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Redaktion E. Märker-Hermann, Wiesbaden Z Rheumatol 2008 · 67:295–304 DOI 10.1007/s00393-008-0307-4 Online publiziert: 6. Juni 2008 © Springer Medizin Verlag 2008 J.U. Holle · S. Schinke · W.L. Gross Poliklinik für Rheumatologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck Infektionsrisiko durch Biologika Leitthema Die bisher für rheumatologische System- erkrankungen (rheumatoide Arthritis/RA, ankylosierende Spondylitis und Psoriasis- arthritis) zugelassenen Biologika umfas- sen die Tumor-Nekrose-Faktor- (TNF-)α- Antagonisten Infliximab, Etanercept und Adalimumab, den monoklonalen CD20- Antikörper Rituximab und Abatacept ein CTLA-4Ig-Fusionsprotein, welches die T-Zell-Kostimulation blockiert. Die un- terschiedlichen Wirkprinzipien bedingen möglicherweise unterschiedlichen Neben- wirkungsprofile auch im Hinblick auf das Infektionsrisiko und die Art der Infektion, wie z. B. Reaktivierung einer Tuberkulose unter TNF-α-Antagonisten. TNF-α-Antagonisten Struktur und Wirkungsweise Durch die EMEA („European Medicines Agency“) sind bisher 3 TNF-Antagonis- ten zugelassen worden (Tab. 1), dar- unter 2 monoklonale Antikörper (Inflixi- mab, Adalimumab) und das Fusionspro- tein aus dem löslichen Rezeptor und der Fc-Region eines humanen Immunglobu- lin-G- (IgG-)1-Antikörpers (Etanercept). Ferner ist für Certolizumab, ein monoklo- nales Fab-Antikörperfragment, das kova- lent an Polyethylenglykol gebunden ist, die Zulassung zur Therapie des M. Crohn beantragt. Certolizumab war in einer ran- domisierten, kontrollierten Doppelblind- studie ebenfalls effektiv in der Therapie der RA, Phase-III-Studien werden zurzeit durchgeführt. Infliximab ist ein chimäres Produkt und besteht zu etwa 25% aus Aminosäuren der Maus, welche die VH- und VL-Domä- nen bilden. Etwa 75% der Aminosäuren sind human. Der humane Anteil von In- fliximab besteht aus der CH1- und der Fc- Region. Etanercept ist ein (humanes) gen- technisch hergestelltes Fusionsprotein aus dem extrazellulären Anteil des humanen TNF-α-Rezeptor 2 (TNFR2) und dem Fc-Anteil von humanem IgG-1, während Adalimumab ein humaner Antikörper ist. Certolizumab pegol entspricht einem hu- manisierten Protein, dessen CDR („com- plementarity determining regions“) aus der Maus in je eine humane VH- und VL-Domäne eingebettet sind (siehe [28] als Übersichtsarbeit). DieRationalefürdenEinsatzvonTNF-α- Antagonisten ergibt sich aus der Tatsa- che, dass TNF-α bei inflammatorischen (autoimmunen) Vorgängen ein Schlüs- selzytokin darstellt und erhöhte Spiegel von TNF-α in Blut und Geweben bei ver- schiedenen Autoimmunerkrankungen, wie z. B. bei der RA, der Psoriasisarthritis und bei M. Crohn [28] nachgewiesen wer- den konnten. Die antientzündliche Wir- kung von TNF-α-Antagonisten ist wahr- scheinlich vorwiegend auf folgende Me- chanismen zurückzuführen: 1. Die Neutralisation von löslichem TNF-α (sTNF-α) und damit die Reduktion von verfügbarem TNF-α für TNF-α-Rezeptoren und 2. Interaktion mit und Induktion membran-TNF-α- (mTNF-α-)vermit- telter Effekte. Die Interaktion von TNF-α-Antagonisten mit mTNF-α induziert einerseits antago- nistische Effekte, indem sie die Interaktion mit TNF-α-Rezeptor 1 und 2 (TNFR1/2) inhibieren, andererseits üben sie über das „reverse signaling“ agonistische Effekte aus, die z. B. Apoptose, Zellaktivierung oder Zytokinsuppression der Zielzelle zur Folge haben können [12]. Ferner induzie- ren TNF-α-Antagonisten möglicherwei- se über ihre Fc-Anteile eine komplement- vermittelte Zytotoxizität und eine antikör- pervermittelte Zytotoxizität. Infektionsrisiko unter TNF-α- Antagonisten im Allgemeinen Unter den verfügbaren Publikationen über Infektionen unter den TNF-α-Anta- gonisten Infliximab und Adalimumab bei Patienten mit RA gibt es eine Metaanaly- se aus dem Jahr 2006 (5014 randomisierte Patienten), die 3,6% schwere Infektionen unter TNF-α-Antagonisten und 1,7% in der Kontrollgruppe feststellte [3]. Insge- samt wurden 126 schwere Infektionen in der Gruppe der TNF-α-Antagonisten im Vergleich zu 26 Fällen in der Kontroll- gruppe festgestellt. Etanercept wurde in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Fer- ner waren Krankheitsdauer, Krankheits- aktivität und begleitende Basistherapie in den verschiedenen Studien unterschied- lich. > Unter TNF-α-Antagonisten wurden doppelt so viele schwere Infektionen beobachtet wie in der Kontrollgruppe Später publizierte Daten liegen aus unter- schiedlichen nationalen Registern vor. In Schweden wurden von 1999–2003 4167 Pa- tienten mit RA, die eine Anti-TNF-α-The- rapie erhielten, registriert. Das Risiko einer 295 Zeitschrift für Rheumatologie 4 · 2008 |  

Infektionsrisiko durch Biologika

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Page 1: Infektionsrisiko durch Biologika

RedaktionE. Märker-Hermann, Wiesbaden

Z Rheumatol 2008 · 67:295–304DOI 10.1007/s00393-008-0307-4Online publiziert: 6. Juni 2008© Springer Medizin Verlag 2008

J.U. Holle · S. Schinke · W.L. GrossPoliklinik für Rheumatologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Infektionsrisiko durch Biologika

Leitthema

Die bisher für rheumatologische System­erkrankungen (rheumatoide Arthritis/RA, ankylosierende Spondylitis und Psoriasis­arthritis) zugelassenen Biologika umfas­sen die Tumor­Nekrose­Faktor­ (TNF­)α­Antagonisten Infliximab, Etanercept und Adalimumab, den monoklonalen CD20­Antikörper Rituximab und Abatacept ein CTLA­4Ig­Fusionsprotein, welches die T­Zell­Kostimulation blockiert. Die un­terschiedlichen Wirkprinzipien bedingen möglicherweise unterschiedlichen Neben­wirkungsprofile auch im Hinblick auf das Infektionsrisiko und die Art der Infektion, wie z. B. Reaktivierung einer Tuberkulose unter TNF­α­Antagonisten.

TNF-α-Antagonisten

Struktur und Wirkungsweise

Durch die EMEA („European Medicines Agency“) sind bisher 3 TNF­Antagonis­ten zugelassen worden (. Tab. 1), dar­unter 2 monoklonale Antikörper (Inflixi­mab, Adalimumab) und das Fusionspro­tein aus dem löslichen Rezeptor und der Fc­Region eines humanen Immunglobu­lin­G­ (IgG­)1­Antikörpers (Etanercept). Ferner ist für Certolizumab, ein monoklo­nales Fab­Antikörperfragment, das kova­lent an Polyethylenglykol gebunden ist, die Zulassung zur Therapie des M. Crohn beantragt. Certolizumab war in einer ran­domisierten, kontrollierten Doppelblind­studie ebenfalls effektiv in der Therapie der RA, Phase­III­Studien werden zurzeit durchgeführt.

