16
5 Inhalt Vorwort ......................................................................................................................... 7 1 Einleitung .............................................................................................................. 9 2 Aufbau und Wachstumsdynamik der Haare .................................................... 13 3 Haarmangelkrankheiten: Übersicht ................................................................. 19 4 Angeborene und frühmanifeste hereditäre Haarkrankheiten ........................ 21 4.1 Aplasien ............................................................................................................... 21 4.2 Hypotrichosen und Atrichien ............................................................................... 22 4.3 Haarschaftanomalien und Haarbruchkrankheiten (einschließlich erworbener Formen) ..................................................................... 25 4.4 Lose Anagenhaare ............................................................................................... 33 5 Alopezien ............................................................................................................ 35 5.1 Androgenetische Alopezie (AGA) ......................................................................... 36 5.2 Diffuses symptomatisches Effluvium ................................................................... 40 5.3 Alopecia areata .................................................................................................... 49 5.4 Andere (reversible, atrophisierende und narbige) umschriebene Alopezien ...................................................................................... 54 6 Pseudoalopezien und Artefakte ....................................................................... 63 7 Hypertrichosen und Hirsutismus (einschließlich Altersveränderungen der Behaarung) .................................... 67 8 Veränderungen der Haarfarbe .......................................................................... 75 8.1 Physiologische Veränderungen ............................................................................ 75 8.2 Veränderungen der Haarfarbe durch exogene Einflüsse, Medikamente und Stoffwechselkrankheiten ........................................................ 77 9 Haardiagnostische Methoden ........................................................................... 79 10 Hinweise zur Haarpflege und Haarkosmetik ................................................... 85 Inhalt

Inhalt - Spitta · Darüber hinaus wird die Diagnostik oftmals dadurch erschwert, dass Haarausfall bei einem Patienten gleichzeitig durch zwei un-terschiedliche schädigende Einwirkungen

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Page 1: Inhalt - Spitta · Darüber hinaus wird die Diagnostik oftmals dadurch erschwert, dass Haarausfall bei einem Patienten gleichzeitig durch zwei un-terschiedliche schädigende Einwirkungen

5Inhalt

Vorwort ......................................................................................................................... 7

1 Einleitung .............................................................................................................. 9

2 Aufbau und Wachstumsdynamik der Haare .................................................... 13

3 Haarmangelkrankheiten: Übersicht ................................................................. 19

4 Angeborene und frühmanifeste hereditäre Haarkrankheiten ........................ 214.1 Aplasien ............................................................................................................... 214.2 Hypotrichosen und Atrichien ............................................................................... 224.3 Haarschaftanomalien und Haarbruchkrankheiten

(einschließlich erworbener Formen) ..................................................................... 254.4 Lose Anagenhaare ............................................................................................... 33

5 Alopezien ............................................................................................................ 355.1 Androgenetische Alopezie (AGA) ......................................................................... 365.2 Diffuses symptomatisches Effluvium ................................................................... 405.3 Alopecia areata .................................................................................................... 495.4 Andere (reversible, atrophisierende und narbige)

umschriebene Alopezien ...................................................................................... 54

6 Pseudoalopezien und Artefakte ....................................................................... 63

7 Hypertrichosen und Hirsutismus (einschließlich Altersveränderungen der Behaarung) .................................... 67

8 Veränderungen der Haarfarbe .......................................................................... 758.1 Physiologische Veränderungen ............................................................................ 758.2 Veränderungen der Haarfarbe durch exogene Einflüsse,

Medikamente und Stoffwechselkrankheiten ........................................................ 77

9 Haardiagnostische Methoden ........................................................................... 79

10 Hinweise zur Haarpflege und Haarkosmetik ................................................... 85

Inhalt

Page 2: Inhalt - Spitta · Darüber hinaus wird die Diagnostik oftmals dadurch erschwert, dass Haarausfall bei einem Patienten gleichzeitig durch zwei un-terschiedliche schädigende Einwirkungen

Die anhaltend große Nachfrage nach unse-rem Buch »Krankhafte Veränderungen desNagels«, das in diesem Jahr bereits in der9. Auflage erscheint, hat den Spitta Verlagund die Autoren veranlasst, ein Haarbuchnach gleichartigem Konzept vorzubereiten.Mit diesem Titel möchten wir ein kurz gefass-tes, übersichtliches und großzügig illustrier-tes Praxisbuch vorlegen, das eine rasche Ori-entierung über Art und mögliche Ursacheneiner beobachteten krankhaften Haarver-änderung und über daraus abzuleitende all-gemeindiagnostische Schlussfolgerungen er-möglicht. Beide Autoren können sich auflangjährige klinisch-praktische und wissen-schaftliche Beschäftigung mit Haarkrankhei-ten stützen.

Das Buch richtet sich nicht nur an Dermato-logen, sondern insbesondere auch an Ärzteanderer Fachgebiete, die mit Haarstörungenkonfrontiert sind, wie etwa Allgemeinärzte,Gynäkologen und Internisten. Auch Ange-hörige weiterer Berufsgruppen, die sich mitHaaren beschäftigen, werden darin nützlicheInformationen finden.Den Mitarbeitern des Spitta Verlags dankenwir erneut für die vielfach bewährte gute Zu-sammenarbeit.

