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1 Einleitung Plan-Belegungszeiten, oft auch als Vor- gabezeiten bezeichnet, spielen in verschie- densten Bereichen eines Produktionsunter- nehmens eine große Rolle. Unter der Plan- Belegungszeit einer Maschine durch ein Los versteht man die Ru ¨ stzeit und die Plan-Bearbeitungszeit pro Stu ¨ ck multipli- ziert mit der Losgro ¨ ße. Die Plan-Bele- gungszeit einer Maschine durch ein Stu ¨ ck umfasst nur die Plan-Bearbeitungszeit. In diesem Beitrag werden zuerst die Bedeu- tung und die Bestimmungsmo ¨ glichkeiten von Plan-Belegungszeiten erla ¨utert. Dann wird ein neuer Ansatz zur Bestimmung der stu ¨ ckbezogenen Plan-Belegungszeit vor- gestellt. Dafu ¨r beno ¨ tigen wir lediglich Ru ¨ ckmeldedaten u ¨ ber die Gesamt-Bele- gungszeiten von Maschinen in einer Zeit- periode und die gefertigten Mengen nach Materialien getrennt. Insbesondere fu ¨r die Serienfertigung ist dieser Ansatz von gro- ßer Bedeutung, da erstens Plan-Belegungs- zeiten fu ¨ r die Produktionsplanung essen- tiell sind und zweitens in der Regel eine pe- riodenbezogene Ru ¨ ckmeldung erfolgt. Der resultierende Aufwand fu ¨ r dieses Verfahren ist gering im Vergleich zu anderen Metho- den und kann automatisiert durchgefu ¨ hrt werden. Nach der mathematischen Formu- lierung des entwickelten Modells erfolgt die Validierung durch Simulation und die Anwendung auf Echtdaten eines Unter- nehmens. 2 Anwendungsfelder und Bedeutung von Plan-Belegungs- zeiten 2.1 Produktionsplanung und -steuerung (PPS, APS) Die Produktionsplanung und -steuerung legt Mengen und Termine von Materialien auf Grund von Stu ¨ cklistenauflo ¨ sung und Nettobedarfsrechnung so fest, dass Kun- denauftragstermine und geforderte Mengen bestmo ¨ glich eingehalten werden ko ¨ nnen (MRP). Die Termine werden durch so ge- nannte Vorlaufzeiten bestimmt, die aus Ru ¨ st-, Bearbeitungs- und Planwartezeiten WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 2, S. 101 108 Die Autoren Herbert Jodlbauer Karl Palmetshofer Sonja Reitner FH-Prof. DI Dr. Herbert Jodlbauer Studiengangsleiter Produktion und Management (PMT) Fachhochschule Steyr Wehrgrabengasse 1 3 A-4400 Steyr [email protected] FH-Prof. DI Karl Palmetshofer Fachbereichsleiter Business Computing & IT, Fachhochschule Steyr Wehrgrabengasse 1 3 A-4400 Steyr [email protected] Mag. Sonja Reitner Forschungsassistentin Produktions- optimierung Fachhochschule Steyr Wehrgrabengasse 1 3 A-4400 Steyr [email protected] Implizite Determinierung von Plan-Belegungszeiten Kernpunkte Plan-Belegungszeiten sind bei der Entlohnung der Mitarbeiter, logistischen Grundgesetzen und Produktionsplanung und -steuerung von Bedeutung. Ohne richtige Plan-Belegungszei- ten ist z. B. eine Optimierung der Engpassmaschinenbelegung nicht sinnvoll. & Ga ¨ngige Methoden zur Bestimmung von Belegungszeiten sind meist aufwa ¨ndig und wer- den daher nicht regelma ¨ßig durchgefu ¨hrt. Plan-Belegungszeiten sind aus diesem Grund nicht aktuell. & Hier wird ein neuer Ansatz zur automatisierten Bestimmung von Plan-Belegungszeiten entwickelt. & Zur Berechnung werden bereits vorhandene aktuelle Ru ¨ckmeldedaten u ¨ber Gesamtbele- gungszeiten von Maschinen und gefertigte Mengen in einer Zeitperiode verwendet. Diese Form der Ru ¨ckmeldung wird in der Serienfertigung ha ¨ufig verwendet. Stichworte: Vorgabezeiten, Belegungszeiten, Ru ¨ckmeldungen, Engpassplanung, Serienfer- tigung WI – Aufsatz

Implizite Determinierung von Plan-Belegungszeiten; Implicit Determination of Standard Times;

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Page 1: Implizite Determinierung von Plan-Belegungszeiten; Implicit Determination of Standard Times;

1 Einleitung

Plan-Belegungszeiten, oft auch als Vor-gabezeiten bezeichnet, spielen in verschie-densten Bereichen eines Produktionsunter-nehmens eine große Rolle. Unter der Plan-Belegungszeit einer Maschine durch einLos versteht man die Rustzeit und die

Plan-Bearbeitungszeit pro Stuck multipli-ziert mit der Losgroße. Die Plan-Bele-gungszeit einer Maschine durch ein Stuckumfasst nur die Plan-Bearbeitungszeit. Indiesem Beitrag werden zuerst die Bedeu-tung und die Bestimmungsmoglichkeitenvon Plan-Belegungszeiten erlautert. Dannwird ein neuer Ansatz zur Bestimmung derstuckbezogenen Plan-Belegungszeit vor-gestellt. Dafur benotigen wir lediglichRuckmeldedaten uber die Gesamt-Bele-gungszeiten von Maschinen in einer Zeit-periode und die gefertigten Mengen nachMaterialien getrennt. Insbesondere fur dieSerienfertigung ist dieser Ansatz von gro-ßer Bedeutung, da erstens Plan-Belegungs-zeiten fur die Produktionsplanung essen-tiell sind und zweitens in der Regel eine pe-riodenbezogene Ruckmeldung erfolgt. Derresultierende Aufwand fur dieses Verfahrenist gering im Vergleich zu anderen Metho-den und kann automatisiert durchgefuhrtwerden. Nach der mathematischen Formu-

lierung des entwickelten Modells erfolgtdie Validierung durch Simulation und dieAnwendung auf Echtdaten eines Unter-nehmens.

