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Impressum

Haftungsausschluss

Alle Angaben und Ratschläge in diesem Buch wurdensorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen erar-beitet. Dennoch kann keine Gewähr für die Richtigkeitübernommen werden. Korrekturhinweise werden [email protected] gerne entgegengenommen.

Bildnachweis

Die Hinweise zum Copyright oder zur Quelle der Bilderfinden sich direkt an den Abbildungen. Alle Grafiken(Plots) sind eigene Werke des Verfassers. Autorenfoto:N. Tauschnik. Bildnachweis Umschlagfotos: CitroënCommunication, Honda, Volvo Cars Corporation, Volks-wagen AG, Porsche Werkfoto, Fiat, Mitsubishi MotorsDeutschland GmbH.

Originalausgabe © Scheyring Verlag, Neuss 2014www.scheyring.deKorrektorat: Korrekturen–Text Kerstin Thierschmidt,DüsseldorfDas Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auchauszugsweise Verwertungen bleiben vorbehalten.Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, UlmISBN 978-3-944977-16-4Printed in Germany

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Titel

Matthias Knippel

AltwagenBand 1

– Leseprobe –

SCHEYRING VERLAGNEUSS

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1 Über die alten Autos

1.1 Qualität............................................................................81.2 Verbrauch.......................................................................11

Normen und Zyklen...............................................11Erreichtes...............................................................14Ausblick.................................................................15Benzinsparen........................................................16

1.3 Abgase..........................................................................18Schadstoffe............................................................18Testzyklus und Grenzwerte...................................21Benziner.................................................................21Diesel....................................................................26NOx-Emissionen in der Praxis..............................28Zusammenfassung...............................................31

1.4 Sicherheit......................................................................33Anschauung.........................................................33

2 Suchen – Prüfen – Kaufen

2.1 Der Reparaturstau........................................................362.2 Suchen..........................................................................38

Drei Arten von Anbietern.....................................382.3 Übersicht Prüfungen....................................................40

Rundgang und Reinsetzen..................................40Probefahrt.............................................................40Unterlagen............................................................40

2.4 Prüfen Standard............................................................41Räder und Reifen..................................................41Rost an der Karosserie.........................................42Scheinwerfer.........................................................43Windschutzscheibe..............................................43Schlüssel...............................................................43Batterie..................................................................44Motor....................................................................44Getriebe................................................................46Automatikgetriebe...............................................46Kupplung..............................................................47Antriebswellen......................................................47Bremsen................................................................47Lenkung................................................................48Fahrwerk...............................................................48Radlager...............................................................49Stoßdämpfer.........................................................49AU & Abgasreinigung..........................................49Hydropneumatik Citroën......................................50

Die wahre Laufleistung.........................................51Gebühren HU.......................................................52Sonstiges..............................................................52

2.5 Prüfen Extras.................................................................53ABS........................................................................53Airbags.................................................................53Servolenkung........................................................54Schiebedach.........................................................54Klimaanlage.........................................................55Standheizung.......................................................55Anhängerkupplung..............................................56Breitreifen & Alufelgen.........................................56Traktionskontrolle.................................................56Allradantrieb.........................................................57Gasanlage............................................................57

2.6 Kaufen...........................................................................59Preise....................................................................59Abwicklung............................................................61

2.7 Gewährleistung und Garantie.....................................62Umgehen der Gewährleistung............................62Garantie................................................................63

3 Fahrzeugteil

Erläuterungen zum Fahrzeugteil..........................................66Typbeschreibung..................................................66TÜV-Info................................................................66Datenblätter..........................................................66

Alfa Romeo 145/146..............................................................70Audi 80 Typ 89 & B4.............................................................72Audi 100 Typ 44.....................................................................76Audi 100 Typ C4.....................................................................78BMW 3er Typ E30..................................................................80BMW 3er Typ E36..................................................................82BMW 5er Typ E28..................................................................84BMW 5er Typ E34..................................................................86BMW 7er Typ E32..................................................................90Citroën AX.............................................................................92Citroën Xantia.......................................................................94Citroën XM............................................................................96Eurovan ..............................................................................98Fiat Panda & Seat Marbella................................................100Fiat Cinquecento..................................................................102Fiat Uno .............................................................................104Fiat Punto.............................................................................106Fiat Tipo .............................................................................108

Inhaltsverzeichnis

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Ford Fiesta............................................................................110Ford Escort III.........................................................................112Ford Escort IV........................................................................114Ford Sierra............................................................................116Ford Mondeo........................................................................118Ford Scorpio.........................................................................120Honda Civic.........................................................................122Honda Accord.....................................................................124Lancia Kappa......................................................................126Mazda 121............................................................................128Mazda 323 Typ BG..............................................................130Mazda 323 Typ BA..............................................................132Mazda 626..........................................................................134Mazda MX-3.......................................................................136Mazda MX-5.......................................................................138Mercedes 190......................................................................140Mercedes E-Klasse..............................................................142Mercedes S-Klasse.............................................................146Mitsubishi Colt.....................................................................148Mitsubishi L300...................................................................150Nissan Micra........................................................................152Nissan Sunny.......................................................................154Nissan Primera....................................................................156Opel Corsa A.......................................................................158Opel Corsa B........................................................................160Opel Kadett E.......................................................................162Opel Astra F.........................................................................164Opel Ascona C.....................................................................168Opel Vectra A.......................................................................170Opel Omega A.....................................................................172Opel Omega B / Senator A.................................................174Opel Calibra.........................................................................176Peugeot 106.........................................................................178Peugeot 205........................................................................180Peugeot 306........................................................................182Peugeot 405........................................................................184Porsche 924/944/968........................................................186Porsche 911..........................................................................188Porsche 928.........................................................................190Renault Twingo....................................................................192Renault 5 .............................................................................194Renault Clio..........................................................................196Renault 19............................................................................198Renault Laguna...................................................................200Renault Espace...................................................................202Suzuki Swift.........................................................................204Saab 900............................................................................206Saab 9000..........................................................................208Toyota Starlet.......................................................................210Toyota Corolla......................................................................212

Toyota Carina.......................................................................214Volkswagen Polo II..............................................................216Volkswagen Polo III.............................................................218Volkswagen Golf II..............................................................220Volkswagen Golf III.............................................................222Volkswagen Passat II..........................................................226Volkswagen Passat III.........................................................228Volkswagen Scirocco..........................................................232Volkswagen Corrado..........................................................234Volkswagen Bus T3............................................................236Volkswagen Bus T4............................................................238Volvo 440/460/480............................................................240Volvo 850............................................................................242Volvo 940/960....................................................................244

4 Kosten

4.1 Kraftfahrzeugsteuer...................................................248Ermitteln der Emissionsgruppe..........................248Steuern senken beim Benziner..........................248Diesel..................................................................249Sonstiges............................................................249

4.2 Versicherung...............................................................251Haftpflicht............................................................251Teilkasko.............................................................253Vollkasko.............................................................254Pannendienst der Versicherung........................254

4.3 Wertverlust & Reparaturen........................................2554.4 Kraftstoff.....................................................................2564.5 Gesamtkosten............................................................257

5 Der kleine Ingenieur

5.1 Leistung und Drehmoment........................................260Grundlagen........................................................260Idealer und realer Motor....................................261Mehr Leistung.....................................................262Der Reihen-Sechszylinder..................................263Turbos.................................................................264

5.2 Leistungsbedarf..........................................................265Benötigte Motorleistung.....................................266Gesamtbild Fahrwiderstände............................267Gesamtbild Leistungsbedarf.............................268

5.3 Übersetzungsanpassung..........................................2695.4 Hilfsrechnungen.........................................................2725.5 Steigfähigkeit und Elastizität......................................2745.6 Getriebe-Abstufung....................................................276

Geometrisch vs. progressiv................................277

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Liebe Leser,

die Autos in Deutschland werden immer älter. TrotzAbwrackprämie, Strafsteuern und Umweltzonen: Voneiner Wegwerf-Mentalität ist hier wenig zu spüren. DasFahren von 15 bis 25 Jahre alten Autos, vor nicht allzulanger Zeit noch ausgewiesenen Freaks vorbehalten, istzur Normalität geworden. Zu Recht:Ein Gebrauchter in diesem Alter kostet heute fast nichts,hat aber nicht selten noch ein ähnlich langes Leben vorsich wie die Neuwagen, die in den 70er Jahren verkauftwurden. Und obendrein fährt er sich um Klassen besser.Denn die Autos, die vor rund 20 Jahren entstanden sind,kommen den aktuellen Modellen schon recht nahe.Wenn wir uns für einen Altwagen entscheiden, werdenwir das in erster Linie der niedrigen Kosten wegen tun.Oft geht es aber auch einfach ums Prinzip, um das beru-higende Gefühl, nicht mehr als den Wert eines gutenFahrrades vor der Haustür stehen zu haben. Hagel-schauer, Fußballkinder, Silvesterböller – einen E-Kadetterschüttert nichts mehr. Es stellt sich dafür ein ganz anderes Problem: Wiekommt man an Informationen über diese Autos? Dienormalen Gebrauchtwagen-Ratgeber befassen sich mitjüngeren Modellen. Der ganze Bereich der Liebhabereidreht sich dagegen um noch ältere und meist auchexklusivere Fahrzeuge.

Diese Lücke soll nun das vor-liegende Buch schließen. Esbefasst sich hauptsächlichmit Gebrauchsautos, dieauch im vorgerückten Alternoch gute Dienste leisten.Alles, was für den Kauf undBesitz eines Altwagens vonInteresse ist, wurde hierfürzusammengetragen. DieFahreindrücke stammendabei aus dem 30-jährigenTesttagebuch des Autors,abgeglichen mit der zeitgenössischen Bewertung in denFachzeitschriften. Ebenso ist die Prüfanleitung ein Resul-tat jahrzehntelanger Praxis mit Gebrauchtwagen deruntersten Preiskategorie. Bei der Arbeit an diesem Projekt waren die Pressestellenund Archive der Hersteller eine große Unterstützung. Andieser Stelle sei daher noch einmal allen hilfsbereitenMenschen dort, die neben den Werkfotos auch nochviele längst vergilbte Datenblätter aus den Kellern zau-berten, ganz herzlich gedankt.

Duisburg, im November 2014

Dr.-Ing. Matthias Knippel

Vorwort

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1 TEIL

E R S T E R T E I L

Über die alten Autos

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Alte Autos stoßen mehr Schadstoffe aus als Fahrzeuge,die neueren Abgasnormen genügen. Diese typische Dar-stellung der Abgas-Situation ist griffig, einleuchtend –und falsch. Sie dient hauptsächlich dazu, Steuererhö-hungen, Umweltzonen oder Abwrackprämien zu begrün-den. Oft mussten wir uns daher allgemeine und nichtnäher erläuterte Vorwürfe wie »Stinker« oder »Dreck-schleuder« gegen unsere schönen Altwagen gefallen las-sen. Eine Klarstellung ist seit Jahren überfällig, weshalban dieser Stelle eine etwas länger geratene Abhandlungzu diesem Thema folgt. Vorweg gesagt: Gegen Altwagenmit Benzinmotor und geregeltem Katalysator gibt es nurwenig einzuwenden. Die wahren Luftverpester sind ananderer Stelle zu suchen.

SchadstoffeDas Blei im Benzin ist zum Glück längst Geschichte. Der-zeit sind im Bereich des Straßenverkehrs noch fünf Luft-schadstoffe relevant, von denen wiederum zwei (Stick-oxide und Partikel) verschärft in der Diskussion stehen.Im Einzelnen:

COKohlenmonoxid entsteht bei unvollständiger Verbren-nung. Es ist für den Menschen in höherer Konzentrationtödlich. In den heute vorzufindenden Mengen ist dieserSchadstoff aber selbst in dichten Innenstädten keinThema mehr. CO war der erste Abgasbestandteil, der reglementiertund regelmäßig überprüft wurde. Alte Abgastester mes-sen nur diesen Stoff, der CO-Wert diente früher auch alsFührungsgröße bei der Vergasereinstellung. Erlaubtwaren Anfang der 70er enorme 4,5 Vol.-% im Leerlauf.Mit funktionierendem Kat wird der AU-Messwert heuteunterhalb von 0,1 % liegen. Der CO-Ausstoß ist aberauch schon vor der Kat-Ära spürbar zurückgegangen,und zwar schlicht aus Gründen der Benzineinsparung,denn viel CO ist ein Zeichen für großzügig »fett« abge-stimmte Motoren. Dieselmotoren fahren ohnehin immermit großem Luftüberschuss und erzeugen somit vonNatur aus wenig CO und auch wenig Kohlenwasser-stoffe.

HC Kohlenwasserstoffe (Hydrocarbons, HC) bleiben eben-falls bei unvollständiger Verbrennung zurück, sind dieKraftstoffe doch nichts anderes als ein Gemisch verschie-dener Kohlenwasserstoffe. Die HC für sich gelten schon

als Schadstoffe, das größere Problem sollte jedoch ihrBeitrag zur Ozonbildung im Sommer sein. Bei neueren Normen unterscheidet man zusätzlich nochdie gesamte Menge der Kohlenwasserstoffe (oft auch mitTHC abgekürzt) und die der Nicht-Methan-Kohlenwas-serstoffe (NMHC). Kohlenwasserstoffe in unserer Umwelt stammen aus vie-lerlei Quellen. Der Verkehrssektor hat seine Emissionenerfolgreich vermindert, weitere Reduktionen allein dortlassen nur eine schwache Verbesserung der Luftqualitäterwarten. Neben den Abgasen sollte hier auch an dieähnlich bedeutenden Verdunstungsverluste der Benzinergedacht werden. Sie konnten durch vorgeschriebeneRückführungsmaßnahmen im Tanksystem und an denZapfsäulen deutlich eingedämmt werden.

NOx

Die Stickoxide sind die ganz dunkle Seite des Straßen-verkehrs. Die mit der Einführung des Katalysators ange-strebten Reduktionsziele wurden bei weitem nichterreicht. Es sind die Fahrzeuge mit Dieselmotor, dieheute die weitaus größte Menge emittieren. Zu dieserGruppe gehören selbstverständlich auch die Lkw.Stickoxide bilden sich während der Verbrennung ausdem Stickstoff der Luft. Luftüberschuss, also ein mageresGemisch, und hohe Temperaturen begünstigen die Ent-stehung. Die NOx sind selbst schon äußerst schädlich. Darüberhinaus wirken sie als Vorläufersubstanz des Ozons.Zusammen mit Regen bilden sie hingegen Salpetersäure.Dann ist die Luft zwar sauber, dafür aber der Bodensauer. Genau genommen wird bei den Luftschadstoffen unterStickoxiden das Duo aus NO und NO2 verstanden.Besonders gefährlich ist dabei das Stickstoffdioxid NO2,man schreibt ihm die zehnfache Schadwirkung des NOzu. Das Stickstoffmonoxid NO oxidiert jedoch an derLuft langsam ebenfalls zu NO2, weshalb bei Mengenan-gaben das NO immer schon »im Voraus« als NO2 gerech-net wird. 30 Gramm NO zählen also wie 46 Gramm NO2

(Stöchiometrie).Für das NO2 gilt spätestens ab dem 1. Januar 2015 einGrenzwert von 40 µg/m³ in der Atemluft. Und obwohldieser Wert schon hoch (und spät) angesetzt wurde, istfür viele Innenstadtlagen noch völlig unklar, wie er bisdahin denn eingehalten werden könnte. Ein Thema, dasuns später bei den Dieseln noch einmal begegnen wird.

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1.3 Abgase

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PartikelAls anderer großer Makel des Dieselmotors ist der durchihn gebildete krebserregende Ruß bekannt. Mit jederneuen Euronorm wurde daher die zulässige Partikel-masse PM herabgesetzt. Und zwar von 180 mg bei derEURO 1 auf 4,5 mg ab der EURO 5, welche spätestensseit Januar 2011 für neu zugelassene Fahrzeuge bindendist. Technisch machbar waren derart niedrige Werteallerdings schon viel früher. Der Peugeot 607 mit dembekannten FAP-System erreichte sie schon im Jahre2000, nach Messung des ADAC erzeugte er sogar nur1 mg pro Kilometer.Nun hat jedoch allein die Masse der ausgestoßenen Par-tikel noch keine große Aussagekraft über deren Schad-wirkung. Je kleiner die Teilchen sind, desto tiefer kön-nen sie in die Atemwege eindringen. Die ganz kleinengelangen bis in die Lungenbläschen, nach manchen Stu-dien sogar direkt ins Blut. Das Volumen und damit das Gewicht der Teilchenschrumpft jedoch mit der dritten Potenz des Durchmes-sers, sodass die gefährlichsten kaum in die PartikelmassePM eingehen. Stellen wir uns zur Veranschaulichung180 mg Ruß aus einem EURO 1-Diesel vor. Wenn wirjedes Einzelne dieser Teilchen im Durchmesser halbie-ren, so würde dies zu einer Achtelung der Partikelmasseführen. Mit dann 22,5 mg hätte der Wagen sogar dieBedingung für die EURO 4 erfüllt. Es ist aber davon aus-zugehen, dass die verkleinerten Rußpartikel trotz derviel niedrigeren Partikelmasse das höhere Gesundheitsri-siko darstellen, was dem Sinn der verschärften Normennatürlich zuwiderläuft. Wie genau sich die Partikelspektren im Laufe der Zeitgeändert haben, ist nicht dokumentiert. Der Trend zuimmer kleineren und gefährlicheren Partikeln wird oftals Selbstverständlichkeit dargestellt, obwohl die Stu-dienlage zu diesem Thema äußerst dünn ist. Die großeUntersuchung z. B. der jeweils zehn meistgebautenMotoren von EURO 0 bis EURO 5 mit einvernehmlichermedizinischer Bewertung der unter realistischen Bedin-gungen (sofortige Verdünnung der Abgase mit Luft)gemessenen Partikel steht bisher noch aus.Der Gesetzgeber hat jedoch schon jetzt vorgesorgt: Mitder EURO 5 wird nicht nur die Gesamtmasse, sondernauch die Anzahl der einzelnen Partikel PN limitiert. DieHöchstgrenze liegt bei 6 × 10¹¹ (600 Milliarden) Stückpro km, seitdem das Messverfahren etabliert ist. Damitwerden auch denkbare Filtersysteme verhindert, diebevorzugt die schweren Partikel aus dem Abgas entfer-nen und die richtig schädlichen passieren lassen. Für dieZahl von 600 Milliarden standen dabei die normalenBenziner Pate. Sie halten diesen Grenzwert (zumindestim Normzyklus) ohne zusätzliche Maßnahmen ein, dieDiesel sollen sich diesem Niveau anpassen. So wie esderzeit aussieht, erfüllen die aktuellen Dieselmodelle

(EURO 5) mit geschlossenen Filtersystemen diese Forde-rung problemlos, und das auch im praktischen Betrieb. Dafür haben nun aber leider die bisher harmlosen Benzi-ner ein Partikelproblem, und zwar dann, wenn sie mitDirekteinspritzung ausgerüstet sind. Für diese Fahrzeugegelten daher auch die Grenzwerte für die PartikelmassePM. Da die Partikel hier aber besonders klein ausfallen,ist die eigentlich entscheidende Größe umso mehr diePartikelanzahl PN. Und genau die ist derzeit nochunlimitiert, erst mit der EURO 6 tritt die Grenze von 600Milliarden auch hier in Kraft. Und nicht einmal das warmanchen Herstellern spät genug: Während einer Über-gangszeit von drei Jahren können sie sich auch für denzehnfachen Grenzwert entscheiden (Fußnote (3) derTabelle), was ihnen je nach Quelle einen Kostenvorteilvon fast null bis hin zu gut 100 Euro pro Fahrzeug ver-schaffen würde. Im Windschatten der Schuldenkrisekonnte diese Regelung Mitte 2012 ohne große öffentli-che Diskussion verabschiedet werden. Immerhin hat derKunde die Wahl, sich auch für ein nach dem strengerenGrenzwert zertifiziertes Fahrzeug zu entscheiden, wassich vielleicht einmal in späteren Umweltzonen als vor-teilhaft herausstellen könnte. Auch verspricht die EU für die Zeit danach, quasi zumAusgleich, ein besonders strenges Prüfverfahren zur Par-tikelmessung. Es soll die Realität besser abbilden als derbisherige Prüfzyklus NEFZ. Weiterhin kündigte sie an,sich auch die Partikelemissionen der normalen Benzinerunter allen Betriebsbedingungen noch einmal genaueranschauen zu wollen. Es wird wohl darauf hinauslaufen,dass in naher Zukunft einmal alle Verbrennungsmotorenmit einem Filter oder entsprechenden innermotorischenMaßnahmen gegen Partikel versehen sein werden.Aber davon haben wir heute noch nichts. Während mitder EURO 5 das Partikelproblem bei den neu gebautenDieseln endlich der Vergangenheit angehört, wird dieserErfolg durch etliche Jahrgänge an Benzin-Direkteinsprit-zern mit bedenklichen Partikelemissionen konterkariertwerden. Die Problematik der Rußpartikel ist im Übrigen nichtdeckungsgleich mit der Feinstaub-Diskussion. Bei letzte-ren Grenzwerten geht es zum einen um tendenziell grö-ßere Partikel. Hier zählt alles bis hinauf zu 10 µmDurchmesser, wenn auch immerhin unterschiedlichgewichtet. Der Ruß hingegen hat seinen Schwerpunktim Bereich von 0,1 µm, geht also von der Masse herschnell in der Gesamtmenge unter. Man bezeichnetseine Größenklasse oft auch als Feinststaub (mit zwei»st«), wobei dieser wichtige Unterschied schnell überle-sen werden kann.Zum anderen differenzieren die Feinstaub-Richtliniendie Partikel überhaupt nicht nach der unterschiedlichenGefährlichkeit, die sich aus dem chemischen Stoff, derForm und der Oberflächenstruktur ergeben kann. Eszählt nur die Masse, egal ob Rauch aus offenen Kaminen

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oder Wüstensand aus der Sahara. Das besondere chemi-sche Schadpotenzial z. B. der Rußpartikel durch dieanhaftenden organischen Substanzen findet keineBerücksichtigung. Der EU-Grenzwert für Feinstaub war also nie speziellgegen die Diesel gerichtet, er sollte wohl eher demSchutz der Bevölkerung vor Industriestäuben dienen. InDeutschland wurden daraus die Umweltzonen gestrickt.Juristisch höchst wackelig, tragen doch speziell die Pkw-Dieselabgase nur wenig zu der limitierten Fein-staub-Fraktion bei. Ein Absinken der Konzentration ist inden Zonen dementsprechend auch kaum nachweisbar. Der beliebte Umkehrschluss: »Motorabgase tragen nurwenig zur Feinstaubbelastung bei, also sind deren Ruß-partikel harmlos« ist natürlich nicht zulässig. Es istsicher gut, wenn nach und nach alle Diesel ohne Filteraus den Städten ferngehalten werden. Der Bevölkerungbleiben diese besonders schädlichen Partikel erspart,auch wenn dadurch im Sinne der Verordnungen eben

kaum ein Vorteil entsteht. Messungen der Partikelanzahlin der Atemluft sollten hingegen die positiven Auswir-kungen der Umweltzonen in den nächsten Jahren zei-gen.

Ozon O3 Diese aggressive Substanz ist zwar nicht in den Abgasenenthalten, sie bildet sich aber in der Atmosphäre aus denanderen Schadstoffen. Zur Entstehung von Ozon müssenvorhanden sein:

Stickoxide NOx,

Kohlenwasserstoffe HC,

Sonnenlicht und Wärme.

