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. . . . . . . . . . ...... 0 Neue Institutionenökonomik Skript und Aufgaben SS 2013 Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff

Institutionenökonomik Skript und Aufgaben SS 2013a · 1 Zur Verwendung des Skripts Dieses Skript dient der Nachbereitung des Vorlesungsstoffs. Es ergänzt und vertieft den Vor-lesungsstoff

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Neue Institutionenökonomik

Skript und Aufgaben SS 2013

Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie

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Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff

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Zur Verwendung des Skripts

Dieses Skript dient der Nachbereitung des Vorlesungsstoffs. Es ergänzt und vertieft den Vor-

lesungsstoff sowie die Folien zur Vorlesung. Um eine ideale Verknüpfung von Vorlesung und

Skript zu erzielen, sollten Sie stichwortartige Mitschriften auf den Vorlesungsfolien erstellen.

Das Skript hat nicht zum Ziel, den Vorlesungsbesuch zu ersetzen. Es erhebt nicht den An-

spruch auf Vollständigkeit. Viele Ausführungen, graphische Darstellungen und formale Her-

leitungen erschließen sich erst mit Hilfe eines parallelen Besuchs der Vorlesung. Klausurrele-

vant ist der in der Vorlesung behandelte Stoffumfang.

Literatur

• Furubotn, E.G. und R. Richter (2005), Institutions and Economic Theory, (Ann Arbor:

University of Michigan Press), 2nd edition.

• Erlei, M, M. Leschke und D. Sauerland (1999), Neue Institutionenökonomik, (Stutt-

gart: Schäfer-Poeschel).

• Douma, S. und H. Schreuder (2008), Economic Approaches to Organizations, 4th edi-

tion (Harlow: Pearson Education).

• Gravelle, H. und R. Rees (2004), Microeconomics, 3. Aufl. Prentice Hall.

• Voigt, S. (2009), Institutionenökonomik, 2. Aufl. UTB-Taschenbuch.

• Williamson, O.E. (1985), The Economic Institutions of Capitalism: Firms, Markets,

Relational Contracting, (New York: The Free Press).

Die relevante Literatur und weitere Quellen werden zu jedem Abschnitt separat angegeben

und liegen elektronisch bereit.

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Was sind Institutionen?

Unter Institutionen verstehen wir ein System von formellen oder informellen Regeln, inklusi-

ve der Methoden ihrer Durchsetzung. Douglas North schreibt hierzu, dass Institutionen die

Regeln eines Spiels in einer Gesellschaft sind. Sie sind „…die von Menschen erdachten Be-

schränkungen menschlicher Interaktion. Dementsprechend gestalten sie die Anreize im zwi-

schenmenschlichen Tausch, sei dieser politischer, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher

Art.“ Regeln beschränken dabei menschliches Verhalten und lenken es. Notwendig ist hierfür,

dass Regeln allgemein bekannt sind. Damit verringern sie strategische Unsicherheit, also Un-

sicherheit bezüglich des Verhaltens anderer.

Regeln für individuelles Verhalten

Menschen legen sich auch Regeln zu, die für andere unwichtig sind und keinen Einfluss auf

Interaktion haben. Dies sind insbesondere Regeln, mit denen Menschen vermeiden, Wichtiges

zu vergessen oder ihre langfristigen Ziele aus den Augen zu verlieren. Beispiele hierzu sind:

− „Vor dem Schlafen Zähne putzen“ Ziel: Vergesslichkeit vermeiden.

− „Eigenes Auto erst kaufen, wenn ein ordentlicher Job das Einkommen bringt“ Ziel:

Überschuldung vermeiden.

− „Den Gastgeber einer Party bitten, den Autoschlüssel zu verstecken“ Ziel: Vorkehrung

gegen unvernünftiges Verhalten im später alkoholisierten Zustand.

− „Das Girokonto im Minus lassen um sich für überhöhten Konsum zu bestrafen“ Ziel:

Selbstbestrafung als Mittel zur Disziplinierung.

Solche Regeln zählen nicht zu den Institutionen.

Beispiel 1: Sammeln von Treibholz

Sugden (1989) beschreibt das Verhalten von Bewohnern eines Fischerdorfes in Yorkshire

beim Sammeln von Treibholz. Hierbei gab es ein ungeschriebenes Gesetz: Wer immer zuerst

nach einer Flut bei einem Küstenabschnitt eintraf, durfte sich nehmen was er wollte. Hierbei

Abschnitt 1: Institutionen und Transaktionen

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durfte kein später Eintreffender sich einmischen. Das gesammelte Holz durfte er oberhalb der

Flutlinie stapeln und jeden Stapel mit zwei Steinen auf der Spitze als sein Eigentum markie-

ren. Hatte er den Stapel aber nach zwei weiteren Fluten nicht abtransportiert, so erlosch sein

Eigentumsrecht. Wir wissen weder, seit wann diese informelle Regelung in Kraft war, noch,

warum sich die Menschen daran hielten. Es gab sicherlich keine Gerichte und keine Polizei,

welche sich für die Durchsetzung dieser Regelung engagiert hätten. Aber wir wissen, dass sie

beachtet wurde. Es handelt sich hierbei um eine informelle Institution (spontane Ordnung),

welche ohne eine höhere Instanz von den Individuen respektiert wird.

Formelle vs. Informelle Regeln

Formelle Regeln sind typischerweise schriftlich verfasst. Sofern sie vom Staat eingesetzt und

gerichtlich durchsetzbar sind, sprechen wir auch von „externen Institutionen“. Zwischen pri-

vaten Parteien ausgehandelte Vereinbarungen schaffen auch formelle Regeln, müssen aber

nicht unbedingt vom Staat durchgesetzt werden (interne Institution).

Informelle Regeln sind interne Institutionen, die nicht schriftlich verfasst sind. Sie basieren

oftmals auf Brauchtum und Sitte und werden teilweise durch soziale Sanktionen durchgesetzt.

Konventionen, Normen, Sitten

Konventionen sind selbstdurchsetzend (Beispiel Straßenverkehr oder Sprache). Jeder hat ei-

nen Vorteil davon, sich an eine Konvention zu halten und dies auch von anderen zu erwarten.

Normen stellen eine weitere Form der internen Institution dar. Hierbei werden Regeln interna-

lisiert und prägen individuelles Handeln. Hierfür ist zumeist notwendig, dass erwartet wird,

dass auch andere gemäß dieser Norm handeln und eine solche Handlung von einem Individu-

um erwarten (Beispiel Mülltrennung). Eine explizite Sanktionsdrohung ist für ihre Gültigkeit

nicht erforderlich.

Sitten stellen eine dritte Form der internen Institution dar. Sie beinhalten, dass Privatpersonen

bereit sind, Fehlverhalten zu sanktionieren, sei es durch verbale Äußerungen oder Bestrafung

(Beispiel Treibholzsammeln; Aufräumen der Wiese nach dem Grillen). Sanktionen können

entweder von unmittelbar Betroffenen erfolgen (bestohlene Treibholzsammler) oder von un-

beteiligten Dritten, die Mühe in die fortbestehende Geltung einer Sitte investieren.

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Sind Institutionen effizient?

Manche Institutionen fördern Effizienz, z.B. indem sie den Arbeitsaufwand reduzieren oder

Anreize zu Innovationen setzen. Andere sind ineffizient. Das Beispiel zum Sammeln von

Treibholz erscheint effizient. Es werden schnell Eigentumsrechte vergeben, und zwar in einer

Art, welche hilft, Kosten zu vermeiden und Anreize gut zu setzen. Würden viele beim Sam-

meln von Treibholz konkurrieren, so würde man zuerst mit hoher Geschwindigkeit die guten

Stücke einsammeln. Dabei müsste man evtl. Umwege gehen oder aber mit halb gefülltem

Sack zum Stapel laufen. So aber kann das Einsammeln effizient durchgeführt werden. Das

Eigentum am Stapel hilft wiederum, Aufwendungen für einen Wachtposten zu vermeiden.

Beispiel für eine ineffiziente Institution: Besetzen von Bibliotheksplätzen mit eigenen Bü-

chern, ohne den Platz zu gebrauchen. Dies ist eine Institution, denn es gilt die informelle Re-

gel, dass der Arbeitsplatz durch Ablage eines Buches reserviert wird. Diese Regel ist bekannt

und wird eingehalten.

Wie unterscheiden sich Institutionen von Organisati onen?

Institutionen sind begrifflich zu unterscheiden von „Organisationen“. So ist z.B. der Internati-

onale Währungsfonds im hier verwendeten Sprachgebrauch keine Institution, sondern eine

Organisation. Organisationen sind „eine Gruppe von Personen, welche ein gemeinsames Ziel

verfolgen“. Organisationen werden dabei auch als „the personal side of institutions“ aufge-

fasst. Organisationen müssen sich in jedem Fall auch Regeln zulegen, damit sie effektiv arbei-

ten können. So hat jede Organisation auch Elemente einer Institution. Der Begriff der „Institu-

tion“ stellt jedoch nicht auf die physische Existenz ab, sondern auf den Bestand an Regeln

und gegenseitigen Handlungserwartungen. Das eine Firma begründende Netzwerk von Ver-

trägen bildet die Institution, die über die Firma miteinander verbundenen Individuen die Or-

ganisation.

Was versteht man unter einer Transaktion?

Mit Institutionen werden die Spielregeln menschlicher Interaktion bestimmt. Sie teilen ver-

schiedenen Akteuren einzelne Rechte zu. Als Transaktionen bezeichnen wir dann die Spiel-

züge im Rahmen dieser Regeln. Zur Definition existieren zwei verschiedene Ansätze.

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1. Transaktion als physische Übertragung

Williamson (1985: 1): “A transaction occurs when a good or service is transferred across a

technologically separable interface. One stage of activity terminates and another begins.”

Hierbei findet also eine physische „Auslieferung“ oder „Übergabe“ von einer (natürlichen

oder juristischen) Person an eine andere statt, wobei auf jeder Stufe eine Aktivität in Bezug

auf ein Gut oder eine Dienstleistung erfolgt.

Wie bereits A. Smith (1776) feststellte, besteht die Produktion von Stecknadeln aus vielen

einzelnen Transaktionen. Ein Arbeiter zieht zunächst den Draht, ein anderer muss ihn glätten,

ein dritter ihn in Stücke schneiden, ein vierter die Spitze schärfen, ein fünfter das Ende für

den Kopf schleifen, usw. Auf jeder Stufe erfolgt eine Aktivität und danach wechselt das Pro-

dukt die Hände. Diesen Wechsel würden wir demnach als Transaktion bezeichnen. Wenn hier

von „good or service“ gesprochen wird, so sind hierunter nicht nur materielle und immateriel-

le Güter gemeint, sondern auch Dienstleistungen, die für einen Kunden erbracht werden, also

z.B. im Zusammenhang mit Beratungsdiensten oder Weiterbildung, Forschung oder Entwick-

lung.

