschs gänzlich zu verzichten – dies ist ge-wiss keine unbedeutende Angelegenheit, sondern verlangt eine zwin-gende und unangreifbare Begründung. Um Papiergeld moralisch zu verteidigen, muss man zeigen, dass es der Gemeinschaft seiner Benut-zer (der „Nation“) bedeutende Vorteile verschafft, die seine schwer-wiegenden moralischen Defizite ausgleichen könnten. Die Frage lautet daher, ob solche Vorteile existieren. Kann für Papiergeld (bzw. elektronisches Geld) eine Rechtfertigung im Lichte seiner Nützlich-keit gefunden werden?“13

2.4 Immaterielles Geld fördert nicht das Gemeingut der Gesellschaft

Diese Frage bringt mich zu dem zweiten Grund, aus dem imma-terielles Zwangsgeld aus moralischer Sicht unzulänglich ist: es bringt aus gesamtwirtschaftlicher Sicht keinen positiven Nutzen. Zwar nützt es sehr wohl einzelnen Personen und Gruppen, aber diese Vorteile werden immer zulasten anderer Personen und Gruppen erzielt.

Dies ist die Position, die Nicolas Oresme im 14. Jahrhundert vertrat, auch wenn er sie nicht mit einer ökonomischen Beweis-führung abstützte. Aber eine solche Beweisführung wurde von klassischen Ökonomen wie William Gouge und Frédéric Bastiat nachgeliefert, und schließlich ist dies auch genau die Lehrmei-nung, die im 20. Jahrhundert und bis in unsere Tage von der Österreichischen Schule vertreten wird. Es ist aus Platzgründen völlig unmöglich, diese Position hier in allen Einzelheiten dar-zulegen – das wäre eine Aufgabe für eine viele Hundert Seiten umfassende Abhandlung. Aber die meisten Einzelheiten können

13 Hülsmann, Die Ethik der Geldproduktion, S. 70 f.

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in der einschlägigen Literatur nachgelesen werden.14 In meiner Ethik der Geldproduktion habe ich nur die wichtigsten Thesen erörtert:15

(1) Wirtschaftswachstum hängt an und für sich nicht von der Geldmenge ab und auch nicht von der Geldmengenent-wicklung.

(2) Wirtschaftswachstum hängt an und für sich nicht vom Preis-niveau ab und auch nicht von der Preisniveauentwicklung.

(3) Geldhorten – auch massives Horten – ist aus gesamtwirt-schaftlicher Sicht an und für sich unschädlich.

(4) Eine künstliche Verringerung der Zinssätze bringt keine ge-samtwirtschaftlichen Vorteile, sondern zieht gravierende Nachteile mit sich.

(5) Während eine gewisse Geldwertstabilität sich als natürliche Begleiterscheinung der Warengeldarten einstellt, ist eine da-

14 Siehe insbesondere Ludwig von Mises, Theorie des Geldes und der Umlaufs-mittel (Neudruck der 2. Aufl., Berlin: Duncker & Humblot, 2005 [1924]); ders., Nationalökonomie (München: Philosophia Verlag, 1980 [1940]); ders., Human Action (Auburn, Ala.: Mises Institute, 1998 [1949]); Murray N. Rothbard, Man, Economy, and State (3. Aufl., Auburn, Ala.: Mises Institute, 1993); ders., The Mystery of Banking (New York: Richardson & Snyder, 1983); ders., The Case Against the Fed (Auburn, Ala.: Mises Institute, 1994); F.A. Hayek, Free Choice in Currency (London: Institute of Economic Affairs, 1976); Hans Sennholz, Age of Inflation (Belmont, Mass.: Western Islands, 1979); ders., Money and Freedom (Spring Mills, Penn.: Libertarian Press, 1985); Salin, La vérité sur la monnaie (Paris: Odile Jacob, 1990); Reisman, Capitalism (Ottawa, Illinois: Jameson Books, 1996); Jesús Huerta de Soto, Money, Bank Credit, and Economic Cycles (Auburn, Ala.: Mises Institute, 2006); H.-H. Hoppe, „How Is Fiat Money Possible?– or, The Devolution of Money and Credit“, Review of Austrian Economics, Bd. 7, Nr. 2 (1994); H.-H. Hoppe, J.G. Hülsmann, and W. Block, „Against Fiduciary Media“, Quarterly Journal of Austrian Economics, Bd. 1, Nr. 1 (1998), S. 19–50; J.G. Hülsmann, Logik der Währungskonkurrenz (Essen: Management Akademie Verlag, 1996); sowie die Sonderausgabe über „Deflation and Monetary Policy“ in Quarterly Journal of Austrian Economics, Bd. 6. Nr. 4 (2003).

15 Vgl. Hülsmann, Die Ethik der Geldproduktion, Kap. 4.

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rüber hinausgehende künstliche Stabilisierung aus gesamt-wirtschaftlicher Sicht irrelevant.

(6) Warengeld ist nicht unbedingt kostspieliger als immateri-elles Zwangsgeld, insbesondere dann nicht, wenn der Kos-ten- und Nutzenvergleich aus gesamtwirtschaftlicher Sicht erfolgt.

Wie gesagt, diese Zeilen sind nicht der Ort, um die vorstehenden Thesen zu beweisen. Ich will daher umgekehrt zur Beweislage der Gegenposition – derzufolge sich aus der Verwendung von immateriellem Zwangsgeld gesamtwirtschaftliche Vorteile zie-hen lassen – zwei kurze Anmerkungen machen.

Zum einen leiden die einschlägigen theoretischen Beweise der Gegenposition in fast allen Fällen darunter, dass sie ein mögliches Szenario in unzulässiger Weise verallgemeinern. Das klassische Beispiel ist die sogenannte Geldillusion der Arbeitnehmer. Diese liegt dann vor, wenn die Beschäftigten durch eine (mit der No-tenpresse finanzierte) Erhöhung der Geldeinkommen dazu er-muntert werden, mehr Stunden zu arbeiten bzw. überhaupt zu arbeiten, statt arbeitslos zu bleiben. Die positive Wirkung der Notenpresse auf Beschäftigung und Wachstum entspringt hier dem Umstand, dass die Beschäftigten Geldeinkommen und Realeinkommen nicht auseinanderhalten. Das ist in der Tat ein mögliches Ereignis, aber aus offensichtlichen Gründen – jeder lokale Gewerkschaftsfunktionär absolvierte bereits seinen volks-wirtschaftlichen Grundkurs – sollte man keine Wirtschaftspoli-tik auf die Geldillusion bauen. Denn wenn sie nicht vorliegt, kann die Betätigung der Notenpresse auch sehr schnell zum umgekehrten Ergebnis führen: höhere Arbeitslosigkeit und so-mit geringeres Wachstum.

Zum anderen fehlt jeglicher empirische Beweis für irgendwel-che gesamtwirtschaftlichen Vorteile des immateriellen Zwangs-geldes. Die Europäische Zentralbank und ähnliche Institutionen haben zahlreiche Studien veröffentlicht, in denen die „Wirksam-

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keit“ ihrer Betätigung nachgewiesen wird. Mit dieser Wirksam-keit ist allerdings nur gemeint, dass die Geldpolitik einen nach-weislichen Einfluss auf einzelne Variablen wie etwa den Zinssatz oder das Kreditvolumen in bestimmten Marktsegmenten hat. Aber es bestreitet ja auch niemand, dass die Geldpolitik bestimmte objektive Auswirkungen hat und bestimmte Gruppen und Märkte begünstigt. Nur dürfen solche Sondervorteile, die ja eventuell auf Kosten Dritter erzielt werden, nicht mit gesamtwirtschaftlichen Vorteilen verwechselt werden. Die Frage ist im Grunde ganz ein-fach: Lässt sich zeigen, dass die Geldpolitik der Zentralbanken die Wachstumsraten über das Niveau hinaus erhöht, das die Wirt-schaft auch ohne das Zutun der Zentralbanken erreicht hätte? Niemand hat noch einen solchen Beweis erbracht. Hunderte von Millionen Euros und US-Dollars wurden in den Forschungsetats der Universitäten und Währungsbehörden versenkt, ohne dass die Daseinsberechtigung der mutmaßlich wichtigsten Institution unseres Wirtschaftslebens – unser Währungssystem – die ge-ringste empirische Untermauerung hätte.

2.5 Immaterielles Geld führt zu ungerechtfertigter Bereicherung und Wirtschaftskrisen

Dies bringt mich abschließend zum dritten Grund, aus dem im-materielles Zwangsgeld aus moralischer Sicht anfechtbar ist: der gesamtwirtschaftliche Schaden, den es verursachen kann und den es in der Vergangenheit sehr häufig verursacht hat. Da die potenzielle Schädlichkeit des Papiergeldes bzw. des elektroni-schen Geldes in der einschlägigen Literatur sehr eingehend erör-tert wird, kann ich mich hier kurz fassen. Drei Sachverhalte sind hier insbesondere zu nennen.(1) Die künstliche – und im Prinzip unbegrenzte – Ausweitung

der Geldmenge, die mithilfe eines immateriellen Zwangsgel-des möglich ist, führt zu einer ungerechtfertigten Umvertei-lung in entsprechend großem Umfang. Diese Umverteilung

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erfolgt zugunsten der Erstbenutzer des neuen Geldes (das sind heute insbesondere die Finanzmärkte und der Staat) und zulasten der späteren Benutzer des neuen Geldes.

(2) Künstliche Verringerungen des Zinssatzes und andere künst-liche Verbesserungen der Kreditbedingungen führen zu Fehl-verwendungen der gesamtwirtschaftlich vorhandenen Mittel und somit zu Wirtschaftskrisen. Wie wir bereits an anderer Stelle ausführten: „Zu jedem Zeitpunkt wird die Zahl der Investitionsprojekte, die erfolgreich zum Abschluss geführt werden können, von den zur Verfügung stehenden Bestän-den an Produktionsfaktoren begrenzt. Was die künstliche Senkung des realen Zinssatzes bewirkt, ist eine Zunahme der Zahl begonnener Projekte. Aber das Gesamtvolumen der In-vestitionen, die vollendet werden können, ist hierdurch nicht ausgeweitet worden, weil dieses Volumen ausschließlich von den produktiven Ressourcen abhängt, die in der für die Voll-endung nötigen Zeit objektiv zur Verfügung stehen. Die künstliche Senkung des Zinssatzes verlockt daher die Ge-schäftsleute in den verschiedensten Produktionssparten zu allen möglichen Investitionen, die nicht vollendet werden können. Bezogen auf ein biblisches Beispiel könnte man sa-gen, dass sie mit dem Bau von allerlei Türmen beginnen, nur um nach einer Weile zu entdecken, dass sie nur die Ressour-cen für die Fundamente hatten, aber nicht genug, um die Türme selbst zu vollenden (Lukas 14: 28–30). Die in diese Fundamente investierte Arbeit und das entsprechende Kapi-tal sind dann verloren, nicht nur für den Investor, sondern für die gesamte Gemeinschaft. Sie hätten in eine kleinere Zahl von Projekten gewinnbringend investiert werden kön-nen, aber die künstliche Senkung des Zinssatzes verhinderte dies. Kurz, das Wirtschaftswachstum wird unter das Niveau gesenkt, das es sonst hätte erreichen können.“16

16 Hülsmann, Ethik der Geldproduktion, S. 88 f.

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(3) Die Möglichkeit einer aus technischer und betriebswirt-schaftlicher Sicht unbegrenzten Ausweitung der Geldmenge versetzt die Zentralbanken in die Lage, die Märkte – vor allem die Finanzmärkte – zu stabilisieren, und zwar (a) durch Überbrückungskredite und (b) durch eine Stabili-sierung der Wertpapierkurse auf den Finanzmärkten. Dies scheint zunächst sehr vorteilhaft zu sein, ist es aber ganz und gar nicht. Denn das Eingreifen der Zentralbanken erzeugt aufseiten der Marktteilnehmer den perversen Anreiz, weni-ger eigene Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie haben nun allen Anreiz, ihre Kassenhaltung zu minimieren (um das Geld zinsbringend zu investieren) und auch den Eigenkapi-talanteil ihrer Investitionen so weit es geht zu verringern (um durch eine daraus entspringende Hebelwirkung die Verzinsung des Eigenkapitals zu erhöhen). Das aber macht die Finanzmärkte insgesamt anfälliger. Ernsthafte Schwie-rigkeiten, die in einem einzelnen Marktsegment auftreten, breiten sich wie bei einem Schneeball auf die anderen Seg-mente aus – wie in der gegenwärtigen Krise.

3. Schlussbemerkung

Aus den vorstehenden Erwägungen kann ohne Weiteres abge-leitet werden, dass sich eine Reform unseres gegenwärtigen Währungssystems dringend empfiehlt, und zwar aus morali-schen Gründen, die keineswegs im Gegensatz zu rein wirt-schaftlichen Überlegungen stehen, sondern diese ganz im Ge-genteil ergänzen und verstärken. Wie ich in meiner Ethik der Geldproduktion näher ausführe, empfiehlt es sich aus zahlrei-chen Gründen, dass eine solche Reform auf die Herstellung eines wirklichen Währungsmarktes abzielen sollte. Die Folge wäre aller Wahrscheinlichkeit nach, dass es zu einer erneuten Verwendung der Edel metalle als Geld käme. Silbermünzen,

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aber auch Gold- und Kupfermünzen würden wieder frei um-laufen und eine solide Grundlage für unsere modernen Zah-lungssysteme (Giroverkehr, Kreditkarten usw.) und die moder-nen Finanzmärkte bieten.

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rechtslehre des Hl. Thomas von Aquin in ihrem interkulturel-len Kontext, Paderborn: Schöningh, 2002.

Woods, T.: The Church and the Market, Lanham: Lexington Books, 2005.

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LAWRENCE H. WHITE

Reform der globalen Geldordnung: ein Plädoyer für ein freies internationales Bankenwesen

1. Einleitung

Eine öffentliche Stellungnahme vom März 2009 unterstreicht die bestehende Notwendigkeit einer Reform des internationalen Geldsystems und stellt hierzu eine Reihe von Grundprinzipien vor. Können Sie sich vorstellen, wer der Autor ist?

„Das Entstehen der heutigen Krise und ihr Übergreifen auf die ge-samte Welt stellen uns vor eine alte aber immer noch unbeantwortete Frage: welche Art von internationaler Währungsreserve brauchen wir, um globale finanzielle Stabilität zu gewährleisten und das Welt-wirtschaftswachstum zu lenken? … Obige Frage, … wie die weiter an-dauernde Finanzkrise zeigt, ist noch lange nicht beantwortet und hat aufgrund der damit verbundenen Schwäche des aktuellen internatio-nalen Geldsystems an Schärfe gewonnen. Theoretisch sollte eine internationale Währungsreserve zunächst an eine feste Größe gekoppelt sein und nach klaren Regeln ausgegeben werden, um eine ordnungsgemäße Versorgung zu gewährleisten. Des Weiteren sollte die Versorgung flexibel genug gestaltet werden können, um rechtzeitige Anpassungen an die sich verändernde Nachfrage zu er-möglichen. Drittens sollten solche Anpassungen losgelöst sein von den wirtschaftlichen Bedingungen und Souveränitätsinteressen einzelner Länder. … Das angestrebte Ziel der Reform des internationalen Geld-systems ist daher die Schaffung einer internationalen Reservewährung, die von Einzelstaaten losgelöst ist und auf lange Sicht stabil bleibt und somit die bestehenden Fehlbeträge, die durch die kreditgestützten na-tionalen Währungen verursacht wurden, ausgleichen kann.“1

1 Zhou Xiaochuan, „Reform the International Monetary System“, 23rd March, 2009, http://www.pbc.gov.cn/english/detail.asp?col=6500&id=178.

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Der Autor ist nicht etwa ein bekannter klassischer liberaler Wirt-schaftswissenschaftler, sondern erstaunlicherweise ein Zentral-banker, nämlich Zhou Xiaochuan, Leiter von Chinas Zentralbank, in einer Stellungnahme mit dem Titel „Reform des Internatio-nalen Geldsystems“. Die Unterstützung für eine grundlegende Reform der internationalen Geldpolitik wird offenkundig im-mer stärker. Natürlich ist die Schlüsselfrage: In welche Richtung soll die Reform gehen?

Klassische Liberale können den drei Wunschkriterien für eine globale Reservewährung von Zhou nur zustimmen: (1) Der Wert sollte verankert sein, (2) die Menge sollte automatisch auf Verän-derungen der Nachfrage auf dem Markt reagieren, um Stabilität der realen Geldmenge zu gewährleisten, (3) die Menge sollte nicht von nationalen Regierungen verändert werden können. Offen-bar unbeabsichtigt hat Zhou hier drei Hauptmerkmale der klas-sischen Goldwährung beschrieben.

Im Rest seiner Stellungnahme schlägt Zhou dann leider Maß-nahmen vor, die nie zu den gewünschten Zielen führen würden. Er ist der Meinung, dass ein stärkerer IWF eine entsprechende Reservewährung herausgeben könnte, deren Sonderziehungs-rechte neu denominiert werden. Ein solcher Vorschlag lässt einige einfache grundlegende Tatsachen außer Acht. (1) Im Ge-gensatz zu Gold sind die Sonderziehungsrechte des IWF an nichts weiter als an eine Palette von nicht gekoppeltem nationa-lem immateriellem Zwangsgeld gebunden (was Zhou als kredit-gestützte nationale Währungen bezeichnet; eine unpassende Bezeichnung, wenn man bedenkt, dass ihre Herausgabe auf im-materielles Zwangsgeld und nicht auf Kredit im herkömmlichen Sinne basiert). Wenn die Sonderziehungsrechte ihre eigene Ein-heit von immateriellem Zwangsgeld wären, wären sie nicht ge-bunden. (2) Im Gegensatz zu der Menge an Währungsgold wird die Menge der Sonderziehungsrechte in jeglicher Form nicht von Marktkräften gesteuert, die sie automatisch an die Nachfrage auf dem Markt anpassen. (3) Im Gegensatz zu konkurrierenden Pri-

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vatfirmen im Goldabbau, bei der Prägung und im Bankensektor ist die Aufgabe des IWF von der Politik bestimmt. Die Menge der vom IWF ausgegebenen Sonderziehungsrechte wird innerhalb der Politik entschieden, wo Versprechungen einer langfristigen Stabilität immer nur Lippenbekenntnisse waren.

Trotzdem hat Zhou zwei Schlüsselthemen hilfreich beleuch-tet: den Kontrast zwischen der Geldmengensteuerung durch Politik und Markt und den Kontrast zwischen einer einzigen Geldwährung weltweit und einer Welt des „monetären Nationa-lismus“, wie es F. A. Hayek bezeichnet hat, der sich durch eine große Anzahl bestimmter nationaler Geldwährungen auszeich-net (und heute einige wenige Regionalwährungen umfasst, bei-spielsweise den Euro). Die einzigen geschichtlichen Beispiele einer marktregulierten Geldwährung sind Warenwährungen, ins-besondere Gold und Silber. Dies sind die einzigen historischen Beispiele einer erfolgreichen globalen Geldwährung. Es ist kein Zufall, dass internationales immaterielles Zwangsgeld nicht zum Erfolg führte. F. A. Hayek schrieb wie folgt:

„In einer aus verschiedenen souveränen nationalen Staaten bestehen-den Welt gibt es zwingende politische Gründe, aus denen nur Gold (oder andere Edelmetalle) eine erfolgreiche internationale Währung sein könnte, und nicht etwa künstliche internationale von einer inter-nationalen Behörde ausgegebene Währungen.“2

Gold hat die vorteilhafte Eigenschaft, nicht der Haftung eines souveränen Herausgebers zu unterliegen und ist daher unabhän-gig von dessen Zahlungsfähigkeit, Redlichkeit oder Anfälligkeit für politische Wechsel.

2 Friedrich A. Hayek, Monetary Nationalism and International Stability [1937] (New York: Augustus M. Kelley, 1971 reprint), S. 74–75.

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2. Liberale Währungsreform

Der klassische Liberalismus (nachfolgend als Liberalismus be-zeichnet) verteidigt individuelle Eigentumsrechte einschließlich der Vertragsfreiheit gemäß Gesetz. Er lehnt die Beherrschung durch uneingeschränkte Macht von Behörden ab. Wenn wir die alten Denker unberücksichtigt lassen, können wir frühe moderne liberale Überlegungen über Geldpolitik in den Schriften von Nicolas von Oresme und anderer Scholastiker finden, die Münz-verschlechterung der Souveräne als unehrlich und tyrannisch ansahen, als eine Verletzung der Heiligkeit der Verträge, die der Herrscher im Rahmen einer gerechten Herrschaft einzuhalten hatte. Als Nächstes könnten wir David Humes’ Kritik in den Fünf-zigerjahren des 18. Jahrhunderts an der merkantilistischen Geld-politik betrachten. Hier führt er aus, dass die Angst der Merkan-tilisten vor einer Gold- oder Silberknappheit in der Wirtschaft, sollten die Herrscher nicht eingreifen, absurd war. Adam Smith (wenn auch mit mangelnder Konsequenz) und spätere Verfechter eines „freien Bankenwesens“ in Großbritannien, auf dem euro-päischen Festland und in Amerika wandten liberale Doktrinen über freien Handel auf das Bankenwesen und auf von Banken he-rausgegebene Währung an. Thomas Hodgskin und Herbert Spen-cer waren sogar für private Münzprägung. Im 20. Jahrhundert brachte der österreichische Ökonom Ludwig von Mises neuen Schliff und strengere Regeln in die Sache des freien Bankenwe-sens. Friedrich Hayek setzte sich in seiner früheren Laufbahn in etwas ambivalenter Weise für Gold und ein freies Bankenwesen ein, forderte aber in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts Freie Wahl der Währung und Die Denationalisierung des Geldes.3

3 Nicolas von Oresme, „De Moneta (Of Currency)“, [c. 1355], translated by Charles Johnson, in Lawrence H. White, ed., The History of Gold and Silver (London: Pickering and Chatto, 2000), vol. 1; David Hume, „Of the Balance of Trade“, in Essays, Moral, Political, and Literary, ed. Eugene F. Miller (Indiana-

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Wir sollten jedoch nicht außer Acht lassen, dass viele führende Liberale der vorigen Jahrhunderte ihre Prinzipien nicht konse-quent auf Geld anwandten. David Ricardo war für die Nationali-sierung der Münzprägung und der Ausgabe von Banknoten sowie für die zwangsweise Ersetzung von rückkaufbaren Papiernoten durch Münzen für alle Zahlungen, ausgenommen sehr große Summen. John Cobden, der Anhänger des Freihandels, unter-stützte die Nationalisierung der Banknotenausgabe. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen die meisten Ordoliberalen und die Monetaristen, angeführt von Walter Eucken und Milton Fried-man, Frieden mit dem Zentralbankensystem und immateriellem Zwangsgeld. Eine Ausnahme war Wilhelm Röpke, ein Ordolibe-raler, der hartnäckig die Goldwährung verteidigte. Es muss au-ßerdem festgestellt werden, dass Friedman sich der Idee des freien Bankenwesens und der Abschaffung der Zentralbanken um 1984 zuwandte. Der sonst radikale Theoretiker freier Märkte, Murray Rothbard, bevorzugte erstaunlicherweise die Auferlegung einer 100-prozentigen Mindestreserve mit einem Verbot für ka-pitalistische Aktionen bei beiderseitigem Einvernehmen zwi-schen Erwachsenen, die diese Regel umgehen wollen.4

polis: Liberty Fund, 1987); Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, ed. R. H. Campbell, A. S. Skinner, and W. B. Todd. (Ox-ford: Oxford University Press, 1976); Vera Smith, The Rationale of Central Banking [1936] (Indianapolis: Liberty Fund, 1990); Thomas Hodgskin, Popu-lar Political Economy (London: Charles Tait, 1827); Herbert Spencer, „State-Tamperings with Money and Banks“, in Essays Scientific, Political and Specu-lative, vol. 3 (London: Williams and Norgate, 1891); Ludwig von Mises, The Theory of Money and Credit [1912] (Indianapolis: Liberty Fund, 1980); Mises, Human Action, 3rd ed. (Chicago: Henry Regnery, 1966); F. A. Hayek, Choice in Currency (London: Institute of Economic Affairs, 1976); Hayek, Denationa-lisation of Money, 2nd ed. (London: Institute of Economic Affairs, 1978).

4 David Ricardo, „Plan for the Establishment of a National Bank“ [1824] in The Works and Correspondence of David Ricardo, ed. Piero Sraffa with the Colla-boration of M. H. Dobb (Indianapolis: Liberty Fund, 2005), vol. 4, Pamphlets and Papers 1815–1823; Richard Cobden in 1840 Parliamentary testimony

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Vor einem Jahrhundert unterstützten die Wirtschaftsliberalen fast einstimmig die Idee einer internationalen Goldwährung. Die „klassische“ Zeit der Goldwährung wird in der Regel von der Wiederaufnahme der Goldzahlungen durch die USA 1879 bis zur Aussetzung der Zahlungen im Ersten Weltkrieg angegeben. Die Goldwährung wurde im Ersten Weltkrieg schwer geschädigt und hat sich nie wieder völlig davon erholt. In Wirklichkeit war dies auch vor dem Krieg nie ein vollständig vom Markt regulier-tes System gewesen. Die nationalen Regierungen hatten schon lange die Konkurrenz auf dem Markt in der Münzprägung besei-tigt und für sich ein Prägungsmonopol eingefordert. Viele schal-teten die Konkurrenz auf dem Markt für die Ausgabe von durch Gold gedeckte Banknoten auf ähnliche Weise aus und übergaben das Monopol einer regierungsgestützten Zentralbank. Die natio-nalen Zentralbanken verletzten die „Spielregeln“, indem sie in die automatischen Abläufe des internationalen Goldverkehrs ein-griffen oder sie außer Kraft setzten. Ich werde später ausführen, dass die Zentralisierung von Goldreserven, ein charakteristisches Merkmal des Zentralbankenwesens, die Transaktionen in inter-nationaler Goldwährung nachteilig verändert hat.

Trotzdem erreichte die klassische Goldwährung eher den Stand einer selbstregulierenden internationalen Währung als irgend-ein anderes Nachfolgesystem. Fast ein gesamtes Jahrhundert von monetärem Nationalismus und monetärer Planwirtschaft seit dem Ersten Weltkrieg mündete im heutigen System der nationa-len Noten ohne Edelmetalldeckung, mit Zentralbanken und mas-

cited by Lawrence H. White, Free Banking in Britain, 2nd ed. (London: Institute of Economic Affairs, 1995), S. 84; Walter Eucken, Grundsätze der Wirtschafts-politik (Tübingen: J. C. B. Mohr, 1952); Milton Friedman, A Program for Monetary Stability (New York: Fordham University Press, 1960); Friedman, „Monetary Policy for the 1980s“ in John H. Moore, ed., To Promote Prosperity (Stanford: Hoover Institution Press, 1984); Murray N. Rothbard, „The Case for a 100 Percent Gold Dollar“ in Leland Yeager, ed., In Search of a Monetary Constitution (Cambridge, MA: Harvard University Press, 1962).

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siven Eingriffen seitens der Regierung in die Finanzmärkte welt-weit. Die bestehende weltweite Finanzkrise, die ihren Anfang 2007 nahm, hat die Schwächen und den nicht selbstregulieren-den Charakter des jetzigen Systems bloßgelegt. Wie können wir dem internationalen Währungssystem gesunde selbstregulieren -de Kräfte wiedergeben? Wie können wir das System im Einklang mit den Idealen des Liberalismus reformieren?

3. Grundlegende Reform

Um ein internationales Währungssystem gemäß den Idealen des Liberalismus aufzubauen, müssen wir damit aufhören, an den Symptomen zu kurieren, sondern grundlegende Reformen der Institutionen für Geld und Finanzen ins Auge fassen. Ganz be-sonders müssen wir die Diskussion wieder eröffnen, ob wir ohne die Erfordernis einer Mindestreserve oder andere rechtliche Be-schränkungen der Banken, ohne Hinterlegungsgarantien und sonstige Subventionen von Bankrisiken, ohne Zentralbanken und immaterielles Zwangsgeld nicht besser daran wären.

Kürzlich schlug der liberale spanische Ökonom Jesús Huerta de Soto in einem Essay mit dem Titel „Regeln für eine internatio-nale Geldreform“ eine Reihe durchschlagender Veränderungen des Status quo vor.5 Im gleichen Sinne nachfolgend meine eige-nen Vorschläge für eine ideale Währungs- und Bankenreform:(1) Abschaffung staatlicher Garantien auf Bankdepositen und

andere Verbindlichkeiten. (2) Nach dieser Maßnahme Abschaffung obligatorischer Eigen-

kapitalquoten, deren Hauptzweck es ist, die Hinterlegungs-Garantiefonds zu decken. Die gescheiterten Abkommen Ba-sel I und II bezüglich einheitlicher Eigenkapitalvorschriften

5 Jesús Huerta de Soto, „Rules for International Monetary Reform“, http://mises.org/story/3300.

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zielten darauf ab, den Wettbewerb unter den Banken länder-übergreifend zu beschränken.

(3) Abschaffung der Reservevorschriften für Bankdepositen durch die Regierungen.

(4) Privatisierung der Nutzen bringenden Funktionen der Zen-tralbanken, und zwar:

a) Verrechnungsstelle und Bank der Banken für die Abwick-lung – diese Funktionen können privaten Clearing-House-Stellen übertragen werden.

b) Währungsherausgeber – diese Funktion kann an ein Sys-tem von miteinander im Wettbewerb stehenden Geschäfts-banken delegiert werden („freies Bankenwesen“).

c) Formulierung und Durchsetzung von Liquiditätsvor-schrif ten für Geschäftsbanken – dies kann auch privaten Verrechnungsstellen übertragen werden, die alles tun, um die Mitglieder davor zu schützen, dass ein anderes Mit-glied beim nächsten Verrechnungs- und Zahlungszeit-punkt zahlungsunfähig ist. Verrechnungsstellen können auch durch andere Maßnahmen (beispielsweise für die Bekanntgabe von Zinsen auf Kredite und Einlagen) len-ken und beeinflussen, die sowohl von den Banken als auch deren Kunden favorisiert werden.

d) Letzter Kreditgeber, im klassischen Sinne von Walter Bage hot, für zahlungsfähige aber illiquide Banken – diese Funktion kann auch einem privaten Clearing House übertragen werden, das den Anreiz hat, seinen Mitglie-dern eine Mitversicherung zu bieten und das nach erfolg-ter Reform in c) über die notwendigen aktuellen Informa-tionen verfügt, zahlungsfähige rettungswürdige Banken zu identifizieren.

(5) Abschaffung der schädlichen Aufgaben der Zentralbanken, und zwar:

a) Auflage von gesetzlichen Beschränkungen, die nicht von den Banken und ihren Kunden favorisiert werden.

