INSTITUT FÜR ARZTPRAXENBEWERTUNG - ifa-willms.deifa-willms.de/downloads/broschuere2010gesamt.pdf · IfA INSTITUT FÜR ARZTPRAXENBEWERTUNG Dipl.-Volkswirtin Dorit Willms Der Übernahmevorteil

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  • IfAINSTITUT FR ARZTPRAXENBEWERTUNG

    Dipl.-Volkswirtin Dorit Willms

    Der bernahmevorteil

    Praxisbewertung auf der Basis eines Investitionsvergleichs

  • Dipl.-Volkswirtin Dorit WillmsHildengasse 850769 KlnTel.: (0221) 9 41 58 27

    berarbeitete Fassung, Stand: Dezember 2008

  • Vorwort

    Arztpraxen werden mit ganz verschiedenen Methoden bewertet. Die jeweiligen Gut-achter kommen manchmal zu stark voneinander abweichenden Ergebnissen. Da ei-ne Arztpraxis meist einen beachtlichen Vermgenswert darstellt, sind Fehleinscht-zungen dementsprechend folgenschwer.

    Hufig wird die Anwendung moderner betriebswirtschaftlicher Methoden abgelehnt.Die reine Lehre erweise sich in der Bewertungspraxis als ungeeignet. Zwischendem aktuellen Stand der Betriebswirtschaftslehre und manchen Praktikerverfahrenbesteht deshalb bei der Bewertung von Arztpraxen eine recht groe Diskrepanz.

    Diese Broschre soll zeigen, wie eine theoretisch fundierte Methode in der prakti-schen Bewertung so umgesetzt werden kann, dass die Berechnungen nachvollzieh-bar und plausibel sind. Es wird gezeigt, wie der Praxiswert als bernahmevorteil er-mittelt werden kann. Ein Fallbeispiel veranschaulicht die Vorgehensweise.

    Abschlieend werden hufig verwendete Bewertungsverfahren vorgestellt und einerkritischen berprfung unterzogen.

  • Der bernahmevorteil

    Praxisbewertung auf der Basis eines Investitionsvergleichs

    1. Bewertung im Rahmen eines InvestitionsvergleichsGrundstzliche berlegungen, Entscheidungsbezogenheit des bernahmevorteils,Investitionsvergleich in berversorgten Gebieten, Bercksichtigung bewertungsre-levanter Faktoren

    3 - 10

    2. Die Berechnung des bernahmevorteils Darstellung anhandeines FallbeispielsTheoretischer Hintergrund, Fallbeispiel, Ist-Analyse als Basis

    11 -18

    3. Besonderheiten der AnteilsbewertungGrundstzliche berlegungen, angemessene Abfindungen, Besonderheiten beibergangskooperationen

    19 - 21

    4. Argumente fr die Berechnung des bernahmevorteilsZukunftsbezogenheit, theoretisch fundierter Wertansatz, plausible Ergebnisse,bereinstimmung mit der bernahmeplanung, Schutz vor berhhten Kaufpreisen,rechtlich relevante Wertermittlung

    22 - 25

    5. Andere BewertungsmethodenUmsatzmethoden (mit Erfahrungsstzen), Gewinnmethode, IBT-Methode, EFM-Methode, bergewinnabgeltung, formelmige Ertragswertmethode, modifizierteErtragswertmethode

    25 - 37

    6. IfA-Praxiswertgutachten 38

    AnhangGrundstze ordnungsmiger Praxiswertermittlung

    Literaturverzeichnis

    39 - 43

    44 - 45

  • 3

    1. Bewertung im Rahmen eines Investitionsvergleichs

    Grundstzliche berlegungen

    Arztpraxen werden auf ganz verschiedene Weise bewertet, so dass es einen allge-meingltigen Wert offenkundig nicht gibt. Manchmal erscheinen die verschiedenenWertbegriffe recht verwirrend, so dass es schwer ist, den berblick zu behalten.

    Was macht den Wert einer Praxis aus? Wie viel soll man bezahlen, wenn man einePraxis oder einen Anteil an einer Praxis erwerben will? Wie hoch ist der angemes-sene Kaufpreis?

    Die Bewertungsmethoden unterscheiden sich stark. Jeder Gutachter scheint eineandere Methode zu bevorzugen.

    Der Investitionsvergleich

    Am berzeugendsten erscheint es, den Wert anhand eines Investitionsvergleichs zuermitteln. Denn es ist nichts anderes als eine Investitionsentscheidung, die man beimErwerb einer Praxis oder eines Anteils an einer Praxis zu treffen hat.

    Einen Kaufpreis zu bezahlen lohnt sich nur in dem Fall, dass man zuknftig entspre-chend mehr Einkommen erzielen kann als bei einer alternativen rztlichen Ttigkeit.

  • 4

    Man muss demnach bei den in Frage kommenden rztlichen Ttigkeiten smtlichezuknftig zu erwartenden Ausgaben und Einnahmen vergleichen, die man vorsich-tig geschtzt unter Bercksichtigung der Risiken zu erwarten hat. Die rztliche T-tigkeit, die aus heutiger Sicht zu den hchsten Einnahmenberschssen fhrt, ist reinwirtschaftlich betrachtet am gnstigsten.

    Es kann demnach nur sinnvoll sein, hchstens einen Kaufpreis zu bezahlen, bei demdie Vorteilhaftigkeit der Praxisbernahme im Vergleich zur relevanten Alternative ge-rade noch gegeben ist.

    Ausgleich der gegenstzlichen Interessen?

    Der Praxisinhaber, der seine Praxis oder einen Anteil an seiner Praxis veruernmchte, wird einwenden, seine Interessen seien bei einem derartigen Investitions-vergleich nicht ausreichend bercksichtigt. Nur die Sicht des Kufers wrde betrach-tet. Er mchte aber einen Gegenwert fr das erhalten, was er selbst substantiell undideell in die Praxis investiert hat. Zumindest sollte aus seiner Sicht ein Ausgleich dergegenstzlichen Interessen des Kufers und des Verkufers gefunden werden einSchiedswert1.

    Wer jemals versucht hat, irgendetwas zu verkaufen, der wird sofort verstehen, dassein solcher Schiedswert nicht mageblich sein kann. Man kann niemanden zu einemKauf zwingen. Niemand wird freiwillig fr irgendetwas mehr bezahlen, als er selbstfr sinnvoll erachtet. Wenn man z. B. ein EDV-Gert verkaufen mchte, fr das manselbst bei der Anschaffung und in der Folgezeit viel Geld ausgegeben hat, so kannman nicht zwangslufig den entsprechenden Gegenwert erzielen, wenn sich dertechnische Standard und die Marktkonditionen gendert haben. Was bei dem EDV-Gert jedem einleuchtet, scheint bei der bernahme einer Arztpraxis nicht ohne wei-teres verstndlich zu sein. Will man eine Praxis oder einen Anteil an einer Praxis ver-kaufen, so ist man aber auch darauf angewiesen, einen Kufer zu finden. Der Praxis-inhaber trgt letztlich das Risiko, zu viel in seine Praxis investiert zu haben, selbst.

    Dem Praxisinhaber kann eine Bewertung der Praxis allerdings insofern hilfreich sein,als die Vorteile seiner Praxis im Vergleich zu einer alternativen Investition in eineNeugrndung bzw. in den Kauf einer anderen Praxis oder im Vergleich zu einer al-ternativen abhngigen rztlichen Ttigkeit anschaulich dargestellt werden. Dies kanneinem potentiellen bernehmer die Entscheidung, die Praxis zu einem dementspre-chenden Kaufpreis zu erwerben, erleichtern.

    Was bei einer Veruerung zu erzielen wre

    Im Rahmen von Bewertungen spielt der Verkehrswert eine zentrale Rolle. Es han-delt sich sozusagen um den normalisierten Marktwert der Praxis. Er entspricht demgemeinen Wert des Steuerrechts, der in 9 Abs. 2 Bewertungsgesetz folgenderma-en definiert wird: Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im ge-whnlichen Geschftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei ei-

    1Mit der Ermittlung solcher Schiedswerte befassen sich Mandl. G / Rabel, K., Unternehmensbewer-

    tung, Wien 1997, S. 388 ff. Fr die Schtzung von Verkehrswerten sind sie allerdings ungeeignet.

  • 5

    ner Veruerung zu erzielen wre. Dabei sind alle Umstnde, die den Preis beein-flussen, zu bercksichtigen. Ungewhnliche oder persnliche Verhltnisse sind nichtzu bercksichtigen.

    Den Verkehrswert einer Praxis kennt man normalerweise nicht. Eine Praxis ist keinStandardprodukt, fr das verlssliche Marktdaten existieren. Jede Praxis hat vielflti-ge Besonderheiten. Man kann ihren Verkehrswert daher nur schtzen. Hierfr eignetsich der Investitionsvergleich aus der Sicht des Kufers. Man berechnet, wie viel einpotentieller bernehmer bei einer bernahme der Praxis unter Bercksichtigung derrelevanten Alternativen normalerweise bezahlen wrde.

    Hinter der Formulierung der Wert, der bei einer Veruerung zu erzielen wre stehtdie Annahme, dass es um einen bedingten Wert geht, den Wert unter der Bedin-gung, dass die Praxis veruert wird. Es geht demnach nicht um die Entscheidungdes Praxisinhabers, die Praxis jetzt zu verkaufen, sondern vielmehr darum, was einKufer derzeit im Fall der Veruerung normalerweise dafr bezahlen wrde. DieVeruerung selbst steht nicht zur Disposition. Zu ermitteln ist, welchen Wert diePraxis hat unter der Bedingung, dass sie jetzt veruert wird.

    Erscheint einem Praxisinhaber der jetzt bei einer Veruerung zu erzielende Wert zuniedrig, so kann er sich sofern ihn andere Umstnde nicht zu einem sofortigen Ver-kauf zwingen durchaus auch entscheiden, die Praxis jetzt noch nicht zu veruern.Den Wert, der bei einer jetzigen Veruerung zu erzielen wre, kann er dadurchaber nicht beeinflussen.

    Der Wert einer Praxis im Fall der Veruerung kann sich im brigen erheblich vondem Wert unterscheiden, der ihr zugunsten des Praxisinhabers bei einer unvernder-ten Fortfhrung beizumessen ist. Es drfte kaum eine andere Berufsgruppe geben,bei der die Personengebundenheit der erzielbaren Ertrge so stark ist wie bei denniedergelassenen rzten. Gerade bei berdurchschnittlich umsatzstarken Praxen istder Erfolg oft eng mit der Persnlichkeit des Arztes verbunden. Solange dieser selbstdie Praxis weiterfhrt, ist das Risiko von Ertragseinbuen gering (solange er in derLage ist, die Praxis unverndert weiter zu betreiben, und die Honorarbedingungensich nicht erheblich verschlechtern).

    Im Fall der Veruerung wird ein potentieller Kufer der Praxis jedoch das Risikoerheblicher Umsatzrckgnge bei seiner Entscheidung bercksichtigen mssen.

  • 6

    Entscheidungsbezogenheit des bernahmevorteils

    Ein Arzt wird fr eine Praxis hchstens so viel bezahlen wollen, wie erforderlich ist,damit er sich mit den erzielbaren Ertrgen voraussichtlich nicht schlechter stellt alsmit den Ertrgen einer in Betracht kommenden Entscheidungsalternative. Fr dieBewertung von Arztpraxen kommt der Vergleich mit den folgenden Alternativen inFrage:

    Fall 1: der Vergleich mit der Neugrndung einer Praxis

    Fall 2: der Vergleich mit dem Kauf einer anderen Praxis bzw. eines Anteils aneiner Praxis

    Fall 3: der Vergleich mit einer abhngigen Ttigkeit.

    Zu Fall 1 - Vergleich mit der Neugrndung einer Praxis

    Man geht davon aus, dass fr eine Praxis oder einen Anteil an einer Praxis einEntgelt bezahlt werden soll fr die Vorteile, die die bernahme gegenber einerNeugrndung bietet. Ein Neugrnder muss zunchst einmal gleich zu Beginn sei-ner Ttigkeit mit hohen Investitionsausgaben rechnen, da er die Praxis kompletteinzurichten hat; im Vergleich dazu kann der bernehmer einer Praxis je nachZustand der Inventars in der Regel mit deutlich geringeren anfnglichen Ausga-ben rechnen.

    Was die Einnahmen anbelangt, so muss man bei einer Neugrndung zunchst beiNull anfangen und kann dann mit einem allmhlichen Anstieg der Patientenzahlenund damit auch der Einnahmen rechnen. Bei der bernahme einer Praxis kannman normalerweise von Anfang an hhere Einnahmen erwarten; im ersten Jahr istallerdings mit Abwanderungen von Patienten zu rechnen. Sie knnen in denFolgejahren dann in der Regel wieder kompensiert werden. Nach den ersten zweibis fnf Jahren d. h. je nach Fachgruppe und Praxisbesonderheiten ab dem 3.bis 6. Jahr bestehen in der Regel keine relevanten Unterschiede mehr zwischenden Einnahmeberschssen einer neugegrndeten und einer bernommenenPraxis.2

    Nicht immer ist es unproblematisch, alle relevanten Faktoren bei solchen Investiti-onsrechnungen zu bercksichtigen. Die Honorarbedingungen sind vor allem imvertragsrztlichen Bereich kompliziert, deren zuknftige Vernderungen lassensich nur schwer prognostizieren. Gegenwrtig gelten Fallzahlbegrenzungen frNeugrnder, die eine Angleichung an die Umstze bereits bestehender Praxendann erschweren, wenn sie berdurchschnittlich ertragsstark sind. Aber auch beider bernahme einer Praxis hat man keine Garantie, dass die Abrechnungskondi-tionen mittel- und langfristig unverndert bleiben.