Der große Beitrag des Verkehrs zum Ozon sind die NOx.Im Gegensatz zu den Partikeln sind lokale Maßnahmenhier nicht erfolgversprechend. Emittiertes NOx kannlange Wege zurücklegen, bis es irgendwo vor Ort unter

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Grenzwerte für Schadstoffemissionen von PkwSchadstoff EURO 1 EURO 2# EURO 3 EURO 4 EURO 5 EURO 6

in mg/km ab ab ab ab ab ab ab

Typprüfung 01.01.1992 - neue Fzg.-Typen 01.01.1996 01.01.2000 01.01.2005 01.09.2009 01.09.2014

Serienprüfung - 31.12.1992 alle Fahrzeuge 01.01.1997 01.01.2001 01.01.2006 01.01.2011 01.01.2015

Richtlinie 91/441/EWG 94/12/EG 98/69/EG 98/69/EGEC 715/2007## i. V.mit EC 692/2008

Benzin CO 2.720 3.160 2.200 2.300 1.000 1.000 1.000

HC + NOx 970 1.130 500 - - - -

HC - - - 200 100 100 100

NOx - - - 150 80 60 60

PM (2) - - - - - 4,5 (1) 4,5 (1)

PN (2) - - - - - - 6 x 1011 (3)

NMHC - - - - - 68 68

Diesel CO 2.720 3.160 1.000 640 500 500 500

HC + NOx 970 1.130 700 560 300 230 170

NOx - - - 500 250 180 80

PM 140 180 80 50 25 4,5 (1) 4,5 (1)

PN - - - - - 6 x 1011 (4) 6 x 1011

# ab Euro 2 werden die Grenzwerte nicht mehr nach Typ/Serie unterschieden.

## EC 715/2007 setzt die Richtlinie EC 692/2008 um.

(1) 5,0 mg/km bei Typprüfung vor dem 01.09.2011 (altes Messverfahren)

(2) Die Grenzwerte gelten nur für Fremdzündungsmotoren mit Benzin-Direkteinspritzung.

(3) Bis zu drei Jahre nach den o. a. Zeitpunkten gilt nach Wahl des Herstellers ein Grenzwert von 6 x 1012 Partikeln/km.

(4) bei Typprüfung ab 01.09.2011 bzw. Erstzulassung ab 01.01.2013

Quelle: Umweltbundesamt, www.umweltbundesamt.de/verkehr/index.htm, abgerufen Mai 2012, aktualisiert mit EU 459/2012

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UV-Licht zu Ozon reagiert. Dabei entstehen auch nochviele andere Gifte, die gesamte photochemische Proble-matik wird jedoch meist unter dem Stichwort Ozon oderauch Sommer-Smog abgehandelt. Die Bildung des Ozons folgt komplizierten Regeln mitvielen Hin- und Rückreaktionen. Das auf den erstenBlick paradoxe Resultat hiervon ist, dass die Ozon-Konzentration in der »sauberen Landluft« regelmäßighöher liegt als im städtischen Bereich. Auch haben sichtrotz der verringerten Vorläufersubstanzen die mittlerenOzon-Jahreswerte seit der Einführung des Katalysatorserhöht. Die wichtigste Erkenntnis jedoch ist, dass diegefährlichen Spitzen im Sommer spürbar zurückgegan-gen sind. Der wünschenswerte Zielwert von 120 µg/m³wird zwar immer noch nicht sicher eingehalten, die frü-her bekannte Informationsschwelle von 180 µg/m³wurde aber zuletzt im heißen Sommer 2003 regelmäßigüberschritten.

Testzyklus und GrenzwerteDie Schadstoffemissionen werden im NEFZ ermittelt, derim Verbrauchskapitel schon vorgestellt wurde. Er bestehtaus vier Zyklen Stadtverkehr und einem Zyklus Über-landfahrt. Der Wagen wird dabei kalt gestartet, wobei»kalt« hier bis zu 32 °C bedeuten kann. Bis einschließlichder EURO 2 wurden noch 40 Sekunden Vorlauf zuge-standen. In dieser Zeit drehte der Motor im Leerlauf undder Katalysator konnte sich schon einmal aufwärmen.Erst nach diesen 40 Sekunden begann dann die Abgas-messung. Seit der EURO 3 ist der Vorlauf entfallen, dieMessung beginnt sofort. Die Tabelle links enthält alle Grenzwerte seit der Einfüh-rung der EURO 1 im Jahre 1992. Nicht mehr aufgeführtsind ältere Normen wie der US-Kat oder die ECE 15/04als letzte Richtlinie, die sich noch ohne Kat einhaltenließ. Der Übersicht halber fehlen in der Tabelle auch die deut-schen Zwischenregelungen D3 und D4. Die D3 galt zurZeit der EURO 2 und nahm in etwa die EURO 3 vorweg.Wer sie einhielt, bekam einen Steuervorteil. Gleichesgalt während der EURO 3 für die D4. Damit gelang eswieder einmal, den Neuwagenkäufern ein paar Schein-chen zuzustecken, finanziert über die erhöhten Steuernder älteren Fahrzeuge. Einige D4-Wagen entpupptensich nebenbei noch als ziemlich fragwürdige Gesellen,bei mindestens einem Typ zog der Hersteller die Einstu-fung sogar kleinlaut zurück. Eine Fortsetzung erfuhr die-ses windige Treiben dann auch nicht, es existiert alsokeine D5- oder D6-Norm. Die eigentlichen Tabellenwerte sehen auf den erstenBlick aber ganz einleuchtend aus. Von Norm zu Normwurden die Grenzwerte strenger, die Schadstoffe solltendamit doch heute längst kein Thema mehr sein.

Leider ist dem nicht so. Wie wir im Folgenden sehenwerden, haben die Euronormen einige eklatante Schwä-chen und sind damit in ihrer Wirksamkeit stark einge-schränkt.

Benziner

Der geregelte KatalysatorMitte der 80er kamen in Deutschland die ersten Fahr-zeuge mit geregeltem Katalysator (G-Kat) auf den Markt.Innerhalb weniger Jahre fanden sie eine flächende-ckende Verbreitung. EU-weit dauerte es etwas länger,gemeinsam wurde diese Technik aber spätestens 1993mit der EURO 1 zum Standard. Im Katalysator geschiehtidealerweise Folgendes:

CO wird zu CO2 oxidiert.

Die HC werden zu H2O und CO2 oxidiert.

Die NOx werden zu N2 reduziert.

Da hier drei Reaktionen gleichzeitig stattfinden, sprichtman auch vom Dreiwege-Kat. Funktionieren kann er nurmit stöchiometrischem Gemisch, also wenn genau so vielSauerstoff vorhanden ist, wie das Benzin zur vollständi-gen Verbrennung benötigt. Ist zu wenig Sauerstoff vor-handen, spricht man vom fetten Gemisch und es bleibenHC und CO zurück. Bei Luftüberschuss hingegen, alsobei magerem Gemisch, werden die NOx kaum abgebaut.Eine noch so aufwendige Einspritzanlage allein arbeitetzu ungenau, um das Gemisch exakt im stöchiometri-schen Bereich zu halten. Daher misst die sogenannteLambdasonde im Abgas ständig dessen Zusammenset-zung und veranlasst kleine Nachregelungen. Geregeltwird also das Gemisch, nicht der Kat. Trotzdem hat sichder Begriff des geregelten Katalysators durchgesetzt.

KaltstartDie höchsten Emissionen entstehen in den ersten Sekun-den nach dem Kaltstart. Dann ist der Katalysator nochnicht angesprungen, sprich er ist zu kalt. Auf den erstenMetern fährt man gewissermaßen wie früher, nämlichohne Abgasreinigung – leider genau dann, wenn derMotor noch mit zähem Öl kämpft und durch ein beson-ders fettes Gemisch am Laufen gehalten werden muss.Obwohl der Testzyklus immerhin elf Kilometer lang ist,spielt die Anfangsphase die größte Rolle bei der gesam-ten Emission. Wenn bei der Typprüfung für einen beliebigen Schad-stoff beispielsweise 100 mg/km ermittelt wurden, heißtdas also nicht, dass der Wagen auf jedem Kilometerdiese Menge ausstößt. Es können vielmehr auf dem ers-ten Kilometer 600 mg sein und auf jedem weiteren Kilo-meter mit warmem Kat 50 mg. Die 100 mg sind also einMischwert aus diesen beiden Phasen. Die Angabe der

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Schadstoffmengen in mg/km ist daher auch etwasunglücklich. Sinnvoller wäre eine absolute Angabe proTestzyklus.Den schärfer werdenden Bestimmungen begegnen dieHersteller u. a. mit einem immer schnelleren Anspringendes Kats. Die besonders schadstoffreiche kalte Phasewird hierdurch immer weiter verkürzt. Mit warmemKatalysator hingegen haben alle Benziner mit G-Kat,ganz gleich welcher Norm sie genügen, sehr gute Abgas-werte. Wenn auf den Straßen nur warmgefahrene Benzi-ner unterwegs wären, gäbe es kein Abgasproblem. Nun kann man die im Test zulässigen 32 °C nicht geradeals wirklichen Kaltstart bezeichnen. Sie sind es für denKat, aber eigentlich nicht für den Motor. Letztererbraucht dann kaum Anreicherung. Für 2002 wurdedaher zusätzlich die Niedrigtemperaturprüfung einge-führt. Dabei werden die Wagen bei -7 °C gestartet unddurchfahren den Stadtzyklus. Grenzwerte von15.000 mg/km für CO und 1.800 mg/km für HC sindeinzuhalten. Diese Zahlen liegen in ganz anderen Grö-ßenordnungen als die regulären Grenzwerte, winterli-cher Kurzstreckenverkehr bleibt also auch mit modernenBenzinern eine ziemliche Ferkelei. Nebenbei: Wenn der Kat schon langsam anspringt, dasAbgas aber noch sehr fett ist, dann wird dieser Kraft-stoffüberschuss in eine regelrechte Wundertüte an che-mischen Substanzen verwandelt. Es entstehen unteranderem Benzaldehyd und Blausäure, was für die oft zuvernehmende Duftnote »Marzipan« nach dem Kaltstartverantwortlich ist.

EURO 1, EURO 2 und die KaltlaufreglerNach diesen Ausführungen über den Kaltstart muss mandann auch die 40 Sekunden Vorlauf des Testzyklus ineinem anderen Licht sehen. Was so harmlos klingt,bedeutet schlicht, dass in der Phase der höchsten Emis-sionen nicht gemessen wird. Der Hersteller kann in die-ser Zeit sogar alles Mögliche vorsehen, um den Kat aufTemperatur zu bringen. Eine simple, aber sichereMethode ist beispielsweise eine erhöhte Leerlaufdreh-zahl in den ersten 40 Sekunden. Sobald die Messungbeginnt, ist der Kat dann schön vorgewärmt. Der echteSchadstoffausstoß muss sich dadurch nicht unbedingtverringern. Denn der beginnt nun einmal bei SekundeNull und nicht bei Sekunde 40. Da ein sehr wichtigerTeil der Messung wegfällt, ist nicht einmal garantiert,dass ein Wagen mit EURO 2 auch wirklich wenigerSchadstoffe produziert als ein älteres Fahrzeug mitEURO 1 (im Mittel tut er das aber). Das gilt im Übrigenauch noch für die D3, denn erst mit der echten EURO 3entfiel der Vorlauf.Nun werden die Autos immer langlebiger und dasDurchschnittsalter der Fahrzeuge in Deutschland steigtund steigt. Den Herstellern schmeckt diese Entwicklungverständlicherweise wenig. Regelmäßig kommt daher

(nicht nur hierzulande) der Wunsch auf, dem Durchsatzvon staatlicher Seite etwas nachzuhelfen. Die gegenwär-tigen Steuersätze kann man als ein Resultat dessen anse-hen. Derzeit liegt die große »Steuerscheide« zwischenEURO 1 und EURO 2. Dieser Schritt bringt in etwa eineHalbierung des Steuersatzes mit sich. Das Fahren einesalten Fahrzeuges sollte dadurch finanziell unattraktivwerden. Ferdinand Piëch wurde 1997 im Spiegel mit»Die Autos werden politisch altern« zitiert.Er freute sich zu früh: Zum Glück für uns hatte man esden Herstellern durch besagten Vorlauf im Messverfah-ren etwas zu leicht gemacht. Die EURO 2 verlangt garkeine aufwendigen Verbesserungen, was findige Unter-nehmer auch bald entdeckten. Und so gibt es heute fürfast jeden Benziner ein Gerät namens Kaltlaufregler.Manche heben direkt die Leerlaufdrehzahl an, anderetun dies indirekt über zusätzliche Luftzufuhr. So oder sowird die EURO 2 sicher erreicht, manchmal auch die D3.Damit können heute über 90 Prozent der Benziner inden Genuss eines günstigen Steuersatzes kommen. Dererste große staatliche Anschlag auf den Bestand an billi-gen Autos lief durch die Kaltlaufregler ziemlich insLeere.Zur EURO 1 wäre noch zu sagen, dass die Grenzwertewohl mit Rücksicht auf die Diesel sehr leicht einzuhaltenwaren. Es ist geradezu schwierig, nur die EURO 1, nichtaber auch die EURO 2 gleich mit zu erfüllen. Viele Ben-ziner kratzten schon immer an der besseren Norm. Solassen sich beispielsweise fast alle alten Porsches mit G-Kat direkt auf EURO 2 umschlüsseln.

EURO 3Ab hier wurde es ernst für die Entwickler. Der Vorlauf inder Messung entfiel. Spätestens mit der EURO 3 wurdendaher zusätzliche technische Einrichtungen notwendig,die den Kat schneller auf Betriebstemperatur bringen.Wenn alles funktioniert, sind diese Fahrzeuge besondersim Kurzstreckenbetrieb viel umweltfreundlicher als ihreVorgänger. Leider wurde die Abgasreinigung damit auch immerkomplexer. Im Rahmen einer bezahlbaren AU lässt sicheine vollständige Funktionsprüfung nicht realisieren.Dazu würde dann u. a. ein Test des Kaltlaufs auf demRollenprüfstand gehören. Die heute übliche AU gibtdagegen immer nur Auskunft über die Emissionen beiwarmem Motor. Die für den Kaltstart wichtigenZusatzeinrichtungen werden bestenfalls einer »Sichtprü-fung« unterzogen. Ein Muss sind beispielsweise Sekundärluftpumpen. Sieblasen am Anfang der Warmlaufphase Luft in das fetteAbgas und sorgen so für das Abbrennen der Kohlenwas-serstoffe. Auch kann im Abgasstrang ein kleiner Vor-Kat eingesetztwerden, der sich nach dem Start besonders schnellerwärmt.

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Eine andere, besonders bei Mercedes verbreitete Maß-nahme ist das verspätete Hochschalten beim Automatik-getriebe im kalten Zustand. Der Motor dreht dadurchhöher und heizt damit den Kat schneller auf. Im tägli-chen Betrieb nervt das viele Fahrer, und zum Stilllegengenügt oft das einfache Ziehen eines Steckers. Allgemein zur Abgasverbesserung und beim Benzinerauch zur Verbrauchssenkung kommt die Abgasrückfüh-rung zum Einsatz. Nach vielen Jahren und Kilometernkann sich dieses Leitungssystem mit einer Art Teer(beim Diesel mit Ruß) zusetzen. Selbst wenn alle diese vier erwähnten Einrichtungenaußer Funktion sind, lässt sich die reine Abgasmessungder AU immer noch problemlos bestehen. Um diesendefekten Komponenten aber auch ohne aufwendigeTests auf die Spur zu kommen, ist seit 2001 (Diesel2004) die On-Bord-Diagnose OBD vorgeschrieben. DasAbgassystem kontrolliert sich dabei selbst und hinterlegtalle Abweichungen in einem Fehlerspeicher. Dieser wirdbei der AU ausgelesen, so würde dann z. B. eine defekteSekundärluftpumpe dem Prüfer gemeldet werden. ZumZwecke der Selbstüberwachung dient auch eine zweiteoder gar dritte Lambdasonde. Nur so können die verbes-serten Abgaseigenschaften der moderneren Benzinerauch in der Praxis über viele Jahre erhalten bleiben.Für unsere Autos gilt die AU mit OBD natürlich nochnicht. Hier liegt es weitgehend in der Verantwortung desHalters, inwieweit die auch hier schon vorhandenenZusatzeinrichtungen zur Abgasverbesserung instandgehalten werden.

Kat-AbschaltungVor der Kat-Ära verabreichte man einem Benziner beinormaler Fahrt ein leicht mageres Gemisch, um den Ver-brauch niedrig zu halten. Der Lambda-Wert wird dannbei etwa 1,1 gelegen haben. Bei Vollgas hingegen fetteteman an (etwa Lambda = 0,9), um die letzten Reservenzu mobilisieren. Mit dem G-Kat waren diese Gestaltungsmöglichkeiteneigentlich entfallen. Ein damit ausgerüsteter Benzinermuss in jedem Betriebspunkt, also auch außerhalb desPrüfzyklus, mit Lambda = 1 fahren. Nur so ist eine opti-male Entgiftung der Abgase gewährleistet. Es gibt jedoch ein Schlupfloch: Wenn der Hersteller es inbestimmten Situationen zum Schutze des Materials fürnotwendig erklärt, darf er die Lambda-Regelung stillle-gen (sog. Bauteilschutz). Fast immer wird er dann aufein fettes Gemisch umschalten. Für die NOx-Emission istdieses Vorgehen daher unbedeutend. Der Ausstoß vonCO und HC steigt jedoch um ein Vielfaches an. Die Vorschrift hierzu ist wie ein typischer Gummi-Para-graph formuliert und für die ausführenden Technikermehr als Freibrief zu verstehen. Es lässt sich also weit-räumig Gebrauch davon machen, Sanktionen sind in denletzten 20 Jahren nicht bekannt geworden. Innerhalb

des Prüfzyklus würde eine Abschaltung des Kats natür-lich zum Durchfallen bei der Typprüfung führen. Sinn-voll ist diese Maßnahme aber ohnehin nur in zwei Fahr-zuständen, die durch den Prüfzyklus nicht abgedecktwerden:

1. Im obersten Lastbereich, also spätestens bei Vollgas,lassen sich so mehr Drehmoment und Leistung heraus-holen. So kann der Wagen bei Tests einige Zehntelse-kunden besser abschneiden. Der andere, als offizielleBegründung dienende Effekt ist hingegen das kühlereAbgas, was besonders bei Turbos erwünscht ist, aberauch bei ganz normalen Autos zur Schonung des Kataly-sators und vieler anderer Bauteile gerne mitgenommenwird.

2. Bei schnellen Bewegungen des Gaspedals spricht derMotor mit fettem Gemisch viel spontaner an und wirktkräftiger.

Aufgrund dieses Einsatzspektrums wird die Kat-Abschal-tung auch als Volllastanreicherung bezeichnet. Für denHersteller liegen die Vorteile auf der Hand: Ohne einenCent Mehrkosten wird der Wagen stärker, was sichbesonders in der Elastizität schwach motorisierter Fahr-zeuge spürbar bemerkbar macht. Aber er hat nicht nurkeine Mehrkosten, durch konsequente Anreicherungkann er obendrein bei den »heißen« Bauteilen vom Aus-lassventil abwärts an der Materialqualität sparen. Unddurch plumpes Anfetten lässt sich ein sauberes Anspre-chen im gesamten Fahrbereich mit ganz wenig Entwick-lungsarbeit erzielen. Im Kern geht es bei der Anreicherung also schlicht umdas liebe Geld. Die Frage, wer es denn nun tut, ist inunseren Jahrgängen zumindest ganz einfach zu beant-worten: fast alle. Offiziell hat sich immerhin der Daimlerum 1992 herum von diesem unsauberen Vorgehen ver-abschiedet. Viele Leistungsangaben sanken dann auchum ein paar PS. Ansonsten liegen sehr wenige Informationen über diesesTabuthema vor. In einem Test der Oldtimer Markt (Heft9/2001) ließ sich ein Audi A4 auch durch hektischesBearbeiten des Gaspedals nicht von der korrektenLambda-Regelung abbringen. Ein Renault Laguna hinge-gen schon, er fettete massiv an. Bei BMW kommt lauteines Wikipedia-Eintrags der ab 2004 verbaute MotorN52 (Sechszylinder) ohne die Anreicherung aus.Glänzt also im Vergleichstest ein Wagen mit besserenFahrleistungen als die Konkurrenz mit ähnlichen Maschi-nen, so muss dies eben nicht auf hochwertigen Motoren-bau zurückzuführen sein. Ob nun 16 oder 18 Sekundenbeim Zwischenspurt von 80 auf 120 km/h vergehen,sollte daher keine Kaufentscheidung beeinflussen. Manweiß nie, mit welchen Mitteln dieses Ergebnis zustandegekommen ist.

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In der aktuellen Modellpalette (2014/15) beschränkensich die einfachen Benziner mit G-Kat zunehmend aufdas untere Preissegment. Die Volllastanreicherungbezeichnen Insider hier immer noch schlicht als »üblich«,auf nichts anderes deuten auch die Ergebnisse desADAC-Ecotests hin. Bei den Benzin-Direkteinspritzernsieht es leider nicht viel anders aus.Von der Umweltwirkung her gesehen gehört die Anrei-cherung eher zu den kleinen gegenwärtigen Sünden derAutobauer, mit weitem Abstand hinter den Partikeln unddem Diesel-NOx. Sie kann auch unterschiedlich starkausgeprägt sein, also entweder wirklich für die letztenPS verwendet werden oder aber schon bei Konstantfahrtmit wenig mehr als Richtgeschwindigkeit einsetzen.Geprüft wird im Fahrzyklus ja nur bis 120 km/h. Für den Käufer dürfte das größte Ärgernis der erhöhteVerbrauch sein, wenn er sich häufig in diesen Lastberei-chen aufhält. Dies kann gerade bei schwach motorisier-ten Fahrzeugen mit hohem Luftwiderstand schon frühder Fall sein. Ganz am anderen Ende der Leistungsskala, bei den Ben-zinern mit Turboaufladung, ist der Mehrverbrauch durchdas Anfetten sogar schon seit Jahrzehnten bekannt. Beileistungsbetonter Fahrweise klaffen dann Normver-brauch und Praxiswerte besonders stark auseinander.Wenn stark gekühlt werden muss, ist es mit einemLambda-Wert von 0,9 auch nicht getan. Es werden danneher 0,8 oder gar 0,7 sein und man kann im Innenspie-gel beobachten, wie der Hintermann in einen regelrech-ten Abgasnebel gehüllt wird. Aktuelle Turbotechnik, nun mit Direkteinspritzung, wirdganz im Gegensatz hierzu als Mittel zur Benzineinspa-rung angeboten (Downsizing). Wenn das auch bei flot-tem Fahrstil funktionieren soll, müssen solche Anreiche-rungs-Exzesse natürlich der Vergangenheit angehören.Für die Hersteller würde dies den Einsatz eines tempera-turfesten und damit teureren Turboladers bedeuten.

Defekter KatBis jetzt bleibt immerhin festzuhalten, dass ein Benzinermit warmem Kat und außerhalb der Volllastanreiche-rung ein sauberes Abgas aufweist. Ansonsten ist dieRegelung defekt oder der Kat unwirksam. Beides würdeaber bei der AU auffallen.Leider sind Reparaturen an Kat und Gemischaufberei-tung besonders teuer und obendrein für den Besitzerselbst nur von geringem Nutzen. Spätestens, wenn derAufwand dem Restwert des Wagens nahekommt, wirdsich mancher davor drücken wollen. Eine AU-Stelle, diedas defekte Fahrzeug durchwinkt, ist über Bekannteschnell gefunden. Schließlich handelt es sich dabei nichtum staatliche Ämter. Besonders in der Tuning-Szene ist das Fahren ohne odermit ausgeräumtem Kat ohnehin sehr verbreitet, erhofftman sich davon doch geradezu märchenhafte Mehrleis-

tungen. Außerdem sind gerade die jüngeren Sportfahreroft chronisch knapp bei Kasse, und eine frische Lambda-sonde oder Ähnliches stehen dann vermutlich eher weithinten auf der Wunschliste.Leider macht das Fehlen des Kats die Abgase nicht nurein wenig schlechter, es führt vielmehr gleich zu einemrund zehnfachen Schadstoffausstoß. Nur zehn Prozentdefekte Fahrzeuge im Bestand kämen somit einer Ver-doppelung der Emissionen gegenüber dem Idealzustandgleich. Die Überwachung des Fahrzeugparks spielt alsozur Luftreinhaltung eine oft unterschätzte Rolle. Und jesauberer die Benziner mit den neuen Euronormen wer-den, desto größer wird auch der Unterschied zwischenden weißen und den schwarzen Schafen. Zur moralischen Verteidigung könnten die Kat-Losenimmerhin einwenden, dass sie sich in etwa auf demSchadpotenzial eines EURO 4-Diesels bewegen. Und derist steuerbegünstigt und darf in jede Umweltzone.