2. Transaktion als juristische Übertragung

Commons (1934): „Transactions are the alienation and acquisition, between individuals, of

the rights or future ownerships of physical things“. Hierbei liegt also eine Betonung auf einem

juristischen Sachverhalt, weniger einem physischen. Es findet auch ein Transfer von Ressour-

cen statt, aber die Betonung liegt nun auf dem Eigentum oder Besitz und weniger auf dem

physischen Akt der Übergabe.

Es lässt sich unterscheiden zwischen Transaktionen, welche innerhalb einer Firma erfolgen

(interne Transaktion), und solchen, welche über den Markt erfolgen (externe Transaktion).

Gemäß Commons‘ Definition könnte es keine Transaktionen innerhalb einer Firma geben. Da

aber eine Gegenüberstellung von internen und externen Transaktionen analytisch aufschluss-

reich ist, wird in der Neuen Institutionenökonomik zumeist dem physischen Aspekt die höhe-

re definitorische Bedeutung beigemessen. Wir werden also im Folgenden eine Transaktion im

Sinne von Williamson definieren.

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Beispiel 2: Märkte als Institutionen

Um Märkte zu benutzen, müssen diese vorhanden sein. Aber wie entstehen sie, spontan oder

geplant? Sofern Märkte vorhanden sind, haben sie die Aufgabe, Verlässlichkeit zwischen

Marktpartnern zu befördern und relevantes Wissen kostengünstig den Marktteilnehmern zu-

kommen zu lassen.

Märkte können spontan entstehen. Marktpartner treffen aufeinander und erschaffen Regeln,

mit denen sie gegenseitig Unsicherheit reduzieren. Staatliche Aufsicht und Gesetze gelten

nicht. Das spontane Entstehen von Märkten erfordert

− ein anfängliches Vertrauen der Marktpartner, eine optimistische Einstellung, dass der

andere einen nicht betrügen werde sowie

− das faire Teilen relevanter Information.

Spontane Märkte entwickeln mit der Zeit Mechanismen der gegenseitigen Überwachung und

der Informationssammlung über geografische Entfernungen hinweg, sodass Betrüger vom

Austausch ausgeschlossen werden und Teilnehmer einen Anreiz erhalten, sich eine vorteilhaf-

te Reputation zu erwerben. Mittelalterliche Gilden sind ein Beispiel hierfür, aber auch manche

moderne internet-basierte Plattformen.

Anstatt einer spontanen Entstehung können Märkte auch gezielt geplant werden. Mit dem

Internet ist in den letzten Jahren eine Vielzahl von geplanten Märkten entstanden. Um die

Verlässlichkeit zwischen Marktpartnern zu ermöglichen, sind diverse Entscheidungen zu tref-

fen:

− Welche Angebote und Nachfragen sind zugelassen?

− Welche Informationen müssen Angebote oder Nachfragen beinhalten?

− Wie wird der Preis bestimmt?

− Zu welchen Konditionen werden Verträge geschlossen (Haftungsregelungen, Sicher-

heiten...)?

− Wer soll über einen Vertragsabschluss informiert werden (Anteilseigner, Aufsichtsbe-

hörden, zukünftige Kunden, Konkurrenten)?

− Wie kann eine Reputation aufgebaut werden?

Insbesondere unterscheiden sich geplante Märkte von spontanen Märkten durch einen Zugang

zu einer Überprüfung einer Markttransaktion durch neutrale Dritte, z.B. Gerichte.

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Beispiel 3: Institutionen im Konflikt

Formelle und informelle Regeln können im Konflikt miteinander stehen. So kann die Umstel-

lung von Linksverkehr auf Rechtsverkehr (wie in Kanada 1922-1924, Österreich 1921-1938,

Schweden 1967) formal beschlossen werden, aber Erwartungen und tatsächliches Verhalten

können sich an Gewohnheiten orientieren. Während der argentinischen Besetzung der Falk-

landinseln 1982 wurde Rechtsverkehr angeordnet, dem sich jedoch die Bevölkerung häufig

widersetzte. Ähnlich kann Staatseigentum formal privatisiert werden, aber informelle Institu-

tionen fordern eine gemeinsame Nutzung ein, ermöglichen exorbitant hohe Steuern von priva-

ten Eigentümern oder befördern Korruption. Genauso sehen wir einen Konflikt, wenn Koloni-

almächte ihre formellen Institutionen in einem Kolonialgebiet einführen, die im Widerspruch

zu dort vorherrschenden Traditionen stehen. Ebenso existieren Beispiele dafür, dass formelle

und informelle Institutionen einander ergänzen, wir sagen dann, dass sie Komplemente sind.

Ein Mörder wird sowohl strafrechtlich verfolgt also auch sozial geächtet. D.h. es existieren

sowohl formelle Sanktionen also auch informell, spontane Sanktionen durch private Personen.

Quiz

Unter Institutionen versteht man

1. das Gleiche wie unter Organisationen

2. ein System von Regeln

3. irrationales Brauchtum

4. die Spielzüge, die von den Regeln erlaubt werden.

Unter einer Organisation versteht man

1. die "persönliche Seite" einer Institution

2. eine Gruppe von Personen, die gemeinsame Ziele verfolgen

3. beispielsweise den Internationalen Währungsfonds

4. alle obigen Antworten sind richtig.

Eine Transaktion bezeichnet

1. wie bei Adam Smith den juristischen Eigentumsübergang

2. die Durchführung eines Spielzuges im Rahmen gegebener Regeln

3. ein System von formellen Regeln

4. wie bei Commons den physischen Übergang von Rechten.

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Literatur

Douma, S. und H. Schreuder (2008: 3-27).

Furubotn, E.G. und R. Richter (2005: 1-14; 47-64).

Sugden, R. (1989), “Spontaneous Order,” The Journal of Economic Perspectives, Jg. 3 (4 ):

85-97.

Voigt, S. (2009: 13-33).

Übungsaufgaben

Aufgabe 1.1

Bestimmen Sie, um welche Art von Institution es sich bei den folgenden Beschreibungen

handelt:

a) Islamische Scharia.

b) Ein Löwe markiert sein Territorium und signalisiert damit, dass er es gegen Eindring-

linge verteidigen wird.

c) Der Deutsche Fußballbund einigt sich mit seinen Mitgliedsvereinen darauf, wie in Zu-

kunft Spieler zwischen Vereinen wechseln können.

d) WG-Bewohner stellen einen Putzplan für ihre Wohnung auf.

e) Menschen einigen sich darauf, politisch unkorrekt klingende Worte aus Klassikern der

Jugendbuchliteratur zu entfernen.

f) Ein Unternehmensberater schließt einen Vertrag mit einer mittelständischen Firma.

Aufgabe 1.2

Kennen Sie Beispiel dafür, dass formelle und informelle Institutionen im Konflikt miteinan-

der sein können? Beschreiben Sie dies!

Aufgabe 1.3

Bestimmen Sie, unter welchen Bedingungen die folgenden Tätigkeiten Transaktionen im Sin-

ne von Williamson und/oder von Commons sind:

a) Ein Institutionenökonom berät den Verband der deutschen Elektroindustrie bezüglich

der Kommunikation und Organisation.

b) Eine Raumpflegerin arbeitet an der Universität Passau.

c) Eine deutsche Großbank verkauft ihre Aktiva an Immobilien.

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Welche Arten von Transaktionen kennen wir?

Bei internen Transaktionen entstehen Kosten dadurch, dass ein Manager Anweisungen erteilt.

Diese müssen verstanden werden, auf ihre Angemessenheit geprüft werden, etc. Hierbei

spricht man dann von managerial transaction costs (TC). Für externe Transaktionen wird der

Marktmechanismus gebraucht. Kosten für die Suche und den Vertragsschluss fallen an. Diese

Kosten werden market TC genannt. Für die Analyse von managerial und market TC war die

Arbeit von Coase (1937) richtungsweisend.

Es entstehen managerial TC, weil a priori Unsicherheit bezüglich des Verhaltens anderer Be-

schäftigter einer Firma besteht. Managerial TC beinhalten insbesondere die Kosten der Im-

plementierung von Arbeitsverträgen, ihre Ausnutzung durch einen Manager wie z.B. das Er-

teilen, Durchsetzen und Überwachen von Anweisungen, die Messung des Ergebnisses der

Arbeitskräfte und die Kosten des Informationsmanagements. Hierzu werden in einem Unter-

nehmen Hierarchien geschaffen. Höher gelegene Hierarchieebenen erhalten die Aufgabe, den

darunter liegenden Ebenen Anweisungen zu erteilen und selbst Anweisungen von höher gele-

genen Ebenen auszuführen.

Market TC bestehen im Wesentlichen aus Informations- und Verhandlungskosten. Die mikro-

ökonomische Modellierung eines Marktes mit vollständiger Information und mühelosem

Tausch ist so typischerweise in der Realität nicht gegeben. Insgesamt ergeben sich daher drei

Phasen der Transaktionskosten im Falle der market TC:

Phase 1) Kosten der Vertragsvorbereitung (Suchkosten und Informationskosten).

Kein Entscheidungsträger weiß automatisch und sofort, welche Käufer und Verkäufer für

welches Gut verfügbar sind und zu welchen Konditionen. Die Interessierten müssen sich ge-

genseitig finden, einen Kontakt herstellen und werden sich über die Person des anderen ein

Bild machen. Jeder muss herausfinden, wer der andere ist und ob er willens und in der Lage

ist, zu den gewünschten Konditionen auch eine Leistung zu bieten.

Abschnitt 2: Make or buy

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Phase 1 beinhaltet Kosten für Werbung, Kundenbesuche und -kontakte, Bezahlung für organi-

sierte Märkte (Börsen, Messen, Wochenmärkte), Kommunikationskosten (Porto, Telefon,

Gehälter von Handelsrepräsentanten), Kosten für Tests und Qualitätskontrollen sowie Kosten

für Preis- und Qualitätsvergleiche und Berater.

Phase 2) Kosten des Vertragsschlusses (Verhandlungskosten und Entscheidungskosten).

Verhandlungen müssen über die Details des Vertrages geführt werden. Eine Seite hat evtl.

Vorgaben, dass die Entscheidung nur mit 4-Augen Prinzip, durch Einberufung einer Sitzung,

getroffen werden kann oder eine vorherige Dokumentation erfordert. Hierbei entstehen auf

beiden Seiten Opportunitätskosten für die notwendige Zeit, darüber hinaus evtl. Kosten für

Rechtsberatung. Je nach Komplexität des Vertrages sind Verhandlungen mehr oder weniger

aufwändig.

Phase 3) Kosten der Observierung und Durchsetzung der ausgehandelten Rechte.

Nachdem Verträge geschlossen werden, muss sichergestellt werden, dass diese auch eingehal-

ten werden. Wurde die Leistung im versprochenen Umfang erbracht? Ist die Qualität so wie

vereinbart? Wurden Umweltauflagen und Steuerpflichten eingehalten? Für diese Prüfung ent-

stehen Kosten. Weist die Prüfung einen Verstoß auf, so fallen ferner Kosten für die Abmah-

nung an. Sofern der Leistungserbringer sich dieser widersetzt, entstehen Kosten eines Ge-

richtsverfahrens. Sofern auf eine gerichtliche Einigung verzichtet wird, entstehen Verluste,

die auch den Transaktionskosten hinzuzurechnen sind.

