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58 ZfCM | Controlling & Management 56. Jg. 2012, H.1 PRAXIS | ARTIKEL Einleitung Sowohl die Erhöhung als auch die zuneh- mende Differenzierung von Kundenan- forderungen führen zu einer stetigen Stei- gerung der Produktkomplexität. Für die Entwicklung derartiger Produkte sind zahlreiche mittelständische Firmen und sogar Großunternehmen kaum noch in der Lage, alle notwendigen Kompetenzen und Ressourcen eigenständig bereitzustellen; sie sind auf Unterstützung von außerhalb angewiesen (vgl. Sydow 2003). Im Rahmen der Integration solcher externer Ressour- cen in den Forschungsprozess entstehen neue Organisationsformen im Spannungs- feld zwischen Markt und Hierarchie. Diese neuen Arten der Zusammenarbeit – zum Beispiel im Rahmen von Netzwerken – gilt es zu koordinieren. Der Beitrag beschreibt, mit welchen Kriterien die Leistungsmes- sung in den Phasen eines Innovationspro- zesses arbeiten kann. Dabei wird aufge- zeigt, dass neben dem Ressourceneinsatz (Input) auch der Entwicklungsprozess (Throughput) gesteuert und gemessen werden muss, um zu erkennen, welchen Beitrag die einzelnen Entwicklungspartner zur Zielerreichung (Output) leisten. Dies ist Voraussetzung für eine faire Verteilung des Innovationserfolgs (Outcome) auf die beteiligten Akteure. Entstehung von Innovationen Innovationen sind die Grundlage für den langfristigen Markt- und somit Unterneh- menserfolg. Zusätzlich steigern Industrie- innovationen durch mehr „dynamische Effizienz“ die Leistungsfähigkeit der Volks- wirtschaft (vgl. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2007). Allein in Deutschland geben Unternehmen jährlich 50 Mrd. € für Forschung und Entwicklung (FuE) aus (vgl. ebenda). Stetig steigende Aufwände für FuE haben zur Folge, dass diese Tätigkeiten zunehmend mit Hilfe von dyadischen Kooperationen und Netzwer- ken durchgeführt werden, um Ressourcen zu bündeln. Während unternehmensin- terne FuE bereits eine Herausforderung darstellt, wird die Problematik bei unter- nehmensübergreifender Vernetzung noch verschärft. Hier sind insbesondere die aus dem internen Management bekannten Schnittstellenprobleme zwischen Funk- tionsbereichen, Disziplinen/Domänen, Produktgenerationen und -varianten be- deutsam. Es stellt sich daher die Frage, wie in diesem Kontext die richtigen Entschei- dungen getroffen werden können und der Prozess erfolgreich gesteuert werden kann. Innovationen lassen sich als neuartige Produkte oder Verfahren betrachten, die gegenüber etablierten verändert sind und neu am Markt eingeführt werden (vgl. Hauschildt/Salomo 2007, S. 9 ff.), wobei der Grad, ab dem von einer Innovation ausgegangen wird, nur schwer greifbar ist. Zunächst können Innovationen auf ver- schiedene Art und Weise entstehen. Eine geplante Innovation ist eine bewusste Ab- weichung von bisherigen Praktiken oder bisherigem Wissen. Demgegenüber ist die Improvisation eine spezielle Form der In- novation, der keine Planung, also kein ziel- gerichtetes Handeln vorausgeht (vgl. auch Brockhoff 1999, S. 35 zur Differenzierung und zum „Serendipitäts-Effekt“ bei Erfin- dungen). Beide Formen der Innovation können intra- und extra-organisational auftreten. Intra-organisational zielt auf FuE innerhalb eines Unternehmens ab, wäh- rend FuE im extra-organisationalen Fall durchaus auch in externen Netzwerken Martin Stirzel/Thomas Armbrüster Innovations-Performance Measurement für Netzwerke Leistungsmessung und Ausrichtung über Unternehmensgrenzen hinweg Autoren Dr. Martin Stirzel ist als Senior Consultant der Daimler Protics GmbH im Hause Daimler in Ko- operationsprojekten tätig. Daimler Protics GmbH, Augsburger Straße 540, 70327 Stuttgart-Untertürkheim, martin. [email protected], Tel. 0151/58616884 Prof. Dr. Thomas Armbrüster lehrt Strategie, Organisation und Perso- nalmanagement an der Quadriga Hoch- schule Berlin, Werderscher Markt 13, 10117 Berlin, thomas.armbruester@ quadriga.eu, Tel. 030/44729-430. Das vorgestellte Konzept ermöglicht eine umfassende Leistungsmessung in allen Stadien und Dimensionen des In- novationsprozesses. In einer neuartigen Struktur werden Ursache-Wirkungs-Beziehungen mit berücksichtigt. Die Ursache-Wirkungs-Beziehungen verhelfen den Akteuren zu einer erfolg- reicheren Kommunikation der Zusam- menhänge und tragen zu einer ver- besserten Verfolgung der strategischen Ziele bei. Die gewonnenen Erkenntnisse sind wissenschaftlich fundiert und befinden sich in der Praxiserprobung.