Magermix und KatalysatorVon Toyota und Honda gibt es in unserem Buch schonFahrzeuge, die mit magerem Gemisch fahren. Dabeikommt die Frage auf, wie sich ein mageres Gemischeigentlich mit einem geregelten Kat und Lambda = 1vereinbaren lässt. Die Antwort ist simpel: Gar nicht, undbraucht es zur Einhaltung der damaligen Abgasnormenauch nicht. Klar ist, dass es bei hohem Luftüberschusskeine Probleme mit HC und CO gibt. Bleiben noch dieStickoxide NOx. Die Lösung ist, dass das Gemisch derartmager ist, dass die Spitzentemperaturen wieder sinkenund schon bei der Verbrennung wenig NOx entsteht.Immerhin bis zur EURO 2 hat es der Toyota Carina beiden späteren Exemplaren damit gebracht. Heute wird ein mageres Gemisch, nun aber in Verbin-dung mit Direkteinspritzung, vor allem bei den stärkerenBenzinern immer mehr zum Standard. Wegen dergegenwärtig schärferen Abgasnormen muss man dasNOx-Problem nun aber richtig lösen. Das Mittel der Wahlist dabei der Speicherkat. Er kann die NOx-Emission voneinigen Minuten an sich binden. Diese Fracht wird danninnerhalb weniger Sekunden durch ein leicht angefette-tes Gemisch unschädlich gemacht. Danach ist der Spei-cherkat wieder aufnahmebereit und der Zyklus kann vonvorne beginnen. Insgesamt kann der Motor so fast diegesamte Betriebszeit im verbrauchsgünstigen Magerbe-trieb fahren. Die Frage, welche beim G-Kat unter »Kat-Abschaltung«abgehandelt wurde, gilt natürlich auch hier: Was treibtdie Motorelektronik außerhalb des Testzyklus? DerADAC führte hierzu im Auftrag der Deutschen Umwelt-hilfe und des VCD im Mai/Juni 2011 einen Abgastest anzwei Direkteinspritzern durch. Beide waren nachEURO 5 zertifiziert. Normgerecht im NEFZ gefahren,bleiben sowohl Fahrzeug A mit 17 mg/km als auch Fahr-

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zeug B mit 12 mg locker unter dem Grenzwert von60 mg NOx. Im zweiten Durchgang wurde dann mit warmem Motorgestartet und die Klimaanlage dazugeschaltet. DasResultat: Nur noch 12 mg bei A, dafür aber schon103 mg bei B. Zuletzt folgte der ADAC-Autobahnzyklus.Hierbei wird anders als im NEFZ auch mit Vollgasbeschleunigt und bis zu 130 km/h schnell gefahren. Esergaben sich 8 mg bei Fahrzeug A, dafür aber erstaunli-che 1.948 mg bei Fahrzeug B. Derart hohe Emissionen»schafft« nicht einmal jeder Oldtimer ohne Kat. Es drängt sich der Verdacht auf, dass manche Herstellerdie Kat-Abschaltung mittlerweile umgekehrt interpretie-ren: Es wird nicht mehr in bestimmten Situationen abge-schaltet, die Abgasreinigung läuft vielmehr nur nochdann optimal, wenn die Elektronik meint, sich im NEFZzu befinden. Und der ist mit seinem eckigen Verlauf undan den speziellen Randbedingungen sehr einfach zuerkennen. Schon das einfache Zuschalten der Klimaan-lage oder der Warmstart führen das Programm in dieIrre, da beides bei der offiziellen Prüfung nicht vorgese-hen ist. Beim Autobahntest mit Vollgas wähnt sich die Motor-steuerung dann gänzlich unbeobachtet. 2.000 mg NOx

sind eine typische Rohemission. Dies könnte sogar dar-auf hindeuten, dass hier überhaupt keine Regenerationdes Speicherkats mehr stattfindet. Die Testkandidaten wurden anonymisiert, da es hiernicht darum geht, von den vielen Sündern einen Einzel-nen vorzuführen. Auch müsste man zunächst ausschlie-ßen, dass Unternehmen A einfach so clever war, den seitJahren bekannten ADAC-Ecotest in den Steuergerätenabzulegen. Am geschilderten Beispiel soll vielmehr sichtbar werden,was mit der Ausrede »Bauteilschutz« derzeit alles recht-lich gedeckt ist und wie wenig Aussagekraft die bei derTypprüfung ermittelten Werte für die Praxis haben kön-nen. Es zeigt auf der anderen Seite aber auch, dass Auto-fahren mit vernachlässigbaren NOx-Mengen zumindestaus technischer Sicht heutzutage kein Problem mehrdarstellt – wenn es der Hersteller denn will (oder kann).Eine Antwort der Pressestelle B auf diesen Test fiel imÜbrigen eher dürftig aus (»... erfüllen alle gesetzlichenEmissions-Grenzwerte ...«), sodass es sich hier wohl lei-der nicht um ein besonders schlechtes Testexemplargehandelt hat. Der größte Witz jedoch ist, dass nach denMesswerten im NEFZ Fahrzeug B mit 12 mg zu 17 mgoffiziell als das sauberere gelten würde.Zu einer Kaufempfehlung langte es bei keinem der bei-den Testkandidaten. Die Partikelanzahl lag dafür viel zuhoch, sie war auch der eigentliche Aufhänger diesesTests. Wie geschildert, ist vor der EURO 6 für diesenMotortyp noch kein Grenzwert einzuhalten, was beson-ders die Macher von Fahrzeug B weidlich ausnutzten.

Historischer Exkurs: der Zweibett-KatalysatorBeim Zweibett-Katalysator handelt es sich um eine ArtVorgänger unseres Dreiwege-Kats. Den Neueren bezeich-nete man daher anfangs auch als Einbett-Katalysator,der Abgrenzung wegen, denn bei ihm finden alle dreiReaktionen im gleichen Gehäuse statt. Der Zwei-bett-Katalysator hingegen verfügte noch über zwei Kata-lysatoren, die hintereinander lagen. Damit die Abgasreinigung funktionieren kann, fährt derMotor hier ständig mit einem fetten Gemisch. Im erstenKat werden daher die NOx gut abgebaut, es verbleibenaber reichlich CO und HC im Abgas. Der Clou des Gan-zen: Hinter dem ersten Kat wird Luft ins Abgas eingebla-sen, wodurch das Gemisch nun insgesamt mager wird.Im zweiten Kat werden damit CO und HC problemlosverbrannt. Mit diesem besonderen Aufbau ermöglicht der Zweibett-Katalysator auch ohne Elektronik und Lambda-Regelungeine gute Abgasreinigung. Durch das fette Gemisch unddie benötigte Leistung zum Antrieb der Luftpumpekommt es aber leider zu einem deutlich erhöhten Ben-zinverbrauch und zu einer verringerten Leistungsabgabe.Diese Technik fand daher auch nur kurzzeitig im Westender USA eine größere Verbreitung. Wenn man sich inKalifornien auf Oldtimersuche begibt, kann man nochüber eines dieser Fahrzeuge stolpern. Mit der Serienreife der Lambda-Regelung war der Zwei-bett-Katalysator dann überholt. Erst der heutige Drei-wege-Kat hat eine weltweite Verbreitung gefunden, danur er auch für Länder mit höheren Spritpreisen geeig-net ist.

Feinstaubplakette BenzinDie Lage ist einfach: Fahrzeuge mit G-Kat erhalten dieGrüne Plakette, alle anderen überhaupt keine. WelcherEuronorm der G-Kat dabei genügt, ist (zu Recht) ohneBelang. Die ursprünglich geplanten Regelungen sahen dagegennoch vor, den Wagen mit älterem G-Kat vor der EURO 1und denen mit Nachrüst-Kat (Schlüsselnummer 77) dieGrüne Plakette zu verweigern. Unauffällig wären so überNacht Millionen von Autos zu Altmetall erklärt worden.Der Presse war diese »kleine Ungenauigkeit« keineErwähnung wert. Erst der ADAC brachte das Vorgehenan das Licht der Öffentlichkeit und stellte Musterklagendagegen in den Raum. Die Regierung sprach am Endevon einem Versehen.In vielen Übersichten wird beispielsweise die »77«immer noch unter »keine Plakette« geführt. Auch wennes amtlich aussieht, ist das schlichtweg falsch.

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Diesel

Kein geregelter KatEin Diesel fährt ständig mit großem Luftüberschuss, eineLambda-Regelung ist also prinzipbedingt nicht möglich.Ausgerechnet der problematischste Schadstoff, die Stick-oxide, werden so im Katalysator nicht abgebaut. Manspricht daher auch vom Oxi-Kat, da er nur die beidenOxidationsreaktionen durchführt. Ausschließlich damitausgerüstet kann der Diesel die NOx-Werte eines Benzi-ners mit G-Kat niemals erreichen. Das war natürlichschon 1985 jedem klar. Es gab drei Möglichkeiten, vondenen zwei zu einer verbesserten Luftqualität beigetra-gen hätten:

1. Die Diesel verschwinden vom Markt.

2. Die Diesel bekommen eine aufwendige Abgas-nachbehandlung wie die SCR.

3. Die Diesel bekommen ganz einfach höhereGrenzwerte.

Natürlich kam es zur dritten Variante, wie könnte esauch anders sein. Erst ab der EURO 6 (2015) sind dieVorgaben ähnlich streng wie die der Benziner. Beim Studium der Tabellenwerte wird man zunächsteinmal protestieren: Stimmt ja alles gar nicht, bei derEURO 1 sind die Grenzwerte für Diesel und Benzinerdoch identisch, und bei der EURO 2 hält sich der Auf-schlag für die Diesel in Grenzen. Des Rätsels Lösung istdie Formel (HC + NOx), die von 1982 bis 2000 in denRegelungen verwendet wurde. Man begrenzt einfach dieSumme aus zwei Schadstoffen, die nicht miteinanderverwandt sind. Und »zufällig« produziert der Dieselwenig HC, erst recht nicht mit Oxi-Kat, er darf damitbesonders viel NOx ausstoßen. Die Normen EURO 1 und2 sind in dieser Hinsicht wie ein gemeinsames Tempoli-mit von 150 km/h für Stadt und Landstraße. Fahre ichmit 60 km/h über Land, so darf ich nachher 90 km/h inder Stadt fahren. Der andere versteckte Rabatt besteht bei der EURO 1wie schon angedeutet darin, dass der Grenzwert derarthoch gewählt wurde, dass die Benziner ohne besondereMaßnahmen weit darunter bleiben. Insgesamt ist diehier durch die nackten Zahlenwerte nahegelegte Gleich-behandlung von Dieseln und Benzinern also nur ein(sicher auch so gewollter) Fehlschluss.

Zusätzliche Vergünstigungen für DirekteinspritzerAber damit nicht genug. Ergänzend zu den Tabellenwer-ten finden sich noch einige »Bonbons« schön versteckt inden Fußnoten der Verordnungen: Den besondersschmutzigen Dieseln mit Direkteinspritzung erleichterteman seinerzeit den Markteintritt dadurch, dass sie nochmehr Schadstoffe als konventionelle Diesel ausstoßen

durften. Auf die Werte der EURO 1 gab es bei derSumme (HC + NOx) und bei den Partikeln einen Auf-schlag von satten 40 Prozent. Während der Ära derEURO 2 lauteten bis 9/1999 die Grenzwerte auf 900 mg(HC + NOx) und 100 mg Partikel. Zu letzterem Zeit-punkt hatten sich die Direkteinspritzer bereits auf breiterFront durchgesetzt, was bedeutet, dass die eigentlichenGrenzwerte aus der Tabelle nur noch für eine Minder-heit der Diesel gültig waren. Erst ab 10/1999 musstendann auch TDI & Co. diese »echten« Werte der EURO 2einhalten.

Neuere NormenSeit der EURO 3 wird der NOx-Wert einzeln begrenzt,von da an kann man die Anforderungen an Benziner undDiesel endlich direkt miteinander vergleichen. 500 mgbeim Diesel stehen hier 150 mg beim Benziner gegen-über. Den Dieseln gestattet man also mehr als die dreifa-che Emission. EURO 4 und 5 verhalten sich hierin ähn-lich.Die ganze Wahrheit sagen diese Zahlen jedoch immernoch nicht. Bekannt ist, dass die Diesel bei der Typprü-fung Mühe haben, ihre Werte zu erfüllen. Die Benzinerbleiben dagegen weit unter dem Grenzwert. Ein nichtrepräsentativer Griff ins Archiv fördert bei neuen Benzi-nern des Jahrgangs 2001 Typprüfungswerte von 20 mgbis 30 mg zutage. Bei den Dieseln hingegen sind es 300bis 400 mg. Selbst bei großzügiger Auslegung liegt hieralso eher der Faktor zehn vor.

Einhalten der NOx-Grenzwerte bis EURO 5Bis zur Euro 5 benötigen die Diesel in Sachen Stickoxidegewöhnlich keine Abgasnachbehandlung. Zum Einhaltender Papierwerte genügt vielmehr das im Folgenden auf-geführte Bündel an Maßnahmen und glücklichenUmständen. Zunächst hat der Hersteller natürlich die Möglichkeit,mit einem handverlesenen, also bei den Schadstoffennach unten streuenden Fahrzeug zur Typprüfung anzu-treten. Verbreitet sind die Klagen der Chiptuner, die oftSchwierigkeiten haben, später für ihre eigenen Typprü-fungen ein ebenso gutes Exemplar aus der Serienpro-duktion zu fischen. Anderenfalls würde der Chip durch-fallen, auch wenn er das Motorkennfeld im Prüfzyklusgar nicht verändert.Am meisten profitieren die Diesel jedoch vom Prüfzyklusselbst. Denn der NEFZ gibt bei weitem nicht die Realitätwieder. Beim Test wird der Wagen nur ganz sachtebeschleunigt. Und es wird nicht schneller als mit120 km/h gefahren. Die ganze Prüfung findet also mitniedrigen und bestenfalls mittleren Lasten statt unddamit in Bereichen, in denen ein Diesel von Natur auswenig Stickoxide produziert. Am Steuer sitzen auchkeine Fahrer des TÜV oder gar staatliche Kontrolleure,sondern spezielle Fachleute der Autofirmen. Die schau-

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keln die Wagen gerne auch einmal barfuß durch denTest, damit sie das Gaspedal keinen Millimeter zu weitdurchtreten. Denn sonst wird die Verbrennung heißer,die NOx-Werte steigen an und für die Diesel wird esdann richtig eng. In der Praxis hingegen werden geradedie modernen Diesel von den Außendienstler-Heerenunter Zeitdruck über die Autobahn gejagt. Und schonein normaler, privater Fahrstil ist viel schärfer als diegemächlichen Bewegungen im Normzyklus.Sollte das bisher Gesagte bei höheren Normen nicht aus-reichen, dann lässt sich der Motor noch im prüfungsrele-vanten unteren Lastbereich auf besonders geringeSchadstoffmengen auslegen. Je besser die Elektronikwird, desto selektiver kann dabei vorgegangen werden.Im Idealfall erkennt die Motorsteuerung also, wenn sichder Wagen im NEFZ befindet und stellt das Kennfeld aufgünstige Abgaswerte um. Der Motor kann sich dabeiregelrecht bockig und schlecht fahrbar gebärden. Im rea-len Fahrbetrieb werden dann Sparsamkeit und Leistungdie Priorität eingeräumt. Man bezeichnet diese Art derAuslegung auch als »Cycle-Beating«. Aktenkundig ist bei-spielsweise, dass hierdurch bei den Lkw viele Modellemit EURO 2 auf der Straße mehr NOx erzeugten als diezuvor gebauten Fahrzeuge. Ganz einfach weil die Moto-ren unter Prüfbedingungen in einem besonderen, saube-ren Modus laufen konnten. In der Praxis hingegenerfreuten sie den Spediteur mit einem günstigen Ver-brauch, erkauft durch hohen NOx-Ausstoß. Die eigentlichen Maßnahmen, die zumindest im Prüfzy-klus zu abgesenktem NOx-Ausstoß führen, sind schnellaufgezählt. Allen ist gemein, dass sie zu niedrigerenSpitzentemperaturen bei der Verbrennung beitragen.Zur Anwendung kommen:

Ladeluftkühlung bei Turboaufladung,

Abgasrückführung AGR,

spätes und mehrfaches Einspritzen.

Zwischen den NOx-Emissionen, Leistung/Verbrauch undden Emissionen anderer Schadstoffe bestehen dabei Ziel-konflikte. Der wichtigste betrifft die NOx-Emissionen undden Verbrauch, beide werden speziell durch die Wahldes Einspritzzeitpunktes immer in entgegengesetzterRichtung beeinflusst. Das heißt: viel NOx = günstigerVerbrauch und umgekehrt.

Entstickung ab EURO 6Diese neuen Grenzwerte sollten nicht mehr alleine mitden erwähnten motorischen Maßnahmen einzuhaltensein. Für die EURO 6 sind vielmehr Stickoxid-minderndeEinrichtungen im Abgasstrang notwendig. 30 Jahre nachden ersten Benzinern mit G-Kat müssen die Diesel danndoch endlich nachziehen.

Auch wenn sich die NOx beim vorherrschenden Luftüber-schuss nicht im Oxi-Kat abbauen lassen, so gibt es dochzwei Möglichkeiten, ihrer Herr zu werden:Als Variante eins bietet sich auch hier der schon bei denmageren Benzinern erwähnte Speicherkat an. Das zurtaktweisen Regeneration erforderliche fette Gemischbedarf bei einem Diesel natürlich einiger Verrenkungen.Hier muss dann extrem spät in den Expansionstakt ein-gespritzt werden. Eine Technik sieht gar ergänzend vor,den teuren Treibstoff direkt ins Abgas zu düsen. Insge-samt spricht für die Entstickung mittels Speicherkat derrelativ einfache technische Aufbau ohne zusätzlichenBetriebsstoff. In Kauf genommen werden muss dafür derdurch die Regeneration bedingte leichte Mehrverbrauch.Als zweite Variante kommt bei den Dieseln die aufwen-digere und bekanntere SCR zum Einsatz. Sie nutzt aus,dass die Stickoxide zusammen mit Ammoniak an einemgeeigneten Katalysator zu Stickstoff und Wasser reagie-ren. Diese Reaktion bezeichnet man als selektive kataly-tische Reduktion, englisch SCR abgekürzt. Auch siebenötigt einen zweiten Katalysator, der aus einem ande-ren Material als der Oxi-Kat besteht. Literweise Ammoniak in Privathände auszuschenken istnatürlich eher nicht zu empfehlen. Als gut handhabbareQuelle dient daher eine wässrige Harnstofflösung, dievor dem SCR-Kat in das heiße Abgas gedüst wird. Dabeizersetzt sich der Harnstoff, wobei u. a. Ammoniak ent-steht. Das Schlimmste am Harnstoff ist sein anrüchigerName. Die genormte Lösung wird daher als AdBluebezeichnet, eine eingetragene Marke des VDA.Die SCR-Technik ist in anderen Bereichen der Technikseit Jahrzehnten Standard. Bei den Lkw hat sie auchschon Fuß gefasst. Sie wirft natürlich die Frage nach derKontrolle auf. Millionen Fahrer müssen künftig immergenügend AdBlue vorrätig halten, und dafür auch nochbezahlen. Fahren ohne AdBlue führt in etwa zur fünf- biszehnfachen NOx-Emission. Normalerweise geht derMotor dann in ein Notprogramm und zwingt so dazu,rasch die Bestände aufzufüllen. Diese Schaltung zuumgehen, ist nach einschlägigen Auskünften von Lkw-Fahrern aber kein großes Problem. Es gibt sogar schonfertige Geräte dafür zu kaufen. Die Pkw-Fahrer möchteman gar nicht erst in diese Versuchung führen, hier wirddas AdBlue normalerweise im Rahmen der Inspektionendiskret aufgefüllt. Der Bedarf liegt im Mittel bei etwafünf Prozent der Kraftstoffmenge. Auch für die EURO 6-Diesel bleiben der Oxi-Kat und derPartikelfilter weiterhin obligatorisch. Hinzu kommennun der Speicher- oder SCR-Kat, manchmal sogar beide.Und damit bei der SCR von dem stechend riechendenAmmoniak im Falle einer kurzzeitigen Überdosierungnichts aus dem Auspuff dringt, kann ganz am Ende nochein sogenannter Schlupfkatalysator vorgesehen werden.Zusammen mit der reichlich vorhandenen Messtechnikzur Regelung trägt ein sauberer Diesel also schon eine

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kleine verfahrenstechnische Anlage unter dem Wagenbo-den. Ganz billig wird das in keinem Fall, für die Dieseldes unteren Preissegments bedeutet die EURO 6 dannwohl auch das Aus. Ob nun die SCR oder der Speicherkat bei den Dieselndas Rennen macht, wird sich noch zeigen. Die Messun-gen an den ersten EURO 6-Modellen lassen unabhängigvon der Technik einen deutlichen Fortschritt erkennen:Je nach Disziplin wird im Mittel nur noch die Hälfteoder gar nur ein Viertel der bisherigen Stickoxide emit-tiert. Treu bleiben sich die Diesel aber auch darin, dassder Grenzwert (nun 80 mg) im realen Fahrbetrieb meis-tens bei weitem überschritten wird und dass es wiedereine große Bandbreite vom ehrlichen Saubermann bishin zum extremen Cycle-Beater gibt. Bisher (11/2014)schaffte erst ein Wagen die eigentlich zu erwartendenvollen 50 Punkte im ADAC-Ecotest, der Mercedes E 350CDI BlueTEC. Er nutzt die SCR. Seit Ende 2012 sind die ersten Diesel lieferbar, die dieEURO 6 ganz ohne abgasseitige Entstickung einhalten.Alles andere als hohe NOx-Emissionen jenseits des NEFZwäre hier natürlich eine große Überraschung, echte80 mg unter allen Bedingungen geradezu eine techni-sche Sensation. Die ersten Resultate beim ADAC-Ecotestwaren dann auch entsprechend durchwachsen.

Feinstaubplakette DieselHier gilt zurzeit vereinfacht gesagt:

1. Bis einschließlich EURO 1 gibt es keine Pla-kette.

2. EURO 2 erhält die Rote Plakette,

3. EURO 3 die Gelbe und

4. ab EURO 4 gibt es die Grüne Plakette.