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b) Führung der Geldpolitik – wenn den Märkten die Regu-lierung der Geldmenge durch eine Warenwährung über-lassen bleibt, wird der willkürlichen Manipulation durch nationale Behörden ein Ende gesetzt.

(6) Ersetzung des nationalen immateriellen Zwangsgeldes als Rech nungseinheit durch eine internationale marktbasierte Warenwährung. Die führende potenzielle Warenwährung ist Gold, durch seine historische Erfolgsgeschichte und die Tat-sache, dass Zentralbanken immer noch große Bestände da-von haben (momentan brachliegend), wobei Silber (das sich auch historisch bewährt hat) ebenso geeignet wäre.

4. Eigenschaften einer internationalen Goldwährung

In einem goldgestützten internationalen freien Bankensystem wären die gebräuchlichsten Zahlungsmittel wahrscheinlich wei-terhin die Währung und Einlagen, wobei beide allerdings Ver-bindlichkeiten von Geschäftsbanken, einlösbar in Gold, wären. Durch die Verpflichtung des Herausgebers zur Rückzahlung in Gold und entsprechend der gebotenen Vorsicht, Goldreserven zu halten, orientiert sich das Volumen der Papierwährung und der Einlagen in einem solchen System (der Zahlungsmittelbestand) an der Goldmenge. Die Menge an Währungsgold ist ein sich lang-sam aufbauender Bestand, dessen Wachstum letztendlich durch Sachzwänge von Angebot und Nachfrage im Goldabbaumarkt bestimmt wird. Das Wachstum des Zahlungsmittelbestandes wird daher von den Marktkräften und nicht von staatlich ausge-gebenem Papiergeld bestimmt.6

Eine Goldwährung garantiert keine 100-prozentige Stabilität

6 Für detaillierte Informationen, wie Angebot und Nachfrage auf den Goldfluss und -bestand wirken, siehe Lawrence H. White, The Theory of Monetary Insti-tutions (Oxford: Basil Blackwell, 1999), Kapitel 2.

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der Geldmenge oder der Kaufkraft des Geldes. Historische Ver-gleiche belegen allerdings, dass sie in der Praxis zu mode raterer und stabilerer Geldmenge und stabilerer Kaufkraft geführt hat als die heutigen Methoden eines Zentralbankrats, der das Geld-mengenwachstum des immateriellen Zwangsgeldes bestimmt.7 Hinsichtlich einer angemessen begrenzten Geldmenge und der Vermeidung von Inflation funktioniert eine Goldwährung ohne Zentralbanken auf lange Sicht, unabhängig davon, wie sich die politischen Kräfte entwickeln.

Wie ich gleich noch ausführen werde, waren Stabilitäts-probleme, die mit dem internationalen Goldfluss zusammen-hingen, in der Vergangenheit – während der klassischen Gold-währungszeit – bei näherer Betrachtung auf die Beschränkung der nationalen Bankensysteme und die Konzentration von Gold-reserven bei den Zentralbanken zurückzuführen. Probleme einer Panik auf den Finanzmärkten, wie auch die schlimmste Bankenpanik, die von 1929 bis 1933, waren auf Bankregelungen zurückzuführen, die zu einer Schwächung der Banken führten. Goldwährungsländer wie Kanada, die eine solche Art der Be-schränkungen vermieden hatten, die zur Bankenschwäche in den USA führten, nämlich das Verbot von Filialbankensystemen und obligatorische Absicherungsvorschriften für Bonds, die die Papiergeldversorgung „unelastisch“ werden ließen, entgingen so der Panik.8

Eine Goldwährung beinhaltet den Faktorpreis des Abbaus des Goldes, das in Banktresoren gelagert wird. Jedes bekannte im-

7 Hugh Rockoff, „Some Evidence on the Real Price of Gold, Its Cost of Produc-tion, and Commodity Prices“, in Michael D. Bordo and Anna Jacobson Schwartz, eds., A Retrospective on the Classical Gold Standard, 1821–1931 (Chicago: University of Chicago Press, 1983); Arthur J. Rolnick and Warren E. Weber, „Money, Inflation, and Output under Fiat and Commodity Stan-dards“, Journal of Political Economy 105 (December 1997), S. 1308–1321.

8 George A. Selgin, „Legal Restrictions, Financial Weakening, and the Lender of Last Resort“, Cato Journal 9 (Fall 1989), S. 429–459.

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materielle Zwangsgeld jedoch hat Wohlfahrtskosten der Infla-tion verursacht sowie die finanziellen Aushöhlungseffekte der variablen Inflation. Die Wohlfahrtskosten der Inflation sind die höheren Transaktionskosten, die Leute verursachen, die alles tun, um der durch laufende Verluste der Kaufkraft verursachten Belastung zu entgehen, die beim Halten der Papierwährung und solcher Einlagen entsteht, die keinen Ausgleichszins haben. Die finanziellen Aushöhlungseffekte der Inflation sind verloren ge-gangene Gewinne aus dem Handel, die mit dem Verschwinden der Märkte bei langfristigen Nominalschuldeninstrumenten ver-bunden sind, wie beispielsweise Bonds oder Hypothekenschuld-verschreibungen mit 30 Jahren Laufzeit. Dies entsteht durch das erhöhte Risiko für Sparer und Kreditnehmer durch die schlechte Einschätzbarkeit der Kaufkraft des Geldes, das später zurückge-zahlt werden muss. Ironischerweise ist der Faktorpreis des Gold-abbaus gestiegen seit Richard Nixon das Goldfenster geschlossen hat und Gold 1971 endgültig demonetisiert wurde. Hohe und schwankende Inflationsraten führten dazu, dass die öffentliche Hand Gold als Inflationsschutz ansammelte und so der effektive Goldpreis (der zu diesem Zeitpunkt bei ca. 900 US-Dollar pro Unze liegt) am Ende der monetären Goldära über den effektiven Preis stieg (damals nominal 35 US-Dollar pro Unze) und somit den Goldabbau noch weiter vorantrieb.9

Im freien Bankenwesen ohne künstlich auferlegte hohe Gold-reserven erfordert eine Goldwährung weniger Gold als in den aktuellen Beständen vorhanden ist. Die Faktorkosten einer Gold-währung sind relativ gering, geringer als die Schätzungen der Wohlfahrtskosten für Inflationsraten von durchschnittlichem immateriellem Zwangsgeld.10

9 Roger Garrison, „The Costs of a Gold Standard“, in Llewellyn H. Rockwell, Jr., ed., The Gold Standard: An Austrian Perspective. Lexington, Mass.: Lexington Books.

10 Für einen Kosten-Nutzen-Vergleich siehe Laurence H. White, The Theory of

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5. Merkmale eines freien Bankenwesens

Ein freies Bankenwesen überlässt die Bereitstellung des Tausch-mittels, der Währungsnoten und der transferierbaren Konto-stände den in freiem Wettbewerb stehenden Geschäftsbanken (Münzen kön nen im Wettbewerb stehenden Prägeanstalten oder Herausgebern überlassen werden; dies möchte ich hier aber nicht näher erläutern11). In einer Goldwährung sind von Banken he-rausgegebene Gelder in Gold rückzahlbare Forderungen. Um den Kosten-Nutzen-Effekt der gehaltenen Ressourcen gegenein-ander abzuwägen, müssen die Banken einige praktische Berech-nungen anstellen, beispielsweise über die Zahlungspraktiken der öffentlichen Hand, aber das ist ja genau das Metier der Banken. Forderungen gegenüber privaten Geldherausgebern sind kredit-fähiger als Forderungen gegenüber Regierungen, denn nur die Ersteren können vor Gericht eingeklagt werden (keine Immuni-tät). Ab gesehen von Regierungsgarantien, um die Anleger und andere Bankgläubiger zu beruhigen, muss eine Bank außerdem auf ihren Ruf bedacht sein. Um einen guten Ruf zu haben, muss sie allen Rückzahlungsforderungen prompt entsprechen und das Vermögen der Bank und das Forderungsportfolio so handhaben, dass die Zahlungsfähigkeit nie in Zweifel gezogen wird.12

Müssen wir ohne Regierungsgarantien und ohne eine Zen-

Monetary Institutions, Kapitel 2. Für Antworten auf andere Argumentationen gegen eine Goldwährung siehe Lawrence H. White, „Is the Gold Standard Still the Gold Standard Among Monetary Systems?“, Cato Institute Briefing Paper Nr. 100 (8th February 2008).

11 Zu privaten Goldmünzen siehe Donald H. Kagin, Private Gold Coins and Pat-terns of the United States (New York: Arco, 1981). Zu privaten Wertmünzen siehe George Selgin, Good Money: Birmingham Button Makers, the Royal Mint, and the Beginnings of Modern Coinage, 1775–1821 (Ann Arbor: Univer-sity of Michigan Press, 2008).

12 George Selgin and Lawrence H. White, „Credible Currency: A Constitutional Perspective“, Constitutional Political Economy 16 (March 2005), S. 71–83.

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tralbank der Regierung, die als offizieller letzter Kreditgeber agiert, häufiger Bankenkrisen erwarten? Nein. Banken verhal-ten sich ohne die Rückendeckung dieser Institutionen vorsichti-ger. Banken haben eine höhere Eigenkapitalquote und ihre Ver-mögensportfolios sind sicherer. Das Vermögen ist besser gestreut und liquider. Banken scheuen Ausfallrisiken, Kursrisiken und Zinsrisiken (nicht zusammenpassende Laufzeiten), um poten-ziellen Anlegern ein niedriges Insolvenzrisiko zu gewährleisten. Gegebenenfalls können Clearing-House-Stellen glaubwürdige Bestätigungen von Dritten über die Zahlungsfähigkeit der Bank abgeben.

Ein Blick in die Geschichte zeigt uns viele wettbewerbliche und stabile Bankensysteme ohne Hinterlegungsgarantien oder Zentralbankkredite. Denken Sie an den Offshore-Banking-Markt für US-Dollars der letzten 50 Jahre. Haben die Offshore-Banken massiv in durch zweitklassige Hypothekendarlehen gedeckte Wertpapiere investiert? Die Antwort ist nein. Ohne Garantien könnten sie keine Anleger gewinnen, wenn sie derartige Risiken eingingen. Stecken die Offshore-Banken momentan in der Krise? Auch nicht. In der Regel waren Ausfälle, das Übergreifen auf an-dere Banken und Krisen in den Systemen der Vergangenheit, die eher ein Laisser-faire betrieben, weniger häufig. Um ein schwa-ches Bankensystem zu vermeiden, sollten die Regierungen nicht die Bemühungen der Banken untergraben, eine gesunde finan-zielle Lage zu erhalten, und nicht Marktmecha nismen blockie-ren, die ein ungesundes Finanzmanagement abschrecken und ahnden.

6. Warum nicht 100 Prozent Reserven?

Ich möchte betonen, dass ich Thorsten Polleit zustimme, der in seinem letzten Essay schreibt, dass das „Prinzip, auf dem ein ge-sundes Geldsystem (wieder) aufgebaut sein muss“ darin besteht,

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„vollständige Freiheit von Angebot und Nachfrage der Währung zu gewähren“, was beinhaltet, „Geldsysteme zu privatisieren und ein freies Bankenwesen zu schaffen. Die logische Konsequenz dessen wäre, das Eingreifen der Regierung in Geldangelegenhei-ten sowie die Zentralbank abzuschaffen“.13 Er fügt hinzu, dass ein freies Bankenwesen auf „100 Prozent Reserven“ gestützt sein sollte. Hier bin ich anderer Ansicht. Polleit folgt hiermit Huerta de Soto, der, anstatt für eine Abschaffung der Mindestreserve zu plädieren, „eine Wiedereinführung der hundertprozentigen Re-servepflicht für alle Bankeneinlagen und dergleichen“ fordert.14

Eine Mindestreserve von 100 Prozent oder jegliche andere Mindestreserve bedeutet eine Einmischung des Staates in das Banken- und Finanzsystem. Es gehört nicht in ein liberales oder freies Geldmarktsystem. Wenn ich sein Buch richtig verstanden habe, so würde Huerta de Soto alle Schuldverträge mit nicht fest-gelegten Laufzeiten abschaffen, d. h. alle einforderbaren oder fälligen Schuldverträge und alle Kredite, die eine vorzeitige Rück-zahlung zulassen.15 Die Logik des Arguments, dass alle Forde-rungen jederzeit vollkommen gedeckt sein müssen, wenn sie eventuell zurückgezahlt oder als Option des Inhabers verlängert werden können, unabhängig davon, wie unwahrscheinlich die Einlösung ist, würde auch zur Abschaffung vieler anderer ge-bräuchlicher Finanzverträge und -praktiken führen.

Auf dem Wege, eine 100-prozentige Reserve zu erreichen, schlägt Huerta de Soto vor, dass Regierungszentralbanken neues immaterielles Zwangsgeld herausgeben, mit dem Bankvermö-gen (Kredite, Wertpapiere) in Höhe des laufenden Volumens der Sichteinlagen aufgekauft wird, wonach die Banken dann ver-

13 Thorsten Polleit, „Ending the Monetary Fiasco – Returning to Sound Money“, http://mises.org/story/3386.

14 Huerta de Soto, op. cit.15 Jesús Huerta de Soto, Money, Bank Credit, and Economic Cycles, translated by

Melinda A. Stroup (Auburn, AL: Ludwig von Mises Institute, 2006).

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pflichtet wären, eine 100-prozentige Reserve von immate riel-lem Zwangsgeld für Sichteinlagen zu halten. Die Regierung würde dann im Prinzip alle Vermögenswerte an offene Invest-mentfonds verkaufen und den Erlös zur teilweisen Ablösung von Regierungsschulden verwenden. Die gesamte Operation wäre eine massive Monetarisierung der Regierungsschulden, de-ren Auswirkungen auf den M1-Geldmengenbestand durch die 100-prozentige Mindestreservepflicht „sterilisiert“ wären. Der Plan würde zu einer massiven Abwanderung von Anlagen über Banken oder andere Finanzinstitute hin zu offenen Investment-fonds führen.16

Huerta de Soto favorisiert gleichzeitig die Ersetzung der „Ver-bindlichkeiten“ in immateriellem Zwangsgeld der Zentralbank (im Umlauf befindliche Banknoten und Abwicklungskonten der Geschäftsbanken in den Büchern der Zentralbank) durch Gold. Verbindet man diese zwei Vorschläge, wären die Banken ver-pflichtet, eine 100-prozentige Goldreserve für Sichteinlagen und Banknoten zu halten.

Wenn wir dies durchdenken, können wir feststellen, dass dies ein sehr teurer Vorschlag ist, der möglicherweise auch zu einer hohen Inflationsrate führen könnte.

Rechnen wir einmal die Kosten aus, die die Anwendung von Huerta de Sotos zwei Maßnahmen verursachen würde. Zur Ver-anschaulichung werde ich den US-Dollar verwenden, da ich die US-Daten auch am schnellsten greifbar habe, aber die gleiche Rechnung könnte auch in Euro oder einer anderen Währung durchgeführt werden. Zunächst berechnen wir den Anteil von US-Dollar pro Unze Gold, der für die 100-prozentige Deckung

16 Siehe auch Lawrence J. Kotlikoff and Edward Leamer, „A Banking System We Can Trust“, http://www.forbes.com/2009/04/22/loan-mortgage-mutual-fund-wall-street-opinions-contributors-bank.html. Henry Simons, in Eco-nomic Policy for a Free Society (Chicago: University of Chicago Press, 1948), wollte auch die schuldengestützte Intermediation abschaffen.

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der M1-Geldmenge durch die aktuellen Goldbestände der US-Regierung gebraucht würde. (Wie ja alle James-Bond-Fans aus Goldfinger wissen, werden die Goldbestände in Fort Knox gela-gert.) Wir kommen zu einem Anteil, der weit über dem aktuellen Marktpreis für Gold liegt. Den Goldwert des US-Dollars auf die-sem Niveau wieder festzusetzen, würde Gold aus der ganzen Welt anziehen und die US-Regierung zu einem massiven Goldauf-kaufprogramm zwingen.

Hier nun die Zahlen: Der Goldbestand in Fort Knox beläuft sich Berichten zufolge auf 147,3 Millionen Troy-Unzen17. Die US-Geldmenge M1 (Währung plus Sichteinlagen) beläuft sich derzeit auf 1,551 Billionen US-Dollar. Um eine 100-prozentige Deckung der aktuellen US-Dollar-Geldmenge M1 durch die aktuellen Goldbestände der US-Regierung zu erreichen, müsste das US-Dollar/Gold-Verhältnis 1.551.000 : 147,3 = 10.530,21 US-Dollar pro Unze betragen. Wenn die US-Regierung diesen Kurs tatsächlich übernehmen und 10.530,21 US-Dollar für eine Troy-Unze Gold zahlen würde, würde sie allen Besitzern von Gold eine unglaubliche Arbitrage bieten, nämlich 10.530,21 US-Dollar Wert an US-Gütern für eine Unze Gold im Wert von 882,00 US-Dollar zu bekommen. Die USA würden damit mas-sive Goldflüsse aus aller Welt anziehen, den US-Geldbestand massiv er höhen und eine massive Inflation auslösen sowie eine riesige Menge von Gütern an die verlieren, die sie mit ihren neuen US-Dollars gekauft haben. Der Zufluss und dieser Verlust würden nicht aufhören, bis das US-Dollarpreisniveau so weit angestiegen wäre, dass sich der effektive US-Dollarpreis für Gold wieder eingependelt hätte. Wenn der effektive Goldpreis auf der Welt weiterhin unverändert auf heutigen 882,00 US-Dollar ste-hen würde, also der Nominalwert von 10.530,21 US-Dollar Kaufkraft gleichbedeutend mit der von heutigen 882,00 US-Dol-lar wäre, wäre ein Anstieg des US-Preisniveaus im Verhältnis von

17 Die Troy-Unze bzw. Feinunze wiegt 31,103477 Gramm.

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10.530,21 : 882,00 oder ca. einem zwölffachen Anstieg des Dollar-preisniveaus vonnöten. Selbst wenn eine erhöhte Nachfrage der US-Regierung den effektiven Weltmarktpreis, sagen wir, auf ak-tuelle 1.764,00 US-Dollar verdoppelte, würde ein Wiederherstel-len des monetären Gleichgewichts einen Anstieg des Verhältnis-ses auf 10.530,21 : 1.764,00 oder ca. den sechsfachen Anstieg des Dollarpreisniveaus bedeuten.

Alternativ dazu nehmen wir einmal an, wir wollten eine 100-prozentige Goldreserve für die Deckung der US-Geldmenge M1 zum jetzigen Weltmarktpreis von 882,00 US-Dollar pro Unze. Zu diesem Preis würde eine 100-prozentige Deckung der Geld-menge M1 1,758 Milliarden Troy-Unzen kosten (= 1,551 Billio-nen US-Dollar/882,00 US-Dollar/Unze). Die jetzigen Goldbe-stände der US-Regierung belaufen sich weiterhin auf 147,3 Millio-nen Unzen. Die Differenz des zu kaufenden Goldes beträgt somit 1,611 Milliarden Unzen. (Die US-Regierung würde ca. 30 Pro-zent des Weltbestands oberirdischen Goldes, der auf 5,3 Mil-liarden Unzen geschätzt wird, kaufen.18) Bei einem Preis von 882,00 US-Dollar pro Unze benötigte man hierzu 1,421 Billionen US-Dollar in Goldkäufen. Rechnet man dies in US-Dollar statt in Unzen aus, kommt man zum gleichen Schluss. Die jetzigen Goldbestände der US-Regierung belaufen sich auf 147,3 Mil lio-nen Unzen × 882,00 US-Dollar = 129,9186 Milliarden US-Dol-lar. Dies bedeutet eine Fehlmenge an Gold von 1.551,1 Milliar-den US-Dollar – 129,9186 Milliarden US-Dollar = 1,421 Billionen US-Dollar.

Von den 1,421 Billionen US-Dollar, die durch eine 100-pro-zentige Konvertierung in eine Goldwährung aufgeworfen wür-

18 Siehe Hugo Salinas Price: http://www.321gold.com/editorials/price/price053007.html oder World Gold Council: http://www.marketknowledge.gold.org/assets/file/marketknowledge/GoldMktKnowledgeSuppDem.pdf. Ich ha-be drei Jahre geschätzte Jahresproduktion zu dem Bestand aus 2006 dazu ad-diert, um den Wert für 2009 zu aktualisieren.

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den, entfielen 4.644,00 US-Dollar auf jede Person oder 18.576,00 US-Dollar auf eine vierköpfige Familie, ein sehr teurer Vorschlag also. Das Problem ist real, nicht nur nominal. Der jetzige effek-tive Goldbestand der US-Regierung ist zu gering, um den aktu-ellen effektiven Bestand der US-Geldmenge M1 eins zu eins zu decken. Die Vereinigten Staaten können nicht dadurch die Kos-ten vermeiden, dass sie einfach den Kurs von 10.530,21 US-Dol-lar feststellen und sofort das US-Preisniveau um das Zwölffache anheben. Eine solche Preisinflation würde dazu führen, dass die US-Bevölkerung nur noch ein Zwölftel der ursprüng lichen rea-len Geldmenge in der Hand hätte (ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf Leute, die Ersparnisse oder Bonds in US-Dol-lar halten). Die Kosten könnten auch nicht dadurch vermieden werden, dass einfach elf Zwölftel der nominalen Geldmenge M1 gelöscht würden, um den Nominalwert des Geldbestands auf die aktuellen 129,9 Milliarden US-Dollar Gold bestand zu brin-gen. Dieser Weg führt zu Enteignungen, einer vernichtenden Übergangsdeflation (mit entsprechenden Auswirkungen auf Schulden in US-Dollar) und hat trotzdem zur Folge, dass die öffentliche Hand ihre reale Geldmenge wieder durch Goldkäufe aufbauen muss.

Ergebnis: Eine 100-prozentige Goldreserve für den jet zigen Geldbestand hätte sehr hohe Kosten durch Goldkäufe zur Folge und möglicherweise einen extremen Übergangs-Inflations- oder Deflationsstoß.

Falls freie Banken, auf der anderen Seite, ihre M1-Verbind-lichkeiten mit zwei Prozent Gold abdecken wollten (einem Pro-zentsatz, der den Anteil an Goldreserven widerspiegelt, die tat-sächlich in einem fortschrittlichen freien Bankensystem des 19. Jahrhunderts gehalten wurden), bräuchte man zum heuti-gen Kurs nur 35,16 Millionen Unzen, weniger als ein Viertel des-sen, was die US-Regierung bereits hält. In anderen Worten: Das Gold in Fort Knox mit einem Kurs von 882,00 US-Dollar pro Unze ist ausreichend, um Reserven in Höhe von 8,37 Prozent zu

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bilden (147,3 Millionen Unzen in Fort Knox/1.758,00 Millionen Unzen = Wert der Geldmenge M1). Es gibt ausreichend Gold in Fort Knox, ohne dass der Steuerzahler mehr kaufen müsste, wenn wir ein freies Bankensystem erlauben würden – aber nur dann.19

Man sollte beachten, dass Polleit in seinem Essay nach Be-trachtung dieser Überlegungen zu dem Schluss kommt, dass „es vor diesem Hintergrund angemessen wäre, eine Goldreserve zu haben, die weniger als 100 Prozent der Bankschulden wie M1 oder M2 deckt. Dies könnte die Inflationswirkung aufgrund von Fremdgold in Grenzen halten“.20 Ich hoffe, dass eine anteilige Goldreserve tatsächlich seinen Überlegungen entspricht, wobei die Festlegung des Anteils den verschiedenen Geschäftsbanken und ihren Kunden überlassen werden sollte, und nicht, wie er früher vorgeschlagen hat, eine obligatorische 100-prozentige Re-serve der M1-Sichteinlagen. Beides gleichzeitig ist nicht möglich.

7. Ein Überdenken des Monetären Nationalismus21

F. A. Hayek schrieb 1937:

„Die logische Wahl läge wohl zwischen einem System von ‚freien Ban-ken‘ einerseits, in dem alle Banken nicht nur das Recht haben, Noten auszugeben, während sie gleichzeitig auf ihre eigenen Reserven ange-

19 Lawrence H. White, „Will the Gold in Fort Knox Be Enough?“, in Prospects for a Resumption of the Gold Standard: Proceedings of the E. C. Harwood Memorial Conference [Economic Education Bulletin vol. 44, no. 9] (Great Barrington, MA: American Institute for Economic Research, 2004), S. 23–32.

20 Polleit, op. cit.21 Die zwei folgenden Kapitel basieren auf Lawrence H. White, „Monetary

Nationalism Reconsidered“, in Kevin Dowd and Richard H. Timberlake, eds., Money and the Nation-State (New York: Transaction Publishers, 1998), S. 377–401.

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wiesen sind, und das ihnen aber auch ermöglicht, ihren Arbeitsbereich und ihre Korrespondenzbanken unabhängig von nationalen Grenzen auszuwählen, oder einer Zentralbank auf der anderen Seite.“22

Warum sollte man eine internationale Warenwährung unter-stützen? Warum nicht frei schwankende Wechselkurse zwischen nationalen Währungen immateriellen Zwangsgeldes oder ein internationales immaterielles Zwangsgeld? Der große Nutzen einer internationalen monetären Währung ist ihre Synergie aus wachsendem internationalem Handel und finanzieller Inte- g ration, einem Thema, das in einem kürzlich herausgegebenen Buch von Benn Steil und Manuel Hinds aufgegriffen wurde.23 Handel zwischen zwei Parteien (auch im Finanzbereich) ist leichter, wenn keine der Parteien die Währung tauschen muss. Wenn der Handel über die nationalen Grenzen hinausgeht, tut dies auch der Netzwerkeffekt, was die Konvergenz einer einheit-lichen Währung sehr praktisch für verbundene Händler macht. Bei einem ausreichenden Maß an Welthandel ist die Welt ein op-timales Währungsgebiet, wobei wir das Optimum in Form von Kosten/Nutzen, wie sie von den Marktteilnehmern gesehen wer-den, definieren (und nicht wie ein Keynesianischer Makroöko-nom). Frei schwankende Wechselkurse bei nationalem immate-riellem Zwangsgeld liefern noch kein nahtloses internationales Zahlungssystem, sondern sind ein Hindernis zwischen Händ-lern, die verschiedene nationale Währungen verwenden. Wenn wir bestimmte nationale immaterielle Zwangswährungen ha-ben, sollte der Markt, auf dem diese getauscht werden, ein freier Markt sein. Aber das Existieren bestimmter nationaler Währun-gen ist an sich schon ein Problem.

Eine internationale Geldwährung könnte beispielsweise mul-

22 Hayek, Monetary Nationalism, S. 77.23 Benn Steil and Manuel Hinds, Money, Markets and Sovereignty (New Haven:

Yale University Press, 2009).

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tinationales, staatlich ausgegebenes immaterielles Zwangsgeld sein, wie der einst von John Maynard Keynes vorgeschlagene „Bancor“. Ein zweiter großer Vorteil einer internationalen Wa-renwährung wie Gold gegenüber einer solchen immateriellen Zwangswährung ist, dass vollwertiges und warengedecktes Geld „unpolitisch“ herausgegeben werden kann. Seine Bereitstellung wird von den Marktkräften bestimmt, wo es im Wettbewerb ste-hende Minen gibt, im Wettbewerb stehende Prägungsanstalten und im Wettbewerb stehende private Notenherausgabebanken. Seine Stabilität hängt nicht vom korrekten Verhalten oder von einem einzigen staatlichen Herausgeber oder einer nationalen oder supranationalen Zentralbank ab. (Privates immaterielles Zwangsgeld, ein späterer Gedanke von Hayek, ist eine faszinie-rende Idee, aber es gibt Gründe anzunehmen, dass es nicht auf dem Markt Bestand hätte. Dafür gibt es auch in der Geschichte keine Beispiele, die das belegen).

Die große Mehrheit der heutigen täglichen wertmäßigen Zahlungen wird über Depositenbanken abgewickelt. Die große Anzahl von kleineren Zahlungen, die durch Noten der Zentral-banken und staatlich geprägte Münzen vorgenommen werden, könnten genauso, wie im 19. Jahrhundert auch und heute noch in Nordirland und Schottland, mit privaten Banknoten und Mün-zen getätigt werden. Unter kosmopolitischen liberalen Ideen wür-den Kontokorrenteinlagen und Banknoten in internationaler Währung denominiert und von privaten Banken herausgege-ben, die international frei agieren können. Das Ergebnis wäre ein internationales freies Bankenwesen: ein globales Zahlungssys-tem mit einer einzigen Geldwährung, das durch den Markt ge-steuert wird.

Hayek definiert „monetären Nationalismus“ als „eine Dok-trin, die besagt, dass der Anteil am weltweiten Geldbestand eines Landes nicht nach den gleichen Prinzipien und den gleichen Me-chanismen bestimmt werden sollte, die bei der Bestimmung der relativen Geldmenge in seinen verschiedenen Regionen oder

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Städten angewandt werden“24. In anderen Worten, der Geldbe-stand innerhalb der nationalen Grenzen soll nicht frei durch die Bewegung von Geld durch Zahlungssysteme verändert werden. Geld soll nicht die nationalen Grenzen überschreiten, zumindest nicht so, wie es im Inland zirkuliert.

Die Antithese des monetären Nationalismus ist ein global in-tegriertes Geldsystem. Hayek sprach von einem „wirklich inter-nationalen Geldsystem, in dem die ganze Welt eine einheitliche Währung besitzt, wie dies auch in den einzelnen Ländern der Fall ist, und wo ihr Fluss zwischen Regionen durch die Ergeb-nisse der Aktionen aller Einzelpersonen bestimmt würde“25. In einem solchen System überschreiten alle Arten von Geld, Noten und Einlagen sowie Münzen frei die nationalen Grenzen zur Ab-wicklung internationaler Zahlungen. Geld kann ohne Hinder-nisse zwischen den Regionen hin- und herfließen, unabhängig davon, ob die Regionen demselben Nationalstaat angehören.

Unter einem internationalen freien Bankensystem steuert keine nationale Zentralbank die nationalen Geldbestände und keine internationale Zentralbank die globalen. Sie regulieren sich selbst. Es gäbe wenig Grund, die statistischen Daten der nationa-len Geldbestände auch nur aufzunehmen, genauso wie es keinen Grund mehr gäbe, separate Geldbestände für jeden der 50 US-Bundesstaaten aufzunehmen oder für jedes Land der Eurozone. Solche subregionalen Geldbestände wären für die Prognose subregionaler Wirtschaftsaktivitäten nicht verlässlich genug. Eu-robesitzer können überall in der Eurozone von Verkäufern etwas erwerben, nicht nur in ihrem Heimatland. Und es gäbe keine Notwendigkeit, subregionale Geldbestände zu steuern. Geldflüsse von Nation zu Nation wären kein stärkerer Grund für makro-ökonomische Bedenken als der Geldfluss von Stadt zu Stadt in-nerhalb der nationalen Grenzen.

