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Leseprobe Swift, Jonathan Gullivers Reisen Aus dem Englischen von Franz Kottenkamp. Vervollständigt und bearbeitet von Roland Arnold. Mit einem Vorwort von Hermann Hesse © Insel Verlag insel taschenbuch 3517 978-3-458-35217-4 Insel Verlag

Insel Verlag - bücher.de · 2015. 8. 25. · rer Kinderbcher. SeinVerfasser,JonathanSwift,istimJahr1667inDublin geboren. Sein ganzes Wesen drngte ihn zur Erforschung unserer seelischen

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Leseprobe

Swift, Jonathan

Gullivers Reisen

Aus dem Englischen von Franz Kottenkamp. Vervollständigt und bearbeitet

von Roland Arnold. Mit einem Vorwort von Hermann Hesse

© Insel Verlag

insel taschenbuch 3517

978-3-458-35217-4

Insel Verlag

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Swift gehçrte in Deutschland lange Zeit zu den verkannten, das heißteben auch nicht�bersetzten Schriftstellern. Eine Ausnahme bildeteschon immer sein Werk Reisen zu mehreren entlegenen Vçlkern derErde in vier Teilen von Lemuel Gulliver erst Wundarzt sp�ter Kapi-t�n mehrerer Schiffe.Der unter dem TitelGullivers Reisen bekannt gewordene Roman in

vier Teilen ist eine zeitlose Satire, deren Erfindungsreichtum und Fa-bulierlust das Buch zu einem der meistgelesenen B�cher der abendl�n-dischen Literatur gemacht haben.Gullivers Entdeckungsreisen in die L�nder der Lilliputaner, der Rie-

sen und der sprechenden Pferde liegen hier in der originalgetreuen undvollst�ndigen Ausgabe vor.

Jonathan Swift, geboren am 30. November 1667 in Dublin, ist am19. Oktober 1745 dort gestorben.

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insel taschenbuch 3517Jonathan SwiftGullivers Reisen

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Jonathan SwiftGullivers ReisenAus dem Englischen �bersetzt

von Franz KottenkampVervollst�ndigt und bearbeitet

von Roland ArnoldMit einem Vorwortvon Hermann Hesse

Insel Verlag

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insel taschenbuch 3517Erste Auflage 2008

Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig� Aufbau Verlagsgruppe GmbH, Berlin 1967(Die deutsche Erstausgabe erschien zuerstim Aufbau Verlag Berlin und Weimar;

Aufbau ist eine Marke der Aufbau Verlagsgruppe GmbH)Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das

des çffentlichen Vortrags sowie der �bertragungdurch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziertoder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielf�ltigt oder verbreitet werden.Hinweise zu dieser Ausgabe am Schluß des BandesVertrieb durch den Suhrkamp Taschenbuch VerlagUmschlag nach Entw�rfen von Willy Fleckhaus

Satz: H�mmer GmbH,Waldb�ttelbrunnDruck: Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in GermanyISBN 978-3-458-35217-4

1 2 3 4 5 6 –13 12 11 10 09 08

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Gullivers Reisen

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Vorwort

Vor zweihundert Jahren sind in England kurz nacheinanderzwei B�cher geschrieben worden, welche sich rasch �berdie ganzeWelt verbreitet haben und seither in tausend Bear-beitungen,�bersetzungen undNachdichtungen zu denweit-verbreitetsten B�chern der Welt gehçren. Es sind DefoesRobinson und Swifts Gulliver, beides halbphantastischeReiseromane, beide urspr�nglich durchaus f�r Erwachse-ne geschrieben, beide im Laufe der Zeit zu hçchst haltba-ren und unermeßlich einflußreichen Kinderb�chern gewor-den.