Homburg/Saar, im Herbst 2004

Hansotto Zaun, Dorothee Dill-Müller

7Vorwort

Vorwort

Page 3: Inhalt - Spitta · Darüber hinaus wird die Diagnostik oftmals dadurch erschwert, dass Haarausfall bei einem Patienten gleichzeitig durch zwei un-terschiedliche schädigende Einwirkungen

Obwohl die Haare mit fortschreitender Ent-wicklung des Menschen ihre biologischenFunktionen als Strukturen zum Schutz vorKälte, Licht und mechanischen Einwirkun-gen zunehmend verloren haben, haben sie alsOrgane, die maßgeblich unser Aussehen be-stimmen und damit unserer Darstellung ge-genüber der Umwelt dienen, einen hohenStellenwert. Dies hat zur Folge, dass Verän-derungen des Haarkleides, wie Haarausfall,Haarmangel, Haarstrukturschäden, Farbab-weichungen oder fallweise eine zu starke Be-haarung »an falscher Stelle«, häufig von denBetroffenen als psychisch belastende Beein-trächtigung ihres Körperbildes empfundenwerden, und zwar ganz unabhängig davon,ob es sich um physiologische Veränderungenhandelt (siehe dazu weiter unten) oder umFolgen ererbter oder krankhafter haarschä-digender Einwirkungen. Furcht vor Entstel-lung, vermeintliche oder objektiv vorhande-ne Entstellung und gegebenenfalls darausresultierende Störungen der sozialen Kon-taktmöglichkeiten sind fast ausnahmslos daszentrale Problem für Haarpatienten. Fallwei-se können starke und plötzlich auftretende

Veränderungen des Behaarungsbildes auchFurcht vor einer gefährlichen Grundkrank-heit oder das Empfinden einer gestörten In-timsphäre hervorrufen (wenn zum Beispieldurch zytostatisch bedingten Haarausfall dasBestehen einer bösartigen Erkrankung fürFremde erkennbar wird). Es ist daher sichernicht berechtigt, Haarprobleme als »kosme-tische Störungen« zu bagatellisieren.Für den Arzt, der Patienten mit Haarverän-derungen betreut, stellen sich die Problemeanders dar: Störungen des Haarwachstumskönnen überaus zahlreiche, wesensmäßigunterschiedliche Ursachen haben: lokale In-fektionen oder physikalische Schädigungen,innere Krankheiten, Erbkrankheiten, Man-gelsituationen, hormonelle Veränderungen,Vergiftungen, unerwünschte Arzneimittelwir-kungen und viele andere. Dabei gilt für dieMehrzahl der Haarkrankheiten, dass ihresichtbaren klinischen Erscheinungsbildernicht unmittelbar auf die auslösende Störungrückschließen lassen.Völlig gleich aussehen-de Haarveränderungen können ganz unter-schiedliche Ursachen haben (siehe Abb.1.1–1.3).

9Einleitung

1 Einleitung

Abb. 1.1:UnterschiedlicheKrankheiten mitgleichartigemErscheinungsbild: (a) Atrichie (s. S. 23 f.), (b) Monilethrix (s. S. 28 f.), (c) Alopecia areata (s. S. 49 ff.)

a b c

Page 4: Inhalt - Spitta · Darüber hinaus wird die Diagnostik oftmals dadurch erschwert, dass Haarausfall bei einem Patienten gleichzeitig durch zwei un-terschiedliche schädigende Einwirkungen

Abb. 1.2: Unterschiedliche Krankheiten mit gleichartigem Erscheinungsbild: (a) androgenetische Alo-pezie, (b) Alopecia mucinosa, (c) Trichotillomanie

Darüber hinaus wird die Diagnostik oftmalsdadurch erschwert, dass Haarausfall beieinem Patienten gleichzeitig durch zwei un-terschiedliche schädigende Einwirkungen ver-ursacht ist, dass z.B. eine androgenetischeAlopezie mäßigen Grades durch ein toxischesEffluvium überlagert wird, wodurch Bilderentstehen, die nur bei großer Erfahrung zudeuten und ursächlich zu klären sind.Da es »Haarwuchsmittel« – also Wirkstoffe,die ganz allgemein geeignet sind, verstärktesHaarwachstum anzuregen – entgegen ver-breiteter Behauptung nicht gibt, ist die exak-te ursächliche Klärung einer Haarwuchsstö-rung ausnahmslos Voraussetzung für einemedizinisch sinnvolle Behandlung. Sie ist aber

ebenso wichtig, wenn wir die diagnostischenHinweise nutzen möchten, die uns Haarstö-rungen hinsichtlich der Früherkennung all-gemeiner Erkrankungen und anderer schäd-licher Einwirkungen auf den Körper gebenkönnen. Dafür einige Voraussetzungen zuvermitteln ist Zielsetzung dieses Buches.Nachfolgend werden nach einer kurzen Dar-stellung morphologischer und physiologischerGrundlagen in sechs Kapiteln die charakte-ristischen Merkmale und möglichen Ursa-chen von Haarkrankheiten dargestellt, wobeidie überaus vielfältigen klinischen Erschei-nungsbilder – also das, was der Arzt bei derUntersuchung des Patienten sieht (!) – jeweilsdas »Leitsymptom« bilden, von dem ausge-