24 Hayek, Monetary Nationalism, S. 4.25 Ibid.

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8. Internationaler Goldfluss: Gleichgewichts- oder Störfaktor?

Das einfachste goldgestützte internationale Geldsystem, das man in Betracht ziehen kann, ist eine Welt mit zwei Ländern, Rurita-nien und Sylvanien, wo gleiche Goldmünzen als einziges Zah-lungsmittel in beiden Ländern benutzt werden. Eine Zahlung mit Münzen eines Ruritaniers an einen Sylvanier ist nicht anders als eine Zahlung zwischen zwei Ruritaniern. (In der Tat zeigt die Geschichte, dass jahrhundertelang am sichersten Goldmünzen sowohl für große wertmäßige Zahlungen im Inland als auch für grenzüberschreitende Zahlungen verwendet wurden, sobald sich der Handel ausweitete.) In einem nur von Edelmetall geprägten System, wie es bekanntermaßen von David Hume analysiert wurde, ist der interregionale Netto-Goldfluss sowohl ein Zei-chen für als auch ein Mittel gegen ein Ungleichgewicht der welt-weiten Verteilung der Goldbestände und der weltweiten Vertei-lung der Nachfrage nach Goldbeständen. Es gibt einen Netto-Fluss an Gold in eine Gegend, wo seine Kaufkraft vergleichsweise hoch ist, da die Ansässigen, vielleicht, weil ihre Einkommen stei-gen, größere Geldbestände ansammeln wollen. Diese Goldflüsse sind selbstbeschränkend. Ein Zufluss ist nicht nur ein Zeichen eines Nachfrageüberhangs nach Gold, sondern mindert diesen und seine Kaufkraft unter den Käufern. Unter den Anbietern steigt die Kaufkraft des Goldes mit dessen Knappheit. Somit lie-fern diese Gold immer zögerlicher. Der Nachfrageüberhang wird dann ausgeglichen, wenn die Kaufkraft von Gold in beiden Re-gionen gleich ist und der Netto-Fluss aufhört.

Ein komplexerer Fall ist der einer „gemischten Währung“ aus Münzen und bankausgegebenem Geld (Papiernoten und über-tragbaren Einlagen), wobei Letzteres in Goldmünzen zahlbar ist. Die klassische Goldwährung wurde oft kritisiert und häufig wurde interveniert, da ein Abfluss an Gold in den Rest der Welt (eine Abschöpfung aus dem Ausland) eine kontraktive Auswir-

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kung auf die Kreditversorgung in der Nation hatte. Die Kredit-versorgung stand wie eine umgekehrte Pyramide auf der Basis des Zentralbankgoldes. Jeder US-Dollar Gold, der von der Zen-tralbank verloren wurde, erforderte vom Bankensystem, seine Einlagen – und somit auch seine Kredite – um einige US-Dollar zu verringern. Eine Goldwährung muss aber nicht diese Art der Bankenstruktur haben. Wie Hayek wichtigerweise in seinen Ausführungen über den Monetären Nationalismus und Interna-tionale Stabilität bemerkt hat, folgte der Abschöpfung aus dem Ausland nur eine Kreditverknappung, weil die Währungs- und Kreditsysteme national beschränkt waren, durch die Goldreser-ven, die das Geld und die Kredite der Nation deckten, die sich in den Tresoren einer einzigen Zentralbank befanden, anstatt auf transnationale im Wettbewerb stehende Herausgabebanken ver-teilt zu sein. Beides waren Entwicklungen, die man durch grö-ßeren Freiraum im Bankwesen hätte vermeiden können. Die nationale Beschränkung der Herausgabebanken war auf Ein-trittsbeschränkungen für das Inland, die transnationale Privat-kundenbanken verboten, zurückzuführen. Das nationale „Ein-Reserven-System“, wie es Walter Bagehot genannt hat, entstand aus einer Gesetzgebung, die einer einzelnen bevorzugten Bank Privilegien einräumte. Ein freies, international integriertes Ban-kenwesen hätte ein Abschöpfungsproblem von außen vermieden, da es keine speziellen nationalen „Bankenpyramiden“ geschaffen hätte. Wie Hayek feststellte, gäbe es in einem internationalen freien Bankensystem „keinen Grund, alle monetären Transaktio-nen innerhalb eines Landes enger zusammenzubinden als die in anderen Ländern“.

Stellen wir uns zunächst eine grenzüberschreitende Zah-lung unter einer internationalen Goldwährung mit national be-schränkter Kreditwirtschaft vor. Smith hat ein Konto bei der Eagle Bank, die nur in Ruritanien agiert. Smith tätigt eine Zah-lung an Jones, der diese in der Filiale der Partridge Bank einzahlt, die nur in Sylvanien tätig ist. Die Begleichung der Zahlung be-

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deutet an dieser Stelle nicht nur einen Verlust von Reservegeld der Eagle Bank und einen Zuwachs bei der Partridge Bank, son-dern auch einen Rückgang von Ruritaniens Goldreserven und somit die Notwendigkeit, ruritanischen Kredit aufzunehmen.

In einem internationalen freien Bankenwesen hat die Eagle Bank Filialen in Ruritanien und Sylvanien, ebenso die Partridge Bank. Die Begleichung einer Zahlung bedeutet immer noch eine Übertragung von Reserven von der Eagle Bank an die Partridge Bank, aber impliziert nicht mehr einen Goldtransfer von Rurita-nien nach Sylvanien oder eine Verknappung des Kredits in Ruri-tanien. Wenn die Kreditnachfrage in Ruritanien unverändert bleibt, kann die Partridge Bank an dieser Stelle einsteigen und die Eagle Bank bei der Erfüllung der Nachfrage aufgrund der größeren Reserven ablösen.

In einem internationalen freien Bankensystem verliert kein nationales Bankensystem als solches Reserven durch interregio-nale Zahlungen, denn es gibt kein nationsspezifisches Bankensys-tem. Bankausgegebene Noten und übertragbare Einlagen müs-sen nicht länger nationsspezifisch sein, sondern können weltweit angenommen werden. (Sollte die internationale Zirkulation pri-vater Banknoten nicht plausibel erscheinen, bedenken Sie, dass American Express Travelers Cheques heute weltweit angenom-men werden.)

Das Zentralbankensystem verschärfte das Problem eines Rück-gangs nationaler Reserven unter der klassischen Goldwährung, das aus der nationalen Beschränkung des Filialbankwesens resul-tierte. Wie Walter Bagehot in seiner klassischen Arbeit Lombard Street erklärt, war es keine natürliche Entwicklung, dass eine ein-zige Institution die gesamte Goldreserve des nationalen Banken-systems hielt, sondern eher das Ergebnis gesetzlicher Beschrän-kungen der Banken, wenn auch nicht immer beabsichtigt. Die Bank of England hatte das „alleinige Recht der Notenausgabe“ und auch „das des Depositenbankings“ in London. Bagehot zieht folgende Schlussfolgerung:

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„Mit so vielen Vorteilen gegenüber allen anderen Wettbewerbern ist es ganz normal, dass die Bank of England alle anderen hinter sich gelas-sen hat. Unweigerlich wurde sie die Bank in London. Alle anderen Banker gruppierten sich um sie herum und hinterlegten ihre Reserve dort. So war unser Ein-Reserve-System nicht bewusst auf bestimmte Gründe abgestellt, sondern es war die sich fortlaufend entwickelnde Konsequenz vieler einzelner Ereignisse und der Anhäufung gesetzli-cher Privilegien einer einzigen Bank, (…) wofür heute keiner mehr eintreten würde.“26

Andere Nationen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, de-nen die Bank of England als Modell vorschwebte, förderten be-wusst die Konzentration von Goldreserven bei einer Zentral-bank.

Im Gegensatz zu dem künstlichen Ein-Reserven-System führt Bagehot auf Seite 329 aus, dass „das natürliche Bankensystem aus vielen Banken besteht, die ihre eigene Barreserve halten, und mit Konkurs bestraft werden, sollten sie diese nicht einhalten“. Nur weil England der Bank of England solche Privilegien zugebil-ligt hatte, kam es zu einem System „einer einzigen Bank, die die gesamte Reserve hielt, ohne für Fehler effektiv bestraft zu wer-den“.

Die Fehler bei der Geldversorgung eines Zentralbankensystems hatten systemische Folgen. Eine Überexpansion der Zentralbank-verbindlichkeiten wurde nicht durch Verluste der Reserve an an-dere Banken innerhalb der Innenwirtschaft abgefedert, sondern versorgte diese anderen Banken mit erhöhten Reserven und ver-anlasste sie, auch zu expandieren. Eine mannigfaltige Bankenex-pansion schuf einen nicht aufrecht zu erhaltenden Kreditboom. Die Korrektur war letztendlich eine Abschöpfung des Goldes von außen und schmerzhafte Kreditknappheit.

Auch wenn sie nicht auf Zentralbankfehler zurückzuführen

26 Walter Bagehot, Lombard Street: A Description of the Money Market (London: Henry S. King, 1873), S. 99–100.

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waren, sondern auf regionale Verschiebungen der monetären Nachfrage nach Gold, waren Auslandsabschöpfungen im Ein-Reserven-System problematisch. Als die Zentralbank begann, Goldreserven in entsprechender Höhe zu verlieren, war sie gezwungen, Geld auf ihre Bilanz aufzunehmen, wodurch die na-tionale Geldbasis verringert wurde. Als die Handelsbanken ihre Reserven schrumpfen sahen, entstand eine vielschichtige Kre-ditknappheit, was die kurzfristigen Zinsen ansteigen ließ. Wie Hayek betont, bedeutet eine Kreditrestriktion, dass „der gesamte Schlag des Rückgangs des Geldstroms auf die Investitionsaktivi-täten zurückfällt“. Es erfolgte ein künstlicher Anstieg des Zinssat-zes „über den ‚natürlichen‘ Gleichgewichtszinssatz“. Investoren waren gezwungen, „Gelder aufzugeben, die sie produktiv inves-tiert hätten“. Investitionspläne konnten nicht eingehalten wer-den und es begann eine Rezession. Die Aktionen der Zentral-bank schufen eine „Störung, die alle Eigenschaften einer rein monetären Störung beinhaltet, die nämlich Veränderungen aus-löst, … die … nicht auf irgendwelchen entsprechenden Verände-rungen der zugrunde liegenden realen Fakten“ von Geschmack, Technologie oder Ressourcen beruhen.27

Die nationale Beschränkung der Handelsbanken in Verbin-dung mit dem Ein-Reserven-System der Nation bedeutete daher, dass internationale Geldflüsse zu Kreditversorgungsstörungen im Inland führten. In einem System des ganzheitlich integrierten Filialbankensystems würden solche Nebenwirkungen nicht auf-treten. Es gibt keinen Grund für eine übertriebene nationale Ver-knappung von Bankkrediten oder monetären Verbindlichkeiten. Ein Nachfrageüberhang wird keine Nation belasten, wenn in einer anderen ein Angebot besteht.

27 Hayek, Monetary Nationalism, S. 28–31.

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9. Stabilität

Ein internationales freies Bankensystem ist besser gerüstet als ein internationales Zentralbankensystem, um Geldstabilität zu wahren. Wie George Selgin und ich an anderer Stelle erklärt ha-ben, würde das Verhältnis von bankausgegebenem Geld zu Gold automatisch als Reaktion auf die Veränderungen der Nachfrage nach bankausgegebenem Geld variieren und daher eher zu Gleichgewichts- als Ungleichgewichtsanpassungen der Geld-menge führen.28

Im Gegensatz dazu hätte eine Weltzentralbank in keiner Weise das Wissen, das für die Simulation des Wettbewerbsergebnisses notwendig ist. Sie wäre ein Monopolist ohne Wettbewerbsdis-ziplin und ohne Resonanz vom Markt.

10. Der Internationale Währungsfonds

Gibt es eine nützliche Rolle des IWF innerhalb der Goldwäh-rungspolitik mit internationalem freiem Bankenwesen? Nein. Der IWF erfüllt nicht einmal heute eine nützliche Rolle.

Der IWF wurde gegründet, um die Kurskrise des Bretton-Woods-Systems in den Griff zu bekommen, eine Krise, die auf-trat, als eine nationale Zentralbank eine Geldpolitik verfolgte, die nicht im Einklang mit der Erhaltung des festen Wechsel-kurses der Währung stand. In einem internationalen freien Bankensystem gibt es keine nationalen Zentralbanken, die eine Politik verfolgen, die zu solchen Problemen führt. Ein Kreditins-

28 George A. Selgin and Lawrence H. White, „How Would the Invisible Hand Handle Money?“, Journal of Economic Literature 32 (December 1994), S. 1718–1749. Siehe auch George A. Selgin, The Theory of Free Banking: Money Supply Under Competitive Note Issue (Totowa, N. J.: Rowman and Littlefield, 1988).

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titut ist vertraglich gebunden (und ohnehin sehr auf seinen Ruf bedacht), eine Goldrückzahlung zum vertraglich vereinbarten Kurs zu gewähren. Abwertung ohne negative Konsequenzen ist für das Kreditinstitut keine Option, im Gegensatz zu den Zentral-banken. Somit verschwindet die Begründung für die Existenz des IWF. Die klassische Goldwährung hat sich auch ohne ihn geregelt.

Selbst in einer Welt der immateriellen Zwangswährungen ver-schwindet der Sinn des IWF, wenn Länder nur klar frei schwan-kende Wechselkurse annehmen oder sich mit einer externen Währung zusammenlegen (Dollarisierung und Euroisierung).

Literatur

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THORSTEN POLLEIT

Freiheit und das Sound Money Principle

1. Einleitung

Das heutzutage in allen bedeutenden Wirtschafts- und Wäh-rungsräumen anzutreffende Geldsystem, in dem die staatliche Zentralbank das Geldangebotsmonopol hält und Geld (im We-sentlichen) durch die Kreditvergabe der Geschäftsbanken ge-schaffen wird, ist – wenngleich auch von der Mainstream-Öko-nomik wohl einhellig als State-of-the-Art akzeptiert – aus Sicht der Österreichischen Schule der Ökonomik ein wahrlich Unheil bringender Fremdkörper im System der freien Märkte.

Das Staatsgeldsystem provoziert zwangsläufig Wirtschafts- und Finanzkrisen, so zeigen die Ökonomen der Österreichischen Schule überzeugend auf. Der Grund: Im Staatsgeldsystem wird die Geldmenge per Kreditexpansion in nichtmarktkonformer Weise und sprichwörtlich „aus dem Nichts“ geschaffen, also ohne dass dafür eine entsprechende Ersparnis notwendig wäre. Durch die wirtschaftlichen Schäden, die das Staatsgeldsystem verursacht, und die politischen Konsequenzen, die so in Gang gesetzt werden, untergräbt es nach und nach das Fundament der freiheitlichen Gesellschaftsordnung.

Ludwig von Mises (1881–1973), der wohl bedeutendste Ver-treter der Österreichischen Schule, schrieb in seinem ursprüng-lich im Jahre 1912 erschienenen Buch Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel (in der englischen Übersetzung The Theory of Mo-ney and Credit [1981], S. 488): “It would be a mistake to assume that the modern organization of exchange is bound to continue to exist. It carries within itself the germ of its own destruction; the development of the fiduciary medium [d. h. Geld, das nicht

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durch Ersparnisse gedeckt ist, A. d. V.] must necessarily lead to its breakdown.”

Die weitverbreitete antikapitalistische Mentalität führt regel-mäßig dazu, so Mises, dass die wirtschaftlichen Miseren wie Re-zessionen und (Massen-)Arbeitslosigkeit in der Öffentlichkeit als Versagen des freien Marktsystems (um-)gedeutet werden. Nicht das staatliche Geldsystem, in dem staatliche Zentralban-ken das Monopol für die Geldproduktion halten und in dem Geld per Bankkredit1 aus dem Nichts geschaffen wird, wird als Ursache der Missstände identifiziert, sondern das „Übel“ wird fälschlicherweise im kapitalistischen Wirtschaftssystem erblickt.

Das Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es zum einen, die Wir-kungsweise des herrschenden Staatsgeldsystems aus Sicht der Lehre der Österreichischen Schule zu betrachten; hierzu zählt insbesondere das Erläutern der Rolle des Staatsgeldangebots für Wirtschafts- und Finanzkrisen und deren Rückwirkungen auf die Freiheit.2 Zum anderen soll gezeigt werden, dass ein System des Free Banking die Krisenursachen des Staatsgeldsystems be-hebt und wie ein Überführen des Staatsgeldsystems in ein Free Banking aussehen könnte. Vor diesem Hintergrund ist der Rest des Aufsatzes wie folgt gegliedert.

Zunächst wird das Sound Money Principle, wie es Ludwig von Mises formulierte, vorgestellt (2.). Danach werden Wirtschafts- und Finanzkrisen als Folge des staatlichen Geldsystems, wie von der monetären Konjunkturtheorie der Österreichischen Schule

1 Mises spricht von Zirkulationskredit, wenn er den Bankkredit meint, durch den neues Geld geschaffen wird (etwa durch Einräumung neuer Depositen). Die andere Form ist der Sachkredit, durch den lediglich vorhandenes Geld vom Sparer zum Investor übertragen wird.

2 Freiheit wird hier im Sinne von Rothbards (naturrechtlicher, rationalistisch-ethischer) Position verstanden, nach der Freiheit sich durch das Recht auf die persönliche körperliche Unversehrtheit des Einzelnen sowie sein Recht auf den vollen Genuss der Erträge, die er aus eigener Hände Arbeit erwirtschaftet, definiert. Siehe hierzu z. B. Rothbard (2004).

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Freiheit und das Sound Money Principle 69

der Ökonomik erklärt, skizziert und die politökonomischen Fol-gen herausgestellt (3.). Daran schließt sich die Betrachtung eines freien Marktgeldsystems (Free Banking) an (4.). Abschließend wird die Strategie von Murray N. Rothbard (2008), das staatliche Geldsystem in ein freies Marktgeldsystem zu überführen, erläu-tert (5.).

2. Mises’ Sound Money Principle

Mises’ Arbeiten zeigen, dass gutes Geld ein Geld ist, das durch den freien, ungehinderten Marktprozess bereitgestellt wird. Denn nur freies Marktgeld fügt sich nahtlos in eine freiheitliche, d. h. kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ein, die sich durch den unbedingten Respekt vor dem Privateigentum der Individuen auszeichnet, das wiederum für alle Beteiligten vorteilhafte Markttransaktionen sichert.

Staatliches Monopolgeld läuft den Prinzipien der freiheitli-chen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht nur zuwider, es untergräbt sie vielmehr; Staatsgeld und eine freiheitliche Ge-sellschaftsordnung sind unvereinbar.3 Die Geldproduktion ist abgekoppelt von den Transaktionen, die in einem Marktsystem den Wohlstand vermehren: Dies sind Landnahme (Homestead-

3 In seiner Schrift „What has Government done to our Money?“ aus dem Jahre 1963 machte Rothbard deutlich, dass das heutige staatliche Fiat-Geldsystem nur durch einen staatlichen Enteignungsakt der Goldbesitzer etabliert werden konnte; diese Konklusion folgt aus Mises’ Regressionstheorem. An dieser Stelle ist anzumerken, dass bereits Carl Menger (1840–1921) eine (logisch-histo-rische) theoretische Erklärung des Entstehens des Geldes entwickelte. Danach hat sich Geld spontan aus dem freien Marktgeschehen herausgebildet. Dem-jenigen Gut, das am vergleichsweise besten die Tauschmittelfunktion erfüllt, wurde die Geldfunktion zugewiesen. Mises zeigte dann im Zuge seines Re-gressionstheorems im Jahre 1912 logisch auf, dass Geld aus einem Sachgut mit intrinsischem Wert entstanden sein muss.

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ing), Produktion und Handel. Das Staatsgeld, das durch Kredit-vergabe aus dem Nichts geschaffen wird, ist notorisch inflatio-när, und so sind Transaktionen mit Staatsgeld nicht mehr für alle teilnehmenden Marktparteien gleichermaßen vorteilhaft.4

Zudem führt das Staatsgeld, das durch Kreditvergabe aus dem Nichts geschaffen wird, zwangsläufig zu Konjunkturzyklen; die Wirkungsweise wird weiter unten noch näher erläutert. Die da-durch ausgelösten Boom-and-Bust-Zyklen werden von der Öf-fentlichkeit zumeist dem System der freien Marktwirtschaft zugeschrieben und durch das Eingreifen des Staates in das Marktgeschehen – durch Gebote, Verbote, Regulierungen, Um-verteilungen – verspricht man sich Abhilfe von den Missständen.

Vor dem Hintergrund des Befundes, dass das Staatsgeldsystem wirtschaftliche Schäden verursacht, deren politische Heilungs-versuche die freie Marktordnung zusehends aushebeln, lässt sich Ludwig von Mises’ Prinzip des guten Geldes (Sound Money Prin-ciple) erklären:5 “[T]he sound-money principle has two aspects. It is affirmative in approving the market’s choice of a commonly used medium of exchange. It is negative in obstructing the govern ment’s propensity to meddle with the currency system.”6 “It is impossible to grasp the meaning of the idea of sound mo-ney if one does not realize that it was devised as an instrument for the protection of civil liberties against despotic inroads on the part of governments. Ideologically it belongs in the same class with political constitutions and bills of right.”7

Das Geldsystem, das mittlerweile in allen großen Wirtschafts-

4 Siehe hierzu auch Hülsmann, J. G. (2009), The Ethics of Money Production, Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama.

5 Mises fügte „Part Four: Monetary Reconstruction“, verfasst im Jahre 1952, in die Neuauflage seines ursprünglich 1912 erschienen Buches mit dem Titel Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel (Englisch: „The Theory of Mo ney and Credit“) ein, das 1953 erschien.

6 Mises (1981), S. 455. 7 Ebenda, S. 454.

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räumen der Welt Fuß gefasst hat, könnte also nicht weiter von Mises’ Sound Money Principle entfernt sein: Überall halten staat-liche Zentralbanken das Monopol über die Geldmenge. Geld wird durch die Kreditgewährung der Geschäftsbanken aus dem Nichts „geschöpft“. Die Bedeutung dieses Geldsystems für Wirt-schafts- und Finanzkrisen soll nun skizziert werden.

3. Wirtschafts- und Finanzkrisen als Folge des Staatsgeldes

Im Staatsgeldsystem senkt das Ausweiten der Geldmenge per Bankkredit den Marktzins „künstlich“ unter sein natürliches Ni-veau, das durch die Zeitpräferenz der Gesellschaft bestimmt ist.8 Durch das künstliche Absenken des Marktzinses werden Investi-tionen angeregt, die ohne ein Heruntermanipulieren des Zinses nicht angegangen worden wären und deren wirtschaftlicher Er-folg davon abhängt, dass die Zinsen niedrig bleiben (oder aber in der Folge noch weiter abgesenkt werden).

Der künstlich gesenkte Zins sorgt zudem dafür, dass aus dem laufenden Einkommen weniger gespart und mehr konsumiert wird, und gleichzeitig steigt zusätzlich die Investitionsnachfrage, finanziert durch die Kredit- und Geldmengenausweitung.9 Die monetäre Nachfrage übersteigt damit die Ressourcenkapazitäten der Volkswirtschaft und schlägt sich früher oder später in sicht-baren Preissteigerungen (Inflation) von Konsumenten-, Investi-tionsgüter- und/oder Vermögenspreisen (Asset Price Inflation) nieder.

Dabei löst das künstlich gesenkte Zinsniveau eine intertem-

8 Für die Erklärung des Zinses aus Sicht der Österreichischen Schule siehe z. B. Rothbard (2004), Part 6, Production: The Rate of Interest and Its Determina-tion, S. 313–386.

9 Siehe in diesem Zusammenhang auch z. B. Garrison (2004).

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porale Verzerrung der Produktionsstruktur aus: Immer mehr knappe Ressourcen werden in zeitintensive Produktionsprozesse gelenkt; eine Erkenntnis, auf die bereits Eugen von Böhm-Ba-werk (1851–1914) in seinen Arbeiten hinwies und die er als An-steigen der „Umwegsproduktion“ bezeichnete. Die Produktions-struktur passt sich also an das manipulierte Zinsniveau an.

Früher oder später jedoch treten die aufgelaufenen Ungleich-gewichte zutage, entweder, weil die Inflation für alle sichtbar ansteigt, die reale Kassenhaltung vermindert und die Nachfrage absenkt (sodass Teile der Produktionsergebnisse zu herrschen-den Preisen keine Käufer mehr finden) oder weil die Eigner der Banken nicht mehr bereit sind, mit ihrem Kapitaleinsatz fällig werdende Kredite zu refinanzieren oder gar neue Kredite zu ver-geben – etwa, weil sie fürchten, Schuldner könnten ihrem Schul-dendienst nicht mehr nachkommen.

In einem solchen Umfeld würde – vorausgesetzt die Zentral-bank greift nicht zu weiteren expansiven Maßnahmen – das Zinsniveau vermutlich ansteigen, weil damit zu rechnen ist, dass sich in Zeiten erhöhter Unsicherheit (etwa über die erwartete Rentabilität der Investitionen) die Zeitpräferenz der Marktak-teure erhöht. Unrentable Investitionen würden liquidiert, Bank-kredite müssten zurückgezahlt werden und das Kreditangebot und die Geldmenge würden schrumpfen. Die Volkswirtschaft würde sich im Zuge einer „Bereinigungsrezession“ und Defla-tion auf ihr (ursprüngliches) Gleichgewicht zurückbewegen.

Doch solch eine Anpassungsrezession – selbst wenn sie not-wendig ist, um die Fehlallokationen einer monetären Störung abzubauen – ist politisch meist unerwünscht. Schon wenn die Konjunktur sich einzutrüben droht, werden die Zentralbanken aufgerufen – z. B. von Regierungspolitikern, Unternehmensver-bänden, Gewerkschaften und keynesianisch gesinnten Ökono-men –, die Korrektur der aufgelaufenen Fehlentwicklungen mit einem weiteren Absenken des Marktzinses durch ein Ausweiten des Kredit- und Geldangebots zu „bekämpfen“.

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Eine solche Geldpolitik löst jedoch nicht etwa die von ihr ver-ursachte Fehlentwicklung, sondern kann allenfalls ihre Bereini-gung in die Zukunft verlagern; die durch zusätzliches Geld ange-heizte Scheinblüte wird quasi abgelöst von einer neuen monetär verursachten Scheinblüte. Das fortwährende Aufschieben der Bereinigungsrezession kann dann jedoch den Korrekturbedarf so weit vergrößern, dass das Kredit- und Geldsystem letztlich zu-sammenbricht, weil die Gesamtverschuldung der Volkswirt-schaften relativ zum Einkommen im Zeitablauf immer weiter anwächst und zu einer nicht mehr tragbaren Schuldenlast führt.

Wie aber sähe der Kredit- und Geldangebotsprozess aus in einem System des freien Marktgeldes? Könnten die wirtschaft-lichen Störungen, die das Staatsgeldsystem verursacht, und seine interventionistischen Konsequenzen verhindert werden? Diese Fragen sollen im nun folgenden Teil adressiert werden, der die Funktionsweise des Bankgeschäfts in einem System des Free Banking illustriert.

4. Bankgeschäft im System des freien Marktgeldes

Ein freies Marktgeldsystem liefe auf ein System des Free Banking hinaus: Den Marktakteuren stünde es frei, das Geld(-Medium) zu wählen und jederzeit und ungehindert in das Einlagen- und Kreditvergabegeschäft ein- und auszutreten.10 Im Free Banking

10 Auf den Geldvermehrungsprozess (durch marktkonforme Transaktionen) wird hier nicht gesondert eingegangen. Es sei lediglich angemerkt, dass aus Sicht von z. B. Rothbard ein Ausweiten der Geldmenge für eine gedeihliche Wirtschaftsentwicklung nicht notwendig ist; diese Position steht im krassen Gegensatz zur weitverbreiteten Auffassung, dass eine wachsende Wirtschaft eine wachsende Geldmenge braucht. Doch vor dem Hintergrund des Be-fundes, dass die einzige Funktion, die Geld erfüllt, die Tauschmittelfunktion ist, leitet Rothbard ab, dass eine Vermehrung der Geldmenge keinerlei ge-sellschaftlichen Nutzenzuwachs mit sich bringt, sondern dass eine Geldmen-

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sind Banken keine Geldproduzenten mehr, sondern Lagerstätten (Custodians) für Geld. Sie verwahren und sichern das eingela-gerte Geld, können darüber hinaus aber auch Zahlungsverkehrs-dienste (Settlement) anbieten. Im Kreditgeschäft – das strikt getrennt ist vom Einlagengeschäft – leiten sie vorhandene Geld-bestände weiter. Ein einfaches Beispiel soll das illustrieren.

A lagert sein Geld (Gold) in Höhe von 100 Feinunzen bei der Geldlagerstätte ein (Abb. 1). Dafür gibt Letztere einen Geldlager-haus-Schein aus, der als Geld fungiert. Er berechtigt seinen Hal-ter zum jederzeitigen Umtausch in 100 Feinunzen Gold beim Geldlagerhaus. In der Bilanz von Herrn A vollzieht sich durch die Einlage ein Aktivtausch. Das Geldlagerhaus weist den Geldbe-stand nicht als Aktivposten in der Bilanz aus, da es keinerlei Ver-fügungsrechte über das Gold erhalten hat.11

Abb. 1 Einlagegeschäft

Aktiva Bilanz von A Passiva

Gold (Unzen)

Geldlagerhaus-Schein

100– 100+ 100

= 100 = 100

Geldlagerhaus

Lager: Gold (Unzen) + 100

(Geldlagerhaus-Schein + 100)

genausweitung lediglich den Tauschwert des Geldes vermindert: “We come to the startling truth that it doesn’t matter what the supply of money is. Any supply will do as well as any other supply.” Rothbard (2005), S. 41. Gleichwohl akzeptiert Rothbard natürlich das Ausweiten der Geldmenge, wenn sie Ergeb-nis des freien Marktes ist.

11 Siehe hierzu auch Rothbard (2008), S. 87.

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Abb. 2 zeigt die Folgen, wenn der Geldlagerhaus-Schein zu Zah-lungszwecken verwendet wird. Kauft z. B. A von B Güter zum Preis von 100 Feingoldunzen, kommt es in den Bilanzen der Han-delnden jeweils zu einem Aktivtausch: A tauscht den Geldlager-haus-Schein gegen Güter, bei B ist es umgekehrt. Die Lagerhal-tung der Bank wird dadurch nicht berührt; dies gilt natürlich nicht nur für den baren Zahlungsverkehr, sondern auch für den bargeldlosen (der sich in gleicher Weise darstellen lässt).