Infliximab ist ein chimäres Produkt und besteht zu etwa 25% aus Aminosäuren der Maus, welche die VH­ und VL­Domä­

nen bilden. Etwa 75% der Aminosäuren sind human. Der humane Anteil von In­fliximab besteht aus der CH1­ und der Fc­Region. Etanercept ist ein (humanes) gen­technisch hergestelltes Fusionsprotein aus dem extrazellulären Anteil des humanen TNF­α­Rezeptor 2 (TNFR2) und dem Fc­Anteil von humanem IgG­1, während Adalimumab ein humaner Antikörper ist. Certolizumab pegol entspricht einem hu­manisierten Protein, dessen CDR („com­plementarity determining regions“) aus der Maus in je eine humane VH­ und VL­Domäne eingebettet sind (siehe [28] als Übersichtsarbeit).

Die Rationale für den Einsatz von TNF­α­ Antagonisten ergibt sich aus der Tatsa­che, dass TNF­α bei inflammatorischen (autoimmunen) Vorgängen ein Schlüs­selzytokin darstellt und erhöhte Spiegel von TNF­α in Blut und Geweben bei ver­schiedenen Autoimmunerkrankungen, wie z. B. bei der RA, der Psoriasisarthritis und bei M. Crohn [28] nachgewiesen wer­den konnten. Die antientzündliche Wir­kung von TNF­α­Antagonisten ist wahr­scheinlich vorwiegend auf folgende Me­chanismen zurückzuführen:1. Die Neutralisation von löslichem

TNF­α (sTNF­α) und damit die Reduktion von verfügbarem TNF­α für TNF­α­Rezeptoren und

2. Interaktion mit und Induktion membran­TNF­α­ (mTNF­α­)vermit­telter Effekte.

Die Interaktion von TNF­α­Antagonisten mit mTNF­α induziert einerseits antago­nistische Effekte, indem sie die Interaktion mit TNF­α­Rezeptor 1 und 2 (TNFR1/2) inhibieren, andererseits üben sie über das

„reverse signaling“ agonistische Effekte aus, die z. B. Apoptose, Zellaktivierung oder Zytokinsuppression der Zielzelle zur Folge haben können [12]. Ferner induzie­ren TNF­α­Antagonisten möglicherwei­se über ihre Fc­Anteile eine komplement­vermittelte Zytotoxizität und eine antikör­pervermittelte Zytotoxizität.

Infektionsrisiko unter TNF-α-Antagonisten im Allgemeinen

Unter den verfügbaren Publikationen über Infektionen unter den TNF­α­Anta­gonisten Infliximab und Adalimumab bei Patienten mit RA gibt es eine Metaanaly­se aus dem Jahr 2006 (5014 randomisierte Patienten), die 3,6% schwere Infektionen unter TNF­α­Antagonisten und 1,7% in der Kontrollgruppe feststellte [3]. Insge­samt wurden 126 schwere Infektionen in der Gruppe der TNF­α­Antagonisten im Vergleich zu 26 Fällen in der Kontroll­gruppe festgestellt. Etanercept wurde in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Fer­ner waren Krankheitsdauer, Krankheits­aktivität und begleitende Basistherapie in den verschiedenen Studien unterschied­lich.

> Unter TNF-α-Antagonisten wurden doppelt so viele schwere Infektionen beobachtet wie in der Kontrollgruppe

Später publizierte Daten liegen aus unter­schiedlichen nationalen Registern vor. In Schweden wurden von 1999–2003 4167 Pa­tienten mit RA, die eine Anti­TNF­α­The­rapie erhielten, registriert. Das Risiko einer

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Infektion betrug im ersten Jahr der The­rapie 1,43% und nahm in den Folgejahren ab [1]. Das Deutsche Biologika­Register stellte ebenfalls ein erhöhtes relatives Risi­ko für Infektion unter TNF­α­Antagonis­ten für RA­Patienten fest (2,13–2,16; [22]). Ein große US­amerikanische retrospekti­ve Studie mit RA­Patienten (n=2393, „me­dian follow­up“: 17 Monate) zeigte ins­gesamt ein 2­fach erhöhtes Risiko unter einem TNF­α­Antagonisten, eine bakteri­elle Infektion zu erleiden, sowie ein 4­fach erhöhtes Risiko für eine bakterielle Infekti­on innerhalb der ersten 6 Monate [8].

Die „START Study Group“ untersuchte RA­Patienten unter Infliximab­Therapie und stellte hingegen fest, dass das Infek­tionsrisiko unter Infliximab in einer Do­sis von 3 mg/kg plus Methotrexat (MTX) ähnlich dem unter MTX­Monothera­pie war. Ein erhöhtes Infektionsrisiko fand sich lediglich unter 10 mg/kg Inflixi­mab plus MTX [32]. Auch Analysen aus dem „British­Society­for­Rheumatology­ Biologics­Register“ zeigten keinen Unter­schied in der Rate schwerer Infektion un­ter der Therapie mit Infliximab, Etaner­cept, Adalimumab und DMARD­Kon­trollen [10]. Eine Übersicht der im Rah­men der in Registern erhobenen Daten zu Infektionsrisiken unter TNF­Antagonis­ten im Vergleich zu konventionellen Ba­sistherapien gibt . Tab. 2. Es muss da­bei berücksichtigt werden, dass zusätz­

lich zu den TNF­α­Antagonisten verab­reichte konventionelle Basistherapeutika und/oder Prednisolon das Risiko für ei­ne Infektion (zusätzlich) verstärken kön­nen (. Tab. 2).

Infektionsrisiko unter  TNF-α-Antagonisten im Speziellen

Spezielle bakterielle Infektionen (außer Tuberkulose)Neben dem Risiko für eine Reaktivierung einer latenten Tuberkulose, scheint eine erhöhte Inzidenz für opportunistische In­fektionen mit Legionellen, Listerien ssp. und Salmonellen zu bestehen. In Frank­reich wird das Risiko einer Legionelle­ninfektion bei Patienten unter TNF­α­Antagonisten auf 20­fach erhöht im Ver­gleich zur Normalbevölkerung geschätzt [30]. In Einzelfallberichten werden auch über Infektionen mit Brucellen, Nokar­dien, Aktinomyzeten und Mykobakterien des MOTT­Komplexes berichtet. Ferner war in einigen Registern auch das Risiko für Weichteil­ und Hautinfektionen unter TNF­α­Antagonisten erhöht [10].

Spezielle virale Infektionen: Hepatitis- und HIV-InfektionEin vor kurzem erschienener Übersichts­artikel fasst bisher publizierte Fälle von 13 Patienten mit Hepatitis­B­Virus­ (HBV­)Infektion unter Therapie mit TNF­α­

Antagonisten zusammen, 11 davon tra­ten unter Infliximab und 2 unter Etaner­cept auf [6]. Ferner kam es unter Inflixi­mab – nicht jedoch unter Etanercept – zu einer Reaktivierung der HBV­Infektion. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumato­logie (DGRh) empfiehlt in ihren Richtli­nien den Einsatz von TNF­α­Antagonis­ten bei bestehender Hepatitis B nicht. Die Fachinformationen schreiben ein Scree­ning auf HBV vor, sofern ein erhöhtes Ri­siko für eine Hepatitis B besteht sowie au­ßerdem ein engmaschiges Monitoring für diejenigen Patienten unter TNF­α­Anta­gonisten, die HBV­Träger sind. Bei Reak­tivierung von HBV unter TNF­α­Anta­gonisten sollte die Therapie beendet wer­den.