2 Anwendungsfelder undBedeutung von Plan-Belegungs-zeiten

2.1 Produktionsplanungund -steuerung (PPS, APS)

Die Produktionsplanung und -steuerunglegt Mengen und Termine von Materialienauf Grund von Stucklistenauflosung undNettobedarfsrechnung so fest, dass Kun-denauftragstermine und geforderte Mengenbestmoglich eingehalten werden konnen(MRP). Die Termine werden durch so ge-nannte Vorlaufzeiten bestimmt, die ausRust-, Bearbeitungs- und Planwartezeiten

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 2, S. 101–108

Die Autoren

Herbert JodlbauerKarl PalmetshoferSonja Reitner

FH-Prof. DI Dr. Herbert JodlbauerStudiengangsleiter Produktionund Management (PMT)Fachhochschule SteyrWehrgrabengasse 1–3A-4400 [email protected]

FH-Prof. DI Karl PalmetshoferFachbereichsleiter Business Computing &IT, Fachhochschule SteyrWehrgrabengasse 1–3A-4400 [email protected]

Mag. Sonja ReitnerForschungsassistentin Produktions-optimierungFachhochschule SteyrWehrgrabengasse 1–3A-4400 [email protected]

Implizite Determinierung vonPlan-Belegungszeiten

Kernpunkte

Plan-Belegungszeiten sind bei der Entlohnung der Mitarbeiter, logistischen Grundgesetzenund Produktionsplanung und -steuerung von Bedeutung. Ohne richtige Plan-Belegungszei-ten ist z. B. eine Optimierung der Engpassmaschinenbelegung nicht sinnvoll.

& Gangige Methoden zur Bestimmung von Belegungszeiten sind meist aufwandig und wer-den daher nicht regelmaßig durchgefuhrt. Plan-Belegungszeiten sind aus diesem Grundnicht aktuell.

& Hier wird ein neuer Ansatz zur automatisierten Bestimmung von Plan-Belegungszeitenentwickelt.

& Zur Berechnung werden bereits vorhandene aktuelle Ruckmeldedaten uber Gesamtbele-gungszeiten von Maschinen und gefertigte Mengen in einer Zeitperiode verwendet. DieseForm der Ruckmeldung wird in der Serienfertigung haufig verwendet.

Stichworte: Vorgabezeiten, Belegungszeiten, Ruckmeldungen, Engpassplanung, Serienfer-tigung

WI – Aufsatz

Page 2: Implizite Determinierung von Plan-Belegungszeiten; Implicit Determination of Standard Times;

bestehen. Planwartezeiten vor den Maschi-nen machen einen Großteil der Vorlaufzei-ten aus, da sie in etwa 10-mal so groß wieRust- und Bearbeitungszeit eines Losessind [VoBW97]. Daher spielen falschePlan-Belegungszeiten bezuglich der Termi-ne so gut wie keine Rollen, bei der Berech-nung der Kapazitatsbelastung fallen sieaber sehr wohl ins Gewicht.

Die Weiterentwicklung von PPS-Syste-men fuhrt zu Advanced-Planning-Systemen(APS), die gemaß der Supply-Chain-Plan-ning-Matrix [MeWR02] neben Modulen furdie lang- und mittelfristige Planung auchein Modul fur die Produktionsfeinplanung(Scheduling) anbieten. Dabei wird ver-sucht, bei simultaner Betrachtung von Ma-terial und Kapazitat nicht nur machbare,sondern bezuglich eines Zielfunktionalsauch optimale Produktionsplane zu erstel-len. Bei der Optimierung kommen Heuris-tiken wie Constraint Programming odergenetische Algorithmen zum Einsatz[MRSW02]. APS arbeiten durch Replika-tion der Planungsdaten in schnelle Arbeits-speicher mit hoher Geschwindigkeit, so-dass die Berucksichtigung von �nderun-gen in Echtzeit erfolgen kann [StKr04].Fur die Optimierungsalgorithmen zur Los-großen- und Abarbeitungsreihenfolge-bestimmung ist die Richtigkeit der Planbe-legungszeiten von großer Bedeutung.Einen weiteren Zugang zur Optimie-

rung in der Produktionsfeinplanung stellenTheory-of-Constraints-basierte Verfahrendar, die z. B. in den Systemen von Manu-gistics oder Intentia enthalten sind. Siekonzentrieren sich auf die Ressource mitder großten Kapazitatsauslastung (Eng-pass) und bestimmen fur diese eine „opti-male“ Reihenfolge zur Abarbeitung derAuftrage. Richtige Plan-Belegungszeitensind dabei nicht nur fur die Terminierungder Auftrage am Engpass notwendig, son-dern auch fur die Ermittlung des Engpassesselbst. Hier ist die Arbeit von [Gold90] an-zumerken, der insbesondere fur jene Vor-gange, die den Hauptteil der Belastung ei-ner Ressource verursachen, eine �berpru-fung verlangt, bevor ein Engpass alssolcher erkannt wird.