Innovations-Performance Measurement für Netzwerke

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PRAXIS | ARTIKEL

Einleitung

Sowohl die Erhöhung als auch die zuneh­mende Differenzierung von Kundenan­forderungen führen zu einer stetigen Stei­gerung der Produktkomplexität. Für die Entwicklung derartiger Produkte sind zahlreiche mittelständische Firmen und sogar Großunternehmen kaum noch in der Lage, alle notwendigen Kompetenzen und Ressourcen eigenständig bereitzustellen; sie sind auf Unterstützung von außerhalb angewiesen (vgl. Sydow 2003). Im Rahmen der Integration solcher externer Ressour­cen in den Forschungsprozess entstehen

neue Organisationsformen im Spannungs­feld zwischen Markt und Hierarchie. Diese neuen Arten der Zusammenarbeit – zum Beispiel im Rahmen von Netzwerken – gilt es zu koordinieren. Der Beitrag beschreibt, mit welchen Kriterien die Leistungsmes­sung in den Phasen eines Innovationspro­zesses arbeiten kann. Dabei wird aufge­zeigt, dass neben dem Ressourceneinsatz (Input) auch der Entwicklungsprozess (Throughput) gesteuert und gemessen werden muss, um zu erkennen, welchen Beitrag die einzelnen Entwicklungspartner zur Zielerreichung (Output) leisten. Dies ist Voraussetzung für eine faire Verteilung des Innovationserfolgs (Outcome) auf die beteiligten Akteure.

Entstehung von Innovationen

Innovationen sind die Grundlage für den langfristigen Markt­ und somit Unterneh­menserfolg. Zusätzlich steigern Industrie­innovationen durch mehr „dynamische Effizienz“ die Leistungsfähigkeit der Volks­wirtschaft (vgl. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2007). Allein in Deutschland geben Unternehmen jährlich 50 Mrd. € für Forschung und Entwicklung (FuE) aus (vgl. ebenda). Stetig steigende Aufwände für FuE haben zur Folge, dass diese Tätigkeiten zunehmend mit Hilfe von dyadischen Kooperationen und Netzwer­ken durchgeführt werden, um Ressourcen zu bündeln. Während unternehmensin­terne FuE bereits eine Herausforderung darstellt, wird die Problematik bei unter­nehmensübergreifender Vernetzung noch verschärft. Hier sind insbesondere die aus dem in ternen Management bekannten Schnittstellenprobleme zwischen Funk­tionsbereichen, Disziplinen/Domänen, Produkt generationen und ­varianten be­deut sam. Es stellt sich daher die Frage, wie

in diesem Kontext die richtigen Entschei­dungen getroffen werden können und der Prozess erfolgreich gesteuert werden kann.

Innovationen lassen sich als neuartige Produkte oder Verfahren betrachten, die gegenüber etablierten verändert sind und neu am Markt eingeführt werden (vgl. Hauschildt/Salomo 2007, S. 9 ff.), wobei der Grad, ab dem von einer Innovation ausgegangen wird, nur schwer greifbar ist.