> Unter Infliximab kann es zu einer Reaktivierung der HBV-Infektion kommen

Laut mehrerer Fallberichte, einer pros­pektiven sowie einer placebokontrollier­ten Doppelblindstudie mit 50 Patienten ist die Anwendung von TNF­α­Antagonisten bei Patienten mit Hepatitis C sicher oder sogar von Vorteil [25]. Die DGRh emp­fiehlt den Einsatz von TNF­α­Antagonis­ten bei Hepatitis­C­Patienten aufgrund der mangelnden Datenlage nur nach sorg­fältiger Risiko­Nutzen­Abwägung.

Die Datenlage zur Anwendung von TNF­α­Antagonisten bei HIV­infizierten Patienten ist ebenfalls äußerst begrenzt. Mehrere Fallberichte und Fallserien be­richten über eine sichere Anwendung von TNF­α­Antagonisten, die zur The­rapie entzündlich­rheumatologischer Er­krankungen bei HIV­Patienten mit sta­biler CD4+­T­Zell­Zahl (>200/mm3) und niedriger Viruslast (<60.000 Kopien/mm3) angewendet wurden [7]. Unter der Vorstellung, dass TNF­α möglicherwei­se bei HIV­Patienten eine Krankheitspro­gression einer gleichzeitig bestehenden Tuberkulose (TBC) induziert, wurde eine einarmige offene Studie mit 16 Patienten mit HIV und aktiver Lungentuberkulo­se durchgeführt. Die Studie zeigte stabile CD4­T­Zell­Zahlen und einen Trend zu einem verbesserten Ansprechen der TBC im Vergleich zur (historischen) Kontroll­gruppe bei einer 4­wöchigen Anwendung von Etanercept [31]. Über die Anwendung

Tab. 1  Übersicht über von der EMEA zugelassene Biologika

Substanz/ Handelsname

Substanzklasse Dosis Halbwerts-zeit

Wirkungs- beginn

Infliximab(Remicade®)

TNF-AntagonistMonoklonaler Antikörper(chimär Maus/human)

3 mg/kg i. v.Woche 0, 2, 6, dann alle 8 Wochen

9,8 Tage 7–14 Tage

Etanercept(Enbrel®)

TNF-AntagonistsTNFR2-Fc-Fusions-protein

2-mal 25 mg/Woche s. c. oder1-mal 50 mg/Woche s.c.

4,8 Tage 1–28 Tage

Adalimumab(Humira®)

TNF-AntagonistMonoklonaler Antikörper(human)

1-mal 40 mg alle 14 Tage s. c.

10–18 Tage 1–14 Tage

Rituximab(Mabthera®)

Anti-CD20 mono- klonaler Antikörper(chimär Maus/human)

1 g 2-mal im Abstand von 2 Wochen oder4-mal 375mg/m2 im Ab-stand von 1 Woche i. v.

3–4 Tage 21–288 Tage

Abatacept(Orencia®)

CTLA-4IgCTLA-4Ig-Fusions-protein(human)

500–1000 mg (nach Körpergewicht)Woche 0, 2, 4, dann alle 4 Wochen i. v.

8–25 Tage ≥15 Tage

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Leitthema

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von TNF­α­Antagonisten bei Aids liegen keine Daten vor.

PilzinfektionenBis Januar 2007 wurden 281 Fälle von Pilzinfektionen unter TNF­Antagonis­ten publiziert [29]. 80% davon traten un­ter Infliximab, 16% unter Etanercept und 4% unter Adalimumab auf. Zu den häu­figsten Infektionen zählten Histoplasmo­se (30%), Candidose (23%) und Asper­gillose (23%; [29]). Auch unter den ver­schiedenen Pilzinfektionen macht der Anteil der durch Infliximab induzierten Infektionen stets den größten Anteil aus, so z. B. bei den Candidosen: 54 Fälle tra­ten unter Infliximab, 9 unter Etaner­cept und einer unter Adalimumab auf. Die Infektionen waren unter Infliximab deutlich früher zu verzeichnen (Median 55 Tage), wohingegen die Infektionen un­ter Etanercept erst nach 144 Tagen (Me­dian) auftraten. Es ist zu berücksichtigen, dass alle diese Patienten mit einer Pilz­infektion neben einem TNF­α­Antago­nisten auch mindestens ein weiteres Im­munsuppressivum, vor allem ein Gluko­kortikoid, erhielten.

Tuberkulose

TBC-Inzidenz bei Patienten unter TNF-α-Antagonisten. Beobachtungsstudien an RA­Patienten unter TNF­α­Antagonisten zeigen ein erhöhtes Risiko für eine Tuber­kulose – insbesondere für eine Reaktivie­rung – unter Therapie mit allen TNF­α­Antagonisten im Vergleich zu Patienten ohne TNF­α­Antagonisten. Einige Stu­dien zeigen auch erhöhte TBC­Raten von RA­Patienten unter einer Basistherapie ohne TNF­α­Antagonisten im Vergleich zu Gesunden, andere Studien bestätigen diese Ergebnisse nicht:Die Inzidenz der TBC­Fälle von Ge­sunden wird zwischen 6,4/100.000/Jahr bis 21/100.000/Jahr, von RA­Pati­enten ohne TNF­α­Antagonisten zwi­schen 6,2/100.000/Jahr bis 95/100.000/Jahr und von RA­Patienten unter TNF­α­Antagonisten zwischen 52/100.000 bis 1893/100.000 angegeben [24]. Die Mehr­zahl dieser Daten wurde erhoben, bevor regelhafte Screening­Untersuchungen auf TBC durchgeführt wurden. Dabei ist die Inzidenz der TBC­Fälle (vor Einführung

Zusammenfassung · Abstract

Z Rheumatol 2008 · 67:295–304 DOI 10.1007/s00393-008-0307-4© Springer Medizin Verlag 2008