Manche Unternehmen wenden Kosten dafür auf, sich eine Reputation aufzubauen, mit der sie

für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung garantieren. Ihre Kunden erwarten nur geringe

Kosten in Phase 3, aber das Unternehmen selbst muss diese Kosten des Aufbaus der Reputati-

on als Transaktionskosten verbuchen.

Make or Buy

Organisationsentscheidungen können dahingehend untersucht werden, welchen Einfluss sie

auf die gesamten Transaktionskosten haben. Einen klassischen Fall hierfür lieferte Coase

(1937) mit der Frage, ob Firmen einen bestimmten Produktionsfaktor eher selber herstellen

oder lieber kaufen sollten: make or buy?

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Diese Frage wird teilweise mit Hilfe technischer Aspekte behandelt, nämlich insbesondere

den hierbei anfallenden marginalen Produktionskosten. Im Rahmen eines solchen Ansatzes ist

zu klären, ob ein eigenes Team von Arbeitern ausgebildet werden sollte, welche Vorleistun-

gen bezogen werden könnten und zu welchen Kosten, ob besondere Lizenzgebühren, Zinskos-

ten, Mieten etc. anfallen und wie diese im Verhältnis zum Marktpreis des jeweiligen Gutes

stehen. Sind die Kosten der Eigenherstellung nun höher als diejenigen des Fremdbezugs, so

sollte auf die eigene Herstellung verzichtet werden. Diese Analyse behält natürlich weiterhin

ihre Gültigkeit, sie beantwortet aber nicht die Frage so, wie Coase sie verstanden haben woll-

te. Hiermit wird lediglich der technische Aspekt der Frage geklärt, d.h. in welcher Betriebs-

stätte die Produktion durchgeführt werden sollte. Antwort: diejenige, welche dies zu den ge-

ringsten Produktionskosten durchführen kann. Der Begriff der Firma wird teilweise synonym

mit dem einer Produktionsfunktion verwendet, d.h. dem für eine Betriebsstätte gegebenen

Zusammenhang zwischen Input und Output.

Für uns ist hingegen zentral, wem die entsprechende Betriebsstätte gehören sollte. Den Be-

griff „Firma“ trennt Coase implizit von dem der Betriebsstätte. Mit produktionstechnischen

Erwägungen wird nur geklärt, in welcher Betriebsstätte die Herstellung durchgeführt werden

soll, aber nicht, in welcher „Firma“. Für Coase ist kennzeichnend, dass innerhalb der Firma

nicht der Preismechanismus funktioniert. Dieser Mechanismus existiert nur bei einem Aus-

tausch zwischen Firmen.

Eine Firma ist dementsprechend ein Bereich, in dem eine natürliche oder juristische Person

im Rahmen ihrer Verfügungsrechte Anordnungen treffen kann. Bei der Firma handelt es sich

nicht um ein physisches, sondern ein juristisches Konstrukt. Wenn insofern also eine Firma

die Frage make or buy stellt, überlegt sie sich, ob sie selber der Eigentümer der Betriebsstätte

sein sollte oder ob sie dies lieber einer anderen Firma überlässt, mit welcher sie dann das Pro-

dukt über einen Markt austauscht. Die Produktionsentscheidung lässt sich damit losgelöst von

der Eigentümerfrage behandeln.

Wie ausgeführt, existieren zwei Arten von Transaktionen, solche zwischen Firmen und solche

innerhalb einer Firma. Die erste Variante ist der Austausch über den Markt und involviert

market TC. Die zweite besteht aus Anordnung und Ausführung und beinhaltet managerial

TC. Aufgrund der market TC könnte es vorteilhaft sein, statt vieler kleiner Transaktionen eine

dauerhafte durchzuführen in Form eines dauerhaften Anstellungsverhältnisses. Hierbei entfal-

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len die market TC. Nun fallen aber andere Kosten an, managerial TC, die Kosten der Benut-

zung eines hierarchischen Verhältnisses.

Beispiel 1: Measurement Costs

Barzel (1982) stellt zur Beantwortung der Frage make or buy die measurement costs in den

Vordergrund. Hiermit ist das für einen Marktaustausch notwendige Zählen und Bewerten von

Gütern gemeint. Die Leistungen einer Sekretärin sind beispielsweise kaum zu zählen und zu

bewerten, sodass diese eher innerhalb einer Firma bezogen werden (dies nennen wir auch

„vertikal integriert“). Eine interessante Anwendung dieses Arguments betrifft die Frage, in-

wieweit Produkte vom Erzeuger zum Kunden physischen Veränderungen unterliegen.

Frischer Lachs, frische Milch und frisches Brot sind leicht verderbliche Waren. Ihr Austausch

würde daher immer eine aufwändige Qualitätskontrolle benötigen. Demgegenüber sind geräu-

cherter Lachs, Trockenmilch und vakuumverpacktes Gebäck beständig. Sie können daher

während des Transportes von jeweils neuen Zwischenhändlern angekauft werden.

Als Eastman als Erster lichtsensitive Glasplatten durch Papier ersetzte, war er 1880 dem Prob-

lem ausgesetzt, dass seine Filme nicht lange haltbar waren. Das Papier musste kühl gelagert

werden. Sofern nur ein Händler die Kühlkette durchbricht, wäre das Produkt beschädigt. Ein

Fehlverhalten eines Händlers wäre dabei kaum nachweisbar. Dies erschwerte den Handel über

Zwischenhändler und er entschied sich deshalb für einen direkten Verkauf seiner Ware (Wil-

liamson 1985: 109).

Beispiel 2: GM, Delta und Kosten der Insolvenz

Ein Vertrag zum Bezug von Vorprodukten im Automobilbau, z.B. Autositzen, könnte durch

die Insolvenz des Zulieferers notleidend werden. Von einer Insolvenz können insbesondere

kleine Hersteller häufiger betroffen sein, da diese ihre Verluste in einem Segment nicht durch

Gewinne in anderen ausgleichen. In Krisenzeiten sind daher die market TC höher.

Der Beginn des 20ten Jahrhunderts war von starken wirtschaftlichen Schwankungen geprägt.

Daher waren integrierte Firmen wie Ford erfolgreicher. In Boomzeiten war hingegen Out-

sourcing angesagt, also der Bezug von Vorprodukten über den Markt.

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Im Jahre 1999 trennte sich GM von einem Großteil der Herstellung von Vorprodukten und

gründete mit Delphi einen der weltweit größten Zulieferer. Im Zuge einer Insolvenz, die durch

die Finanzkrise von 2007/08 verstärkt wurde, wurden Teile von Delphi wieder bei GM inte-

griert.

Beispiel 3: Die optimale Firmengröße

Die Frage nach der optimalen Größe einer Firma ist analog zu make or buy. Zwischen Firmen

kann ein Preismechanismus für eine Koordination von Plänen sorgen, innerhalb der Firma

regiert der Zwang. Offensichtlich sind beides Formen der Koordination. Ist der Marktaus-

tausch immer besser als die Planwirtschaft?

Zur Beantwortung dieser Frage könnte zunächst auf die Produktionskosten abgestellt werden.

Es mag sein, dass für ein bestimmtes Produkt ansteigende marginale Kosten die Produktion

auf ein optimales Maß begrenzen. Aber nichts beschränkt eine Firma darauf, nur ein Produkt

herzustellen. Eine Firma kann immer die Produktion weiterer Produkte aufnehmen, in denen

die Grenzkosten noch nicht dieses Niveau erreicht haben. Für die Frage, ob eine weitere Be-

triebsstätte von der Firma selbst oder von einem Konkurrenten betrieben wird, spielen Pro-

duktionskosten deshalb ebenfalls keine Rolle.

Wenn sich die Marktwirtschaft als besser herausgestellt hat, warum existiert dann immer noch

innerhalb von Firmen eine Planwirtschaft? Warum existieren überhaupt noch Firmen, anstatt

alles zu kaufen und nichts mehr selbst herzustellen? Wenn der Markt immer die bessere Al-

ternative ist, dann sollte so etwas wie eine Firma sich in ihre Einzelbestandteil auflösen.

Zu jedem einzelnen Arbeitsverhältnis muss die Frage gestellt werden, ob die entsprechende

Leistung nicht eher von einem Externen hinzugekauft werden könnte. Warum sollte man eine

Sekretärin anstellen, anstatt die anfallenden Schreibarbeiten an einen externen Service zu de-

legieren? Warum sollte eine Firma eine Kantine betreiben, anstatt dies an lokale Restaurants

zu delegieren? Warum sollte ein Betriebskindergarten existieren, anstatt die Kinder in öffent-

liche oder kirchliche Kindergärten zu schicken?

Den Grund für die Existenz einer Firma sieht Coase in den market TC. Der Austausch über

den Markt ist mit Kosten verbunden. Warum wird dann aber nicht alles innerhalb einer einzi-

gen Firma organisiert, also auch auf Makroebene eine Planwirtschaft eingeführt? Der Grund

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hierfür liegt in managerial TC. Nun vermutet Coase, dass managerial TC mit einem Anstieg

der Firmengröße überproportional ansteigen. Der Koordinationsaufwand kann überproportio-

nal mit der Anzahl der Beschäftigten ansteigen.

Die optimale Größe einer Firma ist dort erreicht, wo die Kosten für die Durchführung einer

Transaktion innerhalb einer Firma gerade den Kosten einer Markttransaktion entsprechen.

Wir können also zusammenfassend sagen, dass eine Firma umso größer sein wird, je geringer

ihre internen Organisationskosten sind und je weniger diese bei einer Ausdehnung der Firma

ansteigen (managerial TC), und je höher die market TC sind.

Innovationen, welche managerial TC verringern, also verbesserte Überwachungs- oder Mess-

systeme, vergrößern Firmen. Innovationen, welche market TC verringern, führen zu einer

Verschlankung von Firmen.

Beispiel 4: Teamarbeit

Alchian und Demsetz (1972) befassen sich mit Teamarbeit aus der Perspektive von make or

buy. Allgemein wird Teamarbeit dann durchgeführt, wenn einzelne Arbeitskräfte auf andere

angewiesen sind. Einer macht die „Baumleiter“, der andere pflückt die Äpfel. Dies wäre ein

einfaches Beispiel für Synergien durch Teamarbeit. Allgemein ist Teamarbeit dadurch defi-

niert, dass der Einsatz eines Akteurs positiv auf die Grenzproduktivität eines anderen Akteurs

wirkt. Für Teamarbeit wird gleichzeitig unterstellt, dass nicht alle Einsatzfaktoren demselben

Akteur gehören.

Für Teamarbeit droht ein Gefangenendilemma: Jedes Teammitglied wägt die Kosten seines

Einsatzes gegen den zusätzlichen individuellen Ertrag ab, vernachlässigt dabei aber die posi-

tive Wirkung seines Einsatzes für andere Teammitglieder.

Eine Entscheidung für einen geringen Einsatz ist die dominante Strategie. Leisten andere viel,

so genießt man den Müßiggang bei ordentlichem Ertrag. Leisten die anderen wenig, so ver-

schleißt man nicht unnötig die eigenen Ressourcen. Eine dominante Strategie ist also eine

Verhaltensweise, die immer vorteilhaft ist, unabhängig vom Verhalten der anderen Teammit-

glieder.