2.2 Logistische Grundgesetze

Logistische Grundgesetze beschreiben all-gemein gultige Zusammenhange zwischenAuslastung, Lagerbestand, Durchlaufzeitund Liefertreue. Diese Gesetze hangen vonden tatsachlichen Rustzeiten und Bearbei-tungszeiten und deren Schwankungen ab.Im deutschsprachigen Bereich ist dasTrichtermodell, entwickelt von der Gruppe

um Wiendahl, wohl das bekannteste Mo-dell zur Beschreibung allgemeiner logisti-scher Zusammenhange [NyWie99]. Imamerikanischen Bereich sind diese Grund-gesetze auf Basis der Warteschlangentheo-rie und Little’s Law [Litt61] entwickeltworden und bekannt –– eine gute Zusam-menfassung ist in [HoSp96] gegeben. Injungerer Zeit wurden von Jodlbauer ma-thematische Modelle zur Beschreibung derlogistischen Grundzusammenhange erar-beitet [Jodl04a; Jodl04b]. Alle diese Model-le haben gemeinsam, dass die mittlere Bele-gungszeit (bei Wiendahl „Auftragszeit“bzw. „Durchfuhrungszeit“, bei Jodlbauer„standard processing time“) und derenStreuung eine wesentliche Modellgroße ist.Es lasst sich in diesen Modellen feststellen,dass kurze mittlere Belegungszeiten mitkleinen Schwankungen bei kurzererDurchlaufzeit und kleineren Bestanden ei-ne hohere Auslastung und eine hohere Lie-fertreue ermoglichen.

2.3 Entlohnung

Im Bereich Entlohnung stellen Plan-Bele-gungszeiten eine Basis zur Berechnung vonvariablen Lohnanteilen dar. Hier ist einehohe Sensibilitat der Mitarbeiter gegebenund eine Einbindung der Belegschaftsver-tretung bei der Determinierung dieser Zei-ten unentbehrlich, da die Werte der Plan-zeiten fur Rustvorgange und Bearbeitungs-zeit wesentlich die Hohe des variablenLohnanteiles beeinflussen.

2.4 Bedeutung von Plan-Belegungszeiten

Reale Bearbeitungs- und Rustzeiten weisenStreuungen auf und sind in der Regel unbe-kannt. Fur die Anwendung von logistischenGrundgesetzen und fur die Produktions-planung und -steuerung werden daherPlanwerte als Naherung fur die Ist-Situa-tion verwendet. Gangige PPS, wie z. B.SAP R/3, benotigen als Planwerte eineneinzigen Wert, die zusatzliche Angabe derStreuung von Ist-Werten oder eines Kon-fidenzintervalls ist nicht moglich [FaFG97].Da ganz unterschiedliche Ziele und Inte-

ressenslagen in der Entlohnung auf der ei-nen Seite und logistische Grundgesetzebzw. PPS und APS auf der anderen Seite ge-geben sind, schlagen wir vor, im Folgendenvon Vorgabezeit zu sprechen, wenn diePlanzeit im Entlohnungsbereich angewandtwird. Fur die Anwendung im Bereich logis-tische Grundgesetze und Planung von opti-malen Losgroßen, Reihenfolgen, Einlas-

tungszeitpunkten und Schedules sprechenwir von Plan-Belegungszeiten. Mit dieserNomenklatur sollte verdeutlicht werden,dass bei der Bestimmung der Plan-Bele-gungszeit eine material- und maschinenbe-zogene Kennzahl erarbeitet wird und da-mit keine Einbindung des Betriebsrates er-forderlich ist. Im Allgemeinen wird sichdamit wertmaßig die Vorgabezeit von derPlan-Belegungszeit unterscheiden. In die-ser Arbeit konzentrieren wir uns auf dieAnwendungsfelder logistische Grundgeset-ze und Produktionsplanung und -steue-rung und damit auf die Determinierungder Plan-Belegungszeit.

3 Bestimmungs-moglichkeiten von Plan-Belegungszeiten

3.1 �berblick uber gangigeVerfahren

Zur Bestimmung der Plan-Belegungszeitengibt es in der Praxis analytisch-experimen-telle und analytisch-rechnerische Metho-den [Lucz98]. Zu den analytisch-experi-mentellen Verfahren gehoren das Messenmit der Stoppuhr nach REFA und die Mul-timomentaufnahme. Das Schatzen derPlan-Belegungszeit, Systeme vorbestimm-ter Zeiten (z. B. das Work Factor-Verfah-ren) und das Berechnen von Prozesszeitenzahlen zu den analytisch-rechnerischenMethoden.

3.2 Analytisch-experimentelleMethoden

Fur das Messen der Belegungszeit mit derStoppuhr gibt es genaue Regeln [Refa92],die eingehalten werden mussen. So ist esz. B. erforderlich, dass der Werker, der ein-gelernt sein muss und das Arbeitsverfahrenbeherrscht, zuerst informiert wird. Es wer-den Einzelzeitmessungen jedes Ablauf-abschnittes mehrmals durchgefuhrt unddaraus eine Gesamtzeit bestimmt, die nachder Beurteilung des Leistungsgrades nochentsprechend korrigiert wird. Ein Leis-tungsgrad von 100% entspricht der Ar-beitsgeschwindigkeit, die auf Dauer ohneGesundheitsschaden ausgefuhrt werdenkann.Die Multimomentaufnahme erfasst mit

Hilfe von stichprobenmaßigen Kurzzeit-beobachtungen die Haufigkeit von Vor-gangen. Aus der prozentuellen Haufigkeitdes Auftretens und der betrachteten Ge-

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102 Herbert Jodlbauer, Karl Palmetshofer, Sonja Reitner

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samtzeit wird dann auf die Dauer einesVorgangs ruckgeschlossen [Hall69]. DurchFestlegen eines statistischen Vertrauens-bereichs kann der erforderliche Umfang anBeobachtungen bestimmt werden. Fur die-ses Verfahren wird also kein Zeitmessgeratbenotigt. Die Datenermittlung kann unter-brochen und wieder neu begonnen werden.Auch die gleichzeitige Betrachtung vonmehreren Arbeitsplatzen ist moglich.