    2Zumindest drften bei Arztpraxen nach sptestens fnf Jahren nur noch schwer mebare Unter-

    schiede bestehen. Von dieser Zeitspanne geht man im allgemeinen beim Aufbau des Goodwills einerArztpraxis aus. Vgl. Schmidt-von Rhein, G., Bewertung von Freiberuflerpraxen Anwendung des Er-tragswertverfahrens auf Einzelpraxen und Praxisanteile, Wiesbaden 1997, S. 47f.

  • 7

    Zu Fall 2 - Vergleich mit dem Kauf einer anderen Praxis bzw. eines Anteils aneiner Praxis

    Wenn als Alternative die bernahme einer anderen Praxis in Betracht kommt, un-terscheidet sich methodisch die Vorgehensweise nicht wesentlich vom ersten Fallder alternativen Neugrndung. Wieder sind zwei Zahlungsreihen zu vergleichen.Der Wert der zu kaufenden Praxis bemisst sich sozusagen an dem alternativenKauf der anderen Praxis. Je attraktiver der Erwerb dieser alternativen Praxis er-scheint, umso geringer ist der Wert der zu kaufenden Praxis. Insbesondere wennZulassungsbeschrnkungen bestehen, drfte diese Variante in vielen Fllen ent-scheidungsrelevant sein. Man vergleicht dann die Zahlungsreihen zweier in Be-tracht kommender bernahmen. Man sucht eine Antwort auf die Frage, bei wel-chem Kaufpreis es sich lohnt sich, die eine und nicht die andere Praxis zu erwer-ben.

    Zu Fall 3 Vergleich mit einer abhngigen Ttigkeit

    Beim Vergleich mit einer abhngigen Ttigkeit ergeben sich eine Reihe von Prob-lemen: Die abhngige rztliche Ttigkeit ist nur bedingt vergleichbar mit derbernahme einer Praxis. Man muss das Gehalt fr die Zeit bis zum voraussichtli-chen Ruhestand prognostizieren, auch die alternativ zu erzielenden Einnahmenaus der zu bernehmenden Praxis und die fr den Praxisbetrieb erforderlichenAusgaben mssen fr einen ebenso langen Zeitraum geschtzt werden. Zudemist der am Ende der Praxisttigkeit zu erwartende Erls fr die Praxis zu berck-sichtigen (sofern man nicht mit der so genannten ewigen Rente rechnet, d. h.mit den Grenzwerten fr einen unendlich langen Zeitraum). Auch die in unter-schiedlicher Hhe anfallenden Ausgaben fr die Alters- und Gesundheitsvorsorgesowie steuerliche Aspekte spielen eine entscheidende Rolle.

    Wenn allerdings in einem konkreten Fall eine Entscheidungssituation gegeben ist,bei der die abhngige Ttigkeit die relevante Alternative darstellt, so sollte dieseVariante der Ertragswertmethode gewhlt werden; wegen des langen Prognose-zeitraums sollten verschiedene Szenarien in Betracht gezogen werden.

    Der Investitionsvergleich in berversorgten Gebieten

    In berversorgten Gebieten wird gelegentlich nur fr die Zulassung ein Entgelt be-zahlt. Ob und bis zu welcher Hhe es sinnvoll ist, eine solche Zahlung zu leisten,kann man anhand eines Investitionsvergleichs mit einer naheliegenden Alternativefeststellen. Auch in zulassungsgesperrten Planungsbereichen lassen sich nichtzwangslufig hohe Ertrge erwirtschaften. Wenn die Einnahmeberschsse vo-raussichtlich nicht ausreichen, die Praxisinvestitionen und einen kalkulatorischenArztlohn zu erwirtschaften, lohnt es sich nicht im Vergleich zu einer abhngigenTtigkeit nicht, ein Entgelt fr die Zulassung zu bezahlen. Ebenso kann man einenVergleich mit dem Erwerb einer anderen Praxis in diesem Planungsbereich inkl.der Zulassung oder mit einer Neugrndung in einem anderen Planungsbereichdurchfhren. Es kann letztlich immer nur darum gehen, die Entscheidungssituationmglichst realittsnah darzustellen und zu bewerten.

  • 8

    Bewertungsrelevante Faktoren

    Bei der Bewertung von Arztpraxen mssen

    1. die besonderen Merkmale der Arztpraxen generell2. die Besonderheiten einer jeden einzelnen Praxis

    bercksichtigt werden. Dies gilt fr die Ermittlung des bernahmevorteils ebenso wiefr alle anderen mglichen Wertermittlungen.

    Bewertungsrelevante Merkmale von Arztpraxen

    Personengebundenheit: Der Arzt erbringt Leistungen nicht an Gegenstnden,sondern an Personen. Dies impliziert eine besondere Bindung an die Personen,fr die er Leistungen erbringt. Die Ttigkeit eines niedergelassenen Arztes istnoch in anderer Hinsicht personengebunden: Er setzt in seiner Praxis sowohl sei-ne eigene Arbeitsleistung als auch finanzielle Mittel ein. Die Praxis bildet insoferneine Erfolgseinheit von Human- und Finanzkapital. Gatzen spricht deshalb voneiner doppelt personenbezogenen Leistungserstellung.3 Inwiefern ist diese Per-sonengebundenheit fr den Praxiswert von Bedeutung? Der Wert der Praxis stehtund fllt mit dem Praxisinhaber und kann sich schnell verflchtigen, wenn jemanddie Praxis bernimmt. Der bernehmer kann deshalb nicht ohne weiteres mit un-verndert hohen Praxisgewinnen rechnen.

    Bindung an Berufs- und Zulassungsordnung: Dem Arzt werden bei der Nie-derlassung zahlreiche Restriktionen auferlegt: Zulassungsbeschrnkungen, Be-schrnkung auf sein Fachgebiet, Werbeverbot, nach oben begrenztes Leistungs-volumen, Fallzahlbegrenzungen, etc.

    Bindung an Gebhrenordnungen (EBM, GO): Der Arzt kann die Preise frseine Leistungen nicht frei bestimmen; das Honorarvolumen ist begrenzt.

    Die Besonderheiten einer Praxis kann man danach unterscheiden, ob sie eher quan-titativer oder vorwiegend qualitativer Art sind.4

    3Gatzen, M., Bewertung von Arztpraxen, Bergisch Gladbach/Kln 1992, S. 51 ff.

    4In der Richtlinie zur Bewertung von Arztpraxen der Bundesrztekammer werden die Bewertungs-

    merkmale danach unterteilt, ob sie objektiver und subjektiver Natur sind, wobei mit objektiv dieunabhngig vom Praxisinhaber bestehenden Gegebenheiten bezeichnet werden. Vgl. Deutsches rz-teblatt, Sonderdruck vom 2.4.1987.

  • 9

    Praxisbesonderheiten

    Quantitative Bewertungsfaktoren:

    der Umsatz und seine Struktur,

    die Kosten und ihre Struktur,

    der Anzahl der Behandlungsflle

    der Anteil der Selbstzahler

    die Bevlkerungsstruktur und die -entwicklung

    Qualitative Bewertungsfaktoren:

    die rtliche Lage der Praxis (gesperrtes Gebiet, Verkehrsanbindung, Park-mglichkeiten, Aufzug etc.)

    die Konkurrenzsituation

    die Kooperationsmglichkeiten

    das Leistungsspektrum und die Sonderttigkeiten des Praxisinhabers

    die Zweckmigkeit der Praxisrume und der Praxiseinrichtung

    die Vereinbarungen im Mietvertrag

    die Eigenschaften des Praxispersonals

    die Qualitt der Praxisorganisation

    die Intensitt der Patientenbindung

    Wie kann man nun in einen Investitionsvergleich, der lediglich auf den zuknftigenEinnahmen und Ausgaben basiert, derart viele Faktoren einbeziehen? Es scheintnahezu unmglich zu sein.

    Betrachtet man jedoch die einzelnen Merkmale und Faktoren, so zeigt sich, dassman jeweils prfen kann, inwieweit sie die zuknftigen Einnahmen und/oder Ausga-ben beeinflussen. Anders ausgedrckt: In der Prognose der verschiedenen Einnah-

  • 10

    men und Ausgaben kann man die bewertungsrelevanten Merkmale und Faktorenbercksichtigen.

    Sind z. B. die bis jetzt erzielten Umstze hoch, so wird man auch zuknftig mit relativhohen Einnahmen rechnen knnen, sofern die Honorare auf den bernehmer ber-tragbar sind. Hohe Kosten des Personals und der Rumlichkeiten schlagen sich inden zuknftig zu veranschlagenden Ausgaben nieder. Ein attraktiver Standort lssteine relativ optimistische Prognose zu; eine starke Patientenbindung an den jetzigenPraxisinhaber hat zur Folge, dass die zuknftig zu erzielenden Einnahmen entspre-chend niedriger angesetzt werden mssen.

    Bei der Berechnung des bernahmevorteils kann man zudem den gegenwrtigenUnsicherheiten in der Gesundheitspolitik dadurch Rechnung tragen, dass man dieprognostizierten Einnahmen niedriger ansetzt und/oder einen hohen Risikozuschlagbei der Abzinsung bercksichtigt.5

    Bercksichtigt man die bewertungsrelevanten Merkmale und Faktoren in dieser Wei-se, so wird offengelegt, inwiefern sie den Wert der Praxis beeinflussen. Wie im 5.Kapitel dieser Broschre erlutert wird, ist dies bei anderen Bewertungsmethodennicht so transparent. Meist wird der durchschnittliche Jahresumsatz oder ein angebli-cher Basiswert mit einem Korrekturfaktor multipliziert, in dem auf rtselhafte Weisealle Praxisbesonderheiten ihren Niederschlag finden. Auf Plausibilitt berprfenlsst sich das nicht.

    5Wrde sich allerdings eine gesundheitspolitische Entwicklung abzeichnen, bei der es sich zuknftig

    generell nicht mehr lohnt, eine Praxis als niedergelassener Arzt zu betreiben, so erbrigt sich die Be-wertung einer jeden Praxis (egal mit welcher Methode), denn niemand mehr wrde eine Praxis odereinen Anteil an einer Praxis erwerben wollen. Nur die Schlieung der Praxis kme noch in Betracht.

  • 11

    2. Die Berechnung des bernahmevorteils- Darstellung anhand eines Fallbeispiels -

    Der theoretische Hintergrund

    Bei der Berechnung eines bernahmevorteils handelt es sich wie bei allen Er-tragswertmethoden im Prinzip um eine Anwendung der Kapitalwertmethode, wiesie im Rahmen von Investitionsrechnungen blich ist. Hierzu bedarf es einiger Erlu-terungen im Vorfeld.6

    Unter dem Kapitalwert versteht man den Barwert der zu erwartenden Einnahmen(Geldzuflsse) vermindert um den Barwert der zu erwartenden Ausgaben (Geldab-flsse). Alle fr die Praxis zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben werden durchAbzinsung auf den Bewertungszeitpunkt bezogen; die Differenz dieser abgezinstenEinnahmen und Ausgaben ergibt den Kapitalwert.7 Als Kalkulationszinssatz eignetsich der langfristige Kapitalmarktzinssatz; er kann um einen Risikozuschlag erhhtwerden.

    Den bernahmevorteil berechnet man durch einen Investitionsvergleich. Der Kapi-talwert einer zu bernehmenden Praxis wird dem Kapitalwert einer mglichen Alter-native gegenbergestellt. Der bernahmevorteil entspricht dann der Differenz ausden beiden Kapitalwerten. Wenn ein Kaufpreis in dieser Hhe bezahlt wird, dann istdie bernahme gleichwertig mit der Alternative, d. h. man bezahlt mit dem Kaufpreisden Vorteil der bernahme.8

    Der bernahmevorteil einer Praxisbernahme im Vergleich mit einer Neugrndungsetzt sich aus einem substantiellen und einem ideellen bernahmevorteil zusammen.