J.U. Holle · S. Schinke · W.L. Gross

Infektionsrisiko durch Biologika

ZusammenfassungTumor-Nekrose-Faktor- (TNF-)α spielt eine essenzielle Rolle in der Vermittlung und Aufrechterhaltung entzündlicher Prozesse, sowohl bei Autoimmunerkrankungen als auch in der Infektabwehr einschließlich der Granulomformation. TNF-α-Antagonisten sind hocheffektiv in der Therapie der rheuma- toiden Arhritis (RA) und weiterer Autoimmun- erkrankungen. Sie kompromittieren jedoch die ohnehin durch eine Autoimmunerkran-kung reduzierte Infektabwehr, insbesondere bei der Kontrolle von Infektionen, die mit einer Granulombildung einhergehen, wie z. B. der Tuberkulose. Weitere Biologika mit anderen Wirkprinzipien wie Inhibition von Interleukin- (IL-)1 (Anakinra), B-Zell-Depletion (Rituximab) und Blockierung der T-Zell-Ko-stimulation (Abatacept) sind mittlerweile ent-wickelt und für die Therapie der RA zugelas-sen. Nach anfänglicher Skepsis, die insbeson-dere durch die erhöhte Inzidenz von Tuber-kulosereaktivierungen unter TNF-α-Antago-nisten geschürt wurde, haben Biologika heu-

te eine feste Rolle in der Anwendung als Im-munsuppressiva bei verschiedenen Auto-immunerkrankungen. Zur Reduktion uner-wünschter Nebenwirkungen – vor allem von Infektionen – gibt es heute Richtlinien für Screening-Untersuchungen und Verlaufs-kontrollen. Die Effizienz dieser Untersu-chungen und Kontrollen wurde eindrucksvoll anhand der drastischen Reduktion der Tuber-kulosefälle unter der Therapie mit TNF-α-Ant-agonisten belegt. Diese Übersicht fasst die aktuelle Datenlage hinsichtlich des Infektions-risikos der Biologika zusammen und gibt Auf-schluss über notwendige Screening-Untersu-chungen und Verlaufskontrollen vor und un-ter Therapie, um Nebenwirkungen wie Infek-tionen zu vermeiden oder frühzeitig zu er-kennen sowie Kontraindikationen und Ab-bruchgründe.

SchlüsselwörterBiologika · Opportunistische Infektionen · Tuberkulose

Risk of infection by biologics

AbstractTumor necrosis factor (TNF-α) plays an essen-tial role in the orchestration of inflammatory processes including autoimmune disorders, host defence and granuloma formation. TNF antagonists are highly effective in the therapy of rheumatoid arthritis, but they compromise host defence mechanisms, especially con-cerning bacterial infections inducing granu-loma formation, such as tuberculosis. Other biologics have been developed and approved for the therapy of rheumatoid arthritis, e.g. an interleukin (IL-1) blocking agent (anakinra), an antibody that depletes CD20 positive B-cells (rituximab) and an inhibitor of T-cell co- stimulation (abatacept). In spite of initial

skepticism regarding side effects, such as an increased risk of infections, biologics now play an essential role in the therapy of auto-immune diseases due to the implementation of efficient screening measures concerning side effects (such as reactivation of tuber- culosis). This review summarizes the current available data regarding risk of infection and gives and overview on recommended screening, contraindications and events that require withdrawal of therapy.

KeywordsBiologics · Opportunistic infections · Tuberculosis

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der Screening­Maßnahmen) für Inflixi­mab höher im Vergleich zu Etanercept und Adalimumab, und es war ein hoher Anteil (>50%) von sich extrapulmonal manifestierenden TBC­Reaktivierungen zu verzeichnen [24]. Die Latenz bis zur Reaktivierung einer TBC liegt unter In­fliximab deutlich kürzer (eineinhalb Mo­nate, also nach 3 Infusionen) als unter Eta­nercept (11,2 Monate). Die Tatsache, dass Infliximab eher eine Reaktivierung einer latenten TBC induziert als Etanercept, ist wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass die Kontrolle einer latenten TBC durch vor allem lösliches TNF (sTNF­α) vermit­telt wird und Infliximab sTNF­α sowohl in einem größeren stöchiometrischen Verhältnis bindet als Etanercept als auch im Komplex mit TNF­α eine höhere Sta­bilität aufweist als Etanercept, und somit sTNF­α effektiver depletiert [28].

Die Ergebnisse der Beobachtungsstu­dien führten zur Einführung von Scree­ning­Untersuchungen auf das Vorliegen einer latenten TBC, welche vor Beginn der Therapie mit einem TNF­α­Antagonisten durchgeführt werden muss.

Screening-Untersuchungen vor Thera-piebeginn mit TNF-α-Antagonisten. Die

DGRh empfiehlt zur Diagnose und Prä­vention die Durchführung eines Tuber­kulinhauttests (THT) und einer Röntgen­untersuchung des Thorax, letzterer inner­halb der letzen 3 Monate vor Beginn der geplanten Anti­TNF­α­Therapie (TBC­Screening, vgl. . Tab. 2, 3). Der THT ist als positiv zu bewerten, sofern eine Indu­ration von >5 mm innerhalb von 72 Stun­den auftritt. Bei schwacher Reaktion des THT sollte dieser am kontralateralen Arm wiederholt werden („two step testing“). Hier kann durch Boosterung ein verstärk­tes Testergebnis auftreten, was in diesem Fall als valide zu bewerten ist. Bei Verdacht auf eine Lungentuberkulose sollte eine in­vasive (bronchoskopische) mikrobiolo­gische Diagnostik (Kultur, PCR) erfolgen, um eine aktive TBC auszuschließen.

E Eine aktive TBC stellt eine absolute Kontraindikation für eine Anti-TNF-α-Therapie dar.

Bei latenter TBC (THT >5 mm oder inak­tive tuberkulöse Läsion in der Röntgen­aufnahme des Thorax) sollte eine präven­tive Therapie mit Isoniazid (INH) über 9 Monate (INH­Prophylaxe) durchge­führt werden. Dabei kann mit der The­

rapie des TNF­α­Antagonisten 4 Wochen nach Beginn der INH­Prophylaxe begon­nen werden.

Der THT hat jedoch eine geringe Sen­sitivität und Spezifität in der Diagnose ei­ner latenten TBC. „Single step testing“ mit einem „cut­off “ von 10 mm Hautin­duration führte in einer Pilotstudie mit RA­Patienten zur Detektion von latenter TBC in keinem der Fälle. Durch Festset­zen des „cut­off “ auf 5 mm Hautindura­tion und Durchführung eines „two step testing“ konnten die Detektionsraten ei­ner latenten TBC deutlich erhöht werden [21]. Die Daten belegen die Bedeutung der korrekten Durchführung des THT gemäß den Empfehlungen.

Die Effektivität der Screening­Un­tersuchungen und der INH­Prophyla­xe konnte mittlerweile anhand mehre­rer Studien belegt werden. Eine Sicher­heitsanalyse von Adalimumab gibt ei­ne TBC­Inzidenz von 1,3/100 Patienten­jahre vor Einführung des Screening und von 0,3/100 nach Einführung des Scree­nings (Europa) an. Die spanischen Da­tenbankanalysen ergaben, dass sich nach Einführung des TBC­Screenings und der INH­Prophylaxe (für Patienten mit la­tenter TBC) die Rate für eine aktive TBC

Tab. 2  Infektionsrisiko unter TNF-Antagonisten

Autor, Jahr Follow-up Therapie der Patientengruppe mit TNF-α-Antagonist

Therapie der  Kontrollgruppe

Infektionsrisiko unter TNF-α-Antagonist/Endpunkt

Listing u. Strangfeld 2005 [22]

Maximal 12 Monate DMARD + TNF-α-Antagonist DMARD (kein Biologikum)

Erhöhtes relatives Risiko für Infektionen(2,13–2,16)Endpunkt: Infektion (keine weitere Definition)

Curtis u. Patkar 2007 [8]

Median 12 Monate TNF-α-Antagonist MTX 2-fach erhöhtes Risiko für InfektionenEndpunkt: Hospitalisation mit Infektion

Wolfe et al. 2006 [33]

Median 30 Monate TNF-α-Antagonist DMARD (kein Biologikum)

Kein erhöhtes Risiko für Pneumonienaber: erhöhtes Pneumonierisiko unter PrednisolonEndpunkt: Bericht des Patienten über Infektion

Dixon u. Watson 2006 [10]