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Ein Nash-Gleichgewicht (individuelles Maximieren bei unabhängiger Strategiewahl anderer

Spieler) wird ein Drückeberger-Verhalten aller hervorbringen. Alle Teammitglieder wählen

hierbei die dominante Strategie, da sie keinen Anreiz haben, hiervon abzuweichen. Während

also ein hoher Einsatz für alle den höchsten Ertrag verspricht, wird sich im Gleichgewicht ein

Drückeberger-Verhalten aller Teammitglieder durchsetzen.

Teamarbeit wird insbesondere dann zu einem Problem, wenn die Messung des Einsatzes an-

derer und deren Sanktionierung mit Kosten einhergehen. Dies veranlasst Alchian und Dem-

setz zu der Frage, ob sich Teamarbeit, also ein Austausch, der mit Synergien einhergeht,

leichter über den Markt oder in einer Firma erzielen lässt.

Innerhalb einer Firma ist es möglich, einen Überwacher zu engagieren, der alle Teammitglie-

der für Drückebergerei bestraft. Dies ist bei einem Austausch über den Markt nicht möglich,

da es nicht gelingt, diesem Überwacher selbst einen Anreiz gegen Drückebergerei zu geben.

In der Firma kann er zum Inhaber ernannt werden, der den Firmengewinn erhält, (genauer,

das später zu definierende Residualeinkommen). Ein solcher Anreiz lässt sich über den Markt

nicht organisieren. Dies kann graphisch dargestellt werden: Im Falle von Synergien durch

Teamarbeit sind die Transaktionskosten bei Organisation innerhalb einer Firma geringer als

über den Markt. So ergeben sich geringere marginale Managerial TC; die Kurve wird nach

unten verschoben. Manche Transaktionen, die vormals über den Markt organisiert wurden,

werden bei Auftreten von Synergien durch Teamarbeit integriert.

Beispiel 5: Synergien in der Produktion

Oftmals werden produktionstechnische mit transaktionstheoretischen Argumenten zusam-

menwirken. So wird für landwirtschaftliche Betriebe oftmals angenommen, dass in der Pro-

duktion steigende Skalenerträge (economies of scale) vorliegen, welche größere Betriebe be-

günstigen. Kleine landwirtschaftliche Einheiten können sich u.U. nicht das nötige know-how

zulegen oder das notwendige Kapital in Form von Maschinen optimal auslasten.

Dies weist auf einen generellen Vorteil von buy hin, also Vorleistungen und Vorprodukte über

den Markt zu beziehen, statt diese selbst zu erstellen. Eigenständige Zulieferer können weitere

Firmen beliefern, sogar Konkurrenten. Sofern Skalenerträge vorliegen, können sie die Pro-

dukte zu geringeren Stückkosten anbieten.

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Dies kann erneut graphisch dargestellt werden: Sofern ein unabhängiger Zulieferer zu gerin-

geren Stückkosten produzieren kann, ergibt sich ein Vorteil bei der marginalen Einsparung

von Market TC, die in diesem Fall die Skalenerträge in der Produktion mit erfassen. Die Kur-

ve wird nach unten verschoben. Manche Transaktionen, die vormals integriert waren, werden

nun über den Markt organisiert.

Während economies of scale einen Vorteil für buy mit sich bringen, können economies of

scope (Verbundeffekte) Vorteile für make begründen. Economies of scope liegen dann vor,

wenn zwei oder mehr Produkte gemeinsam zu niedrigeren Kosten produziert werden können

als getrennt voneinander.

Make or Buy – was ist noch zu bedenken?

Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass für die Entscheidung make or buy nicht nur

Transaktionskosten eine Rolle spielen. Durch die Integration eines Zulieferers kann dessen

Marktmacht verwendet werden, um Druck auf Konkurrenten auszuüben. Allerdings droht,

dass diese auf andere Zulieferer ausweichen. Aber auch Aspekte der Besteuerung gilt es zu

bedenken. Transferpreise innerhalb einer Firma erlauben es, Gewinne in Niedrigsteuerländer

zu übertragen. Dies ist bei einer Marktbeziehung nicht möglich. Ferner sind verhaltensöko-

nomische Überlegungen zu integrieren. Während z.B. die Gebäudereinigung oftmals inte-

griert war, wird sie heute zumeist extern bezogen, weil die niedrigen Löhne nicht mit den

Fairnessvorstellungen der anderen Mitarbeiter einer Firma zu vereinbaren sind. Auch Aspekte

der Rechnungslegung und der Haftung sind zu beachten.

Die Stärke einer institutionenökonomischen Analyse besteht nicht darin, alle relevanten As-

pekte zu berücksichtigen. Sie zielt darauf ab, im Rahmen des Instrumentariums zu einer kla-

ren Stellungnahme zu kommen.

Quiz

Unter einer Firma versteht Coase

1. eine Produktionsstätte, die sich ausschließlich im Besitz einer einzigen juristischen

Person befindet

2. z.B. eine Automarke wie Opel

3. mehrere Produktionsstätten, die über den Markt eng miteinander verbunden sind

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4. keine der obigen Antworten ist richtig.

Unter „measurement costs“ versteht man die Kosten

1. für Messgeräte

2. für die Messung der bei einer Transaktion ausgetauschten Menge und Qualität

3. für die Qualitätskontrolle von erstellten Endprodukten

4. für ergriffene Maßnahmen bei der organisatorischen Umstrukturierung.

Innovationen, welche die managerial TC verringern,

1. haben keinen Einfluss auf die Firmengröße

2. verkleinern Firmen

3. verringern immer auch die market TC

4. vergrößern Firmen.

Leicht verderbliche Waren sollten

1. von Fremdanbietern bezogen werden, um Drückebergerverhalten zu vermeiden

2. von Fremdanbietern bezogen werden, um measurement costs zu vermeiden

3. innerhalb der eigenen Firma produziert werden, um Drückebergerverhalten zu ver-

meiden

4. innerhalb der eigenen Firma produziert werden, um measurement costs zu vermeiden.

Das Nash-Gleichgewicht im zur Teamarbeit gespielten Gefangenendilemma bezeichnet das Gleichgewicht,

1. das entsteht, wenn beide Spieler sich kooperativ verhalten

2. das entsteht, wenn beide Spieler die aus individueller Sicht optimale Strategie wählen

3. das den gemeinsamen Nutzen der beiden Spieler maximiert

4. bei dem trotz hohen Einsatzes eines Spielers der andere sich als Drückeberger verhält.

Teamarbeit

1. wird immer über den Markt mit perfekten Arbeitsanreizen organisiert,

2. bedarf eines Beraters, der für alle beteiligten Firmen den richtigen Einsatz berechnet

3. sollte in einer Firma von einem Manager organisiert werden, der den Gewinn der

Teamarbeit erhält

4. sollte von einem Teammitglied organisiert werden, der nicht als Drückeberger aufge-

fallen ist.

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Literatur

Coase, R.H. (1937), “The Nature of the Firm”, Economica, Jg. 4, 386-405.

Erlei, M, M. Leschke und D. Sauerland (1999: 65-67; 70-74).

Barzel, Y. (1982), “Measurement Costs and the Organization of Markets”, Journal of Law and

Economics, Jg. 25, 27-48.

Alchian, A. und H. Demsetz (1972), “Production, Information Costs, and Economic Organi-

zation,” American Economic Review Jg. 72: 777-795.

Übungsaufgaben

Aufgabe 2.1

Auf dem US-Markt stehen Fluggesellschaften derzeit vor der Frage, ob sie die regelmäßige

Wartung ihrer Flugzeuge (weiterhin) selbst durchführen, oder aber diese Arbeit an dritte "out-

sourcen"; sie stehen also vor der Frage "make or buy".

a) Warum kann gemäß R. Coase diese Frage nicht mit Hilfe eines Vergleichs marginaler

Produktionskosten beantwortet werden?

b) Erläutern Sie, welche Kostenarten stattdessen für Coase ausschlaggebend sind, und be-

schreiben Sie diese kurz!

c) Erläutern Sie, wie Coase aus den in Teilfrage b) genannten Kostenarten eine Theorie der

optimalen Firmengröße entwickelt.

Aufgabe 2.2

Jeden Sommer werden beim Tennisturnier Wimbledon in London traditionsgemäß Erdbeeren

mit Sahne verspeist. Als Anbieter dieser Ware stehen Sie vor der Frage, Ihren Vertrieb selber

zu organisieren oder an unabhängige Händler abzugeben. Wie würden Sie entscheiden und

warum?

Aufgabe 2.3

Eine Molkerei steht vor der Alternative, ihre Milch über unabhängige Händler an die End-

kunden zu verkaufen oder ein eigenes Händlernetz aufzubauen. Inwieweit ändert sich ihr Kal-

kül, je nachdem ob es sich um Frischmilch oder Trockenmilch handelt?

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Aufgabe 2.4

Seit mehr als einem Jahrzehnt lässt sich in der Automobilindustrie eine Reduzierung der Fer-

tigungstiefe feststellen. Hierbei ist nicht nur eine zunehmende Auslagerung der Produktion

einzelner Komponenten festzustellen. Mehr und mehr wird an die Zulieferindustrie auch die

Entwicklung einzelner Komponenten abgetreten. Erklären Sie diesen Trend anhand der Theo-

rie der optimalen Firmengröße von R. Coase.

a) Zeigen Sie hierzu zunächst, dass sich mit einem – in der traditionellen ökonomischen

Theorie üblichen – Vergleich der Produktionskosten diese Entwicklung nicht erklären

lässt.

b) Beschreiben Sie ausführlich die Kosten, die nach R. Coase vielmehr bei der Entscheidung

über die Auslagerung von Produktions- und Entwicklungstätigkeiten eine Rolle spielen.

c) Legen Sie dar, wie sich aus den Überlegungen von R. Coase eine Theorie der optimalen

Firmengröße entwickeln lässt und gehen Sie vor diesem Hintergrund auf mögliche Ursa-

chen ein, welche die oben beschriebene Entwicklung in der Automobilindustrie begründen

können.

Aufgabe 2.5

Im Economist („Electronic Glue“, 2 Juni 2001) findet sich folgende Aussage:

„A prime reason why economic activity is organised within firms rather

than in open markets is the cost of communication. The costlier it is to pro-

cess and transmit information, the more it makes sense to do things in firms;

the cheaper communication becomes, the more efficient (relatively) markets

will be. Because the Internet and other inventions have cut the costs of

communication so much, firms ought to be able to do less in-house and to

outsource more. In 1999, General Motors, a byword for vertical integration,

spun off Delphi Automotive Systems, one of its supply divisions, for in-

stance.”

a) Erläutern Sie diese Aussage unter Rückgriff auf die Bestimmung der optimalen Firmen-

größe.

b) Ist das Argument in jeder Hinsicht überzeugend? Suchen Sie nach Gegenargumenten!