10 Einleitung

Abb. 1.3: Unterschiedliche Krankheiten mit gleichartigem Erscheinungsbild: (a) Aplasia cutis con-genita, (b) Alopecia areata, (c) Mikrosporie

a b c

a b c

Page 5: Inhalt - Spitta · Darüber hinaus wird die Diagnostik oftmals dadurch erschwert, dass Haarausfall bei einem Patienten gleichzeitig durch zwei un-terschiedliche schädigende Einwirkungen

hend mögliche Ursachen und differenzialdi-agnostische Überlegungen besprochen wer-den. Unter bewusstem Verzicht auf Detailserwähnen und zeigen wir dabei auch einigesehr seltene und in der Regel nur von Exper-ten zuverlässig zu erkennende Haarwuchs-störungen, da nur so die Vielfalt der mög-lichen Erscheinungsbilder und Ursachenverdeutlicht werden kann.In einem gesonderten Abschnitt werden wirauf diagnostische Untersuchungen von prak-tischer Bedeutung eingehen. Kurze Hinwei-se auf aussichtsreiche Behandlungsmöglich-keiten, soweit solche gegeben sind, finden sichbei der Darstellung der einzelnen Krankhei-ten. Auf detailliertere Therapieangaben ver-zichten wir bewusst, da die Behandlung von

Haarkrankheiten sehr große praktische Er-fahrungen erfordert und »therapeutische Ver-suche« nicht hilfreich für den Patienten sind.

LiteraturFür ergänzende Informationen zu allen Ka-piteln weisen wir auf nachfolgende Über-sichtswerke hin:1. Orfanos, C.E., Happle, R. (eds.): Hair and

hair diseases. Springer, Berlin, Heidelberg,New York 1990

2. Rook, A.R., Dawber, R.P.R.: Haarkrank-heiten. Diagnose und Therapie (dt. Ausg.hrsg. von Th.M. Bunse, H.F. Merk). Black-well, Berlin, Wien 1995

3. Trüeb, R.M.: Haare. Praxis der Trichologie.Steinkopff, Darmstadt 2003

11Einleitung

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nalhaaren differenziert werden). Und umge-kehrt: Bei der androgenetischen Alopezie desMannes miniaturisieren die Terminalhaaream Kopf unter hormonellem Einfluss. DieFollikel produzieren nur noch Flaumhaare.

Aufbau des Haarfollikels und desHaaresDer Haarfollikel wird topographisch undfunktionell in drei Regionen aufgeteilt (Abb.2.1):Das Infundibulum ist der obere Abschnitt desFollikels zwischen Einmündung der Talgdrü-se in den Follikelkanal und das Follikelosti-um. Die innere Haarwurzelscheide endet un-terhalb der Talgdrüseneinmündung. Derkeratinisierte Haarschaft ist in diesem Ab-schnitt des Haarkanals von residenten Kei-men, wie Staphylococcus epidermidis, Cory-nebakterien, Malassezia und gegebenenfallsDemodex folliculorum umgeben. Störungenim mikrobiellen Gleichgewicht oder die Be-siedlung mit pathogenen Keimen können Ur-sache entzündlicher Follikulitiden sein.Als Isthmus wird der mittlere Abschnitt desHaarfollikels zwischen Talgdrüseneinmün-dung und Insertionsstelle des M. arrector pilibezeichnet. Dazu zählt auch die Wulstregion,eine Verdickung der äußeren Wurzelscheide.Sie hat besondere Bedeutung für das Haar-wachstum. Hier werden die epithelialenStammzellen des Haarfollikels vermutet, diedie stetige Regeneration von Haarzyklus zuHaarzyklus gewährleisten und unter direk-tem Einfluss von Signalen spezialisierter Fi-broblasten der dermalen Haarpapille stehen.Die von der Talgdrüse in den Haarkanal se-zernierten Lipide werden mit dem Haarschaftzur Hautoberfläche geleitet und beeinflussenu.a. die Fettung von (Kopf-)Haut und Haar.Die schreck- oder kältebedingte Innervationdes M. arrector pili führt zum Aufrichten desHaares (Gänsehaut-Phänomen).Der proximale Follikel, der längste und unte-re Abschnitt, umfasst den Haarbulbus (Ma-trixzone und Haarpapille) und den Follikel

bis zum Isthmus. Die epitheliale Haarmatrixist die stoffwechselaktivste Zone mit hohermitotischer Zellteilungsrate im wachsendenFollikel (Anagenphase, s.u.). Sie sitzt der der-malen Papille kappenförmig auf. Die Haar-matrixzellen steigen senkrecht in den Bulbusauf, wo sie kontinuierlich verhornen und inkonzentrischen Schichten den Haarschaft bil-den. In diesen ausgereiften Zellen sind dieKeratinmoleküle kabelartig angeordnet unduntereinander über Schwefelmoleküle (Di-sulfidbrücken) zu Fibrillen gebündelt. DerKortex, die breite Haarrinde, entsteht aus derHauptmasse der inneren und mittleren Ma-trixzellen. Nur in Terminalhaaren entstehtdarin ein röhrenförmiger zentraler Hohlraum,die Medulla (Haarmark), die das Haar stabi-lisiert und die Isolationseffekte des Haarklei-des durch die eingeschlossene Luft verbes-sert. Der Haarrinde liegt die Cuticula auf, einedachziegelartig angeordnete Haarzelldeck-schicht, die gemeinsam mit der sie umgeben-

14 Aufbau und Wachstumsdynamik der Haare

Abb. 2.1: Die anatomischen Regionen des Haar-follikels

] Epidermis

Muskel

Talgdrüse

Haarfollikel

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den inneren Haarwurzelscheide aus den pe-ripheren Matrixzellen entsteht und mit ihrverzahnt ist (Abb. 2.2 und 2.3).