Abb. 2 Tausch von Gütern gegen Geldlagerhaus-Schein

Aktiva Bilanz von A Passiva

Geldlagerhaus-Schein

Güter

100– 100+ 100

= 100 = 100

Aktiva Bilanz von B Passiva

Güter

Geldlagerhaus-Schein

100– 100+ 100

= 100 = 100

Geldlagerhaus

Lager: Gold (Unzen) + 100

(Geldlagerhaus-Schein + 100)

An dieser Stelle soll zusätzlich die indirekte Kreditvergabe – d. h. die Kreditvergabe durch Einschaltung eines Intermediärs, näm-lich einer Bank, illustriert werden (Abb. 3). In einem Free Ban-king käme es – eigentumsrechtlich bedingt – zu einer Trennung zwischen Einlagen- und Kreditvergabegeschäft.12 Wenn die Bank

12 Für die Erläuterungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Einlagen- und Kreditgeschäft siehe z. B. de Soto (2006), S. 19.

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Kredite vergeben will, muss sie sich das Geld (Geldlagerhaus-Schein) vom Geldhalter (hier A) per Kreditaufnahme beschaffen (etwa, indem sie A eine Anleihe im Tausch gegen den Geldlager-haus-Schein anbietet). Durch die Kreditvergabe der Bank an B wird der Geldlagerhaus-Schein dem Kreditnehmer verfügbar ge-macht.

Abb. 3 Indirekte Kreditvergabe

Aktiva Bilanz von A Passiva

Geldlagerhaus-Schein

Forderung gegenüber Bank

100– 100+ 100

= 100 = 100

Vermögen Bilanz von B Verbindlichkeiten

Geldlagerhaus-Schein + 100 Verbindlichkeit vis-à-vis Bank

+ 100

= 100 = 100

Vermögen Bank Verbindlichkeiten

Geldlagerhaus-Schein

Kredit an B

+ 100– 100+ 100

Verbindlichkeit vis-à-vis A + 100

= 100 = 100

Geldlagerhaus

Lager: Gold (Unzen) + 100

(Geldlagerhaus-Schein + 100)

Abschließend soll nun noch die Kreditvergabe im Teilreserve-system illustriert werden (Abb. 4). Es sei angenommen, dass A eine Deposite in Höhe von 100 Goldunzen beim Geldlagerhaus eingelagert hat. Das Geldlagerhaus weist nunmehr den Gold-bestand als Aktivposten in seiner Bilanz aus. Daraufhin vergibt

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das Geldlagerhaus einen Kredit in Höhe von 80 Unzen an B und emittiert dabei gleichzeitig neue Geldlagerhaus-Scheine (Geld).

Abb. 4 Kreditvergabe im Teilreservesystem

Vermögen Bilanz von A Verbindlichkeiten

Gold (Unzen)

Geldlagerhaus-Schein

100– 100+ 100

= 100 = 100

Vermögen Bilanz von B Verbindlichkeiten

Geldlagerhaus-Schein + 100 Verbindlichkeit vis-à-vis Bank

+ 100

= 100 = 100

Vermögen Bilanz des Geldlagerhauses Verbindlichkeiten

Gold von A (Unzen)Kredit an B

+ 100+ 80

Geldlagerhaus-ScheinGeldlagerhaus-Schein

+ 100+ 80

= 180 = 180

Durch die Kreditvergabe steigt die Kredit- und Geldmenge um 80 Geldeinheiten – obwohl die Ersparnis (d. h. der Teil des Ein-kommens, der nicht für Konsumgüter ausgegeben wird), die für eine Kreditvergabe zur Verfügung steht, sich nicht verändert hat (sie beträgt null im obigen Beispiel). Die monetäre Nachfrage übersteigt damit die für Konsum- und Investitionszwecke ver-fügbaren Ressourcen. Das zusätzliche Kreditangebot senkt den Marktzins unter sein natürliches, von der Zeitpräferenz bestimm-tes Niveau und der monetäre Konjunkturzyklus, wie ihn die Ös-terreichische Schule erklärt, nimmt seinen Lauf.

Die umlaufenden Geldlagerhaus-Scheine sind nicht vollstän-dig gedeckt durch die Geld- bzw. Goldmenge. In einem freien

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Marktgeldsystem, in dem sich ein Sachgut, z. B. Gold, als Geld etabliert hat, wäre ein Teilreservebankgeschäft (d. h. eine Reserv-ehaltung von weniger als 100 Prozent der Sichtverbindlichkei-ten) betrügerisch; es würde in gängigen Rechtsordnungen als Straftat zu werten sein.13

Die obigen Illustrationen haben zudem deutlich gemacht, dass sich in einem freien Marktgeldsystem das Bankgeschäft sig-nifikant von der heute gängigen Praxis unterscheiden würde: Das Einlagengeschäft wäre kein Refinanzierungs-, sondern ein Verwahrungsgeschäft; und das Kreditvergabegeschäft würde le-diglich ein Weiterleiten von vorhandenen Geldbeständen sein, würde also nicht zum Vermehren der Geldmenge führen.

Das freie Marktgeldsystem würde die Ursache der Konjunk-turzyklen – ausgelöst durch das künstliche Absenken des Zinses unter sein natürliches Niveau – beseitigen. Die Entwicklung des Kredit- und Geldangebots würde wieder in Übereinstimmung gebracht mit den Prinzipien der freien Marktordnung und zwi-schen Marktzins und natürlichem Zins gäbe es keine politisch induzierten (dauerhaften) Divergenzen.

5. Rückkehr zu freiem Marktgeld

Mises sah früh, dass eine umfassende Reform der herrschenden Staatsgeldordnung unumgänglich sei: “The wavelike movement affecting the economic system, the recurrence of periods of

13 Hoppe, Hülsmann und Block (1998). An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass die Diskussion über die Frage, ob eine Teilreserve von we-niger als 100 Prozent möglich ist/sein darf, nach wie vor nicht abgeschlossen scheint. Während z. B. Hoppe, Hülsmann und Block (1998) und Hülsmann (2003) für eine 100-prozentige Reservehaltung eintreten, stehen ihnen Selgin und White (siehe hierzu z. B. Selgin [1987, 1988], Selgin and White [1996], White [1993], White [1992], White [1989]) gegenüber mit Forderungen nach einer weniger als 100-prozentigen Teilreserve.

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boom which are followed by periods of depression, is the una-voidable outcome of the attempts, repeated again and again, to lower the gross market rate of interest by means of credit expan-sion. There is no means of avoiding the final collapse of a boom brought about by credit expansion. The alternative is only whe-ther the crisis should come sooner as the result of a voluntary abandonment of further credit expansion, or later as a final and total catastrophe of the currency system involved.”14

Der eine Weg ist, die Fehlentwicklungen des staatlich mono-polisierten Geldangebots mit immer mehr Markteingriffen be-heben zu wollen: also auf den Interventionismus mit noch mehr Interventionismus zu antworten. Das würde die Volkswirtschaf-ten jedoch absehbar immer tiefer in das Gestrüpp der Staatsein-griffe führen und früher oder später die bürgerlichen und unter-nehmerischen Freiheitsgrade – und damit die Grundlage für Wachstum und Wohlstand – radikal beschneiden oder gänzlich zerstören.

Der andere Weg ist, das Kredit- und Geldsystem zu privatisie-ren und das Geld wieder zu dem zu machen, was es ursprünglich einmal war: ein Phänomen des freien Marktes. In seiner Voraus-sicht erarbeitete Mises bereits in den frühen Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts einen Vorschlag, um das „entfesselte Papiergeldsystem“ wieder im Gold zu verankern – und damit den Weg zurück zum freien Marktgeld zu ebnen.15 Sein Schüler Mur-ray N. Rothbard (1926–1995) errichtete nachfolgend eine eigene, auf Praxiserfordernisse zugeschnittene Mehrstufen-Strategie.16

14 Mises (1996), S. 572. 15 Mises fügte einen solchen Vorschlag (den er im Jahre 1952 verfasste) als Teil 4

„Monetary Reconstruction“ in die amerikanische Ausgabe von The Theory of Money and Credit aus dem Jahre 1953 ein. Siehe Mises (1981), S. 453.

16 Siehe hierzu Rothbard (2008), S. 263 ff. Weitere Vorschläge für die Rückkehr zu einem freien Marktgeld stammen z. B. von de Soto (2006), S. 715–812; Sennholz (1979); ders. (1985). Für eine kritische Würdigung der Vorschläge siehe Bagus (2008), S. 131–157.

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In einem ersten Schritt wären nach Rothbard die Papiergeld-mengen in einem festen Umtauschverhältnis an die Goldbestän de zu binden, die noch in den Kellern der Zentralbanken lagern.17 Gleichzeitig erhielten die Geldhalter das Recht, ihre Guthaben jederzeit in eine entsprechende Menge Feingold umtauschen zu können. In einem zweiten Schritt könnte das Bankensystem voll-ständig privatisiert und in ein System des Free Banking überführt werden. Das Papiergeld würde einen Anker erhalten und die Marktkräfte könnten frei entscheiden, ob neben Gold auch an-dere Medien als Geld Verwendung finden.

Ein solcher Regimewechsel würde vermutlich einen nicht un-bedeutenden Verlust des Tauschwertes des Geldes zum Vorschein bringen. Denn da sich nicht unbedeutende Goldmengen in pri-vaten Händen befinden, würden auch sie Geldfunktion erlan-gen – möglicherweise zusätzlich auch weitere Edelmetalle. Die gesamte Geldmenge würde also durch die Umstellung (einma-lig) ansteigen und damit auch die Güterpreise. Doch die offen-sichtlich werdenden Verluste für die Halter des Papiergeldes und den auf in Papiergeld denominierten Zahlungsversprechen sind ohnehin bereits unwiderruflich entstanden.

Wird nämlich der Weg in die Deflation gewählt, so werden Sicht-, Termin- und Spareinlagen sowie Bankschuldverschrei-bungen ausfallen, weil diese Verbindlichkeiten nicht mehr (in vollem Umfang) bedient werden können und den Geldhaltern und Investoren Verluste bescheren. Sollten die Zentralbanken die Verluste der Banken durch neu gedrucktes Geld finanzieren, folgt daraus Inflation, die den Geldwert schmälert. Weiten die Regierungen die Staatsverschuldung aus, um den Verlustausweis bei den Banken zu vermeiden, wird die offene Rechnung ledig-lich von der laufenden auf die künftige Generation der Steuer-zahler abgewälzt. Spätestens sie werden mit der Schuldenlast

17 So jüngst auch die Forderung von Reismann (2008); siehe auch ders. (1998), S. 954 ff.

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konfrontiert sein, deren Begleichung man jetzt mit allen Mitteln ausweichen will.

Wie man es auch drehen und wenden mag: Mit dem staat-lichen Papiergeld haben sich die Volkswirtschaften auf einen un-heilvollen Pfad eingelassen, einen Pfad, auf dem sie mit immer mehr Kredit und Geld und immer niedrigeren Zinsen der un-ausweichlichen Bereinigungskrise zu entkommen suchen, die die Geldpolitik des unablässigen Ausweitens von Kredit und Geld zu immer niedrigeren Zinsen unausweichlich gemacht hat. Es wäre trügerisch, von den Kunstgriffen der Regierungen und ihren Zentralbanken eine Lösung für den entstandenen Schaden zu er-hoffen, sodass auf diese Weise ein System des dauerhaft verläss-lichen Geldes geschaffen werden könnte. Um den entstandenen Schaden nicht noch weiter in die Höhe zu treiben, ist eine Re-form der Geldordnung bitter nötig. Das Privatisieren des Geldes drängt sich mittlerweile geradezu auf.

Literatur

Bagus, P.: Monetary Reform and Deflation – A Critique of Mises, Rothbard, Huerta de Soto and Sennholz, in: New Perspectives on Political Economy, Vol. 4. No. 2, 2008, S. 131–157.

de Soto, J. H.: Money, Bank Credit, and Economic Cycles, Ludwig von Mises Institute, Auburn, Alabama 2006.

Garrison, R. W.: Overconsumption and Forced Saving in the Mises-Hayek Theory of the Business Cycle, in: History of Po-litical Economy, Vol. 36, No. 2, 2004.

Hoppe, H.-H./Hülsmann, J. G./Block, W.: Against Fiduciary Me-dia , in: Quarterly Journal of Austrian Economics, vol.1, no. 1, 1998, S. 19–50.

Hülsmann, J. G.: Has Fractional-Reserve Banking Really Passed the Market Test?, Independent Review, vii, no. 3, 2003, S. 399–422.

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Menger, C.: Principles of Economics, New York 1981 [1871].Mises, L. v.: Human Action, A Treatise on Economics, 4th ed., Fox

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1996. Mises, L. v.: The Theory of Money and Credit, New Haven, In-

dianapolis 1981 [1912, 1934].Reisman, G.: Our Financial House of Cards, Mises Daily Article,

March 25, 2008.Reisman, G.: Capitalism, James Books, Ottawa, Illinois 1998.Rothbard, M. N.: The Mystery of Banking, 2nd ed., Ludwig von

Mises Institute, Auburn, Alabama 2008 [1983].Rothbard, M. N.: What Has Government Done to Our Money?,

Ludwig von Mises Institute, Auburn, Alabama 2005 [1963].Rothbard, M. N.: Man, Economy, and State, Ludwig von Mises

Institute, Auburn, Alabama 2004 [1962].

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Zentralbanken als Ursache finanzieller Instabilität

Die jetzige Finanzkrise hat den Jekyll-und-Hyde-Charakter der heutigen Zentralbanken entlarvt. Sie hat unsere absolute Abhän-gigkeit von solchen Banken als Instrumente, die für den kontinu-ierlichen Geldfluss in den Nachwehen der Krise sorgen, deutlich gemacht sowie auch die Möglichkeiten derselben Institutionen, finanzielle Booms zu schüren, die solch schwere Finanzkrisen erst möglich machen.

Trotzdem betonen theoretische Betrachtungen des Zentral-bankenwesens fast ausschließlich dessen stabilisierende Wirkung, d. h. die Rolle der Zentralbanken beim Wachstumsmanagement der nationalen Geldbestände und als Kreditgeber letzter Instanz für in finanzielle (und manchmal in nicht finanzielle) Schwierig-keiten geratene Firmen in Zeiten finanzieller Bedrängnis. Diese einseitige Behandlung der Zentralbanken spiegelt sowohl die normative Art vieler theoretischer Arbeiten zum Thema wieder (d. h. die Tendenz, sich auf das ideale anstatt auf das tatsächliche Verhalten der Zentralbank zu konzentrieren) als auch die nor-malerweise stillschweigende Annahme, dass Zentral banken, seien sie auch noch so weit von einer idealen, finanzstabilisieren-den Politik entfernt, jedenfalls erfolgreich bei der Eingrenzung von Booms oder Krisen wären, die ohne die zentrale Geldkont-rolle noch extremer ausfallen würden.

Ich schlage vor, dass wir diese konventionelle Behandlung einmal infrage stellen und argumentieren, dass Zentralbanken grundsätzlich destabilisierend wirken, d. h. dass die Finanzsys-teme mit ihnen instabiler sind, als sie es ohne sie wären. Um die-ses Argument zu bekräftigen, muss ich in die Geschichte des Zentralbankenwesens einsteigen und erklären, warum Regie-

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rungen die Schaffung destabilisierender Institutionen überhaupt förderten. Auch die moderne Auffassung, Zentralbanken als Ga-rant finanzieller Stabilität anzusehen, muss erläutert werden. Ich hoffe, letztendlich zeigen zu können, dass die moderne Sicht-weise der Zentralbanken als Garant für Geldstabilität in Wirk-lichkeit ein historischer Mythos ist.

1. Die Anfänge des Zentralbankenwesens

Ein objektives Verständnis der makroökonomischen und finan-ziellen Folgen des Zentralbankenwesens erfordert zunächst eine wertfreie Definition des Begriffs „Zentralbank“, d. h. eine Defini-tion, die kein bestimmtes Verhalten zugrunde legt, sei es gut oder schlecht. Die gängigen Definitionen von Zentralbanken in den Lehrbüchern, nämlich Institutionen, die die Inflation bekämp-fen, die Konjunktur dämpfen oder als letzter Kreditgeber fungie-ren, müssen daher abgelehnt werden. Sie sind ein stillschweigen-der Widerspruch, dessen Wahrheitsgehalt infrage gestellt werden muss, und stimmen nicht überein mit dem Verhalten der vielen existierenden Zentralbanken auf der Welt.

Was ist also eine Zentralbank tatsächlich? Sie ist im Grunde eine Bank, die das nationale Monopol inne hat (oder etwas, was einem nationalen Monopol jedenfalls sehr nahe kommt), Pa-piergeldwährung herauszugeben und in Umlauf zu bringen. Ob-wohl vollständige Monopole heute die üblichsten sind, gibt es ein paar Ausnahmen (z. B. Großbritannien, Irland und China), wo (Geschäfts-)Banken auch stark eingeschränkte Privilegien der Währungsemission besitzen.

Das Privileg, Papiergeld auszugeben, war jedoch nicht immer so eingeschränkt. Ganz im Gegenteil: Es wurde einst von allen Banken genutzt, die von dieser Kreditquelle abhängig waren, und zwar zu einer Zeit, als noch keine Einlagen durch Schecks übertragen werden konnten. Obwohl die frühen Zentralbanken

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als „öffentliche“ Banken begannen, die normalerweise nur das Monopol des Bankenwesens für die sie unterstützenden Regie-rungen hatten, während sie wenigstens in begrenztem Ausmaß das Recht zur Währungsausgabe mit anderen Banken teilten, er-hielten sie nach und nach auch das Monopol der Währung. Die Entwicklung zum Zentralbankenwesen in der heutigen Form folgte der Konsolidierung der währungsausgebenden Privilegien der öffentlichen Banken, deren Gründe ich im Folgenden darle-gen werde.

Trotzdem lagen die ersten Schritte zu einem modernen Wäh-rungsmonopol weit vor dem modernen Begriff des Zentralban-kenwesens, das die stabilisierende Rolle der Zentralbanken betont. Die öffentlichen Banken, die später vollwertige Zentralbanken wurden, waren nur zu dem Zwecke gegründet worden, sich um die finanziellen Bedürfnisse ihrer Regierung zu kümmern, näm-lich deren Einlagen und Verbindlichkeiten zu verwalten und ins-besondere kurzfristigen Kreditbedarf abzudecken. Trotz ihrer engen Verbindung mit den nationalen Regierungen, die sie schu-fen, war dieser Prototyp der Zentralbanken ein gewinnmaximie-rendes Unternehmen und wurde als solches eher im Interesse seiner Besitzer gemanagt und nicht im Interesse des größeren Finanzplatzes. Die Ansicht, dass die Privilegien der öffentlichen Banken sie zur Schaffung allgemeiner wirtschaftlicher Stabilität verpflichteten, entwickelte sich erst nach zahlreichen Finanzkri-sen – Krisen, die, wie ich zeigen werde, durch die öffentlichen Banken selbst ausgelöst wurden.

Obwohl sie nicht die erste große öffentliche Bank war (die schwedische Riksbank wurde schon ein Vierteljahrhundert zuvor gegründet), wurde die Bank of England zum Prototyp der „moder-nen“ Zentralbank und war die erste, die zunächst stillschweigend (und widerwillig), danach aber auch offiziell anerkannte, dass sie die Pflicht hatte, andere Finanzunternehmen zu retten, indem sie als letzte Kreditgeberin in Zeiten finanzieller Bedrängnis fun-gierte. Die finanzpolitischen Ursprünge der Bank of England und

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die Sorglosigkeit ihrer Gründer hinsichtlich deren weiterer mak-roökonomischer Folgen wurden 1694 im „Ton nage“-Gesetz deutlich (5 und 6 William & Mary, Kapitel 20, Charter for the Bank of England). Hier wird ihr in der Originalfassung das Recht zugestanden, „den Leuten bestimmte Belohnungen und Vorteile zu sichern, die freiwillig die Summe von 1.500.000 Pfund zur Verfügung stellen, damit der Krieg gegen Frankreich weiterge-führt werden kann“. Andere frühere Zentralbanken hatten ähn-liche Anfänge. Die Bank von Frankreich, beispielsweise, wurde von Napoleon zum ausdrücklichen Zweck gegründet, die Wert-papiere der französischen Regierung aufzukaufen, für die es zum damaligen Zeitpunkt noch keinen Markt gab. Deutschlands Reichsbank, Vorgängerin der jetzigen Bundesbank, entstand aus der früheren Königlichen Berliner Bank, die von Friedrich dem Großen zur Verwaltung der Fonds des Preußischen Staates ge-gründet worden war. Die finanzpolitischen Ursprünge der früh-modernen Zentralbanken werden jedoch oft außer Acht gelas-sen, vor allem von deren Befürwortern; das schließt auch die Zentralbanker selbst ein.1

Die Tatsache, dass die ersten Zentralbanken sich aus öffentli-chen Banken, die aus rein finanzpolitischen Gründen geschaffen worden waren, entwickelt haben, lässt vermuten, dass jegliches Potenzial zur Stabilisierung, das sie besaßen, von ihren Grün-dern nicht beabsichtigt war. Dies könnte einfach bedeuten, dass durch pures Glück die Institutionen, die ursprünglich den engge-fassten finanzpolitischen Zielen der Regierungen dienen sollten, zufälligerweise ideal für wissenschaftliches Krisenmanagement geeignet waren, unter Berücksichtigung der entsprechenden Ver-fassungsänderungen. Ich werde jedoch zeigen, dass die öffent-

1 Auf der Website der Bank von Frankreich heißt es beispielsweise, dass Napo-leon sie gegründet hat, „um nach der schweren Rezession der Revolutionszeit neues Wirtschaftswachstum zu schaffen“. Zu den Ursprüngen der Zentral-banken in Westeuropa und den Vereinigten Staaten siehe Smith (1936).

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lichen Banken selbst die Ursache für Instabilität waren und dass ihr viel gepriesenes stabilisierendes Potenzial im Grunde nicht viel mehr als ein Potenzial der Selbstdisziplin war, dazu auch noch ein recht begrenztes.

2. Das Prinzip des Adverse Clearing

Um die Möglichkeit zu beleuchten, dass die einzigartigen Privi-legien der Zentralbanken zu Instabilitäten geführt haben, müs-sen wir genau betrachten, wie diese Privilegien das Ausmaß der Kreditschöpfung verändern. Im Zuge dessen müssen wir die Grenzen einer solchen Kreditschöpfung in einem wettbewerbli-chen „freien“ Bankensystem betrachten, und zwar einem sol-chen, in dem verschiedene Banken das gleiche Recht genießen, ihre eigenen Noten in Umlauf zu bringen.2 Im Einklang mit dem Umfeld der frühen Entwicklung der Zentralbanken nehme ich an, dass Banken, ob sie nun exklusive Privilegien hatten oder nicht, verpflichtet sind, ihre Noten auf Anfrage in Hartgeld zu-rückzuzahlen, d. h. in Silber- oder Goldmünzen.

In einem freien Bankensystem behandeln Banken die Noten der konkurrierenden Banken genauso wie heute Schecks der konkurrierenden Banken, sie werden nämlich zur Einlösung zu-rückgesandt. In der Tat entwickelte sich die moderne Praxis des Clearings von Schecks (wobei fällige Nettobeträge durch die Übertragung von Geld aus der Geldbasis gewöhnlich auf Bü-chern einer Zentralbank abgerechnet werden) aus der vor-zen-tralbanklichen Praxis eines regelmäßigen Austausches von Noten,

2 Streng genommen ist ein „freies“ Bankensystem, um den Ausdruck im eu-ropäischen Sinne zu gebrauchen, eines, in dem die Banken in der Regel frei von restriktiven Regelungen sind, aber nicht einfach die Freiheit haben, ihre eigenen Banknoten auszugeben. Es sind aber gerade die Auswirkungen der Ausgabe von freien und konkurrierenden Noten, auf die es uns besonders ankommt.

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wobei die Banken andere Noten immer direkt an den Konkur-renten oder an zentrale Clearing-Stellen zurückgaben und dafür Hartgeld erhielten.

Dieser regelmäßige Austausch- und Abrechnungsprozess erlegt der Kreditschöpfung durch einzelne notenausgebende Banken und somit dem gesamten Bankensystem strenge Beschränkungen auf und schafft eine enge Verbindung zwischen diesen Beschrän-kungen und dem verfügbaren Hartgeldbestand. Das innere mo-netäre Gleichgewicht kann in einem solchen System als ein Zustand verstanden werden, in dem die individuelle Kreditver-gabepolitik der Banken in Übereinstimmung mit der langfristigen Nulllinie oder der erwarteten Netto-Reserveabschöpfung steht und die Bankenreserven gerade ausreichen, um eine optimal niedrige Ausfallrate zu gewährleisten, aufgrund von Zufalls-schwankungen der Netto-Reserveabschöpfung um die Nulllinie. Wenn man mit einem solchen Gleichgewicht beginnt und eine unveränderte Nachfrage nach der Geldmenge unterstellt, so wird sich jede Bank, die ihre Bilanz unabhängig von ihren Konkurren-ten erhöht, einem entsprechenden absoluten und relativen An-stieg des Rückflusses ihrer Noten (oder Schecks) durch das Clea-ring-System und einem entsprechenden Nettoverlust an Reserven gegenübersehen, was zu einer unzureichenden Reservedeckung führt, wenn nicht gar sofort zur Zahlungsunfähigkeit. Banken in einem freien Bankensystem gleichen daher aneinandergeketteten Gefangenen: die Flucht eines einzelnen Gefangenen ist unmög-lich und auch für alle zusammen nicht viel aussichtsreicher, denn die Gefangenen würden es schwer haben, ihre Schritte zu koordi-nieren. Je größer die Gruppe, umso schwieriger die Flucht.

An anderer Stelle (Selgin 1988) habe ich diese Kontrolle einer übermäßigen Ausgabe von Bankgeld durch Wettbewerber als Prinzip des Adverse Clearing bezeichnet. Dank dieses Prinzips können sich die Gesamt-Geldmenge und das Gesamtvolumen an Kredit in einem freien Bankensystem nicht so leicht über die Grenzen bewegen, die mit einem stabilen Gesamt-Zahlungsvo-

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lumen konsistent sind. Wenn Banken einmal an dem Punkt sind, an dem ihre Reserven auf ein minimales Vorsichtsniveau gesun-ken sind, können sie nur dann weiter expandieren, wenn die Nachfrage nach ihren Noten oder Einlagen steigt, d. h. wenn der Wert des ausstehenden Flusses ihrer Verbindlichkeiten durch ein Clearing-System (entweder durch Noten oder auf Einlagen ge-zogene Schecks) sich verringert.

Daher kann im System als Gesamtem und unter der Annahme, dass alle Zahlungen mit Bankgeld durchgeführt werden und nicht mit Hartgeld, die Nachfrage nach (Vorsichts-) Reserven als anstei-gend gesehen werden, wenn vielleicht auch nicht ganz proportio-nal, mit einem Zahlungsvolumen MV, wobei M der Bestand an Bankverbindlichkeiten ist und ausstehende Noten und Einlagen-forderungen beinhaltet und V die Umlaufgeschwindigkeit dieses Bestandes oder seine Umschlagrate. Daraus folgt, dass für jeden nationalen Bestand (Angebot) von Hartgeldreserven und realem Zinssatz (welcher die Nachfrage nach Vorsichtsreserven beein-flusst) ein einheitliches Ausgabenniveau entsteht, nämlich (MV)*, bei dem Reserveangebot und -nachfrage im Gleichgewicht sind. Sollte eine Veränderung der öffentlichen Nachfrage nach der Geldmenge (wie eine Veränderung von V zeigen würde) zu einem Ausgabenniveau führen, das nicht mehr mit diesem Gleichge-wicht übereinstimmt, werden die Banken damit reagieren, Kredit zu beschränken oder auszugeben, bis das Gleichgewicht wieder-hergestellt ist. Ganz besonders wird ein Ansteigen von V beispiels-weise zu einem Nachfrageüberhang nach Reserven führen und Banken veranlassen, ihre Kreditvergabe zu reduzieren und damit auch die ausstehenden Verbindlichkeiten, während ein Absinken von V den gegenteiligen Effekt hätte. Diese Auswirkungen des Prinzips des Adverse Clearing sind in Abbildung 1 dargestellt. 3

3 Für weitere Informationen siehe Selgin (1988, S. 37–85), Selgin (1994) und Selgin (2001). Letzteres geht gerade auf die Möglichkeit einer koordinierten Überexpansion ein.

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Die Tendenz eines freien Bankenwesens, die Gesamtausgaben zu stabilisieren, hat den klaren makroökonomischen Vorteil, zur Erhaltung der Gleichgewichtsniveaus von Beschäftigung, Zins-sätzen und Wertschöpfung beizutragen. Sie dient auch dazu, Ver-änderungen des allgemeinen Preisniveaus zu verhindern, ausge-nommen in Verbindung mit Verschiebungen der langfristigen Nachfrage einer Wirtschaft.

3. Internationales monetäres Gleichgewicht

Diese „enge“ Eigenschaft des inneren monetären Gleichgewichts in einem freien Bankenwesen hat auch Auswirkungen auf die Er-haltung des internationalen monetären Gleichgewichts. Im Zu-

Zahlungen R S R D

(MV)*

Reserven

Abb. 1: Reserve- und Ausgabengleichgewicht in einem freien Bankensystem

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sammenhang mit einer internationalen Hartgeldwährung, sa-gen wir Gold, ist eine Bedingung für dieses Gleichgewicht, dass die Kaufkraft (für ein Güterbündel) einer gegebenen Summe an Gold in allen Goldwährungsländern ungefähr gleich sein sollte. „Ungefähr“ deshalb, weil die Preise durchaus voneinander ab-weichen können. Die Höhe der Abweichung zeigt die Kosten für den Import aus dem Ausland an, einschließlich Transportkosten und Zölle. Sollte der Preis des Güterbündels in irgendeinem Land vom Preis in einem anderen abweichen, sowohl nach oben als auch nach unten (auch als Goldpunkte bezeichnet) in Über-einstimmung mit vorgenannten Kosten, so führt die Differenz dazu, dass mehr Güter in das Land importiert und weniger aus dem Land exportiert werden, in dem die Preise höher sind, wobei der Goldfluss dazu dient, das erhöhte Handelsdefizit zu finanzie-ren. Dieser Hume’sche „Preis-Hartgeld-Fluss“ wird letztendlich die gleiche Kaufkraft wiederherstellen, indem Geldknappheit in dem Land gefördert wird, in dem die Güter teurer sind, und Geldwachstum in dem Land, in dem sie billiger sind.