Die »Reisen Gullivers« von Jonathan Swift haben einganz besonderes Schicksal gehabt. Sie erschienen zuerstim Jahre 1726, und zwar anonym, und wie es scheint, sindschon die ersten englischen Ausgaben voll von Fehlern,Weg-lassungen und Zutaten von fremder Hand gewesen. Wei-terhin wurde das rasch �beraus ber�hmt gewordene Buchunz�hligemal neu gedruckt, �bersetzt, �berarbeitet, undjener »Gulliver«, den wir als Kinder in Bearbeitung undK�rzungen kennengelernt haben, ist nur noch ein Schatten,eine Erinnerung an das Original. Hat diese seltsame Dich-tung auf diese Weise sich die Welt erobert, so ist sie dochzugleich in ihrer urspr�nglichen Meinung und Form nahe-zu ganz verschwunden und mußte von Zeit zu Zeit neu ent-deckt und erobert werden. So bekannt einem jeden von unsder Name Gulliver ist, so vertraut uns die Namen Lilliputund Brobdingnag klingen – den eigentlichen, vollst�ndigen,urspr�nglichen Gulliver kennen nur sehr wenige. Und die-ser eigentliche Gulliver sieht wesentlich anders aus als der

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tausendmal umfrisierte und abgeschw�chte Gulliver unse-rer Kinderb�cher.

Sein Verfasser, Jonathan Swift, ist im Jahr 1667 in Dublingeboren. Sein ganzes Wesen dr�ngte ihn zur Erforschungunserer seelischen und sozialen Mechanismen und zur Po-litik; aus Armut griff er aber zum Studium der Theologieund begann seine Laufbahn als kleiner Hungerpastor. AufProtektion angewiesen, fand er sich h�ufig schwer von sei-nen zeitweiligen Gçnnern entt�uscht, und wie er mehr undmehr zum politischen Schriftsteller wurde, so kam auch inseinen Studien und literarischen Strebungen immer mehrdie Kritiklust des Unterdr�ckten zum Ausdruck. Eine Zeit-lang heftiger Verteidiger der Hochkirche, eine Zeitlang derbekannteste und feurigste Vork�mpfer Irlands gegen Wal-pole, endete er einsam, menschenscheu und tief verbittertin einem geistigen Zustande, den fr�here BiographenWahn-sinn nannten, den wir aber, allen Zeugnissen nach, nichtmehr so nennen d�rfen. Es war vielmehr die Vereinsamungeines tief leidenden, geistig aber vçllig ungetr�bten Neu-rotikers, eines Mannes, dessen Leben und Denken sich un-heil voll isoliert und zu einer nicht mehr ertragbaren Sen-sibilit�t gesteigert hatte.Als das Bekenntnis diesesMannes, dieses genialen, scharf-

sinnigen, empfindlichen und gegen das Leben schwach ge-wappneten Denkers ist uns der »Gulliver« geblieben, seinegrçßte und reinste Dichtung. Die Menschheit hat es sichmit diesem Gulliver leichtgemacht. Sie nahm ihn erst alswillkommene, abenteuerliche, spannende Lekt�re, welcheaber durch einige tçdliche Bitterkeiten und H�rten schwerverdaulich wurde, und nun half man sich damit, daß mandas fabelhafte Werk, das viel zu lebendig war, um wieder

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untergehen zu kçnnen, zum ergçtzlichen Kinder- und M�r-chenbuch stempelte.

Den ungl�cklichen Swift f�r die Bitterkeit seiner Beurtei-lung menschlicher Dinge anzuklagen, w�re ebenso falschund nutzlos wie eine Anklage gegen die vielen Generatio-nen seiner Leser, welche aus dem fabelhaften Reichtum sei-ner Dichtung sich nur die verdaulichsten, friedlichsten, be-quemsten Bissen herausgerissen und das Ganze allm�hlichvergessen haben. Die lodernde Auflehnung und Erbitterungdes vergr�mten einzelnen gegen Menschheit und Weltlaufund die bequeme Art, mit welcher die Menge das Werk die-ses genialen einzelnen verst�mmelte, um es sich mundge-recht zu machen, beide waren tief begr�ndet, beide wa-ren notwendig. Nicht minder notwendig aber ist es, daß jeund je die Menschheit sich einer so ungeheuren Mahnung,wie sie im Gulliver steckt, wiedererinnere, und von neuemden bitteren Bissen schlucke, da das Dar�berweglesen undDar�berwegl�gen immer nur f�r eine kleine Weile hilft.Darum steht Swifts geniales und furchtbares Buch heutewieder vor uns und wird immer wieder seine Stimme ge-gen unsre Bequemlichkeit erheben, weil es Dinge sagt, wel-che zwar im Gehirn eines schwer leidenden einzelnen ent-standen und von ihm mit einer vielleicht pathologischenLeidenschaftlichkeit erlebt und formuliert worden sind,wel-che aber nach wie vor uns alle angehen. Man lese nur aufden letzten Seiten des Buches die S�tze �ber Kolonialwesenund Annektierung, und man findet ein Problem, das wie-der auf furchtbarste Weise aktuell geworden ist, auf einemenschliche Formel gebracht, deren anklagende Kritik inzweihundert Jahren nichts von ihrer Berechtigung verlorenhat.