3.3 Analytisch-rechnerischeMethoden

Das Schatzen der Plan-Belegungszeit istzwar eine einfache und billige Variante,aber sehr ungenau und oft nicht nachvoll-ziehbar. Es wird z. B. bei der Neueinfuh-rung eines Produktes oder bei kleinenStuckzahlen, insbesondere bei Einzelfer-tigung und Projekten, eingesetzt. Stehenschon Plan-Belegungszeiten von ahnlichenAblaufen zur Verfugung, so kann der be-trachtete Ablauf damit verglichen und da-raus die Plan-Belegungszeit geschatzt wer-den.Eine weitere Moglichkeit bieten Systeme

vorbestimmter Zeiten. Das sind Verfahren,die Arbeitsablaufe eines Werkers in einzel-ne Bewegungselemente aufgliedern unddiesen Bewegungen Soll-Zeiten zuordnen.Das Work-Factor-Verfahren [QuDM62]z. B. unterscheidet acht Standardelementewie z. B. Bewegen, Greifen und Loslassen,fur die in tabellarischer Form Standardzei-ten zur Verfugung stehen. Um die Plan-Be-legungszeit eines Arbeitsablaufes zu be-stimmen, wird dieser zuerst in Elementeaufgespaltet. Unter Berucksichtigung vonverschiedenen Einflussgroßen, wie z. B.zuruckgelegter Weg und Gewicht einesWerkstucks, wird die Zeit aus Tabellen be-stimmt, die aus umfangreichen Zeitstudienerstellt wurden. Systeme mit vorbestimm-ten Zeiten haben den Vorteil, dass sie unab-hangig von der Situation und von Mit-arbeitern sind und gegenuber dem Messenmit der Stoppuhr keine Leistungsgrad-beurteilung benotigen, was meist mitSchatzfehlern behaftet ist. Die Plan-Bele-gungszeit kann so auch ermittelt werden,wenn sich ein Produktionsablauf erst imPlanungsstadium befindet, allerdings be-steht die Gefahr, Arbeitablaufe unrealis-tisch darzustellen.Fur Vorgange, die auf Maschinen voll-

kommen automatisiert und ohne mensch-lichen Einfluss ablaufen, kann die Plan-Be-legungszeit mittels Kenntnissen uber Be-wegungen und deren Geschwindigkeitenauch direkt berechnet werden.

3.4 Neuer Ansatz

Die oben beschriebenen Methoden unter-scheiden sich in Genauigkeit und Auf-wand. Methoden mit geringem Aufwandhaben den Nachteil, dass sie meist nur sehrungenau die Plan-Belegungszeit bestim-men. In diesem Beitrag wird ein neuer An-satz zur Bestimmung der Plan-Belegungs-zeiten aus Ruckmeldedaten vorgestellt.Wurden in der Produktion reale Bele-gungszeiten fur jedes Material einzelnruckgemeldet werden, so konnten darauseinfach Plan-Belegungszeiten ermitteltwerden. Auf Grund des zu hohen manuel-len Aufwands – falls die Maschine selbstdie Daten nicht zur Verfugung stellt – wirddas nur in seltenen Fallen gemacht. In derSerienfertigung erfolgt z. B. in SAP R/3 dieRuckmeldung nicht auftragsgebunden,sondern typischerweise werden in regelma-ßigen Abstanden (z. B. Schichten) Produk-tionsmengen erfasst [SAPA96].Sind Ruckmeldedaten in Form von rea-

len Gesamtbelegungszeiten einer Maschineund gefertigte Mengen von Materialen vor-handen, so zeigt das hier entwickelte Mo-dell, wie man daraus die Plan-Belegungs-zeiten fur jedes Material bestimmen kann.Die Einbindung in das Produktionspla-nungssystem sieht so aus, dass neben denRuckmeldungen zu den Bewegungsdaten,wie Auftrage, Kapazitaten usw., oben be-schriebene Ruckmeldungen auch fur dieAdaptierung der Plan-Belegungszeiten inden Stammdaten dienen (siehe Bild 1). DerAufwand dieses Verfahrens ist gering, dadie Ruckmeldedaten schon vorhanden sind

und die Berechnung automatisiert durch-gefuhrt werden kann.

Die Verwendung von aktuellen Ist-Da-ten ermoglicht eine standige Anpassungder Plan-Belegungszeiten. Wenn sich durchVerbesserungsmaßnahmen oder allgemeinProzessanderungen Ist-Belegungszeitenandern, werden diese selbstlernend in denneuen Planwerten berucksichtigt. Ins-besondere konnen APS und andere Pla-nungssysteme ohne weitere Durchfuhrungvon Messungen auf aktuelle Belegungszei-ten zugreifen. Auftretende Verzerrungenwie beim Messen mit der Stoppuhr entfal-len ebenfalls und die Berechnungen lieferngute Ergebnisse, wie die Validierung desModells in Abschnitt 5.1 zeigt. Ein Nach-teil dieses Verfahrens ist allerdings, dass esim Gegensatz zum Work-Factor-Verfahrenim Planungsstadium nicht eingesetzt wer-den kann, da noch keine Ruckmeldedatenzur Verfugung stehen.

4 Modell zur implizitenDeterminierung von Plan-Belegungszeiten

4.1 Grundidee

Verschiedene Materialien verursachen imAllgemeinen unterschiedliche Belegungs-zeiten auf einer Maschine. Im Folgendenwird ein Modell dargestellt, das fur jedeMaschine und jedes Material die Plan-Bele-gungszeit durch ein Stuck implizit be-

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Stammdaten Bewegungsdaten

Planungslauf

Ausführung

Plan-

Belegungszeiten

Stammdaten Bewegungsdaten

Planungslauf

Ausführung

Plan-BelegungszeitenRückm

eldungen

Rückmeldungen

Bild 1 Bestimmung der Plan-Belegungszeiten aus Ruckmeldungen

Implizite Determinierung von Plan-Belegungszeiten 103

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stimmt. Dafur werden fur jede betrachteteMaschine die Anzahl der bearbeitetenStuck von jedem Material am Ende einesBetrachtungszeitraums (z. B. eine Schicht)und die gesamte Maschinenbelegungszeitdurch alle Materialien in diesem Zeitraumbenotigt. Wurden die Ist-Belegungszeitendurch die Materialien keine Streuung auf-weisen, so konnte man sie durch Losen ei-nes linearen Gleichungssystems bestimmen(vgl. (1) mit ¼ an Stelle von �). Die mitden Stuckzahlen gewichtete Summe derIst-Belegungszeiten ergibt dann exakt dieGesamtbelegungszeit in einer Zeitperiode.Da die Praxis allerdings anders aussieht

(Ist-Belegungszeiten sind nicht konstant,Daten werden nicht exakt ruckgemeldet)braucht man andere mathematische Metho-den, um die Plan-Belegungszeit zu bestim-men. Gunstig ist es, mehr Zeitperioden alsMaterialien zu betrachten. Damit erhaltman ein uberbestimmtes Gleichungssys-tem, von dem die bestmogliche Losung mitHilfe eines Least-squares-Ansatzes be-stimmt werden kann. In der Anwendungtreten jedoch Unwagbarkeiten auf, die Ver-besserungen des oben beschriebenen An-satzes erfordern und die in Kapitel 4.3 be-schrieben werden.