Durch nachgerüstete Partikelminderungssysteme (Ruß-filter) kann man sich verbessern. In den allermeistenFällen werden dabei Diesel mit EURO 3 auf den Parti-kelausstoß der EURO 4 (25 mg/km) gebracht und erhal-ten damit auch die Grüne Plakette. Das betrifft also nurjüngere Fahrzeuge als die in unserem Buch behandelten.Diesel aus unserer Zeit hingegen erfüllen heute fast alledie EURO 2 und tragen damit die Rote Plakette, die lei-der zunehmend weniger wert wird. Erreicht wird dieseNorm durch einen serienmäßigen oder nachgerüstetenOxi-Kat. Wenn man die Richtlinien ganz genau liest, stellt manfest, dass auch die EURO 2 in Verbindung mit dem Parti-kelausstoß der EURO 4 zur Grünen Plakette führt. Obdies beabsichtigt war oder schlicht falsch formuliertwurde, sei dahingestellt. Auf jeden Fall sind daraufbasierend für die Mercedes-Saugdiesel aus unserer Zeitentsprechende Umrüstsätze erhältlich (Fa. Deissler /Stumpf Vertriebs-GmbH). Kosten von knapp 2.000 Euro

bis zur freien Fahrt in die Umweltzonen machen dieSache aber nur für extreme Diesel-Liebhaber interessant.Mittlerweile ist die Grüne Plakette auch für viele andereDiesel aus unserer Zeit erreichbar, insbesondere für fastalle Busse (S. K. Handels AG). Abweichend handelt essich dabei meist um Systeme, die eine Aufrüstung aufdie EURO 3 enthalten bzw. erst noch voraussetzen.

NOx-Emissionen in der PraxisWie es im realen Betrieb jenseits des NEFZ aussieht, lässtsich nur durch aufwendige Messungen in praxisnäherenFahrzyklen feststellen. In den letzten Jahren sind hierzuumfangreiche Datensätze entstanden, die bisher nochviel zu wenig Beachtung gefunden haben. Und ab undzu lassen sogar freundliche Mitarbeiter der Branche einpaar Zahlen fallen. Darauf basierend sollen hier einmal einige »Hausnum-mern« der realen NOx-Emissionen angegeben werden.Soweit nicht anders dargestellt, beziehen sich die Werteimmer auf eine Fahrzeuggruppe, geben also beispiels-weise den Mittelwert aller EURO 3-Benziner wieder. Ein-zelne Typen können hiervon natürlich mehr oder weni-ger stark abweichen.Die genannten Zahlen sind zur Orientierung bestimmtund nicht im Sinne einer wissenschaftlichen Abhandlungzu verstehen. Insbesondere sind sie nicht dazu gedacht,sie einzeln zu zitieren oder hierauf weitere Argumenta-tionen aufzubauen. Zu letzteren Zwecken beschaffe mansich besser die originalen Quellen bei den am Ende desAbschnitts angegeben Organisationen.

BenzinerNehmen wir gleichsam als Urzustand von 1985 einenBenziner ohne Katalysator an. Bei normaler Fahrt wirder nach allgemeiner Einschätzung in etwa 1.500 bis2.000 mg NOx pro Kilometer ausstoßen. Mit geregeltem,warmem Katalysator hingegen sinkt der Wert meistensauf unter 100 mg, dies ist also der entscheidende Schritt.Diese Aussage kann aber leider nicht so schön einfachstehenbleiben, sie muss vielmehr noch um einige wich-tige Nebenaspekte ergänzt werden:

1) Bei den älteren Fahrzeugen zeigten sich im Test (amNeuwagen) viele Ausreißer nach oben. Trotz G-Kat wur-den gelegentlich auch vierstellige NOx-Werte gemessen.Als wahrscheinliche Ursache vermutete man schlampigprogrammierte Regelungen außerhalb des Prüfzyklus.Dies betrifft seit der EURO 1 oft Geschwindigkeitenoberhalb von 120 km/h. Bei noch älteren Wagen mit US-Kat hingegen endete der Prüfzyklus schon bei96,4 km/h, hier kam es dann auch zu besonders vielenAuffälligkeiten. Im Laufe der Jahre nahm der Anteil unddie Höhe dieser Ausreißer stark ab.

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2) Die 100 mg waren nicht das Ende des technisch Mög-lichen. Mit jeder neueren Norm fiel die Emission imBetrieb mit funktionierender Regelung immer weiter.Vorsichtig bewegte aktuelle Modelle (EURO 5) tendierenin den einstelligen Bereich oder gleich an die Nachweis-grenze. Relativ gesehen unterscheidet sich der Ausstoßinnerhalb der Benziner mit warmem G-Kat also stark,absolut gesehen ist es jedoch ziemlich egal, ob man nun10 oder 100 mg emittiert. Das Entscheidende ist, dassdie 2.000 mg vom Tisch sind.

3) Die Benziner vor der EURO 3 (die mit den 40 Sekun-den Vorlauf in der Messung) tun sich nach dem Kaltstartnoch ziemlich schwer. Bei den ganz Alten muss man alsFaustregel mit etwa einem vollen Kilometer rechen, bisder Kat angesprungen ist. Seit der EURO 3 ist dagegenmeistens von wenigen Sekunden bis zum Einsetzen derAbgasreinigung die Rede.

Insgesamt lassen sich so seit der EURO 3 als NOx-Ausstoß der Benziner im realen Mischverkehr 100 mgund weniger festhalten. Diese Größenordnung sollte einfür die Luftqualität unbedenkliches Maß darstellen. Bei unseren Altwagen hingegen, die typischerweise mitEURO 1 oder EURO 2 ausgezeichnet sind, ist die Angabeeiner pauschalen Stickoxid-Emission nicht ganz einfachund eigentlich auch nicht sinnvoll. Hier muss je nachFahrtlänge und Geschwindigkeit eine Mischkalkulationaus warmen Phasen (< 100 mg) und kalten Phasen (>1.000 mg) unter besonderer Berücksichtigung einereventuell unzureichenden Regelung angestellt werden.Als Mittelwert kann man so im Mischverkehr in etwa500 mg für die EURO 1 und 300 mg für die EURO 2ansetzen. Die modernen Benziner mit Direkteinspritzung wurdenschon weiter oben unter »Magermix und Katalysator«erwähnt. Eine perfekte Entstickung mittels Speicherkatstellt technisch kein Problem dar. Ob die Hersteller aberjenseits des NEFZ nun 20 mg oder 2.000 mg NOx in dieSteuergeräte einprogrammieren, ist ihnen derzeit nochselbst überlassen und daher schwer vorherzusagen. Dieersten Messungen zeigen immerhin, dass bisher nurwenige Fahrzeuge die Schwäche der Euronormen vollausreizen. Überwiegend bewegen sich die Direkteinsprit-zer, ähnlich wie die normalen Benziner gleichen Alters,bei den NOx-Emissionen im unteren bis mittleren zwei-stelligen Bereich.

DieselHier ist die Lage übersichtlich: Alle Messungen entlarvendie Papier-Fortschritte der Euronormen mehr oder weni-ger als Blendwerk. Bei den Stickoxiden braucht also vonEURO 0 bis EURO 5 gar nicht groß nach Emissionsklasseunterschieden zu werden, die Bandbreite innerhalb einerKlasse ist viel größer als diese Differenzen. Nicht einmal

ein klarer Trend zum Besseren lässt sich ausmachen, invielen Disziplinen schnitt die EURO 5-Gruppe sogar amschlechtesten ab. Ganz gleich, welche Emissionsklasse vorliegt, bei kon-stant 130 km/h muss man beispielsweise mit rund750 mg rechnen. Im Mittel läuft es für den europäischenMischverkehr auf 800 mg hinaus. Schonen lässt sich die Umwelt nur durch sehr gemütli-che Fahrweise unter weitgehendem Vermeiden allerBeschleunigungsmanöver. Bei konstant 100 km/h lassensich so etwa 300 mg erzielen. Aber schon im realisti-schen Stadtverkehr sind es um die 600 mg. Ein schärferer Fahrstil führt dann mühelos zu vierstelli-gen Werten. EURO 5 und 2.000 mg im ADAC-Autobahn-test schließen sich leider nicht aus, und dieser Zyklusendet schon bei 130 km/h. Die Stickoxid-Emissionen hängen beim Diesel also fastausschließlich vom Fahrer ab. Viel Leistung zu fordern,bringt auch viele aktuelle Modelle in den Bereich desganz alten Benziners ohne Kat. Wegen des überpropor-tionalen Autobahn-Anteils der Dienstwagen und wegender hierzulande üblichen hohen Geschwindigkeiten istdaher zu befürchten, dass die Diesel in Deutschland imMittel mit runden 1.000 mg NOx unterwegs sind.Der Kaltstart hingegen macht dem Diesel in Sachen NOx

nicht viel aus. Sein Oxi-Kat wirkt sowieso nicht dagegenund ein kalter Brennraum kann tendenziell sogar zuweniger Stickoxiden führen. Hier kommt es also zu kei-nen Zuschlägen.Auch in anderer Hinsicht sind die Zahlen des Dieselsrobust: Ein defekter oder, wie in Raser-Kreisen oft anzu-treffen, entfernter Oxi-Kat hat auf die NOx-Emissionenkeine Auswirkung. Einen Benziner hingegen bringt die-ses Manöver direkt wieder auf den Zustand von 1985mit permanent vierstelliger NOx-Emission.Je älter und angezählter die Paarung also ist, desto bes-ser geht der NOx-Vergleich eigentlich für den Diesel aus.Genau diese Diesel wurden aber leider durch dieUmweltzonen aus dem Verkehr gezogen, in unsererAltersklasse gibt es fast nur noch Benziner. Ganzschlecht kommt der Diesel hingegen bei neueren Nor-men weg: Ausgehend von EURO 4 und 130 km/h kannman nach Messungen des TCS entweder rund 15 Benzi-nern ein Fahrverbot erteilen oder einen einzigen Dieselbitten, seine Geschwindigkeit auf 100 km/h zu drosseln.Die absolute NOx-Minderung wäre die gleiche. Erwähnenswert ist noch die starke Streuung der Messer-gebnisse. Für einen nicht normgerechten Stadtverkehrmit EURO 4-Wagen wurden beispielsweise Werte von200 mg bis 900 mg festgestellt, im Mittel gut 600 mg.Einige Hersteller setzen also auch außerhalb des NEFZdie saubere Betriebsweise nicht sofort außer Funktion.Nüchtern betrachtet handeln sie damit unklug, mit900 mg NOx wären ihre Fahrzeuge spritziger und sparsa-mer und könnten in Tests noch bessere Bewertungen

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erzielen. Im professionellen Bereich der Technik ist esdaher auch üblich, Abgas, Leistung und Verbrauchimmer gleichzeitig zu messen. Gute Einzelleistungen aufKosten der anderen Größen sind keine Kunst und lassensich so von vornherein ausschließen.Bei den Lkw gilt der Tenor dieses Abschnitts glücklicher-weise nicht. Abgesehen vom erwähnten Flop bei derEURO 2 sank hier mit jeder neuen Norm die NOx-Emis-sion auch im praktischen Betrieb. Zu verdanken ist diesdem weniger Schlupflöcher bietenden Prüfverfahren fürNutzfahrzeuge.Es bleibt an dieser Stelle noch die spannende Frage nachden EURO 6-Dieseln. Nun, für einen konkreten Zahlen-wert ist es noch etwas früh. Es kann aber als gesichertgelten, dass diese Fahrzeuggruppe deutlich besserabschneidet als die bisher gebauten Diesel. Die meistenFahrzeuge mit Entstickung hat bisher der ADAC unter-sucht. Wie es dabei im Detail aussieht, darüber werdenzu gegebener Zeit Veröffentlichungen folgen.

Luftqualitätsgrenze NO2

Wenn die (gewöhnlich schlecht informierten) Diesel-Fahrer gerade verdaut haben, dass sie NOx-seitig immernoch auf Nachkriegsniveau fahren, müssen sie sich lei-der noch die Schlusspointe anhören:Wie erwähnt, haben die Kommunen bald das Problem,dass die geforderten NO2-Werte der Atemluft in vielenverkehrsreichen Innenstadtlagen nicht eingehalten wer-den. Das Niveau will einfach kaum absinken, obwohlsich der NOx-Ausstoß aus dem Verkehr in den letzten 20Jahren (durch die sauberen Benziner) halbiert hat. Hin-ter diesem Phänomen steht mit großer Wahrscheinlich-keit die Verschiebung der Anteile innerhalb der NOx-Emissionen bei den Dieseln: Früher wurde, wie heutenoch bei den Benzinern, fast ausschließlich NO erzeugt.Bei den neueren Dieseln ist jedoch durch den Oxi-Katder NO2-Gehalt sprunghaft angestiegen. Ein Teil des NOwird dort vorzeitig zu NO2 oxidiert, was mittlerweile fürden Partikelfilter sogar erwünscht ist. Ein moderner Die-sel stößt daher etwa fünfmal so viel NO2 aus wie seinUrahn mit EURO 0. Damit klärt sich auch eine Alltagsbe-obachtung: Im Gegensatz zum NO riecht das NO2 nachChlor, eine Duftnote, die bei Dieselabgasen in den 100Jahren vor dem Oxi-Kat völlig unbekannt war.

Ausblick 01.01.2015Wie können die Kommunen bis zu diesem Datum überallden Grenzwert von 40 µg/m³ Stickstoffdioxid in derAtemluft sicherstellen? Kenner der Materie werdenzunächst einwenden, dass es bei derartigen Vorschriftenja immer irgendwelche Übergangsfristen gibt. Das istauch richtig, nur befinden wir uns in diesem Falle schonmittendrin. Der eigentliche Termin war zum 01.01.2010.Wenn sich also der Grenzwert nicht noch auf wunder-same Weise ändert (z. B. elegant auf 40 ppb), sind zwei

gegensätzliche Szenarien und natürlich die Übergängedazwischen denkbar:

A) Man tut nichts und bezahlt einfach die Strafen für dieÜberschreitungen an die EU. Der 01.01.2015 fällt ja mitder Einführung der EURO 6 zusammen. Im Laufe derZeit werden so die Diesel ohne Entstickung (die bisEURO 5) von selbst immer weniger, und geschätzte zehnJahre später (2025) sollten alle Messstellen saubereWerte vorweisen können. Selbst wenn bis dahin derSchweizer Grenzwert von 30 µg/m³ in Kraft tritt.

B) Alle Diesel bis einschließlich EURO 5 werden zumStichtag aus den Innenstädten verbannt, unterstützendwird der Bestand mit Hilfe von erhöhten Steuern o. ä.rasch dezimiert. Niemand hat die Absicht, blaueUmweltzonen einzurichten ...

Da die EURO 5-Diesel bis dahin noch vom Band laufen,wären bei Vollzug auch sehr junge Fahrzeuge betroffen.Damit ist die sofortige Einführung derartiger Umweltzo-nen mit dem entsprechenden Wertverlust für die Eigen-tümer eigentlich undenkbar. Andererseits wird es aberrechtlich kaum möglich sein, nur die älteren Diesel(EURO 3 und 4) mit Verweis auf die NOx-Emissionen ausden Umweltzonen zu halten. Denn so wie die Abgas-Messungen der drei unten genannten Organisationenvorliegen, sollte mittlerweile gerichtsfest bewiesen sein,dass sich die Diesel in den realen NOx-Emissionen nichtnennenswert unterscheiden. Oft schnitt die EURO 5-Fraktion sogar am schlechtesten ab.Es bleibt also spannend, wie sich die Dinge entwickelnwerden und wie dieser Widerspruch aufgelöst wird.Wahrscheinlich kommt es zu einer Kombination beiderMaßnahmen, man lässt den jüngeren Dieseln also nochein paar Anstandsjahre.Für eine Regelung, die weder den Steuerzahler noch dieBesitzer teuer kommt, wird es dann zehn Jahre zu spätsein. Hierzu hätte mit der EURO 4 (2005) die Entsti-ckung kommen müssen. Und richtig, so war es amAnfang wohl auch gedacht. Die Diskussion über Stick-oxide und Diesel ist nicht neu. Der zuständige Mann desUmweltbundesamtes, Dr. Friedrich, nannte die Proble-matik dieser Fahrzeuggruppe schon vor über zehn Jah-ren laut und deutlich beim Namen. Nicht alle Autoleutekonnten sich damals vorstellen, dass man auch 2014noch Diesel ohne Entstickung würde bauen dürfen. Inälteren Publikationen wurde vielmehr oft angenommen,dass schon für die 250 mg NOx der EURO 4, spätestensaber mit der EURO 5 eine teure Abgasnachbehandlungnötig sein werde. Dieser erhöhte Aufwand brachte auchBrennstoffzellen und Hybridtechnik vermehrt insGespräch. Diese sind zwar kaum sparsamer als ein Die-sel, aber eben wesentlich sauberer.

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Nun braucht man für reale 250 mg auf der Straße wohlwirklich eine Entstickung, nicht aber für ein von ausge-wählten Fahrzeugen im NEFZ vorzuführendes Kunst-stückchen auf dem Rollenprüfstand. Selbst die 180 mgder EURO 5 ließen sich so später problemlos meistern.Dann wurde der Herr Friedrich auch noch versetzt, dasThema verschwand aus der Öffentlichkeit und losgelöstvom Rest der Welt blieb die EU eine Diesel-Zone. Nurselten konnte man lesen, dass diese »Meisterwerke derIngenieurskunst« in anderen Gegenden der Erde nicht somarktgängig sind bzw. gar nicht erst verkauft werdendürfen.Die Hersteller befinden sich dadurch heute in einer kom-fortablen Lage: Alleine im deutschen Fahrzeugparkbefinden sich etwa zwölf Millionen Diesel, zu 99 Prozentmit eigentlich nicht mehr tragbaren Abgaswerten. DieForderung nach raschem Ersatz, natürlich um unsererlieben Umwelt willen, wird fast schon von selbst auf-kommen. Die Rettung wäre natürlich ein EURO 6-Paket zur Nach-rüstung oder wenigstens eine vereinfachte Entstickungals Eintrittskarte in die Umweltzonen. Leider sind derar-tige Angebote nicht in Sicht. Die Dinge liegen hier auchdeutlich komplizierter als etwa bei einem Ben-ziner-Nachrüstkat für die Schlüsselnummer 77. BeimDiesel müssen die Partikel regelmäßig abgebrannt wer-den, der Speicherkat will regeneriert und gelegentlichauch von Schwefelresten befreit werden, die SCR funk-tioniert bei niedrigen Abgastemperaturen nur unwilligusw. Dies alles verlangt ständige Eingriffe in die Motor-steuerung, die nachträglich nur sehr schwer zu realisie-ren sein dürften. Und Platz muss die zusätzliche Entsti-ckung ja auch noch finden, von der Bezahlbarkeit ganzzu schweigen.Als einfache Lösung wäre auch ein alleiniges Soft-ware-Update der Motorsteuerungen denkbar, welchesden Betriebsbereich des sauberen NEFZ-Modus deutlichausweitet. Im Stadtverkehr ließen sich so die NOx-Emis-sionen auf einen Schlag mindestens halbieren. Wie auch immer sie aber konkret aussieht, eine Nachrüs-tung würde Kompetenzen verlangen, wie sie wohl nurbei den Herstellern oder bei den großen Zulieferern zufinden sind. Und die werden sich wie schon damals beiden Benzinern hüten, daran zu arbeiten. Eine Luftver-besserung durch Abwracken und Exportieren dürfte dortauf größere Zustimmung treffen. Das landesweite Knir-schen der Schrottpressen könnte Herrn Piëch wieder zueinigen zusätzlichen Lachfalten verhelfen, vielleichtklappt es mit dem »politisch Altern« ja hier einmal sorichtig.Wann es damit losgehen könnte, ist noch die Frage. ImMoment besteht eigentlich gar kein Bedarf, diesen Jokerzu ziehen. Die Fabriken der einflussreichsten Herstellersind auch so bestens ausgelastet. Ein schlechtes Zeichenfür Dieselfahrer sollte es aber sein, wenn die »sensatio-

nelle« Erkenntnis, dass Diesel ohne Entstickung vielStickoxide ausstoßen, mit einem Mal unisono auf allenKanälen verbreitet wird. Schnell werden aus »Spaßdie-seln« dann »Stinker« und »Dreckschleudern«, die altenArtikel über Benziner müssen hierzu nur leicht umge-schrieben werden.Nun, nach dem mühsamen Recherchieren überwog indiesem Abschnitt einmal das angenehmere Kommentie-ren und Spekulieren. Was genau auf die Dieselfahrerzukommen wird, wissen nur die Entscheider selbst. Esspricht aber einiges dafür, dass die Mehrkosten für einenEURO 6-Diesel, bevor es 2015 ohnehin Pflicht wird, ein-mal gut angelegtes Geld sein werden, von der entlaste-ten Umwelt ganz zu schweigen.

Herkunft der ZahlenMessungen jenseits des NEFZ führen im deutschenSprachraum u. a. die folgenden drei Institutionen durch:

1. Der ADAC mit seinem Ecotest,

2. der Touring Club Schweiz (TCS),

3. das Institut für Verbrennungskraftmaschinenund Thermodynamik (IVT) der TU Graz (Öster-reich).

Trotz unterschiedlicher Ansätze kommen doch alle ins-besondere bei den Dieseln auf sehr ähnliche Ergebnisse.

Zusammenfassung

Schadstoffe aus dem Straßenverkehr1) Ein hohes Gefährdungspotenzial für den Menschengeht derzeit von den kleinen Rußpartikeln aus. Sie wer-den von den Dieseln bis EURO 4, wenn sie nicht miteinem Partikelfilter aus- oder nachgerüstet wurden, ingroßer Anzahl ausgestoßen. Mit der EURO 5 sind dieDiesel hierin sauber. Dafür werden aber die neuenBenzin-Direkteinspritzer für viele Jahre mit besonderskleinen Partikeln an ihre Stelle treten.

2) Der andere wichtige Schadstoff sind die Stickoxide,und hiervon besonders das NO2. Haupterzeuger sindwiederum die Diesel. Messungen zeigen, dass sichabweichend von den Grenzwerten die realen NOx-Emis-sionen von EURO 0 bis EURO 5 kaum unterscheiden.Obendrein kam es beim NO2 sogar zu einem starkenAnstieg. Erst mit der EURO 6 wird sich in Sachen Stick-oxide etwas zum Guten bewegen. Ob sich bei denBenzin-Direkteinspritzern das nächste NOx-Desasteranbahnt, ist noch nicht abzusehen.

Der Prüfzyklus NEFZDas Erfüllen der Normen und ein geringer Schadstoff-ausstoß in der Praxis haben nur noch wenig miteinander

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zu tun. Dies wird auch in Zukunft so bleiben, solange dieEuronormen auf dem NEFZ basieren. Denn dieser Zyklusdeckt nur den unteren bis mittleren Lastbereich ab,wodurch besonders die Diesel begünstigt werden. Oben-drein ist er für die Motorelektronik sehr leicht zu erken-nen. Was dann jenseits des NEFZ geschieht, können dieHersteller weitgehend frei entscheiden, ohne bisherSanktionen fürchten zu müssen. So kommt es beispiels-weise dazu, dass gegenwärtig Autos mit NOx-Emissionenim ADAC-Autobahntest von fast null bis hin zu 2.000 mgneu zugelassen werden. Nebenbei gesagt sind dadurchauch alle Umwelt-Rankings, die nur nach den offiziellenTypprüfungswerten sortieren, ein reiner Zeitvertreibohne großen Nährwert. Wer hier fundierte Urteile ver-künden will, der muss eigene Messungen durchführen.

Altwagen BenzinEin warmgefahrener Benziner mit G-Kat, ganz gleichwelcher Norm, ist das optimale Auto. Die höheren Euro-normen haben unseren Altwagen voraus, dass der Katnach dem Kaltstart schneller anspringt. Sie sind alsobesonders im Kurzstreckenbetrieb sauberer. Die größereSünde der alten Benziner dürften aber die vielen Fahr-zeuge mit defektem oder entferntem Kat sein.