Zunächst können Innovationen auf ver­schiedene Art und Weise entstehen. Eine geplante Innovation ist eine bewusste Ab­weichung von bisherigen Praktiken oder bisherigem Wissen. Demgegenüber ist die Improvisation eine spezielle Form der In­novation, der keine Planung, also kein ziel­gerichtetes Handeln vorausgeht (vgl. auch Brockhoff 1999, S. 35 zur Differenzierung und zum „Serendipitäts­Effekt“ bei Erfin­dungen). Beide Formen der Innovation können intra­ und extra­organisational auftreten. Intra­organisational zielt auf FuE innerhalb eines Unternehmens ab, wäh­rend FuE im extra­organisationalen Fall durchaus auch in externen Netzwerken

Martin Stirzel/Thomas Armbrüster

Innovations-Performance Measurement für NetzwerkeLeistungsmessung und Ausrichtung über Unternehmensgrenzen hinweg

Autoren

Dr. Martin Stirzel ist als Senior Consultant der Daimler Protics GmbH im Hause Daimler in Ko-operationsprojekten tätig. Daimler Protics GmbH, Augsburger Straße 540, 70327 Stuttgart-Untertürkheim, [email protected], Tel. 0151/58616884

Prof. Dr. Thomas Armbrüster

lehrt Strategie, Organisation und Perso-nalmanagement an der Quadriga Hoch-schule Berlin, Werderscher Markt 13, 10117 Berlin, [email protected], Tel. 030/44729-430.

■ Das vorgestellte Konzept ermöglicht eine umfassende Leistungsmessung in allen Stadien und Dimensionen des In-novationsprozesses. ■ In einer neuartigen Struktur werden

Ursache-Wirkungs-Beziehungen mit berücksichtigt. ■ Die Ursache-Wirkungs-Beziehungen

verhelfen den Akteuren zu einer erfolg-reicheren Kommunikation der Zusam-menhänge und tragen zu einer ver-besserten Verfolgung der strategischen Ziele bei. ■ Die gewonnenen Erkenntnisse sind

wissenschaftlich fundiert und befinden sich in der Praxiserprobung.

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durch Inspiration und neue Kombinations­möglichkeiten auftreten kann. Sowohl ge­plante als auch ungeplante, improvisierte Innovationen sind unter dem Blickpunkt eines Performance Managements interes­sant. Da ein solches aber nur bei geplanten Innovationen vollständig in allen Phasen durchgeführt werden kann, konzentriert sich der Artikel im Folgenden auf diese Innovationsart.

Bei geplanten Innovationen werden Res­sourcen (Personal, Material, Patente etc.) eingesetzt, transformiert und somit neue Werte geschaffen. Dabei können Unter­nehmen intern vorhandene Ressourcen um externe ergänzen. Horizontale Partner, Lieferanten, aber auch Kooperationen in vernetzten Strukturen können Know­how und Kapazitäten beisteuern (vgl. Hess 2002, S. 36 ff.).

Messung der Entstehung von Innovationen

Bei der Messung der Entstehung von In­novationen richtet sich das Augenmerk ähnlich wie bei allen operativen Prozessen auf die Effektivität und die Effizienz des Ent­stehungsprozesses. Effektivität liegt vor, wenn die für ein neues Produkt notwendi­gen Mittel „auf Projekte verwendet werden, deren Ergebnisse in zeitlicher und sach­licher Hinsicht auf die Unternehmensziele abgestimmt sind“ (Brockhoff 1990, S. 1). Die Mittel sollen für Vorhaben mit den höchs­ten zu erwartenden Markterfolgen und so­mit Ergebnissen verwendet werden. Im Ge­gensatz zur alleinigen Output­Betrachtung der Effektivität zielt die Effizienz auf einen ressourcensparenden Mitteleinsatz ab.