4.2 Datenerhebung

In den meisten Betrieben stehen die Ruck-meldungen in Form von Mengen eines Ma-terials, das an einer Maschine bearbeitetwird, zur Verfugung. Die Mengen umfas-sen Gutmengen und Ausschuss und sindmit einem Zeitstempel versehen. Zusatzlichbenotigt man die Gesamtbelegungszeit ei-ner Maschine in einer Zeitperiode (z. B.Schicht), die die Bearbeitungszeiten allerMaterialien auf dieser Maschine, nicht aberRustzeiten und Stillstandszeiten (Storun-gen, Pausen, usw.) umfasst. Diese produk-tive Zeit steht ublicherweise zur Ver-fugung, da in den meisten Unternehmendie Kapazitatsauslastung als Kennzahl be-stimmt wird.Die Ruckmeldedaten sind pro Maschine

in Tabellen aufzubereiten, deren Zeilen dieZeitintervalle und deren Spalten die ruck-gemeldeten Mengen pro Material (undVorgangsnummer) und als letzte Spalte diegesamte Belegungszeit im Zeitintervall be-inhalten. In Tabelle 1 sind Ruckmeldedatenfur eine Maschine dargestellt. Auf dieserMaschine werden 3 verschiedene Materia-lien bearbeitet und die Ruckmeldungen er-folgen taglich. Am Tag 1 wurden z. B.30 Mengeneinheiten (ME) von Material 1,84 ME von Material 2 und 130 ME vonMaterial 3 bearbeitet. Die Belegungszeit

dieser Maschine fur alle Materialien zusam-men betrug 211,11 Minuten an diesem Tag.Schwierigkeiten, die hier auftreten, sind,

dass Vorgange, deren Laufzeit uber einZeitintervall hinausgehen, am Ende desZeitintervalls zwischenruckgemeldet wer-den mussten, ansonsten ist die Zuordnungzu den Zeiten fehlerhaft. Bei mehreren Be-arbeitungsvorgangen eines Materials anderselben Maschine muss die Ruckmel-dung nach Vorgangen getrennt erfolgen.

4.3 Mathematisches Modell

Nun wird ein mathematisches Modell for-muliert, das aus Ruckmeldedaten, wie z. B.in Tabelle 1, die Plan-Belegungszeiten furjedes Material determiniert. Dazu werdenfolgende Bezeichnungen verwendet:n . . . Anzahl der betrachteten Zeitperiodenm . . . Anzahl der Materialienaij . . . produzierte Menge von Material j inPeriode ibi . . . Gesamtbelegungszeit der Maschinein Periode ippj . . . zu bestimmender Schatzwert fur diePlan-Belegungszeit von Material jpj . . . vorhandener Wert fur die Plan-Bele-gungszeit von Material j

Die Werte pj konnen die bisher verwen-deten Plan-Belegungszeiten sein, die z. B.mit einem anderen Verfahren bestimmtwurden. Es ist auch moglich, Vorgabezei-ten, die fur die Lohnberechnung verwendetwerden, heranzuziehen. Sind keine solchenWerte vorhanden, so werden sie ohne gro-ßen Aufwand geschatzt. Spatere Berech-nungen zeigen, dass diese Zahlen nur inSpezialfallen benotigt werden.

Betrachtet man Tabelle 1, so ist n ¼ 10und m ¼ 3. a23 ist die produzierte Mengevon Material 3 am zweiten Tag und damit120. Die Gesamtbelegungszeit am siebtenTag wird mit b7 bezeichnet und ist in die-sem Beispiel 100,96 Minuten. Zur verein-fachenden Schreibweise werden oben ge-nannte Bezeichnungen zu Matrizen bzw.Vektoren zusammengefasst:A ¼ ðaijÞ 2 Rm

n . . .Matrix mit Produk-tionsmengenb ¼ ðbiÞ 2 Rn . . . Vektor mit Gesamtbele-gungszeitenpp ¼ ðppjÞ 2 Rm . . . Vektor mit Schatzwertenfur Plan-Belegungszeitenp ¼ ðpjÞ 2 Rm . . . Vektor mit vorhandenenPlan-BelegungszeitenDie Bestimmung der Plan-Belegungszeit

fuhrt auf das Gleichungssystem

App � b : ð1ÞDas Gleichungssystem (1) ist nicht exakterfullbar, weil Storungen in den Belegungs-zeiten enthalten sind und die Anzahl derZeitperioden großer als die Anzahl derMaterialien ist (n > m). Damit ist (1) einuberbestimmtes Gleichungssystem und diebestmogliche Losung kann mit dem Least-squares-Ansatz bestimmt werden:

kApp� bk ! Min: ð2ÞDaraus ergibt sich nach [AlJR04]

ðATAÞ pp ¼ ATb , ð3Þund als Schatzwert fur die Plan-Belegungs-zeit

pp ¼ ðATAÞ�1 ATb , ð4Þwobei ( )�1 bzw. ( )T die Matrixoperatio-nen des Invertierens und Transponierens