    Der substantielle bernahmevorteil ergibt sich aus dem Vergleich der Investitions-ausgaben, mit denen man bei einer komplett neuen Einrichtung einer Praxis rechnenmuss, mit den Investitionsausgaben, die der Praxisbernahme anfallen. Man kanndies in Form von Zahlungsreihen darstellen, z. B. im Fall einer allgemeinmedizini-schen Einzelpraxis folgendermaen:

    Jahr 0 1 2 3 4Investitionen bei bernahme 30.000 20.000 4.000 3.000 2.000Investitionen bei Neugrndung 90.000 8.000 3.000 2.000 2.000

    6Vgl. im folgenden Sieben, G., Unternehmensbewertung, in: Handwrterbuch der Betriebswirtschaft,

    5. Auflage, Stuttgart 1993, Sp 4323 ff., Schmidt-von Rhein, G., Bewertung von Freiberuflerpraxen Anwendung des Ertragswertverfahrens auf Einzelpraxen und Praxisanteile, Wiesbaden 1997, S. 142ff.7

    Der Begriff Einnahme entspricht in diesem Modell einer Einzahlung, d. h. einem Zufluss liquiderMittel; der Begriff Ausgabe ist dementsprechend gleichbedeutend mit einer Auszahlung, d. h. miteinem Abfluss liquider Mittel.8

    Strenggenommen kann man eine Neugrndung nur dann mit einer Praxisbernahme vergleichen,wenn sich die zu bercksichtigenden Einnahmen und Ausgaben 1. auf denselben Zeitraum erstre-cken, 2. mit demselben Arbeitseinsatz erwirtschaftet werden, 3. dieselbe Verfgbarkeit aufweisen, 4.in derselben Maeinheit gemessen werden und 5. eine vergleichbare Unsicherheitsdimension aufwei-sen. Siehe dazu Ballwieser, W./ Leuthier, R., Betriebswirtschaftliche Steuerberatung; Grundprinzipien,Verfahren und Probleme der Unternehmensbewertung, Teil II, DStR 1986, S. 608.

  • 12

    01

    23

    4

    0

    20.000

    40.000

    60.000

    80.000

    100.000

    120.000

    Jahr

    Graphische Darstellungdes substantiellen bernahm evorteils

    Anschaffungsausgaben bei bernahme der Praxis Dr. Allgem ein

    Anschaffungsausgaben bei einer Neugrndung

    Der Neugrnder muss mit einem Investitionsvolumen in Hhe von ca. 90.000 Eurogleich zu Beginn seiner Ttigkeit als niedergelassener Arzt rechnen.9 Nur einige An-schaffungsausgaben kann er auf die Folgejahre verschieben. Der Vorteil des spte-ren Anfalls dieser Zahlungen wird in der Bewertung dadurch bercksichtigt, dass ei-ne Abzinsung vorgenommen wird. Die Zahlungen gehen dann mit einem umso ge-ringeren Wert in die Berechnung ein, je spter sie anfallen. Bei einem Zinssatz von6%10 ergibt sich fr den Neugrnder ein Barwert seiner Investitionsausgaben in Hhevon 103.481 .

    Der bernehmer muss weniger investieren, da er ja auf die bereits vorhandene Sub-stanz zurckgreifen kann. Seine Zahlungsreihe entspricht bei einem Zinssatz von 6%einem Barwert von 56.531 .

    Es ergibt sich somit der folgende Substanzwert (=substantieller bernahmevorteil):

    Barwert der erforderlichen Investitionen bei Neugrndung 103.481 - Barwert der erforderlichen Investitionen bei Praxisbernahme 56.531

    = Substantieller bernahmevorteil 46.950 ========

    9Angaben zum durchschnittlichen Investitionsvolumen der einzelnen Fachgruppen sind bis 2007 jhr-

    lich verffentlicht worden. Existenzgrndungsanalyse von rzten, Eine Untersuchung der DeutschenApotheker- und rztebank, Dsseldorf, und des Zentralinstituts fr die kassenrztliche Versorgung(ZI), Berlin, September 2007.10

    Der Zinssatz orientiert sich am langfristigen Kapitalmarktzinssatz und dem unternehmerischen Risi-ko.

  • 13

    Der ideelle bernahmevorteil ergibt sich aus den hheren Einnahmeberschssen,mit denen man im Vergleich zu einer Neugrndung rechnen kann.

    Man muss die Einnahmeberschsse auf der Basis einer detaillierten Ist-Analyseaus den Honoraren und Betriebsausgaben einzeln prognostizieren. Es muss berck-sichtigt werden, dass es zu Patientenabwanderungen und daher zu einem Umsatz-rckgang kommen kann. Je nach der jeweiligen Personengebundenheit sind hierentsprechend geringere Umstze zu prognostizieren. Auch ist zu bedenken, dass einTeil der Honorare zuknftig mglicherweise nicht mehr erzielt werden kann. Abseh-bare Vernderungen in den Honorarbedingungen mssen beachtet werden. DieAusgaben knnen sich aufgrund einer bernahme ebenfalls erheblich ndern. Wennz. B. bisher die Ehefrau des Praxisinhabers unentgeltlich mehrere Stunden pro Wo-che oder pro Tag fr die Praxis ttig gewesen ist, so sind zuknftig hhere Personal-kosten einzuplanen.

    Es ist zu beachten, dass die Abschreibungen nicht die Einnahmeberschsse ver-mindern. Sie sind deshalb aus den Betriebsausgaben herauszurechnen. Auch dieFinanzierungskosten sind nicht relevant, da sie bereits bei der Abzinsung indirektbercksichtigt werden.11

    Bei der Ermittlung des bernahmevorteils erbrigt sich auerdem eine Schtzungdes kalkulatorischen Arztlohns, da er bei bernahme und Neugrndung in gleicherHhe angesetzt werden kann und damit fr die Berechnung des bernahmevorteilsnicht relevant ist.

    Die jeweilige Einkommensteuerbelastung ist jedoch relevant und mit einem Durch-schnittswert zu bercksichtigen. Es handelt sich sozusagen um die Netto-Geldzuflsse aus der Praxis.

    Man kann dies wie bei der Ermittlung des substantiellen bernahmevorteils mitZahlungsreihen darstellen.

    Jahr 1 2 3 4 5Einnahmeberschsse bei bernahme 118.000 120.290 122.440 126.100 129.600Einnahmeberschsse bei Neugrndung 59.200 80.120 104.150 118.480 129.600

    Aus den verschiedenen Einnahmeberschssen ergibt sich bei einem Zinssatz von6% der folgende ideelle bernahmevorteil:

    Barwert der Einnahmeberschsse bei Praxisbernahme 517.910 - Barwert der Einnahmeberschsse bei Neugrndung 405.182

    = substantieller bernahmevorteil 112.728 ===========

    11Im Beispiel geht man implizit von einer Effektivverzinsung in Hhe von 6% des gesamten eingesetz-

    ten Kapitals aus, unabhngig davon, ob es sich um Eigen- oder Fremdkapital handelt.

  • 14

    Graphische Darstellung

    des ideellen bernahmevorteils

    Einnahmeberschsse

    bei Neugrndung

    Einnahmeberschsse

    nach Praxisbernahme

    50.000

    60.000

    70.000

    80.000

    90.000

    100.000

    110.000

    120.000

    130.000

    140.000

    150.000

    1 2 3 4 5

    Jahr

    ideeller

    bernahmevorteil

    Der gesamte bernahmevorteil betrgt

    Substantieller bernahmevorteil 46.950 + ideeller bernahmevorteil 112.728

    = Gesamtwert 159.678 ===========

  • 15

    114.300

    292.020,73

    106.746

    299.876,48

    111.581

    275.647,87

    107.197

    295.269,72

    0

    50.000

    100.000

    150.000

    200.000

    250.000

    300.000

    350.000

    2004 2005 2006 2007

    Umsatz- und Kostenentwicklung

    Kosten Umsatz

    Die Ist-Analyse als Basis fr die Berechnung des bernahmevorteils

    Ermittelt wird der bernahmevorteil auf der Basis einer umfassenden Ist-Analyse derPraxis.

    Fr den Substanzwert mageblich ist in erster Linie das Praxisinventar. Das bedeu-tet, dass fr die Bewertung smtliche in der Praxis vorhandenen Gegenstnde er-fasst werden mssen; es ist dann zu prfen, ob der bernehmer der Praxis dieseGegenstnde bentigen wird nur dann fhren sie zu einer Ersparnis gegenber derNeugrndung. Auf der Basis des vorhandenen Inventars ist abzuschtzen, welcheAnschaffungsausgaben zu welchem Zeitpunkt aus der Sicht eines reprsentativenbernehmers erforderlich sein werden. Darber hinaus mssen gegebenenfallsAusgaben fr Bau- und Umbaumanahmen bercksichtigt werden.

    Fr die Ermittlung des ideellen bernahmevorteils bentigt man detaillierte Angabenzur Umsatz- und Kostensituation. Basisinformationen bieten in der Regel die steuer-lichen Einnahme-/berschussrechnungen und die KV-Abrechnungen. Darauf auf-bauend kann man die Einnahmen und Ausgaben des bernehmers schtzen. Es istbei jeder einzelnen Honorar- und Kostenposition zu prfen, ob Vernderungen zuerwarten sind.

    Graphisch veranschaulichen lsst sich die Ausgangssituation folgendermaen:

  • 16

    KV-Ei

    nnah

    men in

    kl.Pra

    xisge

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    2004

    2005

    2006

    20070

    50.000

    100.000

    150.000

    200.000

    250.000

    Einnahmen

    Honorarstruktur

    Perso

    nalko

    sten

    Raum

    koste

    n

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    2004

    2005

    2006

    2007

    0

    10.000

    20.000

    30.000

    40.000

    50.000

    60.000

    70.000

    80.000

    Kosten Kostenstruktur

  • 17

    290.704

    219.400

    109.956 115.843

    180.748

    103.557

    0

    50.000

    100.000

    150.000

    200.000

    250.000

    300.000

    350.000

    Umsatz Betriebsausgaben Gewinn

    Umsatz, Betriebsausgaben und Gewinn pro Arztim Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt der Allgemeinrzte

    Dr. med. Allgemein (2005 - 2007)

    Fachgruppendurchschnitt der Allgemeinrzte (2003)*

    Der Vergleich mit einer durchschnittlichen Praxis dieser Fachrichtung ist relevant frdie Bewertung, weil eine starke Abweichung auf Praxisbesonderheiten hinweist.12

    In diesem Zusammenhang ist auf die Problematik besonders ertragsstarker Praxenhinzuweisen. Wegen der bisherigen hohen Einnahmeberschsse liee sich einbernahmevorteil in nahezu astronomischer Hhe errechnen; denn es wre ja un-wahrscheinlich, dass ein Neugrnder berhaupt jemals vergleichbare Ertrge erzie-len knnte. Hier ist nun aber die Personenbezogenheit der jetzigen Umstze zu pr-fen. Ist davon auszugehen, dass die Patienten die Praxis nur deshalb aufsuchen,weil sie von dem jetzigen Praxisinhaber und von keinem anderen Arzt behandeltwerden wollen, so ist das Risiko von Patientenabwanderungen und damit von Um-satzeinbuen nach einer Praxisbernahme sehr hoch.

    Dieses Risiko lsst sich gegebenenfalls durch eine sorgfltig geplante bernahmeetwas abmildern.

    Empirisch zeigt sich, dass das Risiko eines Umsatzrckgangs meist hoch einge-schtzt wird, denn fr berdurchschnittlich ertragsstarke Praxen lassen sich hufigam Markt nur relativ niedrige Kaufpreise realisieren.

    12Geeignete Vergleichszahlen werden vom Statistischen Bundesamt verffentlicht: Kostenstruktur bei

    Arzt-, Zahnarzt- und Tierarztpraxen, Fachserie 2, Reihe 1.6.1, Wiesbaden 31. Juli 2006. Die Ver-gleichszahlen beziehen sich auf allgemeinmedizinische Einzelpraxen im Jahr 2003..

  • 18

    Generell bieten die realisierten Kaufpreise einen Anhaltspunkt fr die Bewertung vonArztpraxen; es ist anzunehmen, dass jeder Gutachter seine diesbezglichen Erfah-rungen bei der Wertermittlung einbezieht.

    Durchschnittswerte werden unterteilt in Substanzwert und Goodwill jhrlich ermit-telt:

    Fachgruppen 2003/2004 2004/2005 2005/2006

    Allgemeinrzte 82.701 79.522 75.911

    Augenrzte 99.810 118.200 143.147

    Chirurgen 160.214 151.249 205.145

    Dermatologen 115.100 121.857 120.974

    Gynkologen 121.772 118.694 114.806

    HNO-rzte 119.262 116.860 124.046

    Internisten 128.811 124.472 117.611

    Kinderrzte 91.673 110.850 119.883

    Neurologen / Nervenrzte 66.875 70.744 82.098

    Orthopden 197.494 195.874 188.049

    Psychotherapeuten/Psychiater 49.664 43.786 48.755

    Urologen 206.985 224.164 214.219

    Alle Arztgruppen(auer Zahnrzte)

    119.959 116.085 115.745

    Zahnrzte 191.000 192.000 177.000

    Quelle: Existenzgrndungsanalyse von rzten, Eine Untersuchung der Deutschen Apotheker- undrztebank, Dsseldorf, und des Zentralinstituts fr die kassenrztliche Versorgung (ZI), Berlin,September 2007. Kassenzahnrztliche Bundesvereinigung, Jahrbuch 2007, S. 148. Bei denZahnrzten sind in diesem Wert die Ausgaben fr Neuanschaffungen enthalten.

    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Werte nur eine grobe Orientierung dar-ber ermglichen, welche Kaufpreise derzeit im Durchschnitt in Stadt und Land be-zahlt werden. Da jede Praxis ber Besonderheiten verfgt, drfte die Varianz dieserKaufpreise recht hoch sein. Man sollte den Nutzen dieses Datenmaterials nicht ber-schtzen.