Ausgangspunkt der Messung ist ein be­reits festgelegtes Projektportfolio, an dem die Effizienz der Durchführung der FuE auf dem Weg zum Produkt untersucht wer­den soll. Während die mögliche Zielerrei­chung (Effektivität) in der Regel eher als unproblematisch bezeichnet werden kann, findet oft eine Überschreitung der Zeit­ und Kostenrahmen statt, die aus operativer Sicht von hoher Bedeutung sind und für die Effizienz stehen. Die effizienzorientier­ten Ziele eines Projekts lassen sich daher im Wesentlichen auf ein festgelegtes Bud­get, einen gesetzten Fertigstellungszeit­punkt sowie die Erfüllung von Kunden­wünschen und daraus resultierenden Spe­zifikationsanforderungen reduzieren.

Ouchi (1977, S. 97 ff.) teilt FuE­Projekte anhand der Dimensionen „Bekanntheits­grad des Transformationsprozesses“ (bspw. ist die Ideenentwicklung eine schwerer er­fassbare Tätigkeit als die tatsächliche Kon­struktion) und „Zeitnahe Messbarkeit des Outputs“ in einer Matrix ein (siehe Abbil-dung 1). In Abhängigkeit hiervon muss eine unterschiedliche Steuerung über In­put, Verhalten oder Output erfolgen.

Die reine Messung von Inputs innerhalb von Transformationsprozessen eignet sich kaum, um Aussagen über den Erfolg von geplanten Innovationen zu treffen. Dies ist nur dann sinnvoll, wenn man die Prämisse eines festen Wirkungszusammenhangs un­terstellen kann, was in der Praxis jedoch scheitert. Eine inputorientierte Steuerung ist daher nur zur vereinfachten Messung sinnvoll bzw. bis andere Steuerungsgrößen vorhanden sind. Dagegen lassen sich be­züglich der Transformationsprozessgrößen und der Outputs durchaus Maßstäbe anset­zen. Zusätzlich zu den von Ouchi genann­

ten Größen, welche auf die nach innen ge­richtete Erstellung neuer Produkte in der FuE fokussieren, können noch Messgrößen für den Erfolg nach außen zum Markt hin definiert werden.

Die Akzeptanz durch externe Marktteil­nehmer und daraus resultierende Umsätze werden als Outcomes bezeichnet (vgl. Ellis 1997, S. 18). Diese zeigen zwar die Effekti­vität der Innovation am Markt an, lassen sich aber nur begrenzt auf bestimmte Or­ganisationseinheiten und Verantwortungs­träger beziehen.

Performance Measurement in Netzwerken

Performance Measurement wird haupt­sächlich durchgeführt (vgl. Kaplan/Norton 1997, S. 2 und 18 f.), ■ um die Leistung zu messen und zu be­werten sowie ■ um die Organisation mit ihren Akteuren auf gemeinsame Ziele auszurichten.

In der Entwicklung werden Potenziale ge­schaffen, die zunächst intangibel sind und deren sichtbare Wirkung – insbesondere bezogen auf den finanziellen Erfolg – erst viel später eintritt. Die Schmalenbach Ge­sellschaft für Betriebswirtschaftslehre sieht daher für Innovationen explizit eine eigene Kategorie von intangiblen Werten vor. Für diese immateriellen Innovationsfähigkeits­werte ist eine integrierte finanzielle und nicht­finanzielle Leistungsmessung und Steuerung mittels Performance Measure­ment sinnvoll. Performance Measurement bildet die Wirkungszusammenhänge zwi­schen nicht­monetären und monetären Einflussfaktoren ab und verknüpft intan­gible Nutzen mit zukünftigem tangiblem Nutzen. Ein bekanntes Performance Mea­surement­System ist zum Beispiel die Balanced Scorecard (vgl. Kaplan/Norton 1997). Der Informationsverarbeitungspro­zess im Rahmen des Performance Measu­rement kann – sowohl in einem einzelnen Unternehmen als auch in einem Netzwerk – durch Controller entwickelt und durch­geführt werden. Die entsprechenden In­formationen sind aufzuzeichnen, zu analy­sieren und zu berichten.