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Es ist Jonathan Swift immer wieder zum schweren Vor-wurf gemacht worden, daß seine Erbitterung �ber politi-sche und gesellschaftliche Mißst�nde ihn zum Menschen-haß gef�hrt habe. Es ist aber tçricht, Swifts sogenanntenMenschenhaß zu verurteilen. Es gibt keine Forderung f�rden Denker, seine Resultate einem Gebot unterzuordnen,das eine ideale Menschenliebe hçher als dieWahrheit stellt.Und Wahrheit ist f�r den Denker das, was sich ihm als Re-sultat seines Erlebens und Denkens ergibt. F�r den altern-den Swift lautete diese Wahrheit bitter: Der Mensch ist imGrunde ein vernunftloses Tier. Unsre Aufgabe ist es nunnicht, diese bittere Wahrheit eines einzelnen als krankhaftzu verlachen und abzulehnen. Besser ist es, wenn wir unsfragen: Wie ist es mçglich, daß ein Mensch von so unge-heurem Verstand, von so reicher Lebenskenntnis zu diesemtraurigen Ergebnis kam? Welche Leiden sind da gelittenworden? Welche Gerechtigkeit vollzieht sich da? Was be-deutet diese scheinbare Rache eines gequ�lten Menschenan der Menschheit?

Sehen wir das Buch so an, so f�llt uns vor allem auf, daßso sehr viele seiner Urteile und Anklagen noch heute, nachzweihundert Jahren, so heftig auf uns wirken kçnnen, w�h-rend doch die Erfahrungen und Weltzust�nde, aus denender Dichter damals seine Beispiele schçpfte, uns fremd sindund fernstehen. Der Kçnig oder Minister von Lilliput odervon Laputa, oder wie immer die phantastischen Namenim Gulliver heißen, war einst eine Karikatur, er sollte anden oder jenen englischen Politiker oder F�rsten zu SwiftsZeit erinnern. Wir aber, die wir von jenen Ministern undjenen politischen Zust�nden und Sorgen nichts mehr wis-sen, sind f�r diese erfundenen Minister und Begebenheiten

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heiß und heftig wie f�r nahe, aktuelle Dinge interessiert! Essteht also Zeitloses, es steht Menschliches in diesem Buch,das uns alle angeht, heut wie damals.

Und wenn schließlich dieser Jonathan Swift aus lauterMenschenhaß ein Land erfindet, in welchem edle Pferdeherrschen undVernunft und Tugend �ben,wenn er dieMen-schen in jenem Fabellande zu scheußlichen Stinktieren ent-artet darstellt, die ein gewisser Schimmer von Vernunft ge-rade nur zu Verbrechen und zynischem Egoismus bef�higt,wenn er alle Ziele menschlicher Gemeinschaft, mensch-licher Ordnung,Vernunft und Br�derlichkeit jenen Pferdenanvertraut und sich ihnen gegen�ber seines eigenen Men-schentums als eines Makels sch�mt – wieviel Menschen-liebe, wieviel heiße Sorge um die Zukunft unsrer Art, wie-viel heimliche, gl�hende Liebessorge umMenschheit, Staat.Moral, Gesellschaft gl�ht in dieser phantastischen Vorstel-lung auf! Nein, gerade dies letzte Buch der Reisen Gulli-vers, dies ber�hmte und ber�chtigte Dokument eines un-gewçhnlich wilden Menschenhasses ist ja nichts andresals eine heftige, wenn schon pervertierte Liebe!