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 2, S. 101–108

Tabelle 1 Aufbereitung der Ruckmeldedaten

Tag MengeMaterial 1

MengeMaterial 2

MengeMaterial 3

Gesamtbelegungszeitin Minuten

1 30 84 130 211,11

2 38 52 120 179,34

3 7 15 46 60,43

4 16 20 66 84,49

5 26 51 172 214,98

6 9 22 124 138,14

7 10 30 93 100,96

8 12 0 131 108,96

9 0 0 83 76,58

10 0 0 45 32,87

104 Herbert Jodlbauer, Karl Palmetshofer, Sonja Reitner

Page 5: Implizite Determinierung von Plan-Belegungszeiten; Implicit Determination of Standard Times;

kennzeichnen. Da die Matrix ATA in derAnwendung nicht immer regular ist, ist dieBestimmung der inversen Matrix und da-mit die Berechnung der Plan-Belegungszeitim Allgemeinen mit (4) nicht moglich. Gu-te Naherungen fur die Losung lassen sichmit Hilfe einer Regularisierung erreichen[EnHN00; Neum98], die sich aus dem An-satz

kApp� bk þ akpp� pk ! Min: ð5Þableiten lasst. Anschaulich heißt das Fol-gendes: Wenn die Matrix ATA singular ist,gibt es unendlich viele Losungen, die (2)erfullen. Aus diesen Losungen wird dannjene ausgewahlt, die den vorhandenenPlan-Belegungszeiten am nachsten liegt.Das wird durch den zweiten Term in (5)ausgedruckt. Der Einfluss von p kanndurch den Regularisierungsparameter a,der spater noch genauer festgelegt wird, ge-steuert werden.Aus (5) ergibt sich durch Differenzieren

und mit I als m-dimensionaler Einheits-matrix

pp ¼ ðATAþ aIÞ�1 ðATbþ apÞ : ð6ÞWeitere Verbesserungen konnen erzieltwerden, indem man A und b erweitert unddas Gleichungssystem (3) skaliert (siehe4.4). Die Matrix A wird mit Hilfe der Sum-me der Produktionsmengen um eine Zeileerweitert, der Vektor b wird mit der Sum-me der Gesamtarbeitszeiten erganzt. Dasliefert eine zusatzliche Bedingung an diePlan-Belegungszeiten, die garantiert, dassdie aus den kumulierten Mengen berech-nete Belegungszeit in etwa der Summe derruckgemeldeten Gesamtbelegungszeitenentspricht.

c ¼ ðcjÞ 2 Rm

mit cj ¼Pni¼1

aij , d ¼ Pni¼1

bi ,

�AA ¼ Ac

� �2 R

mnþ1 ,

�bb ¼ bd

� �2 Rnþ1 :

ð7Þ

Fur die Skalierung des Gleichungssystemswird jeweils der Reziprokwert vom Abso-lutbetrag des Zeilenmaximums der Matrix�AAT �AA als Skalierungsfaktor verwendet.

M ¼ �AAT �AA ¼ ðmijÞ 2 Rmm ,

mi ¼ maxj2f1; ... ;ng

jmijj : ð8Þ

Die skalierte Matrix M bezeichnen wir mitF, den skalierten Vektor �AAT �bb mit r:

F ¼ ðfijÞ 2 Rmm mit fij ¼ m�1

i mij ,

r ¼ ðriÞ 2 Rm mit ri ¼ m�1i ð �AAT �bbÞi :

ð9Þ

Die Skalierung des Gleichungssystems be-wirkt, dass die Matrixeintrage von F und r

in einer vergleichbaren Großenordnungliegen, was sich bei den numerischen Aus-wertungen als vorteilhaft erweist.In Analogie zu (6) ergibt sich als Losung

fur die Plan-Belegungszeit

pp ¼ ðF þ aIÞ�1 ðr þ apÞ : ð10ÞDer Regularisierungsparameter a wird sobestimmt, dass er keinen Einfluss auf dieLosung hat, wenn die zu invertierendeMatrix regular ist und einen Maximalwertannimmt, wenn die Matrix singular ist.Dazwischen gibt es einen �bergangs-bereich. Da die Determinante (det) theo-retisch genau dann 0 ist, wenn die Matrixsingular ist, kann sie als Maß fur die Regu-laritat einer Matrix herangezogen werden.Die Definition von a ist in Bild 2 grafischund in (11) formelmaßig dargestellt. Dersingulare Bereich muss aufgrund der Ma-schinengenauigkeit bei der Berechnung aufein Intervall [0, e1� ausgedehnt werden. Istdie Determinante großer als ein Wert e2,so wird die Matrix als regular betrachtetund der Parameter a ist Null. Das trifftbeim Großteil der durchgefuhrten Experi-mente zu und bewirkt, dass die vorgege-benen Werte p fur die Plan-Belegungszeitnicht benotigt werden. Im Intervall ½e1, e2�erfolgt der �bergang von singular zu re-gular und der Regularisierungsparameterwird durch eine lineare Funktion beschrie-ben.

0 fur jdet ðFÞj � e2

e2 � jdet ðFÞje2 � e1

fur e1< jdet ðFÞj< e2

1 fur jdet ðFÞj � e1

8>>>>><>>>>>:

ð11Þ

Fur e1 wird die Maschinengenauigkeit 10�7

als Wert gewahlt. Aus numerischen Experi-menten mit Unternehmensdaten wurde er-mittelt, ab wann eine Regularisierung not-wendig ist. Daraus wurde der Parametere2 ¼ 10�5 bestimmt. Der abgeleitete Algo-rithmus ist in Visual Basic programmiertund als Makro in Excel verwendbar.