Der Vorteil eines freien Bankenwesens liegt darin, dass die Ge-legenheiten, bei denen der Hume’sche Mechanismus funktionie-ren muss, begrenzt sind, und zwar dadurch, dass ein zu starkes Wachstum von Geld und Kredit im Inland kontrolliert wird, be-vor es so weit kommt, dass die Inlandspreise über den mit dem internationalen Kaufkraftgleichgewicht im Einklang stehenden Wert steigen. Dass dies ein entscheidender Vorteil ist, wird er-sichtlich, wenn wir das Funktionieren eines Zentralbankensys-tems betrachten, in dem der Erhalt des internationalen monetä-ren Gleichgewichts viel eher von langfristigen Korrekturen auf Basis internationaler Hartgeldbewegungen abhängt. Internatio-nale Goldflüsse würden natürlich auch immer noch in einer Welt auftreten, die ausschließlich aus freien nationalen Bankensyste-men bestünde: Der nationale Anteil am Weltbestand der Goldre-serven würde sich verändern, und zwar aus den gleichen Grün-den, aus denen sich der Marktanteil einzelner Banken innerhalb

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eines bestimmten Landes verändert. Diese Flüsse wären allerdings noch kein Anzeichen einer vorausgegangenen grundlegenden Störung des internationalen Gleichgewichts, die durch ein will-kürliches Überangebot an Kredit in einem Land entstanden wäre.

4. Zentralbanken: Kredit-Rattenfänger

Was passiert, wenn man das Privileg, Noten herauszugeben, statt allen oder wenigstens vielen Banken nur einer zugesteht? Für den Tausch im Inland ist Papiergeld in der Regel bequemer als Gold- oder Silbermünzen und wird diesen daher normalerweise vorgezogen. Somit werden Banken, die nicht ihre eigenen Noten herausgeben dürfen, Noten der privilegierten Bank im Bestand halten und wieder herausgeben. Mit anderen Worten werden sie diese Noten tendenziell als überlegenen Ersatz für Hartgeld-reserven behandeln. Daraus ergeben sich zwei wichtige Folgen: Erstens werden die weniger privilegierten Banken (also „Ge-schäftsbanken“) ihr Hartgeld der privilegierten übergeben (daher „Zentralbank“), die somit zum einzigen Verwahrer der nationa-len Hartgeldreserven wird. Zweitens wird die Zentralbank vom Prinzip des Adverse Clearing entbunden. Die Zentralbank ist da-her in der Lage, auf der Grundlage einer sehr schlanken Hartgeld-reserve zu operieren, was eine entsprechend größere „Hebelwir-kung“ des Zentralbankkapitals zur Folge hat. Sie wird auch in der Lage sein, mehr Kredit auszugeben und so das effektive An-gebot von Geschäftsbankreserven erhöhen, ohne eine sofortige innere Abschöpfung von Edelmetallen aus den eigenen Bestän-den befürchten zu müssen.

Die letzten Beobachtungen belegen die wahrgenommenen fi-nanzpolitischen Vorteile der Zentralbanken und somit die Mög-lichkeit der Regierung, sich großzügige finanzielle Unterstüt-zung der Zentralbanken gegen die Gewährung eines Monopols zu sichern. Aber diese finanzpolitischen Vorteile gehen zulasten

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einer größeren makroökonomischen und finanziellen Stabilität, denn die Privilegien, auf denen sie beruhen, machen ein Kredit-wachstum im Inland über nachhaltige Grenzen hinaus wahr-scheinlicher, wobei das Gleichgewicht langfristig durch eine Hartgeldabschöpfung aus dem Ausland wiederhergestellt wird. In anderen Worten hat das Zentralbankensystem die Grundlage für den „klassischen“ Konjunkturzyklus des 19. Jahrhunderts ge-legt.

Um dies zu veranschaulichen, stellen Sie sich einmal eine „ty-pische“ Zentralbank des frühen 19. Jahrhunderts vor, die von der sie unterstützenden Regierung zur Vergabe von zusätzlichen Krediten an diese gedrängt wird. Weil diese Zentralbank vom Adverse Clearing ausgenommen ist, kann sie kurzfristig nicht er-mitteln, ob sie zu viel vergeben hat. Es könnte sogar passieren, dass sie ihre gesamte Hartgeldreserve vergibt, wenn sie nicht oft mit unerwarteten (wenn auch geringfügigen) Schwankungen der Zahlungsbilanz konfrontiert wird. Sie kann auch nicht ohne Weiteres erkennen, ob die Inlandspreise ein Niveau erreichen, das zu einer Abschöpfung von Hartgeld aus dem Ausland führen muss, denn verfügbare Preisstatistiken, sowohl für das Inland als auch international, sind begrenzt und ungenau. Außerdem muss sich eine allgemeine Diskrepanz nicht unbedingt in den Preis-indizes für alle Güterbündel niederschlagen.

Obwohl Geschäftsbanken selbst wie aneinandergekettete Ge-fangene zusammenhängen, ermöglicht die Tatsache, dass die Zentralbank vom Adverse Clearing ausgenommen ist, dass sie die Geschäftsbanken alle wie der Rattenfänger von Hameln anführt und in eine allgemeine Überexpansion führt, indem dem Geld-bestand zusätzliche effektive Geschäftsbankreserven zugeführt werden. Wenn die Zentralbank expandiert, verlagert sich der Re-servebestand nach rechts und das Gleichgewichtsvolumen der Gesamtausgaben (MV) erhöht sich entsprechend (siehe Abbil-dung 1). Unter der Annahme eines gegebenen gesamten Güter-angebots werden die Preise steigen und letztendlich eine externe

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Abschöpfung von Hartgeld von der Zentralbank zur Folge ha-ben. Die Zentralbank läuft somit Gefahr, sofort zahlungsunfähig zu werden und will sich dagegen absichern, indem sie massiv Kredite kürzt. Diese Kürzungen reduzieren die Reserven der Ge-schäftsbanken und zwingen diese, ebenfalls Kürzungen vorzu-nehmen, was zu einer allgemeinen Kreditknappheit führt.

5. Vom Schurken zum Helden: die Ursprünge des klassischen Kreditgebers letzter Instanz

Wenn Zentralbanken tatsächlich der Grund für Instabilität auf den Finanzmärkten sind, wie kommt es dann, dass sie genau als das Gegenteil angesehen werden? Die Begründung liegt zum einen Teil in dem begrenzten Verständnis der modernen Ökono-men von dem Funktionieren der konkurrierenden Währungs-systeme, was sie zu der Annahme verleitet, dass eine solche Konstellation zwingend instabiler sein muss (aufgrund der man-gelnden „Kontrolle“ von zentraler Stelle) als eine monopolisti-sche. Zum anderen Teil liegt es daran, dass das ursprüngliche Konzept eines „Kreditgebers der letzten Instanz“ in einem Geld-system nicht genügend gewürdigt wird.

Die Bank of England war die erste Zentralbank, die die Rolle des letzten Kreditgebers übernahm. Während der Krisen von 1857 und 1866 tat sie dies widerstrebend und auf informeller Ebene. Auf lange Sicht jedoch übernahm sie unter öffentlichem Druck die Pflicht, andere Banken zu retten, die durch Knappheit von Bargeld bedroht, aber ansonsten zahlungsfähig waren.

Der Chefarchitekt dieses neuen Gebildes war Walter Bagehot, heute am bekanntesten als der zweite und berühmteste Heraus-geber von The Economist. Es war Bagehot, der in Lombard Street (1873) beschrieb, was man heute als die Doktrin des „klassi-schen“ Kreditgebers der letzten Instanz bezeichnet, nach der Zentralbanken in Zeiten finanzieller Krisen weiterhin frei Kre-

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dite vergeben sollten, wenn auch zu „saftigen“ Zinssätzen, die Kapital aus dem Ausland anziehen und die Kreditaufnahme von insolventen (im Gegensatz zu nur illiquiden) Banken abschre-cken sollten.

Während viele Ökonomen sich Bagehots Rolle bei der Ent-wicklung der modernen Doktrin des Kreditgebers letzter Instanz bewusst sind, schätzen wenige seine Position als einen der wich-tigsten Kritiker des Zentralbankenwesens. Tatsächlich stellen sich einige sogar vor, dass Bagehot mit seinem Vorschlag, die Bank of England als Kreditgeber letzter Instanz einzusetzen, meinte, die monopolistischen Privilegien noch stärker zu verankern und, zumindest implizit, vorschlug, dass alle Länder ähnliche Institu-tionen gründeten. Nichts könnte jedoch weiter von der Wahrheit entfernt liegen, wie selbst ein oberflächliches Lesen von Lombard Street zeigt. Ganz im Gegenteil: Bagehot glaubte, dass Zentral-banken destabilisierend auf die Finanzmärkte wirken und somit unerwünschte Institutionen waren und dass es wesentlich bes-ser gewesen wäre, wenn England nie eine solche gegründet hätte. Er stellte seinen Kreditgeber letzter Instanz nicht als Ideal in den Raum, sondern als eine Art Erste Hilfe für etwas, was in seinen Augen ein grundlegend ungesundes Arrangement war. Wogegen die gesunde Alternative ein freies Bankenwesen mit vielen He-rausgeberbanken eigener Noten wäre, die ihre eigenen Reserven hielten wie im Schottischen Bankensystem vor 1845.4 England brauchte einen Kreditgeber letzter Instanz nicht, weil es aus Kri-sen durch ein konkurrierendes Bankenwesen gerettet werden musste, sondern um die Schwere der Krisen abzufedern, die eine unvermeidbare Folge der Monopolisierung der Währung waren. Nachfolgend Bagehots eigene Rechtfertigung aus den letzten Sei-ten von Lombard Street:

4 Die gedankenlose Ausweitung des Peel’s Act auf Schottland 1845 löste dort einen Prozess der Währungszentralisierung aus, der immer noch andauert. Zum schottischen freien Bankensystem in seiner Blütezeit siehe White (2009).

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„Ich weiß, dass gesagt werden wird, dass ich in diesem Buch eine schwere Krankheit aufgezeigt habe, aber nur ein oberflächliches Heil-mittel. Ich habe sehr darauf beharrt, dass das natürliche Bankensys-tem eines ist, in dem viele Banken ihre eigene Reserve halten (d. h. Hartgeld) und mit Zahlungsunfähigkeit bestraft werden, sollten sie sich nicht daran halten. Ich habe gezeigt, dass unser System aus einer einzigen Bank besteht, die mit ihrer gesamten Reserve nicht der Ge-fahr der effektiven Zahlungsunfähigkeit unterliegt. Und dennoch schlage ich vor, dieses System beizubehalten und mache nur den Ver-such, es zu kurieren und zu verbessern. Ich kann darauf nur antworten, dass ich für die Erhaltung dieses Systems bin, weil ich mir sehr sicher bin, dass der Vorschlag, es zu ver-ändern, keinen Sinn hätte. Genauso gut könnten Sie versuchen, die englische Monarchie abzuschaffen und durch eine Republik zu er-setzen.“5

Heute scheint es in der Tat so, als ob der Vorschlag, die englische Monarchie abzuschaffen, auf weit weniger Widerstand stoßen würde als die Abschaffung des Monopols der Bank of England für Papierwährung!

Trotz Bagehots deutlicher Ablehnung der Bank of England hat die Nachwelt es geschafft, ihn nicht als einen Gegner des Zentral-bankenwesens darzustellen, sondern eher als einen seiner Ho-henpriester – wenn er von diesem Schicksal wüsste, würde er sich sicher dreimal im Grabe umdrehen. Und so wurde Generationen von monetären Wirtschaftswissenschaftlern – meiner Ansicht nach fälschlicherweise – gelehrt, dass Zentralbanken unabding-bar für Stabilität auf den Finanzmärkten sind. Trotzdem haben die mittlerweile hofierten Zentralbanker selbst dem Mann, der ihr (zugegebenerweise unfreiwilliger) Vorreiter war, wenig Ge-nüge getan und seine Letzte-Instanz-Regel für die Kreditvergabe hauptsächlich nur auf Überschreitungen angewandt.

5 Bagehot 1873, S. 329.

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6. Der Fall USA

Gemäß meiner vereinfachten Ausführungen über die Geschichte des Zentralbankenwesens war die Konzentration von Währungs-ausgaberechten auf favorisierte öffentliche Banken ein wichtiger Grund für Finanzkrisen. Krisen, die wiederum einen Grund da-für lieferten, die Privilegien der öffentlichen Banken zu stärken und auszubauen, während man sie dazu zwang, ihre öffentliche Pflicht als letzter Kreditgeber zu erfüllen.

Der Leser mag jedoch feststellen, dass Finanzkrisen nicht nur auf die Länder beschränkt waren, in denen die Rechte der Wäh-rungsausgabe einer einzelnen Bank zufielen. Insbesondere die Vereinigten Staaten machten eine Reihe von schweren Krisen durch – 1873, 1884, 1893 und 1907 – bevor sie sich für ein Zent-ralbankensystem in Form des Federal-Reserve-Systems ent-schieden, das 1914 gegründet wurde. Das US-Beispiel mag daher meiner Behauptung widersprechen, dass Zentralbanken rich-tigerweise als destabilisierende und nicht als stabilisierende Ins-titutionen angesehen werden.

Aber der Widerspruch ist mehr scheinbar als wirklich. Zu-nächst einmal sind die großen Finanzkrisen der Federal-Reserve-Ära – 1920 bis 1921, 1929 bis 1933, 1937 bis 1938, 1980 bis 1982 und die jüngste von 2007 bis 2009 – in fast jeder Weise eher schwerer denn leichter gewesen als die zwischen dem Bürger-krieg und dem Ersten Weltkrieg, selbst wenn man die ziemlich schwere Inflation von 1917 bis 1920 und 1973 bis 1980 außer Acht lässt. Noch wichtiger ist, dass man zeigen kann, dass die Krisen vor dem Federal-Reserve-System noch durch Regeln ver-schärft, wenn nicht sogar verursacht wurden, die ursprünglich die finanzielle Belastung der Union6 durch den Krieg erleichtern sollten. Daher ist der Fall der USA ein besonderes Beispiel für das

6 Bezeichnung für die US-Bundesregierung im Bürgerkrieg, die von 23 Nord-staaten unterstützt wurde, Anm. d. Übersetzerin.

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allgemeine Muster, unter dem das Zentralbankenwesen sich als ungeplantes Nebenprodukt durch das Eingreifen der Regierung in die freie Entwicklung der nationalen Finanzinstitutionen, das auf finanziellen Interessen beruhte, entwickelt hat.

Das Eingreifen war teilweise auf die Bürgerkriegsgesetzge-bung zurückzuführen, die die Geschäftsbanken bei der Heraus-gabe eigener Noten einschränkte.7 Nationale Banken durften nur dann ihre eigenen Noten herausgeben, wenn jeder Dollar durch 1,10 US-Dollar Bundesobligationen gedeckt war, wäh-rend die staatlichen Banken gezwungen waren, sich gänzlich vom Währungsgeschäft zurückzuziehen. Dies beruhte auf einer Sperrsteuer gegen ihre in Umlauf befindlichen Noten, begin-nend im August 1866. Das Ergebnis dieser kombinierten Re-gelungen war ein Gesamtbestand an Papierwährung, der sich am verfügbaren Bestand an Regierungswertpapieren orientierte. Seit den späten 1870er-Jahren, als die Regierung reguläre Haus-haltsüberschüsse zur Tilgung bestehender Verbindlichkeiten verwandte, schrumpfte der bankfähige Reservebestand für die Deckung nationaler Banknoten, ebenso der Gesamtbestand sol-cher Noten, bis 1891 letzterer Bestand wertmäßig nur halb so groß war wie ein Jahrzehnt zuvor. Die Regelungen verhinder-ten auch, dass der Währungsbestand sich einem saisonalen

7 Die berüchtigtsten anderen Formen der Intervention waren Beschränkungen des Filialbankenwesens seitens der Regierungen, die durch ein allgemeines Verbot der Filialbildung sowohl inner- als auch außerhalb des Staatsgebietes eine immer stärker dezentralisierte, unterkapitalisierte und zu schlecht diver-sifizierte Bankenindustrie hervorbrachten, während „Landes-“banken gez-wungen waren, auf Korrespondenzbanken zurückzugreifen, um auf den New Yorker Geldmarkt zu gelangen. Dieses System hatte zur Folge, dass Hartgeld-reserven sich in New York konzentrierten, genauso wie sie sich tendenziell bei anderen privilegierten Banken anderswo ansammelten, mit einer ähnlichen Tendenz zu übermäßigen Hebeleffekten der verfügbaren Barreserven wäh-rend eines Booms und entsprechend negativer Hebelwirkung während der Abschwünge.

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Anstieg der Währungsnachfrage anpassen konnte. Trotzdem wuchs die US-Wirtschaft und die saisonale Nachfrage nach Währung stieg normalerweise während der Erntezeit drastisch an, d. h. zwischen August und November jedes Jahres. Unter diesen Umständen überrascht es kaum, dass die USA häufig von Krisen heim gesucht wurden und dass alle diese Krisen mehr oder weniger schwere Knappheiten an Papiergeld mit sich brachten.

Kanadas Erfahrung, auf der anderen Seite, straft die Behauptung Lügen, dass die USA die Krisen einfach hätten beenden kön-nen, indem sie das Währungssystem noch stärker zentralisierten. Kanadische Banken konnten, im Gegensatz zu denen in den USA, Noten auf das gleiche Vermögen herausgeben, das ihre Ein-lagenverbindlichkeiten sicherte. Demnach waren sie bestens in der Lage, sowohl langfristigen als auch saisonalen Veränderun-

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Abb. 2: Nationale (linke Skala) und kanadische (rechte Skala) in Umlauf be-findliche Banknoten, 1880 bis 1900.

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gen der Nachfrage nach Währung nachzukommen. Abbildung 2 zeigt den Verlauf von Kanadas gut funktionierender Banknoten-währung, die nur durch freie Marktkräfte geregelt wurde, neben den an Regelungen gebundenen der nationalen US-Banknoten von 1880 bis 1900. Jedem, der sich einigermaßen mit Mustern der Währungsnachfrage auskennt, muss die Überlegenheit des weniger regulierten Systems ins Auge fallen. Betrachtet man Ka-nadas äußerst erfolgreiches System, das allen Vorkriegskrisen trotzte, denen die USA unterlagen, und die Leistung der Federal Reserve selbst, so scheint die Zuwendung der USA zum Zentral-bankenwesen im Jahr 1914 noch nicht mal als die „zweitbeste Lösung“.8

7. Der Weg zum immateriellen Zwangsgeld (Fiat Money)

Bagehots Kreditgeber der letzten Instanz als ein Mittel zu verste-hen, um Krisen zu vermeiden und die internationale Goldwäh-rung zu bewahren, erwies sich als falsch. Die Krisen dauerten an und verschärften sich sogar, teils, weil die Regeln für die Kredit-vergabe in letzter Instanz oft verletzt wurden, teils aber auch, weil eine solche Kreditvergabe allein massive Veränderungen der Kre-ditkonditionen und die damit verbundene Unterbrechung der

8 Für detaillierte Informationen siehe Breckenridge (1895). Obwohl zahlreiche gesetzgeberische Versuche gemacht wurden, hauptsächlich zwischen 1893 und 1907, um das US-Währungssystem nach kanadischem Muster zu refor-mieren (Anlagenwährung), blieben sie alle erfolglos, hauptsächlich wegen des (gut begründeten) Irrglaubens der Reformer, dass eine Anlagenwährung mit Filialbankenwesen kombiniert werden müsse, wenn sie „elastisch“ genug sein sollte. Daher waren ihre Vorschläge radikal und wurden erfolgreich von etab-lierten Einzelbankern blockiert. Erst nach diesen fruchtlosen Versuchen, das US-Währungssystem zu deregulieren, kamen die Reformer auf die Idee, sich für eine „zentrale Reservebank“ als Alternative einzusetzen.

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Goldzahlungen allenfalls mindern aber nicht eliminieren konnte, die aus dem vorigen Fehlverhalten der Zentralbank entstanden waren. Letztendlich wurde deutlich, dass die internationale Gold-währung und das Zentralbankenwesen unvereinbare Systeme waren, von denen eins abgeschafft werden musste.9

Das Abschaffen der internationalen Goldwährung (zeitweilig bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs und permanent zu Zeiten der Großen Depression) markierte das Ende der „klassischen“ Finanzkrisen: Es gab keinen Hume’schen Preis-Hartgeld-Fluss mehr, der die nationalen Geldsysteme, die kurzfristig über ihre Grenzen gegangen waren, wieder ins Gleichgewicht brachte. Das immaterielle Zwangsgeld ermöglichte den Banken stattdessen, ohne klare Beschränkungen dauerhaft und ungestraft zu expan-dieren, allerdings auf Kosten einer andauernden Inflation. Diese neuen Umstände beendeten oder milderten die Finanzkrisen je-doch auch nicht. Sie veränderten nur die Art der Krisen. Das frü-here Hume’sche Denouement, in dem Zentralbanken gezwungen waren, Kürzungen durch Abschöpfungen der Reserven aus dem Ausland vorzunehmen, wurde durch einen feineren Wendepunkt-mechanismus ersetzt, der aus der Tendenz der Faktorpreise be-stand (welche während eines Booms an die anderen Preise ge-bunden sind), um wieder aufzuschließen, wobei die Zinssätze stiegen, inflationsbasierte Gewinne eliminiert wurden und da-mit verbundene Vermögenspreisblasen bloßgelegt und zerstört wurden. Solche „postklassischen“ Krisen sind heute nicht selte-ner als die klassischen aus dem 19. Jahrhundert. Sie sind auch gleichermaßen dem Missmanagement des Geldes durch die Zentralbanken zuzuschreiben.

Doch während die Herausgabe von immateriellem Zwangs-geld die Zentralbanken nicht daran gehindert hat, Aufschwünge und Krisen zu verursachen, hat sie die Möglichkeit einer grund-legenden Reform erheblich verkompliziert. Denn anders als eine

9 Redish 1993.

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Gold- oder Silberwährung muss ein immaterielles Zwangsgeld monopolistisch verwaltet werden, wenn es seinen Wert behalten soll. Handelsbanken die Herausgabe von Noten zu erlauben, die selbst in immateriellem Zwangsgeld rückzahlbar sind, wird, un-abhängig von den Vorteilen einer solchen Politik, allein nicht verhindern, dass die immaterielles Zwangsgeld ausgebende Be-hörde Krisen auslösen kann.

Trotzdem ist es wichtig, dass die Menschen erkennen, wie wir in die jetzige Sackgasse geraten sind, damit sie ihr grundlegend romantisches Bild von der Zentralbank revidieren und sie statt-dessen, wie Walter Bagehot dies einst tat, als grundsätzlich gefähr liche Institution ansehen, und zwar als eine, die noch drin-gender Beschränkungen und Kontrolle benötigt, als das zu Bage-hots Zeit der Fall war.

Literatur

Bagehot, W.: Lombard Street: A Description of the Money Mar-ket, London 1873: Henry S. King.

Breckenridge, R. M.: The Banking System of Canada 1817–1890, New York 1895.

Redish, A.: Anchors Aweigh: The Transition from Commodity Money to Fiat Money in Western Economies, 1993.

Selgin, G.: The Theory of Free Banking: Money Supply under Competitive Note Issue, Totowa, NJ 1988.

Selgin, G.: Free Banking and Monetary Control, The Economic Journal 104 (427), 1994, 1449–1459.

Selgin, G.: In-Concert Overexpansion and the Precautionary Demand for Bank Reserves, Journal of Money, Credit, and Banking, 2001.

Smith, V.: The Rationale of Central Banking, London 1936.White, L. H.: Free Banking in Britain: Theory, Experience and

Debate 1800–1845, 2nd ed., London 2009.

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ANDREAS HOFFMANN UND EKKEHARD A. KÖHLER

Ursachen und ordnungspolitische Konsequenzen der Finanzkrise

1. Einleitung

Wenn – bei allen Kontroversen und emotionalen Ausuferun-gen – die öffentliche Diskussion über die Finanzkrise überhaupt auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht werden kann, so auf den, dass die Finanzkrise auf die Gier der Manager und Bankiers zurückzuführen sei. Gleichwohl ist man sich aus wis-senschaftlicher Perspektive weitgehend darüber einig, dass für die Entstehung spekulativer Übertreibungen zwei Vorausset-zungen erfüllt sein müssen: Erstens muss reichlich Liquidität vorhanden sein, die den Nährboden für Übertreibungen bildet. Zweitens müssen die Investoren hohe, d. h. überdurchschnitt-liche, Renditen in einem spezifischen Markt erwarten.1

Entlang dieser Kriterien erklären wir im ersten Teil dieses Bei-trags die Entstehung der Finanzkrise als Folge geldpolitischer Stimulationen (Liquidität) und institutioneller Fehlanreize (po-sitive Erwartungen) für Investitionen auf dem US-Immobilien-markt. Dazu beschreiben wir die geldpolitische Entwicklung in den Vereinigten Staaten seit dem Jahr 2000 sowie deren Beitrag zur Entstehung der Immobilienmarktblase.

In einem zweiten Teil werden die internationale Konversion

1 Hayek (1929) und Minsky (1986) stellen auf ähnliche Gesetzmäßigkeiten zur Entstehung von Finanzmarktkrisen ab. Wenngleich beide Ansätze als monetäre Überinvestitionstheorien bezeichnet werden dürfen, unterscheiden sie sich hin-sichtlich des zu erwartenden Verlaufs der Krise. Zudem folgern Hayek und Min-sky gegensätzliche Implikationen für die Politik. Siehe hierzu Schnyder (2002).

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zur akkomodativen Geldpolitik und deren Auswirkungen auf die Kapitalmärkte beschrieben. Daraufhin wird ausgehend vom Platzen der US-Immobilienblase der Ausbruch der Finanzkrise kurz umrissen. Schließlich werden die staatlichen Reaktionen auf die Krise dargestellt.

Im dritten Teil der Arbeit fragen wir nach alternativen geldpo-litischen Handelnsregeln, um eine erneute Blasenbildung durch die Veränderung der geldpolitischen Regeln zu verhindern. Dazu stellen wir ordnungsökonomische Perspektiven zur Neuordnung des Geldwesens vor. Abschließend folgt ein kurzes Resümee.

2. Die Entstehung der Immobilienblase in den USA

Im ersten Teil dieses Kapitels stellen wir die geldpolitische Ent-wicklung in den Vereinigten Staaten dar. Zur Erklärung der Geld-politik gehen wir auf die Änderung im wissenschaftlich-mone-tären Diskurs ein. Im zweiten Teil dieses Kapitels werden wir die Auswirkungen der übermäßigen Bereitstellung von Liquidität auf dem US-Immobilienmarkt erläutern.

2.1 Die US-Geldpolitik seit der Jahrtausendwende

Nach dem Platzen der Internetblase 2000/2001 wurde die Politik der Federal Reserve darauf ausgerichtet, eine drohende Rezession der US-Realwirtschaft zu vermeiden. So stellte die amerikani-sche Zentralbank dem Markt mithilfe starker Zinssenkungen günstige Liquidität bereit und senkte dazu den Leitzins innerhalb weniger Monate bis auf ein Prozent (Abb. 1). Infolgedessen frag-ten die Banken mehr Liquidität bei der Zentralbank nach und weiteten das Kreditgeschäft aus. Dadurch wuchs die Geldmenge2 von 2001 bis 2004 um jährlich durchschnittlich 10 Prozent.

2 Die Rede ist von der Geldmenge, die die Kreditaggregate der Banken einschließt.

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Wenn man den Aussagen der Quantitätstheorie folgt, wirkt sich eine solche Geldmengenentwicklung entweder auf das Wachs-tum des Bruttoinlandsproduktes oder der Konsumentenpreisin-flation aus, sofern die Geldnachfrage stabil ist. Doch sowohl das Wachstum als auch die Entwicklung des Konsumentenpreis-niveaus verhielt sich bei jährlich ca. drei Prozent bzw. zwei bis drei Prozent moderat. Demnach stieg die Geldnachfrage zu den niedrigen Zinsen. Der steigenden Geldnachfrage stand also eine Ausweitung des Geldangebots gegenüber. Da ein steigender In-flationsdruck nicht ersichtlich war, hielt die Federal Reserve den Zins niedrig, um das Wachstum zu stützen und die Rezessions-gefahr zu verringern.

Nach dem sogenannten Jackson Hole Consensus nehmen zu-dem US-Zentralbanker und führende Wissenschaftler3 Spekula-tionsblasen in Vermögenswerten in Kauf, um die Wirtschafts-tätigkeit zu stimulieren. Die Übereinstimmung von Jackson Hole bestand darin, dass Blasen nicht zum Platzen gebracht werden sollten, weil diese schwer identifizierbar sind und platzende Bla-sen die gesamte Volkswirtschaft gefährden könnten. Lediglich beim Platzen einer Blase sollte die Fed einschreiten und die Re-kapitalisierung des Finanzsektors gewährleisten.4

Diese Geldpolitik hatte weitreichende Folgen. Wenngleich sich die Geldmengenentwicklung nicht im Niveau der Konsumenten-preise wiederfand, reagierten doch Vermögenswerte wie Aktien oder Immobilien auf die Erhöhung der Geldmenge.5 Diese fanden jedoch keinen Eingang in die geldpolitische Funktion der Zentral-bank, sodass die Federal Reserve die Zinsen niedrig hielt, obwohl die Geldmenge zwischen 2003 und 2007 explodierte. Erst ab Mitte 2004, als sich die Geldmengenexpansion in steigenden Konsu-mentenpreisen niederschlug, erhöhte die Fed den Zins wieder.

3 Woodford, Svensson, Blinder, Reis, Mishkin et al.4 Blinder und Reis 2005, S. 67.5 Aladid und Detken 2007, Borio 2008.

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Mit der Liquiditätsausweitung in den USA zwischen 2001 und 2005 war die erste Voraussetzung für das Entstehen einer speku-lativen Übertreibung erfüllt.6

2.2 Der Boom im US-Häusermarkt

Positive Erwartungen treffen auf institutionelle Anreize für einen Boom

Die günstigen Liquiditätsbedingungen der Federal Reserve nach 2001 erhöhten die Rentabilität von Investitionen in den USA. Die zweite Voraussetzung für eine Übertreibung sind positive

6 Hayek 1929, Minsky 1986.

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Quelle: IWF, IFS 2009.

