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104 Jemen-Report Jg. 50/2019, Heft 1/2 Forschung Bibliometrische Untersuchung Die Abteilung für Informationswissenschaft der Philo- sophischen Fakultät an der Heinrich-Heine-Universität untersucht in wissenschaftlichen Projekten intensiv die Städte der Golfstaaten (Kuwait City, Manama, Doha, Abu Dhabi, Dubai, Sharjah und Muscat), die aufgrund der großen Öl- und Gasförderungen als neue moderne Metropolen in der arabischen Halbinsel entstanden sind. Wegen drohender Ressourcenverknappung von Öl und Gas und gesteigertem Umweltbewusstsein in den Abnehmerländern bemühen sich die Regierungen in dieser Region, ihre Städte zu „smart cities“ und prototypischen Städten der Wissensgesellschaften zu entwickeln (Stock et al. 2019). In einer Studie von Gremm et al. (2015) wurde erforscht, wie weit diese Städte bereits auf ihrem Weg in die Wissensgesell- schaft gekommen sind. Das Projekt von Kosior et al. (2015) widmete sich einem Teilbereich der „smarten“ Städte, nämlich der Wissensstadt. Wie viel investieren diese Städte in ihre Wissensinfrastrukturen (Universitä- ten, Wissenschaftsparks, Bibliotheken usw.)? Und was kommt dabei heraus? Wie viele Publikationen werden in diesen Städten produziert und wie viele Absolventen „produzieren“ die Hochschulen? Wie geschieht der Übergang der Absolventen in den Arbeitsmarkt? Zur arabischen Halbinsel gehört auch der Jemen, über den es allerdings derzeit nur wenige informationswissen- schaftliche Erkenntnisse gibt. Die vorliegende Studie soll diese Forschungslücke schließen. Über das Projekt Wegen der Bedeutung seiner geografischen Lage in Vor- derasien im Süden der Arabischen Halbinsel und seines kulturellen Erbes ist der Jemen eines der Länder, die beträchtliche Aufmerksamkeit von europäischen Orien- talisten, Reisenden und Forschern erhalten haben. Die deutsche und europäische Orientalistik spielt eine wich- tige Rolle in der jemenitischen Geschichtsschreibung, und ihre Wurzeln liegen tief in der Vergangenheit. Bereits im Jahr 1761 brach eine dänische Expedition in den Jemen auf. Die Idee dazu hatte der deutsche Orientalist Johann David Michaelis. Beteiligt war u.a. der deutsche Mathematiker und Kartograf Carsten Nie- buhr, der die sog. „Königlich-Dänische Arabienexpe- dition“ als einziger überlebte (Hartwig 2006). Man kann die Arbeiten dieser Forscher und Orientalisten als literarischen und wissenschaftlichen Output in vielen Veröffentlichungsarten auf Deutsch und in anderen Weltsprachen finden. Daneben wurden in den deutsch- sprachigen Ländern eine Menge von Forschungszentren und wissenschaftlichen Stiftungen gegründet, die sich für die Kulturen und die Geschichte des arabischen Orients einschließlich des Jemen interessieren, sowie spezielle Studiengänge an zahlreichen Universitäten eingerichtet, um die Kulturen, Gesellschaften, Sprachen und Geschichte dieser Länder zu studieren. All das hinterließ zahlreiche Studien, Forschungen, Bücher und Zeitschriftenartikel, die das wissenschaftliche und historische Interesse der deutschsprachigen Länder für diese Kulturen und Gesellschaften demonstrieren. Andererseits haben sich in der letzten Zeit, insbe- sondere nach der deutschen Wiedervereinigung und der Einheit des Jemen im Jahr 1990, die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Be- ziehungen zwischen dem Jemen und den deutschspra- chigen Ländern stetig weiterentwickelt. Dabei haben die Spezialisten in den o.g. Bereichen dem Jemen in ihren Schriften, Studien und Berichten eine besondere Bedeutung zukommen lassen, indem sie eine große Menge von unterschiedlichen Publikationen veröffent- licht haben, die die Beziehungen zwischen dem Jemen und diesen Ländern (Deutschland, Österreich und die Schweiz) widerspiegeln. Einige Beispiele für diese Pu- blikationen und Veröffentlichungen sind zu finden in der Literaturliste des Jemen-Reports „Neue Literatur“ 1 , „Hefte zur Kulturgeschichte des Jemen“ 2 und die „Zeit- schrift für Orient-Archäologie“ (ZOrA), die ausführliche und grundlegende Beiträge zu den neuesten internationalen For- schungen auf dem Gebiet der Archäologie der Arabischen Halbinsel enthält. Das Ziel der Studie ist es, die quantitativen Eigenschaften, d.h. die sprachlichen, thema- tischen und zeitlichen Ten- denzen des wissenschaftlichen Outputs über den Jemen in den deutschsprachigen Ländern zu untersuchen und zu erkennen. Die Studie versucht, diese Er- zeugnisse in einer Datenbank und als deutschsprachige Bib- liografie zu sammeln, um ei- nen Untersuchungsprozess auf Grundlage bibliometrischer Methoden zu erleichtern. Un- ter „Bibliometrie“ versteht man mathematische und statistische Methoden zur Vermessung von Publikationen, Zitationen und Themen. Das Projekt soll zahl- reiche wissenschaftliche Indi- katoren zur Rolle der deutsch- sprachigen Universitäten, For- schungszentren, Institutionen und verschiedener Verlage in allen Disziplinen und insbeson- dere auf dem Gebiet der Zusam- menarbeit und den Beziehun- gen zwischen dem Jemen und den deutschsprachigen Ländern Informationswissenschaft und Jemen-Forschung Zum Promotionsprojekt von Mohamed Abdillah