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Aufgabe 2.6

a) Vervollständigen Sie durch beispielhafte Werte die unten stehende Auszahlungsmatrix so,

dass sich das für Teamarbeit typische Gefangenendilemma ergibt. Eingetragene Werte

links unten stellen hierbei die Auszahlung für das erste Teammitglied und solche rechts

oben die für das zweite Teammitglied dar.

Ertrag Teammitglied 2

Teammitglied 1

Hoher Einsatz Drückeberger

Hoher Einsatz 15

15

Drückeberger 5

5

b) Welches ist das Nash-Gleichgewicht? Geben Sie hierfür eine kurze Begründung!

c) Wieso könnte ein Überwacher für die Teammitglieder vorteilhaft sein?

d) Wie lässt sich der Einsatz eines solchen Überwachers organisieren?

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Wem soll was gehören?

Die Frage nach der Verteilung des Eigentums war immer wieder ein Anliegen in der Ökono-

mik. Dabei wird oftmals vermutet, dass ein effizientes Ergebnis unabhängig davon erreicht

wird, wer jeweils der Eigentümer einer Ressource ist. Daher wird volkswirtschaftlich streng

zwischen einer Theorie der Verteilung (Distributionstheorie) und der Allokationstheorie un-

terschieden. Unter Allokation verstehen wir dabei das Zuordnen knapper Ressourcen auf ver-

schiedene Verwendungsmöglichkeiten. Beispiel Acker: Allokation wäre die Frage danach,

was dort angebaut wird, also die Verwendung. Distribution wäre die Frage, wem er gehört. Es

wird nun zumeist vermutet, dass sich diese beiden Fragen voneinander trennen lassen. Ob

eine Ressource also beispielsweise gemietet wurde oder dem Produzenten selbst gehört, spielt

keine Rolle für die Frage, was dort angebaut wird. Aber ist das überzeugend? Sobald Transak-

tionskosten in Betracht gezogen werden, gilt diese Logik nicht mehr.

Um dies zu verstehen, müssen wir zunächst die Bedeutung des Begriffs „Eigentum“ untersu-

chen. Eigentum umfasst verschiedene, bereits im römischen Recht getrennte Aspekte:

− Das Recht, ein Gut physisch zu gebrauchen (ius utendi), z.B. die Benutzung eines

Mietautos. Hotelgäste erwerben das Recht, das Frühstücksgeschirr zu verwenden,

nicht aber, es mitzunehmen.

− Das Recht, die Früchte des Gutes bzw. das daraus fließende Einkommen zu behalten

(ius fruendi), z.B. das Recht des Pächters, das auf dem Feld wachsende Getreide ern-

ten und verkaufen zu dürfen oder das Recht einer Firma, geleaste Autos in der Produk-

tion einzusetzen.

− Das Recht, seine Form zu verändern oder es zu verkaufen (ius abutendi).

Rechte können separiert und einzeln abgetreten werden. Damit werden Kontrollrechte aufge-

teilt in spezifische Kontrollrechte und residuale Kontrollrechte. Der Eigentümer verkauft spe-

zifische Kontrollrechte (z.B. das ius utendi und damit die Kontrolle hierüber) und behält dann

nur die sonstigen Rechte. Im Falle eines Verkaufs geht dieses Bündel von Rechten an einen

Abschnitt 3: Property Rights und Transferierbarkeit

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neuen Eigentümer über. Der Wert eines Gutes bestimmt sich dabei aus dem Wert dieser ein-

zelnen Rechte, welche durch einen Tausch transferiert werden können. Wird ein Haus über-

tragen, auf dem ein lebenslanges Wohnrecht eines jungen Mieters eingetragen ist, so ist der

Wert entsprechend gering.

Die drei Bestandteile von Verfügungsrechten (ius utendi, ius fruendi, ius abutendi) können

auch einzeln veräußert werden. Dabei muss dann jeweils auf die anderen Rechte Rücksicht

genommen werden. Ist der Ernteertrag veräußert worden, so muss der neue Besitzer den

Acker angemessen behandeln; er darf ihn beispielsweise nicht anderweitig bepflanzen.

Verfügungsrechte können einerseits absolut sein in dem Sinne, dass sie gegenüber allen ande-

ren Menschen gültig sind. Dies gilt z.B. bei Eigentum an Immobilien oder sonstigen Sachgü-

tern. Genauso implizieren auch immaterielle Vermögensbestandteile (Patente und Copyrights)

ein Anrecht gegenüber allen anderen Menschen. Verfügungsrechte können andererseits relativ

sein, d.h. sich nur auf eine bestimmte andere Partei beziehen. Dies ist der Fall bei einem

Mietvertrag, Kaufvertrag, Arbeitsvertrag etc. Mit solchen relativen Verfügungsrechten wer-

den wir uns später beschäftigen.

Die Property Rights-Theorie befasst sich mit absoluten Verfügungsrechten. Sie versucht dabei

zu beantworten, inwieweit durch eine staatliche Ordnung absolute Verfügungsrechte verteilt

werden sollten. Eine ideale Verteilung wird hierbei vornehmlich unter Effizienzgesichtspunk-

ten betrachtet. Hierbei werden insbesondere drei Konditionen für eine ideale Verteilung der

Verfügungsrechte genannt:

Universalität: Alle knappen Ressourcen sollten jemandem gehören.

Exklusivität : Verfügungsrechte sollten exklusiv vergeben sein.

Transferierbarkeit : Verfügungsrechte sollten transferierbar sein.

Transferierbarkeit

Die Transferierbarkeit ist ja bereits als Teil des ius abutendi angesprochen worden. Mit der

Forderung der Transferierbarkeit wird also Folgendes zum Ausdruck gebracht:

Das ius abutendi sollte immer Bestandteil der absoluten Verfügungsrechte sein.

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Der offensichtliche Vorteil der Transferierbarkeit besteht darin, dass ein unfähiger Produzent

sein Eigentum an einen talentierteren übertragen kann. Der Eigentümer hat dabei einen star-

ken Anreiz zur effizienten Nutzung einer Ressource. Er empfängt das Residualeinkommen

(residual income), also dasjenige Einkommen, welches nicht an andere abgetreten wurde und

Ergebnis seiner residualen Kontrollrechte ist. Transferierbarkeit ermöglicht es daher, Talent

und Zugang zu Ressourcen miteinander zu verknüpfen und dadurch die Effizienz zu erhöhen.

Sonst hätten talentierte Personen ohne Vermögen keinen Zugang zu Produktionsmöglichkei-

ten und besitzende Nichtskönner keine Idee, was mit ihren Ressourcen anzustellen sei.

Zugang zu Ressourcen erfordert aber nicht unbedingt den Transfer. Die Eigentümer könnten

den talentierten Personen die Ressourcen auch verpachten. Reicht diese Lösung? Lassen sich

Effizienzgewinne ohne Transferierbarkeit erreichen? Nicht unbedingt. Es tritt das Problem

auf, dass der Pächter das anvertraute Gut zu pflegen und in der Substanz zu erhalten hat. Dies

erfordert Transaktionskosten in Form von Kontrollkosten seitens des Eigentümers, welche

u.U. prohibitiv hoch sein können. Nur ein vollständiger Eigentumstransfer erlaubt es, diese

Kontrollkosten zu vermeiden.

Hat ein Farmer nicht das Recht, sein Ackerland zu verkaufen oder zu verschenken, so kann er

es (sofern er es nicht selber nutzen kann oder will) nur verpachten. Der Pächter von Acker-

land wird aber nicht auf den Wert des Ackers nach der Pachtperiode achten. Er unternimmt

keine Investitionen in besondere Arten der Bepflanzung, welche den Stickstoffanteil in der

Zukunft erhöhen oder den Schädlingsbefall durch einen geschickten Fruchtwechsel minimie-

ren.

Er wird stattdessen den Acker und die zur Verfügung gestellten Geräte so „aufbrauchen“, dass

diese während der Zeit des Gebrauchs einen optimalen Verschleiß erleiden, zum Zeitpunkt

der Übergabe aber u.U. wertlos sind. Er wird die gemieteten Gegenstände ausbeuten, ohne

dabei an ihren zukünftigen Wert zu denken. „usufruct“-Verträge werden daher typischerweise

eine Bedingung enthalten, wonach der Pächter diese in der Substanz und Qualität zu erhalten

hat.

Solche Bedingungen müssen aber auch tatsächlich durchgesetzt werden, u.U. durch die Anru-

fung von Gerichten. Der Eigentümer des Ackerlandes muss also den Pächter regelmäßig be-

obachten und notfalls gerichtliche oder andere Mittel zur Durchsetzung seiner Ansprüche ein-

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setzen. Dies geht mit Transaktionskosten einher. Offenbar ist also ein Pachtvertrag mit öko-

nomischen Einbußen verbunden.

Ließe sich eine Lösung des Problems mit Hilfe eines Pfandes sicherstellen? Der Eigentümer

könnte ein Pfand von dem Pächter verlangen. Dieses Pfand wird dann am Ende der Pachtperi-

ode zurückgegeben, abzüglich oder zuzüglich der entstandenen Wertveränderungen. Aber

auch dies geht mit Transaktionskosten einher: measurement costs entstehen als Kosten für die

Feststellung der Qualität.

Das Beispiel sollte uns aber nicht so weit führen, Miet- und Pachtverträge grundsätzlich abzu-

lehnen. Der Ackereigentümer möchte u.U. seinen Acker behalten, während der Farmer nicht

das vollständige Risiko eingehen möchte, welches das Eigentum mit sich bringt. Evtl. hat der

Farmer auch nicht das notwendige Kapital für obige Transaktion. Es können also andere

Gründe vorliegen, warum auf den Transfer verzichtet wird und die höheren Transaktionskos-

ten in Kauf genommen werden.

Aber aus der Möglichkeit, dass ein Transfer nicht vorteilhaft ist, können wir nicht deduzieren,

dass das ius abutendi grundsätzlich verwehrt werden sollte. Dieses Recht würde dann ledig-

lich nicht genutzt werden.

Grundsätzlich lässt sich somit fragen, wer der Eigentümer einer Ressource sein sollte. Ant-

wort: Derjenige, der den optimalen Ressourceneinsatz mit den geringsten Kosten kontrollie-

ren kann! Erhält der Kontrolleur ein festes Einkommen, so fehlt ihm ein Anreiz zu einem ho-

hen Arbeitseinsatz. Dieser Effekt kann nur durch Eigentumsübertragung an den Kontrolleur

vollständig vermieden werden.

Dies entspricht auch der Argumentation, die wir von Alchian und Demsetz (1972) bezüglich

Teamarbeit kennen. Wer sollte nämlich der Eigentümer der Firma sein? Derjenige, der den

Einsatz der verschiedenen Teammitglieder mit den geringsten Kosten kontrollieren kann. Die-

ser sollte das Verfügungsrecht über die Nettogewinne der Teamproduktion erhalten, das so

genannte Residualeinkommen. Er wird damit zum Residualeinkommensbezieher (residual

claimant), zum Unternehmer. Er hat damit keinen Anreiz, seinen Faktoreinsatz ineffizient

einzuschränken, da jede Art von Drückebergerei unmittelbar auf sein eigenes Einkommen

zurückfällt.