Abb. 1: Zinsen und Konsumentenpreisinflation in den USA

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Erwartungen.7 Zu dieser Zeit waren diese im US-Aktienmarkt nicht gegeben.8

Allerdings stiegen die US-Häuserpreise bereits seit Mitte der 1990er-Jahre schneller als das allgemeine Preisniveau. Diese Ent-wicklung stellte sich auch nach dem Platzen der Internetblase als „wachstumsrobust“ heraus.9 Die Erwartungen in diesen Markt stiegen vor allem durch die fiskalpolitische Unterstützung und die günstigen institutionellen Rahmenbedingungen für Investitionen weiter an. So sind in den USA Steuerabschreibungen auf Immo-bilienfinanzierungsaufwendungen möglich. Auch der allgemeine Zugang zu günstigen Hypotheken wird durch die staatlich geför-derten Finanzierungsgesellschaften begünstigt. Für die Strukturie-rung und Bündelung der Hypotheken in sogenannten Mortgage Backed Securities (MBS), die als Anlageprodukte an Dritte – zu-meist institutionelle Kunden – im Investmentbankinggeschäft verkauft werden, übernahmen die staatlich geförderten Gesell-schaften zudem das Ausfallrisiko, sodass mehr als die Hälfte aller in den USA emittierten MBS staatlich garantiert wird.10

Des Weiteren trugen institutionelle Rahmenbedingungen, wie der umstrittene Community Reinvestment Act und eine laxe Wert-papieremissionsaufsicht zu hohen Renditeerwartungen auf dem US-Immobilienmarkt bei. Damit waren beide Voraussetzungen für das Entstehen einer Blase im Häusermarkt erfüllt.

Der Boom im US-Häusermarkt

Vor diesem Hintergrund stieg die Nachfrage nach Immobilien und Krediten stark an. Die Banken fragten mehr Geld bei der Zentralbank nach. Diese Geldnachfrage wurde zu günstigen Zin-

7 Minsky und Hayek. 8 Case und Shiller 2003. 9 McCarthy und Peach 2005.10 Jaffee 2008.

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sen bedient, sodass die Finanzinstitute die Möglichkeit hatten, die Kredit- und Hypothekenmarktzinsen bis zum Jahr 2005 auf das historisch niedrigste Finanzierungsniveau von sechs Prozent abzusenken (Abb. 2), obwohl die Kreditnachfrage zunahm.

Da das Immobilienangebot aufgrund der geringen Umschlags-häufigkeit kurzfristig unelastisch war, stiegen die Preise schneller als zuvor. Steigende Hauspreise wirkten sich wiederum auf das Kreditvergabeverhalten der Banken aus. So begünstigte die starke Nachfrage nach Immobilien auch die Kreditschöpfung der Ge-schäftsbanken und erhöhte die Geldnachfrage bei der Zentral-bank. Vom Jahr 2000 an verdoppelten sich die Kaufpreise für Häuser binnen fünf Jahren.

Außerdem beschleunigten neu entstandene Verbriefungsin-strumente die Aufwärtsspirale von Kreditvergabe und US-Häu-serpreisen (Innovationen im Sinne von Minsky). Wohnbaukre-dite wurden in gepoolter Form als sichere Investitionen mit AAA-Ratings bewertet und weiterverkauft. Damit hatten die Banken die Möglichkeit, die Ausfallrisiken ihrer Hypotheken-marktgeschäfte aus den Bankbilanzen zu nehmen und an Dritte weiterzugeben. Käufer fanden sich für AAA-bewertete Wert-papiere schnell.11

11 Die Bewertung verbriefter Kredit- und Hypothekenrisiken wird von privaten Unternehmen ausgeführt.

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Diese Weitergabe von Forderungen aus Hypotheken- und Kre-ditgeschäften dehnte den finanziellen Spielraum der Hypothe-kenfinanzierer und der beteiligten Geschäftsbanken weiter aus. Er bildete die Finanzierungsgrundlage für neue Kreditgeschäfte. Diese neue Situation antizipierten die Banken durch eine Aus-weitung der Kreditlinien auf Kreditnehmer, die eine geringere Bonität aufwiesen und vorher nicht als Kreditnehmer infrage ge-kommen wären. Das so entstandene Subprime-Segment wurde gezielt bedient und bildete bald einen Großteil der Neukredite.12

Die hierzu gewährten Kredite wurden später auch als Ninja Loans (No Income, No Job or Asset) bezeichnet, deren Werthal-tigkeit allein vom Preisanstieg im Häusermarkt abhing. Beson-ders beliebt waren dabei Darlehen mit flexiblen Zinsen. Häufig

12 Osman 2007.

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Abb. 2: Durchschnittlicher Hypothekenzinssatz in den USA von 1990 bis 2006

Quelle: Office of Federal Housing Enterprice Oversight, Zins bei 30-jähriger Laufzeit.

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waren diese so strukturiert, dass die Zinszahlungen zu Beginn der Laufzeit gering waren (die sog. „Teaser-Rate“) und erst nach einigen Jahren auf den marktüblichen Satz erhöht wurden. So-lange der Hauspreis stieg und die Zinszahlungen moderat waren, verbesserte sich bei allen Hypothekendarlehen das Verhältnis von Kreditsumme zu Immobilienwert.

Der Verlauf des Case-Shiller-Hauspreisindex, der die Entwick-lung der Hauspreise in den bedeutendsten Metropolregionen der USA darstellt, verdeutlicht den oben beschriebenen Boom (Abb. 3). Gleichzeitig stieg die Eigenheimquote zwischen den Jahren 2000 und 2006 von 67 auf über 69 Prozent (ein Allzeit-hoch).

Der Boom auf dem Häusermarkt wirkte sich mittelbar auch auf die Gesamtwirtschaft aus: Solange die Zinsen niedrig waren und die Häuserpreise stiegen, verbesserte sich die Vermögenssi-tuation der „Häuslebesitzer“. Damit stiegen die Kreditwürdigkeit

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Abb. 3: Case-Shiller-Hauspreisindex 1990–2008

Quelle: Standard & Poors 2008, Composite 10.

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und die Konsumfähigkeit der Amerikaner, was schließlich zur Stimulation der Wirtschaft und zur Beschleunigung der Fehl-allokation in der Realwirtschaft bei einem höheren Verschul-dungsgrad der Haushalte beitrug.

3. Die weltweite Geldmengenexpansion und ihre Auswirkungen

Nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in allen wichtigen Volkswirtschaften wurde die Geld- und Währungspolitik nach 2001 auf die Vermeidung einer Rezession bzw. Förderung von Wachstum ausgerichtet. Infolgedessen waren günstige Refinan-zierungsmöglichkeiten auf dem internationalen Kapitalmarkt verfügbar, die das Wachstum weltweit anschoben. Im Folgenden stellen wir die geld- und währungspolitischen Entwicklungen in Ostasien (insbesondere China) und Europa nach 2001 dar. Da-raufhin werden die Implikationen dieser Politik für die Kapital-märkte verdeutlicht.

3.1 Ostasien

Viele der ostasiatischen Zentralbanken (insbesondere China) koppelten ihre Währungen in den 1990er-Jahren an den US-Dollar. Diese Wechselkursbindung erscheint aus zwei Gründen sinnvoll: Erstens sind die USA der Haupthandelspartner der Ost-asiaten. Da diese nicht über internationale Reservewährungen verfügen, wurden Transaktionen ohnehin in US-Dollar abgewi-ckelt. Und zweitens garantiert ein fixierter Wechselkurs den Wert durch bereits akkumulierte Reserven. Es ist deshalb häufig von einem Welt-Dollarstandard die Rede.13

Durch die Wechselkursfixierung importierten diese Volks-

13 McKinnon und Schnabl 2004, 2009.

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wirtschaften die US-Geldpolitik. Die expansive US-Geld- und Fiskalpolitik nach 2001 hat den Konsum in den USA angeheizt. Zusätzlich brachte sie den US-Dollar unter Abwertungsdruck. Um den Wechselkurs stabil zu halten, mussten die ostasiati-schen Zentralbanken durch den zusätzlichen Ankauf von US-Dollar und den Verkauf der eigenen Währung auf dem Devisen-markt intervenieren (Abb. 4). Dabei verfolgten die Ostasiaten eine Unterbewertungsstrategie, um ihren Export zusätzlich zu stimulieren.14

Da die Ostasiaten die akkumulierten Reserven und Erspar-nisse aus den Exportgeschäften vor allem in US-Staatsanleihen anlegten, stellten sie den Finanzinstituten zusätzliche Liquidität zur Verfügung, die den langfristigen Zins in den USA absenkte. Der Geldschöpfungsprozess in den USA wurde damit von der monetären Auswirkung der exportinduzierten Wachstumsstra-tegie der Ostasiaten zusätzlich verstärkt. Bernanke (2005) sieht in dieser Savings glut aus Ostasien die Hauptursache für globale Ungleichgewichte und Übertreibungen. Die Kapitalimporte aus Ostasien beschleunigten den Hypothekenmarktboom, weil die zunächst absorbierte Geldmenge der Ostasiaten über den Kauf von US-Staatsanleihen wieder im Markt verfügbar wurde. Der Nährboden für Übertreibungen vergrößerte sich.15

Im Boom profitierten beide voneinander. Die USA profitier-ten durch die günstige Situation für den Finanzsektor und die Ostasiaten durch die Möglichkeiten, Industrieprodukte zu ex-portieren. Abb. 5 verdeutlicht den Boom in den ostasiatischen Ländern am Beispiel der Aktienpreisentwicklung von China.

14 Siehe Bretton-Woods-II-System von Dooley und Folkerts-Landau 2004.15 Erste Voraussetzung nach Minsky und Hayek.

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Abb. 4: Entwicklung der Devisenreserven

Quelle: IWF, IFS 2009.

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00Abb. 5: Internationale Aktienpreisentwicklung

Quelle: IWF, IFS 2009 und Ecowin 2009.

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3.2 Europa

Bis 1999 gestand die Deutsche Bundesbank der Geldmengenent-wicklung eine zentrale Bedeutung beim Erreichen der Geldwert-stabilität zu. Mit der Übernahme der Geldpolitik durch die Euro-päische Zentralbank verlor die Geldmenge an Bedeutung. Anstatt wie bei der Bundesbank auf eine Geldmengensteuerung abzustel-len, wurde nunmehr das geldpolitische Instrumentarium auf das Erreichen des Konsumentenpreisinflationsziels unter, aber nahe zwei Prozent ausgerichtet. Die europäische Geldpolitik näherte sich der amerikanischen Geldpolitik an.

Ein Grund für die Abkehr von der Friedman’schen Geldmen-gensteuerung liegt in der empirischen Beobachtung, dass das Niveau der Konsumentenpreise trotz schnellen Geldmengen-wachstums in den 1990er-Jahren weitgehend stabil blieb. Daher wurde der monetaristisch geprägte Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Preisentwicklung im wissenschaftli-chen Diskurs angezweifelt.16 De Grauwe und Polan17 gehen noch weiter, indem sie behaupten, dass das Geldmengenwachstum keinen Einfluss auf die Entwicklung des Preisniveaus habe, da die Geldnachfrage nicht konstant sei. Bei einer steigenden Geld-nachfrage bzw. fallenden Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, kann die Geldmenge schneller steigen als unter der Friedman-Regel. Da die Geldmenge nicht mehr als relevanter Indikator für zukünftige Preisentwicklungen angesehen wird, sollte daher die gegenwärtige Entwicklung des Preisniveaus und die Entwick-lung des BIP als Indikator für zukünftige Preisentwicklungen he-rangezogen werden.18

Im Juni 2001 senkte die Europäische Zentralbank den Haupt-refinanzierungszinssatz, um auf Deflationsgefahren zu reagie-

16 Estrella und Mishkin 1997.17 2005.18 Gerlach und Svensson 2002 sowie Stock und Watson 2002.

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ren, die sich im Norden der Währungsunion abzeichneten. Ähn-lich wie in den USA waren die Realzinsen fortan über einen län-geren Zeitraum hinweg negativ (Abb. 6).19 Die Geldmenge im Euroraum stieg zwischen 2002 und 2006 ebenfalls um jährlich ca. zehn Prozent. In Anbetracht dieser Liquiditätsentwicklung war auch in der Europäischen Wahrungsunion die notwendige Vorraussetzung für Vermögenspreisblasen erfüllt.

In Europa begünstigte das niedrige Zinsniveau zudem Kapital-zuflüsse in die aufstrebenden Märkte Mittel- und Osteuropas, insbesondere in die baltischen Staaten und Bulgarien, die ihren Wechselkurs zum Euro stabilisierten und höhere Investitions-

19 Unter den Realzinsen verstehen wir die realen Refinanzierungszinssätze der Geschäftsbanken, die als kalkulatorischer Zinsfuß für das Kredit- und Inves-titionsgeschäft der Geschäftsbanken herangezogen werden.

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Abb. 6: Parallele Realzinsentwicklung in den USA und der Eurozone

Quelle: IWF, IFS 2009.

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renditen als in der Eurozone aufwiesen. Ähnlich wie in Ostasien stiegen in diesen Ländern die Devisenreserven stark an (Abb. 4). Auch in Mittel- und Osteuropa sind die Aktien- und Immo-bilienpreise förmlich explodiert (Abb. 5). Die Kapitalzuflüsse spiegelten sich in hohen Leistungsbilanzdefiziten und Über-investitionen auf den Immobilienmärkten wider.20 Während Ostasien und Osteuropa die dynamischsten Wachstumsraten verzeichneten, waren auch in zahlreichen aufholenden Volks-wirtschaften ähnliche Entwicklungen zu erkennen. Dies gilt insbesondere auch für die Rohstoff exportierenden Länder, die von rasant steigenden Rohstoffpreisen profitierten (Russland, Brasilien).

3.3 Die Auswirkungen auf den Kapitalmarkt

Nicht nur die Ostasienstaaten und Europa, sondern auch Japan, Russland und die meisten anderen G20-Staaten ordneten sich dem Ziel der günstigen Liquiditätsbereitstellung unter. Als Re-sultat der weltweiten geldpolitischen Expansionen war das reale Weltzinsniveau nach 2001 für lange Zeit nahe null. Dieser Ent-wicklung der Refinanzierungssituation begegneten die Geschäfts-banken mit der Ausweitung ihres Investitions- und Kredit- bzw. Finanzierungsgeschäfts.

Auf der Suche nach attraktiven Renditeprodukten wurden asia-tische und europäische Geschäfts- und Investmentbanken auf die verbrieften Forderungen auf Zahlungen der US-Hausbesitzer aufmerksam. Diese Produkte erschienen wenig riskant und den-noch lukrativ, da sie einen deutlich über dem Marktzins liegen-den Ertrag bei besten Produktratings versprachen. Die internati-onale Nachfrage nach diesen Investmentprodukten intensivierte deren Emission nicht zuletzt deshalb, weil die US-Banken so einen Weg gefunden hatten, durch den Verkauf der zugrunde liegenden

20 Hoffmann und Schnabl 2008.

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Risiken bei der Kreditvergabe weniger auf Zentralbankliquidität angewiesen zu sein. In einer Welt steigender Vermögenspreise konnten Unternehmen zudem mehr Fremdkapital aufnehmen, da ihre Aktivseite durch die Vermögenspreis-Hausse von Bilanz-stichtag zu Bilanzstichtag verlängert wurde. Auf diese Weise ver-stärkte sich der Verschuldungsprozess der Unternehmen und Banken gegenseitig, der sich in exponentiell ansteigenden Fremd-kapitalquoten niederschlug. Aus diesem Grund kann dieser Pro-zess auch als doppelter Leverage-Effekt im Banken- und Unter-nehmenssektor bezeichnet werden.

4. Die Finanzkrise und die in Reaktion darauf getroffenen staatlichen Maßnahmen

In diesem Kapitel beschreiben wir den Ausbruch und die welt-weite Transmission der Finanzkrise. Danach schildern wir die Reaktionen der Regierungen und Zentralbanken auf die Krise und analysieren sie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.

4.1 Die Krise in den USA

Ab dem Juli 2004 bzw. Dezember 2005 erhöhten die Federal Re-serve respektive die Europäische Zentralbank die Leitzinsen. In den Vereinigten Staaten leitete das den Umschwung am Immobi-lienmarkt ein: Das steigende Zinsniveau verminderte die Nach-frage nach Immobilien und Hypotheken. Zudem führte die Zins-erhöhung zu Zahlungsausfällen, da viele Subprime-Schuldner die Hypotheken ihrer Häuser nur bezahlen konnten, solange die Zinsen fielen und die Häuserpreise stiegen.

Durch die Zahlungsausfälle der Subprime-Schuldner mussten ab Sommer 2007 Hypothekenfinanzierer, Investmentbanken und Versicherungsunternehmen wie IndyMac Bank, Bear Stearns, AIG und Merryl Lynch Verluste in Milliardenhöhe hinnehmen,

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wurden verkauft bzw. mussten Gläubigerschutz beantragen. Wäh-rend die staatlich geförderten Immobilienfinanzierungsinstitute Freddy Mac und Fannie Mae im Juli 200821 durch die Interven-tion der US-amerikanischen Regierung vor der Insolvenz gerettet wurden, trug die unterlassene Rettung der Investmentbank Leh-mann Brothers im Oktober 2008 maßgeblich zur Verunsiche-rung an den Finanzmärkten bei. Das Vertrauen in die Märkte erodierte und sämtliche Hypothekenfinanzierer gerieten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.

Die Verluste bei den Investmentbanken hatten eine Abnahme der Risikobereitschaft privater und institutioneller Anleger zur Folge. Diese zogen daraufhin in kurzer Zeit erhebliche Beträge aus dem Kapitalmarkt ab oder hielten sich mit neuen Investitio-nen in risikoreiche Anlagen zurück. Der Aktienmarkt brach ein (Abb. 5). Dies verminderte das Eigenkapital der Banken. Außer-dem misstrauten sich die Banken untereinander und halfen sich kaum mehr gegenseitig mit Krediten aus. Schließlich trocknete der Interbankenmarkt ganz aus, sodass die Liquiditätsbeschaf-fung nur noch über die Zentralbank möglich war.

Als nächstes war die US-Realwirtschaft betroffen, weil infolge der Zahlungsschwierigkeiten von Hausbesitzern Häuser in gro-ßem Umfang zwangsversteigert werden mussten und diese Haus-halte über keinerlei Einkommen mehr verfügten. Infolgedessen fielen seit Mitte 2007 auch die Preise für Immobilien drastisch. Mit dem Wertverfall der Immobilien verloren die Haushalte Sicherheiten für Konsumkredite. Der private Konsum ging zu-rück. In einer zweiten Runde verringerte die reduzierte Kreditbe-reitstellung durch den stark von der Krise getroffenen Bankensek-tor sowohl Investitionen als auch Konsum. Dies zog seit Beginn des Jahres 2007 eine rückläufige Entwicklung bei der Beschäfti-gung nach sich. Die Arbeitslosigkeit in den USA steigt seither kräf-tig an und das BIP wird 2009 voraussichtlich schrumpfen.

21 Jaffee 2009.

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4.2 Internationale Transmission der Krise

Die Weltkonjunktur verlangsamte sich, weil nicht nur die USA, sondern auch die Volkswirtschaften in Ostasien, Europa und den Emerging Markets von der Krise betroffen sind. Ostasien und Deutschland waren als Kreditgeber der USA von Anfang an von der Krise betroffen. Europäische Finanzinstitute wie Northern Rock, die IKB und deutsche Landesbanken, aber auch ostasiati-sche Finanzinstitute, verzeichneten Verluste in Milliardenhöhe, weil sie viele der verbrieften Wertpapiere gekauft hatten, die nun ihren Wert verloren. Außerdem verschlechterten sinkende US-Importe die Wachstumsaussichten der exportorientierten Volks-wirtschaften. Das BIP in Deutschland bzw. Japan wird bis Ende 2009 voraussichtlich erheblich schrumpfen. Es ist mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen.

Die aufstrebenden Volkswirtschaften waren vor allem durch geringere Kapitalzuflüsse betroffen. Dies brachte deren Wäh-rungen unter Abwertungsdruck und resultierte insbesondere in Ländern, die ihren Wechselkurs gegenüber dem Euro oder US-Dollar stabilisierten, in einer monetären Kontraktion, die das Wachstum bremste. So schrumpften die meisten Volkswirt-schaften der Erde so stark wie nie zuvor. Für die baltischen Länder wird für das laufende Jahr ein Einbruch des BIPs von ca. zehn Prozent erwartet. In Abb. 5 ist zu sehen, wie (u. a.) auch die Vermögenswerte in Estland und China 2007 massiv einbra-chen.

4.3 Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf die Krise

Unmittelbar nach dem Ausbruch der Finanzkrise senkten die Zentralbanken die Leitzinsen stark ab. Der geldpolitische Hand-lungsspielraum der Zentralbanken war jedoch sehr eingeengt, weil das Zinsniveau beim Ausbruch der Krise im Vergleich zu früheren Szenarien relativ niedrig war. Da die Untergrenze der

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Zinsabsenkung bereits Ende des Jahres 2008 erreicht war, stellten die Zentralbanken den Geschäftsbanken nunmehr jede nach-gefragte Menge an Geld zur Verfügung. Im Rahmen dieses so-genannten „monetary easing“ steht seitdem in den USA, in der Eurozone und in Großbritannien unbegrenzt Liquidität zur Ver-fügung.

Neben dieser geldpolitischen Reaktion auf die Finanzkrise ha-ben die Regierungen der G 20 die, „wohl größten Staatsinterventi-onen seit den 1930er-Jahren auf den Weg gebracht“22, indem staatliche Garantien für „faule“ Vermögenswerte erteilt und fiskal-politische Stimulationsprogramme nie da gewesenen Ausmaßes auf den Weg gebracht wurden. Während Staatsgarantien bzw. die Verstaatlichung von Geschäftsbanken einen drohenden Banken-kollaps verhindern sollten, zielten die Konjunkturprogramme auf die Stabilisierung des Wirtschaftssystems ab. Von dem Einsatz die-ser Politik erhofften sich die Regierungen, die Gefahren einer De-flation zu senken und die Auswirkungen auf die Realwirtschaft abzuschwächen. Als Folge dieser schuldenfinanzierten Reaktion auf die Krise wird die Staatsverschuldung vor allem in den ent-wickelten Volkswirtschaften in den nächsten Jahren Allzeithoch-stände erreichen und den fiskalpolitischen Handlungsspielraum zukünftiger Regierungen einschränken (IMF 2009).

In der Tat konnte diese Politik – vor allem aber die Rekapita-lisierung der Finanzinstitute – die Finanzmärkte vor einem be-fürchteten Bankenkollaps im Herbst 2008 bewahren. Auch wenn es bislang nicht gelungen ist, das Vertrauen der Finanz-marktakteure und damit einen frei von staatlichen Engriffen funktionierenden Interbankenmarkt wiederherzustellen, ist es möglich, dass das Einschreiten der Politik die Erwartungen der Marktteilnehmer dreht und die Krisendauer damit verkürzt. In diesem Sinne wäre der schnelle und massive Staatseingriff rich-tig gewesen.

22 Siehe Neue Zürcher Zeitung vom 22. September 2008, S. 9.

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Die langfristige Wirksamkeit dieser politischen Reaktion wird jedoch bereits jetzt bezweifelt: Wenngleich die realwirtschaft-lichen Auswirkungen der Krise durch die expansive Fiskal- und Geldpolitik kurzfristig abgeschwächt werden können, program-miert diese Art der Politik – vor allem der Einsatz konjunkturpo-litischer Programme, die über die automatischen Stabilisatoren hinaus wirken – die Wiederkehr einer erneuten Krise bereits jetzt vor.23 Schließlich setzen die Regierungen eben die Politik fort, die ursächlich zur Krise beigetragen hat24: Fehl- und Überinvestitio-nen werden durch die Konjunkturprogramme erneut stimuliert. Die Restrukturierung der Wirtschaft wird durch Garantien ver-hindert und gleichzeitig Moral-Hazard-Verhalten gefördert.25

5. Die ordnungspolitischen Konsequenzen der Finanzkrise

Die zweifelhafte langfristige Wirksamkeit der staatliche Reaktio-nen auf die Krise ist unserer Meinung nach auf das qualitative Problem zurückzuführen, dass diese Politik in erster Linie an den Symptomen, nicht aber den regelbasierten Gründen der Finanz-krise ansetzt. Daher möchten wir im nun folgenden Kapitel für eine ordnungspolitische Reaktion auf dem Gebiet der Geldpoli-tik und der Geldverfassung werben. Dazu gehen wir in zwei Schritten vor:

In einem ersten Schritt wird die Frage erörtert, wie die beste-hende monopolisierte Geldordnung durch die Änderung der geldpolitischen Verfahrensregeln – also durch die Variation der „geldpolitischen Strategie“ der Zentralbank – so verbessert wer-den kann, dass die Wiederkehr eines Überliquiditätsszenarios

23 Straubhaar et al. 2009.24 Wohlgemuth 2008.25 Hoffmann und Schnabl 2008.

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bestmöglich verhindert werden kann. Hierzu fassen wir drei Vorschläge zur Reform der Geldpolitik zusammen.

In einem zweiten Schritt fragen wir nach den konstitutionel-len Änderungsmöglichkeiten der bestehenden Geldordnung aus ordnungsökonomischer Perspektive. Im Unterschied zum ersten Schritt werden hier die konstitutierenden Geldverfassungsregeln der bestehenden Geldordnung zur Disposition gestellt und ge-fragt, welche institutionellen Arrangements und Regeländerun-gen zu empfehlen sind, wenn es darum geht, eine langfristig wirksame Geldverfassung zu gewährleisten. Mit dieser konstitu-tionellen Herangehensweise versucht die Verfassungsökonomik, die vernachlässigte institutionelle Perspektive der neoklassischen Ökonomik zu korrigieren.26

5.1 Die ordnungspolitische Notwendigkeit zur Änderung der Geldpolitik

Wie in Kapitel 2.1 und 3.2 dargestellt wurde, hat sich innerhalb der letzten 20 Jahre ein Paradigmenwechsel im geldpolitischen Diskurs vollzogen. Mit neuen Forschungserkenntnissen über die Transmissionsmechanismen der Geldpolitik, wie der empirischen Widerlegung der Geldmengenregel durch die variable Umlauf-geschwindigkeit, lösten neokeynesianische Wissenschaftler den Monetarismus in der Führungsrolle bei der wissenschaftlichen Weiterentwicklung der Geldpolitik ab. Die mit diesem Wechsel zusammenhängende weltweite Konversion der Zentralbanken zur akkomodativen Geldpolitik und deren Beitrag zur Entste-hung der Finanzkrise wirft daher die Frage auf, wie die geldpoli-tische Strategie der Zentralbanken in Zukunft ausgestaltet sein soll, wenn es darum geht, zukünftige Krisen zu vermeiden und stabiles Geld innerhalb einer monopolistischen Geldverfassung zu sichern.

26 Vanberg 1998.

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Hier empfehlen Borio (2008) und White (2008) den Zentral-banken, in Zukunft auch Vermögenspreise und Kreditentwick-lungen zu beobachten, damit der Bankensektor in seiner Kredit-schöpfung beschränkt wird. Der Geldmengenentwicklung sollte daher wieder mehr Beachtung geschenkt werden, als es noch in-nerhalb der letzten Jahre der Fall gewesen ist. Die Aufnahme von Kredit- und Vermögensaggregaten in die Reaktionsfunktion der Zentralbanken käme zudem keiner Rückkehr zur Geldmengen-regel gleich, die in der heutigen Realität nicht praktikabel ist. Mit dieser Vorstellung, den Einsatz des geldpolitischen Instrumenta-riums auf ein erweitertes Geldmengenaggregat abzustellen, wi-dersprechen beide jedoch der herrschenden neokeynesianischen Schlussfolgerung, allein auf erwartete Konsumentenpreisent-wicklungen zu reagieren, wie in Kapitel 2.1 dargestellt wurde.

Auch Bundesbankpräsident Weber (2008) vertritt diese Mei-nung und fordert zudem, dass die expansiven Geld- und Fiskal-politiken mittelfristig, d. h. nach einer erkennbaren Marktsta-bilisierung, beendet werden müssen. Seiner Auffassung folgend sollte eine reformierte geldpolitische Strategie so ausgestaltet werden, dass sich ein symmetrischer Verlauf der Zinsen in Auf- und Abschwungjahren einstellt und ein langfristiges Niedrig- bzw. Nullzinsniveau verhindert wird. Damit sollte die Zentral-bank eine bessere Vorhersehbarkeit der Geldpolitik auf mittlere Frist gewährleisten.

Diese Vorschläge zielen – zumindest implizit – auf die Revi-sion des Jackson Hole Consensus ab, da die avisierte Geldpolitik die Entstehung von Spekulationsblasen verhindern soll.

Aufgrund dieser Ausrichtung können diese Ansätze dem Re-gelsetzer zur ordnungspolitischen Umsetzung empfohlen werden, da eine wirksame Institutionalisierung dieser neuen geldpoli-tischen Strategie mit einer Rückkehr zur stabilitätsorientierten und vorhersehbaren Geldpolitik gleichbedeutend ist, die insbe-sondere der Geldmengenproblematik beim Einsatz des geldpoli-tischen Instrumentariums Rechnung trägt.

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Jenseits dieser ordnungspolitischen Empfehlungen zur Neu-ausrichtung der Geldpolitik sollte dem Staat aufgrund der Inter-dependenz der Ordnungen dazu geraten werden, die Regeln der Wirtschaftsordnung zu reformieren.27 So haben Wohlgemuth, Straubhaar und Zweynert28 darauf hingewiesen, dass das Prinzip der Haftung als Steuerungsideal für die Reform der Geld- und Wirtschaftsordnung29 ebenfalls Beachtung finden sollte.

Auch andere interdependente Bereiche der Wirtschaftsord-nung sollten einer ordnungspolitischen Korrektur unterzogen werden, auf die wir hier jedoch nicht weiter eingehen können. Hier sind vor allem die institutionellen Anreize zur Stimulation der Konsum- und Investitionstätigkeit, Regeln, die Moral-Ha-zard-Verhalten des Staates und der Wirtschaftssubjekte begüns-tigen, und andere Gesetze gemeint, die in ihrer Wirkungsweise negative Auswirkungen auf die zu erwartenden Handlungsmus-ter in der Wirtschafts- und Geldordnung erwarten lassen.30

5.2 Geldverfassungsalternativen aus ordnungsökonomischer Perspektive

Die Frage, welche Geldverfassungs- oder Regelalternative emp-fohlen werden kann, um die bestehende Geldordnung langfristig zu verbessern, stellt ein Problem der konstitutionellen Regelwahl dar. Dazu soll zunächst erklärt werden, wie zwischen alterna-tiven Regeln im Sinne wählbarer Restriktionen entschieden wer-den kann.

Aus ordnungsökonomischer Perspektive sollten unterschied-

27 Eucken 1952/2004, S. 257.28 2008.29 Siehe hierzu auch Eucken 1952/2004, S. 279.30 Hier sind u. a. prozyklisch wirkende Rechnungslegungsvorschrif ten, Bewer-

tungsmethoden verbriefter Kreditrisiken sowie die Wettbewerbs aufsicht für Finanzmarktprodukte zu erwähnen.