Die Struktur und Integrität der inneren Wur-zelscheide beeinflusst die Form des Haar-schaftes. Da ihre Zellen früher verhornen als

15Aufbau und Wachstumsdynamik der Haare

Abb. 2.2: Schema des Anagen-Haarfollikels im Längsschnitt

[Epidermis

Talgdrüse

Musculusarrector pili

sensorischeNerven-endigungen

Haarbulbus

Haa

rfol

likel

Haa

rbul

bus

Matrixzellen

Melanozyten

Cuticulainnere

äußereWurzelscheide

Haarpapille

Abb. 2.3:Haarfollikelquer-schnitt mit Medulla,Cortex, Cuticula, innerer und äußererWurzelscheide (voninnen nach außen)

Mark

Rinde

Cuticula

innere Wurzelscheide

Huxley-Schicht

Henle-Schicht

äußere Wurzelscheide

Glasmembran

umgebendesBindegewebe

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bene Haarbruch aus differenzialdiagnosti-schen Gründen ebenfalls hier abgehandelt.

Pili torti und Pili trianguli etcanaliculiDiese Haarschaftanomalien zeigen ein an den»Struwwelpeter« erinnerndes, klinisch sehrähnliches Erscheinungsbild der betroffenenKinder und meist auch einen ähnlichen Ver-lauf, obwohl ihnen völlig unterschiedlicheHaarverformungen zugrunde liegen (Abb.4.10). Etwa ab Beginn der Pubertät (oder spä-ter) werden die verformten Haare zuneh-mend durch normale Haare ersetzt. Isolier-tes Auftreten der Störungen hat also meistnur eine zeitweilige kosmetische Beeinträch-tigung zur Folge. Die Kinder fühlen sichbesonders dadurch belästigt, dass ihre ei-genartige »Haartracht« viele Erwachsene ver-anlasst, ihnen in die Haare zu greifen.Pili torti sind störrisch, stehen vom Kopf abund zeigen bei auffallendem Licht infolge un-gleichmäßiger Reflexion einen lamettaarti-gen Glanz (Abb. 4.11a, b). Haar und Kopf-haut sind trocken und die Haare brechenleicht ab. Bei mikroskopischer Untersuchungzeigen sich die Haare abgeflacht und um ihre

Längsachse gedreht (Abb. 4.12a), im Quer-schnitt elliptisch (Abb. 4.12b). Auch Brauenund Lanugohaare können solche Drehungenzeigen. Ursache der Drehungen sind wahr-scheinlich Störungen in der Synchronisationder Verhornungsvorgänge im Follikel, wofürbei frühmanifesten Formen stets Erbanlagenverantwortlich sind.

26 Angeborene und frühmanifeste hereditäre Haarkrankheiten

Abb. 4.9Mikroskopische Charakteristika derhäufigeren Haar-schaftanomalien(schematische Darstellung)

a) Pili torti: um dieLängsachsegedrehtes haar,mikroskopi-sches Bild

b) Monilethrix (Spindelhaar)

c) Pili anulati (Ringelhaar)

d) Trichorrhexis nodosa:Haarknötchen

e) Trichorrhexis nodosa:pinselartiges Bruch-ende eines abgebro-chenen Knötchen-haares

f) Trichoptilosis:Haarspaltung ander Spitze und amSchaft

Abb. 4.10: Pili torti (A und B) und Pilus triangu-lus et canaliculus (C). Die ganz unterschiedlichenVerformungen sind im rasterelektronenmikrosko-pischen Bild besonders deutlich zu erkennen.

A B C

a b c d e f

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Monilethrix (Spindelhaare)Diese Strukturanomalie ist gekennzeichnetdurch wechselnde Einschnürungen und spin-delförmige Anschwellungen der Haarschäf-te in meist ganz regelmäßigen Abständen, dieden Haarschäften ein perlschnurartiges Aus-sehen geben (Abb. 4.15a, b). Die markhalti-gen Anschwellungen haben die Breite nor-maler Haare. Im Bereich der Einschnürungenfehlt das Mark und die Haare sind – je nachIntensität der Verdünnung – vermehrt brü-chig. Nicht immer sind die Veränderungen anallen Kopfhaaren vorhanden, andererseitswerden Spindelbildungen gelegentlich auchan Körperhaaren, Brauen und Wimpern ge-funden. Ursache der Anomalie ist eine auto-somal-dominant vererbte Anlage mit varia-bler Expressivität. Ob auch ein rezessiverErbgang existiert, ist ungesichert.Spindelhaare treten meist in den ersten Le-bensmonaten in Erscheinung, jedoch bei ver-schiedenen Merkmalsträgern in sehr unter-schiedlichem Ausmaß. Manchmal sind dieErscheinungen klinisch kaum auffällig. Fall-weise brechen nur in umschriebenen Berei-