4.4 Einfluss von Summenzeile,Regularisierung und Skalierung

Anhand eines Beispiels wurde untersucht,welchen Einfluss das Erweitern mit einerSummenzeile in (7) hat. Fur drei Produkteund 18 Zeitperioden wurden Mengenruck-meldungen simuliert, die ahnliche Musteraufweisen. Die Gesamtbelegungszeit wur-de mit vorgegebenen Plan-Zeiten errechnetund mit einer Storung, erzeugt durch einenormalverteilte Zufallsvariable, versehen.Aus den berechneten Plan-Belegungszeitenwurde die kumulierte Belegungszeit in al-len 18 Zeitperioden ermittelt und mit derSumme der simulierten Ist-Werte vergli-chen. Die Berechnung ohne Summenzeilelieferte dabei eine Abweichung von 3,14%,wahrend die Berechnung mit Summenzeilenur eine Abweichung von 0,17% aufweist.

Die Effekte der Regularisierung und Ska-lierung lassen sich anhand des folgendenBeispiels erkennen. Die Ruckmeldedatendafur sind in Tabelle 2 dargestellt. Bei derBerechnung der Matrix F aus (9) erhalt mandurch die Skalierung Eintrage, die Großen-ordnung 1 haben. Das ist notwendig, damitman den Regularisierungsparameter a sowie in (11) definieren kann. Wurde man dieMatrix nicht skalieren, so liegt ihre Deter-minante in einem vollig anderen Zahlen-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 2, S. 101–108

α

1ε2

ε

1

Übergangs-zone

regulärnumerischsingulär

0 det (F)

Bild 2 Definition von a

Implizite Determinierung von Plan-Belegungszeiten 105

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bereich und der maximale Wert von a, derjetzt mit 1 festgelegt ist, musste an die Gro-ßenordnung der Matrixeintrage angepasstwerden. In diesem Beispiel erhalt mandet ðFÞ ¼ 2,38 � 10�6. Da dieser Wert nahebei Null liegt, ist eine Regularisierung not-wendig, um brauchbare Plan-Belegungs-zeiten zu erhalten. Aus (11) ergibt sich derRegularisierungsparameter a ¼ 0,977 unddie Ergebnisse sind in Tabelle 3 dargestellt.Die berechneten Plan-Belegungszeiten oh-ne Regularisierung weichen von den Plan-Zeiten stark ab und sind zum Teil sogar ne-gativ. Die Plan-Belegungszeiten mit Regu-larisierung sind mit den vorgegebenenWerten fast identisch.

5 Validierungund Anwendung des Modells

5.1 Validierung durch SimulationDie Validierung des entwickelten Modellserfolgte mittels Simulationsexperimenten.Fur beliebige Muster von ruckgemeldetenMengen kann zunachst die Gesamtbele-gungszeit in jeder Zeitperiode i nach Mate-rialien getrennt mittels vorgegebenen Plan-Werten bestimmt werden. Um die in derPraxis auftretenden Verzerrungen der Bele-gungszeiten darzustellen, wurde zu derexakt berechneten Gesamtbelegungszeit ei-nes Materials j eine standardnormalverteilte

Zufallszahl, multipliziert mit einer vor-gegebenen Streuung s ¼ vaijpj, addiert. Indieser Nomenklatur bezeichnet v denVariationskoeffizienten. Die Gesamtbele-gungszeit bi in der Periode i ergibt sich alsSumme der Belegungszeiten der einzelnenMaterialien in dieser Zeitperiode und einerzusatzlichen Streuung. Diese Streuungwird durch eine standardnormalverteilteZufallsvariable multipliziert mit einem Ge-wichtungsfaktor erzeugt und simuliert Ab-weichungen der Gesamtbelegungszeit, diez. B. durch kurze Pausen entstehen. EinAuszug der Inputdaten fur ein Experimentsind in Tabelle 1 und die Ergebnisse in Ta-belle 4 dargestellt.Fur die Gewichtung der Zufallszahlen

wurde der Variationskoeffizient v ¼ 5%gewahlt. Da bei diesem Experiment lautDefinition (11) der Regularisierungs-parameter a ¼ 0 ist, gehen die Soll-Bele-gungszeiten pj nicht in die Berechnung ein,die ermittelten Werte weichen aber nur ge-ring von diesen ab. Um diese Abweichungzu messen, wurde als Kennzahl die mittlererelative Abweichung berechnet:

s ¼ 1m

Pm

j¼1

jppj � pjjpj

: ð12Þ

Fur dieses Experiment ergibt sich damit ei-ne mittlere relative Abweichung von15,2%.Weiters wurde die Abhangigkeit der

mittleren relativen Abweichung der Bele-gungszeiten s vom Variationskoeffizient vder Belegungszeitstreuung untersucht. DasErgebnis ist in Bild 3 grafisch dargestelltund zeigt, dass zwischen diesen Großennaherungsweise ein linearer Zusammen-hang besteht. Wird die Anzahl der Zeit-perioden n erhoht, so reduziert sich diemittlere relative Abweichung der Bele-gungszeiten. Betrachtet man die relativeAbweichung der Belegungszeiten nachMaterialen getrennt, so zeigte dieses Simu-lationsexperiment, dass die Abweichungmit zunehmendem Anteil an der Gesamt-belegungszeit abnimmt.

5.2 Anwendung mit Echtdaten

Mit dem beschriebenen Modell wurdenEchtdaten eines Maschinenbauunterneh-mens ausgewertet. Das Unternehmen stelltauf 15 Maschinen in einer mechanischenFertigung ca. 40 verschiedene Materialienher. Eine Maschine zur Oberflachenbe-handlung von Kurbelwellen zahlt zu denhoch ausgelasteten Systemen in diesem Be-trieb. Gerade dort sind richtige Plan-Bele-gungszeiten von großer Bedeutung fur die

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Tabelle 2 Ruckmeldedaten fur Beispiel

Tag MengeMaterial 1

MengeMaterial 2

MengeMaterial 3

Gesamtbelegungszeitin Minuten

1 90 100 100 255,26

2 100 90 100 224,16

3 100 100 90 241,96

Tabelle 3 Ergebnisse fur Beispiel

Belegungszeit Material 1 Material 2 Material 3

Plan-Zeiten pj 0,500 1,200 0,800

berechnete Werte pjohne Regularisierung

�0,651 2,459 0,679

berechnete Werte pjmit Regularisierung

0,496 1,198 0,797

4

2

0

0 0,2 0,4

n = 10

n = 15

n = 20

s

v

Bild 3 Abweichung der Belegungszeiten s in Abhangigkeit des Variationskoeffizien-ten v der Belegungszeitstreuung