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Wie kann man es in diesem Zusammenhang aber erreichen, dass auch der Überwacher seine

Rechte verkaufen, also transferieren, kann? Sobald eine andere Person die Funktion des

Überwachers besser ausüben kann, wäre ein solcher Transfer effizient.

Die Antwort besteht darin, dass die Teammitglieder nicht Verträge mit allen anderen Team-

mitgliedern schließen, sondern nur mit dem Überwacher. Dieser bildet den Knotenpunkt aller

Verträge. Der Überwacher wird sich dabei vorbehalten, die Rechte aus dem Vertrag an eine

andere Person zu übertragen. So kann die Teamarbeit, die Firma, unabhängig von der Person

des Überwachers weiter existieren.

Beispiel 1: Verstaatlichung von Produktionsmitteln

Wir hatten gesehen, dass immer dann Transaktionskosten entstehen, wenn Eigentum und

Kontrolle nicht in einer Hand liegen. Dies impliziert auch, dass eine Verstaatlichung von Pro-

duktionsmitteln notwendigerweise mit Effizienzverlusten einhergehen muss. Eigentum sollte

vollständig transferiert werden an Personen, welche Kontrollfunktionen wahrnehmen. Ein

benevolenter Diktator könnte das Ackerland auch planwirtschaftlich bewirtschaften lassen.

Dies würde offensichtlich mit hohen Transaktionskosten einhergehen. Der Diktator könnte

andererseits privates Eigentum am Ackerland einführen und seinen Untertanen volle Verfü-

gungsrechte einräumen. Durch diese zweite Variante könnte er ein besseres Ergebnis errei-

chen. Es genügt nicht, dass der Diktator das Land nur verpachtet, also nur eingeschränkt das

ius fruendi oder das ius utendi abtritt.

Beispiel 2: Probleme beschränkter Transferierbarkei t

Entgegen der Forderung der Transferierbarkeit sehen wir in der Realität, dass Verfügungs-

rechte oftmals eingeschränkt sind. In manchen sozialistischen Ländern konnten Arbeiter nur

eingeschränkt Verfügungsrechte erwerben. Ein typisches Beispiel hierzu sind labor-managed

firms, auch als worker-cooperatives bezeichnet. Eine solche Firma ist dadurch charakterisiert,

dass Firmenmitarbeiter selbst alle wirtschaftlichen Entscheidungen für die Firma treffen und

über die Verwendung des Residualeinkommens bestimmen. Darüber hinaus sind diese Rechte

mit der Mitarbeit in der Firma verbunden und können nicht transferiert werden.

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In Jugoslawien wurden diese Rechte von Firmenmitarbeitern durch staatliche Vorgaben fest-

gelegt. Mitarbeiter konnten somit über die Produktion ihres Betriebes entscheiden, Investitio-

nen tätigen und die Früchte hieraus behalten. Sie konnten ihren Firmenanteil aber nicht ver-

kaufen. Der Anteil war verbunden mit ihrer Tätigkeit als Arbeiter; sie verloren den Anteil mit

dem Ausscheiden aus der Firma.

Manche Investitionen lohnten sich somit für Arbeiter jugoslawischer labor-managed-firms

nicht: sie hatten einen kurzen Zeithorizont, da sie Auszahlungen nur während der aktiven Tä-

tigkeit in der Firma erhalten konnten. Nicht das Firmenwohl stand also im Vordergrund, son-

dern die Auszahlungsfähigkeit während der Lebensarbeitszeit innerhalb der Firma. Sie hatten

somit das ius fruendi und das ius utendi, nicht aber das ius abutendi.

Ähnlich wurde es anfänglich bei der Privatisierung der Landwirtschaft in Russland den Bau-

ern verboten, ihren Grund und Boden zu verkaufen. Ein Argument war diesbezüglich, dass

die Ausbeutung der kleinen Bauern durch Großgrundbesitzer verhindert werden sollte. Kleine

Bauern würden sonst dazu genötigt, ihr Land wieder an den Großgrundbesitzer zu verkaufen.

Jedoch bewirkte dies, dass Grund und Boden auch nicht von Banken als Sicherheit für Kredite

akzeptiert werden konnten, da sie nicht veräußerbar waren. Da den Bauern das ius abutendi

fehlte, konnten also notwendige Kredite für die Landwirtschaft nicht bereitgestellt werden.

Trotzdem existieren worker-cooperatives und sind teilweise erfolgreich. Bei Rechtsanwalts-

kanzleien und Unternehmensberatungen steht das Humankapital der Mitarbeiter im Vorder-

grund und Sachkapital, das von externen Quellen finanziert werden kann, ist weniger wichtig.

Wird dann nur die Auszahlungsfähigkeit während der Lebensarbeitszeit innerhalb der Firma

maximiert, so hat dies kaum negative Auswirkungen auf die ohnehin geringen Investitionen in

Sachkapital. Nachteilig erscheint aber in jedem Fall eine staatliche Einschränkung des ius

abutendi, denn es behindert die Möglichkeit, eine vorteilhafte Organisationsform zu wählen.

Beispiel 3: Grenzen der Transferierbarkeit

Wir sollten aber hier anmerken, dass auch in einer Marktwirtschaft oftmals das ius abutendi

eingeschränkt wird. So verbieten wir z.B. die Sklaverei und die Zwangsarbeit. Eine Person

kann also nicht von Dritten zur Ausführung einer Tätigkeit gezwungen werden. Eine Person

darf sich aber auch nicht selbst versklaven. Für einen Kreditnehmer, der von dem Erfolg sei-

nes Unternehmens überzeugt ist, könnte es vorteilhaft sein, einen Kredit aufzunehmen unter

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der Bedingung, dass er im unwahrscheinlichen Falle eines geschäftlichen Scheiterns zum

Sklaven des Kreditgebers wird.

Ein Mensch könnte so rational das ius abutendi in Bezug auf seine zukünftige Arbeitskraft in

Anspruch nehmen. Aber eine solche Bedingung stellt leicht einen Verstoß gegen § 138 BGB

dar und wird als sittenwidrig eingeschätzt. Daraus folgt ihre Nichtigkeit. Sie wird also nicht

von einem Gericht anerkannt und durchgesetzt. Das Konkursrecht erlaubt es vielmehr einer

privaten Person, ihre Lebensgrundlage zu behalten oder ins Ausland abzuwandern.

Wir weisen Menschen unveräußerliche Rechte (körperliche Unversehrtheit, Freiheit …) zu.

Auf dieser Grundlage verbieten wir auch Menschen, ihre Organe zu verkaufen. Eine weitere

Einschränkung der Transferierbarkeit finden wir in § 12 des Berufsbildungsgesetzes: „Eine

Vereinbarung, die Auszubildende für die Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsver-

hältnisses in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit beschränkt, ist nichtig.“ Zweck dieser

Vorkehrung ist die Wahrung der Entscheidungsfreiheit der (teils minderjährigen) Auszubil-

denden. Problematisch ist diese gesetzliche Bestimmung allerdings dort, wo Unternehmen

ihre Investitionen in das Humankapital eines Auszubildenden durch eine spätere Tätigkeit

desselbigen entlohnt haben möchten.

Im Fußball wurden Ausbildungsentschädigungen für verfassungswidrig erklärt. Damit können

Spieler nach Ablauf ihres Vertrags ohne Ablösezahlung den Verein wechseln. Das Problem

ist allerdings, dass Vereine keinen Anreiz haben, in den eigenen Nachwuchs zu investieren.

Im Fußball wird das Problem dadurch abgemildert, dass langfristige Verträge geschlossen

werden. Vor Ablauf eines Vertrages darf dann eine Ablösezahlung verlangt werden.

Weiterhin sind manche Vermögensgegenstände, die zum unmittelbaren Lebensunterhalt not-

wendig sind, nicht pfändbar. Diese können somit nicht als Sicherheit für eine Bank dienen, da

der Gerichtsvollzieher sie nicht einziehen kann.

Auch für unsere zusätzliche Rentenversicherung, die sogenannte Riester-Rente, ist das ius

abutendi eingeschränkt. Zukünftige Auszahlungen können nämlich nicht abgetreten oder ver-

kauft werden, oder als Sicherheit dienen. Dasselbe gilt auch für die gesetzlichen Rentenzah-

lungen. Es existiert hierbei eine Abwägung zwischen der Garantie sozialer Mindeststandards,

welche von der Gemeinschaft getragen wird, und dem Eingehen von finanziellen Risiken, für

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welche sich ein Individuum entscheiden darf. Beide stehen im Konflikt miteinander. Sobald

gewisse soziale Mindeststandards garantiert werden, lohnt es sich für ein Individuum, das

Risiko des finanziellen Totalverlusts auf sich zu nehmen, um dann den Mindeststandard für

sich in Anspruch zu nehmen.

Quiz

Unter dem Residualeinkommen versteht man

1. den Teil des Einkommens, der nicht durch Verträge an andere abgetreten wurde

2. den Teil des Einkommens, der nach Abzug aller Kosten übrigbleibt

3. den Teil des Einkommens, der sich z.B. durch Pachtverträge an andere abtreten lässt

4. den Rest des Einkommens, der nach allen Konsumkäufen einem Haushalt verbleibt.

Der Vorteil eines Rechts der Transferierbarkeit (ius abutendi) besteht darin,

1. dass hierdurch attraktive Pachtverträge möglich werden

2. dass das Residualeinkommen an denjenigen geht, der die Ressource am besten nutzt

3. dass untalentierte Inhaber einer Ressource keinen hohen Einsatz leisten

4. dass Ressourcen zufällig dort landen, wo sie einen hohen Nutzen stiften.

Der Nachteil eines Pachtvertrages besteht darin,

1. dass Pächter weniger talentiert sind, als die Eigentümer einer Ressource

2. dass Pächter einen zu geringen Arbeitsanreiz haben

3. dass Pächter das anvertraute Gut übermäßig ausbeuten und nicht in der Substanz er-

halten

4. Keine der obigen Antworten ist richtig.

Literatur

Furubotn, E.G. und R. Richter (2005: 79-89; 96-100).

Übungsaufgaben

Aufgabe 3.1

Paragraph 5 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) besagt: „Eine Vereinbarung, die den Auszu-

bildenden für die Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung

seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt, ist nichtig.“

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a) Erörtern Sie, ob und gegebenenfalls wie durch obige Gesetzgebung eine Einschränkung

der Property Rights vorliegt.

b) Ist der Paragraph 5 aus Sicht der Property Rights Theorie effizient?

Aufgabe 3.2

Um die landwirtschaftliche Produktion effizienter zu gestalten, entscheidet der Präsident Sim-

babwes, Robert G. Mugabe, den vormals enteigneten Farmern ihr Land befristet auf 5 Jahre

im Rahmen eines Pachtvertrages zur Bewirtschaftung zu überlassen. Wie würden Sie die Er-

folgsaussichten dieser Maßnahme beurteilen?

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Universalität

Wir kennen die Unklarheit, die entsteht, wenn Eigentumsverhältnisse unklar sind. Wir finden

herrenlose Gegenstände auf der Straße, laden aus dem Internet Bilder, Zitate oder Musik von

anderen, leihen an ein befreundetes Ehepaar, ohne zu wissen, wer es im Falle der Scheidung

zurückzahlt. Die Probleme, die daraus entstehen, können in einer Fehlallokation resultieren.