Median 15 Monate mit TNF-α-Antagonist;median 12 Monate mit konventionellem DMRAD

TNF-α-Antagonist DMARD (kein Biologikum)

Kein erhöhtes Risiko für schwere InfektionenEndpunkt: Hospitalisation mit Infektion, i. v. Antibiotika, Tod

Dixon et al. 2007 [11]

Unterschiedlich MTX + TNF-α-Antagonist DMARD (kein Biologikum)

Kein erhöhtes Risiko für Infektionenaber: erhöhtes Infektionsrisiko innerhalb der ersten 90 Tage unter TNF-Antagonist („incidence rate ratio“ 4,9%)Endpunkt: Hospitalisation mit Infektion, i. v. Antibiotika, Tod

Schneeweiss et al. 2007 [27]

15 Monate mit TNF-α- Antagonist;7 Monate mit konven- tionellem DMARD

MTX + TNF-α-Antagonist MTX Kein erhöhtes Risiko für schwere InfektionenEndpunkt: Hospitalisation mit Infektion, i. v. Antibiotika, Tod

DMARD „disease modyfying antirheumatic drug“.

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Leitthema

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um 83% unter RA­Patienten mit einem TNF­α­Antagonisten reduzierte [5]. Fer­ner wurde eine 7­fach erhöhte Wahr­scheinlichkeit errechnet, eine aktive TBC zu entwickeln, wenn die Screening­Maßnahmen oder eine INH­Prophyla­xe trotz latenter TBC nicht durchgeführt wurden [21].

Neue Tests zur Diagnostik der latenten TBC: „T-Cell-Interferon γ Release Assay“ (TIGRA). Seit kurzem stehen Bluttests, sogenannte „T­Cell­Interferon­γ­Release Assays“ (TIGRAs), zur Diagnostik der la­tenten TBC zur Verfügung. Prinzip des Tests ist, die Produktion von IFN­γ durch aus dem Spenderblut stammende spezi­fische T­Zellen nach Stimulation mit be­stimmten Antigenen (ESAT6, „early sec­retory antigenic target of 6 kDa“; CFP­10, „culture filtrate protein of 10 kDa“) von Mycobacterium tuberculosis durch ELISPOT (T­SPOT­TB) oder ELISA (Quantiferon Gold) zu bestimmen. Dabei

misst der ELISPOT die Anzahl der spezi­fischen, IFN­γ produzierenden T­Zellen, während der ELISA die Menge des produ­zierten IFN­γ detektiert. Die zur Stimula­tion verwendeten Antigene kreuzreagie­ren dabei nicht mit Antigenen des BCG­Impfstammes, Kreuzreaktivitäten mit ei­nigen Umweltmykobakterien sind aller­dings möglich.

Verschiedene prospektive Studien wei­sen auf eine höhere Spezifität der TIGRAs im Vergleich zum THT hin [17]. Proble­matisch ist die schlechte Korrelation der TIGRAs mit THT­Ergebnissen [23] so­wie die hohe Rate unterschiedlicher Tes­tergebnisse von TIGRAs untereinander (also von ELISPOT und ELISA; [17]) und eine hohe Rate uneindeutiger Ergebnisse bei der Anwendung von TIGRAs [16]. Nach einer kürzlich publizierten Studie beeinflussen weder Kortikosteroide noch DMARDs die IFN­γ­Produktion, wohl aber eine Medikation mit einem TNF­α­Antagonisten [23]. Zusammenfassend

Tab. 3  Voraussetzungen, Verlaufskontrollen, Kontraindikationen und Abbruchgründe einer Therapie mit TNF-α-Antagonisten

Untersuchungen  vor Therapiebeginn

- Allgemeinstatus, Gelenk- und Wirbelsäulenstatus- Laboruntersuchungen: BSG, CRP, großes Blutbild, SGOT, AP, Kreatinin- Röntgenbild des Thorax- Tuberkulinhauttest (THT)- Zeitnahe Röntgenaufnahmen relevanter Gelenke/Wirbelsäulenab schnitte innerhalb der letzten 3 Monate

Verlaufsparameter - Sicherheits- und Aktivitätsparameter nach 1, 2 und 3 Monaten, danach vierteljährlich- Klinisch-rheumatologische Dokumentation (mit validierten Aktivitäts- scores) nach 3, 6 und 12 Monaten, danach jährlich

Kontraindikationen/Abbruchgründe

- Ernste lokalisierte oder allgemeine akute oder chronisch-aktive Infektion- Aktive Tuberkulose- Panzytopenie- „Lupus-like-Syndrome“ Anmerkung: Das Auftreten von ANA, Anti-ds-DNS-Antikörpern und ACLA erhöht nicht das Risiko eines medikamenteninduzierten systemischen Lupus erythematodes- Einsatz bei Hepatitis B nicht empfohlen- Einsatz bei Hepatitis C nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung (Erhöhung der Viruslast)- Einsatz bei Herzinsuffizienz mit Vorsicht- Einsatz bei demyelinisierenden Erkrankungen in der Vorgeschichte nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung- Einsatz zusammen mit Anakinra nicht empfohlen (Fachinformation Etanercept und Adalimumab)- Einsatz zusammen mit Abatacept nicht empfohlen (Fachinformation Etanercept)

Anmerkungen - Keine ausreichenden Daten zur Empfehlung der Fortsetzung einer Schwangerschaft- Pausieren eines TNF-α-Antagonisten 2 Halbwertszeiten vor einer Operation

Zusammengestellt nach Empfehlungen der DGRh, den entsprechenden Fachinformationen und [20]. Evidenzen wurden nach Kategorien angegeben, sofern möglich

Page 6: Infektionsrisiko durch Biologika

kann zum jetzigen Zeitpunkt keine ab­schließende Empfehlung hinsichtlich der diagnostischen Wertigkeit der TIGRAs zur Diagnose einer latenten TBC im Ver­gleich zum THT gegeben werden.

INH-Prophylaxe und Therapie einer ak-tiven TBC. Wie bereits erwähnt, erfor­dert die Therapie mit einem TNF­α­Ant­agonisten bei latenter TBC eine INH­Pro­phylaxe über 9 Monate, wobei die The­rapie mit einem TNF­Antagonisten (in Deutschland) 4 Wochen nach Beginn der INH­Prophylaxe begonnen werden kann. Die DGRh hat bisher keine Richtlinien hinsichtlich Dosis und Überwachung der INH­Prophylaxe herausgeben. Die aktu­ellen Empfehlungen der „British Thora­cic Society“ (BTS) sind in . Tab. 4 auf­geführt. Außerdem unterscheiden sich die englischen Screening­Empfehlungen auf eine latente TBC von den deutschen Emp­fehlungen, da hier ein THT bei Patienten unter Immunsuppression als grundsätz­lich nicht verwertbar und damit als ver­zichtbar gilt, und somit das weitere Pro­cedere im Wesentlichen in Abhängigkeit des Röntgenthoraxbefundes festgelegt wird (vgl. . Tab. 4). Diese Empfehlungen sind im Hinblick auf die sich häufig extra­pulmonal manifestierende Reaktivierung einer TBC unter TNF­α­Antagonisten je­doch kritisch zu sehen. Die INH­Mono­therapie über 6 Monate weist eine gerin­gere Lebertoxizität als die Kombinati­onstherapie mit Rifampicin auf, der Vor­teil der Kombinationstherapie liegt in der kürzeren Dauer und der geringeren Rate an Resistenzentwicklungen [4]. Die Fort­führung einer Basistherapie mit MTX un­ter einer INH­Prophylaxe scheint sicher im Hinblick auf die Hepatotoxizität.