Informationswissenschaft und Jemen-Forschung...der Einheit des Jemen im Jahr 1990, die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Be - ziehungen zwischen dem

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Page 1: Informationswissenschaft und Jemen-Forschung...der Einheit des Jemen im Jahr 1990, die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Be - ziehungen zwischen dem

104 Jemen-Report Jg. 50/2019, Heft 1/2

Forschung • Bibl iometrische Untersuchung

Die Abteilung für Informationswissenschaft der Philo-sophischen Fakultät an der Heinrich-Heine-Universität untersucht in wissenschaftlichen Projekten intensiv die Städte der Golfstaaten (Kuwait City, Manama, Doha, Abu Dhabi, Dubai, Sharjah und Muscat), die aufgrund der großen Öl- und Gasförderungen als neue moderne Metropolen in der arabischen Halbinsel entstanden sind. Wegen drohender Ressourcenverknappung von Öl und Gas und gesteigertem Umweltbewusstsein in den Abnehmerländern bemühen sich die Regierungen in dieser Region, ihre Städte zu „smart cities“ und prototypischen Städten der Wissensgesellschaften zu entwickeln (Stock et al. 2019). In einer Studie von Gremm et al. (2015) wurde erforscht, wie weit diese Städte bereits auf ihrem Weg in die Wissensgesell-schaft gekommen sind. Das Projekt von Kosior et al. (2015) widmete sich einem Teilbereich der „smarten“ Städte, nämlich der Wissensstadt. Wie viel investieren diese Städte in ihre Wissensinfrastrukturen (Universitä-ten, Wissenschaftsparks, Bibliotheken usw.)? Und was kommt dabei heraus? Wie viele Publikationen werden in diesen Städten produziert und wie viele Absolventen „produzieren“ die Hochschulen? Wie geschieht der Übergang der Absolventen in den Arbeitsmarkt? Zur arabischen Halbinsel gehört auch der Jemen, über den es allerdings derzeit nur wenige informationswissen-schaftliche Erkenntnisse gibt. Die vorliegende Studie soll diese Forschungslücke schließen.

Über das ProjektWegen der Bedeutung seiner geografischen Lage in Vor-derasien im Süden der Arabischen Halbinsel und seines kulturellen Erbes ist der Jemen eines der Länder, die beträchtliche Aufmerksamkeit von europäischen Orien-talisten, Reisenden und Forschern erhalten haben. Die deutsche und europäische Orientalistik spielt eine wich-tige Rolle in der jemenitischen Geschichtsschreibung, und ihre Wurzeln liegen tief in der Vergangenheit. Bereits im Jahr 1761 brach eine dänische Expedition in den Jemen auf. Die Idee dazu hatte der deutsche Orientalist Johann David Michaelis. Beteiligt war u.a. der deutsche Mathematiker und Kartograf Carsten Nie-buhr, der die sog. „Königlich-Dänische Arabienexpe-dition“ als einziger überlebte (Hartwig 2006). Man kann die Arbeiten dieser Forscher und Orientalisten als literarischen und wissenschaftlichen Output in vielen Veröffentlichungsarten auf Deutsch und in anderen Weltsprachen finden. Daneben wurden in den deutsch-sprachigen Ländern eine Menge von Forschungszentren und wissenschaftlichen Stiftungen gegründet, die sich für die Kulturen und die Geschichte des arabischen Orients einschließlich des Jemen interessieren, sowie spezielle Studiengänge an zahlreichen Universitäten eingerichtet, um die Kulturen, Gesellschaften, Sprachen

und Geschichte dieser Länder zu studieren. All das hinterließ zahlreiche Studien, Forschungen, Bücher und Zeitschriftenartikel, die das wissenschaftliche und historische Interesse der deutschsprachigen Länder für diese Kulturen und Gesellschaften demonstrieren.