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liche Ausgestaltungen der Geldordnung dahin gehend unter-sucht werden, ob sie im gemeinsamen Regelinteresse der Indivi-duen liegen. Gemäß dem Prinzip des normativen Individualis-mus sind die Präferenzen der betroffenen Individuen die einzige Quelle zur Beurteilung der Güte unterschiedlicher Regeln. Dem-zufolge kann eine Regeländerung aus ordnungsökonomischer Perspektive dann als gesellschaftlich vorteilhaft angesehen wer-den, wenn sie die freiwillige und informierte Zustimmung aller betroffenen Individuen finden kann. Der Test für die Legitimität einer Regeländerung liegt also in der Zustimmungsfähigkeit der Individuen zu dieser Regelordnung und nicht in der Maximie-rung marktlicher Aggregatergebnisse oder im Prinzip markt-licher Effizienz per se. Die Zustimmung stellt daher eine sine-qua-non-Bedingung dar, an der sich alle Bestrebungen zur Reform des Geldwesens zu orientieren haben, wenn sie aus ordnungs-ökonomischer Perspektive Empfehlungswürdigkeit erlangen wol-len.

Das zweite, nachgelagerte Beurteilungskriterium, an dem die Empfehlungswürdigkeit einer alternativen Ordnung oder be-stimmter Regeländerungen erörtert wird, zielt auf funktionale Eigenschaften der jeweiligen Ordnungs- oder Regeländerung ab. Freilich lassen sich über die zu erwartenden Ergebnisse nur Hand-lungsmuster vorhersagen (im Sinne der hayekianischen Muster-voraussage bzw. „pattern-prediction“)31, die sich unterhalb einer alternativen Geldordnung oder alternativen Regeln des beste-henden Systems einstellen. Aus ordnungsökonomischer Perspek-tive wird daher gefragt, welche Geldordnung, je nach den zu erwartenden „pattern-predictions“, das gemeinsame konstitutio-nelle Interesse der Geldnutzer an der Währung im Vergleich zu bestehenden oder alternativen Geldordnungsvorschlägen am bes-ten erfüllt. Damit entscheidet ein funktionaler Test, zusammen mit dem Legitimationskriterium der freiwilligen Zustimmung,

31 Siehe Hayek 1968/2003, S. 135, auch Vanberg 2008, S. 311.

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über die Empfehlungswürdigkeit einer Geldverfassung. Dazu sollte jeder Geldordnungsvorschlag einer eigenen Analyse der zu erwartenden Ergebnisse unterzogen werden.32

Da eine Gesamtdarstellung einer solchen Geldordnungsdis-kussion nicht im Rahmen dieses Beitrags geleistet werden kann, haben wir uns darauf beschränkt, die Ergebnisse einer solchen Überprüfung hier kurz zusammenzufassen:

Geldordnungsvorschläge können hinsichtlich ihrer institutio-nellen Ausgestaltung und deren Wirkung auf die zu erwartenden Handlungsergebnisse in zwei Kategorien unterteilt werden: zum einen in Ordnungen, die einer diskretionären Steuerung bedür-fen und zum anderen in Ordnungen, die eine regelbasierte Steu-erung verfolgen. Aus ordnungsökonomischer Perspektive sind regelbasierte Geldverfassungen den diskretionären Ordnungen bezüglich ihrer Empfehlungswürdigkeit vorzuziehen.33

Die dazu notwendigen institutionellen Arrangements reichen von einer automatischen Waren-Reserve-Währung34, die kürz-lich von der Chinesischen Zentralbank aufgegriffen wurde35, über die Vorstellung einer unabhängigen Zentralbankverfassung36 bis hin zum Währungswettbewerb37.

Im Forschungsfeld der wettbewerblichen Geldordnung, dem

32 Siehe hierzu: Köhler 2009.33 Köhler 2009.34 Eucken 1952, Hayek 1943/76, Buchanan 1962/90.35 Zhou 2009: Entgegen verkürzter Interpretationen, die den Vorschlag des

Gouverneurs der Chinesischen Volksbank (Zentralbank) auf die Idee von J. M. Keynes zur Einführung eines Bancor reduzieren, spricht sich Zhou im Teil III der Rede explizit für eine Warendeckung des Geldes aus: “The alloca-tion of the SDR can be shifted from a purely calculation-based system to a system backed by real assets, such as a reserve pool, to further boost market confidence in its value.”

36 Miksch 1949a, Bernholz 1989, Buchanan 2004.37 Miksch 1949b, Hayek 1976, 1977; Buchanan 1990/99, 2004; Gerding und

Starbatty 1980.

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seit dem Ausbruch der Finanzkrise erneute Aufmerksamkeit ge-schenkt wird, sind zwei Entwicklungslinien zu identifizieren, die bis zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs des Goldstandards rückverfolgbar sind: die durch sogenannte amerikanische „Aus-trians“ geprägte Entwicklung, die eine Rückkehr zu einem Free-Banking-System bei einer 100-prozentigen Mindestreserve und Golddeckung fordert38, und die heterogen-angelsächsische Ent-wicklung, die mehrere Ausgestaltungen eines Free-Banking-Sys-tems – zum Teil auch unter der Beteiligung der Zentralbank – mit unterschiedlichen institutionellen Arrangements erörtert39. In dieser Entwicklungslinie ist auch der Vorschlag von Leonhard Miksch einzuordnen, der einen Vorläufer eines Free-Banking-Systems in den Geldordnungsdiskurs der Freiburger Schule ein-brachte.40 Uneinigkeit herrscht zwischen beiden Lagern bezüglich des Legitimationsprinzips einerseits und der konkreten institu-tionellen Ausgestaltung andererseits.

Über die Empfehlungswürdigkeit eines Währungswettbewerbs und dessen konkrete institutionelle Ausgestaltung bzw. Einbin-dung in die gesamte Wirtschaftsordnung sollte eine ordnungs-ökonomische Untersuchung entscheiden. Gute Gründe sprechen allerdings dafür, dass sich ein Währungswettbewerb unter akti-ver Zentralbankbeteiligung und mit verfassten Regeln zur Stan-

38 Rothbard 1962, Huerta de Soto 2006, Hülsmann, Polleit.39 Meulen 1934, Smith 1936, Hayek 1976, Buchanan 1990/99, White 1983, Yea-

ger 2009.40 Goldschmidt und Köhler 2009: Leonhard Miksch (1901–1950) war als Eu-

cken-Schüler und wissenschaftlicher Berater von Ludwig Erhard maßgeblich für den Erfolg der Währungsreform von 1948 verantwortlich (siehe hierzu Goldschmidt und Köhler 2008). Kurz darauf entwickelte er mit seiner Idee eines „Metrischen Monopols“ die erste wettbewerbliche Geldordnungskon-zeption des Ordoliberalismus. Bereits 1923 hatte Walter Eucken während der deutschen Hyperinflation die Idee entwickelt, dass zur Neuordnung des Geldwesens „dem Staate überhaupt die Macht genommen werden [muß], die Menge des Geldes zu bestimmen“ (Eucken 1923).

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dardisierung des Geldumlaufs bezüglich der zu erwartenden Ergebnisse als empfehlungswürdige Alternative zur monopo-lisierten Geldverfassung anbieten könnte.41 Eine genauere Dar-stellung sollte jedoch an anderer Stelle vollzogen werden. Maß-geblich ist jedoch die Zustimmung der von einer solchen Reform betroffenen Bürger.

6. Zusammenfassung

Die Ursache der Finanzkrise ist u. a. auf die Fehl leitung der Geld-politik seit dem Jahr 2000 zurückzuführen. Im Rahmen der welt-weit betriebenen Politik des „billigen Geldes“ wurden die Refi-nanzierungsanreize für die Geschäftsbanken so verzerrt, dass die globalen Finanzmärkte von einer Investitionsflut überschwemmt wurden. Den historisch günstigsten Refinanzierungskonditio-nen der Zentralbanken begegneten die Geschäftsbanken mit der Ausweitung des Investitions- und Kredit- bzw. Finanzierungsge-schäfts, die das Verschuldungsniveau erheblich anhob. Die insti-tutionellen Rahmenbedingungen begünstigten nicht nur die Weitergabe von strukturierten Kredit- und Hypothekenproduk-ten an Dritte, sondern auch die Kreditvergabe an Kunden gerin-ger Bonität. Die fragwürdige Bewertung dieser Risiken und die starke Nachfrage nach Anlageprodukten verstärkte die Verbrei-tung verbriefter Kreditrisiken. Es entstand eine global getriebene Spekulationsblase im US-Häusermarkt. Nach dem Platzen der Blase im Sommer 2007 und damit verbundenen Auswirkungen auf die zusammenhängenden Märkte und Unternehmen wurden alle großen Volkswirtschaften, die bereits unter der Abschwä-chung der verlangsamten Weltkonjunktur litten (über den Han-delskanal) von der uns bekannten Finanzmarktkrise heimge-sucht.

41 Hayek 1976, Buchanan 1990/99, Yeager 2009.

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Dem Platzen dieser Blase folgten drastische Zinssenkungen seitens der Zentralbanken und weitreichende Interventionen zur Stabilisierung der Finanzmärkte. Die Reaktion auf diese Maßnah-men hat einen unmittelbar befürchteten Bankenkollaps bislang verhindern können. Die langfristige Wirksamkeit dieser Reaktion ist jedoch zu bezweifeln, da es dazu einer ordnungspolitischen Neugestaltung der Geld- und Wirtschaftsordnung bedarf.

Denkbar ist hierfür die Einbeziehung von Vermögenspreisent-wicklungen in die Zinsentscheidung der Zentralbanken wie in Kapitel 5.1 erörtert wurde. Obwohl der Weg zurück zur Geld-mengensteuerung nicht zu empfehlen ist, lohnt trotz allem eine Rückbesinnung auf Milton Friedmans Kritik an der eigenen Pro-fession, die er zur 80. Jahresversammlung der American Economic Association seinen Kollegen entgegenhielt: „Die erste und wich-tigste Lektion, die uns die Geschichte über die Möglichkeiten der Geldpolitik erteilt – eine Lektion von überaus grundlegender Wichtigkeit – ist jene, dass die Geldpolitik verhindern kann, dass das Geld selbst zu einer Hauptquelle wirtschaftlicher Störungen wird.“42 Aus diesem Grund sollen weitere Untersuchungen fol-gen, die Geldverfassungsalternativen auf ihre Empfehlungswür-digkeit aus ordnungsökonomischer Perspektive diskutieren.

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42 Friedman 1968, deutsche Übersetzung nach H. H. Francke 2008.

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FRANK SCHÄFFLER UND NORBERT F. TOFALL

Währungswettbewerb als Evolutionsverfahren

Der Übergang vom staatlichen Papiergeldmonopol zu einer marktwirtschaftlichen Geldordnung ist evolutionär mittels Wett-bewerb möglich.

„Die Vorteile des Wettbewerbs hängen nicht davon ab, dass er ‚voll-kommen‘ ist.“1

Friedrich August von Hayek

1. Verletzung der allgemeinen Freiheit durch das staatliche Geldmonopol

Wenn die einzelnen Menschen die freie Wahl hätten zwischen gedecktem Papier-, Buch- und Kreditgeld, das auf ihren Wunsch hin zu 100 Prozent in über die Zeit konstante Mengen oder Stan-dards von realen Vermögensgegenständen eingelöst werden müsste, und ungedecktem Papier-, Buch- und Kreditgeld, das mit 0 Prozent gedeckt ist, welches Geld würden sie wählen? Dass diese Frage ökonomisch und sozialpolitisch von höchster Rele-vanz ist, sollte angesichts der ersten Weltfinanz- und Wirtschafts-krise des 21. Jahrhunderts, die die Bundeskanzlerin der Bun-desrepublik Deutschland im Oktober 2008 zur Abgabe einer staatlichen Garantie für Spareinlagen nötigte, von niemandem

1 Friedrich A. von Hayek: Recht, Gesetzgebung und Freiheit. Band 3: Die Verfas-sung einer Gesell schaft freier Menschen. Eine neue Darstellung der liberalen Prinzipien der Gerechtigkeit und der politi schen Ökonomie, Landsberg am Lech (Moderne Industrie) 1981, S. 97.

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mehr bestritten werden. Bis September 2009 haben allein elf westliche Länder ihre Banken mit 5.000 Milliarden Euro gestützt, was 20 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung dieser Länder entspricht.2 Zudem müsste jedem sofort klar sein, dass diese Frage eine Freiheitsfrage ist. Denn die einzelnen Menschen ha-ben in unserem staatlichen Papiergeldmonopol nicht die allge-meine, die für alle gleiche Freiheit, Geld frei zu wählen oder frei zu produzieren.

Monopolfragen sind von jeher Freiheitsfragen. Bereits der Dominikaner und Kardinal der römisch-katholischen Kirche Thomas de Vio Cajetan OP – geboren 1469 zu Gaeta, gestorben 1534 in Rom – brandmarkte Monopole als einen Angriff auf die allgemeine Freiheit. Durch Monopole würden die Menschen gezwungen, höhere Preise zu zahlen, als es ohne Monopole der Fall wäre.3 Da Geld eine Ware ist wie jede andere Ware auch, führen auch staatliche Geldmonopole dazu, dass die Menschen gezwungen werden, einen höheren Preis für Geld zu zahlen, als es ohne Geldmonopole der Fall wäre. Ohne diesen staatlichen Zwang würden vermutlich nur wenige Menschen bereit sein, diesen höheren Preis für Geld zu zahlen. Deshalb sind auch staatliche Geldmonopole ein Angriff auf die allgemeine, die für alle gleiche Freiheit. Der einzelne Mensch kann nicht unabhän-gig von der nötigenden Willkür durch andere Menschen seine eigene Wahl treffen. Sowohl die Konsumentenfreiheit als auch

2 Vgl. Holger Steltzner: „Mehr Kapital, weniger Risiko“, in: Frankfurter Allge-meine Zeitung vom 14. September 2009, Nr. 213, S. 1. Diese Zahlen hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich berechnet.

3 Siehe die immer noch lesenswerte volkswirtschaftliche Dissertation des spä-teren Vorsitzenden der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz und Köl-ner Erzbischofs Joseph Kardinal Höffner, die er zu Beginn des II. Weltkriegs bei Walter Eucken in Freiburg i. B. verfasst hat: Joseph Höffner: Wirtschafts-ethik und Monopole im 15. und 16. Jahrhundert, unveränderter Nachdruck der Ausgabe, Jena 1941, 2. unveränderte Auflage, Darmstadt (Wiss. Buchges.) 1969, S. 107, dort auch Fn. 10.

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Währungswettbewerb als Evolutionsverfahren 137

die Produzentenfreiheit werden durch staatliche Geldmono-pole verletzt.

Trotz eines weitverbreiteten, aber argumentativ nicht näher bestimmten Unbehagens, das viele Menschen unserer heutigen Geldordnung entgegenbringen, sieht die Öffentlichkeit des Wes-tens4 allerdings noch nicht ein, welch hohen „Preis sie (…) für die Bequemlichkeit zahlt, bei den gewöhnlichen Geschäftstrans-aktionen nur mit einer Geldart umgehen und nicht gelegentlich überlegen zu müssen, ob der Gebrauch einer anderen als der gewohnten Geldart vorteilhafter wäre“. Die meisten Menschen würden diesen Preis für Bequemlichkeit, wenn er ihnen bekannt wäre, als viel zu hoch ansehen, vermutet der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek: „Denn diese Bequemlichkeit ist von weitaus geringerer Bedeutung als die Möglichkeit des Gebrauchs zuverlässigen Geldes, das nicht in periodischen Abständen den glatten Wirtschaftsablauf stört.“5

2. Die Auswirkungen von schlechtem Geld

Das heutige ungedeckte Geld ist unzuverlässiges oder schlech-tes Geld, weil es von den Zentralbanken und auch von den Ge-schäftsbanken, die vom Staat zum Zwecke der Geld- und Kredit-

4 Zum Begriff „Westen“ siehe Philippe Nemo: Was ist der Westen? Die Genese der abendländischen Zivilisation, Tübingen (Mohr) 2005. Interessant ist, dass China im Frühjahr 2009 im Zuge der Finanzkrise die Frage nach gedeckten Währungen aufgeworfen hat, ohne freilich das staatliche Geldmonopol in-frage zu stellen. Chinas Affinität zu gedeckten Währungen beruht vermutlich auf seinen negativen historischen Erfahrungen mit ungedecktem Papiergeld und Teilreservebanken zwischen ca. 960 und ca. 1455 n. Chr. Vgl. Jörg Guido Hülsmann: Die Ethik der Geldproduktion, Waltrop und Leipzig (Manuscrip-tum) 2007, S. 277.

5 Friedrich A. von Hayek: Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der Theo rie und Praxis konkurrierender Umlaufmittel, Tübingen (Mohr) 1977, S. 7.

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schöpfung aus dem Nichts mit dem Teilreserveprivileg ausge-stattet sind, in beliebiger Höhe vermehrt werden kann. Ohne diese Möglichkeit, Kredite durch Geldschöpfung aus dem Nichts aufzunehmen, wäre die ständige Expansion des Staates nicht re-alisierbar.6 Und Kredite, die nicht aus Ersparnissen bestehen, sondern aus Geldschöpfung, also aus schlechtem Geld, sind un-ser Problem:7

Investitionen, die durch Kredite finanziert werden, die nicht aus Erspartem bestehen, sondern aus Geldschöpfung, also aus schlechtem Geld, blähen unsere Wirtschaft künstlich und nur für eine bestimmte Zeit auf, was auch als „Bubble-Economy“ (Blasen-Wirtschaft) bezeichnet wird. Angeheizt wird diese Ent-wicklung durch die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken. Ein Zinssatz, der Sparen und Investieren zur Übereinstimmung bringt, den Geldwert stabil hält und die Volkswirtschaft auf einem nachhaltigen Wachstumspfad hält, ist der natürliche Zins. Steigt der Geldzins über den natürlichen Zins, übersteigt das Sparen die Investitionen und die Wirtschaftsaktivität geht auf breiter Front bei einem sinkenden Preisniveau zurück. Liegt der Geldzins, also der Zins für Kredite, unter dem natürlichen Zins, dann übersteigt die Investitionstätigkeit die Spartätigkeit, die ge-samtwirtschaftliche Nachfrage steigt über die Produktionska-pazität und die Volkswirtschaft wird von ihrem nachhaltigen Wachstumspfad gedrückt.

Zu niedrige relative Preise für Kredite führen deshalb zu einem

6 Siehe auch Friedrich A. von Hayek: Entnationalisierung des Geldes. Eine Ana-lyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufmittel, Tübingen (Mohr) 1977, S. 13.

7 Die folgenden Ausführungen zur Blasenwirtschaft und Zinspolitik der Zent-ralbanken beruhen weitgehend auf Frank Schäffler: „Neue Geldordnung statt verhängnisvoller Zinspolitik“, in: Börsen-Zeitung vom 30. Januar 2009, Nr. 20, S. 8 und auf Thorsten Polleit, Michael von Prollius, Frank Schäffler und Nor-bert F. Tofall: „Überwindung der Krise durch gutes Geld“, in: Frankfurter Allge-meine Zeitung vom 5. Juni 2009, Nr. 128, S. 12.

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Währungswettbewerb als Evolutionsverfahren 139

falschen Produktionsaufbau und d. h. zu Investitionsblasen. Denn die künstlich niedrigen Zinsen führen dazu, dass auch Investitio-nen rentabel erscheinen, die sich unter dem natürlichen Zins nicht rentieren. Durch künstlich niedrige Zinsen wird den Ent-scheidungsträgern in den Unternehmen bei ihren Investitions-entscheidungen das Vorhandensein von Ressourcen vorgespie-gelt, die in Wahrheit gar nicht existieren; denn das aus dem Nichts geschöpfte Geld ist nicht durch reale Ersparnisse gedeckt.8 Kurz-fristig können durch diese Zinspolitik der Zentralbanken zwar durchaus befristet Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden. Mittel- und langfristig wird sich jedoch herausstellen, dass die scheinbar rentablen Investitionen aufgrund der real nicht aus-reichend vorhandenen Ressourcen, also der fehlenden realen Er-sparnisse, unrentabel sind. Die Arbeitslosigkeit wird aufgrund der vorab unterlassenen Anpassungsmaßnahmen, die der natürliche Zins erzwungen hätte, die aber aufgrund des künstlich niedrigen Zinses unterblieben sind, in noch größerem Maße ansteigen. Und das Wirtschaftswachstum wird aufgrund der unterlassenen An-passungsmaßnahmen noch mehr sinken. Friedrich August von Hayek (1899–1992), der für seine konjunkturpolitischen Analy-sen aus den 1920er- und 1930er-Jahren 1974 den Nobelpreis er-halten hat, fasste diese Tragödie in die Worte: „Brot für heute und Hunger für morgen.“ Hayek, der die Weltfinanzkrise von 1929 vorausgesehen hatte, stellte 1928 außerdem fest, dass die ameri-kanische Zentralbank Federal Reserve während der 1920er-Jahre mit Absicht eine massive Kreditexpansionspolitik zur Förderung des Wirtschaftswachstums durchführte.9

8 Zur Bedeutung des Sparens für einen nachhaltigen Wachstumsprozess siehe das 4. Kapitel „Böhm-Bawerk und die Kapitaltheorie“ in Jesús Huerto de Soto: Die Österreichische Schule der Nationalökonomie – Markt und unternehmeri-sche Kreativität, Wien (Hayek Institut) 2007, S. 61–79, insb. S. 64 f.

9 Siehe Friedrich A. von Hayek: „Das intertemporale Gleichgewichtssystem der Preise und die Bewegungen des ‚Geldwertes‘“, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Band XXVIII. (1928), S. 32–76.

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Wenn man bedenkt, dass die heutige Finanz- und Wirtschafts-krise ebenfalls durch eine derartige Kreditexpansionspolitik der Federal Reserve entstanden ist, dann wundert man sich, dass die Vereinigten Staaten und viele andere G-20-Staaten zur Über-windung der derzeitigen Krise abermals eine derartige Kredit-expansionspolitik betreiben, die über künstlich niedrige Zinsen angefeuert wird. Man will eine Krise, die durch schlechtes Geld erzeugt worden ist, durch noch schlechteres Geld überwinden, obwohl die Folgen des schlechten Geldes überall beobachtet wer-den konnten. Die massiven Auftragseinbrüche und der Rückgang der Investitionen sind die Folge der Zerstörung des weltweiten Preissystems durch schlechtes Geld. Das geschwundene Ver-trauen in das Tauschmittel Geld und die Zerstörung des globalen Preissystems durch schlechtes Geld hat zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Kooperation geführt, d. h. zu einem Rückgang der individuellen direkten und indirekten Tauschhandlungen, sodass weltweit der gesellschaftliche Wohlstand gesunken ist. Und es verwundert nicht, dass gerade im Interbankenhandel das größte Misstrauen herrscht. Die Geschäftsbanken wissen ge-nau, dass man dem durch Geld- und Kreditschöpfung erzeugten schlechten Geld nicht trauen kann und dass das, was die Kolle-gen anbieten, genauso heiße Luft ist wie die eigenen Kredite. Überwinden lässt sich diese Vertrauenskrise und nachhaltig an-regen lässt sich die wirtschaftliche Kooperation deshalb nur durch gutes Geld.10

Aber selbst wenn Regierungen und Zentralbanken das Ziel ha-ben sollten, im derzeitigen ungedeckten Papiergeldsystem und unter den Bedingungen des staatlichen Geldmonopols, erstens

10 Zur Definition des Begriffs „gutes Geld“ und zur modernen Falschmünzerei, die aus gutem Geld schlechtes Geld macht, siehe Thorsten Polleit, Michael von Prollius, Frank Schäffler und Norbert F. Tofall: „Überwindung der Krise durch gutes Geld“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Juni 2009, Nr. 128, S. 12.

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gutes Geld zu schaffen und zweitens die von ihnen maßgeblich beeinflussten Zinsen mit dem natürlichen Zins zur Deckung zu bringen, sind die hierzu notwendigen Aussagen über die Höhe des natürlichen Zinses aus erkenntnistheoretischen Gründen unmöglich und stellen eine gefährliche Anmaßung von Wissen dar. Der natürliche Zins spiegelt die individuellen Präferenzen für individuelles Sparen und Investieren von Millionen und un-ter den Bedingungen der Globalisierung von Milliarden von ein-zelnen Menschen wider. Niemand kann diese individuellen Prä-ferenzen kennen, widerspruchsfrei zusammenfassen und daraus ex ante den natürlichen Zins ableiten. Wir brauchen deshalb eine Geldordnung, in der sich die Zentralbanken jeglicher Zinspolitik enthalten, sodass der natürliche Zins seine die Konjunktur und das Wachstum stabilisierende Wirkung entfalten kann. Zudem benötigen wir eine Geldordnung, in der sowohl den Zentralban-ken als auch den Geschäftsbanken die Möglichkeit genommen oder zumindest eingeschränkt wird, Geld- und Kreditschöpfung zu betreiben und dadurch gutes Geld zu verschlechtern. Doch wie kommen wir zu einer derartigen Geldordnung?

3. Die alleinige Abschaffung des Teilreserveprivilegs ist keine Lösung

Durch die Abschaffung des Teilreserveprivilegs der Geschäfts-banken könnte den Zentralbanken die alleinige Kontrolle über die Geldmenge zugewiesen werden. Das hat nicht nur der Öko-nom Irving Fisher11, sondern auch Milton Friedman gefordert, der das Erreichen der Geldmengenziele im Rahmen seines mone-taristischen Geldmengenkonzepts ständig durch die Geld- und Kreditschöpfungsaktivitäten der Geschäftsbanken konterkariert

11 Siehe Hans Christoph Binswanger: „Wie Blasen verhindert werden können“, in: Financial Times Deutschland vom 14. August 2009, S. 26.

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sah12. Durch eine 100-prozentige Reservepflicht der Geschäfts-banken würden die Zentralbanken das ausschließliche Recht zur Geldschöpfung erhalten. Die Geschäftsbanken wären dadurch gezwungen, das Buch- und Kreditgeld zu 100 Prozent durch Zentralbankguthaben oder Banknoten zu decken, und ihnen wäre dadurch die Möglichkeit zur eigenständigen Geldschöp-fung genommen. Da die Zentralbank die Verantwortung für die gesamte Geldschöpfung übernimmt, „kann sie von vornherein verhindern, dass sich Blasen bilden, und so einem Zusammen-bruch vorbeugen“, meint Hans Christoph Binswanger13, der Doktorvater des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Jo-sef Ackermann14. Die Geschäftsbanken könnten dann nur noch in Höhe der Spareinlagen der Kunden und in Höhe der Geld-schöpfungsaktivitäten der Zentralbank weiterhin Kredite verge-ben.

Binswanger unterstellt jedoch ebenso erkenntnisoptimistisch wie Milton Friedman, dass die Zentralbank die optimale Geld-menge kennen kann und dass sie ein Wissen darüber besitzt, in welchen Bereichen der Wirtschaft welche Geld- und Kreditmen-

12 Auf die Forderung von Milton Friedman, eine 100-prozentige Reserve pflicht für Geschäftsbanken einzuführen, wird in fast jedem Lehrbuch zur Geldtheo-rie und Geldpolitik hingewiesen, bspw. in: Manfred Borchert: Geld und Kredit. Einführung in die Geldtheorie und Geldpolitik, 8., überarbeitete und er-weiterte Auflage, München, Wien (Oldenburg) 2003, S. 60.

13 Hans Christoph Binswanger: „Wie Blasen verhindert werden können“, in: Fi-nancial Times Deutschland vom 14. August 2009, S. 26.

14 Sehr aufschlussreich ist, dass Josef Ackermann bereits in seiner Dissertation die aus Sicht der Österreichischen Schule der Nationalökonomie vollkom-men irrtümliche Ansicht vertritt, dass die volkswirtschaftlichen Ersparnisse nie ausreichen würden, um die für ein gleichgewichtiges Wachstum notwen-digen Investitionen zu finanzieren und dass deshalb die Geschäftsbanken Kredite bereitzustellen hätten, die aus Geldschöpfung bestehen, also aus dem Nichts geschöpft sind; siehe Josef Ackermann: Der Einfluß des Geldes auf das reale Wirtschaftsgeschehen, eine theoretische Analyse, Bern, Frankfurt am Main, Las Vegas (Peter Lang) 1977.

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gen bei welchem Zinssatz dem potenziellen realen Wachstum dieses Wirtschaftsbereichs entsprechen und ab welcher Geld- und Kreditmenge und welchem Zinssatz dieses Potenzialwachs-tum überschritten wird, sodass sich Blasen bilden. Dieses Wissen hat jedoch weder Hans Christoph Binswanger noch die EZB und erst recht nicht die Federal Reserve. Dieses Wissen hat niemand und kann niemand haben, weil die dazu erforderlichen „Daten“ niemand ex ante kennen kann.15

Außerdem werden die derzeitigen ungedeckten Kredite, das schlechte Geld, nicht dadurch zu Krediten, die durch reale Er-sparnisse gedeckt sind, also zu gutem Geld, indem man sie durch Zentralbankgeld deckt. Dieses Zentralbankgeld ist auch aus dem Nichts geschöpft. Es ist in nicht geringerem Maße als Falsch-münzerei zu bezeichnen als das von den Geschäftsbanken aus dem Nichts geschöpfte Geld. Die tiefere Ursache der Weltfinanz-krise wird deshalb durch die alleinige Abschaffung des Teilre-servebanksystems nicht behoben, sondern nur institutionell ver-schoben.

Diese institutionelle Verschiebung hätte allerdings den Vorteil, dass die Geschäftsbanken nicht mehr die Komplizen des Staates beim Geschäft der modernen Falschmünzerei wären. Der Staat, der seine ständige Expansion nur schwerlich ohne diese Falsch-

15 Siehe Friedrich A. von Hayek: „The Use of Knowledge in Society“, in: The American Economic Review, Volume XXXV, September 1945, Number Four, S. 519–530 und insbesondere auf S. 519: “If we possess all the relevant infor-mation, if we can start out from a given system of preferences and if we com-mand complete knowledge of available means, the problem which remains is purely one of logic … This, however, is emphatically not the economic problem which society faces … The reason for this is that the ‘data’ from which the economic calculus starts are never for the whole society ‘given’ to a single mind which could work out the implications, and can never be so given.” Siehe auch James M. Buchanan: „What Should Economists Do?“, in: The Southern Economic Journal, Volume XXX, January 1964, Number 3, S. 213–222.

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münzerei betreiben könnte, würde einen beliebten Komplizen, der auch die Aufgabe hat, als öffentlicher Prügelknabe zu dienen, verlieren. Die alleinige politische und rechtliche Verantwortung für die Falschmünzerei der Geld- und Kreditschöpfung besitzt der Staat jedoch bereits heute. Es ist der Staat, der den Geschäfts-banken das Teilreserveprivileg verliehen hat. In früheren Zeiten hat man derartige Geschäftspraktiken als Betrug geahndet.