> Die Therapie mit einem TNF-α-Antagonisten bei latenter TBC erfordert eine INH-Prophylaxe über 9 Monate

Eine aktive TBC erfordert eine Standard­kombinationstherapie (2 Monate INH, Rifampicin, Pyrazinamid und Etham­butol, gefolgt von 4 Monaten INH und Rifampicin) und ist – wie bereits be­tont – eine Kontraindikation für den Beginn einer Therapie mit einem TNF­ Antagonisten [4].

Tab. 4  Empfehlungen zur Chemoprophylaxe bei latenter TBC vor Beginn eines  TNF-α-Antagonisten nach der „British Thoracic Society“ (BTS)

Medikation Isoniazid (INH) 5mg/kg/Tag INH 5mg/kg/Tag plusRifampicin (RFP) 10mg/kg/Tag

Therapiedauer 6–9 Monate 3 Monate

Nebenwirkungen HepatitisHautreaktion„Lupus-like-Syndrome“Periphere NeuropathieZytopenie

Hepatitis„Influenza-like-Syndrome“ (RFP + INH)Nausea (RFP)

Verlaufsparameter GOT, GPT, Bilirubin monatlich GOT, GPT, Bilirubin monatlich

Anmerkungen Vitamin B6 (Pyridoxin) 50 mg/Tag(Prophylaxe einer INH-induzierten Neuropathie)

Beginn der Thera-pie mit einem  TNF-α-Antago-nisten

Nach DGRh: 4 Wochen nach Beginn der ChemoprophylaxeNach BTS:bei radiologischen Veränderungen:– verdächtige Läsion im Röntgenthorax/positive Anamnese für extrapul- monale TBC plus adäquate antituberkulostatische Therapie in der Vergan genheit: Beginn sofort– verdächtige Läsion im Röntgenthorax/positive Anamnese für extrapul- monale TBC ohne adäquate tuberkulostatische Therapie in der Vergan genheit: Beginn nach Komplettierung der Chemoprophylaxebei pathologischem oder nicht verwertbaren THT:THT nur ohne Immunsuppression verwertbar!Verwertbarer, pathologischer THT plus unauffälliges Röntgenbild des Thorax oder nichtverwertbarer THT plus unauffälliges Röntgenbild des Thorax: Risiko-Nutzen-Abwägung einer Chemoprophylaxe

Tab. 5  Voraussetzungen, Verlaufsparameter, Kontraindikationen und Abbruchgründe für eine Therapie mit Rituximab

Untersuchungen vor Therapiebeginn

Anamnese, körperliche Untersuchung, Röntgenthorax (DGRh)Befragung hinsichtlich Grundimmunisierung (Tetanus, Diphterie, Poliomyelitis), ggf. AuffrischungGegebenenfalls Vakzinierung gegen Influenza und PneumokokkenImmunglobuline (Kategorie D)Hepatitis B und C (Kategorie D, Hepatitis C von DGRh nicht empfohlen)Periphere B-Zellen (optional, von der DGRh nicht routinemäßig empfohlen)

Verlaufsparameter Regelmäßige laborchemische und klinische Überwachung (DGRh)Regelmäßige Bestimmung der Aktivitätsscores (DGRh)Regelmäßige Bestimmung der peripheren B-Zell-Zahlen nicht routinemäßig empfohlen (DGRh)

Kontraindikation/Abbruchgründe

Allergie gegen Bestandteile des ArzneimittelsAktive, schwere Infektion (Kategorie D)Schwere Herzinsuffizienz (NYHA IV)Anwendung von Lebendimpfstoffen unter RituximabAnwendung in der Stillzeit und Stillen bis 12 Monate nach der letzten Anwendung von RituximabGleichzeitige Anwendung von Rituximab mit anderen Basistherapeutika außer MTX nicht empfohlen

Wiederholung Frühestens 16–24 Wochen nach dem ersten Zyklus

Anmerkungen Keine Notwendigkeit eines TBC-Screenings (Kategorie D)Anwendung in der Schwangerschaft nur, wenn der mögliche Nutzen das potenzielle Risiko überwiegtKeine Daten zur sequenziellen Anwendung mit anderen Basistherapeutika einschließlich TNF-α-Antagonisten vorliegend; nach Fachinformation: bei sequenzieller Anwendung engmaschige Kontrolle im Hinblick auf Infek-tionen; nach DGRh: sequenzielle Anwendung anderer Biologika innerhalb von 5 Monaten zu vermeiden

Zusammengestellt nach den Empfehlungen der DGRh, der Fachinformation und [20]

300 |  Zeitschrift für Rheumatologie 4 · 2008

Leitthema

Page 7: Infektionsrisiko durch Biologika

Eine Beobachtungsstudie zeigte, dass bei 6 Patienten nach erfolgreicher The­rapie einer TBC­Reaktivierung, die unter einem TNF­α­Antagonisten aufgetreten war, die erneute Anwendung von TNF­α­Antagonisten über ein Follow­up von 18–60 Monaten sicher war [9]. Nach un­serer Auffassung ist die Datenlage zu ge­ring, um Empfehlungen hinsichtlich einer erneuten Anti­TNF­α­Therapie nach ei­ner erfolgreich therapierten TBC­Reakti­vierung abzugeben.

Rituximab

Struktur und Wirkungsweise

Rituximab ist ein gentechnisch herge­stellter monoklonaler chimärer IgG­Anti­körper (Maus/Mensch). Die konstanten Regionen bestehen aus humanem IgG­1, während die variablen Regionen aus murinen schweren und leichten Ketten bestehen [15].

Rituximab bindet spezifisch an das Transmembranantigen CD20, welches ein nichtglykosyliertes Protein ist, das auf Prä­B­ und reifen B­Zellen lokalisiert ist. Dieses Antigen wird normalen und ma­lignen B­Lymphozyten exprimiert und ist auf 95% aller Non­Hodgkin­Lymphome (NHL) des B­Zell­Typs zu finden. CD20 wird außerdem auf sogenannten kurzle­bigen Plasmablasten („short­lived plas­mablasts“) exprimiert, jedoch nicht auf hämatopoetischen Stammzellen, frühen B­Vorläuferzellen, normalen Plasmazel­len und sogenannten langlebigen Plas­mazellen („long­lived plasma cells“). Ri­tuximab bindet über sein Fab­Fragment

an CD20, sein Fc­Fragment kann durch eine komplementabhängige Zytotoxizi­tät oder antikörperabhängige Zytotoxizi­tät eine Zellyse verursachen. Die Bindung von humanem Komplement C1q an Ritu­ximab sowie komplementabhängige Zyto­toxizität und antikörperabhängige Zyto­toxizität wurden in vitro nachgewiesen. Rituximab kann außerdem eine Apoptose in Zielzellen induzieren [15].

E Die durch Rituximab induzierte B-Zell-Depletion kann bereits nach Verabreichung der ersten Dosis festgestellt werden.

Bei Patienten, die aufgrund einer RA eine Therapie mit Rituximab erhielten, kam es nach initialer Depletion nach etwa 24 Wo­chen zu einer Normalisierung der peri­pheren B­Zell­Zahl [15].