Andererseits haben sich in der letzten Zeit, insbe-sondere nach der deutschen Wiedervereinigung und der Einheit des Jemen im Jahr 1990, die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Be-ziehungen zwischen dem Jemen und den deutschspra-chigen Ländern stetig weiterentwickelt. Dabei haben die Spezialisten in den o.g. Bereichen dem Jemen in ihren Schriften, Studien und Berichten eine besondere Bedeutung zukommen lassen, indem sie eine große Menge von unterschiedlichen Publikationen veröffent-licht haben, die die Beziehungen zwischen dem Jemen und diesen Ländern (Deutschland, Österreich und die Schweiz) widerspiegeln. Einige Beispiele für diese Pu-blikationen und Veröffentlichungen sind zu finden in der Literaturliste des Jemen-Reports „Neue Literatur“1, „Hefte zur Kulturgeschichte des Jemen“2 und die „Zeit-schrift für Orient-Archäologie“ (ZOrA), die ausführliche und grundlegende Beiträge zu den neuesten internationalen For-schungen auf dem Gebiet der Archäologie der Arabischen Halbinsel enthält.

Das Ziel der Studie ist es, die quantitativen Eigenschaften, d.h. die sprachlichen, thema-tischen und zeitlichen Ten-denzen des wissenschaftlichen Outputs über den Jemen in den deutschsprachigen Ländern zu untersuchen und zu erkennen. Die Studie versucht, diese Er-zeugnisse in einer Datenbank und als deutschsprachige Bib-liografie zu sammeln, um ei-nen Untersuchungsprozess auf Grundlage bibliometrischer Methoden zu erleichtern. Un-ter „Bibliometrie“ versteht man mathematische und statistische Methoden zur Vermessung von Publikationen, Zitationen und Themen. Das Projekt soll zahl-reiche wissenschaftliche Indi-katoren zur Rolle der deutsch-sprachigen Universitäten, For-schungszentren, Institutionen und verschiedener Verlage in allen Disziplinen und insbeson-dere auf dem Gebiet der Zusam-menarbeit und den Beziehun-gen zwischen dem Jemen und den deutschsprachigen Ländern

Informationswissenschaft und Jemen-ForschungZum Promotionsprojekt von Mohamed Abdillah

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Jemen-Report Jg. 50/2019, Heft 1/2 105

Forschung • Bibl iometrische Untersuchung

Mohamed Abdillah ist Hochschullehrer an der Universität Aden (Lei-ter der Deutschabteilung von 2011 bis 2017) und derzeit Doktorand in der Abteilung für Informati-onswissenschaft an der Heinrich-Heine-Univer-sität Düsseldorf. [email protected]

liefern. Zudem soll diese Studie Top-Autoren und Ko-Autorenschaft aufzeigen. Darüber hinaus behandelt die Studie auch das Nutzungsmuster des wissenschaftlichen Outputs über den Jemen in den deutschsprachigen Ländern durch eine Referenzenanalyse der zitierten Do-kumente in der Zeitschrift der Deutsch-Jemenitischen Gesellschaft, „Jemen-Report“.

Anmerkungen1 Zusammengestellt von Marieke Brandt und alljährlich im „Jemen-

Report“ der Deutsch-Jemenitischen Gesellschaft publiziert.2 Als öffentlichkeitswirksame Publikation von Forschungsergebnissen

der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts.

LiteraturGremm, Julia, Barth, Julia und Wolfgang G. Stock (2015): ‘Kuwait

is the Past, Dubai is the Present, Doha is the Future: Informa-tional Cities on the Arabian Gulf’, in: International Journal of Knowledge Society Research 6/2, S. 51-64.

Hartwig, Friedhelm (02.03.2006): ‘Carsten Niebuhrs Reise durch die arabische Welt. Europas wissenschaftliche Neugier‘, in: Qantara.de. Online verfügbar unter http://de.qantara.de/in-halt/carsten-niebuhrs-reise-durch-die-arabische-welt-europas-wissenschaftliche-neugier (06.03.2019).

Kosior, Adriana et al. (2015): ‘Imported expertise in world-class knowledge infrastructures: The problematic development of knowledge cities in the Gulf Region’, in: Journal of Information Science Theory and Practice 3/3, S. 17–44.

Stock, Wolfgang G., Julia Barth und Julia Gremm (2019): ‘The era after oil. Knowledge-intensive cities on the Arabi-an Gulf’, in: M. D. Lytras, L. Daniela and A. Visvizi (eds.): Knowledge-Intensive Economies and Opportunities for So-cial, Organizational, and Technological Growth,Hershey, PA, S. 63-88.

Dieses Bild stammt aus der Feder des sechsjährigen ‘Ala al-Qadasi as Ta‘iz. Die Jury wollte aufgrund seines Alters seinen Beitrag besonders hervorheben und würdigt ihn mit ebenfalls 100,- EUR Preisgeld.