Altwagen DieselHohe Partikelemission und zu viel Stickoxide sind dieProbleme auch der älteren Dieselfahrzeuge. Ob 80 mgRuß aus einem EURO 2-Wagen nun schädlicher als25 mg der EURO 4 sind, muss sich noch zeigen. Unab-hängig davon bleibt es aber auch beim Altwagen einguter Beitrag zum Umweltschutz, keinen Diesel zu fah-ren. Da es sich im Alter ohnehin fast nie lohnt und beiden meisten Typen nur noch Restbestände an Dieselnvorhanden sind, wurden zur Unterstützung dieses gutenVorsatzes auch alle Diesel aus diesem Buch verbannt.Eine Ausnahme stellen die Busse dar, hier gibt es einfachzu wenig attraktive Benziner.

Neuwagen 2014/151) Die EURO 5-Diesel haben bis zuletzt ein massivesNOx-Problem. Erst mit der EURO 6 wird hier ein besse-res Niveau erreicht, wenngleich es noch große Streuun-gen gibt und bisher nur wenige Fahrzeuge das technischMachbare wirklich konsequent umsetzen. Der ganzgroße Durchbruch bei den Stickoxiden wird (wieder ein-mal) auf spätere, wirksamere Abgasnormen verschoben.In Sachen Partikel gibt es dafür Entwarnung. Seit derEURO 5 gehören die Diesel hierin auf einmal zu densaubersten Fahrzeugen.

2) Benziner sind seit dem geregelten Kat die umwelt-freundlichsten Autos, dies gilt auch heute noch. Eben-falls unverändert stellt die Volllastanreicherung seitJahrzehnten das letzte verbliebene Problem dar, mit

sehr hohen HC- und CO-Emissionen in diesem Betriebs-zustand und mit unnötig hohem Verbrauch bei schnellerFahrt.

3) Bei den Benzin-Direkteinspritzern sind die Partikeldas Thema Nummer eins, die im realen Fahrbetriebemittierte Anzahl kann im Extremfall um einige Zehner-potenzen höher ausfallen als die der übrigen Antriebe.Stickoxide werden, je nach Herstellerphilosophie, ineiner großen Bandbreite von fast gar nicht bis extremviel erzeugt. Und zu guter Letzt ist die Volllastanreiche-rung auch hier weit verbreitet, was dann die gleichenFolgen wie beim normalen Benziner hat. MancheBenzin-Direkteinspritzer vereinen also alle drei großenUmweltsünden in sich, die technisch überhaupt nochmöglich sind. Nebenbei wird durch die Volllastanreiche-rung auch der eigentliche Sinn dieser Technologie, dasBenzinsparen, etwas infrage gestellt.

4) Wer sich vor dem Neukauf über die tatsächlichenSchadstoffemissionen eines konkreten Wagentyps infor-mieren will, der ist derzeit auf den ADAC angewiesen.Denn einzig dort gehört zum Autotest auch eine Mes-sung der Abgase. Die Messergebnisse werden aber nichtdirekt veröffentlicht, diese wahre Tabelle des Grauensbleibt unter Verschluss. Man erfährt das Abschneideneines bestimmten Typs nur sehr indirekt in Form eineskomplexen Punktesystems (Ecotest Schadstoffe). Fürwissenschaftliche und politische Zwecke existieren aberanonymisierte Auswertungen der eigentlichen Mess-werte, die z. B. nach Euronormen geordnet sind.

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3 Fahrzeugteil

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Fahrzeugteil

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TypbeschreibungTypHier stehen die Kürzel, anhand derer die jeweiligeModellgeneration noch einmal eindeutig identifiziertwerden kann. Wichtig sind diese z. B. bei der Versiche-rungseinstufung oder bei der Ersatzteilbeschaffung.

BauzeitGanz exakt formuliert: Der Verkaufszeitraum des Haupt-modells in Deutschland. Bestimmte Karosserien wieKombis oder Cabrios weichen oft um einige Jahre ab.Und gelegentlich können manche Typen auf anderenMärkten auch noch länger angeboten worden sein.

BestandQuelle ist die FZ 2 genannte Statistik des KBA vom Juli2013, Stichtag der Erhebung war der 01. Januar 2013.

TÜV-InfoHier erfolgt eine stark komprimierte Zusammenfassungdes Abschneidens des jeweiligen Typs bei den TÜV-Hauptuntersuchungen. Ausgewertet wurden hierfür dieTÜV-Reports von 1993 bis 2007. Aus Gründen der Ein-heitlichkeit diente, wann immer möglich und sinnvoll,die Ausgabe 2006 als Referenz. Die ältesten Wagen inder TÜV-Statistik sind traditionell elf Jahre alt, mit demüblichen Jahr Vordatierung werden also im Regelfall dieFahrzeuge des Jahrgangs 1994 beschrieben. Zeigtenandere Jahrgänge wesentliche Abweichungen (schwan-kende Qualität), so wird im Text darauf hingewiesen.

RostquoteHiermit ist die Quote der Beanstandungen bei den elf-jährigen Fahrzeugen in Prozent gemeint. Von sehrgutem Rostschutz kann man sprechen, wenn dieser Wertbei höchstens einem Prozent liegt. Damit kommt manmeist auch bei den 20-Jährigen noch ohne oder mit nurganz kleinen Schweißarbeiten zurecht.

EinzelpositionenErwähnt werden nur Prüfpunkte, bei denen ein Typdeutlich vom Mittel aller Fahrzeuge abweicht. Ein Plus-punkt bedeutet dabei, dass diese Position nur halb so oftwie im Schnitt beanstandet wurde. Ein Minuspunktweist umgekehrt auf doppelt so viele Mängel wie derDurchschnitt hin. Bei zwei Plus- oder Minuspunktenbeträgt der Faktor dann ein Drittel bzw. Drei.

Sonderregeln:

1. Beleuchtung wird nicht betrachtet. 2. Bei der Fußbremse vorn wurden keine Pluspunkte

vergeben, da hier ohnehin nur 0,9 % der Fahrzeugeauffällig wurden.

3. Beim Thema Ölverlust/Dichtungen liegt das Feldsehr nah beieinander. Die Grenzwerte wurdendaher auf die Faktoren 1,5/2,25 bzw. deren Kehr-werte verschärft. Einen Minuspunkt gibt es alsoschon für um 50 % erhöhte Beanstandungen.

4. Die Handbremse wird bei der HU in den Disziplinen»Wirkung« und »einseitig« geprüft. Beide Resultatesind hier sinnvoll in einer Angabe zusammenge-fasst.

DatenblätterIdentifizierung (erste Zeile Tabelle)Die Unterscheidung der einzelnen Motorisierungenerfolgt, wie in unseren Jahrgängen noch üblich, haupt-sächlich anhand des Hubraums. Oft ist dieser auch einBestandteil der Modellbezeichnung. Bei BMW und Mer-cedes geht er indirekt daraus hervor, beispielsweise hat

ein BMW 528i 2,8 Liter Hubraum,

ein Mercedes 230 E 2,3 Liter Hubraum.

Weicht der tatsächliche Hubraum von diesem Schema aboder ist anderweitig nicht ersichtlich, so wird er in derZeile »Motor« noch einmal explizit angegeben.Bei den ganz alten Fahrzeugtypen wurden bevorzugt diejüngsten Motorisierungen mit Katalysator in die Tabellenaufgenommen.

BestandHier ist der Bestand nach den einzelnen Motorisierungenaufgeschlüsselt. Ähnliche Motoren gleichen Hubraumswurden dabei zusammengefasst.An diesen Zahlen kann man ablesen, wie groß dieChance ist, auf das entsprechende Modell zu stoßen. Oftsind die interessantesten Maschinen leider besondersselten. Bei ganz niedrigen Beständen wird die Statistik schnellunzuverlässig, da hierin nur angemeldete Fahrzeuge ein-gehen und die besonderen Modelle oft auch abgemeldetz. B. auf das H-Kennzeichen warten. Daher wird immereine Mindestanzahl von 100 Exemplaren angenommen.

Erläuterungen zum FahrzeugteilF A H R Z E U G T E I L3

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Unabhängig davon, für welche Karosserievariante dasDatenblatt erstellt wurde, gelten die Bestandszahlenimmer für die gesamte Baureihe. Beim VW Golf III bei-spielsweise schließen sie also den Golf, den Vento, denGolf Variant und das Cabrio mit ein.

Leergewicht in kgSelbsterklärend. Ein Stadtauto sollte in unseren Jahrgän-gen klar unter einer Tonne liegen. Bis zu diesemGewicht braucht man auch nicht unbedingt eine Servo-lenkung. Seit 1996 enthalten offizielle Angaben zum Leergewicht75 kg für den Fahrer. Dieser wenig sinnvollen Normwird hier nicht gefolgt, vielmehr wurde dieser Betrag beineueren Werksangaben wieder abgezogen. Damit istauch die Vergleichbarkeit zwischen älteren und neuerenModellen gewährleistet.

MotorHier erfährt man die Bauform und die Zylinderzahl. Bei-spiele:

R4: Reihen-Vierzylinder

B6: Sechszylinder-Boxer

V8: Achtzylinder in V-Form.

Mit dem Zusatz »77« wird darauf hingewiesen, dass dieentsprechende Motorisierung ab Werk nicht mit einemgeregelten Katalysator ausgeliefert wurde. Bis heutedürften fast alle Fahrzeuge nachgerüstet worden seinund entsprechend die Schlüsselnummer 77 in den Papie-ren tragen.

Leistung in kW(PS) bei U/minDrehmoment in Nm bei U/minHier werden die Nennleistung, das Nenndrehmomentund die dazugehörigen Drehzahlen aufgeführt. Nebendem Hubraum dient auch die Leistung als Unterschei-dungsmerkmal der einzelnen Modelle (»Golf mit 60 PSzu verkaufen«). In den Fahrzeugpapieren ist die Nenn-leistung (nur in kW) samt Nenndrehzahl angegeben,nicht aber das Drehmoment. Generell zu Drehzahlen: Die Leerlaufdrehzahl liegtknapp unterhalb von 1000 U/min, die Höchstdrehzahleines Benziners bei gut 6000 U/min. Diesel drehenmaximal 5000 U/min. Dazwischen liegt die nutzbareDrehzahlspanne, wobei die meisten Motoren unterhalbvon 1500 U/min etwas »würgen« und ab 4500 U/minlaut werden. Hinweis: Wissenschaftlich korrekt und eigentlich auchvorgeschrieben ist heute die Schreibweise der Drehzahlals 1/min oder, noch garstiger, als min-1. Der Grundhierfür ist, dass die Umdrehung U ja keine »richtige«Größe ist. Im praktischen Gebrauch bereitet diese Rege-

lung aber Verdruss, da die eigentliche Information(nämlich die Umdrehungen) verloren geht und geschrie-benes und gesprochenes Wort so nicht mehr zueinanderpassen. Niemand geht in die Werkstatt und sagt: »Bei2000 pro Minute macht er komische Geräusche.« Vielhäufiger spricht man nur von Umdrehungen und lässtdie Minuten weg.

Höchstgeschwindigkeit in km/hSelbsterklärend. Und eigentlich gar nicht mehr so inter-essant, da es kaum noch richtig langsame Autos gibt.

Steigfähigkeit bei 100 km/h in %Diese Angabe bezieht sich auf den höchsten Gang. Siestellt eine Art Kehrwert der Elastizität dar (sieheTechnik-Kapitel) und dient hier als vernunftbetonteAlternative zur sonst üblichen, aber grotesk praxisfrem-den Null-auf-Hundert-Beschleunigung. Für das Mitschwimmen in der Ebene sind 3 % ausrei-chend. Der durchschnittliche Wagen schafft 5 % undmeistert damit auch die gängigen Autobahnsteigungenvon 4 % im großen Gang. Ab 7 % fährt man dann sehrkraftvoll.

Geschwindigkeit bei 1000 U/min in km/hAuch diese Angabe gilt für den größten Gang, sie gibtdie Gesamtübersetzung des Fahrzeugs wieder. Der tech-nisch interessierte Leser kann hieraus das zu erwartendeDrehzahlniveau ablesen.

Verbrauch in Liter/100 kmAngegeben sind alle drei Disziplinen des damaligenNormverbrauchs, also die Stadtfahrt und die Konstant-fahrten bei 90 km/h und 120 km/h. Automatikwertesind, wie bei allen Fahrwerten, in Klammern gesetzt.Nähere Erläuterungen und typische Zahlenwerte sieheKapitel »Verbrauch«.

VersicherungsklassenSie zeigen die Einstufung des Modells in der Haftpflicht-und in der Teilkasko-Versicherung. Anfänger solltenbesonders auf eine günstige Haftpflicht bis maximaletwa Klasse 13 achten. Angegeben sind die Typklassendabei für die häufigste Karosserieform, passend zu dentechnischen Daten der Tabelle. Wesentliche Abweichun-gen ergeben sich aber nur bei Cabrios, sie sind meistspürbar günstiger in der Haftpflicht, dafür aber teurer inder Teilkasko.Gültig sind die Daten ab 01. Oktober 2014 für ein Jahr,die Quelle ist der GDV. Aktuelle Einstufungen könnendort in Heftform bestellt oder online unter www.typklas-sen.de abgerufen werden.

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Maße in mm, LiterAngegeben wird im Schema: Länge × Breite × Höhe,Kofferraumvolumen. Zusätzliche Karosserieformen wer-den nur durch die abweichende Länge und das Koffer-raumvolumen beschrieben. Bei Kombis erscheint hinterdem Schrägstrich noch das Ladevolumen bei umgelegterRücksitzbank. Wenn dieser Wert nicht mit Sicherheitnormgerecht ermittelt wurde, ist er in Klammerngesetzt. Für das Zahlengefühl: Die zu Anfang der 90er Jahre gän-gigen Fahrzeugklassen lassen sich recht genau in Schrit-ten von 25 Zentimetern Länge unterteilen:

3,50 m Minis (Twingo, Panda)

3,75 m Kleinwagen (Polo, Fiesta)

4,00 m Kompaktwagen (Astra, Escort) alias: Golf-Klasse, untere Mittelklasse

4,25 m Stufenheck-Kompaktwagen (Jetta, Lancer)

4,50 m Mittelklasse (Mondeo, Passat)

4,75 m Obere Mittelklasse (Audi 100, E-Klasse)

5,00 m Oberklasse (7er, S-Klasse)

Viele Kompaktwagen mit Stufenheck fallen etwas längerals nach diesem Schema aus (eher 4,35 m) und konkur-rieren in Sachen Nutzwert schon mit den kleineren Ver-tretern der Mittelklasse. Die normale Breite liegt bei 1,70 m. Bei nur wenigenZentimetern mehr kann es schon Ärger mit der Zwei-meter-Grenze in Autobahnbaustellen geben, da dort dasGesamtmaß inklusive der Spiegel zählt. Wirklich prak-tisch sind in der Stadt ohnehin nur Fahrzeuge bis1,60 m. Eine übliche Fahrzeughöhe beträgt 1,43 m. Das reichtfür bequeme Sitze und genügend Innenhöhe auch mitSchiebedach aus. Bei flacheren Autos werden oft auchflachere Sitze vorgesehen. Die Innenhöhe bleibt also(zumindest über den Vordersitzen) erhalten, man sitztdafür aber mit »sportlich« ausgestreckten Beinen oderangewinkelten Knien. Als Kofferraumvolumen kann man 250 Liter beim Klein-wagen und gut 300 Liter in der Golf-Klasse erwarten.Eine große Reiselimousine sollte 500 Liter schluckenkönnen (alle Werte nach VDA-Norm). Das Ladevolumen eines normalen Mittelklasse-Kombisliegt mit umgeklappter Rückbank bei 1500 Litern. KleineKombis bieten 1300 Liter, große 1700 Liter. Angabenvon 2000 Litern basieren meist nicht auf der VDA-Norm.Korrekt gemessen liegen also alle Kombis ziemlich nahbeieinander.

ModelljahrDen »Jahreswechsel« definieren bei vielen Herstellernabweichend vom Kalenderjahr die Werksferien im Som-mer. Neue Modellgenerationen oder tiefergehende tech-nische Änderungen werden oft bei dieser Gelegenheiteingeführt. Ein neues Modelljahr MJ beginnt also meistim Juli/August/September des Vorjahres.

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Mit diesem Modellwechsel wurde der Audi 100 vomAerodynamik-Keil auf Fahrradreifen zu einer klassi-schen, konservativen Limousine – und das mit relativdezenten Modifikationen. Das sonst bei Modellwechselnübliche Größenwachstum konnte entfallen, da der Audi100 im Kreise von 5er BMW und Mercedes 124 innenund außen ohnehin der Größte war. Außerdem mussteAudi nach oben ja noch Platz für den kommenden A8lassen.Die wichtigste Änderung an der Karosserie ist am bestenvon vorne zu erkennen: Die Seitenscheiben stehen nunsteiler, was das Raumgefühl verbessert und für weniger

Sonneneinstrahlung sorgt. Durch die weniger bauchigenTüren wurde der Audi gleichzeitig schmaler, ohne dasses bei der Innenbreite auffällt. Auch andere Überra-schungen im Innenraum bleiben aus, da dieser in fastidentischer Form schon aus den letzten Jahrgängen desVorgängers bekannt war. Nach dem Losfahren spürtman aber doch, dass man in einem anderen Auto sitzt.Der C4 ist schwerer und fester geworden. Der Geräusch-pegel ist noch niedriger, es stellt sich nun das Gefühleines nicht nur großen, sondern auch teuren Autos ein. Seit Ende 1992 gab es wieder einen Avant, der nun wieein richtiger Kombi gestaltet ist und auf immerhin 41 %des Bestandes kommt. Der Laderaum ist aber zugunstender schicken Optik begrenzt. Mitte 1994 wurde der Audi 100 dezent überarbeitet undin A6 umbenannt. Er ist erkennbar an den angeschräg-ten Lampen vorne und hinten. Weiterhin wurden dieStoßfänger optisch besser in die Karosserie integriert.Leider entfielen die Rahmenkopfstützen, die bisher fürein helleres Raumgefühl und gute Sicht nach hintensorgten. Sie wurden durch geschlossene Ausführungenersetzt.

Insgesamt ist der C4 ein äußerst gelungenes Automobil,mit dem Audi technisch zur Konkurrenz mindestens auf-geschlossen hatte. Was ihm noch fehlte, war die Bot-schaft von Erfolg/Dynamik/Wohlstand etc., welche diebeiden erwähnten deutschen Konkurrenten viel selbst-verständlicher aussandten. Bekanntlich haben die ehr-geizigen Audi-Leute diesen Mangel heute beseitigt.

QualitätAuch beim C4 hält die Verzinkung, was sie verspricht,nämlich viele Jahre Fahren ohne Sorge vor Rostbefall.Trotz Zink und einiger weiterer Stärken reichte es aberinsgesamt nur für eine durchschnittliche Bewertungbeim TÜV. Der Statistik zufolge lag es wieder einmal anden Bremsschläuchen,hier die schlechtesten desTÜV-Reports 2006 über-haupt.Der ADAC ordnete denAudi immerhin vor dendirekten Mitbewerbernein.In der Qualität des Innen-raums hatte sich Audidamals schon an der Kon-kurrenz vorbeigearbeitet.Armaturen, Verkleidun-gen, Sitze – hier stimmteinfach alles.

AntriebGegenüber dem Vorgänger haben die Motoren etwa dreiZentner mehr an Gewicht zu beschleunigen. Für die glei-che Dynamik benötigt man also einen kleinen Nach-schlag. Die nach oben verschobene Motorenpalettekommt diesem Ansinnen entgegen, einen zu schwachenAudi 100 gibt es nicht. Wenn es auf Sparsamkeit ankommt, wird es wohl einerder beiden Zweiliter-Vierzylinder werden. Als Einstiegfungiert dabei ein Normalbenziner mit 101 PS. Im Ver-gleich zur 90 PS-Maschine des B4 ist er deutlich geglück-ter. Die Drosselung wird nur leicht ab etwa 3000 U/minspürbar, darunter zieht er genauso gut wie die Versionmit 115 PS. Um ihn preislich interessanter zu machen,trat er als ein leicht abgespecktes Einstiegsmodell an,dem z. B. Drehzahlmesser und ABS gestrichen wurden.

Audi 100/A6Typ: C4Bauzeit: 1990 – 1997Bestand: 57.000

TÜVRostquote: 0,1 %

++ Hinterachse++ Bremsleitungen

+ Lenkung

−− Bremsschläuche

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Mit 115 PS macht man sicher auch nichts verkehrt. Diebewährte Standardmaschine im VAG-Programm zieht imoberen Geschwindigkeitsbereich etwas besser, klingtdafür aber etwas vernehmlicher. Ihre Verbrauchsanga-ben sind nicht besonders stimmig, beide Zweilitermo-delle sind in der Praxis mit acht Litern gut zu bewegen.Im Bestand spielen die Vierzylinder nicht die dominie-rende Rolle, die sie im Audi 80 innehaben. Passend zumgediegenen Charakter des C4 griffen die Erstkäufer häu-figer zu den teuren Komfort-Maschinen, Audi wird essicher recht gewesen sein.

Zu diesen gehört immer noch der Fünfzylinder mit 2,3Litern Hubraum. Angesichts des gewachsenen Gewichtesist seine Dynamik hier nicht mehr so bestechend wie inälteren Audis. Es bleibt aber das unvergleichliche Lauf-geräusch, das im Übrigen mit jedem Modellwechsel hör-bar verfeinert wurde. Der Preis für die Kultur beträgtziemlich genau einen Liter.

Eine ganz feine Sache sind die neuen, sehr laufruhigenV6-Motoren. Ob mit (2,8-Liter) oder ohne Schaltsaug-rohr (2,6-Liter), der Durchzug ist beachtlich und schlägtdie Reihensechser von BMW und Mercedes klar. ImFahrgefühl ist der Unterschied dabei noch deutlicher alsin den angegebenen Steigfähigkeiten, da in der Praxisauch der ganz niedrige Drehzahlbereich eine Rollespielt. Und die V6 packen schon knapp über 1000 U/minrichtig zu. Audi machte den später eingeführten 2,6 durch einendeutlich günstigeren Preis attraktiver. Zum 2,8 liegendie Differenzen in der Kraft im Streubereich. Für den 2,8spricht aber heute, wie auch im Audi 80, seine erwei-terte Ausstattung. Holzblenden, Veloursbezüge und elek-trische Fensterheber vorne mussten in den minderenModellen dazugekauft werden, was selten geschah. Der2,8-Liter ist im Übrigen nicht verwandt mit dem VR6von VW, obwohl Leistung und Hubraum identisch sind.Die Audi-Maschine ist einfach in jeder Hinsicht besser.Eine erwähnenswerte Neuerung war der 4,2-Liter V8 mit280 oder 290 PS (670 Exemplare), der souveräne9,0/11,0/18,9 Liter zu sich nimmt. Er wurde in denSportmodellen S4/S6 verbaut, alternativ zum weiterhinerhältlichen 2,2 Turbo (1.300 Stück).Ab ’95 war ein 1,8-Liter mit 125 PS der neue Basismotor.Er brachte für die Kunden gegenüber den Zweiliternaber kaum eine Verbesserung und blieb mit heute 2.200Exemplaren eher selten.