Einsatzfaktoren können ungenutzt liegenbleiben. Wir koordinieren uns nicht mit anderen

Wirtschaftssubjekten. Wir machen uns übertriebene Sorge, im Falle einer unrechtmäßigen

Benutzung haftbar gemacht zu werden. Dieses Problem wird besonders gravierend, wenn

nicht nur unser Unwissen verantwortlich ist, sondern gar nicht spezifiziert ist, wer das Verfü-

gungsrecht über ein knappes Gut hat.

Universalität fordert: jeder Vermögensgegenstand sollte mindestens einer (natürlichen

oder juristischen) Person gehören.

Ein ähnliches Problem tritt auf, wenn gleichzeitig mehrere Personen Eigentum für sich rekla-

mieren. Streit ist entweder teuer oder behindert beide Akteure in der Verwendung des gefor-

derten Gutes. Ein Gleichgewicht besteht darin, dass einer Eigentümer ist und der andere

nachgibt. Aber keiner wird freiwillig eine ungünstige Rollenzuteilung akzeptieren. Hieraus

entsteht eine Anforderung an die Bildung von Institutionen. Es sollte spezifiziert werden, wer

Eigentümer ist, damit Konflikte und damit Lösungen außerhalb der Gleichgewichte unterblei-

ben. Fehlen aber solche Spezifizierungen, so können kostspielige Konflikte, externe Effekte

und Marktversagen entstehen.

Auch hierzu stammt der entscheidende Beitrag von Coase (1960). Wie bereits in seinem

früheren Beitrag, findet auch hier ein Paradigmenwechsel statt. Vor den Arbeiten von Coase

wurde Marktversagen typischerweise auf Besonderheiten in der Produktion oder dem Kon-

sum zurückgeführt. Externe Kosten in Form von Umweltverschmutzung würden hierbei ande-

ren Produzenten oder Privatpersonen aufgebürdet, positive Beiträge, wie beim Bienenzüchter

Abschnitt 4: Universalität und Exklusivität

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und dem Obstbauern, würden hierbei anderen zugeführt. Oder aber, es finden sich externe

Effekte im Konsum, weil z.B. ein Raucher seinen Mitmenschen den Qualm zumutet. In die-

sem Sinne ist Marktversagen ein physisches Phänomen; es resultiert aus bestimmten Techno-

logien oder Bedürfnissen.

Aber aus der Sicht von Coase und der von ihm vorgenommenen Transaktionskostenanalyse

stellt sich das Problem anders dar. Es liegt nämlich eine Situation vor, in der die Beteiligten

eine Pareto-Verbesserung erreichen könnten. Warum verhandeln nicht die Raucher mit den

Nichtrauchern über Möglichkeiten, die jeweiligen Bedürfnisse optimal zu koordinieren? Wa-

rum können nicht die Umweltverbände erfolgreich mit den Produzenten über die Reduzierung

von Emissionen verhandeln?

Es erscheint plausibel, dass die Koordination vieler Interessen zu schwierig sein kann. Dies

liegt u.a. daran, dass Umwelt ein öffentliches Gut darstellt. Hierzu wird der nächste Abschnitt

noch die relevanten Argumente ausführen. Aber selbst wenn nur zwei Akteure involviert sind,

können Verhandlungen scheitern. Statt zu verhandeln, streiten sie darüber, wer welche Rechte

besitzt. Dieser Streit behindert eine Einigung.

Die Folge ist, dass sich ein Austausch und damit ein Markt nicht etablieren kann. Es existiert

daher kein Markt für die „Vermeidung von Zigarettenrauch“ oder eine „optimale Luftver-

schmutzung“. Der Staat muss folglich Rechte zuteilen. Tut er dies nicht, so ergeben sich die

aus dem Eigentumsspiel bekannten Probleme. Dies führt zu kostspieligem Konflikt und Inef-

fizienzen.

Wem sollte der Staat (oder informelle Institutionen) aber die Verfügungsrechte geben? Dem

Bauherren oder den von einem Gebäude gestörten Nachbarn? Egal, welcher Seite der Staat

die Rechte gibt, werden beide in einem Austausch zu einer effizienten Lösung kommen. Sie

verhandeln so lange, bis keine Seite sich mehr verbessern kann, ohne die andere zu benachtei-

ligen. Sie streben nach Pareto-Optimalität. Dies ist die zentrale Aussage des Coase-Theorems.

Beispiel 1: Der Self-Serving Bias

Könnten wir statt klarer Eigentumsrechte auch einen Münzwurf entscheiden lassen? Wir er-

kennen die Unklarheit der Verhältnisse und lassen die Münze entscheiden. Oder wir verhan-

deln und suchen einen fairen Kompromiss in dem Wissen, dass Eigentum unklar ist. Dann

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wäre für eine Vermeidung von Streit nur noch vollständige Information notwendig. Dies

wurde von Richard Posner (1986: 525, Zitiert nach Babcock et al. 1995) bezüglich Strei-

tigkeiten vor Gericht vermutet: „a full exchange of information . . . is likely to facilitate set-

tlement by enabling each party to form a more accurate, and generally therefore a more con-

vergent, estimate of the likely outcome of the case. The rules of discovery and information-

sharing that prevail in the legal system are premised on the notion that providing common

information will lead to a convergence of expectations about the adjudicated outcome of a

case. The assumption of convergence also seems to underlie the often-expressed view that

labor impasses could be avoided if firms were willing to "open the books" to the union.”

Dies funktioniert insbesondere wegen eines „self-serving bias“ nicht. Wirtschaftssubjekte

halten oftmals diejenige Verteilung für fair, die ihnen nützt. Vollständige Information verhin-

dert damit keinen kostspieligen Streit. Beispiel Gerichtsverhandlungen: Hierzu wurde von

Babcock et al. (AER, 1995) ein Experiment durchgeführt. Solche Teilnehmer, denen vor dem

Lesen der Dokumente ihre Rollen (Verteidiger, Ankläger) mitgeteilt wurden, hatten Schwie-

rigkeiten bei der Kompromissfindung. Haben Teilnehmer hingegen zuerst den Sachverhalt

gelesen und danach ihre Rolle erfahren, waren sie weniger vorurteilsbehaftet und konnten

schneller zu einem fairen Ergebnis kommen. Dies zeigt, dass Sachverhalte oftmals aus dem

Blickwinkel eigener Interessen verzerrt wahrgenommen werden. Interessen werden dann auf-

grund eines self-serving bias kompromisslos verfolgt.

Exklusivität

Bei den meisten Gütern existiert Rivalität im Konsum: Ein Nutzer behindert einen anderen im

Konsum. Gleichzeitig ist es oftmals nicht möglich, Nutzer vom Konsum auszuschließen.

Selbst wenn sie ein Gut nicht nutzen dürfen, ist die Nutzung nicht zu verhindern. Genauso ist

es möglich, dass mehrere Personen gleichzeitig das Nutzungsrecht haben. In diesem Fall ist

das Verfügungsrecht über eine Ressource nicht exklusiv vergeben. Universalität könnte dabei

gegeben sein, denn Verfügungsrechte sind zugewiesen, allerdings an mehr als eine Person.

Dies wird dann problematisch, wenn ein Gut von Abnutzung bedroht ist. Eine solche Abnut-

zung ist bei öffentlichen Gütern nicht gegeben. So wird z.B. eine Open-Source Software nicht

dadurch aufgebraucht, dass sie von mehreren Nutzern verwendet wird. Eine Abnutzung droht

aber bei Allmende-Gütern. Dort herrscht Rivalität im Konsum, was bedeutet, dass durch die

Nutzung des einen die Nutzung eines anderen negativ beeinträchtigt wird. Hierbei entsteht

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das, was als „tragedy of the commons“ bezeichnet wird: Die Tragik der kollektiven Nutzung.

Ein Beispiel sind gemeinsame Weidegründe für Vieh oder der Fischfang in öffentlichen Ge-

wässern. Während hierbei nämlich der Ertrag aus der Nutzung einem Individuum zufällt, sind

die Kosten in Form von abgegrasten Wiesen und leer gefischten Meeren von allen zu tragen.

Hierbei berücksichtigt das Individuum nicht, welche Kosten von seiner Aktivität den anderen

aufgebürdet werden. So aber kommt es zu einer ineffizient hohen Abnutzung des Allmende-

Gutes, das Gras wird exzessiv abgegrast, die Meere werden leer gefischt. Ursache dieses

Problems ist, dass Verfügungsrechte nicht exklusiv vergeben wurden.

Exklusivität fordert: jeder Vermögensgegenstand sollte höchstens einer (natürlichen

oder juristischen) Person gehören.

Der exklusive Eigentümer kann dann die Weide an andere Nutzer vermieten oder Fangquoten

verkaufen. Dies garantiert, dass eine effiziente Lösung wieder erreicht wird.

Eine solche Lösung funktioniert aber eventuell nur in einer Welt ohne Transaktionskosten,

insbesondere Überwachungskosten. Eigentum muss erkennbar sein, Übertretungen entdeckt

und verfolgt werden. Es droht sonst, dass andere ihr Vieh auf einer privaten Weide grasen

lassen oder private Fischgründe leergefischt werden. Wird dies möglich sein für eine entfernte

Alm in den Alpen? Oder für einen Fischgrund im fernen Pazifik?

Beispiel 2: Kollektive Nutzung

Sofern die für Exklusivität notwendige Kontrolle nicht ausgeübt werden kann, können aus

Transaktionskostensicht auch gemeinsame Nutzungsregeln vorteilhaft sein. Dies kann tatsäch-

lich bei alpinen Almen beobachtet werden, die sich über Jahrhunderte im kollektiven Besitz

befinden.

Der Vorteil kollektiven Eigentums kann in niedrigen Kontrollkosten bestehen. Alle Verfü-

gungsberechtigten könnten einen Anreiz haben, sich gegenseitig zu überwachen und Fehlver-

halten zu melden, da sie von dem Fehlverhalten selbst beeinträchtigt sind. Gegenüber einem

privaten Eigentümer würde kein Anreiz bestehen, ein zufällig entdecktes Fehlverhalten zu

melden. So wird ein Wilderer u.U. nicht sozial sanktioniert, wenn er in den königlichen Jagd-

gründen jagt.

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Beispiel 3: Spezifizierungskosten

Die Vergabe exklusiven Eigentums kann auch durch Spezifizierungskosten unvorteilhaft wer-

den: Sind diese prohibitiv hoch, wie für die Reinhaltung der Atmosphäre oder der Weltmeere,

so werden Verfügungsrechte nicht vollständig spezifiziert und viele widerstreitende Interes-

senvertreter werden Eigentum für sich reklamieren. Zur Einsparung von Spezifizierungskos-

ten werden Verfügungsrechte teilweise etwas unpräsize gehalten.