Infektionsrisiko unter Rituximab

Bei Patienten, die wegen eines B­NHL ei­ne Rituximab­Monotherapie (375 mg/m2 pro Woche für 4 Wochen) erhalten hatten, trat in 70–80% eine B­Zell­Depletion auf, während eine Abnahme der Immunglo­buline nur in einer Minderzahl der Pati­enten zu verzeichnen war. Infektionen wurden in 30,3% der Patienten dokumen­tiert (davon 18,8% bakterielle Infektionen, 10,4% virale Infektionen und 1,4% Pilzin­fektionen; [15]). Schwere Infektionen ein­schließlich Sepsis waren in 3,9% zu ver­zeichnen. Dieses Protokoll (375 mg/m2

pro Woche für 4 Wochen) wird auch bei Vaskulitiden und Kollagenosen ange­wendet. Leider sind unterschiedlichen

Tab. 6  Voraussetzung für die Therapie mit Abatacept bei der RA

Untersuchungen vor Therapiebeginn

Screening auf TBC (Kategorie D)

Kontraindikation Allergie gegen den Wirkstoff oder andere Bestandteile des ArzneimittelsSchwere, unkontrollierte Infektion, opportunistische InfektionenKombination mit TNF-α-Antagonisten nicht empfohlenLebendimpfstoffe innerhalb von 3 Monaten vor Therapiebeginn/nach TherapieendeAnwendung in der Stillzeit und Stillen bis 14 Wochen nach der letzten Anwendung von Abatacept

Anmerkungen Anwendung bei COPD-Patienten mit VorsichtKeine Anwendung in der Schwangerschaft, es sei denn, die Anwendung ist unbedingt erforderlichKeine Studien zur Auswirkungen auf die Fertilität vorliegendKeine Erfahrungen bei Leber- und Niereninsuffizienz

Zusammengestellt nach der Fachinformation und [20]

Page 8: Infektionsrisiko durch Biologika

Krankheitsentitäten (NHL und Kollage­nose/Vaskulitis) im Hinblick auf ihr In­fektionsrisiko schlecht vergleichbar. Au­ßerdem kann aufgrund eines fehlenden Kontrollarms nicht festgestellt werden, welcher Anteil am Infektionsrisiko durch Rituximab und welcher durch das B­NHL selbst zurückzuführen ist.

In einer Kombinationschemotherapie, z. B. bei follikulärem Lymphom, konnte in einer Phase­III­Studie nach einer er­folgreichen Induktion mit CHOP oder R­CHOP eine Infektionsrate von 45% in der Rituximab­Erhaltungsgruppe und von 25% in der Beobachtungsgruppe fest­gestellt werden. Im Rahmen einer pri­mären Kombinationstherapie (R­CHOP), die gegen CHOP in einer Phase­III­Studie beim diffusen großzelligen B­NHL getes­tet wurden, wurden Infektionsraten von 55,4% bzw. 51% beobachtet [15]. Die Infek­tionsraten liegen erwartungsgemäß in ei­

ner Kombinationschemotherapie deut­lich höher.

Eine Metaanalyse von randomisierten kontrollierten Doppelblindstudien mit Ri­tuximab zur Therapie der RA (2­mal 0,5 oder 1 g im Abstand von 14 Tagen) zeigte eine Infektionsrate von 17 schweren Infek­tionen unter 745 behandelten Patienten und von 6 schweren Infektionen bei 398 Placebo­behandelten Patienten. Insge­samt bestand in dieser Metaanalyse kein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko für die Rituximabgruppe [26].

Unter Rituximab sind 2 Fälle mit pro­gressiver multifokaler Leukenzephalopa­thie (PML) bei SLE­Patienten und meh­rere bei NHL­Patienten beschrieben [15], sie wurden aber auch spontan bei ande­ren Autoimmunerkrankungen beobach­tet.

Screening-Untersuchungen vor Beginn einer Therapie mit Rituximab

Ein generelles Screening auf TBC wird aktuell in einem Update des „Consensus Statement“ [20] zur Therapie von rheu­matologischen Systemerkrankungen mit Biologika und auch durch die DGRh nicht empfohlen (. Tab. 5). Von einer Rituxi­mab­Gabe bei opportunistischen Infekti­onen wird abgeraten, eine Röntgenunter­suchung des Thorax vor Therapiebeginn wird als Screening auf Infektionen durch die DGRh jedoch empfohlen.

> Von einer Rituximab-Gabe bei opportunistischen Infektionen wird abgeraten

Einzelfälle einer Hepatitis­B­Reaktivie­rung unter Rituximab bei onkologischen Patienten sind berichtet worden, weshalb ein Ausschluss einer HBV­Infektion vor Beginn der Therapie empfohlen wird. Un­terschiedliche Empfehlungen liegen hin­sichtlich eines Ausschlusses einer Hepa­titis C vor. Dieser wird im Rahmen des „Consensus Statement“ empfohlen. Auf­grund erster vorliegender Daten für ei­ne günstige Beeinflussung der Hepati­tis­C­assoziierten kryoglobulinämischen Vaskulitis wird eine Testung auf Hepati­tis C vor Rituximab durch die DGRh als verzichtbar erachtet. Eine ausführliche Übersicht über Screening­Maßnahmen, Verlaufskontrollen sowie Kontraindikati­onen und Abbruchgründe findet sich in . Tab. 5.

Abatacept

Struktur und Wirkungsweise

Abatacept ist ein Fusionsprotein, das aus der extrazellulären Domäne des zytoto­xischen T­Lymphozyten­Antigens­4 (CT­LA­4) und einem modifizierten Fc­Anteil des humanen IgG­1 besteht [14].

Abatacept konkurriert mit CD28 um die Bindung und CD80 und CD86 auf antigenpräsentierenden Zellen und in­terferiert damit mit der T­Zell­Kostimu­lation.

Tab. 7  Voraussetzungen, Verlaufsparameter und Kontraindikationen für die Therapie mit Anakinra

Untersuchungen vor Therapiebeginn

Allgemeinstatus, Gelenkstatus (DGRh)Laboruntersuchungen: BSG, CRP, großes Blutbild, GOT, AP, KreatininZeitnahe Röntgenuntersuchung der betroffenen Gelenke innerhalb der letzten 3 Monate

Verlaufsparameter Laboruntersuchungen: Sicherheits- und Aktivitätsparameter nach 2 und 4 Wochen, dann nach 2 und 3 Monaten, dann vierteljährlichKlinisch-rheumatologische Dokumentation (mit validen Aktivitätsscores) nach 3, 6 und 12 Monaten, danach jährlichRöntgenaufnahmen relevanter Gelenke jährlich

Kontraindikation/Abbruchgründe

Schwere InfektionNeutropenie (<1,5×109/l)Schwere Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance <30 ml/min)Vakzinisierung mit Lebendimpfstoffen

Anmerkungen Reevaluation der Medikation mit Anakinra, wenn nach 16 Wochen keine Besserung eingetreten istKombination mit TNF-α-Antagonisten außerhalb von Studien nicht empfohlenKeine Daten bezüglich Anwendung in Schwangerschaft und bei Lymphomen und anderen MalignomenSichere Kontrazeption erforderlichKeine Notwendigkeit eines TBC-Screenings (Kategorie D)

Zusammengestellt nach den Empfehlungen der DGRh, der Fachinformation und [20]