chen – häufiger in der Okzipitalregion – dieHaare ab, was zu Verwechslung mit okzipita-ler Säuglingsalopezie führen kann. Meist bre-chen aber viele oder alle Kopfhaare mehroder weniger dicht über dem Haarboden(Abb. 4.16), wobei im Extrem das Bild einerfast kahlen Kopfhaut entsteht (Abb. 4.17). ImBereich der Kopfhaut besteht in der Regeleine Keratosis pilaris, häufiger auch an den

28 Angeborene und frühmanifeste hereditäre Haarkrankheiten

Abb. 4.14:Pili trianguli et canaliculi im mikro-skopischen Bild: (a) unregelmäßig ver-formte Haarschäfte,(b) Querschnitte

a b

Abb. 4.15:Monilethrix im mikroskopischenBild: (a) kettenförmigeFolge von Einschnü-rungen und Spindeln, (b) Einzelspindel ver-größert mit erkenn-barem Haarbruch

a b

Abb. 4.16: Monilethrix: 5-jähriger Junge mit Haar-schäften, die in gleichmäßig kurzen Abständenüber der Kopfhaut abgebrochen sind

Page 10: Inhalt - Spitta · Darüber hinaus wird die Diagnostik oftmals dadurch erschwert, dass Haarausfall bei einem Patienten gleichzeitig durch zwei un-terschiedliche schädigende Einwirkungen

Tab. 5.2: Mögliche Ursachen androgenabhängi-ger Haarveränderungen

Während schon seit langem bekannt ist, dassFrauen eine AGA vom männlichen Musterbekommen können (Abb. 5.4), ist das Vor-kommen des femininen Typs bei Männernerst vor etwa 20 Jahren beschrieben worden.Für Ersteres ist vermutlich die Tatsache ver-antwortlich, dass eine AGA vom männlichenTyp bei der Frau sehr auffällig ist und die be-troffenen Frauen sich entstellt fühlen. Die»femininen« Alopezieformen sind (bei bei-den Geschlechtern) viel weniger auffällig,besser kosmetisch zu überdecken und sehr

leicht mit diffusen Effluvien zu verwechseln(siehe Abb. 5.5–5.9).

Es gibt heute Arzneimittel (für Männer mitdem Wirkstoff Finasterid zur inneren Anwen-dung, für Männer und Frauen mit dem Wirk-stoff Minoxidil zur äußeren Anwendung), mitdenen das für die Bildung von DHT in denFollikeln verantwortliche Enzym (5-alpha-Reduktase II) gehemmt oder die Vaskulari-sation im Bereich der dermalen Papille ge-steigert und dadurch ein Stillstand derandrogenetischen Alopezie und fallweise ein

• gesteigerte Androgenproduktion beihormonellen Erkrankungen (Ovarialer-krankungen, Funktionsstörungen vonNebennierenrinde oder Hypophyse, an-drogenbildende Tumoren: hormonelleVirilisierungserscheinungen i.e.S.)

• Behandlung mit Androgenen, Hormo-nen, die die Androgenbildung anregen,oder Pharmaka mit androgener Rest-wirkung (ACTH, Anabolika, Corti-costeroide, Danazol, Gonadotropine,Nortestosteron-haltige Kontrazeptiva:medikamentöse Virilisierungserschei-nungen)

38 Alopezien

Abb. 5.4: Androgenetische Alopezie vom männ-lichen Typ bei einer 50-jährigen Frau

Abb. 5.5: Mutter mit fortgeschrittener und Toch-ter mit beginnender androgenetischer Alopezie

Abb. 5.6: Beginnende, aber deutlich erkennba-re androgenetische Alopezie (Ludwig I) bei einer19-jährigen jungen Frau

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verstärktes Nachwachsen der Haare erreichtwerden kann. Eine solche Behandlung musslangzeitig durchgeführt werden, da die Wir-kung auf die Dauer der Therapie begrenzt ist.Weitere hormonelle Wirkstoffe (Antiandro-gene), die zu diesem Zweck bei Frauen ein-gesetzt werden, können zum Teil unerwünsch-te Nebenwirkungen haben. Eine systemische

Medikation sollte nur von einem mit diesenTherapien vertrauten Arzt verordnet und dieBehandlung regelmäßig überwacht werden.Alternativ bietet sich bei großem Leidens-druck auch eine Eigenhaartransplantationan.