    Mit der Berechnung des bernahmevorteils aus der Perspektive eines reprsentati-ven Praxiserwerbers erhlt der potentielle bernehmer einer Praxis eine nachvoll-ziehbare Bewertung. Er selbst kann prfen, ob die prognostizierten Werte seiner ei-genen Einschtzung entsprechen oder nicht. Man kann gegebenenfalls den individu-ell fr ihn zutreffenden bernahmevorteil ermitteln, der seinem persnlichen Szena-rio und seiner Risikoeinschtzung Rechnung trgt.

  • 19

    3. Besonderheiten der Anteilsbewertung

    Grundstzliche berlegungen beim Anteilserwerb

    Immer hufiger soll nicht eine Praxis als Ganzes, sondern nur ein Anteil an der Pra-xis veruert werden. Es handelt sich dann um ein Bewertungsszenario, dem nichtdadurch Rechnung getragen werden kann, dass auf der Basis des gesamten Pra-xiswerts ein dem Anteil entsprechender Prozentsatz berechnet wird.

    Aus der Sicht des potentiellen Anteilserwerbers unterscheidet sich das Szenario imVergleich zu einer vollstndigen Praxisbernahme folgendermaen:

    Das Risiko von Patientenabwanderungen ist geringer als bei einer vollstndi-gen Praxisbernahme.

    Fr Gemeinschaftspraxen gelten andere vertragsrztliche Abrechnungskondi-tionen als fr Einzelpraxen; dies ist fr den Zukunftserfolg von Bedeutung.

    Es besteht die Mglichkeit der gegenseitigen Vertretung; dies entlastet deneinzelnen Arzt und mindert darber hinaus das Risiko von Umsatzeinbuen imKrankheitsfall.

    Die fixen Praxiskosten verteilen sich auf mehrere rzte.

    Die rzte sind voneinander abhngig. Es sind zahlreiche vertragliche Rege-lungen, z. B. bezglich der Gewinnverteilung und des Arbeitseinsatzes, erfor-derlich.

    Bei einer gemeinschaftlichen Praxisfhrung kann es zu schwerwiegendenMeinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten kommen.

    Auch im Fall eines Anteilserwerbs ist es ratsam, einen Investitionsvergleich durchzu-fhren, indem man entsprechende Zahlungsreihen bildet und einander gegenber-stellt:

    Jahr 1 2 3 4 5Einnahmeberschsse bei Anteilserwerbalternative Einnahmeberschsse

    Barwert der Einnahmeberschsse bei Anteilserwerb- Barwert der Einnahmeberschsse bei Neugrndung

    = anteilsbezogener bernahmevorteil

    Man kann auch den bernahmevorteil im Fall eines Anteilserwerbs in einen substan-tiellen und einen ideellen bernahmevorteil zerlegen.

  • 20

    Fr den Vergleich kommen als Alternativen kommen in Betracht:

    die Neugrndung einer Einzelpraxis der Erwerb einer bereits bestehenden Einzelpraxis der Erwerb eines Anteils an einer anderen Praxis eine abhngige Beschftigung, z. B. als Oberarzt.

    Man ermittelt den Vorteil des Anteilserwerbs im Vergleich zu der relevanten Alternati-ve. Aus der Sicht eines reprsentativen potentiellen Erwerbers kann man die Be-rechnung auf der Basis eines Vergleichs zu einer Neugrndung durchfhren. Fr ei-nen konkreten Interessenten empfiehlt sich ein entscheidungsbezogener Investiti-onsvergleich.

    Angemessene Abfindungen

    Wie im Privatleben gestaltet sich auch bei rztlichen Kooperationen die Beendigungeiner Gemeinschaft meist problematischer als ihr Beginn. Scheidet ein Partner ausder gemeinschaftlichen Praxis aus, so ist unumstritten, dass ihm ein wirtschaftlicherAusgleich zusteht. Schlielich hat er seine Arbeitskraft und sein Geld in die Praxisinvestiert. Hufig kommt es aber zu Auseinandersetzungen darber, wie hoch dieseAbfindung zu bemessen ist.

    Die Abfindung hat sich nicht zuletzt aus rechtlichen Grnden am tatschlichenWert des Anteils zu orientieren, d. h. am Verkehrswert des Anteils zum Zeitpunkt desAusscheidens.13

    Es sind verschiedene Szenarien denkbar:

    (1) Der Anteil wird von einem anderen Arzt erworben.

    In diesem Fall kann sich die Hhe der Abfindung an dem Kaufpreis fr denAnteil orientieren.

    (2) Der Anteil geht auf den verbleibenden Arzt ber.

    Es wre in diesem Fall zu prfen, ob eine Veruerung des Anteils an einenanderen Arzt mglich wre. Ist dies der Fall, so wre eine Abfindung in derHhe des mglichen Kaufpreises zu bezahlen. Denn der verbleibende Arztvernichtet sozusagen einen Teil des jetzt bestehenden Praxiswerts, wenn nurnoch von ihm Leistungen erbracht werden und sich dadurch die Ertrge ver-mindern.

    Lsst sich aber der Anteil nicht veruern, weil sich kein Kufer findet, so istdavon auszugehen, dass der Wert des Anteils gering ist. Man muss den ko-nomischen Vorteil schtzen, der fr den verbleibenden Arzt (bzw. den verblei-benden rzten) aus dem Ausscheiden des Partners resultiert. Dieser Vorteilbesteht um einen darin, dass die Substanz in der Praxis verbleibt (substantiel-ler Vorteil), zum anderen darin, dass man hhere anteilige Einnahmeber-schsse erwarten kann (ideeller Vorteil).

    13Vgl. Piltz, D. J, Rechtspraktische berlegungen zu Abfindungsklauseln in Gesellschaftsvertrgen,

    Betriebsberater 1994, S. 1021-1027.

  • 21

    (3) Die Praxis wird liquidiert.

    Wenn die Praxis geschlossen wird, weil keiner der rzte die Praxis weiter be-treiben will und sich kein Kufer findet, teilen sich die Partner den Liquida-tionserls im Verhltnis ihrer Anteile.

    Die Partner sollten sich immer dessen bewusst sein, dass wie auch bei einer Ein-zelpraxis das Risiko einer Fehlinvestition vorhanden ist. Unabhngig davon, wieviel Zeit und Geld in die Praxis gemeinsam investiert worden ist, kann ihr Wert nuram zuknftig zu erwartenden Erfolg gemessen werden.

    Das Risiko des Scheiterns tragen die Partner gemeinsam. Es kann nicht rechtenssein, einem der Partner das gesamte Risiko aufzubrden.

    Besonderheiten bei bergangskooperationen

    Besondere Aspekte sind bei den sogenannten bergangskooperationen zu berck-sichtigen. Die Praxis soll bei diesen Gesellschaften nur fr eine kurze Zeit gemein-schaftlich betrieben werden, um das Risiko von Patientenabwanderungen abzumil-dern.

    Handelt es sich nur um einen Zeitraum von einigen Wochen, so verluft eine solchebergangskooperation in der Regel unproblematisch. Der Kaufpreis fr die Praxiswird vorher vereinbart und beim endgltigen Ausscheiden des ursprnglichen Praxis-inhabers nicht mehr zur Disposition gestellt.

    Wird aber ber mehrere Jahre gemeinschaftlich praktiziert, so fhrt dies hufig zuBewertungsproblemen. Der Praxiswert zu Beginn der Kooperation stimmt nicht mitdem Praxiswert zum Ende der Kooperation berein. Dies hat mehrere Grnde:

    Externe Faktoren: Die Honorarbedingungen, die Bevlkerungsstruktur, die Kon-kurrenzsituation und andere Gegebenheiten knnen sich imLauf der Zeit verndert haben.

    Interne Faktoren: Die Kooperation selbst hat die Praxis verndert. Der hinzuge-kommene Partner bringt seine Arbeitskraft ein, mglicher-weise sind neue Praxisgerte erworben worden. Der Umsatzist mit groer Wahrscheinlichkeit gestiegen.

    Besonders problematisch sind die internen Vernderungen. Man hat durch die ge-meinschaftliche Ttigkeit sozusagen einen ideellen Wert geschaffen, der mit demAusscheiden des ursprnglichen Praxisinhabers wieder vernichtet wird, sofern essich um eine echte bergangsgemeinschaft handelt und nicht ein neuer Partner indie Gemeinschaft eintritt.

    Trotz dieser vielfltigen Probleme kann letztlich die Abfindung ebenso wie der An-teilswert immer nur am Verkehrswert gemessen werden, d. h. an dem Wert, der untergewhnlichen Umstnden bei einer Veruerung des Anteils zu erzielen wre.

  • 22

    4. Argumente fr die Berechnung des bernahmevorteils

    Zukunftsbezogenheit

    Was interessiert mich die Zukunft? Ich will doch nur wissen, was meine Praxisjetzt wert ist! Diesen Standpunkt vertritt so mancher Praxisinhaber. Aus der Sichteines potentiellen Kufers ist die Praxis allerdings nichts wert, wenn sie keine Zu-kunft hat. Fr das Gewesene gibt der Kaufmann nichts heit es nach einemSprichwort.14 Frhere Erfolge gehren zweifellos der Vergangenheit an; sie sindSchnee von gestern; sie eignen sich lediglich zur Schtzung der zuknftigen Er-folge. Jede zukunftsbezogene Bewertung basiert zwangslufig auf Prognosen,bei denen sich die Mglichkeit einer Fehleinschtzung nie ganz ausschlieenlsst. Die Zukunft ist auch dem Kundigen verschlossen lautet ein anderes gernzitiertes Sprichwort15. Doch ein potentieller Kufer kann sich nur fr eine Praxisentscheiden, wenn er in Zukunft entsprechende Einnahmeberschsse zu erzie-len sind.

    Bei der Ermittlung des bernahmevorteils im Vergleich zu einer Neugrndungwird das Prognoseproblem dadurch abgemildert, dass der Prognosezeitraum nurzwei bis fnf Jahre betrgt, so dass realistische Schtzungen mglich sind. ImGegensatz dazu muss bei den klassischen Ertragswertberechnungen ein sehrlanger Zeitraum prognostiziert werden bis hin zur Ewigkeit (beim Ansatz einerewigen Rente).

    Mancher Praxisinhaber mag es fr unwahrscheinlich halten, dass der von ihmber Jahrzehnte aufgebaute Praxiswert nur eine relativ kurze Zeit einen ber-nahmevorteil bietet. Er sollte jedoch bedenken, wie schnell sich der Praxiswertunter ungnstigen Bedingungen verflchtigen kann. Es besteht ja kein fester Ver-trag mit den Patienten; es steht ihnen frei, nach der bernahme einen anderenArzt aufzusuchen. Bei kaum einer anderen Berufsgruppe drfte die Personenge-bundenheit so stark ausgeprgt sein! Ob der Praxiswert bewahrt werden kann,hngt in erheblichem Ma vom bernehmer der Praxis selbst ab.

    Wenn eine Praxisbewertung im Rahmen einer Vermgensauseinandersetzung er-folgt, ohne dass tatschlich eine Veruerung geplant ist, erscheint eine zu-kunftsbezogene Wertermittlung mglicherweise abwegig. Aber auch in diesenFllen ist der Verkehrswert zu schtzen, d. h. der Wert, der bei einer Verue-rung zu erzielen wre. Dies kann wie oben beschrieben nur ein am Zukunfts-erfolg der Praxis orientierter Wert sein.

    Theoretisch fundierter Wertansatz

    Entspricht der Substanzwert der mglichen Minderung der Anschaffungsausga-ben bei einer bernahme gegenber einer Neugrndung, dann kann man denberechneten Ertragswert als Summe aus Substanzwert und Goodwill darstellen.

    14Rossels, H. / Schmitz, N, Orientierung an zuknftigen Erfolgsgren, Teil II, Arzt und Wirtschaft

    3/1987, S. 31, hnlich auch Cramer, U. H. (Fn 5), S. 317.15

    Goetzke, W., der immaterielle Wert einer eingerichteten Zahnarztpraxis, Zahnrztliche Mitteilungen12/90, S. 1367.

  • 23

    Der Goodwill oder ideelle Praxiswert entspricht den im Vergleich zu einer Neu-grndung hheren Einnahmeberschssen. Somit steht hinter einer solchen Er-tragswertermittlung der theoretische Nachweis, weshalb sich der gesamte Pra-xiswert aus dem Goodwill und dem Substanzwert zusammensetzt. Wenn auchmit der Abzinsungstechnik nicht jedermann vertraut ist, so lassen sich zum einendie prognostizierten Einnahmen und Ausgaben leicht auf ihre Plausibilitt hinberprfen, zum anderen steht fest, wie das Ergebnis zu interpretieren ist.