Abbildung 2 gibt einen Überblick über Innovations­Performance Measurement in Netzwerken (Einteilung der Aufgaben Se­lek tion, Allokation, Regulation, Evaluation nach Sydow 2003, S. 310 ff.).

Die Selektion geeigneter Innovations­partner vorausgesetzt, werden in der Allo­

Abb. 1 | Messgrößen von Transformationsprozessen innerhalb eines FuE-Systems

Quelle: Ouchi 1977, S. 98, Bild 1

Input (Ressourcen) Prozess (Verhalten)

OutputOutput oder

Prozess (Verhalten)

Gering

Hoch

Zeitnahe Messbarkeitvon Output

Bekanntheitsgrad desTransformationsprozesses

Gering Hoch

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kation den einzelnen Netzwerkpartnern sowohl Aufgaben als auch zu deren Bewäl­tigung benötigte Ressourcen zugeteilt. Im Verlauf des Transformationsprozesses hin zum Ergebnis werden im Rahmen der Re­gulation jeweils Anpassungen (Maßnah­men im Rahmen des Projekts, oder wenn Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, eine Veränderung des Projektfokus, ­zeit­plans, ­budgets) vorgenommen. Die hier­für benötigte Information wird mittels der Evaluation erhoben. Hierbei werden die einzelnen Prozessschritte ständig über­wacht und mit der ursprünglichen Auf­gaben­ und Ressourcenzuordnung abge­glichen (Soll­Ist­Vergleich). Ein besonde­res Problem in Innovationsnetzwerken ist, dass der tatsächliche Innovationsbeitrag eines Beteiligten im Ergebnis bzw. im Out­come nicht immer klar ersichtlich ist. Da­her muss vorab im Rahmen der Alloka tion auch eine vermutete Entstehungskette ge­bildet werden, damit eine klare Aufteilung von Sachzielen und Formalzielen (bspw. Budgets, die sich an den Sachzielen wie „Entwicklung eines neuen Produkt­Deri­vats“ orientieren) erfolgen kann.

Die Messung kann mit Key Performance Indicators (KPI) in (i) monetären, (ii) nicht­monetären quantifizierbaren und

(iii) nicht­monetären nicht direkt quantifi­zierbaren (also qualitativen) Einheiten vor­genommen werden (vgl. Cordero 1990, S. 190). Sowohl qualitative als auch quanti­tative KPI sind erforderlich: „Even a quick perusal of such issues leads to the thought that a comprehensive measurement system will need both types of indicators.“ (Brown/Gobeli 1992, S. 326). Qualitative Mess­größen basieren auf personenbezogenen, subjektiven Einschätzungen. Dabei muss die Frage gestellt werden, inwieweit die subjektiven Beschreibungen den richtigen Sachverhalt darstellen und ob eine andere Person in derselben Situation zu demsel­ben Ergebnis kommen würde (vgl. Brown/Gobeli 1992, S. 327). Bei nicht direkt quan­tifizierbaren Messgrößen werden relativ subjektive Einschätzungen in möglichst objektive Zahlen umgewandelt („surroga­te measures“, Brown/Gobeli 1992, S. 326). Oft werden dann vielschichtige Indika­toren gleichzeitig ermittelt, um ein mög­lichst realitätsnahes Bild und somit höhere Datenqualität zu erhalten (vgl. ebenda). Manager in Forschung und Entwicklung bevorzugen aufgrund ihres meist techni­schen/naturwissenschaftlichen Hintergrunds oft quantitative Kriterien (vgl. Brown/Gobeli 1992, S. 327). Aller­

dings haben quantitative Messgrößen auch Nachteile. Sie haben in unsicheren Situa­tionen nur geringe Aussagekraft, sind bei neuartigen, sehr spezifischen Situationen nicht flexibel, vernachlässigen subjektive Einschätzungen, lassen kaum eine langfris­tige, strategische Denkweise zu und enthal­ten keine sozialen Faktoren (vgl. Brown/Gobeli 1992, S. 327). Daher muss eine Kombination – eine Balance – zwischen qualitativen und quantitativen Messgrößen gefunden werden (vgl. Brown/Gobeli 1992, S. 327). Nicht­monetäre Messgrößen (auch nicht direkt quantifizierbare) haben bei den Outputs oft einen höheren Stellenwert als monetäre (vgl. Cordero 1990, S. 190).