Literatur1. Bandaranayake, I., Mirmirani, P.: Hair loss

remedies – separating fact from fiction.Cutis 73 (2004) 107–114

2. Blume-Peytavi, U.: AnlagebedingterHaarausfall und aktuelle Therapiekon-zepte. Akt Dermatol 28 (2002) S19–S23

3. Hamilton, J.B.: Patterned loss of hair inman:Types and incidence.Ann NY AcadSci 53 (1951) 708–728

4. Hanneken, S., Ritzmann, S., Nöthen,M.M., Kruse, R.: Androgenetische Alo-pecie. Hautarzt 54 (2003) 703–712

5. Hoffmann, R., Happle, R.: Die pathoge-netische Bedeutung der 5-alpha-Reduk-tase-Isoenzyme für die androgenetischeAlopecie. Hautarzt 50 (1999) 165–173

6. Kaufmann, K.D., for the Finasteride MalePattern Hair Loss Study Group: Long-

39Alopezien

Abb. 5.7: Stärker ausgeprägte androgenetischeAlopezie (Ludwig I–II) bei einer 24-Jährigen mitvermehrter ovarieller Androgenbildung

Abb. 5.8: Beginnende androgenetische Alope-zie vom femininen Typ (Ludwig I) bei einem 27-jährigen Mann. Dieses Erscheinungsbild wirdleicht mit diffusem Effluvium verwechselt.

Abb. 5.9: Androgenetische Alopezie vom TypLudwig II–III bei einem 27-jährigen Mann

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Als Pseudoalopezien werden Haarmangelzu-stände bezeichnet, die durch chronische oder(seltener) akute traumatische Zugwirkungenan den Haaren zustande kommen, bei denendie Haare also nicht ausfallen, sondern ge-waltsam aus den Follikeln gezogen werden.Häufig sieht man sie als Folge von Zugbelas-tungen durch modische Frisuren wie Pferde-schwanz (Abb. 6.1) oder afrokaribische Zöpf-chenfrisur (Abb. 6.2), auch bei traditionellenHaartrachten (z.B. Alopecia marginalis derSchwälmer Bäuerinnen; Chignon-Alopeziedurch straffen Knoten). Dabei führt die an-haltende Traktion nicht selten zum Abbre-chen von Haaren und langfristig zu regressi-ven Veränderungen der Haarfollikel mit derFolge dauerhafter Haarlichtung oder um-schriebener Kahlheit. Zu größeren vorüber-gehenden Kahlstellen kann es durch akuteTraktionstraumen kommen, z.B. wenn Haar-strähnen unbeabsichtigt in rotierende Ma-schinen gelangen (Abb. 6.3). Die Kopfhautbleibt dabei unverändert oder zeigt diskretehämorrhagische Zeichen.

63Pseudoalopezien und Artefakte

6 Pseudoalopezien und Artefakte

Abb. 6.1: Marginale Haarlichtung durch Pferde-schwanzfrisur bei einem 8-jährigen Mädchen

Abb. 6.2: Zugbedingte Alopezie durch langzei-tig getragene Zöpfchenfrisur bei einer 27-jähri-gen Frau

Abb. 6.3: Kahlstelle durch akutes Zugtrauma: rotierende Maschine

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Bei der Klassifizierung einer starken Behaa-rung als krankhafte Überbehaarung mussman sich stets an den geschlechts- und bevöl-kerungsgruppentypischen Normen orientie-ren. Die Ausprägung des Körperhaarkleideszeigt vor allem bei Männern eine von denErbanlagen abhängige beträchtliche Variati-onsbreite, innerhalb derer einerseits sehrhaararme Typen vorkommen, andererseitsMänner mit sehr starker Behaarung an Brust,Bauch, Rücken und Extremitäten, ohne dassman Letztere als überbehaart ansprechendürfte. Zu berücksichtigen ist auch, dass inhöherem Alter konstitutionsabhängig bei bei-den Geschlechtern in bestimmten Regionenverstärkt Haare wachsen können (s.u. S. 71 f.),ohne dass dies eigentlich als Normabwei-chung anzusehen ist. Eine Überbehaarungkann man beim erwachsenen Mann nur danndiagnostizieren, wenn eine verstärkte Behaa-rung an normalerweise nicht auffällig behaar-ten Körperstellen auftritt oder in einer Lo-kalisation, die nicht den normalerweisemöglichen Verteilungsmustern entspricht. Sol-che regelwidrigen Formen der Überbehaa-rung bezeichnet man als Hypertrichosen.Diese können anlagemäßig als eigenständi-ge Fehlbildungen oder als Symptom angebo-rener Krankheiten auftreten, aber auch alserworbene Störungen. In beiden Fällen kanndie Überbehaarung die gesamte mit Follikelnausgestattete Körperdecke betreffen oder aufumschriebene Bezirke beschränkt sein.Eine definitionsgemäß nur bei Frauen vor-kommende besondere Form der Überbehaa-

rung ist der Hirsutismus. Darunter verstehtman das Auftreten eines männlichen, alsonicht der weiblichen Geschlechtsnorm ent-sprechenden, aber hinsichtlich des Vertei-lungsmusters normalen Körper- und/oder Ge-sichtshaarkleides.Die Begriffe Hypertrichose und Hirsutismussollten streng unterschieden werden, da sieprinzipiell anders zu wertende Erscheinun-gen kennzeichnen.