    Auch wenn es vielleicht abwegig erscheint, zustzlich zur Praxisbernahmepla-nung die Einnahmen und Ausgaben fr eine fiktive (gar nicht beabsichtigte) Neu-grndung zu schtzen, so entspricht diese Vorgehensweise dem aktuellen Standder betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertungslehre. Bewerten heit ver-gleichen heit das Grundprinzip, nach dem sich der Wert eines Bewertungsob-jekts nicht absolut, sondern nur mit einem Vergleichsobjekt als Bewertungs-mastab bestimmen lsst.16

    Die wertbildenden Praxisbesonderheiten finden sowohl in der Ermittlung desSubstanzwerts als auch in den prognostizierten Einnahmeberschssen ihrenNiederschlag. Eine modern eingerichtete Praxis mit guter Praxisorganisation er-spart dem bernehmer Ausgaben. Der Substanzwert ist dann relativ hoch. Befin-det sich die Praxis an einem gnstigen Standort ohne starke Konkurrenz, so sindkaum Umsatzeinbuen nach der bernahme zu erwarten. Dies fhrt zu einemhohen ideellen Praxiswert. Muss man aufgrund der Wettbewerbssituation hinge-gen mit erheblichen Umsatzeinbuen aufgrund der bernahme rechnen, soergibt sich ein entsprechend geringerer Wert fr den ideellen Praxiswert und da-mit auch fr den gesamten bernahmevorteil.

    Die relevanten Bewertungsfaktoren werden auf eine nachvollziehbare Weise ein-bezogen, indem jeweils geprft wird, inwieweit sie die zuknftigen Einnahmenund Ausgaben der Praxis beeinflussen. Dabei wird beachtet, dass diese Faktorenzum Teil voneinander abhngig sind. Durch ihr Zusammenwirken kann sich ihrEinfluss auf die Einnahmen und Ausgaben verstrken oder abschwchen. Punk-tesysteme oder Zu- und Abschlge fr die jeweiligen Faktoren, wie sie bei ande-ren Bewertungsmethoden blich sind, knnen dieser Interdependenz nicht Rech-nung tragen.

    Plausible Ergebnisse

    Die berechneten Praxiswerte entsprechen dem konomischen Sachverhalt. Beieiner heruntergewirtschafteten Praxis ist beispielsweise der bernahmevorteilgegenber einer Neugrndung sehr gering, so dass sich ein geringer Praxiswertergibt. Umgekehrt ist der bernahmevorteil hoch, wenn es sich um eine neu ein-gerichtete Praxis handelt und dem bernehmer im Vergleich zur Neugrndunghohe Anschaffungsausgaben erspart bleiben. Eine umsatzstarke Praxis ermg-licht dem bernehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit von Anfang an hohe Ertrge;deshalb ist sie wertvoll fr ihn. Wofr, wenn nicht fr den Vorteil gegenber dereigenen Praxisgrndung, soll man berhaupt ein Entgelt bezahlen?

    16Moxter, A., Grundstze ordnungsgemer Unternehmensbewertung, 2. Auflage, Wiesbaden 1991,

    S. 123 ff.

  • 24

    Eine objektive Praxisbewertung wird manchmal gewnscht. Dahinter steht derGedanke, es knne eine Methode geben, mit der jeder fachkundige Gutachter aufdenselben Praxiswert kommt. Dass dies angesichts der Vielfalt quantitativer undqualitativer Bewertungsfaktoren eine Fiktion bleiben muss, drfte jedem einleuch-ten. Auch wenn man nur ein Gebude oder ein Fahrzeug kaufen oder verkaufenmchte, wird man vergeblich nach allgemeingltigen, von allen akzeptiertenWertanstzen suchen. Auch wenn von Juristen gelegentlich die Objektivitt derBewertung gefordert wird, so sollte man sich der Problematik doch immer be-wusst sein.

    Wird der Wert einer Praxis an ihrem bernahmevorteil gemessen, so ist fr jedenverstndlich und damit berprfbar, was damit zum Ausdruck gebracht werdensoll. Eine Bewertung auf der Grundlage einer rtselhaften Formel ist hingegenwenig hilfreich; man muss dann dem Gutachter ein uneingeschrnktes Vertrauenentgegenbringen.

    bereinstimmung mit der Praxisbernahmeplanung

    Die prognostizierten Werte werden bei dieser Methode offengelegt und lassensich hinsichtlich ihrer Plausibilitt berprfen. Auerdem kann man die Berech-nungen fr die eigene Praxisplanung sowie als Informationsmaterial fr die Fi-nanzierungspartner nutzen.

    Der bernahmevorteil wird aus der Perspektive eines reprsentativen berneh-mers ermittelt, kann aber auch bezglich individueller Gegebenheiten modifiziertwerden.

    Schutz vor berhhten Kaufpreisen

    Der errechnete bernahmevorteil spiegelt das Ertragspotential der Praxis aus derSicht eines potentiellen Erwerbers im Vergleich zu einer Neugrndung wider. Esist aus rein konomischer Sicht fr einen reprsentativen bernehmer nicht rat-sam, einen wesentlich hheren Kaufpreis zu bezahlen.

    Wie oben beschrieben kann es bei einer Verkehrswertschtzung nur um denWert gehen, der unter der Bedingung, dass die Praxis tatschlich zum Bewer-tungsstichtag veruert wird, zu erzielen wre. Irrefhrend ist es, wenn verlangtwird, auch die Interessen des Verkufers seien in die Bewertung einzubeziehen.Der Praxisinhaber kann sich allerdings, sofern er aus gesundheitlichen Grndenzur Abgabe der Praxis gezwungen ist, entscheiden, die Praxis unter den gegebe-nen Bedingungen noch nicht zu veruern und auf eine gnstigere Marktlage inder Zukunft hoffen.

    Der Erwerber trgt das Risiko der Fehlinvestition; der Kauf kann fr ihn nur rat-sam sein, wenn sich der Kaufpreis amortisieren lsst. Ob sich die bernahme frihn lohnt, hngt letztlich von seinen individuellen Handlungsalternativen, von sei-nen persnlichen Prferenzen und nicht zuletzt von seinen Finanzierungsmg-

  • 25

    lichkeiten ab.17 Eine situationsbezogene Ermittlung des bernahmevorteils istmglich.

    Rechtlich relevante Wertermittlung

    In der Regel soll der Verkehrswert der Praxis ermittelt werden, der sich am Preisorientiert, der bei einer Veruerung zu erzielen wre. Da eine direkte Ermittlungdes Verkehrswerts wegen der fehlenden Marktinformationen nicht mglich ist,bietet sich die Ermittlung des bernahmevorteils an, denn sie gengt der von derRechtsprechung durchgngig geforderten Nachvollziehbarkeit und Plausibilittder Wertermittlung.18

    Dies trifft auch zu, wenn eine Praxis nur im Rahmen einer Vermgensermittlungzu bewerten ist, ohne dass eine Veruerung geplant ist.

    5. Andere Bewertungsmethoden

    Das Institut fr Arztpraxenbewertung berechnet in seinen Praxiswertgutachtengrundstzlich den bernahmevorteil, wobei der Vergleich je nach Bewertungsanlassmit einer Neugrndung, mit dem Erwerb einer anderen Praxis oder mit einer abhn-gigen Arztttigkeit erfolgt. Mageblich ist immer ein Investitionsvergleich.19

    Andere Gutachter wenden andere Methoden an. Hufig nennen sie ihre Bewertungobjektiv; dies sollte zur Vorsicht gemahnen. Eine Wertermittlung kann sachgerecht,neutral und unabhngig durchgefhrt werden, objektiv oder objektiviert im stren-gen Sinn sein kann sie nicht. Denn auch ein Gutachter steht nicht wie ein Gott berden Dingen, sondern kann nur seine persnliche Wertung zum Ausdruck bringen, dieaus seiner subjektiven Einschtzung und Erfahrung resultiert.

    Die verschiedenen Verfahren lassen sich grob einteilen in Praktikermethoden (Kom-binationsmethoden) und erfolgsorientierte Methoden.

    17Die objektivierte Rechnung basiert i. d. R. auf dem langfristigen Kapitalmarktzinssatz. Kann ein

    Arzt zinsgnstigeres evt. von Verwandten zur Verfgung gestelltes - Fremdkapital einsetzen, dannlohnt sich die Praxisbernahme auch bei einem hheren Kaufpreis. Auch wenn er ber Eigenkapitalverfgt, das er derzeit nur zu ungnstigen Bedingungen anlegen kann, steigt die Vorteilhaftigkeit derPraxisbernahme.18

    Nach N. Ldenbach, lassen sich die Marktpreise am besten mit Hilfe der Kombinationsmethodennachbilden, weil diese Methoden bei den realen Markttransaktionen dominieren. Ldenbach, N., DieBewertung von (Zahn)Arztpraxen Ein Thema, an dem Sie nicht vorbeikommen, Sonderdruck zueiner DZW-Serie, 1997, S. 7. Soll das bedeuten, dass grundstzlich die Bewertungsmethoden, diederzeit am hufigsten angewandt werden, allein aufgrund der Tatsache, dass sie angewendet werden,als besonders geeignet angesehen werden mssen? Die Gutachtenwerte knnen schlielich nur dannals realisierte Markpreise betrachtet werden, wenn sie als Kaufpreise akzeptiert worden sind. Dieslsst sich kaum berprfen.19

    Nur im Anhang des Gutachtens werden die Ergebnisse von Faustformeln dargestellt und erlutert.

  • 26

    I. Die Praktikermethoden (Kombinationsmethoden)

    Arztpraxen werden gelegentlich noch immer mit Methoden bewertet, die in der ge-werblichen Wirtschaft nicht mehr blich sind oder die in der betriebswirtschaftlichenLiteratur abgelehnt werden.20

    Warum werden solche Methoden angewandt? Zum einen liegt es daran, dass einerichtige Verkehrswertermittlung meist mangels Datenmaterial nicht mglich ist, zumanderen werden Ertragswertberechnungen, zu denen auch die Ermittlung des ber-nahmevorteils zu rechnen ist, von den Praktikern oft kategorisch - teilweise mit u-erst fragwrdigen Argumenten - abgelehnt.21

    Wegen ihrer Bedeutung in der Bewertungspraxis werden im folgenden einige Verfah-ren vorgestellt. In der Regel handelt es sich um sogenannte Kombinationsmethoden,bei denen der Substanzwert und der Goodwill getrennt berechnet werden und dieSumme aus diesen beiden Werten sozusagen die Kombination als Gesamtwertder Praxis aufgefasst wird:

    Praxiswert = Substanzwert + Goodwill

    Man geht davon aus, dass der bernehmer zunchst einmal ein Entgelt fr denSachwert zu entrichten hat und dann auerdem noch etwas fr den ber diesenSubstanzwert hinausgehenden Wert bezahlen soll, der einer eingefhrten und funkti-onsfhigen Praxis innewohnt. Dieser Ansatz unterscheidet sich fundamental vomSubstanzwertbegriff bei der Berechnung des bernahmevorteils.

    Der Substanzwert wird bei diesen Verfahren im Wesentlichen nach einheitlichenGrundstzen ermittelt. Man fasst in der Regel den Substanzwert als Gebrauchswertauf, den das Sachvermgen fr den bernehmer darstellt. Einbezogen werden alleGegenstnde, die bernommen werden sollen.22

    Fr die Ermittlung des Goodwill gibt es verschiedene Methoden; die sich folgender-maen einteilen lassen:

    20Eine detaillierte Errterung der Praktikermethoden findet sich bei Schmidt-von Rhein, G. (Fn 6), S.

    41 ff.21

    Vorbehalte gegen Ertragswertberechnungen fr Arztpraxen finden sich u. a. bei Frielingsdorf. G.,Die nachhaltige Ertragslage ist das A und O, Arzt und Wirtschaft 8/94, S. 20 ff, Lang, H.U. / Schade,H. J. / Lautenschlger, M., Praxisgrndung, Praxisfhrung Die Antwort auf rechtliche, wirtschaftlicheund steuerliche Fragen in der Arztpraxis, Erlangen 1987, S. 117, Ldenbach, N. (Fn 17), S. 4 ff, Narr,H, rztliches Berufsrecht, 2. Auflage Kln 1987, Stand 1989, Tz 1148.22

    Dieser Substanzwert kann auch ein Entgelt fr die zu bernehmende Substanz beinhalten, die frden bernehmer keine Ersparnis gegenber einer Neugrndung darstellt. Manchmal wird der Sub-stanzwert auch als Reproduktionswert verstanden, d. h. als der Wert, der aufgewandt werden msste,um eine solche Praxis zu reproduzieren.

  • 27

    Methoden zur Bestimmung des Goodwill23:

    1) Umsatzmethode mit Anwendung eines einfachen Multiplikators

    2) Umsatzmethode mit Durchschnittsbildung undWertkorrekturen des Praxisumsatzes

    3) Methoden entsprechend der Empfehlungen der Bundesrztekammer

    4) Gewinnmethode mit Anwendung eines einfachen Multiplikators

    5) Indexierte Basis Teilwert Methode (IBT - Methode)

    6) Erfolgsfaktor-Markt-Methode (EFM-Methode)

    7) Methode der bergewinnabgeltung

    23Zu den folgenden Ausfhrungen vgl. Schmidt-von Rhein, G. (Fn 6), S. 55 ff.