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Planung und Steuerung. Aus den vorhan-denen Ruckmeldedaten von dieser Ma-schine wurden zuerst die Daten mittels Da-tenbankroutinen in die entsprechenden Ta-bellen im Tabellenkalkulationsprogrammkonvertiert und dort das Verfahren appli-ziert. In Tabelle 5 sind die berechnetenPlan-Belegungszeiten abzulesen.Die kalkulierten Werte wurden anschlie-

ßend mit den Vorgabezeiten des Arbeits-plans und der letzten vorhandenen Mes-sung nach REFA verglichen. Die Vor-gabezeit im Arbeitsplan ist jeweils umeiniges hoher als die beiden anderen Werte,sie ist fur den Bereich Entlohnung zu ver-wenden. Die berechneten Werte stimmengroßteils sehr gut mit den Zeitstoppungenuberein, mit dem Vorteil, dass sie auto-matisch und ohne zusatzlichen Aufwandbestimmt werden konnen. Die berechnetenPlanbelegungszeiten spiegeln die Realitatbesser wieder als die Vorgabezeiten im Ar-beitsplan. Sie sollen daher zur Bestimmungder Kapazitatsauslastung, der Termine undfur APS verwendet werden und verbesserndamit die Planungsqualitat.

6 Zusammenfassungund Ausblick

In diesem Beitrag wurde ein neues Modellzur Berechnung von Plan-Belegungszeitenentwickelt. Dieses Modell kann dann ver-wendet werden, wenn schon bestimmteRuckmeldedaten vorhanden sind. Die da-mit bestimmten Zeiten dienen ausschließ-lich als materialabhangige Maschinen-kennzahlen, die in keinster Weise die Be-rechnung von variablen Lohnanteilenbeeinflussen durfen. Wir sprechen dahervon der Bestimmung von Plan-Belegungs-

zeiten, die keine Einbindung der Beleg-schaftsvertretung erfordert.Da die Berechnung dieser Plan-Bele-

gungszeiten auf vorhandenen Daten basiert,stellt sie keinen zusatzlichen Aufwand dar,im Gegensatz zu den in der Praxis haufigverwendeten Verfahren wie Work-Factoroder REFA-Zeitaufnahme. Sinnvoll ist eineautomatisierte Berechnung nach dem vor-gestellten Verfahren in regelmaßigen Zeit-abschnitten, um so selbst adaptierendePlan-Belegungszeiten zu erhalten. DieseAnpassungen sind notwendig, weil sichdurch Verbesserungsmaßnahmen und Pro-zessanderungen die Ist-Belegungszeiten an-dern. Aktuelle Plan-Belegungszeiten sindVorraussetzung fur das vernunftige Arbei-ten mit APS, logistischen Kennlinien oderScheduling-Programmen.Das vorgestellte Modell kann einfach auf

die Bestimmung von Plan-Rustzeiten er-weitert werden. Mit den Bezeichnungen

rij . . . Anzahl der Rustprozesse fur Materi-al j in Periode irrj . . . zu bestimmender Schatzwert fur diePlan-Rustzeit von Material jR ¼ ðrijÞ 2 Rm

n . . .Matrix mit Anzahl derRustprozesserr ¼ ðrrjÞ 2 Rm . . . Vektor mit Schatzwertenfur Plan-Rustzeitenwerden die Matrix A bzw. der Vektor pp er-weitert:B ¼ ðA jRÞ 2 R2m

n . . . Matrix mit Produk-tionsmengen und Anzahl der Rustprozesse

xx ¼ pp

rr

!2 R2m . . . Vektor mit Schatzwer-

ten fur Plan-Bearbeitungs- und Plan-Rust-zeiten

Die Eintrage des Vektors b sind so abzu-andern, dass die Gesamtbelegungszeit einerMaschine die Bearbeitungszeiten aller Ma-terialien und alle Rustzeiten in dem be-trachteten Zeitraum umfasst. Ersetzt manin den Formeln (1)–(10) die Matrix Adurch B und den Vektor pp durch xx, dannliefert der Algorithmus neben den Plan-Be-legungszeiten fur die Bearbeitung einesMaterials auch Planwerte fur Rustvorgan-ge. Weiters ist geplant, aus den Mengen-ruckmeldungen auch einen Schatzwert furdie Streuung der Ist-Belegungszeiten zu er-mitteln.

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Abstract

Implicit Determination of Standard Times

Correct standard times are needed for logistic operating curves, manufacturing planningand control systems and Advanced Planning Systems (APS) for scheduling, lot-sizing andsequencing. This paper presents a model for calculation of standard times based on theknowledge of the total busy time of a work center and the produced number of items in afixed time period. The developed method requires little effort in comparison to other methodssuch as Work-Factor or time observation. It can regularly determine standard times usingcurrent confirmation data.

Keywords: Standard Times, Machine Utilization Time, Confirmation Data, Constraint Sche-duling, Repetitive Manufacturing

Tabelle 4 Simulationsergebnis

Belegungszeit Material 1 Material 2 Material 3

Plan-Zeiten pj 0,500 1,200 0,800

berechnete Werte pj 0,652 1,042 0,815

Tabelle 5 Plan-Belegungszeiten des Unternehmens

Belegungszeit(in Minuten/Stuck)

Kurbelwelle 1400 Kurbelwelle 1800 Kurbelwelle 2500

Vorgabezeiten laut Arbeitsplan 2,8 2,6 3,5

Messung nach REFA 2,1 1,6 2,1

berechnete Werte 1,3 1,6 2,1

Implizite Determinierung von Plan-Belegungszeiten 107

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