Zudem ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Zentralbanken eine strikte Geldmengenpolitik im Sinne von Milton Friedman verfolgen werden. Während die alte Bundesbank vor Einführung des Euro eine Zwei-Säulen-Politik aus Preisniveaustabilität und Geldmengenbegrenzung betrieben hatte, die regelmäßig von den europäischen Nachbarn Deutschlands, denen die starke D-Mark ein Dorn im Auge war, kritisiert worden war, verfolgt die EZB de facto eine Ein-Säulen-Politik, in deren Fokus außerdem nur die Konsumgüterpreisinflation steht. Die für die Bildung von Inves-titionsblasen entscheidende Vermögensgüterpreisinflation wird nicht einmal betrachtet. Dass die EZB lediglich eine Ein-Säulen-Politik betreibt und damit die gleiche fatale Geldmengenpolitik wie in Japan und den Vereinigten Staaten verfolgt, lässt sich an-hand der Erhöhung der Geldmenge im Euroraum seit 1999 be-legen. Am Anfang des Jahres 1999 betrug die Geldmenge M3 im Euroraum 4,4 Billionen Euro. Bis Ende April 2009 wuchs sie um rund 116 Prozent auf 9,5 Billionen Euro an.16

Die Abschaffung des Teilreserveprivilegs wird deshalb zukünf-tige Finanzkrisen und Investitionsblasen nur verhindern, wenn abweichend von den Vorstellungen von Binswanger gleichzeitig sichergestellt wird, dass möglichst nur Kredite vergeben werden können, die durch reale Ersparnisse gedeckt sind. Von den Zen-tralbanken sind diesbezüglich jedoch keine Schritte zu erwarten.

16 Siehe Thorsten Polleit, Michael von Prollius, Frank Schäffler und Norbert F. Tofall: „Überwindung der Krise durch gutes Geld“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Juni 2009, Nr. 128, S. 12.

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Außerdem würde in unserer derzeitigen Situation die sofortige Einführung einer derartigen neuen Geldordnung, in der das Teil-reserveprivileg und in der Kredite, die nicht durch reale Erspar-nisse gedeckt sind, gesetzlich verboten würden, zu einem Zusam-menbruch des gesamten Bankensystems und des Finanzsektors führen.17 Deshalb sind auch die von Ludwig von Mises und Mur-ray N. Rothbard vorgelegten Vorschläge zur Wiedereinführung eines Goldstandards zu verwerfen, weil diese Vorschläge die so-fortige Abschaffung des Teilreserveprivilegs und das Verbot von nicht durch reale Ersparnisse gedeckten Krediten implizieren.18 Und trotzdem gibt es eine gangbare Alternative zur heutigen Geldordnung des staatlichen Papiergeldmonopols, die Schritt für Schritt auf evolutionärem Wege eine neue nachhaltige Geld-ordnung entstehen ließe. Die Alternative besteht in der soforti-gen Zulassung von konkurrierenden Privatwährungen.

4. Der Weg zu einer marktwirtschaftlichen Geldordnung

Wie die Erfahrungen in den Transformationsökonomien in Mit-tel- und Osteuropa hinreichend belegen, ist es unmöglich eine voll entwickelte Marktwirtschaft per Dekret von oben von heute auf morgen einzuführen.19 In den Staaten der ehemaligen Sowjet-

17 Das ist nach ausführlicher Diskussion die einstimmige Meinung der Teilneh-mer des wirtschaftspolitischen Kolloquiums „Free Banking – Die Überwind-ung der Krise durch gutes Geld“, das auf Einladung der FDP-Bundestagsfrak-tion am 1. Juli 2009 im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages veran-staltet wurde.

18 Siehe Ludwig von Mises: The Theory of Money and Credit, edition following the text of 1953, Indianapolis (Liberty Fund) 1981, insbesondere den 1952 ver-fassten vierten Teil „Monetary Reconstruction“, S. 451–500, der in den bisheri-gen deutschen Ausgaben leider nicht enthalten ist; und Murray N. Rothbard: The Case for a 100 Percent Gold Dollar, Auburn (Mises Institute) 1991.

19 Das ist die Haupteinsicht, die Norbert F. Tofall 1995 bis 1997 durch seine Mit-

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union ist 1991 nicht die Marktwirtschaft eingeführt worden. Dort ist der Sozialismus zusammengebrochen, was man fataler-weise als Einführung der Marktwirtschaft bezeichnet hat. Markt-wirtschaft ist ein Oberbegriff für die millionenfache dezentrale direkte und indirekte Kooperation von einzelnen Menschen. Diese millionenfache und in Zeiten der Globalisierung milliar-denfache dezentrale Kooperation lässt sich nicht von oben ge-setzlich befehlen. Diese millionen- und milliardenfache direkte und indirekte Kooperation einzelner Menschen kann sich nur evolutionär entwickeln. Der Staat kann im negativen Fall diese evolutionäre Entwicklung be- oder verhindern und im positiven Fall erlauben oder durch eine geeignete Privatrechtsordnung, die sicherstellt, dass im Sinne Immanuel Kants das Nutzenstreben der einen mit dem Nutzenstreben der anderen Menschen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen bestehen kann20, sogar fördern. Handeln müssen die einzelnen Menschen

arbeit im Projekt „OST–WEST–PHILOSOPHIE. Philosophie und Religion in Rußland und Deutschland“, ein Kooperationsprojekt des Forschungsin stituts für Philosophie Hannover mit der Herzen-State-University St. Petersburg und der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, gewonnen hat, in dem er als Ökonom für Fragen der Wirtschaftsethik und Wirtschaftsordnung zuständig war. Ergebnisse dieses Projektes sind u. a. dokumentiert in Peter Koslowski (Ed.): The Social Market Economy. Theory and Ethics of the Eco-nomic Order, Berlin, Heidelberg, New York (Springer) 1997.

20 Vgl. Immanuel Kant: Die Metaphysik der Sitten, Kritische Ausgabe mit einer Einleitung herausgegeben von Hans Ebeling, unter Mitarbeit der Studieren-den Ludger Funke, Thomas Kater und Norbert Tofall, Stuttgart (Reclam) 1990, S. 67. Zu den Bedingungen, die dezentrale Kooperation von Menschen und damit Wohlstand fördern, siehe auch: Mancur Olson: Aufstieg und Nie-dergang von Nationen. Ökonomisches Wachstum, Stagflation und soziale Starr-heit, übersetzt von Gerd Fleischmann, 2., durchgesehene Auflage, Tübingen (Mohr) 1991; Mancur Olson: Macht und Wohlstand. Kommunistischen und kapitalistischen Diktaturen entwachsen, übersetzt von Gerd Fleischmann, Tübingen (Mohr) 2002; Erich Weede: „Warum bleiben arme Leute arm? Rent-Seeking und Dependenz als Erklärungsansätze für die Armut in der Dritten Welt“, in: Politische Vierteljahresschrift, 26. Jg. (1985), S. 270–286; Jo-

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jedoch immer selbst. Zudem benötigt menschliches Handeln immer Zeit und ist nur im Zeitablauf möglich. Und aus diesem Grund fällt eine funktionierende marktwirtschaftliche Geldord-nung21 auch dann nicht über Nacht vom Himmel, falls unsere derzeitige aus ungedecktem staatlichem Zwangspapiergeld beste-hende Geldordnung, die sich – wie die Weltfinanzkrise 2007 und 2008 hinreichend offenbart – zu einem riesigen Schneeballsys-tem ohne systemkonforme Ausstiegsmöglichkeit entwickelt hat, zusammenbrechen wird22. Auch eine marktwirtschaftliche Geld-ordnung kann sich nur schrittweise entwickeln.23

hannes Berger: „Was behauptet die Modernisierungstheorie wirklich – und was wird ihr bloß unterstellt?“, in: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissen-schaft, 1996, S. 45–62; Karl-Heinz Ladeur: Der Staat gegen die Gesellschaft. Zur Verteidigung der Rationalität der „Privatrechtsgesellschaft“, Tübingen (Mohr) 2006.

21 Unter einer marktwirtschaftlichen Geldordnung verstehen wir eine wettbe-werbliche Geldordnung oder genauer: ein reputationsbasiertes wettbewerb-liches Geldsystem. Dieses unterscheidet sich vom Free Banking im engeren Sinne, das in der Regel auf dem Goldstandard basiert, durch die Zulassung unterscheidbarer Währungsstandards, siehe hierzu: Paul Terres: Die Logik einer wettbewerblichen Geldordnung, Tübingen (Mohr) 1999, S. 166–277.

22 Wann sich dieser Zusammenbruch ereignen wird, ist natürlich nicht datier-bar. Dass dieses Schnellballsystem wie jedes Schnellballsystem früher oder später zusammenbrechen wird, ist aber so gewiss wie der Zusammenbruch des Sozialismus, den Ludwig von Mises einst vorausgesehen hatte; siehe Lud-wig von Mises: Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus, unveränderter Nachdruck der zweiten, umgearbeiteten Auflage, Jena 1932, Stuttgart (Lucius) 2007.

23 Das Problem, dass eine marktwirtschaftliche Geldordnung sich ebenfalls nur evolutionär entwickeln kann, wird leider sowohl von Ludwig von Mises als auch von seinem Schüler Murray N. Rothbard vollkommen unterschätzt. Dieses ist insofern erstaunlich, als eines der wichtigsten Theorieelemente der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, durch das sie sich vom neo-klassischen Gleichgewichtsdenken unterscheidet und das Mises beson ders betont hat, in der Einsicht besteht, dass menschliches Handeln Zeit benötigt und deshalb der Zeitlauf in theoretischen Modellen nicht vernachlässigt werden darf. Siehe hierzu: Ludwig von Mises: Nationalökonomie. Theo rie des

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Aber genau deshalb ist die sofortige Zulassung von konkurrie-renden Privatwährungen und die Ermöglichung eines allumfas-senden Währungswettbewerbs die wichtigste liberale Forderung der nächsten Jahre. Wir haben keine Zeit zu verlieren. „Wenn wir wollen, dass freies Unternehmertum und die Marktwirtschaft fortbestehen (…), haben wir keine andere Wahl, als das Geld-monopol der Regierung und nationale Währungssysteme durch freien Wettbewerb zwischen privaten Emissionsbanken zu erset-zen.“24 Obwohl es bereits heute einzelne Privatbanken gibt, die Privatwährungen emittieren25, die jedoch mit enormen Behin-derungen vonseiten des Staates und der Großbanken zu kämpfen haben, wird es selbst nach der Beseitigung dieser Behinderungen einige Zeit dauern, bis eine befriedigende Anzahl von privaten Währungsemissionsbanken, die eine ausreichende Menge von gutem Geld emittieren können, parallel zum staatlichen Wäh-rungssystem entstanden ist. Und die Menschen benötigen na-türlich Zeit, den Umgang mit verschiedenen unterscheidbaren Währungen im Alltag zu lernen und diese parallel zu den staatli-chen Währungen, weshalb von konkurrierenden Privatwährun-

Handelns und Wirtschaftens, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage, Genf 1940, München (Philosophia) 1980, S. 76 f. und Jesús Huerto de Soto: Die Österreichische Schule der Nationalökonomie – Markt und unternehmerische Kreativität, Wien (Hayek Institut) 2007, S. 62.

24 Friedrich A. von Hayek: Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufmittel, Tübingen (Mohr) 1977, S. 127.

25 Siehe Karl Reichmuth, Remy Reichmuth: Der RealUnit®. Zur Quelle der Geld-wertstabilität, Thun (Ott) 2001 und Karl Reichmuth in Zusammen arbeit mit Beat Kappeler, Joachim Starbatty und Uwe Wagschal: Weg aus der Finanz-krise. Entscheid und Haftung wieder zusammenführen, Zürich (Verlag NZZ) 2008. Der von den Luzerner Privatbankiers Reichmuth emittierte RealUnit® ist jedoch keine materiell gedeckte Währung, was Konkurrenten in der Zu-kunft vermutlich zum Anlass nehmen werden, um mit einer gedeckten Währung dem RealUnit® Konkurrenz zu machen, was wiederum die Privat-bankiers Reichmuth motivieren wird, ihr Geld zu verbessern.

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gen oder Parallelwährungen gesprochen wird, zu verwenden. Deshalb ist mit Nachdruck der Vorschlag des Nobelpreisträgers Friedrich August von Hayek zu unterstützen:

„Der konkrete Vorschlag für die nahe Zukunft (…) besteht darin, dass sich die Länder des Gemeinsamen Marktes (möglichst einschließlich der neutralen Länder Europas, vielleicht später auch der Länder Nord-amerikas) gegenseitig durch formalen Vertrag binden, weder dem Han-del in ihren gegenseitigen Währungen (inklusive Goldmünzen) noch einer in gleicher Weise freien Ausübung von Bankgeschäften seitens jeder in einem ihrer Territorien gesetzlich niedergelassenen Bank ir-gendwelche Hindernisse in den Weg zu legen.“26

Bei Gewährung von vollständiger Produzenten- und Konsumen-tenfreiheit im Finanzsektor wird es den einzelnen Menschen er-möglicht, in dezentralen Entdeckungsverfahren, die sich parallel zu den staatlichen Währungen entwickeln und aus denen Schritt für Schritt für die staatlichen Währungen Konkurrenz erwächst, zu lernen, welche Geldart je nach individueller Situation und Be-dürfnis und individueller Transaktionskostenlage jeweils für sie sinnvoll ist. Da niemand freiwillig schlechtes Geld hält, wird der sich entwickelnde Währungswettbewerb die privaten, aber auch die staatlichen Geldproduzenten dazu anhalten, besseres Geld zu produzieren. Die Produktion von schlechtem Geld und die Ver-schlechterung von gutem Geld wird von den einzelnen Men-schen aufgrund ihrer freien Wahlmöglichkeit zwischen unter-scheidbaren privaten und staatlichen Währungen, also aufgrund ihrer Konsumentenfreiheit, sofort durch Abwanderung zu kon-kurrierenden Geldproduzenten bestraft werden, was im derzei-tigen staatlichen Papiergeldmonopol nur höchst eingeschränkt und in der Regel nur für reiche Menschen möglich ist.

26 Friedrich A. von Hayek: Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufmittel, Tübingen (Mohr) 1977, S. 1.

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Die individuelle Nachfrage nach gutem Geld würde bei einem allumfassenden Währungswettbewerb und der Möglichkeit für alle Menschen, die Produzenten von schlechtem Geld durch Ab-wanderung zu bestrafen, auch dazu führen, dass sich evolutionär eine neue Geldordnung entwickelt, in der die Möglichkeiten zur Geld- und Kreditschöpfung aus dem Nichts aufgrund von Wett-bewerb beschränkt sind und dadurch die Wahrscheinlichkeit von gefährlichen Investitionsblasen sinkt. Hieran lässt sich auch ablesen, dass eine nachhaltige Stabilisierung unserer Marktwirt-schaft schrittweise von unten – durch die dezentrale Produktion von und Nachfrage nach gutem Geld – möglich ist. Der Staat hat in diesem Stabilisierungsprozess allerdings die Aufgabe, durch ein geeignetes Privatrecht die Vertragsfreiheit in Währungsge-schäften und Wettbewerb zwischen privaten Währungen, zwi-schen privaten und staatlichen Währungen und zwischen staat-lichen Währungen zu ermöglichen.

Für sein eigenes Geld kann der Staat durch seine Zentralbank nach wie vor Zinssätze festlegen. Die evolutionäre Entstehung einer marktwirtschaftlichen Geldordnung würde es jedoch mehr und mehr erschweren, eine Niedrigzinspolitik durchzusetzen, die zwangsläufig Investitionsblasen entstehen lässt. Die privaten Emissionsbanken würden auf diese Zentralbankpolitik sofort durch höhere Zinsen, die sich auf Höhe des natürlichen Zinses einpendeln würden, reagieren und die Geldnachfrage so in ihre Privatwährungen lenken. Der Wert der staatlichen Währung würde sinken.

Der Staat müsste bei gesunkener Kaufkraft seiner Währung zur Deckung seiner Ausgaben entweder die Steuern erhöhen, sparen oder neue Kredite aufnehmen. Sollten diese Kredite in der eigenen staatlichen Währung aufgenommen werden und aus pu-rer Geldschöpfung bestehen, wird erneut die private Nachfrage nach der staatlichen Währung und somit ihr Wert sinken. Dieser Entwicklung könnte dann nur durch höhere Zinsen entgegen-gewirkt werden, wodurch sich die Rückzahlung dieser Kredite je-

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doch verteuert. Das heißt, der Staat würde durch die Zulassung von konkurrierenden Privatwährungen und eines allumfassenden Währungswettbewerbs gezwungen, eine nachhaltigere Haushalts-politik zu verfolgen. Die Zulassung von konkurrierenden Privat-währungen und ein allumfassender Währungswettbewerb wären deshalb eine weit wirksamere Schuldenbremse als die Grundge-setzänderungen des Jahres 2009.

Vorschriften bezüglich der materiellen Deckung von Wäh-rungen oder gar ein Goldstandard sind sowohl unnötig als auch schädlich. Denn der „Wettbewerb würde sicherlich die emittie-renden Institutionen weit wirksamer dazu zwingen, den Wert ih-res Geldes (in Bezug auf ein festgesetztes Güterbündel) konstant zu halten, als es irgendeine Verpflichtung zur Einlösung des Gel-des in diese Güter (oder in Gold) könnte“.27 Natürlich könnte es geschehen, dass sich bei freiem Wettbewerb zwischen verschiede-nen Geldarten zunächst Gold als die beliebteste Geldart erweist. Die zunehmende Nachfrage nach Gold würde aber vermutlich zu einem solchen Anstieg und eventuell zu heftigen Schwankun-gen des Goldpreises führen, dass Gold aufhören würde, sich als Geldeinheit für den Geschäftsverkehr und das Rechnungswesen zu eignen.28

Inwieweit in einer marktwirtschaftlichen Geldordnung ge-deckte Währungen dominieren werden, lässt sich ex ante nicht bemessen, weil die einzelnen Menschen die freie Wahl haben, so-wohl gedeckte als auch ungedeckte Währungen zu produzieren oder nachzufragen. Diese Währungen werden wie zurzeit auch über Kredite oder durch Verkauf gegen andere Währungen ver-fügbar gemacht. Inwieweit in einer marktwirtschaftlichen Geld-ordnung Kredite, die nicht durch reale Ersparnisse gedeckt sind, vergeben werden können, hängt vom Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach ungedeckten Währungen ab. Da niemand

27 Ebenda, S. 32.28 Vgl. ebenda, S. 102 und 127.

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freiwillig auf Dauer schlechtes Geld nachfragt, ist jedoch zu ver-muten, dass sich der Anteil der Kredite, die nicht durch reale Er-sparnisse gedeckt sind, Schritt für Schritt verringern wird. Eine private Emissionsbank gefährdet durch ihre Kreditschöpfungs-aktivitäten den Wert der von ihr emittierten Währung und ihre gesamte Existenz, da die privaten Sparer schnell zu einer konkur-rierenden Währung von einer Bank wechseln werden, die eine zurückhaltendere oder gar keine Kredit- und damit Geldschöp-fung betreibt.

Die sofortige Zulassung von konkurrierenden Privatwährun-gen und eines allumfassenden Währungswettbewerbs wird je-doch nicht zu einem sofortigen vollständigen Verfall der staat-lichen Währungen, zu einem „Rennen“ aus den Staatswährungen und einem Zusammenbruch unseres gesamten Finanzsektors führen. Dieses wäre nur dann der Fall, wenn von heute auf mor-gen eine Situation vom Himmel fallen könnte, in der es ausrei-chend private Emissionsbanken gibt, die besseres als das staat-liche Geld ohne Zeitverzögerung in ausreichender Menge und Verbreitung emittieren könnten, das bei den Menschen zudem schon größeres Vertrauen erlangt haben müsste als das staatliche Geld. Um aus einer Währung sofort hinausgehen zu können, be-nötigt man auch sofort eine andere bessere Währung, in die man zu vertretbaren Kosten hineingehen kann. Menschliches Han-deln benötigt aber immer Zeit. Und bevor die staatlichen Wäh-rungen durch konkurrierende Privatwährungen Schritt für Schritt unter heilsamen Konkurrenzdruck geraten, wird eine ge-wisse, aber vertretbare Zeit vergehen. Anfangen müssen und kön-nen wir aber bereits heute.

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Literatur

Ackermann, J.: Der Einfluß des Geldes auf das reale Wirtschafts-geschehen, eine theoretische Analyse, Bern, Frankfurt a. M.: Peter Lang, 1977.

Berger, J.: Was behauptet die Modernisierungstheorie wirklich – und was wird ihr bloß unterstellt?, in: Leviathan, Zeitschrift für Sozialwissenschaft, 1996, S. 45–62.

Binswanger, H. C.: Wie Blasen verhindert werden können, in: Financial Times Deutschland vom 14. August 2009.

Borchert, M.: Geld und Kredit. Einführung in die Geldtheorie und Geldpolitik, 8., überarbeitete und erweiterte Auflage, München, Wien: Oldenburg, 2003.

Buchanan, J. M.: What Should Economists Do?, in: The South-ern Economic Journal, Vol. 30, Januar 1964, Nr. 3, S. 213–222.

de Soto, J. H.: Die Österreichische Schule der Nationalökono-mie – Markt und unternehmerische Kreativität, Wien: Hayek Institut, 2007.

Hayek, F. A. v.: Das intertemporale Gleichgewichtssystem der Preise und die Bewegungen des ‚Geldwertes‘, in: Weltwirt-schaftliches Archiv, Band 28, 1928.

Hayek, F. A. v.: The Use of Knowledge in Society, in: The Ameri-can Economic Review, Vol. 35, September 1945, Nr. 4, S. 519–530.

Hayek, F. A. v.: Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufmittel, Tübin-gen: Mohr, 1977.

Hayek, F. A. v.: Recht, Gesetzgebung und Freiheit. Band 3: Die Verfassung einer Gesell schaft freier Menschen. Eine neue Dar-stellung der liberalen Prinzipien der Gerechtigkeit und der politi schen Ökonomie, Landsberg am Lech: Moderne Indust-rie, 1981.

Höffner, J.: Wirtschaftsethik und Monopole im 15. und 16. Jahr-

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154 Frank Schäffl er und Norbert F. Tofall

hundert, unveränderter Nachdruck der Ausgabe Jena 1941, 2. unveränderte Auflage, Darmstadt: Wissenschaftliche Buch-gesellschaft, 1969.

Hülsmann, J. G.: Die Ethik der Geldproduktion, Leipzig: Ma-nuscriptum, 2007.

Kant, I.: Die Metaphysik der Sitten, Kritische Ausgabe mit einer Einleitung, herausgegeben von Ebeling, H. unter Mitarbeit von Funke, L./Kater, T./Tofall, N. F., Stuttgart: Reclam, 1990.

Koslowski P. (Hrsg.): The Social Market Economy. Theory and Ethics of the Economic Order, Berlin, Heidelberg, New York: Springer, 1997.

Ladeur, K.-H.: Der Staat gegen die Gesellschaft. Zur Verteidigung der Rationalität der „Privatrechtsgesellschaft“, Tübingen: Mohr, 2006.

Mises, L. v.: Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirt-schaftens, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage, Genf 1940, München: Philosophia, 1980.

Mises, L. v.: The Theory of Money and Credit, basierend auf dem Text von 1953, Indianapolis: Liberty Fund, 1981.

Mises, L. v.: Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus, unveränderter Nachdruck der zweiten, umgear-beiteten Auflage, Jena 1932, Stuttgart: Lucius, 2007.

Nemo, P.: Was ist der Westen? Die Genese der abendländischen Zivilisation, Tübingen: Mohr, 2005.

Olson, M.: Aufstieg und Niedergang von Nationen. Ökonomi-sches Wachstum, Stagflation und soziale Starrheit, übersetzt von Fleischmann, G., 2., durchgesehene Auflage, Tübingen: Mohr, 1991.

Olson, M.: Macht und Wohlstand. Kommunistischen und kapi-talistischen Diktaturen entwachsen, übersetzt von Fleisch-mann, G., Tübingen: Mohr, 2002.

Polleit, T./Prollius, M. v./Schäffler F./Tofall, N. F.: Überwindung der Krise durch gutes Geld, in: Frankfurter Allgemeine Zei-tung vom 5. Juni 2009.

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Währungswettbewerb als Evolutionsverfahren 155

Reichmuth, K./Reichmuth, R.: Der RealUnit®. Zur Quelle der Geldwertstabilität, Thun: Ott, 2001.

Reichmuth K. in Zusammenarbeit mit Kappeler, B., Starbatty, J. und Wagschal, U.: Weg aus der Finanzkrise. Entscheid und Haftung wieder zusammenführen, Zürich: Verlag NZZ, 2008.

Rothbard, M. N.: The Case for a 100 Percent Gold Dollar, Auburn, Alabama: Mises Institute, 1991.

Schäffler, F.: Neue Geldordnung statt verhängnisvoller Zinspoli-tik, in: Börsen-Zeitung vom 30. Januar 2009.

Steltzner, H.: Mehr Kapital, weniger Risiko, in: Frankfurter Allge-meine Zeitung vom 14. September 2009.

Terres, P.: Die Logik einer wettbewerblichen Geldordnung, Tü-bingen: Mohr, 1999.

Weede, E.: Warum bleiben arme Leute arm? Rent-Seeking und Dependenz als Erklärungsansätze für die Armut in der Dritten Welt, in: Politische Vierteljahresschrift, 26. Jg., 1985, S. 270–286.

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Autoren

Dr. Peter Altmiks ist Referent für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Bildung im Liberalen Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Davor war er in der privaten Kreditwirtschaft für Bargeldlogistik, die Standardisierung im Zahlungsverkehr und die Organisation der bundeseinheitlichen Wertpapierkurser-mittlung verantwortlich.

Andreas Hoffmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig und Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Seine Forschungs-schwerpunkte liegen im Bereich Internationale Ökonomie und Finanzkrisen. Er promoviert zum Thema „Geldpolitik und Über-investitionen in Mittel-und Osteuropa“.

Prof. Dr. Jörg Guido Hülsmann ist Professor für Volkswirtschafts-lehre an der Université d’Angers, Frankreich. Seine Forschungsge-biete sind Wirtschaftsgeschichte, Geldtheorie sowie das Verhältnis von Ökonomie und Religion. Er schrieb u. a. „Die Logik der Wäh-rungskonkurrenz“ und „Die Ethik der Geldproduktion“. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich zudem mit der kontrafaktischen Ana-lyse der Ökonomie. Er ist Senior Fellow des Ludwig von Mises Ins-titute, USA.

Ekkehard A. Köhler ist Forschungsreferent am Walter-Eucken-Institut und Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet der ökonomischen Theorie, vor allem der Geldtheorie, der neuen Institutionenökonomik und der Verfassungsökonomik. Sein Dis-

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Autoren 157

sertationsprojekt untersucht die Weiterentwicklungsmöglich-keiten der Europäischen Währungsunion aus ordnungsökono-mischer Perspektive.

Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Chef-Volkswirt von Barclays Capital Deutschland und Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der monetären Ökonomik. Im Jahre 2000 gründete er ECB Ob-server (www.ecb-observer.com), eine unabhängige Beobachter-gruppe der Europäischen Zentralbank (EZB). Er ist Mit glied der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft, des Forschungsnetz-werks „Research on Money in the Economy (ROME)“ (www.iefg.de/mib/) und ist Adjunct Scholar des Ludwig von Mises Institute, USA.

Frank Schäffler ist Mitglied des Deutschen Bundestags, Obmann der FDP-Fraktion im Finanzausschuss, Mitglied des Landesvor-standes der FDP Nordrhein-Westfalen, Mitglied der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft und der Ludwig-Erhard-Stif-tung.

Prof. Dr. George Selgin ist Professor für Volkswirtschaftslehre am Terry College of Business der University of Georgia in Athens, USA. Seine Forschungsgebiete sind monetäre Ökonomik, Wäh-rungsgeschichte und -politik, Bankwesen und Makrökonomik. Er gründete zusammen mit Kevin Dowd und Lawrence H. White die moderne Free-Banking-Schule und verfasste das Buch „Die Theorie des Free Banking: Die Geldmenge bei konkurrierender Notenausgabe“. Er ist zudem Senior Fellow des Cato Institute, USA.

Norbert Friedrich Tofall ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Frank Schäffler und Lehrbeauftragter der Universität Viadrina Frankfurt/Oder für die ordnungspolitische Vorlesung „Recht

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158 Autoren

und Freiheit in Europa“ am Institut für Deutschlandstudien in Minsk, Belarus. Er ist Mitglied der Hayek-Gesellschaft und orga-nisiert zusammen mit Michael von Prollius das liberale Privat-seminar in der Tradition von Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek in Berlin.

Prof. Dr. Lawrence H. White ist Professor für Volkswirtschafts-lehre an der George Mason University in Virginia, USA. Seine Forschungsgebiete sind Theorie und Geschichte von Währungs-systemen und Bankwesen. Er schrieb u. a. „Die Theorie der Währungsinstitutionen“ und „Wettbewerb und Währung“. 2008 erhielt er den Wissenschaftspreis der Association for Private Enterprise Education. Seine Forschungsaufenthalte führten ihn an das American Institute for Economic Research, die Schweize-rische Nationalbank und die Landeszentralbank von Atlanta.

Er ist Mitherausgeber von „Econ Journal Watch“ und Mitglied des Herausgeberrates der „Review of Austrian Economics“. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift „The Freeman“ der Stiftung für ökonomische Bildung. Er ist zudem Adjunct Scholar des Cato Institute, USA.

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Detmar DoeringTraktat über Freiheit288 Seiten, Hardcover

24,90ISBN: 978-3-7892-8310-9

Freiheit ist wichtig – darüber sind sich die meisten Menschen einig. Aber was ist Frei-heit überhaupt? Um sich der Freiheit dau-erhaft erfreuen zu können, bedarf es einer klaren Vorstellung darüber, was sie ist und was sie zu leisten vermag. Freiheit garantiert der Gesellschaft keine »Nestwärme«, sie will den Menschen nicht vorschreiben, wie sie glücklich zu sein haben. Sie führt aber zu mehr Wohlstand und zu kulturellem Reichtum. Sie schützt den Menschen davor, als Mittel zum Zweck anderer zu dienen. Zu oft meinen Menschen, man könne ein wenig Freiheit für andere Werte opfern, nur um herauszufinden, dass am Ende auch die verloren sind.»Man braucht nur die Migrationsströme dieser Welt zu sehen, um den Wunsch der Menschen nach Freiheit zu verstehen. Utopisten, darunter viele Intellektuelle, mögen das kommunistische Kuba oder sonst irgendein totalitäres Land für die ›bessere Welt‹ halten – leben wollen sie selbst in den meisten Fällen dort nicht. Im Gegenteil: Die Menschen haben stets zu Millionen und Abermillionen die Flucht vor dem vermeintlichen Utopia hin zur größeren und realen Freiheit oder zumindest den mit ihr verbundenen Vorteilen bevorzugt.«

www.olzog.de

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