Angeborene generalisierteHypertrichosenUnter den generalisierten Hypertrichosen istdie konstitutionelle präpuberale Hypertricho-se vermutlich die häufigste. Dabei kommt esim Kindesalter aus ungeklärter Ursache zueiner mäßig bis deutlich verstärkten persis-tierenden Behaarung im Bereich von Stirnund Augenbrauen, Schultern und Rücken(Abb. 7.1) sowie den oberen Extremitäten-streckseiten. Die Störung wird wohl meist mitanderen Hypertrichosen verwechselt, nur sel-ten klinisch diagnostiziert und im Schrifttumnur vereinzelt behandelt.Die sicherlich sehr viel seltenere Hypertri-chosis universalis congenita hat demgegen-über wegen ihrer Kuriosität erhebliche Be-achtung gefunden. Insgesamt sind seit dem16. Jahrhundert nur etwa 50 Träger beschrie-ben worden.Wegen ihrer fellartigen Körper-oberfläche und der starken Gesichtsbehaa-rung, die ohne deutliche Abgrenzung insKopfhaar übergeht, sind die betroffenenMenschen als Haarmenschen, Affenmen-

67Hypertrichosen und Hirsutismus

7 Hypertrichosen und Hirsutismus(einschließlich Altersveränderungen der Behaarung)

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schen, Hunde- oder Löwenmenschen bezeich-net und oft zur Schau gestellt worden.Die Erkrankung tritt familiär auf und wirdautosomal-dominant vererbt. Der zugrundeliegende Gendefekt bewirkt Persistenz undexzessives Wachstum der Vellushaarfollikel.Kopfhaare, Brauen und Wimpern, eventuellauch die Axillarhaare sind pigmentiert undwachsen normal, alle anderen Haare ein-schließlich Bart- und Schamhaaren sind sei-dig und hell, bis 25 cm lang. Meist ist das dich-te Haarkleid schon bei Geburt vorhanden,kann aber auch in den ersten Lebensjahrenin Erscheinung treten.Hiervon abzugrenzen ist die Hypertrichosislanuginosa congenita. Dabei kommt es zumPersistieren der intrauterinen Lanugo, so dassdas Integument bei Geburt dicht von Lanu-gohaaren bedeckt ist, die erst nach dem ers-ten Lebensjahr ausfallen.Generalisierte Hypertrichosen finden sichauch als Symptom verschiedener hereditärerFehlbildungssyndrome. Beispielhaft sei hierdas durch außerordentliche klinische Vielfaltgekennzeichnete Cornelia-de-Lange-Syndrom

genannt. Dabei bestehen neben der obliga-ten Hypertrichose dichte und konfluierendeAugenbrauen und eine tiefgezogene Stirn-haargrenze, die den Kindern neben anti-mongoloid schief liegenden Augen und einerbreiten Nasenbrücke ein typisches, immerähnliches klinisches Aussehen geben. Fallwei-se sind Zwergwuchs, geistige Retardierung,Krampfneigung, Kryptorchismus, Unterkie-ferhypoplasie und andere Fehlbildungen as-soziiert.

Umschriebene angeborene HypertrichosenUnter den umschriebenen angeborenen Hy-pertrichosen sind die gelegentlich zervikal,häufiger lumbosakral über der Wirbelsäulevorhandenen Haarbüschel klinisch bedeut-sam, da sie auf Spaltbildungen der Wirbelsäu-le hinweisen (Abb. 7.2). Bei Hemihypertro-phie finden sich halbseitige oder auf eineExtremität beschränkte Hypertrichosen überder anlagemäßig verstärkt wachsenden Kör-perpartie. Umschriebene Vermehrung vonHaaren kann auch als solitäre nävoide Ent-wicklungsstörung (ektope Supercilien, Abb.7.3) oder (häufiger) in Verbindung mit ande-ren Malkrankheiten gefunden werden, z.B.bei systematisierten Nävi (Abb. 7.4), um-schriebenen oder flächenhaften Pigmentnä-vi und Melanosis naeviformis.

68 Hypertrichosen und Hirsutismus

Abb. 7.1: Konstitutionelle Hypertrichose bei ei-nem 6-jährigen Mädchen

Abb. 7.2: Asymmetrischer Satyrschwanz überfissuralem Nävus bei Spina bifida

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Eine auf Augenbrauen und Wimpern be-schränkte Hypertrichose ist Leitsymptom desTrichomegalie(Oliver-McFarlane)-Syndroms.Die Kinder kommen mit buschigen Brauenund ungewöhnlich langen Wimpern (Abb.7.5) zur Welt. Dies bezeichneten die Erstbe-schreiber als »Trichomegalie«.Weitere regel-mäßig beobachtete Merkmale des ursächlichungeklärten Fehlbildungssyndroms sind Pig-mentretinopathie mit Sehbehinderung, allge-meine Wachstumsverzögerung und Minder-wuchs, mentale Retardierung sowie eineokzipital betonte Hypotrichose der Kopfhaa-re.Das Symptom Trichomegalie wird in den letz-ten Jahren verstärkt beachtet, da es als erwor-

bene Haarveränderung bei AIDS-Patientenvorkommt und auch durch Pharmaka verur-sacht werden kann (s.u. S. 70).