Grundsätzlich kann auf folgenden Ebe­nen gemessen und bewertet werden (vgl. Brown/Gobeli 1992, S. 329): ■ Auf Einzelpersonen­Ebene (wichtigste Motive: Evaluation für Bonus, Beförde­rung), ■ auf Teamebene (FuE­Funktion; auch über die FuE­Abteilung hinaus) für ein bestimmtes Projekt – daher meist zu­gleich Projektebene (wichtigstes Motiv: Fortschrittskontrolle), ■ auf Abteilungsebene der FuE­Abteilung (wichtigstes Motiv: Ressourcenalloka­tion),

Abb. 2 | Performance Measurement in Netzwerken

Allokation(Aufgabenverteilung)

Selektion(Partnerwahl)

Evaluation(Bewertung)

Ressourcen(„Input“)

Prozess(„Throughput“)

Ergebnis(„Output“)

(Markt-)Erfolg(„Outcome“)

Ressourcen(„Input“)

Prozess(„Throughput“)

Ergebnis(„Output“)

(Markt-)Erfolg(„Outcome“)

Regulation(Steuerung)

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■ auf Unternehmensebene (wichtigste Motive: Programmänderungen, Ressour­cenallokation), ■ auf Ebene einer dyadischen Beziehung sowie ■ auf Netzwerkebene.

Das hier vorgestellte Konzept ist primär für die letzten vier genannten Ebenen, insbe­sondere aber für die Unternehmensebene sowie die Kooperationsebenen (dyadische Beziehungen und Netzwerke), entwickelt worden und geeignet.

Vorschlag für ein Performance Measurement für Innovationen in Netzwerken

Das Bewertungskonzept (siehe Abbildung 3) setzt sich aus mehreren Dimensionen zusammen, zwischen denen Ursache­Wir­kungs­Beziehungen bestehen. Die Abbil­dung der Ursache­Wirkungs­Beziehungen ist angelehnt an das Balanced Scorecard­

Konzept von Kaplan und Norton (vgl. Ka­plan/Norton 1997, S. 28 ff.). In Abbildung 3 sind die Potenziale zu erkennen, auf denen das Hervorbringen von Innovatio­nen basiert. Dazu gehören Human­, Tech­nologie­ und Relationspotenziale. Diese ermöglichen erst die Durchführung des Innovationsprozesses. Aus dem Innovati­onsprozess entstehen Innovationsoutputs (bspw. Entwicklungsergebnisse). Erst mit der Einführung am Markt und der Akzep­tanz durch Kunden (zeigt sich bspw. in Marktanteilen) kann von einem Markt erfolg gesprochen werden. Dieser ist Vorausset­zung für den in Abbildung 3 oben angeord­neten wirtschaftlichen Erfolg. Wirtschaft­licher Erfolg stellt sich jedoch nicht zwangs­läufig bei Markterfolg ein (bspw. können die Kosten zu hoch und die durchsetzbaren Verkaufspreise zu gering sein).

Das Bewertungskonzept lehnt sich an diese Logik an und unterstellt Ursache­Wirkungs­Beziehungen zwischen den Di­mensionen. Für die Dimensionen lassen

sich jeweils eines oder mehrere Ziele und dazugehörige Messgrößen (Key Perfor­mance Indicators) definieren. Wirkungs­zusammenhänge können in einem Bewer­tungskonzept mit Key Performance Indica­tors visualisiert werden.