Datenblatt Audi 100 19942,0 2,0 2,3 2,6 2,8

Bestand – 3.100 5.700 8.700 19.000 6.600

Leergewicht kg 1310 1325 1370 1400 1400

Motor – R4 R4 R5 V6 V6

Leistung kW(PS) bei U/min 74(101)/5500 85(115)/5400 98(133)/5500 110(150)/5750 128(174)/5500

Drehmoment Nm bei U/min 157/2750 168/3200 186/4000 225/3500 250/3000

Höchstgeschwindigkeit km/h 182 191 (188) 202 (199) 210 (208) 218 (216)

Steigfähigkeit bei 100 km/h % 6,5 6,5 (6,0) 7,0 (7,5) 8,5 (8,5) 8,5 (8,5)

Geschw. bei 1000 U/min km/h 33,7 33,7 (34,5) 35,6 (34,5) 35,6 (36,1) 37,4 (38,1)

Verbrauch Liter/100 km

bei 90 km/h 6,4 6,7 (7,0) 7,0 (7,7) 7,0 (7,5) 7,3 (7,8)

bei 120 km/h 7,8 7,8 (8,1) 8,9 (9,6) 8,6 (9,2) 8,9 (9,6)

Stadtverkehr 10,7 11,1 (11,7) 12,5 (12,8) 12,5 (13,5) 13,0 (13,9)

Haftpflicht/Teilkasko Klasse 16 / 13 16 / 13 17 / 13 17 / 14 16 / 15

Maße mm, Liter 4790 × 1775 × 1430, 510 • Avant 390/1310

Audi 100 Avant

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Selten wurde ein neuer Ford derart frostig empfangenwie dieser Escort, die Fachpresse stellte ihm ziemlichschlechte Zeugnisse aus. Die CVH-Motoren konnten wie-der einmal nicht überzeugen, aber auch der allgemeinetechnische Stand, besonders bezüglich der Sicherheit,hinkte dem Klassenfeld hinterher. Ansonsten bot derWagen in jeder Hinsicht Durchschnittliches, Highlightssuchte man vergebens. Der Chronist Oswald sprach garvon »kleinkarierter Mittelmäßigkeit«.Bei den echten Mängeln schaffte Ford schnell Abhilfe:Zum Modelljahr ’93 gab es ein umfangreiches Faceliftmit entsprechenden Änderungen und auch mit neuen

Motoren. Die Escort werden seitdem offiziell als sechsteGeneration bezeichnet. Man erkennt sie am Kühlergrill,welcher nun in der Motorhaube platziert ist. Wenigerbedeutend hingegen ist der Wechsel zur Generation sie-ben im Januar ’95, bei dem es vor allem um äußereRetuschen ging. Die Front erhielt rundlichere Detailsund damit einen Stich ins Japanische, was schon beimMondeo nicht jedem gefiel. Nebenbei gesagt ist dieUnterscheidung in die Generationen fünf, sechs und sie-ben kaum jemandem geläufig, weshalb hier die gesamteSerie unter »Escort IV« zusammengefasst wurde.Wichtige Eigenschaften des Escort sind das gute Raum-angebot und die eher weiche Federung. Die Sitze wur-den vereinzelt als Zumutung bezeichnet, dem Autor istaber nichts in dieser Richtung aufgefallen. Da vieleModelle im Gewicht nun real oberhalb von 1100 kg lie-gen, spendierte Ford ab 1,4 Litern Hubraum eine Servo-lenkung. Allen Karosserien gemein ist die gute Übersichtlichkeit,mit der sich beim Einparken die große Länge wiederausgleichen lässt. Vom Vorgänger übernommen hat derEscort das Schrägheck mit dem kurzen Stummel. DieseVersionen mit drei oder fünf Türen machen 45 % des

Bestandes aus, es folgt dichtauf der vergrößerte Kombimit 41 %. Wiederum ein Nischenprodukt blieb mit 4 %das bis ’93 Orion genannte Stufenheckmodell. Heutewird es selbst vom Cabrio (10 %) überflügelt.

QualitätOft hört man das Gerücht, dass sich der Rostschutz inden späteren Jahren verbessert hätte. Dem war leidernicht so, mit schönster Gleichmäßigkeit lag die Quoteauch in späteren TÜV-Reports weiter bei 20 %. Der Rostist damit das Hauptproblem, jüngere Escort für viel Geldsind eine schlechte Investition. Im Gegensatz zu Opel hates Ford irgendwie geschafft, dass der braune Fraß weit-gehend im Verborgenen wütet und die Karosserie äußer-lich meist ansehnlichbleibt. Ein guter optischerEindruck kann also sehrtäuschen. Insgesamt fiel der Wagenbeim TÜV deutlich häufi-ger durch als der Schnitt.Die Mängel waren dabeigleichmäßig verteilt. Sta-tistisch auffällig wurdennur die Achsen, die hin-tere sogar in positiverHinsicht. Beim ADAC gab es keine Auffälligkeiten, der Escort ran-gierte im Mittelfeld. Ebenfalls unauffällig ist die Verar-beitung, sie entspricht einfach dem damals Üblichen.

AntriebVielen Käufern schien der Escort schon zu schwer fürden 1,3-Liter zu sein. Die nackte PS-Leistung verrät jaauch nicht direkt, dass dieser im normalen Drehzahlbe-reich genauso kräftig anzieht wie der 1,4 CVH. Dabeiläuft er leiser und spart einiges an Benzin. Zur dennoch höheren Stückzahl des 1,4-Liters hat sicherauch beigetragen, dass Ford ihn so günstig anbot. DerMehrpreis lag beispielsweise 1993 bei 500 DM, sehrwenig Geld für elf zusätzliche PS. Immerhin war Ford der schlechte Ruf des CVH nicht ver-borgen geblieben. Er heißt daher ab 1995 PT-E und leis-tet 75 PS. Ebenso wie die 73 PS-Version des Fiestawurde er mit einer Multipoint-Einspritzung und einemverstärkten Kurbelgehäuse aufgewertet. Der Erfolg die-ser Maßnahmen beeindruckt leider wenig. Der Ver-

Ford Escort IVTyp: GAL u. a.Bauzeit: 1990 – 2000Bestand: 110.000

TÜVRostquote: 19,8 %

+ Hinterachse

− VorderachseFord Escort ’93

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brauch bleibt zu hoch und die Maschine immer nochunkultiviert. Der PT-E knackt im Stadtverkehr sogar die10 Liter-Marke, während jüngere 1,3-Liter noch sparsa-mer wurden. Aber auch im Vergleich mit den stärkeren Motoren siehtder 1,4-Liter alt aus. Diese stammen aus der Zetec-Fami-lie und wurden zum Modelljahr ’93 eingeführt. Alle sindVierventiler und man kann lobend sagen, dass sie dendamaligen Stand der Technik repräsentieren. Das Lauf-geräusch ist wohl etwas kernig, dabei aber weit entfernt

vom Lärm des CVH. Am meisten gefragt war der 1,6-Liter mit 88/90 PS. Die lange Übersetzung macht ihnnicht ganz so spritzig, dafür lassen sich aber lange Auto-bahnetappen ruhig und sparsam hinter sich bringen. Druckvoller geht es mit 1,8 Litern und 105 PS voran.Das gilt besonders für den kürzer übersetzten XR3i, des-sen Fahrwerte im Datenblatt hinter dem Schrägstrichangegeben sind. Einen weiteren XR3i mit 130 PS gab esfast ausschließlich als Cabrio (770 Exemplare).

Ab dem Modelljahr ’96 brachte der 1,8-Liter dann immer115 PS. Diese Ausführung ist kräftiger und auch nochsparsamer als die Version mit 105 PS.Topmodell war, mit dem gebührenden Abstand, derbesonders sportliche RS 2000. Seine Maschine stammtnicht aus der Zetec-Serie, sondern basiert noch auf demDOHC des Sierra. Selbstredend ist er kurz übersetzt –und im Originalzustand schwer aufzutreiben.Nicht im Datenblatt findet sich der 1,6-Liter CVH mit105 PS, der nur bis zum ersten Facelift verbaut wurde.Der Vergleich mit dem modernen 90 PS-Motor geht wiefolgt aus: Gleiche Übersetzung, gleicher Durchzug, oben-herum mehr Leistung, aber viel mehr Lärm und höhererVerbrauch. Der Bestand von 1.900 Stück ist im Vergleichzu den neueren Maschinen unbedeutend.Automatikfreunde kommen beim Escort nicht auf ihreKosten. Nur in den ersten beiden Jahren war der 1,4-Liter mit der stufenlosen CTX lieferbar. FunktionsfähigeExemplare sind heute fast nicht mehr zu finden, die Aus-fallquote ist hoch. Der Eindruck des Autors bei einerTestfahrt schon vor gut 20 Jahren: noch nicht ganz aus-gereift, die Technik. Bei zügigem Abbremsen, z. B. voreiner roten Ampel, würgte die Automatik den Motorjedes Mal fast ab. Der Mechanismus kam einfach nichtschnell genug nach. Dazu ließen Rattern und Unsauber-keiten bei bestimmten Übergängen schon einigen Ver-schleiß erahnen, obwohl die Laufleistung dieses Wagenserst etwa 20.000 km betragen hatte. Angenehm hinge-gen wirkte das niedrige Drehzahlniveau beim sanftenBeschleunigen und bei Konstantfahrt.

Datenblatt Ford Escort 19931,3 1,4 1,6 1,8 2,0 RS 2000

Bestand – 3.000 27.000 62.000 10.000¹ 340

Leergewicht kg 1000 1040 1085 1085 1165

Motor – R4 R4 R4 R4 R4

Leistung kW(PS) bei U/min 44(60)/5000 52(71)/5600 66(90)/5500 77(105)/5500 110(150)/6000

Drehmoment Nm bei U/min 101/2500 103/4000 134/3000 153/4000 190/4500

Höchstgeschwindigkeit km/h 153 163 177 187/187 208

Steigfähigkeit bei 100 km/h % 3,5 3,5 (n. a.) 4,5 6,0/7,0 9,0

Geschw. bei 1000 U/min km/h 34,3 34,3 (46,5) 36,4 36,4/32,4 32,3

Verbrauch Liter/100 km

bei 90 km/h 5,4 6,0 (6,3) 5,7 6,2/6,3 6,1

bei 120 km/h 7,1 7,7 (7,9) 6,9 7,7/7,9 7,7

Stadtverkehr 8,1 9,6 (11,2) 9,1 9,7/10,1 11,4

Haftpflicht/Teilkasko Klasse 17 / 12 17 / 12 17 / 13 18 / 15 18 / 23

Maße mm, Liter 4105 × 1695 × 1395, 380 • 4-Türer 4230, 490 • Turnier 4270, 460/1425

¹ inkl. 115 PS und 130 PS

Ford Escort ’95 Turnier

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Der Typ 126 war mit knapp 900.000 produzierten Exem-plaren der bisher erfolgreichste Vertreter der S-Klasse.Für viele ist er der schönste noch dazu. In der Tat kom-biniert er eine dynamische, gestreckte Linienführung mitdem klassisch-repräsentativen Auftritt. Zugeständnissean die Aerodynamik sind nach heutigen Maßstäbenkaum zu erkennen. Die Motorhaube ist lang und fastwaagerecht, dazu stehen die Scheiben ziemlich steil.Letztere sind, wie es sich gehört, mit reichlich glänzen-dem Metall eingefasst. Der gesamten Ausstrahlung können auch die Kunststoff-Stoßfänger und die breiten seitlichen Beplankungen nurwenig anhaben. Gerade die Seitenteile waren immer

umstritten, für ein repräsentatives Fahrzeug wurde hierzu sehr auf profanen Nutzwert geachtet. Erst ab Ende’89 hoben sich die Kunststoffe weniger von der Lackie-rung ab, da sie von da an in einer größeren Anzahl anFarben (nunmehr 16 statt 4) gefertigt wurden.Innen herrscht uneingeschränkt der Eindruck eines klas-sischen Mercedes solidester Bauart vor. Nichts sieht nachbilligem Plastik aus, alle Schalter gehen schwer und ras-ten klar ein. Die Belüftungsdüsen sind aus Metall. Spezi-ell mit der altmodischen Veloursausstattung ist noch vielÄhnlichkeit zum ’72 präsentierten Vorgänger (Baureihe116) zu spüren. Die vorderen Sessel sind äußerst bequem. Der Ziel-gruppe angemessen sind sie aber auch ganz schön breit,was schlanken Menschen einen geringen Seitenhaltbeschert. Dazu passend ist das Platzangebot vorne auchsehr gut, hinten dagegen fällt es nicht ganz so üppig aus.Vier Erwachsene kommen sich in der S-Klasse immerhinnicht in die Quere, was man bei fünf Metern Außenlängeaber auch erwarten kann. Richtig großzügig wird derhintere Knieraum erst im 14 Zentimeter längeren SEL.Wenn dort der Chef hinten sitzen sollte, wurde gerne die

Einzelsitzanlage aus dem Coupé SEC verbaut, da dienormale Sitzbank es ein wenig an Ausformung vermis-sen lässt. Beim Coupé selbst, das 19 % des Bestandesausmacht, ist der Radstand um 8,5 Zentimeter verkürzt.Das hintere Platzangebot erinnert dann eher an dieKompaktklasse.Das Fahrwerk des 126 wurde auf hohe Geschwindigkei-ten ausgelegt. Voll besetzt lassen sich lange Strecken sofast ermüdungsfrei und ohne Schaukelei zurücklegen.Umgekehrt heißt das aber auch, langsam und mit nureiner Person an Bord über schlechte Straßen zu fahren,führt doch zu einer kleinen Enttäuschung. Man verstehtdann, was die Tester vor 30 Jahren mit »eingeschränk-tem Langsamfahrkomfort« meinten: Kurze Stöße werdennicht gut absorbiert, die beiden kleineren (und moderne-ren) Markenbrüder kön-nen das klar besser. Lin-derung bringt zum Glückdas Altern von Federnund Stoßdämpfern. Man-che Besitzer genießendieses sanft wiegendeFahrgefühl jahrelang,auch wenn die Wagenhinten schon gefährlichtief durchhängen.Wenig gefragt sind dievor September 1985gebauten Modelle. Dashat auch seine Gründe.Sie sind technisch in vie-ler Hinsicht schwächer und rosten vor allem viel mehr.Die Schalldämmung ist weniger gut, den alten Sechszy-linder im 280 empfindet man heute schon als regelrechtlaut. Einen besonderen Youngtimer-Reiz zum Ausgleichbieten diese Wagen leider nicht, eher im Gegenteil: Diealten, geriffelten Seitenplanken wirken besondersunschön und sind durch mehr als 25 Jahre Sonnenlichtmeist stark gebleicht und rau. Auf lange Sicht sollte sichimmerhin die Abwesenheit vieler sündhaft teurer elek-tronischer Komponenten positiv bemerkbar machen.

QualitätDer äußerst solide Eindruck korrespondiert mit den sehrguten Ergebnissen bei TÜV und ADAC. Dies sollte abernicht darüber hinwegtäuschen, dass man in die Fahr-zeuge gewöhnlich mehr investiert als geplant. Ein Pro-

Mercedes S-KlasseTyp: 126Bauzeit: 1979 – 1991Bestand: 16.000

TÜVRostquote: 0,4 %

++ Vorderachse++ Hinterachse++ Bremse hinten++ Bremsleitungen++ Bremsschläuche

+ Antriebswellen

−− Lenkung

Mercedes S-Klasse

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blem sind die hohen Laufleistungen. Traditionell fuhrendiese Wagen in der ersten Zeit 25.000 km pro Jahr.Exemplare mit ehrlichen 200.000 km oder gar wenigerauf dem Tacho sind daher heute sehr selten und kostenAufpreis. Bei fehlenden Nachweisen sollte man direktvon 300.000 Kilometern und mehr ausgehen. StarkeKlappergeräusche aus den Türen sind übrigens ein Zei-chen von liebloser Wartung. Eine kundige Werkstatthätte das mit wenigen Handgriffen behoben.

AntriebDie S-Klasse wurde fast immer mit Automatik ausgelie-fert. Die Sechszylinder sind dann sehr kurz, die Achtzy-linder jedoch extrem lang übersetzt. Als Folge weisenalle Versionen bis hinauf zum 500er auf der Autobahnden gleichen Verbrauch auf, nämlich etwa elf bis zwölfLiter bei gemütlicher Fahrt. Die Frage, welche Motorbau-art angemessener ist, hat der Markt daher auch wie folgtentschieden: Achtzylinder sind deutlich teurer. In derTat überzeugt hier das souveräne Gefühl, den schweren

Wagen mit dem kleinen Zeh auf dem Gas in Bewegungzu setzen und besonders den Stadtverkehr mit lediglichleicht erhöhter Leerlaufdrehzahl zu absolvieren. DieSechszylinder wirken dafür auf der Landstraße agiler, dasie den weichen Bereich der Automatik öfter verlassen.Egal ob sechs oder acht Zylinder: Das Anfahren gehtauch mit 252 PS noch eher gemächlich vor sich, da es imNormalfall im zweiten Gang der Automatik erfolgt. Der 260 ist spürbar schwächer als der 300. Bei den Acht-zylindern 420 und 500 sind die Unterschiede geringer.Der 420er macht sein geringeres Drehmoment zum Teildurch die kürzere Übersetzung wieder wett. Nebenbei ister das stärkste Modell ohne Anfahrtauchreduzierung,geht also beim Losfahren hinten noch richtig in die Knie.Damit es keine Enttäuschung gibt: Die Achtzylinder sindnicht auf Motorsound, sondern auf absolute Ruhe ausge-legt. Allenfalls bis 1500 Touren lässt sich die Bauartakustisch erahnen. Auf der Autobahn überwiegen immerdie sonstigen Fahrgeräusche.Der 560 war als distanziertes Spitzenmodell wie einstder 450 SEL 6,9 gedacht. Sein hohes Gewicht kommtauch durch die umfangreichere Serienausstattung zu-stande. Da die kleineren Achtzylinder meist mit entspre-chenden Extras vollgepackt wurden, ist der Abstand realgeringer. Der 560 bietet in allen Lebenslagen 30 % mehrSchub an der Hinterachse als der 500. Das meiste davongeht auf das Konto der kürzeren Übersetzung. DiesenLuxus erkauft man sich aber leider auch mit dem höchs-ten Autobahn-Verbrauch aller Autos in diesem Buch.Zum Trost rüstet ihn die Fa. Wurm sogar auf D4 auf.

Datenblatt Mercedes S-Klasse 1990260 SE 300 SE 420 SE 500 SE 560 SE

Bestand – 1.800 4.500 1.900 2.900 1.900

Leergewicht kg 1570 1570 1640 1670 1800

Motor – R6 R6 V8 V8 V8

Leistung kW(PS) bei U/min 118(160)/5800 132(180)/5700 165(224)/5400 185(252)/5200 205(279)/5200

Drehmoment Nm bei U/min 220/4600 255/4400 325/4000 390/3750 430/3750

Höchstgeschwindigkeit km/h 200 (195) 205 (200) (220) (230) (240)

Steigfähigkeit bei 100 km/h % 4,5 (7,0) 6,0 (8,5) (8,0) (8,5) (12,0)

Geschw. bei 1000 U/min km/h 42,8 (34,2) 42,8 (34,2) (48,0) (52,9) (45,6)

Verbrauch Liter/100 km

bei 90 km/h 7,7 (9,1) 8,0 (9,4) (9,1) (9,4) (11,1)

bei 120 km/h 10,1 (11,5) 10,3 (11,8) (11,3) (11,7) (13,6)

Stadtverkehr 14,3 (13,8) 14,5 (14,2) (15,4) (16,2) (17,6)

Haftpflicht/Teilkasko Klasse 12 / 19 12 / 19 15 / 20 15 / 20 15 / 20

Maße mm, Liter 5020 × 1820 × 1435, 505 • SEL 5160 • SEC 4935

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Mercedes SEC

DAI

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Auch die zweite Generation des Opel Corsa ist mittler-weile preislich weitgehend in unsere Reichweite gelangt.Sie wirkt heute immer noch relativ modern, auch weilihr Nachfolger Corsa C optisch nur behutsam verändertwurde. Man liegt im Übrigen nicht falsch, wenn einemdie Linien etwas fernöstlich vorkommen, schließlichzeichnete für das Design hauptsächlich ein Japaner(Hideo Kodama) verantwortlich. Die rundliche Form verbirgt geschickt, dass der Corsabeim Modellwechsel 1993 deutlich gewachsen war undnun die beliebten Golf I-Dimensionen erreicht hat. DasRaumangebot entspricht damit endlich dem der Konkur-

renz, wenn auch der Polo 6N die Messlatte später wiederetwas höher gelegt hat. Zwei Erwachsene und zwei Kin-der müssen immerhin keine Einschränkungen hinneh-men, für eine ganze Weile kann man sich auch mit vierErwachsenen arrangieren. Den Corsa B gab es mit drei (75 %) oder mit fünf Türen(25 %). Letztere Version hat kein größeres Raumange-bot für die Passagiere. Durch ihr steileres Heck kann siejedoch, besonders mit umgeklappter Rückbank, etwasmehr Gepäck mitführen.Platzmäßig erfüllt der Corsa seit dem Modellwechselalso die Erwartungen. Etwas enttäuschend fielen hinge-gen die Fortschritte im Bereich des Fahrkomforts aus.Auf der Langstrecke ist der Corsa weiterhin klar ermü-dender als Polo oder Fiesta. Dazu trägt zum einen dasstraffe Fahrwerk bei, welches kleine Unebenheitenschlecht verdaut. Zum anderen stört der Geräuschpegel,den der kleine Opel nicht erst im hohen Alter entwickelt.Das war so nicht zu erwarten, schließlich wirkte derCorsa B bei der Präsentation im Innenraum deutlichwertiger und erwachsener als sein Vorgänger. Die Extrasder »Großen« wie ABS, Servolenkung oder Klimaanlagewaren nun lieferbar. Und nicht zuletzt wurde in den ers-

ten Tests auch eine starke Gewichtszunahme registriert.Sie geht dann wohl doch eher auf die verbesserte Sicher-heit zurück als auf Maßnahmen zur Schalldämmungoder Entdröhnung.

QualitätEin zwiespältiges Bild bot die TÜV-Statistik. Auf dereinen Seite kam die Technik dort sehr gut weg. Opelhatte fünf Komponenten, die sonst für regelmäßigeWerkstattumsätze sorgen, auffallend solide gemacht.Echte Schwachpunkte zeigten sich hingegen keine. Auf der anderen Seitesteht der schlechte Rost-schutz, der gegenüberdem Vorgänger kaumverbessert wurde. Insge-samt führte dies zu einerknapp überdurchschnittli-chen Bewertung beimTÜV. Seit dem kleinen’97er Facelift (Modellemit Seitenblinkern)wurde die Karosserie bes-ser konserviert, mit einerRostquote von knappsechs Prozent scheint dasMachbare erreicht zu sein.Zur wenig haltbaren Karosserie passt der allgemeineQualitätseindruck. Auch dieser Opel ist, wie sein Vorgän-ger, eine rechte Klapperkiste. Bei höheren Kilometerstän-den inszeniert er schon mal eine nervige Geräuschkulisseaus dröhnendem Blech und verschlissenen mechani-schen Komponenten. Wenigstens gehörte er immer zuden zuverlässigen Autos – zumindest in jungen Jahren,in denen die ADAC-Pannenstatistik ja immer erstelltwird.

AntriebIn den ersten Baujahren wurden die Motoren fast unver-ändert aus dem Corsa A übernommen. Wie zuvor zeich-nen sie sich durch Sparsamkeit bei mäßiger Laufkulturaus. Den 1,2-Liter mit 45 PS gab es nur noch mit der extremlangen Übersetzung. Damit erreicht er Traumwerte beimVerbrauch, ist aber im Fünften nur noch in der Waage-rechten zu gebrauchen. Insgesamt also eine etwas frag-würdige Jagd nach Vorzeigewerten.

Opel Corsa BTyp: -Bauzeit: 1993 – 2000Bestand: 500.000

TÜVRostquote: 13,4 %

++ Vorderachse++ Hinterachse++ Antriebswellen++ Bremsleitungen++ Bremsschläuche

Opel Corsa

© G

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orp.