Die Menschheit unsrer Tage, die ersch�tterte und ratloseMenschheit der Zeit nach diesem schauerlichen Kriege, istwunderbar auf den Gulliver vorbereitet und kann aus ihmmehr haben und lernen als jede Zeit vorher.

Hermann Hesse

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Reisenzu mehreren entlegenen Vçlkern der Erde

in vier Teilen von

Lemuel Gullivererst Wundarzt

sp�ter Kapit�n mehrerer Schiffe

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Der Herausgeber an den Leser

Der Verfasser dieser Reisen, Mr. Lemuel Gulliver, ist meinalter und vertrauter Freund; wir sind von m�tterlicher Seitesogar ein wenig verwandt. Vor etwa drei Jahren kaufte Mr.Gulliver, des Zusammenlaufs von Neugierigen in seinemHause zu Redriff m�de, ein kleines Landgut mit einem be-quemen Haus bei Newark in Nottinghamshire, seiner Hei-mat,wo er jetzt zwar zur�ckgezogen, von seinen Nachbarnaber hoch geachtet lebt.

Obgleich Mr. Gulliver in Nottinghamshire, wo sein Va-ter wohnte, geboren wurde, habe ich ihn doch sagen hç-ren, seine Familie stamme aus Oxfordshire; und in der Tathabe ich auf dem Friedhof von Banbury, das zu dieser Graf-schaft gehçrt, mehrere Gr�ber und Gedenksteine der Gulli-vers bemerkt.

Ehe er Redriff verließ, h�ndigte er mir die folgendenAufzeichnungen ein und bevollm�chtigte mich, dar�bernach Gutd�nken zu verf�gen. Ich habe sie dreimal sorgf�l-tig durchgelesen. Der Stil ist sehr schlicht und einfach, unddas einzige, was ich daran auszusetzen habe, ist, daß derVerfasser nach Art der Reisenden zu sehr auf Einzelheiteneingeht. Das ganze Werk hat aber den Anschein der Wahr-heit, und der Verfasser zeichnete sich in der Tat so sehrdurch Wahrhaftigkeit aus, daß es bei seinen Nachbarn inRedriff gleichsam zum Sprichwort wurde, zur Bekr�ftigungeiner Sache zu sagen, es sei so wahr, als ob Mr. Gulliver esgesagt h�tte.Auf den Rat mehrerer ehrenwerter Personen, denen ich

mit Erlaubnis des Verfassers diese Aufzeichnungen vorge-

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legt habe, wage ich es jetzt, sie in die Welt hinauszuschik-ken, in der Hoffnung, daß sie wenigstens einige Zeit langeine bessere Unterhaltung f�r unseren jungen Adel seinmçchten als die gewçhnlichen Schreibereien �ber Politikund Parteien.

Dieser Band w�re wenigstens noch einmal so dick gewor-den, wenn ich mir nicht erlaubt h�tte, sehr viele Stellen zustreichen, die sich, im seem�nnischen Stil geschrieben, aufWinde und Gezeiten sowie auf die Kurs�nderungen und Lo-tungen w�hrend der verschiedenen Reisen bezogen, undebenso die ausf�hrlichen Beschreibungen der F�hrung desSchiffs in St�rmen. Gleichfalls habe ich alle L�ngen- undBreitenangaben weggelassen, und ich habe Grund zu be-f�rchten, daß Mr. Gulliver damit nicht sehr zufrieden seinwird; aber ich war entschlossen, das Werk soweit wie mçg-lich dem Verst�ndnis des Durchschnittslesers anzupassen.Sollte mich indes meine Unkenntnis des Seewesens einigeIrrt�mer haben begehen lassen, so bin ich allein daf�r ver-antwortlich. Wenn �brigens irgendein Reisender den Ori-ginaltext in vollem Umfang zu sehen w�nscht, wie er ausden H�nden des Verfassers hervorgegangen ist, so bin ichbereit, ihm Gen�ge zu tun.Was die n�heren Lebensumst�nde des Verfassers betrifft,

so wird sie der Leser auf den ersten Seiten des Buches er-fahren.