  • 28

    Zu 1): Umsatzmethode mit Anwendung eines einfachen Multiplikators:

    Dies ist die einfachste Methode. Der Goodwill wird einfach in Hhe eines Prozentsat-zes vom Jahresumsatz veranschlagt. Lange wurde mit einem Multiplikator von 25%gerechnet, so dass der Goodwill einem Viertel vom Jahresumsatz bzw. einem Quar-talsumsatz entspricht. Heute geht man von hheren Stzen aus. Fr die einzelnenFachgruppen sind folgende Anteile vom Umsatz gebruchlich:

    Erfahrungsstze zur Ermittlung des Goodwill in % des Praxisumsatzesfr einzelne Fachgruppen

    Fachgruppe Mindestsatz Mittelsatz Hchstsatz

    Allgemeinmediziner 30 % 44 % 60 %

    Augenrzte 25 % 37 % 48 %

    Chirurgen 28 % 40 % 50 %

    Dermatologen 18 % 27 % 42 %

    Gynkologen 26 % 42 % 56 %

    HNO-rzte 27 % 36 % 46 %

    Internisten 25 % 36 % 48 %

    Kinderrzte 25 % 38 % 47 %

    Neurologen 26 % 32 % 38 %

    Nuklearmediziner 25 % 38 % 52 %

    Orthopden 15 % 29 % 42 %

    Praktische rzte 24 % 40 % 56 %

    Radiologen 20 % 24 % 28 %

    Urologen 22 % 34 % 46 %

    Zahnrzte 20 % 34 % 50 %

    Tierrzte 18 % 35 % 52 %

    Quelle: Barthel, C. W.: Unternehmenswert: Die vergleichsorientierten Bewertungsverfahren, Der Be-trieb 1996, S. 149 163.

    Die individuellen Verhltnisse einer Praxis Standort, Patientenstruktur, Kostensitua-tion etc. knnen durch einen solchen pauschalen Multiplikator nicht ausgedrcktwerden. Diese Erfahrungsstze eigenen sich demnach nur zu einer groben Scht-zung des Goodwill, sozusagen als erste Orientierung ber den Wertebereich.

  • 29

    Zu 2) Umsatzmethode mit Durchschnittsbildungund Wertkorrekturen des Praxisumsatzes

    Die Umsatzmethode wird hufig dadurch variiert, dass ein Durchschnittswert fr denUmsatz berechnet wird, meist auf der Basis der letzten drei bis fnf Jahre. Hufigwerden die Umstze gewichtet, so dass die weiter zurckliegenden nicht so stark indie Rechnung eingehen wie der letztjhrige Umsatz.

    Eine weitere Variante besteht in der Ausgliederung von Umsatzanteilen, die entwe-der rein personengebunden sind und nicht auf einen Nachfolger bertragen werdenknnen oder aus anderen Grnden in Zukunft nicht mehr zu erwarten sind.

    Manchmal wird vom durchschnittlichen Praxisumsatz ein kalkulatorischer Unterneh-merlohn in Hhe eines Oberarztgehalts abgezogen.

    Zu 3) Methoden entsprechend der Empfehlungen der Bundesrztekammer

    Alte rztekammermethode

    Unter den Umsatzmethoden besonders hervorzuheben ist die Variante, die von derBundesrztekammer empfohlen worden ist.24 Weil es inzwischen eine neue Empfeh-lung gibt, spricht man von der alten rztekammermethode.

    Der auf der Basis von drei Jahren ermittelte Durchschnittsumsatz wird um einen kal-kulatorischen Unternehmerlohn bzw. Arztlohn in Hhe eines Oberarztgehalts ge-krzt; ein Drittel dieser Differenz eventuell durch Zu- und Abschlge korrigiert ergibt den Goodwill:

    mit

    a = Abschlagsfaktor auf den kalkulatorischen Arztlohn je nach Praxisumsatz

    c = Zu- oder Abschlag auf den Basismultiplikator von3

    1

    In den Zu- und Abschlgen (c) werden alle mglichen wertbildenden Faktoren be-rcksichtigt.

    Selbst fr einen konomen erscheint diese Formel wenig verstndlich. Warum wirdbeispielsweise der kalkulatorische Arztlohn vom Umsatz abgezogen, die brigenKosten aber nicht? Warum betrgt der Multiplikator ein Drittel? In welcher Hhe sol-len die Zu- und Abschlge fr die recht zahlreichen anderen wertbildenden Faktorenangesetzt werden? Anscheinend bleibt es dem Gespr der Gutachter berlassen,wie sie zu bemessen sind.

    24Bekanntmachung im Deutschen rzteblatt, 1987, S. B 671 und Sonderdruck vom 2.4.1987.

    c

    3

    1)aArztlohnischerkalkulatorUmsatzttlicherdurchschni(Goodwill

  • 30

    Vllig rtselhaft erscheint der Vorschlag, bei Praxen mit weniger als 50.000 Jah-resumsatz sei kein kalkulatorischer Arztlohn mehr abzuziehen. Bedeutet das, dasseine solche Praxis relativ mehr wert ist? Von der Existenz eines Goodwills wird mankaum sprechen knnen, wenn der Umsatz geringer ist als die Praxiskosten inklusiveeines kalkulatorischen Arztlohns. Der Praxisinhaber kann in einem solchen Fall zu-frieden sein, wenn der bernehmer ihm den Liquidationswert bezahlt.

    In gesperrten Gebieten kann es allerdings sein, dass ein bernehmer mit dem Kauf-preis letztlich ein berhhtes Entgelt fr die Zulassung bezahlt.25

    Neue rztekammermethode

    Bei der neuen rztekammerformel ist nicht mehr der Umsatz, sondern der Gewinndie Bezugsgre26; fr den kalkulatorischen Arztlohn wird ein Jahresgehalt in Hhevon 76.000 brutto angesetzt; der Prognosemultiplikator soll bei Einzelpraxen 2,bei Gemeinschaftspraxen 2,5 betragen:

    Goodwill = (bertragbarer Gewinn alternatives Arztgehalt) * Prognosemultiplikator.

    Auch bei dieser Formel sind Modifikationen fr Praxisbesonderheiten vorgesehen.Wenn nunmehr der Gewinn und nicht mehr nur der Umsatz als Basisgre berck-sichtigt wird, so hat dies den Vorteil, dass hohe Kosten den Goodwill mindern. Diewesentlichen Mngel der ursprnglichen Empfehlung der rztekammer bleiben aller-dings auch bei der neuen Methode bestehen.

    Die Bundesrztekammer weist im brigen ausdrcklich darauf hin, dass es sich beidiesen Formeln nur um Empfehlungen ohne Rechtsbindung handelt: Um die fehlen-de rechtliche Verbindlichkeit deutlich zu machen, wird die Neufassung nunmehr alsHinweise zur Bewertung von Arztpraxen bezeichnet. Die Hinweise geben nur An-haltspunkte, sie stellen keine Grundlage fr eine abschlieende Bewertung im Ein-zelfall dar.27

    Zu 4) Gewinnmethode mit Anwendung eines einfachen Multiplikators

    Aus konomischer Sicht einleuchtender erscheinen im Vergleich zu den Umsatzme-thoden die Verfahren, die auf dem Praxisgewinn basieren. Denn am Gewinn zeigtsich, wie rentabel eine Praxis ist.

    25Der bernahmevorteil gegenber einer (fiktiven) Neugrndung wre in diesem Fall minimal. Den-

    noch kann der Inhaber einer solchen Praxis aufgrund der Marktlage einen relativ hohen Kaufpreiserzielen. Eine Bewertung auf der Basis der rztekammermethode wrde dies sozusagen legitimieren.26

    Kassenrztliche Bundesvereinigung Bundesrztekammer, Hinweise zur Bewertung von Arztpra-xen, Stand: 9. September 2008. Bekanntmachung im Deutschen rzteblatt, Heft 51 52 vom22.12.2008. Auch diese rztekammerformel wird vielfach kritisiert, vgl. u. a. Bogner, Florian, Nach wievor: Finger weg!, in: Arzt & Wirtschaft, Artikel-ID 17838, www.auw.de. Schmid-Domin, H. G., Weiter-hin Finger weg Neue rztekammermethode zur Bewertung von Arztpraxen, November 2007, in:www.bewertung-arztpraxen.de.27

    Kassenrztliche Bundesvereinigung Bundesrztekammer, Hinweise zur Bewertung von Arztpra-xen, ebenda.

  • 31

    In der Grundformel wird der Goodwill einfach als Prozentsatz vom durchschnittlichenGewinn der letzten drei bis fnf Jahre ermittelt.28 Fr Arztpraxen wird ein Prozentsatzvon 50% empfohlen. Wie bei den Umsatzmethoden kann man auch bei der Gewinn-methode Varianten entwickeln, so z. B. die anderen wertbeeinflussenden Faktorendurch Zu- und Abschlge bercksichtigen.

    Zu 5) Indexierte Basis Teilwert Methode (IBT - Methode)

    Bei dieser von Frielingsdorf29 entwickelten Methode wird der Goodwill als Summevon Teilwerten verstanden, die sich u. a. auf- die Ertragskraft- Lage und Umfeld der Praxis- die Praxisorganisation und die Personalstruktur- die Funktionalitt des Sachvermgensbeziehen.

    Ermittelt wird der Goodwill auf der Basis von Umsatz und Gewinn, wobei verschiede-ne Multiplikatoren bercksichtigt werden.

    Der Vorteil einer derartigen Vorgehensweise besteht in erster Linie darin, dass einerfahrener Gutachter durch den Einsatz geeigneter Multiplikatoren in der Lage ist, alsErgebnis einen realistischen Praxiswert zu erhalten.

    Ein Nachteil dieser Methode ist, dass man die Berechnung insbesondere die Wahlder Multiplikatoren nicht leicht nachvollziehen kann. Auch in der Entscheidung desBundesgerichtshofs zeigt sich die Ratlosigkeit ber die Methode: Es lsst sich abernicht beurteilen, ob der von dem Sachverstndigen ermittelte good will zu hoch an-gesetzt ist30.

    Schwer verstndlich ist unter anderem, dass der Praxiswert in Teilwerte zerlegt wird.Denn diese Teilwerte beziehen sich auf Faktoren, die stark voneinander abhngigsind, z. B. hngt die Ertragskraft entscheidend von der Lage der Praxis und der Mit-bewerbersituation ab. Die Ertragskraft ist hoch, wenn die Lage der Praxis gnstig ist.Enthlt nun der Teilwert fr die Ertragskraft bereits die auf die Lage zurckzufhren-de Ertragskraft oder ist dieser Teil der Ertragskraft im Teilwert fr die Lage der Praxisenthalten? Sachgerecht erscheint diese additive Verknpfung jedenfalls nicht.31

    Ein Gutachten, in dem der Praxiswert auf diese Weise ermittelt wird, kann unabhn-gig von den Berechnungen eine gute verbale Beschreibung der Praxis und des Er-tragspotentials und damit umfassende Informationen ber die Praxis enthalten.

    28Narr, H. (FN 20), S. 124.

    29Frielingsdorf, G., Praxiswert Der Weg zur richtigen Wertbestimmung in Arzt- und Zahnarztpraxen,

    Neuwied/Frankfurt a. M. 1989, S. 22 f.30

    BGH XII ZR 45/06.31

    Goetzke, W. bezeichnet diese Vorgehensweise als betriebswirtschaftlichen Kunstfehler des Sach-verstndigen. Goetzke, W., (Fn 14), S. 1367.

  • 32

    Zu 6) Erfolgsfaktor - Markt - Methode (EFM - Methode)32

    Bei dieser Methode ist nicht der Umsatz die Basis fr den Goodwill, sondern derdurchschnittliche Marktpreis, der den jhrlichen Verffentlichungen der ideellen Pra-xiswerte fr die verschiedenen Fachgruppen in Ost- und Westdeutschland entnom-men wird.

    Auf diesen Marktpreis-Goodwill wird ein Umsatzfaktor (UF), der die Abweichungvom durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe widerspiegeln soll, angewendet undauerdem ein Korrekturfaktor (KF), der sich aus Zu- und Abschlgen fr die einzel-nen Bewertungsfaktoren ergibt. Diese Zu- und Abschlge werden mit einem Punkte-system (hnlich wie bei einer Nutzwertanalyse) ermittelt. So ergibt sich die Formel:

    Goodwill = Marktpreis-Goodwill * UF * KF

    Der Nachteil dieser Methode liegt in erster Linie darin, dass eine Aufsummierung derPunkte fr die Berechnung des Korrekturfaktors nicht fachgerecht sein kann, weil diebewertungsrelevanten Faktoren nicht voneinander unabhngig sind. Man kann bei-spielsweise nicht Punkte fr den Standort der Praxis zu den Punkten fr den hohenUmsatz addieren, wenn der Umsatz mageblich durch den gnstigen Standort be-dingt ist.

    Auch erscheint es recht irrefhrend, wenn man die fr das gesamte ost- bzw. west-deutsche Gebiet verffentlichten, auf die Vergangenheit bezogenen ideellen Praxis-werte als Marktpreise bezeichnet. Selbst die Mrkte fr Arztpraxen in Grostdtenund lndlichen Gegenden lassen sich wohl kaum ber einen Kamm scheren.

    Zudem kann es einen Marktpreis allein fr den Goodwill losgelst vom Substanz-wert nicht geben, denn der Goodwill ist kein handelbares Gut, das sich am Marktallein fr sich genommen veruern lsst.