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Die Gewichtszunahme machte für mehr Kunden als beimCorsa A den Griff zur nächsthöheren Motorisierungattraktiv. Mit 60 PS ist man auf der Autobahn wieder imReich der Lebenden, der Mehreinsatz an Benzin istgerechtfertigt. Ein knapper weiterer Liter kommt jedochhinzu, wenn man sich für die Automatik entscheidet. Sieentwickelt das gleiche Drehzahlniveau wie das Schaltge-triebe. Eine weitere Stufe höher rangiert beim Corsa wie gehabtder leistungsgesteigerte 1,4-Liter. Der Bestand an dieser»kleinen Sportversion« ist erfreulich hoch. Im ersten Jahrwurde dabei noch die Si-Maschine mit 82 PS eingesetzt.Neu ist die nun kurze Übersetzung, die viel besser zumsportlichen Charakter passt und dem Corsa auf der Auto-bahn zu einem kraftvollen Antritt verhilft. Ab Herbst1994 löste den Si dann der Sechzehnventiler mit 90 PSab, bei sehr ähnlichen Darbietungen und leicht abge-senktem Verbrauch.Seltener blieb hingegen der echte GSi. Im Corsa B treibtihn ein moderner Sechzehnventiler mit 106 PS (anfangs109 PS) an. Trotz des Mehrgewichts bleibt dank deshöheren Drehmoments der sehr gute Durchzug des Vor-gängers erhalten, hinzu kommt eine gesteigerte Höchst-geschwindigkeit. Ungewöhnlich: Ab Herbst ’95 ließ Opeldie Verspoilerung weg, im Jahre 1997 lief der GSi dannganz aus. Zu diesem Zeitpunkt kamen dafür am unteren Ende derPalette neue, noch sparsamere Motoren ins Programm.Den Einstieg bildet seitdem ein Einliter-Dreizylinder mit55 PS, der einfache 1,4-Liter wich einem 1,2-Liter mit65 PS.

Der Sportwagen TigraDie von Großserienfahrzeugen abgeleiteten Sportwagenbasieren normalerweise auf der Golf-Klasse (Corrado,MX-3) oder der Mittelklasse (Calibra). Opel lancierte1994 mit dem Tigra einen der wenigen Flitzer auf Klein-wagenbasis. Das Platzangebot ist dementsprechend auch

bescheiden. Hinten befinden sich zwei Notsitze, undauch vorne ist weniger Raum als im Corsa. Eingebautwurden ausschließlich die beiden Sechzehnventiler mit1,4 Litern (90 PS) und 1,6 Litern Hubraum (106 PS).Neben dem auffälligen Design bietet der Tigra durch diegute Aerodynamik auch einen handfesten Mehrwert: Erläuft schneller und ist auf der Autobahn etwa einen hal-ben Liter sparsamer als der entsprechende Corsa. Vor-handen sind noch, nicht enthalten in der Tabelle, 12.0001,4-Liter und über 3.700 Tigra 1,6.

Datenblatt Opel Corsa B 19941,2 1,4 1,4 Si 1,4 16V 1,6 GSi

Bestand – 147.000 122.000 1.200 12.000 660

Leergewicht kg 855 865 865 905 960

Motor – R4 R4 R4 R4 R4

Leistung kW(PS) bei U/min 33(45)/4600 44(60)/5200 60(82)/5800 66(90)/6000 78(106)/6000

Drehmoment Nm bei U/min 88/2800 103/2800 114/3400 125/4000 150/4000

Höchstgeschwindigkeit km/h 145 155 (145) 173 180 (172) 195

Steigfähigkeit bei 100 km/h % 2,5 4,5 (4,5) 7,0 7,0 (5,5) 8,5

Geschw. bei 1000 U/min km/h 38,9 34,8 (33,9) 29,2 30,8 (33,9) 31,7

Verbrauch Liter/100 km

bei 90 km/h 4,4 5,2 (6,0) 5,4 5,2 (5,7) 5,3

bei 120 km/h 6,2 6,9 (7,8) 7,2 7,2 (7,7) 7,2

Stadtverkehr 7,2 8,6 (8,8) 9,1 8,5 (9,7) 9,0

Haftpflicht/Teilkasko Klasse 14 / 11 14 / 12 16 / 13 16 / 13 16 / 21

Maße mm, Liter 3730 × 1610 × 1420, 260 • 5-Türer 280

Opel Tigra©

GM

Cor

p.

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Nachdem der Vorgänger 32B nur noch in Restbeständenvorhanden ist und immer mehr zum Liebhaberstückwird, hat seine Rolle auf dem Markt nun der 35i über-nommen. Sie lautet: häufigster Kombi der Mittelklasseim Billig-Segment. Die ersten Exemplare werden nunauch schon 26 Jahre alt, insgesamt ist die Reihe derzeit(2014/15) für uns genau im richtigen Alter. Optisch macht der neue Passat betont wenig her, beson-ders der Nachfolger hat in dieser Beziehung mehr zubieten. Die Schnauze des 35i ist platzsparend verkürztund abgesenkt, bei der Limousine wird das Ganze betontunharmonisch mit einem wuchtigen Stufenheck kombi-

niert. Für diese Art Groß-Vento konnte sich dann auchnur ein gutes Zehntel der Käufer begeistern. Der großeRest wählte den Kombi namens Variant, nicht mehrangeboten wurde die Version mit Schrägheck. Der Vari-ant kann immerhin eine gefälligere Gestaltung vorwei-sen, auch er bleibt aber insgesamt nüchtern bis zurSelbstverleugnung. Grau war in den ersten Jahren einesehr beliebte Farbe. Auch der besten Ausstattung spen-dierte VW nicht die kleinste Zierleiste, ebenso gehörtendie schillernden Velourssitze des alten GL der Vergan-genheit an. Bis zum Facelift Ende ’93 durfte der Passatnicht einmal einen Kühlergrill tragen, sondern mussteeinen Teil der benötigten Luft durch das VW-Emblemansaugen. Die gedrungene Erscheinung des Passat dient natürlicheinem Zweck: der Steigerung des Raumangebotes ohnewesentlichen Zuwachs an Gesamtlänge. Im 35i wurdedaher der Motor quer eingebaut, dadurch konnte derVorderwagen verkürzt und der Radstand vergrößertwerden.Das Resultat überzeugt über alle Maßen: Der Beinraumhinten ist riesig und es bedarf schon der verlängertenOberklassewagen von BMW oder Mercedes, um hier

noch etwas draufzulegen. Und was in diesen Kreisen alsbesonders fein gilt, hielt nun sogar in der MittelklasseEinzug: Anfangs war bei den Limousinen in GL- und GT-Ausstattung die »multivariable Rücksitzbank« eingebaut.Bei ihr lässt sich auf jeder Seite einzeln die Sitzfläche umacht Zentimeter nach vorne ziehen. Die Lehne bekommtdadurch eine flachere Neigung, ähnlich der Schlafstel-lung im Flugzeug. Die Möglichkeit zum Umklappen undDurchladen bestand dabei weiterhin. Leider hat VW die-ses Feature schon nach wenigen Jahren zugunsten einerabschließbaren Sitzlehne verworfen.Bequem sitzt man natürlich auch auf der normalenRückbank. Und erst recht auf den Vordersitzen, die VW-typisch hoch ausgefallen sind. Weiterhin ist der Passatkomfortabel abgestimmt und motorseitig recht leise.Beim Fahrverhalten warten keine bösen Überraschun-gen. Allerdings kann esnoch einige Modelle ohneServolenkung geben, dasie in den ersten Jahrenerst bei mehr als 90 PSserienmäßig war.Das Facelift Ende ’93brachte dem Passat wie-der einen normalenKühlergrill ein. Erst aufden zweiten Blick erkenntman, dass nebenbei fastkein Außenblech gleich geblieben war. Die Seiten wur-den geglättet und die Beleuchtung vorne und hintenkomplett geändert. Hauptziel war neben der Verschöne-rung eine Versteifung und damit eine Erhöhung derCrash-Sicherheit. Die Innenausstattung blieb vom Designher unangetastet, die Kunststoffe erhielten aber griff-sympathischere Oberflächen. Die Ausstattungsstufen des Passat lauteten auf CL(Basis), GL (etwas luxuriöser) und GT (sportlich). Zumletztgenannten Paket gehörte zum Glück keine Tieferle-gung, sodass der GT auch für Normalfahrer interessantsein kann. Seine wichtigste Errungenschaft sind dieSportsitze mit besonders gutem Seitenhalt.

QualitätBeginnen wir mit dem Rostschutz, der ist nämlich gut.Der Passat kann unbeschadet viele Jahre auf der Straßeparken. Die ersten Jahrgänge kamen sogar auf eine her-vorragende Quote von nur 0,4 %.

Volkswagen Passat IIITyp: 35iBauzeit: 1988 – 1996Bestand: 147.000

TÜVRostquote: 1,1 %

− Hinterachse− Bremsleitungen

VW Passat Variant bis ’93

VOLK

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Insgesamt wurde die TÜV-Prüfung mit einer durch-schnittlichen Anzahl von Mängeln absolviert. BesondereStärken gab es dabei außer der Karosserie keine, häufigbeanstandet wurden hingegen die Hinterachse und dieBremsleitungen. In Sachen Zuverlässigkeit landete der Passat anfangs imMittelfeld. Spätere Jahrgänge ließen etwas nach, derADAC führte ihn dann auf den unteren Plätzen. Damit wären wir beim leidigen Thema der sonstigenQualität angelangt. Der Passat wirkt zwar etwas soliderals der Golf III, aber auch hier können penible Vorbesit-zer ganze Ordner mit Reparaturrechnungen aus demRegal ziehen. Große Sachen findet man seltener darun-ter, es dominieren viele ärgerliche Kleinigkeiten im zwei-und dreistelligen Preisbereich. Es bleibt für uns die Hoff-nung, dass sich das normalisiert, wenn im Alter allesgetauscht worden ist. Eine wesentliche Verbesserung der Qualität war mit demFacelift ’93 leider nicht verbunden. Sicher, die Karosse-rie sollte nun fester sein und zeigt das Bemühen umexakte Spaltmaße. Aber in Sachen Klappern und Defek-ten lässt sich kein Fortschritt ausmachen.

Erste MotorengenerationBeim Passat ist die Limousine arg in der Minderheit,daher sind die technischen Daten hier ausnahmsweisefür den Kombi angegeben. Die Limousine verbraucht beiTempo 120 etwa 0,3 Liter weniger, falls man die Wertemit denen der Konkurrenz oder des Vorgängers verglei-chen will.

Gegenüber dem alten Modell hat der Passat real mindes-tens drei Zentner an Gewicht zugelegt. Insgesamt fehltden schwächeren Versionen damit die alte Spritzigkeitim unteren Geschwindigkeitsbereich. Auf der Autobahnhingegen sorgt die gute Aerodynamik und der Wegfallder Spargänge für einen gewissen Ausgleich, der Wagenwirkt hier relativ leichtfüßig. Mit 72 PS erhält man schon ein für alle Zwecke ausrei-chendes Leistungsangebot. Der 1,8-Liter mit 90 PS ver-einfacht das schnelle Reisen auf bergigen Autobahnen.Der Verbrauch dieser beiden Normalbenziner bleibt auchakzeptabel.Die nächststärkere Alternative stellt der 1,8-Liter mit107 PS dar, welcher unschwer als die GTI-Maschine ausdem Golf II zu erkennen ist. Sie ist höher verdichtet undbietet über weite Bereiche mehr Kraft als der normale1,8-Liter. Dieser Bonus wird zwar durch die längereÜbersetzung wieder geschluckt, durch diese Kombina-tion entstand aber der Sparsamste der ersten Passat III. Richtig schnell wird es erst mit dem Zweiliter und des-sen 136 PS. Sein Nachteil ist der etwas hohe Verbrauchim Stadtverkehr, er kämpft anscheinend noch mit denfür die Vierventiler der ersten Generation typischenhohen Reibungsverlusten. Ein Sportfahrwerk war mitdem Einbau dieses Motors nicht verbunden.Das Topmodell war der Passat G60 mit dem Spirallader-Motor aus dem Corrado. Der leider serienmäßige Allrad-antrieb verhindert trotz 160 PS wirklich gute Fahrleis-tungen und sorgt obendrein für überhöhte Verbrauchs-werte.

Datenblatt VW Passat III Variant 19901,6 1,8 1,8 2,0 16V 1,8 G60

Bestand – 1.700 19.000 2.000 970 350

Leergewicht kg 1135 1155 1180 1235 1345

Motor – R4 R4 R4 R4 R4

Leistung kW(PS) bei U/min 53(72)/5200 66(90)/5250 79(107)/5400 100(136)/5800 118(160)/5600

Drehmoment Nm bei U/min 125/2750 142/3000 154/3800 180/4400 225/3600

Höchstgeschwindigkeit km/h 161 172 184 (182) 199 (197) 210

Steigfähigkeit bei 100 km/h % 4,5 5,5 5,5 (5,5) 6,5 (6,5) 7,5

Geschw. bei 1000 U/min km/h 34,8 34,8 37,3 (36,5) 37,3 (36,5) 36,0

Verbrauch Liter/100 km

bei 90 km/h 6,0 6,4 5,9 (6,7) 6,7 (7,3) 7,1

bei 120 km/h 8,0 8,3 7,7 (8,4) 8,5 (9,0) 9,7

Stadtverkehr 10,2 11,2 10,7 (11,0) 12,5 (12,5) 13,5

Haftpflicht/Teilkasko Klasse 15 / 13 15 / 13 16 / 14 15 / 17 15 / 21

Maße mm, Liter 4570 × 1705 × 1450, 465/1500 • Limousine 4575, 495

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Zweite MotorengenerationGenerell sind diese Fahrzeuge kürzer übersetzt unddamit lebhafter. Durch motorische Verbesserungenstellte sich trotzdem eine Verbrauchsreduktion ein. Diein den Tabellen erkennbare Gewichtszunahme fiel realdeutlich geringer aus. Die neueren Angaben lagen Testszufolge einfach näher an der Realität.Die überarbeiteten Motoren hielten nach und nachschon ab 1990 Einzug in den Passat, also noch weit vordem Facelift. Sie lassen sich anhand von Leistung undHubraum von der ersten Generation unterscheiden,außer bei der häufigsten Version: Der neue 1,8-Liter hatweiterhin 90 PS und kam ab 8/91 (mit dem Debüt desGolf III) zum Einsatz. Im Zweifelsfall hilft bei der Identi-fizierung die Nenndrehzahl in den Papieren. Es lohntsich auf jeden Fall, nach der neueren Version Ausschauzu halten, die nicht nur im Golf III, sondern auch im Pas-sat voll überzeugt. Die Mischung aus Kraft, Sparsamkeitund Laufruhe ergibt einfach ein rundes Paket. Der genaue Bestand der beiden Generationen ist dabeiunbekannt, da sie beim KBA nicht getrennt ausgewiesenwerden. Als Behelf wurde hier der Gesamtbestand grobnach der Häufigkeit in den Autobörsen (1:3) aufgeteilt.Unterhalb der 90 PS-Version diente als Einstiegsmodellder 1,8-Liter im Normalbenzin-Trimm mit 75 PS. Weni-ger Leistung bei mehr Verbrauch konnte aber nicht vieleKäufer überzeugen. Als Vorteil sollte die niedrig verdich-tete Ausführung theoretisch eine noch etwas bessereLaufkultur als der stärkere Superbenziner aufweisen. Ähnlich gut wie mit 90 PS fährt man mit 115 PS auszwei Litern Hubraum. Im direkten Vergleich läuft diese

Maschine etwas rauer und dafür etwas kräftiger. Richtigdavonziehen kann der Zweiliter dem kleinen Bruder erstoberhalb von 160 km/h. Tests haben ein starkes Brum-men ab 5500 U/min festgestellt. In die Verlegenheit sol-cher Drehzahlen kommt man jedoch fast nie, erst rechtnicht im fünften Gang.Die sportliche Variante des Zweiliters mit 150 PSerschließt einem dann den Bereich jenseits von200 km/h. Im normalen Fahrbetrieb ergibt sich aberkein Vorsprung gegenüber der einfachen Maschine mit115 PS, hier kann der 16V gerade einmal sein Mehrge-wicht kompensieren. Dieses Angebot fanden dann auch nur ganz wenige Kun-den verlockend, zumal der Mehrpreis wieder einmalallzu selbstbewusst kalkuliert worden war. Mit zumPaket gehörte ein etwas härteres Fahrwerk mit Gas-druckdämpfern an der Hinterachse. Bei einem richtig teuren Passat wollten die Käufer wohlwenigstens einen handfesten Gegenwert in Form vonsechs Zylindern sehen. Der VR6 verkaufte sich jedenfallsdeutlich besser.Wenn man sich diese Maschine heute nach dem Motto»viel Spaß für wenig Geld« gönnt, gibt es keine Ein-wände. Ansonsten macht aber der schwere Passat dieMittelmäßigkeit des VR6 erst so richtig deutlich. Bis inden mittleren Drehzahlbereich hinein bleibt die Durch-zugskraft im Vergleich zum Hubraum schwach. Undobendrein verbraucht er für eine Neuentwicklung ein-fach zu viel Benzin.Bessere Erfahrungen mit einem Sechszylinder im Audi80/100 widersprechen dem Gesagten nicht: Der 2,8-

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Datenblatt VW Passat III Variant 19941,8 N 1,8 2,0 2,0 16V 2,8 VR6

Bestand – 7.600 59.000 31.000 930 3.700

Leergewicht kg 1240 1245 1260 1345 1400

Motor – R4 R4 R4 R4 VR6

Leistung kW(PS) bei U/min 55(75)/5000 66(90)/5500 85(115)/5400 110(150)/6000 128(174)/5800

Drehmoment Nm bei U/min 140/2500 145/2500 166/3200 180/4800 235/4200

Höchstgeschwindigkeit km/h 164 173 (170) 190 (187) 207 218 (212)

Steigfähigkeit bei 100 km/h % 5,5 6,0 (6,0) 6,5 (6,5) 6,5 7,5 (7,0)

Geschw. bei 1000 U/min km/h 33,1 33,1 (32,9) 35,0 (35,0) 34,8 37,7 (39,7)

Verbrauch Liter/100 km

bei 90 km/h 6,2 6,0 (6,8) 6,3 (6,8) 6,5 7,6 (8,2)

bei 120 km/h 8,0 7,7 (8,5) 8,0 (8,6) 8,2 9,3 (9,9)

Stadtverkehr 10,8 10,4 (11,1) 11,0 (11,9) 11,4 12,9 (14,4)

Haftpflicht/Teilkasko Klasse 15 / 13 15 / 13 16 / 14 15 / 17 15 / 21

Maße mm, Liter 4595 × 1720 × 1445, 465/1500 • Limousine 4605, 495

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Liter, dort mit ebenfalls 174 PS, ist einfach ein andererMotor, er weist einen normalen V-Winkel von 90° auf. Besser geht im Passat auch der auf 2,9 Liter vergrößerteVR6 nicht, da dieser nur für die Syncro-Modelle mit All-radantrieb vorgesehen war. Ansonsten kam für die letzten Baumonate, analog zumGolf III, noch der neue, hochdrehende 1,6-Liter mit100 PS hinzu.

Limousine oder VariantIm Bestand liegt das Verhältnis heute bei 85:15 zuguns-ten des Variant. Wie selbstverständlich erscheint da fürviele Käufer der Griff zur Kombi-Version, auch wenn dergroße Laderaum eigentlich fast nie benötigt wird. Beim Passat-Kauf gegen den Strom zu schwimmen kannsich aber auszahlen: Die Limousine wird traditionellgünstiger gehandelt als der Variant und ist obendrein

dank der gesetzteren Vorbesitzerschaft oft noch in einembesserem Zustand. Auch mit Stufenheck bietet der Passat einen hohen Nutz-wert. Die Rückbank lässt sich auch hier umklappen, aberschon das normale Kofferraumvolumen sollte in denmeisten Fällen ausreichen. Als wichtigster Pluspunkt auflangen Strecken entfällt gegenüber dem Variant die lei-dige Geräuschkulisse aus dem Laderaum. Zuletzt sei noch ein Vorteil des enormen Knieraumeshinten erwähnt, der sich unabhängig von der Karosserie-form bemerkbar macht: Die Vordersitze lassen sich indiesem Passat auch bei umgeklappter Rückbank bis ganznach hinten schieben, es bleibt sogar noch ein kleinesStück frei. Beim Vorgänger hingegen (und bei vielenanderen Kombis) müssen große Fahrer in diesem Falleetwas nach vorne rücken und die Beine anwinkeln, undsitzen daher weniger bequem.

VW Passat Limousine ab ’93

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5 Der kleine Ingenieur

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Der kleine Ingenieur

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GrundlagenZunächst einmal wollen wir uns an die physikalischenGrundsätze erinnern:

Leistung ist Arbeit pro Zeit,

Arbeit ist Kraft × Weg,

Drehmoment ist Kraft × Hebelarm.

Anmerkung 1: Im allgemeinen Sprachgebrauch werdendie Begriffe Arbeit und Leistung nicht derart strengunterschieden. Oft erfolgt sogar eine geradezu gegentei-lige Verwendung, z. B. wenn man spöttisch sagt, jemandarbeite viel und leiste wenig. In dieser Darstellung wäredie Leistung das Resultat der Bemühungen, welche inForm von Arbeit erbracht wurden. In der Physik ist eshingegen genau umgekehrt, die Leistung ist der Momen-tanwert und die Arbeit das Integral, also das Resultat.Anmerkung 2: Arbeit und Drehmoment haben die glei-che Einheit Newtonmeter (Nm), sind aber völlig unter-schiedliche Dinge. Bei der Arbeit wirkt die Kraft in Rich-tung der Länge (Weg), beim Drehmoment steht sie senk-recht zur Länge (Hebelarm).

Kraft und MasseUnter einem Kilogramm kann sich jeder etwas vorstel-len, unter der Kraft von einem Newton N zunächst weni-ger. Die Verbindung zwischen beiden schafft die Erdbe-schleunigung g, für die im Allgemeinen ein fester Zah-lenwert von 9,80665 m/s² angesetzt wird. Das bedeutet,dass auf ein Kilogramm Masse eine Gewichtskraft von9,80665 N einwirkt. Damit entspricht umgekehrt einNewton der Gewichtskraft eines etwa 102 Grammschweren Gegenstandes.

ArbeitHebt man nun dieses Gewicht von 102 Gramm einenMeter hoch, dann hat man – Kraft mal Weg – die Arbeitvon einem Nm verrichtet.

LeistungSchafft man diese Arbeit in einer Sekunde, so leistetman genau ein Watt W. Ein Watt entspricht alsoeinem Nm/s.Bei Leistungsangaben in Watt oder Kilowatt denkt manzunächst unwillkürlich an elektrische Gerätschaften.Unter interessierten Automobilisten dient hingegen vielhäufiger noch die alteingeführte Maßeinheit der Pferde-stärke (PS) als Gesprächsgrundlage. Um ein PS zu errei-

chen, muss man ein Gewicht von 75 kg in einer Sekundeeinen Meter hoch heben. Der Legende nach geht dieseDefinition auf die Tätigkeit eines Brunnenpferdeszurück, das tagaus, tagein einen entsprechend schwerenEimer bewegte. Wenn Sie zufällig 75 kg wiegen und ein6 Meter hohes Treppenhaus in 6 Sekunden hochsprin-ten, so leisten Sie in dieser Zeit ebenfalls ein PS. Wäh-rend der Mensch jedoch nach einigen Stockwerken rotbis blau anläuft, erbringt unser Pferdchen diese Leistungdauerhaft. Im Sprint wird es demnach auch auf mehrerePS kommen.

DrehmomentDie Kraft von einem Newton, die über einen ein Meterlangen Hebel auf eine Welle ausgeübt wird, ergibt einDrehmoment von einem Nm. Beispiel Fahrrad: Stelltsich ein Mann (80 kg) auf das waagerecht stehendePedal (Hebel 17 cm), dann liegt ein Drehmoment M vonimmerhin

M = 0,17 m · 80 kg · 9,80665 m/s² = 133 Nm

an der Welle an.