Richard Sympson

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Brief des Kapit�ns Gulliveran seinen Vetter Sympson

Ich hoffe, Sie werden, wenn man Sie dazu auffordert, nichtanstehen, çffentlich zu bekennen, daß nur Ihre wiederhol-ten, dringenden Bitten mich bestimmt haben, einen sehrzusammenhanglosen und fehlerhaften Bericht �ber meineReisen verçffentlichen zu lassen, wobei ich Ihnen zugleichauftrug, einige junge Herren von einer der beiden Univer-sit�ten anzustellen, um die Materialien zu ordnen und denStil zu verbessern, wie dies mein Vetter Dampier auf mei-nen Rat in seinem Buch »Eine Reise um die Welt« getanhat. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, Sie dazu er-m�chtigt zu haben, irgendwelche Auslassungen und nochweniger irgendwelche Zus�tze vorzunehmen. Was das letz-tere betrifft, stelle ich daher hiermit ausdr�cklich fest, daßich alle derartigen Stellen zur�ckweise, insbesondere einenAbschnitt �ber Ihre Majest�t, die Kçnigin Anna, frommenund ruhmw�rdigen Angedenkens, obgleich ich sie mehrals irgendeinen der Gattung Mensch verehrte und achtete.Aber Sie oder Ihr Verfasser von Zus�tzen h�tten beachtensollen, daß ich weder dazu geneigt, noch daß es schicklichwar, irgendein Tier unserer Gattung vor meinem Herrn,dem Houyhnhnm, zu loben; außerdem waren die Angabenvçllig falsch. Ich habe n�mlich w�hrend eines Teils derRegierung Ihrer Majest�t in England gelebt, und meinesWissens hat sie sehr wohl durch einen Premierminister, jasogar durch zwei aufeinanderfolgende regiert, von denender erste Lord Godolphin und der zweite Lord Oxford war,so daß Sie mich etwas sagen ließen,was nicht ist. Dann ha-

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ben Sie in meiner Schilderung der Akademie der Projekte-macher und in mehreren Stellen meiner Rede an meinenHerrn, den Houyhnhnm, wesentliche Umst�nde weggelas-sen oder sie so beschçnigt und ver�ndert, daß ichmein eige-nes Werk kaum wiedererkenne. Als ich Ihnen vor einigerZeit in einem Brief etwas dergleichen andeutete, beliebtenSie zu antworten, Sie h�tten gef�rchtet, Anstoß zu erregen;die Machthaber �berwachten die Presse sehr genau und sei-en imstande, alles, was den Schein einer Insinuation (daswar, glaube ich, Ihr Ausdruck) habe, nicht nur beliebig aus-zulegen, sondern auch zu bestrafen. Aber ich bitte Sie, wiekçnnte das, was ich vor so vielen Jahren und in einer Ent-fernung von �ber f�nftausend Meilen in einem anderenReich ge�ußert habe, auf irgendeinen der Yahoos ange-wendet werden, die jetzt, wie es heißt, �ber die Herde herr-schen, zumal ich das zu einer Zeit sagte, da ich kaum dasUngl�ck bedachte oder bef�rchtete, wieder unter ihnen zuleben? Habe nicht vielmehr ich am meisten Grund, michzu beklagen, wenn ich sehe, wie eben diese Yahoos vonHouyhnhnms in einem Wagen gefahren werden, als ob dieletzteren unvern�nftige Tiere und die ersteren die denken-den Geschçpfe w�ren? Und wahrhaftig, vor allem um einenso ungeheuerlichen und abscheulichen Anblick zu vermei-den, habe ich mich hierher zur�ckgezogen.

Das mußte ich Ihnen wohl sagen, was Sie selbst und dasVertrauen anbelangt, das ich in Sie setzte.

Des weiteren beklage ich mich dar�ber, daß ich so wenigVerstand zeigte, als ich mich durch Ihre und einiger ande-rer Leute dringende Bitten und falsche Argumente sehr ge-gen meine eigene Meinung dazu bewegen ließ, die Verçf-fentlichung meiner Reisen zu gestatten. Erinnern Sie sich

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