    Man fragt sich auerdem, weshalb die Abweichung vom durchschnittlichen Umsatzin die Formel eingeht. Ist nicht eher der durchschnittliche Gewinn mageblich? In-wieweit der Umsatz sich bei einer Veruerung berhaupt auf den Erwerber der Pra-xis bertragen lsst, scheint bei dieser Bewertung keine Rolle zu spielen.

    Zu 7) Methode der bergewinnabgeltung

    Nur kurz erwhnt sei die theoretisch recht anspruchsvolle Methode der berge-winnabgeltung. Sie hnelt der Ertragswertmethode insofern, als sie zukunftsorientiertist und Zinseffekte bercksichtigt. Unter bergewinn versteht man den Barwert desAnteils der knftigen Praxisgewinne, der sich ber die (Normal-) Verzinsung desSubstanzwerts hinaus erzielen lsst.33 Dabei wird bei einer Praxisbernahme davonausgegangen, dass nur der bergewinn fr einen begrenzten Zeitraum zu berck-sichtigen ist, da sich der Goodwill schnell verflchtigt.

    32Diese Methode wird von Dr. Hans Jrg Schmeisser angewandt, vgl. die Homepage

    http://www.medizinconsulting.com.33

    Schmidt-von Rhein, G. (Fn 6), S. 72.

  • 33

    Auf die zahlreichen Varianten der bergewinnabgeltung soll hier nicht nher einge-gangen werden. Sie werden u. a. fr die Bewertung von Steuerberatungspraxenempfohlen.34 Insgesamt erscheint der theoretische Hintergrund dieser Verfahrenplausibler als bei den reinen Umsatz- und Gewinnmethoden. Wie bei der Ertrags-wertmethode beziehen sich diese Verfahren auf Zukunftswerte, die durch Abzinsungauf heute bezogen werden. Es fehlt aber auch bei diesen Verfahren eine theoreti-sche Begrndung fr die additive Verknpfung von Substanzwert und Goodwill.

    Anwendung der Praktiker- bzw. Kombinationsmethoden

    Aus Vereinfachungsgrnden wird angenommen, dass der als Gebrauchswert aufge-fasste Substanzwert in 52.500 betrgt.

    Der durchschnittliche Umsatz der letzten drei Jahre betrgt 221.500 . 35

    (1) Grundmodell der Umsatzmethode:

    Substanzwert = 52.500 , Umsatz = 221.500 ,

    unterer Erfahrungssatz: 25%oberer Erfahrungssatz: 48%mittlerer Erfahrungssatz: 36%

    Praxiswert = Substanzwert + Erfahrungssatz Umsatz

    52.500 + 0,25 221.500 = 107.875 (Untergrenze)

    52.500 + 0,48 221.500 = 158.820 (Obergrenze)

    52.500 + 0,36 221.500 = 132.240

    Ergebnis: Nach den Erfahrungsstzen liegt der Praxiswert zwischen107.875 und 132.240 .

    (2) Korrigierte Umsatzmethode:

    Substanzwert = 52.500

    Gewichteter Umsatz:

    Jahre Umsatz Gewichtung Rechnungs-einheiten

    1 180.000 0,2 36.0002 225.500 0,3 67.6503 259.000 0,5 129.500

    1,0 223.150

    34Schmidt-von Rhein, G. (Fn 6), S. 71 ff.

    35Aus Vereinfachungsgrnden soll bei allen Methoden nur der Umsatz bercksichtigt werden, der auf

    den Praxiserwerber bertragen werden kann. Personengebundene Ertrge fr Gutachten, Vortrgeetc. werden eliminiert.

  • 34

    Praxiswert = Substanzwert + gewichteter Umsatz / 4= 52.500 + 223.150 / 4 = 108.288 .

    Ergebnis: Der Praxiswert betrgt 108.288 .

    (3) Grundmodell der alten rztekammermethode:

    Substanzwert = 52.500 , Umsatz = 221.500 ,kalkulatorischer Arztlohn = 76.000

    Praxiswert =Substanzwert + (Umsatz kalkulatorischer Arztlohn) / 3 =52.500 + (221.500 76.000 ) / 3 = 101.000

    Ergebnis: Der Praxiswert betrgt 101.000 .

    Grundmodell der neuen rztekammermethode:

    Substanzwert = 52.500 , Umsatz = 221.500 Kosten inkl. Abschreibungen und Zinsen = 141.500

    Praxiswert =Substanzwert + (Umsatz Kosten alternatives Arztgehalt) * 2 =52.500 + (221.500 141.500 76.000 ) / 2 = 60.500

    Ergebnis: Der Praxiswert betrgt 60.500 .

    (4) Grundmodell der Gewinnmethode:

    Substanzwert = 52.500 , Gewinn = 80.000

    Praxiswert =Substanzwert + bertragbarer Gewinn / 2 =52.500 + 80.000 / 2 = 92.500

    Ergebnis: Der Praxiswert betrgt 92.500 .

    (5) IBT - Methode (vereinfachte Darstellung):

    Substanzwert = 52.500 ,Umsatz = 221.500 , Gewinn = 80.000

    Umsatzmultiplikator (mU) = 0,25Gewinnmultiplikator (mG) = 0,50

    Sttigungsfaktor = 0,98

    Praxiswert =Substanzwert + (Umsatz mU + Gewinn mG) 1/2 S =52.500 + (221.500 0,25 + 80.000 0,50) 1/2 0,98= 52.500 + 46.734 = 99.234

  • 35

    Ergebnis: Der Praxiswert betrgt 99.234 .

    Untergliederung des Goodwill in Teilwerte:

    Ertragskraft 21.337 Lage und Umfeld der Praxis / Mitbewerbersituation 14.815 Stand der Praxisorganisation 8.466 Funktionalitt des Sachvermgens 2.116

    Anmerkung: Die Hhe der Multiplikatoren, des Sttigungsfaktors sowie die Untergliederung desGoodwill in Teilwerte werden auf der Grundlage einer (hier nicht dargestellten) Praxisanalyse be-stimmt.

    (6) EFM - Methode (vereinfachte Darstellung):

    Substanzwert = 52.500 , Umsatz = 221.500 Marktpreis-Goodwill(=verffentlichter ideeller Praxiswert der Fachgruppe West)= 65.000 Umsatzfaktor (aufgrund der Abweichung vom Umsatz der Fachgruppe) = 0,6Korrekturfaktor (0 fr die schlechteste, 2 fr die beste Praxis) = 1,2

    Praxiswert = Substanzwert +(Marktpreis-Goodwill UF KF =

    52.500 +65.000 * 0,6 * 1,2 =52.500 + 48.800 = 99.300

    Ergebnis: Der Praxiswert betrgt 99.300 .

    (7) Grundmodell der bergewinnabgeltung

    Substanzwert = 52.500 , Umsatz = 221.500 Kosten = 141.500 Kalkulatorischer Arztlohn = 76.000 Zinssatz = 6%RBF3 Jahre,6% = Rentenbarwertfaktor fr 6% und drei Jahre

    Praxiswert = Substanzwert +(Umsatz Kosten kalk. Arztlohn Zinssatz Substanzwert) RBF3 Jahre,6%=

    52.500,00 +(221.500 141.500 76.000 0,06 52.500 ) 2,673 =52.500 + 2.272 = 54.772

    Anmerkung: Je nachdem, wie der Verflchtigungseffekt des Goodwill zu veranschlagen ist, kann manstatt der hier bercksichtigten drei Jahre auch einen lngeren Zeitraum einbeziehen.

  • 36

    Zusammenfassende Beurteilung der Kombinationsmethoden

    Warum kommen diese Methoden in der betriebswirtschaftlichen Literatur so schlechtweg?36 Es liegt wohl in erster Linie am theoretischen Hintergrund. Denn whrend beiVerkehrswertermittlungen klar und eindeutig der Marktwert der Praxis gesucht wirdund bei Ertragswertberechnungen der Wert der zu erwartenden Einnahmeber-schsse geschtzt wird, steht bei den meisten Kombinationsmethoden nicht fest,was der Goodwill eigentlich zum Ausdruck bringen soll (eine Ausnahme bildet sicher-lich die bergewinnabgeltung). Auch wenn behauptet wird, im Goodwill spiegeltensich die Ertragskraft, der Standort der Praxis, die Konkurrenzsituation und viele an-dere Faktoren wider, so bleibt doch unverstndlich, wie alle diese Faktoren durchMultiplikatoren, bezogen auf den Umsatz oder den Gewinn vergangener Jahre, aus-gedrckt werden knnen. Der Vergangenheitsbezug der Kombinationsmethoden istbesonders zu bemngeln. Er ist brigens schon in den 60er Jahren insbesonderevon Mnstermann37 kritisiert worden.

    Auch lsst sich die additive Verknpfung von Substanzwert und Goodwill nichtschlssig erklren. Whrend sich bei der Ermittlung des bernahmevorteils theore-tisch begrnden lsst, weshalb der gesamte Praxiswert der Summe des als Erspar-nis der Anschaffungsausgaben berechneten Substanzwerts und der im Vergleich zueiner Neugrndung hheren Einnahmeberschssen in den ersten zwei bis fnf Jah-ren entspricht, fehlt bei den Kombinationsmethoden ein theoretischer Nachweis.

    Anders als beim Gesamtwert des bernahmevorteils stellt bei den Kombinationsme-thoden der als Gebrauchswert aufgefasste Substanzwert die Untergrenze fr dengesamten Praxiswert dar. Dies erscheint wenig plausibel. Auch die Substanz, dienoch einen Gebrauchswert hat, lsst sich nicht unbedingt verkaufen. Man denke andie Substanz ostdeutscher Betriebe direkt nach der Wiedervereinigung, die sicherlichnoch einen Gebrauchswert hatte, die dennoch keiner erwerben wollte. Lassen sichkeine nachhaltigen Gewinne mit der Substanz erzielen, dann ist der Praxiswert nichthher als Liquidationswert der Praxis.38

    36vgl. u. a. Breidenbach, B., berlegungen zur Ermittlung des Wertes einer Steuerberaterpraxis, DStR

    1991, S. 50, Erdlenbruch, K., Die Bewertungen von Arztpraxen in gerichtlichen Verfahren Aus denErfahrungen eines Sachverstndigen, Nachdruck aus Arzt und Wirtschaft 18/1986, S. 4ff, ArztR 1986,S. 263, Gatzen, M., (Fn 3), S. 96 ff, Goetzke, W. Wie wird der immaterielle Wert der Praxis bestimmt?,Zahnrztliche Mitteilungen 1989, S. 2192.37

    Mnstermann, H., Wert und Bewertung einer Unternehmung, Wiesbaden 1966, S. 21.38

    Moxter, A., (Fn 15), S. 41 ff. Selbst im Standardlehrbuch der Betriebswirtschaftslehre von GnterWhe wird auf die Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprfer (IdW) aus dem Jahr 1983 verwie-sen: Der Substanzwert wird wie die Kombinationsverfahren als theoretisch nicht haltbar abge-lehnt., Gnter Whe, Einfhrung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 21. Auflage, Mnchen2002, S. 665.

  • 37

    II. Die erfolgsorientierten Methoden

    Zu den erfolgsorientierten Methoden ist auch der bernahmevorteil wie er in dieserBroschre dargestellt wird zu zhlen. Es gibt darber hinaus zahlreiche Modifikati-onen, von denen die beiden bedeutendsten im Folgenden kurz skizziert werden.39

    1. Die Ertragswertmethode auf der Basis der unendlichen Rente(formelmige Ertragswertmethode)

    Vorgehensweise

    Hufig wird der Ertragswert der Praxis faustformelmig berechnet, indem man diezuknftig erzielbaren durchschnittlichen Einnahmeberschsse abzglich eines kal-kulatorischen Arztlohns mit dem Faktor fr die unendliche Rente dem Kehrwert desKalkulationssatzes abzinst.

    Dahinter steht ebenso wie bei der Ermittlung des bernahmevorteils die Annah-me, dass die zuknftig zu erzielenden Einnahmeberschsse mageblich sind frden Praxiswert. Dabei wird allerdings implizit die Praxisbernahme mit einer abhn-gigen Arztttigkeit verglichen unter sehr groben Vorgaben. Bercksichtigt werdenweder steuerliche noch alters- und gesundheitsvorsorgebezogene Aspekte. Auchunregelmig anfallende Praxisinvestitionen und der mgliche Verkaufserls fr diePraxis werden allenfalls indirekt und nicht realittsnah bercksichtigt.

    Anwendung der formelmigen Ertragswertmethode

    Zuknftig erwartete durchschnittliche jhrliche Einnahmeberschsse = 90.000 Kalkulatorischer Arztlohn = 60.000 Kalkulationszinssatz (inkl. Risikofaktor) = 14%

    Ertragswert = (90.000 - 60.000 ) / 0,14 = 214.286

    Whlt man einen geringeren Kalkulationszinssatz, so erhht sich der Ertragswert er-heblich. Bei 10% betrgt der mit dieser Formel ermittelte Ertragswert 300.000 .