Leistung an drehenden WellenAnhand einer geraden Bewegung (Gewicht hochheben)konnten wir die Arbeit schön anschaulich erklären. Beidrehenden Apparaten ist es aber eigentlich auch nichtviel schwieriger. Wir stellen uns dann einfach einenPunkt an einem Hebelarm von einem Meter Länge vor.Bei einem Drehmoment von einem Nm wirkt dort dieKraft von einem N. Und bei einer Umdrehung bewegtsich dieser Punkt um 2 Meter, also etwa um 6,28 m.Damit wird eine Arbeit von 6,28 Nm verrichtet.Für die Leistung muss diese Arbeit noch in den Bezugzur Zeit gebracht werden. Dies geschieht über die Dreh-zahl, im automobilen Bereich meist in Umdrehungen proMinute angegeben. Insgesamt kommt man damit auf diebeiden folgenden Umrechnungen:

P (in kW) M n 260 1000

M n9549,3

P (in PS) M n 260 75 g

M n7023,5

mitP LeistungM Drehmoment in Nmn Drehzahl in U/min

(Pi) Kreiszahl = 3,14159...

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5.1 Leistung und Drehmoment5

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An drehenden Wellen gilt also für die Leistung:

Leistung = Drehmoment × Drehzahl.

Hinzu kommen je nach verwendeter Einheit die entspre-chenden Umrechnungsfaktoren. Die 60 in beiden Nen-nern verwandelt dabei die Umdrehungen pro Minute inUmdrehungen pro Sekunde. Damit alleine hätte man mitder oberen Formel die Leistung in Watt bestimmt. Durchden Teiler 1000 werden daraus die handlicheren Kilo-watt kW.In der unteren PS-Formel stehen im Nenner noch die75 kg aus der Definition des PS, und die Erdbeschleuni-gung g, welche die Kilogramm in Newton überführt. Rechenbeispiel: Ein Motor hat bei einer Drehzahl von4000 U/min ein Drehmoment von 155 Nm anliegen.Dies entspricht einer Leistung von

155 · 4000 / 9549,3 = 64,9 kW

oder

155 · 4000 / 7023,5 = 88,3 PS.

Anders herum geht es natürlich auch: Ein Motor, der bei5400 U/min 115 PS leisten soll, benötigt dort ein Dreh-moment von

115 · 7023,5 / 5400 = 149,6 Nm.

Idealer und realer MotorIn den technischen Daten gibt der Hersteller fürjede Motorisierung meist das maximale Drehmo-ment und die höchste Leistung mit den dazugehöri-gen Drehzahlen an. Damit hat man jedoch nur zweipunktuelle Informationen über den Motor vorlie-gen. Das Gesamtbild liefern erst die sogenanntenVolllastkurven, bei denen die Höchstwerte vonDrehmoment und Leistung über den gesamtenDrehzahlbereich aufgetragen sind.Wurden Breitenverhältnis und Achsenteilung derGrafik sinnvoll gewählt, dann sollten sich beideKurven dabei nicht ähnlich sehen, sondern vielmehreinen charakteristischen Unterschied im Verlauf zei-gen. Dieser ergibt sich aus dem im vorherigenAbschnitt eingeführten Zusammenhang (Leistung =Drehmoment × Drehzahl) und lässt sich am bestennachvollziehen, indem man von einem fiktiven,idealen Motor ausgeht. Damit soll hier gemeintsein, dass dieser Motor unabhängig von der Dreh-zahl immer gleich gut gefüllt wird. Gemäß demViertaktverfahren kann er daher alle zwei Umdre-hungen diejenige Menge an Brennstoff-Luftgemischverarbeiten, die seinem Hubraum entspricht. Wenndies noch dazu immer mit dem gleichen Wirkungs-grad geschieht, dann bleibt das Drehmoment überden gesamten Drehzahlbereich konstant. In unse-

rem Beispiel sind es ständig 134 Nm, die entsprechendeDrehmoment-»Kurve« ist in diesem Idealfall also eineWaagerechte. Die Leistung als Produkt aus Drehmoment und Drehzahlverläuft dementsprechend nicht waagerecht, sondernsteigt mit der Drehzahl immer weiter an, und zwar inForm einer Geraden. Die maximale Leistung liegt damitbei der maximalen Drehzahl an. Wenn wir die Maschineim Diagramm bei 6000 U/min abregeln würden, dannergäbe sich dort die Höchstleistung von etwa 115 PS.Der reale Motor weicht hiervon in zwei wichtigen Punk-ten ab:

1) Unterhalb einer Mindestdrehzahl funktioniert ernicht. Er kann nicht einfach aus dem Stand loslaufen wieein Elektromotor oder eine Dampfmaschine. Die Folge:Man braucht eine Kupplung zum Anfahren.

2) Der reale Motor fühlt sich nicht bei allen Drehzahlengleich wohl. Er wird nur an einer Stelle optimal mitBrennstoff-Luftgemisch gefüllt. Dort erreicht er seinmaximales Drehmoment, in unserem Beispiel sind es134 Nm bei 3800 U/min. Bei dieser Drehzahl »zieht« der Wagen am besten. Ober-halb und unterhalb davon fällt die Kraft ab. Irgendwobei höheren Drehzahlen fällt dann das Drehmoment stei-ler ab, als die Drehzahl zunimmt (ganz unwissenschaft-lich formuliert). An dieser Stelle liegt die maximale Leis-

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tung an, der Motor im Diagramm kommt auf 90 PSbei 5400 U/min. Die maximale Leistung ist alsoeine eher abstrakte Größe und weder beim Fahrenspürbar noch aus der Drehmomentkurve direktersichtlich. Der hier gezeigte Verlauf der Kurvenpasst im Übrigen zu einem typischen 1,6-Liter der90er Jahre, der weder besonders hochtourig nochbesonders drehmomentstark ausgelegt wurde.Stellt man einmal seinen eigenen Motor auf denLeistungsprüfstand, so wird man feststellen: Soschön rund und glatt wie in den Prospekten oder inden Beispielen hier im Buch werden die Kurven inder Praxis nicht. Sie haben vielmehr eine Vielzahlvon Dellen und kleinen Ausreißern, das ist normal.Gemessen wird dabei gewöhnlich nur das Drehmo-ment, während die Leistung daraus berechnet wird.Eben mit den Formeln aus dem vorherigenAbschnitt, also als das Produkt aus Drehmomentund Drehzahl.

Mehr LeistungEin Motor wird von den Herstellern bei gleichemHubraum oftmals in verschiedenen Leistungsstufenangeboten. Von den einzelnen Versionen kennt mandann meist nur die nackten PS-Werte und wenigerdie Umstände, wie diese denn überhaupt zustandekommen. Klar ist: Die höchste Leistung wird bei hohenDrehzahlen erreicht. Wenn man die Leistung steigernwill, muss man folglich das Drehmoment im oberenDrehzahlbereich erhöhen. Als klassisches Beispiel dafür,wie dies in der Praxis aussehen kann, sind im Diagrammdie Volllastkurven des alten Porsche 911 ab Modelljahr1972 abgebildet. (Digitalisiert aus: Paul Frére, »Die Por-sche 911 Story«.) Seine 2,4 Liter-Maschine war in denfolgenden Ausführungen lieferbar:

911 T 911 E 911 S

PS 130 165 190

bei U/min 5600 6200 6500

Nm 196 206 216

bei U/min 4000 4500 5200

Beim Autoquartett war natürlich immer der 911 S derGewinner. Er beschleunigte am schnellsten und erreichtedie höchste Spitze von damals sagenhaften 230 km/h. Die kindliche Vorstellung, mit ihm den schwächeren Ver-sionen einfach so davon zu fahren, ist jedoch etwas naiv.Denn anders als vielleicht gedacht, entwickelt er nuneinmal nicht ständig 45 % mehr Kraft als der 911 T.Werfen wir hierzu einen Blick auf die Volllastkurven:Schön zu sehen ist, dass sich alle drei Maschinen bis zuetwa 4000 U/min kaum in der Kraftentfaltung unter-scheiden. Erst darüber heben sich die schärferen Versio-

nen vom 911 T ab. Im Rennsport wird fast nur mit die-sen hohen Drehzahlen gefahren, dort kommen diezusätzlichen PS dann auch voll zur Geltung. Im Alltags-verkehr hingegen wird man von der Mehrleistung seltenetwas merken. Man kann sogar froh sein, wenn diehochtourigen Maschinen im unteren Bereich nichtschwächer sind als die Basis. Das Beispiel der Porsche-Motoren ist mit ihrem Gleich-stand bis 4000 U/min natürlich etwas extrem und daherbesonders gut zur Veranschaulichung geeignet. Außer-dem liegt das Jahr 1972 ja schon einige Zeit zurück.Vom Prinzip her bleibt das Gesagte aber immer gültig.Sehr ähnliche Verhältnisse ergeben sich beispielsweise,wenn man den Golf GTI mit dem stärkeren GTI 16V ver-gleicht. Auch hier herrscht unten herum bestenfallsGleichstand, erst im oberen Drehzahlbereich kann sichder 16V deutlich absetzen. Auch seine beträchtlicheMehrleistung ist unter normalen Fahrbedingungen nurselten spürbar, auch wenn sich die Kurven hier schoneinige 100 U/min früher trennen als noch bei den alten911ern. Im unteren Drehzahlbereich hängt das Drehmo-ment vor allem von der Größe des Motors, also vomHubraum ab. Nicht umsonst lautet eine alte Weisheit:

»Hubraum ist durch nichts zu ersetzen.«

Der technische Fortschritt macht es immerhin möglich,dass moderne Motoren mit hoher Leistung auch schonbei mittleren Drehzahlen fühlbar stämmiger antreten als

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ihre Vorgänger. Die Kunden und auch die gestiegenenFahrzeuggewichte verlangen danach. Audi verbaute bei-spielsweise ab 1997 einen V-Sechszylinder mit ebenfalls2,4 Litern Hubraum und 165 PS. Nominell entsprichtdiese Maschine also dem alten 911 E. Den Unterschiedmacht aber das Drehmoment, welches beim Audi satte230 Nm bei 3200 U/min beträgt. Es liegt damit nichtnur höher als das aller drei Porsche-Maschinen, sondernsteht obendrein bei einer viel niedrigeren Drehzahl zurVerfügung.

Der Reihen-SechszylinderDiese Motoren waren besonders in Deutschland ein ver-breitetes Merkmal der »gehobenen« Fahrzeuge. Diegrundsätzlichen Vorzüge sind dann auch die sehr guteLaufruhe bis in höchste Drehzahlen und der spezielleKlang, der mit einfachen Vierzylindern nichts mehrgemein hat. Im Berichtszeitraum dieses Buches waren inder Großserie noch Opel, Mercedes und BMW mit ent-sprechenden Angeboten vertreten. Besonders BMW hatden Reihensechser regelrecht zu seinem Markenzeichengemacht und bis heute immer weiter verfeinert. Die erste Begegnung mit einem älteren Reihen-Sechszy-linder verläuft aber oft enttäuschend. Meistens steigtman ja von einem kleineren Vierzylinder um und hatangesichts der nun viel höheren PS-Zahl entsprechendeErwartungen an die Fahrdynamik. Schon auf den erstenMetern wird dann klar, dass hier Leistung und Fahr-gefühl weit auseinander klaffen. Weder täuscht dieser Eindruck noch hat man einFahrzeug mit irgendeinem Defekt erwischt. DieBauform des Reihen-Sechszylinder bringt einfachvon Natur aus eine Charakteristik mit sich, die derscharfgemachter Motoren sehr ähnlich ist. Im unte-ren und mittleren Drehzahlbereich herrscht alsoFlaute, erst oben herum setzt dann plötzlich eineArt zweiter Wind ein.In Anlehnung an reale Vorbilder sind im Diagrammzwei Motoren mit zwei Litern Hubraum einandergegenübergestellt. Der Vierzylinder liefert 170 Nmbei 3500 U/min und 115 PS bei 5700 U/min. DerSechszylinder ist bei den Prospektwerten zunächstüberlegen: Er leistet immerhin 130 PS bei6000 U/min, und sogar das Drehmoment fällt mit173 Nm etwas größer aus. Ein erstes Indiz für seineSchwäche ist aber die hohe Drehzahl von4400 U/min, bei der es anfällt. In das gleiche Auto eingebaut, erreicht man mitdem Sechszylinder eine höhere Endgeschwindigkeitund einen schnelleren Sprint von 0 auf 100 km/h.In diesen praxisfernen Prospektangaben brilliert eralso, ebenso hätte er seine Vorteile auf der Renn-strecke. Im häufig genutzten unteren und mittlerenDrehzahlbereich ist der Vierzylinder jedoch eine

Klasse besser. Der Sechser fühlt sich dort eher wie eineMaschine mit 1,6 bis 1,7 Litern Hubraum an. Die Grenzezum oberen, starken Bereich ist dann meistens auch miteinem Wechsel des Klangbildes verbunden und oftgenauso abrupt spürbar, wie sie im Diagramm zu sehenist. Mit den im Laufe der 80er Jahre immer länger werden-den Übersetzungen harmonierte diese Charakteristiküberhaupt nicht, die Maschinen wurden so fast nur nochim schwachen Bereich gefahren. Abhilfe tat also not,und sie kam auch um das Jahr 1990 herum in Form vonSchaltsaugrohren und/oder variablen Ventilsteuerzeiten.Mit diesen zusätzlichen Einrichtungen lässt sich das Talauffüllen und vor allem der Gipfel nach vorne, also hinzu niedrigeren Drehzahlen verlegen. Völlig aus der Welt war das Problem damit anfangs abernoch nicht. In unserem Buch sind weiterhin die meistenV6, die diese Problematik ja nicht kennen, auch ohneirgendwelche kräftigenden Maßnahmen unten herumstärker. Bei den Reihensechsern waren noch einige wei-tere Evolutionsstufen notwendig, um hier gleichzuzie-hen. Vom subjektiven Fahrgefühl her würde der Autorerst den BMW-Maschinen mit Doppel-VANOS seit 1998die volle Gleichwertigkeit zugestehen. Sie fallen nurnoch unterhalb von 2000 U/min in ein Loch, aber dasmachen ja fast alle modernen Motoren. Bei der Konkurrenz hatten die Reihensechser-Benzinerdiese volle Blüte gar nicht mehr erlebt, denn zu diesem

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Zeitpunkt verabschiedete sich mit dem Daimlerauch der letzte der übrigen deutschen Herstellervon dieser anspruchsvollen Bauart. Opel war schon1994 auf die V-Form umgeschwenkt.

TurbosAls letztes Beispiel wollen wir uns die typische Cha-rakteristik eines aufgeladenen Benziners ansehen.Die Kurven gehören dabei zum Volvo 850 Turbo,einem Fünfzylinder mit 2,3 Litern Hubraum. OhneAufladung hätte ein derartiger Motor ein maximalesDrehmoment von etwa 210 Nm bei mittleren Dreh-zahlen und eine Höchstleistung von etwa 150 PS. An den Volllastkurven des aufgeladenen Motorssind drei Dinge bemerkenswert:

1. Die absolute Höhe,

2. der »synthetische«, eckige Verlauf,

3. das steile Abfallen im unteren Bereich.

Die relativ kleine Maschine entwickelt immerhin225 PS, bei einem Drehmoment von enormen300 Nm. Damit entspricht sie einem 40 bis 50 %größeren Saugmotor. Gefühlt ist dieser Unterschiedsogar noch größer, da das maximale Drehmomentbeim Turbo schon bei sehr niedrigen 2000 U/minanfällt und über den gesamten Bereich bis 5280 U/minkonstant bleibt. Die elektronische Ladedruckregelungmacht dies möglich. Als vergleichbarer größerer Saug-motor kann der alte 3,5-Liter von BMW dienen. Dieserbietet zwar ein Drehmoment von 305 Nm, als typischerSechszylinder aber erst oberhalb von 4000 U/min. Immittleren Bereich liegt er weit unter den 300 Nm desVolvos.Ein Schönheitsfehler des Turbomotors ist seine Schwä-che bei ganz niedrigen Drehzahlen. Die Kraft des Volvo-Motors beispielsweise fällt unterhalb von 2000 U/minsehr steil ab, andere Turbos der 90er Jahre verhaltensich ganz ähnlich. Wenn man am Berg in diesen Bereichgerät, muss man eben etwas Geduld aufbringen oder einbis zwei Gänge zurückschalten. Im Vergleich zu den auf-geladenen Motoren der ersten Generation aus den 70ernist dieses Verhalten jedoch nur noch eine kleine Unan-nehmlichkeit. Damals setzte die Laderwirkung noch vielspäter ein, beispielsweise erst bei 3000 U/min oder garbei 3500 U/min, sodass sich im praktischen Betrieb einäußerst unharmonisches, zweigeteiltes Fahrgefühl ein-stellte. Neben der Schwäche im untersten Drehzahlbereich gibtes noch einen Mangel, der nicht aus den Volllastkurvenhervorgeht: das Turboloch. Hierunter versteht man daszeitverzögerte Ansprechen des Laders. Beim plötzlichenGasgeben kann es gut eine Sekunde oder länger dauern,bis der volle Ladedruck aufgebaut ist und damit auch

das volle Drehmoment zur Verfügung steht. Besondersbeim Beschleunigen aus niedrigen Drehzahlen und Las-ten tritt dieser Effekt auf, also dann, wenn der Ladervorher nur mit wenig Abgas beaufschlagt wurde unddaher selbst erst einmal auf Drehzahl kommen muss.Bei der Aufnahme der Drehmomentkurve hingegen hatman mit dem Turboloch keine Probleme. Denn dabeiwird der gesamte Drehzahlbereich schrittweise abgefah-ren und zusätzlich an jeder Stelle einige Sekunden ver-weilt, bis sich der volle Wert eingestellt hat. Die Rennfahrer tricksen gegen das Turboloch, indem siemit der Fußspitze bremsen und gleichzeitig mit derFerse auf dem Gas bleiben, um den Motor auf Drehzahlund damit den Lader in Schwung zu halten. Im norma-len Straßenverkehr ist das natürlich nicht zu empfehlen. Auch bei den Turbos gab es in den letzten 20 Jahrennoch Fortschritte. Wenn der Hersteller bei aktuellenModellen richtig Geld in die Hand nimmt und in Regis-teraufladung oder in die Kombination aus Turboladerund Kompressor investiert, dann entfällt das Turbolochfast ganz. Auch lässt sich so das maximale Drehmomentzu Drehzahlen unterhalb von 1400 U/min verschieben,sodass in der Fahrbarkeit gegenüber einem größerenSaugmotor keine Einschränkungen mehr zu spüren sind.

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Der Bewegung eines Automobils wirken drei Wider-stände in Form von Kräften entgegen. Zu überwindensind:

FW = FR + FL + FS

mitFW gesamte Widerstandskraft

FR Rollwiderstand Er ist mit hinreichender Genauigkeit proportional zumGewicht des Fahrzeugs. Seinen Löwenanteil macht dabeidie eigentliche Rollreibung der Reifen aus. Der Rollwi-derstand wird gewöhnlich konstant gesetzt, obwohl ermit der Geschwindigkeit spürbar ansteigt und hierdurchein recht großer Fehler entsteht. Im Kraftfahrtechni-schen Taschenbuch KTB von Bosch (23. Auflage, 1999)finden sich einige Abhängigkeiten in Diagrammform. Beieinem mittleren SR-Reifen steigt er beispielsweise zwi-schen 0 und 150 km/h von 1,25 % auf 1,65 % an, undzwar in etwa parabelförmig. Für die weiteren Berech-nungen werden wir den Rollwiderstand dementspre-chend nicht konstant lassen, sondern die folgende, daranangepasste Zahlenwertgleichung verwenden:

f R [%] 1,25V2

56250

mitfR RollwiderstandsbeiwertV Geschwindigkeit, hier in km/h .

In diesem Zahlenwert ist ein kleiner Anteil für nichtganz parallel stehende Räder, für die Radlager, für leichtschleifende Bremsen etc. enthalten. Seine Größenord-nung kann auf knapp 0,2 %-Punkte abgeschätzt werden.Die reine, »labormäßige« Rollreibung der Reifen, wie siein vielen Tabellenwerken zu finden ist, fällt entspre-chend geringer aus. Insgesamt lautet die Beziehung fürden gesamten Rollwiderstand:

FR = m · g · fR

mitFR Rollwiderstandskraft in Nm Fahrzeugmasse in kgg Erdbeschleunigung = 9,80665 m/s²fR Rollwiderstandsbeiwert

FL LuftwiderstandEr wächst mit dem Quadrat der Geschwindigkeit, undzwar nach diesem Zusammenhang:

FL cw A L

2v2

mitFL Luftwiderstandskraft in Ncw Luftwiderstandsbeiwert A Fahrzeugstirnfläche in m²

L Luftdichte in kg/m³v Geschwindigkeit in m/s.

Der cw-Wert ist für die meisten Typen bekannt und lässtsich rasch ergoogeln. Er wurde oft auch zu Werbezwe-cken vom Hersteller veröffentlicht, nachdem mit dem»neuen« Audi 100 im Jahre 1982 seine Bedeutung inden Vordergrund rückte. Nicht immer waren die Anga-ben allerdings völlig realistisch. Oft galten sie nur für dieMagermodelle einer ersten Serie, welche sich z. B. durchschmale Reifen und glatte Plastikradkappen auszeichne-ten. Dazu gehörte dann auch der kleinste Motor mit demgeringsten Kühlluftbedarf, auf Beifahrerspiegel undAntenne wurde auch gerne verzichtet. Kurzum: Beson-ders bei älteren Angaben empfiehlt sich ein großzügigesAufrunden (z. B. von 0,30 auf 0,32). Viel seltener als den cw-Wert findet man Angaben zurStirnfläche A. Im KTB wird hilfsweise empfohlen, sie aus

Stirnfläche = 0,9 × Spurweite × Höhe

zu berechnen. Leider ist die Spurweite noch viel seltenerzu Hand als die Stirnfläche. Als Eigenentwicklung wirddaher die folgende Relation eingeführt:

Stirnfläche = (Breite × Höhe) / 1,2 .

Sie passt vom Kleinwagen bis hin zum VW Bus gut zuden veröffentlichten Werksangaben der Fahrzeuge ausunserer Epoche (frühe 90er). Die Luftdichte L ( ist der griechische Buchstabe rho)hängt vom Luftdruck, von der Temperatur und von derLuftfeuchte ab. Damit später die Fahrleistungsberech-nungen stimmig sind, müssen Motorleistung und Luft-dichte unter gleichen Bedingungen ermittelt wordensein. Die Motorleistung wird wiederum für ECE-Bedin-gungen ausgewiesen, also für 25 °C und einen Luftdruckvon trockenen 990 mbar. Ohne das Thema »feuchteLuft« zu vertiefen: Nehmen wir als feuchten Gesamt-druck den Normdruck von 1013,25 mbar an, so ergebensich mit den üblichen Idealgasformeln 1,174 kg/m³ für

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5.2 Leistungsbedarf5

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Krüger

Ian Krüger

AlleingangThriller

E-BookErschienen im November 2014ca. 440 Normseiten (VG Wort)ISBN: 978-3-944977-29-4€ 3,99 [D, A]

GebundenErschienen im November 2014400 Seiten | 13,5 × 21 cmISBN: 978-3-944977-24-9€ 13,99 [D]

Sinai, Ägypten: Ein unglaublicher Fund auf 50 Meter Wassertiefe.BND und CIA ermitteln auf Hochtouren. Ein perfide geplanter Terror-anschlag gegen den Westen scheint unabwendbar. Der Bundeskanzlersteht vor einer folgenschweren Entscheidung …Der erste Jan-Steiger-Roman. Spannend, brisant und hochaktuell.

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