Tabelle 1 stellt für alle Bewertungs di­mensionen Ziele und Messgrößen auf. Unterschieden wird nicht nur zwischen wirtschaftlichem Erfolg, Markterfolg und Innovationserfolg, sondern auch zwischen Innovationsprozess, Humanpotenzial, Tech­nologiepotenzial und Relationspotenzial. Dadurch werden nicht nur Ergebnisse, sondern auch Ursache­Wirkungs­Bezie­hungen und dementsprechend verschie­dene Stadien des Innovationsprozesses mit Netzwerkpartnern einbezogen.

Aus den Messgrößen kann eine Auswahl für den spezifischen Anwendungsfall ge­troffen werden. Beispielsweise sind für In­novationen, die physische Produkte bein­halten, andere Messgrößen erforderlich (u. a. zur Feststellung der Serienreife des

Abb. 3 | Bewertungskonzept

Quelle: Eigene Darstellung; vgl. zu Input/Throughput/Output/Outcome Ellis 1997, S. 18

Markterfolg als Innovation i.e.S.

Output

Outcome

Wirtschaftlicher Erfolg

Innovationserfolg(Ergebnis der Produktentstehung)

Throughput Innovationserfolg(Prozess der Produktentstehung)

InnovationspotenzialeInput

Humanpotenzial Technologiepotenzial Relationspotenzial

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Produkts bzw. der Produktionsanlagen) als für Dienstleistungsinnovationen.

Das Beispiel in Abbildung 4 bezieht sich auf physische Produkte in einer Koopera tion von verschiedenen Akteuren rund um die Herstellung, den Support und den Vertrieb von Produkten aus der Medizintechnik.

Für die Dimensionen wurden jeweils ein oder mehrere Ziele (runde Felder) und dazu­gehörige Messgrößen (Key Performance In­

dicators; unter runden Feldern) definiert. Die Wirkungszusammenhänge sind mit Pfeilen dargestellt. Als wirtschaftlicher Erfolg wur­den von den Netzwerkteilnehmern sowohl ein netzwerkweites als auch ein teilnehmer­individuelles Ziel definiert. Daran lässt sich erkennen, dass ein ökonomisch ausgerichte­tes Netzwerk an sich zwar erfolgreich sein kann, dass aber immer auch die einzelnen Mitglieder einen Benefit erzielen wollen.

Fazit

Das vorgestellte Konzept ermöglicht eine umfassende Messung in allen Stadien und Dimensionen des Innovationsprozesses. Sein integrierter Ansatz erweitert die in der Literatur beschriebenen Konzepte zur Messung von Innovationsleistung (u. a. Shenhar et al. 1997, Atkinson 1999) um eine neuartige Struktur, die Ursache­Wir­

Tab. 1 | Messgrößen für die BewertungDimensionen Ziele Geeignete Messgrößen

Wirtschaftlicher Er-folg

Wertsteigerung durch Innovationen

Wert von LizenzeinnahmenReturn On InvestmentVerhältnis Markt-zu-Buch-Wert des Unternehmens

InnovationsbudgetzieleEinhaltung BudgetEntwicklungskostenKosteneinsparungen

Wirtschaftliche ProduktzieleStückkosten (Minimierung)Break-even-Time (Minimierung)Deckungsbeitrag des Produkts

Markterfolg

Eingeführte Produkte

Regelmäßigkeit neuer Produkte am MarktAnzahl Markteinführungen in letzten 5 JahrenAnteil erfolgreicher ProdukteinführungenLänge der Produktlebenszyklen (Marktphase)

AbsatzStückzahlenUmsatz

Marktposition

MarktanteilWiederkaufsrateImage beim KundenPreissenkungen zum Ende des Produktlebenszyklus (Minimierung)

Marktzugang und -größeNeuer Markt erschlossenNeues Segment erschlossen

Innovationserfolg

Innovativität

Produkte mit technologischer EinmaligkeitAnzahl neuer PatenteAnteil neuer Produkte im PortfolioAnzahl (Produktions-)ProzessinnovationenAnzahl organisatorischer Innovationen

Erreichung ProjektzieleErreichung QualitätszieleProduktleistungsfähigkeitProduktlebensdauer, Haltbarkeit

Öffentliche WirkungAnzahl Auszeichnungen/PreiseAnzahl Publikationen/Präsentationen