    Kritik an der formelmigen Ertragswertmethode

    Meist ergeben sich bei dieser groben Ertragswertberechnung unrealistisch hohe Pra-xiswerte, die sich am Markt nicht realisieren lassen. Bedauerlich ist, dass der ansich sachgerechte zukunftsbezogene Bewertungsansatz durch die starke Vereinfa-chung in Verruf gebracht wird.

    In dieser groben Form kann man die Wertermittlung auerdem nicht mehr auf ihrePlausibilitt hin berprfen. Wer mchte bei der gegenwrtigen demographischen

    39Zu den erfolgsorientierten Bewertungsmethoden gibt es eine umfangreiche Literatur, z. B. Coenen-

    berg, A. G./Schultze, W., Unternehmensbewertung anhand von Entnahme- oder Einzahlungsber-schssen: Die Discounted Cash Flow-Methode, in: Matschke, M. J. / Schildbach, T., Unternehmens-beratung und Wirtschaftsprfung, Stuttgart, S. 269-299.

  • 38

    Entwicklung und den gesundheitspolitischen Kontroversen schon Einnahmeber-schsse fr unendlich viele Jahre vorhersagen?

    Nicht so gravierend ist dagegen der Nachteil, dass der substantielle und der ideelleErtragswert nicht getrennt dargestellt werden knnen. Letztlich geht es dem Kufereiner Praxis in erster Linie darum, welchen Kaufpreis er insgesamt hchstens akzep-tieren kann, damit sich die bernahme fr ihn lohnt.

    Man kann diese Methode modifizieren und so zu realistischeren Ergebnissen kom-men.

    2. Modifiziertes Ertragswertverfahren auf der Basis der erwartetenGewinne40

    Vorgehensweise

    Die erwarteten Gewinne in den folgenden fnf Jahren werden unter Abzug eines kal-kulatorischen Unternehmerlohns und einer Substanzerhaltungsrcklage ermittelt undmit einem Kalkulationszinssatz abgezinst. Zu dem so berechneten Barwert wird derBarwert eines Liquidationswerts fr die Praxiseinrichtung addiert:

    Praxiswert = Barwert der erwarteten jhrlichen Gewinne5 Jahre + Liquidationswert5 Jahre

    Anwendung des modifizierten Ertragswertverfahrens

    Erwartete Praxisgewinne = 100.000 Kalkulatorischer Arztlohn = 60.000 Substanzerhaltungsrcklage = 19,0% des JahresgewinnsLiquidationswert nach 5 Jahren = 180.000 Kalkulationszinssatz (Alternativzinssatz + Risikofaktor) = 9,8%

    Ertragswert = (100.000 - 60.000 - 19.000 ) * Rbf5J,9,8% + 180.000 * Abzf.5J,9,8%

    Ertragswert = (100.000 - 60.000 - 19.000 ) * 3,8102 + 180.000 * 0,6267

    Ertragswert = 192.802

    Kritik am modifizierten Ertragswertverfahren

    Zunchst erscheint plausibel, dass zukunftsorientiert bewertet wird mit Hilfe einersorgfltigen Schtzung zuknftig erzielbarer Gewinne.

    40Dieses Verfahren empfiehlt Dr. Detlev Nies in seinem im Internet verffentlichten Aufsatz: Theoreti-

    sche und praktische berlegungen zur Bewertung von Zahnarztpraxen, http://www.praxisbewertung-praxisberatung.de. Dr. Nies betreibt gemeinsam mit der Herrn Isringhaus ein Sachverstndigenbrofr die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen.

  • 39

    Man fragt sich aber, weshalb ein Gemisch verschiedener betriebswirtschaftlicherGren verwendet wird. Gem der Grundidee der dynamischen Investitionsrech-nung sind nur Zahlungen (Geldzuflsse und Geldabflsse) mageblich fr den Kapi-talwert einer Investition. Entsprechend sind die Einnahmeberschsse relevant undnicht die Praxisgewinne, bei deren Berechnung auch nicht zahlungswirksame Gr-en bercksichtigt werden.

    Besonders hinsichtlich der Investitionsausgaben ist diese Methode nicht berzeu-gend. Gerade bei hohen Ausgaben spielt der Zeitpunkt der Zahlung eine entschei-dende Rolle. Warum kann man diese Ausgaben nicht wie bei der Ermittlung dessubstantiellen bernahmevorteils direkt mit dem voraussichtlichen Zahlungszeit-punkt bercksichtigen und dementsprechend abzinsen? Warum werden diesbezgli-che Informationen durch den groben Ansatz einer Substanzerhaltungsrcklage sozu-sagen verschenkt?

    Es ist des Weiteren nicht nachvollziehbar, weshalb nur ein Zeitpunkt von fnf Jahrenzu bercksichtigen ist. Aus dem Ansatz eines kalkulatorischen Arztlohns resultiert,dass es sich um einen Investitionsvergleich mit einer abhngigen Arztttigkeit han-delt. Auch nach fnf Jahren bleiben die Unterschiede in den Einnahmeberschssenvoraussichtlich bestehen und sind deshalb relevant. Warum soll sich der Goodwillnach fnf Jahren verflchtigen? Beim bernahmevorteil gegenber einer Neugrn-dung ist eine Angleichung der Zahlungsreihen im Zeitablauf nicht unwahrscheinlich,handelt es sich doch jeweils um die Fhrung einer Arztpraxis. Bei einem Vergleichmit einer abhngigen Ttigkeit ist eine derartige Angleichung nicht zu erwarten; manfragt sich schon, wie sie zustande kommen soll. Nur dann knnte man behaupten,der Goodwill verflchtige sich nach fnf Jahren.

    Einen in fnf Jahren erzielbaren Liquidationswert zu schtzen kann man als gewag-tes Abenteuer bezeichnen. Es wre sicherlich auch zu bercksichtigen, dass es ei-nen Unterschied macht, ob man die in der Praxis vorhandenen Gegenstnde einzelnveruern wird oder die Praxis als Ganzes. Bei einer Liquidation wird die Praxis nichtfortgefhrt, es kommt also nur eine Veruerung der einzelnen Gegenstnde in Fra-ge; sie ist meist nicht sehr ertragreich, auerdem sind die damit verbundenen Kostenin der Regel relativ hoch. Generell scheint es abwegig, sich ber einen solchen Li-quidationswert Gedanken machen, wenn gar nicht geplant ist, die Praxis nach fnfJahren zu schlieen.

  • 40

    Zusammenfassende Beurteilung der erfolgsorientierten Methoden

    Es handelt sich um zukunftsorientierte Methoden, die den Kombinationsmethodenzumindest in der Theorie berlegen sind.

    Im Vergleich zur modifizierten Ertragswertmethode entspricht die formelmige Er-tragswertmethode weitgehend der zugrundeliegenden Investitionstheorie; nur durchihre groben Annahmen ber die Zukunft erscheint sie ungeeignet fr eine realistischePraxisbewertung. Bei der modifizierten Ertragswertmethode orientiert man sich nichtkonsequent an den zu erwartenden Geldzu- und Geldabflssen, so dass die Vorge-hensweise im Ganzen nur schwer nachvollziehbar erscheint.

    Wie bei den Kombinationsmethoden werden auch bei den oben beschriebenen er-folgsorientierten Methoden die Steuerbelastung und die ebenfalls in unterschiedlicherHhe anfallenden Ausgaben fr die Alters- und Gesundheitsvorsorge nicht berck-sichtigt. Sie sind aber relevant bei der Entscheidung, eine Praxis oder einen Anteil aneiner Praxis zu erwerben, und daher fr die Wertermittlung von Bedeutung.41

    Insgesamt ist darauf hinzuweisen, dass nur eine realittsnahe Bercksichtigung allerzuknftigen mit einer Praxis erzielbaren Einnahmen und Ausgaben zu einer sachge-rechten Ermittlung des Praxiswerts fhren kann.

    41Auch wenn Praxisinhaber gelegentlich behaupten, sie wrden gar keine Steuern bezahlen, so ist

    doch zu bedenken, dass die Praxisgewinne fr sich genommen zu einer hohen Steuerbelastung fh-ren, die nur durch mehr oder weniger riskante Engagements reduziert werden kann.

  • 41

    6. IfA-Wertgutachten

    Berechnet wird der bernahmevorteil. In der Regel wird als Alternative eine Neu-grndung angenommen; sofern es der Entscheidungssituation entspricht wird einVergleich mit einer abhngigen Ttigkeit oder mit dem Erwerb einer alternativen Pra-xis durchgefhrt. Grundstzlich beginnt das Wertgutachten mit einer Analyse der Ist-Situation, so dass man sich anhand des Wertgutachtens ein umfassendes Bild vonder Praxis machen kann.

    Was kann man von einem IfA-Wertgutachten im Einzelnen erwarten?

    1. Eine detaillierte Ist-Analyse der Praxis:Sie beinhaltet eine Beschreibung- des Standorts der Praxis- der Rumlichkeiten- des Praxisinventars- der Honorar- und Kostenstruktur in den letzten Jahren- der Praxisorganisation- der Kooperationsvereinbarungen- der Konkurrenzsituation.

    2. Die Ermittlung des bernahmevorteils- Bewertung des substantiellen bernahmevorteils- Bewertung des ideellen bernahmevorteils

    Der Vorteil von IfA-Wertgutachten besteht in erster Linie in den theoretisch fundiertenund ohne weiteres nachvollziehbaren Wertermittlungen, deren Ergebnisse sich leichtinterpretieren lassen. Das unterscheidet IfA-Wertgutachten von so manchem Zau-berwerk der Arztpraxenbewertung. Die berschlagsmige Anwendung von Faust-formeln wird lediglich im Anhang erlutert.

    Das Wertgutachten basiert auf einer objektivierten Betrachtung und bietet so sozu-sagen aus der Sichtweise eines reprsentativen Erwerbers eine Flle von Informati-onen ber die Praxis. Fr den Praxisinhaber, fr einen potentiellen bernehmer oderfr andere Betroffene knnen auerdem individuelle, mglicherweise abweichendeEinschtzungen von Bedeutung sein. IfA bietet gegen einen geringen Aufpreis zu-stzlich zum Wertgutachten individuelle Investitionsrechnungen an, die auf diesesubjektiven Einschtzungen und die individuellen Umstnde bezugnehmen.

    Soweit neben der reinen Wertermittlung andere Fragestellungen bedeutsam sind,wird in einem IfA-Wertgutachten in der Regel darauf verwiesen; insbesondere sinddem Bewertungsanlass entsprechend steuerliche und juristische Aspekte zu beach-ten.

    Letztlich sollte man ein Praxiswertgutachten nur dann in Auftrag geben, wenn manvon der Sachkunde, der Neutralitt und der Unabhngigkeit des Sachverstndigenberzeugt ist und die Bewertungsmethode akzeptieren kann.

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    Anhang

    "Grundstze ordnungsmiger Praxiswertermittlung"

    Am 16. Mrz 1995 fand auf Einladung der Soziett fr Betriebswirtschaft Dr. Goetzke &Partner, Bergisch Gladbach, in der Zahnrztekammer Nordrhein ein Exper-ten-Symposium statt, um ber Wert und Preis von Arzt- und Zahnarztpraxen zu diskutie-ren. Rund 50 Vertreter von Zahnrztekammern und KZVen sowie der Krperschaften undVerbnde auf Bundesebene diskutierten mit Sachverstndigen zur Bewertung von Arzt-und Zahnarztpraxen.

    Man verstndigte sich im Ergebnis der Veranstaltung auf den folgenden Wortlaut zu be-achtender Grundstze.

    Prambel

    Arzt- und Zahnarztpraxen haben als eingerichteter Betrieb fr die selbstndige Ausbungder (Zahn-) Heilkunde einen konomischen Wert, der sich unter anderem darin ausdrckt,da Berufsangehrige regelmig bereit sind, dem bisherigen Praxisinhaber fr die ber-tragung des Praxisbetriebes oder fr die Einbringung desselben in das Gesamthandverm-gen einer Gesellschaft entsprechende Ausgleichszahlungen zu leisten.

    Oftmals werden Sachverstndige beauftragt, den zutreffenden Wert gutachterlich zu er-mitteln. An solche Wertgutachten sind der herrschenden Meinung der Betriebswirtschafts-lehre zufolge Mindestanforderungen zu richten, wenn die Ordnungsmigkeit der Wer-termittlung gewhrleistet sein soll.

    Im Interesse einer klaren Begriffsverwendung sollen folgende Definitionen gelten:

    - Der Kaufpreis steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vertragsgeschehenzwischen zwei Vertragspartnern. Der Kaufpreis ist ein im Kaufvertrag genannter undzu bezahlender Preis einer bestimmten Praxis. Praxisabgeber und Praxisbernehmerhaben sich auf einen solchen Kaufpreis geeinigt.

    - Der Verkehrswert steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Marktgeschehen.Verkehrswerte sind Werte, die sich am Markt unter Bercksichtigung der persnlichenPrferenzen und Wertvorstellungen, gesammelter Erfahrungswerte und Informationenvon potentiellen Praxisbernehmern und Praxisabgebern ergeben. Verkehrswerte sindalso nicht objektive Praxiswerte fr bestimmte Arztpraxen des jeweiligen Fachgebie-tes.

    - Der Praxiswert ist der Wert, der objektiv von einem neutralen Sachverstndigen oderBerater fr eine bestimm