Tab. 8  Evidenzkategorien

Kategorie A Mindestens eine randomisierte, kontrollierte Studie vorliegend oder Metaanalysen von randomisierten, kontrollierten Studien

Kategorie B Mindestens eine kontrollierte Studie vorliegend ohne Randomisierung oder eine andere experimentelle Studie oder extrapolierte Empfehlungen aus randomisierten kontrollieren Studien oder Metaanalysen

Kategorie C Nichtexperimentelle deskriptive Studien wie Vergleichsstudien oder Fall-Kontroll-Studien

Kategorie D Expertenmeinungen/-empfehlungen

302 |  Zeitschrift für Rheumatologie 4 · 2008

Leitthema

Page 9: Infektionsrisiko durch Biologika

Infektionsrisiko unter Abatacept und Screening-Untersuchungen vor Therapiebeginn

In den placebokontrollierten Studien wurden nach der Fachinformation Infek­tionen bei 23,2% der Patienten mit Aba­tacept und bei 19,5% mit Placebo festge­stellt. Schwerwiegende Infektionen tra­ten zu 3,0% unter Abatacept vs. 1,9% un­ter Placebo auf [14]. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2008 zeigte jedoch kein signifi­kant erhöhtes Risiko für schwere Infekti­onen unter Abatacept [26].

Unter einer Kombinationsthera­pie mit TNF­α­Antagonisten oder Ana­kinra (ASSURE­Studie) lag die Rate der schweren Infektionen allerdings deut­lich höher (4,4% vs. 1,5% bei Kontrol­len), weshalb eine Kombinationsthera­pie von Abatacept mit TNF­α­Antagonis­ten oder Anakinra daher nicht empfohlen wird. Daten zu einer Kombinationsthera­pie von Abatacept mit Rituximab liegen nicht vor. Außerdem wird empfohlen, Pa­tienten bei Umstellung von einem TNF­α­Antagonisten auf Abatacept bezüglich des Auftretens von klinischen Infektionen zu überwachen.

> Bei COPD sollte Abatacept mit Vorsicht eingesetzt werden

COPD­Patienten, die Abatacept erhielten, entwickelten mehr unerwünschte Arznei­mittelnebenwirkungen (51,1%) im Ver­gleich zur Placebogruppe (47,1%). Ferner wurden Infektionen der Atemwege häu­figer bei Patienten mit Abatacept (10,8%) im Vergleich zur Placebogruppe festge­stellt (5,9%). Abatacept sollte daher bei Patienten mit COPD mit Vorsicht einge­setzt werden [19].

Eine erhöhte Rate an TBC bzw. TBC­Reaktivierungen wurden in den placebo­kontrollierten Zulassungsstudien nicht beobachtet. Im Mausmodell induzierte die Applikation von Abatacept bei chro­nischer TBC keine Exazerbationen [2]. Dennoch wird ein Screening auf eine la­tente TBC wie bei den TNF­α­Antagonis­ten empfohlen (. Tab. 6). Vor Beginn ei­ner Therapie mit Abatacept sollte aller­dings eine schwere opportunistische In­fektion ausgeschlossen sein.

Anakinra

Struktur und Wirkungsweise

Anakinra ist ein humaner Interleukin­ (IL­)1­Rezeptorantagonist, der die biolo­gische Aktivität von IL­1α und IL­1­Rezep­torantagonisten hemmt, indem es kompe­titiv die Bindung von IL­1α und IL­1­Re­zeptorantagonisten an den IL­1­Rezep­tor I hemmt. Dadurch werden IL­1­ver­mittelte Effekte, wie z. B. die Synthese pro­inflammatorischer Enzyme, die Induktion von Stickstoffmonoxid und die Herstel­lung von Prostaglandin E2 und Kollage­nasen, gehemmt, was wiederum die ent­zündliche Erosion von Knorpel und Kno­chen inhibiert bzw. vermindert [13].

Infektionsrisiko unter Anakinra

Die Anwendung von Anakinra ist mit ei­ner signifikant erhöhten Anzahl an Neu­tropenien im Vergleich zu Placebo assozi­iert (2,4% vs. 0,4%). Vor Beginn der The­rapie sowie unter Therapie (. Tab. 7) sollten Kontrollen des Differenzialblut­bildes erfolgen.

E Eine Neutropenie (<1,5×109/l) stellt eine absolute Kontraindikation für Anakinra dar.

Die unter Anakinra beobachteten Neutro­penien scheinen jedoch nicht als alleiniger Faktor für ein mögliches erhöhtes Infekti­onsrisiko verantwortlich zu sein, da neu­tropene Patienten im Vergleich zu Pati­enten ohne Neutropenie unter Anakinra keine erhöhte Inzidenz schwerer Infekti­onen zeigten [13].

Mehrere randomisierte kontrollier­te Studien zeigten eine erhöhte Inzidenz schwerer Infektionen unter Anakinra [18, 19], weshalb die Empfehlungen ei­ne schwere Infektion als Kontraindikati­on bzw. Abbruchgrund aufführen. Die im Rahmen dieser Studien aufgetretenen In­fektionen waren vor allem bakteriellen Ur­sprungs (Pneumonie, Knochen­ und Ge­lenkinfektionen). Opportunistische Pilz­ oder Virusinfektionen wurden seltener verzeichnet. In den Empfehlungen noch nicht berücksichtigt ist eine Metaanalyse aus dem Jahr 2008, die ein signifikant er­höhtes Risiko für schwere Infektionen nur

Page 10: Infektionsrisiko durch Biologika

unter einer im Vergleich zur Standardthe­rapie (100 mg/Tag) höheren Dosis Ana­kinra (>100 mg/Tag) im Vergleich zu ei­ner niedrigeren Dosis oder Placebo [25] nachweisen konnte.

Nach der aktuellen Datenlage besteht kein erhöhtes Risiko für die Reaktivie­rung von TBC­Infektionen [20], weshalb ein Screening auf TBC zurzeit nicht zwin­gend empfohlen wird. Aufgrund einer er­höhten Rate schwerer Infektionen unter der Kombinationstherapie von Anakin­ra mit Etanercept, wird eine Kombinati­on von Anakinra mit TNF­α­Antagonis­ten ebenfalls nicht empfohlen, zumal die Kombinationstherapie keinen therapeu­tischen Nutzen erbrachte [20]. Eine Über­sicht über die notwendigen Screening­Untersuchungen vor und unter Anakinra stellt . Tab. 7 dar. Die Evidenzkategorien können . Tab. 8 entnommen werden.

Fazit für die Praxis

Biologika sind unumstritten eine große Bereicherung in der Therapie entzünd-lich-rheumatischer Systemerkran-kungen. Ihr Einsatz sollte jedoch sorgfäl-tig abgewogen und die Screening-Maß-nahmen der rheumatologischen Fachge-sellschaften streng befolgt werden. Ins-besondere der Nutzen eines Screenings auf eine latente Tuberkulose vor Beginn einer Therapie mit TNF-α-Antagonisten ist mittlerweile gut belegt und dient ef-fizient der Reduktion von Infektkompli-kationen. Auch die Fortführung von Bio-logikaregistern, vor allem bei den erst kürzlich zugelassenen Biologika wie z. B. Abatacept, ist zur Aufdeckung und Do-kumentation von Infektionsrisiken es-senziell.

KorrespondenzadresseDr. J.U. HollePoliklinik für Rheumatologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus LübeckRatzeburger Allee 160, 24576 Lü[email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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