Innovationsprozess

ProjektablaufFortschritt in Relation zum ZeitplanErreichungsgrad des geplanten Fertigstellungszeitpunkts

Technische EntwicklungAnzahl der Schleifen (Minimierung)Fehlerbehebungskosten

IdeenAnzahl generierter Ideen/KonzepteAnzahl daraus abgeleiteter weiterer Produkte

Humanpotenzial

KapazitätAnzahl der ProjektmitarbeiterEingebrachte Personenmonate

MotivationTeamzufriedenheitAnzahl Kündigungen (Minimierung)

Lernen

Mitarbeiter-TrainingstageWiederverwendung bestehender IdeenAnzahl Einträge im WissensmanagementsystemAnzahl Verbesserungsvorschläge

TechnologiepotenzialTechnologieeinsatz

Nutzung erarbeiteter TechnologienAnzahl konkret eingesetzter Patente

Wissen und PatenteAnzahl bestehender Patente für ProdukteAnzahl bestehender Patente für Prozesse

Relationspotenzial

Nutzung externer komple-mentärer Ressourcen

Anzahl möglicher Transaktionen/Anzahl tatsächlicher Transaktionen mit AußenstehendenAnzahl der laufenden kooperativen Projekte

Nutzung von KundenwissenAnzahl der direkten KundenkontakteAnzahl der Neukunden

Vgl. Schumann et al. 1995, S. 49, Brown/Gobeli 1992, S. 326 f., Cordero 1990, S. 190, Shenhar et al. 1997, S. 5ff., Atkinson 1999, S. 339 ff.,

DO

I: 10

.136

5/s1

2176

-012

-011

2-4

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Abb. 4 | Beispiel anhand des Bewertungskonzepts

Quelle: Eigene Darstellung

Markterfolg als Innovation i.e.S.

Output

Outcome

Wirtschaftlicher Erfolg

Innovationserfolg(Ergebnis der Produktentstehung)

Throughput Innovationserfolg(Prozess der Produktentstehung)

InnovationspotenzialeInput

Zufriedene Kunden

Wiederkaufsrate

Teamzufriedenheit

Anzahl Kündigungen (min.)

Verwertbares Wissen

Anzahl bestehender Patente

Vernetzung

Anzahl Kooperationsprojekte

Programm-Erfolg

Programm-ROI Summe Erfolgsumlagen

Benefit f. einzelneUnternehmen

Einmaligkeitder Produkte

Anzahl Auszeichnungen Produktlebensdauer

Haltbarkeitder Produkte

Professionalität imInnovationsprozess

Erreichungsgrad Meilensteine Anzahl generierter Ideen

KombinierteInnovativität

Humanpotenzial Technologiepotenzial Relationspotenzial

kungs­Beziehungen berücksichtigt. Mit­tels Ursache­Wirkungs­Beziehungen können den Akteuren die Zusammen­hänge erfolgreicher kommuniziert wer­den und die strategisch relevanten Ziele besser verfolgt werden. In der Praxis wer­den Kennzahlen oft nur isoliert zu Teilas­pekten erfasst. In der Entwicklung liegt der Schwerpunkt bspw. oft auf Inputs wie Budget und Personalkapazitäten. Im Ver­trieb entstehende Kenngrößen werden unabhängig von Entwicklungskenngrö­ßen geführt, wodurch weder in Unter­nehmen noch in Netzwerken eine ver­knüpfte Evaluierung mit dem Ziel einer phasenübergreifenden Gesamtausrich­tung stattfindet.

Das Konzept befindet sich zur Zeit in der Praxiserprobung, bspw. im Rahmen des Kreanets­Projekts (www.kreanets.com), in der auch weitere Erfolgsfaktoren des Netz­werkmanagements ermittelt werden. Die Praxispartner des Projekts erproben diese Faktoren vor allem in der Gesundheits­

branche, in der verschiedene Produzenten und Dienstleister regional zusammen­arbeiten und Produkt­und Dienstleistungs­innovationen schaffen.

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