Erworbene (symptomatische)HypertrichosenEine hochgradige generalisierte Hypertricho-se mit sehr charakteristischem Verlauf trittmanchmal bei metastasierenden Tumoren(Lunge, Gallenblase, Rektum, Kolon, Blaseu.a.) als paraneoplastisches Symptom auf. Beiden betroffenen, meist schon älteren Perso-nen tritt plötzlich ohne ersichtlichen Grundverstärktes und dichtes Wachstum aller Haar-arten unter Beibehaltung ihres jeweiligenCharakters ein. An zuvor nicht merklich be-haarten Körperstellen, insbesondere im Ge-sicht, an den Ohren und im Nacken, kommtes zum Auftreten eines dichten Rasens vonfarblosen zarten Lanugohaaren erheblicherLänge. Zuvor schon vorhandene Körper- undBeinhaare erreichen innerhalb von 14 Tageneine Länge von über 5 cm. Brauen und Wim-pern werden 4 cm und Schamhaare 15 cmlang. Meist wachsen auch die Kopfhaare ver-stärkt. Der Hypertrichose liegt eine Anagen-synchronisation aller Haarfollikel mit Be-

69Hypertrichosen und Hirsutismus

Abb. 7.3: Ektope Supercilien

Abb. 7.4: Nävoide Hypertrichose im Schulter-und Ellenbogenbereich bei einem 7-jährigen Mäd-chen

Abb. 7.5: 6-jähriges Mädchen mit ungewöhnlichlangen Wimpern aufgrund eines Oliver-McFar-lane-Syndroms. Die Wimpern müssen regelmä-ßig geschnitten werden, da sie sonst wie Gardi-nen vor den Augen hängen.

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schleunigung der Wachstumsrate und Verlän-gerung des Anagens zugrunde, wobei das sti-mulierende Agens bisher nicht geklärt ist. So-weit aus den bisherigen Beobachtungen zuerschließen, beginnt die Überbehaarung mitEinsetzen der Metastasierung. Rückbildungwurde bisher nicht beobachtet.Schwere Schädel-Hirn-Traumen bzw. darausresultierende Störungen zerebraler Zentrenkönnen Ursache ausgedehnter Hypertricho-sen sein, die etwa 2–4 Monate nach der Schä-digung einsetzen. Dabei wird die Lanugobe-haarung dichter und länger. An den Beinen,den Armen und in der Bauch- und Rücken-region (Abb. 7.6) kommt es zur Umwandlungvon Lanugohaaren in Terminalhaare, nichtselten seitendifferent. Häufig ist ein posttrau-matisches Effluvium der Kopfhaare assozi-iert. Diese Überbehaarung und ein gegebe-nenfalls vorhandenes Effluvium bilden sichinnerhalb eines Jahres zurück.Vielfach zeigt sich eine symptomatischeÜberbehaarung bei Kranken mit Mangeler-nährung, so bei Zöliakie und anderen Mal-absorptionskrankheiten. Geradezu kenn-

zeichnend ist sie bei Anorexia nervosa, hierbesonders ausgeprägt an den Beinen, den Un-terarmen und auf dem Rücken.Ausgedehntere lanuginöse Hypertrichosenkommen auch bei verschiedenen Dermato-sen vor, so bei Dermatomyositis, Epidermo-lysis bullosa und Porphyria congenita. EineZunahme der Extremitätenbehaarung findetsich bei der progressiven Sklerodermie. BeiPorphyria cutanea tarda, die mit hochgradi-ger Lichtempfindlichkeit einhergeht, tritt ty-pischerweise eine Überbehaarung in den vor-deren Wangen- und seitlichen Stirnpartiensowie an den Ohren auf, die bei Frauen einehirsute Gesichtsbehaarung imitieren kann.Bei Hypertrichose im Gesichtbereich solltedaher stets nach einer Lichtempfindlichkeitgefragt werden.Unter den bei HIV-Infektionen berichtetendiffusen und lokalisierten Hypertrichosen,die vermutlich zum Teil durch Medikamentebedingt sind, ist als besonders charakteris-tisch die AIDS-assoziierte Trichomegalie mitüberlangem Wachstum der Wimpern zu er-wähnen.Lokale Reizwirkungen physikalischer, che-mischer oder entzündlicher Natur führen häu-fig zu erworbener Hypertrichosis irritativa,die auf das irritierte Areal begrenzt und meistasymmetrisch lokalisiert ist. So kann bei ent-sprechenden Berufen durch langzeitig wie-derholten Druck, z.B. durch das Tragen vonLasten auf den Schultern oder durch ständi-ges Knien, das Wachstum von Terminalhaa-ren an sonst unbehaarten Stellen angeregtwerden (Abb. 7.7). Auch nach Nervenläsio-nen (Abb. 7.8), bei heilenden Verletzungenund Verbrennungen, über entzündlichen Ge-lenken und nach Hautentzündungen kannzeitweiliges umschriebenes verstärktes Haar-wachstum vorkommen. Pharmakogene er-worbene Hypertrichosen, wie sie durch zahl-reiche Medikamente ausgelöst werdenkönnen (s.Tab. 7.1), sind meist im Rückenbe-reich und/oder an den Extremitäten beson-ders ausgeprägt (Abb. 7.9).

70 Hypertrichosen und Hirsutismus

Abb. 7.6: Hypertrichose nach Schädel-Hirn-Trau-ma bei einem 14-jährigen Mädchen