So war beispielsweise für Jäger das erbeutete Fell über lange Zeit ein geringfügiges Neben-

produkt, bis sich ein lukrativer Fellhandel entwickelte. Dieser bewirkte aber, dass Pelztiere zu

einem knappen Gut wurden – es drohte, dass diese exzessiv gejagt wurden. Nun wäre es aber

unzumutbar, die Verfügung an einzelnen Tieren festzulegen. Als Lösung wurden nun private

Jagdgründe bestimmt. Die Tiere, die typischerweise lokal gebunden waren, hatten somit einen

exklusiven Eigentümer. Solche privaten Jagdgründe zu bestimmen, war eine einfache Art,

exklusive Eigentumsrechte zu vergeben. Es funktionierte allerdings nur für solche Tiere, die

lokal gebunden waren. Es wurde demgegenüber beobachtet, dass Biber durch die neuen Ver-

fügungsrechte nicht hinreichend geschützt wurden. Diese waren zu mobil, sodass durch die

Festlegung privater Jagdgründe nicht auch diese Tiere einen „Eigentümer“ bekamen.

Quiz

Universalität bezeichnet

1. die Zuteilung von Verfügungsrechten an den Meistbietenden

2. das universelle Menschenrecht auf soziale Mindeststandards

3. die Zuweisung von Verfügungsrechten an mindestens eine Person

4. die weitverbreitete Fehlallokation und Verschwendung von Ressourcen.

Externe Effekte können gemäß Coase aufrechterhalten bleiben, weil

1. Technologien eingesetzt werden, die anderen einen Schaden zufügen

2. Produzenten ihren Gewinn maximieren

3. für einen Ausgleich der Interessen kein Marktmechanismus existiert

4. Haushalte eine saubere Umwelt wünschen.

Unter einem self-serving bias versteht man

1. die Selbstbedienungsmentalität auf den Vorstandsetagen

2. die verbreitete Neigung, jede Situation zum eigenen Vorteil zu nutzen

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3. eine verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit

4. eine verzerrte Präferenz, bei der der eigene Vorteil zu hoch bewertet wird.

Literatur

Coase, R.H. (1960), “The Problem of Social Cost”, Journal of Law and Economics, Jg. 3, 1-

44.

Furubotn, E.G. und R. Richter (2005: 101-122).

Übungsaufgaben

Aufgabe 4.1

In der Vorlesung wurde folgendes Spiel zur Bedeutung von Eigentum gespielt. Dabei streiten

sich zwei Teilnehmer um das Eigentum an einer Sache (Wert 8€). Jeder Teilnehmer hat eine

Anfangsausstattung (4€). Fordern beide das Eigentum, so resultiert dies in Streit, der jedem

Teilnehmer Kosten aufbürdet (-8€) und eine 50% Chance auf Eigentum erbringt, sodass im

Mittel die Streitenden ihre Anfangsausstattung verlieren.

a) Beschreiben Sie kurz, welche Strategiewahl ein Teilnehmer bevorzugen wird und wel-

ches Gleichgewicht bzw. welche Gleichgewichte hieraus resultieren.

b) Beschreiben Sie kurz, was mit „Universalität“ gemeint ist. Inwiefern steht dieser Begriff

in Zusammenhang mit dem Spiel in Teilfrage a)?

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Aufgabe 4.2

Die Bewohner eines kleinen Küstendorfes beratschlagen, wie sie das Einsammeln von Treib-

holz regeln wollen. Ein Grundbesitzer fordert für sich das alleinige Recht an dem Treibholz,

da der Zugang zum Strand über sein Grundstück verläuft. Es wird aber zunehmend schwer für

ihn, diesen Anspruch durchzusetzen. Im Schutz der Dunkelheit eignen sich nämlich einzelne

Bewohner das Treibholz an und rechtfertigen sich damit, dass der Anspruch des Grundbesit-

zers ungerechtfertigt sei. Die Bewohner treffen mit dem Grundbesitzer eine Vereinbarung:

Für den Eigenbedarf dürfen die Bewohner in Zukunft Treibholz einsammeln, aber dieses nicht

an Dritte verkaufen. Kaum ist die Vereinbarung in Kraft getreten, schwemmt eine große

Menge Treibholz an. Der Grundbesitzer sperrt den Zugangsweg mit dem vorgeschobenen

Argument, der Weg sei nicht verkehrssicher und bedürfe einer Reparatur.

Erläutern Sie kurz die Begriffe

c) Universalität

d) Opportunismus

e) Self-serving bias

unter beispielhaftem Rückgriff auf diese kurze Beschreibung!

Aufgabe 4.3

a) Absolute property rights sollten typischerweise “exklusiv” Privatpersonen oder Un-

ternehmen zugewiesen werden. Was ist hierunter zu verstehen und warum wird diese

Forderung erhoben?

b) Der Fischbestand an Europas Küsten droht derzeit rapide zurückzugehen, so dass die

Europäische Kommission Regulierungsmaßnahmen erwägt. Erläutern Sie unter Rück-

griff auf Ihre Darlegungen zu Teilfrage a) wie dieser Rückgang zu begründen ist. Wie

wären die folgenden Regulierungsmaßnahmen zu bewerten:

i) Die Festlegung von Verfügungsrechten für einzelne Fische oder Fisch-

schwärme.

ii) Die Bestimmung von Fangzonen, also lokal abgegrenzten Fanggebieten, und

die Versteigerung dieser an den Höchstbietenden.

Aufgabe 4.4

Seit Jahrhunderten sind manche Almwiesen im Besitz der örtlichen Gemeinden, die allen ih-

ren Bewohnern die Nutzung erlauben. Aber der Zugang zu diesen Wiesen ist mühsam, sodass

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das Vieh über steinige Wege geführt werden muss. Die Benutzung dieser Wege kann leicht

beobachtet werden. Eines Tages bietet ein Großgrundbesitzer einer Nachbargemeinde an, eine

befestigte Straße durch eine schlecht einsehbare Senke zu den Almwiesen zu bauen und zu

finanzieren. Hierfür verlangt er gleichberechtigt mit den lokalen Bewohnern den Zugang. Die

Vereinbarung wird geschlossen. Als der Großgrundbesitzer aber zum ersten Mal sein Vieh auf

die Almwiese treibt, muss er feststellen, dass alles Gras bereits gefressen wurde.

Erläutern Sie kurz die Begriffe

a) Allmendegut

b) Überwachungskosten

unter beispielhaftem Rückgriff auf diese Beschreibung!

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Relative Property Rights

Relative Property Rights begründen gegenseitige Ansprüche zwischen zwei oder mehreren

Parteien, also nicht Ansprüche allen anderen Menschen gegenüber. Diese stehen in diesem

und in den folgenden Abschnitten im Vordergrund. Werden gegenseitige Ansprüche durch

Vertragsschluss begründet, so entstehen hierbei entweder market TC oder managerial TC, je

nachdem, ob es sich um einen einmaligen Austausch handelt oder um einen langfristigen,

hierarchischen Vertrag.

Bei den market TC haben wir Such- und Informationskosten. Information ist ein aus ökono-

mischer Sicht besonders interessantes Gut, weswegen sich eine eigene Ökonomik hierzu ge-

bildet hat (information economics) als Unterdisziplin der Spieltheorie. Ökonomische Güter

sind zumeist durch Knappheit gekennzeichnet. Dies trifft auf Information erst einmal nicht zu.

Wir erleben eine häufige Überschwemmung mit vielfältigen Informationen. Knapp ist nicht

die Quantität an Informationseinheiten, sondern ihre Glaubwürdigkeit. Es existiert ein öko-

nomisches Grundproblem mit dem Gut „Information“. Seine Qualität kann nämlich erst nach

dem Kauf derselben eingeschätzt werden. Dies wird als „Paradoxon der Information“ be-

zeichnet.

Um beim Verkauf einer Information die Gegenseite von ihrem Wert zu überzeugen, muss

diese selbst offenbart werden, was diese letztlich für den Anbieter entwertet. Versucht z.B. ein

Entdecker einer neuen gentechnisch hergestellten Obstsorte Kreditgeber oder Investoren von

dem Produkt zu überzeugen, so müsste er die Eignung mit etlichen Tests von unabhängigen

Fachleuten beurteilen lassen. Ist das Produkt z.B. resistent gegenüber Schädlingsbefall, ohne

gesundheitliche Nebenwirkungen? Andere zu überzeugen gelingt ihm nur, wenn er den gen-

technischen Code selbst offenbart. Dann haben die Investoren aber die Information bereits vor

dem Kauf erhalten. Versucht ein Insider einen Aktientipp zu verkaufen, so ist für den Nach-

frager die Information wertlos, solange er nicht ihre Qualität beurteilen kann, z.B. durch Bei-

Abschnitt 5: Asymmetrische Information

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bringung von Unterlagen. Liegen diese aber vor, so ist der Insider für den Nachfrager der In-

formation nutzlos geworden und geht leer aus.

Information unterscheidet sich insofern von anderen Gütern. Fehlende Information wird ins-

besondere da zu einem Problem, wo asymmetrische Information vorliegt, d.h. eine Seite ist

bei einem Vertragsschluss besser informiert als die Gegenseite. Wir wollen uns hier insbeson-

dere dem Problem der asymmetrischen Information vor dem Vertragsschluss zuwenden. Sol-

che asymmetrische Information ergibt sich, wenn Suchkosten und Informationskosten prohi-

bitiv hoch sind. So ist u.U. der Käufer nicht hinreichend über die Qualität eines Produktes

informiert, oder ein Arbeitgeber ist nicht informiert über die Leistungsfähigkeit eines Stellen-

bewerbers. Ein klassisches Beispiel stammt von Akerlof (1970) und bezieht sich auf den Ge-

brauchtwagenmarkt (Englisch: lemons).

Der market for lemons

Für den Gebrauchtwagenmarkt ist es plausibel anzunehmen, dass verschiedene Qualitäten von

Autos existieren. Ferner kennt nur der Anbieter diese Qualität. Nehmen wir an, der Parameter

q bezeichne die Qualität und sei gleichmäßig zwischen 0 und 1 verteilt. Für Käufer sei nun die

maximale Zahlungsbereitschaft abhängig von der Qualität gemäß pqN=3/2·q.

Demgegenüber sei der Preis, den die Anbieter mindestens verlangen, ebenfalls abhängig von

der Qualität, und zwar pqA=q. Bei einem geringeren Preis ziehen sie ihr Angebot vom Markt

zurück. Sollten beide Seiten die Qualität des jeweiligen Autos beobachten können, so würde

sich für jede Qualität ein Austausch lohnen. Sofern der Preis durch die Zahlungsbereitschaft

der Nachfrager bestimmt wird, resultiert pq=3/2q. Zu diesem Preis werden alle Qualitäten

gehandelt.

Die Beurteilung der Qualität ist aber in der Praxis schwierig. Käufer sind hier gegenüber den

Verkäufern, die ihr Fahrzeug gut kennen, im Nachteil. Wir nehmen an, dass Sie Information

besitzen bezüglich der durchschnittlichen am Markt gehandelten Qualität, nicht aber die je-

weilige Qualität des Autos, das Sie kaufen wollen. Sie kennen dabei das Angebotsverhalten

und können hieraus Rückschlüsse auf die durchschnittliche Qualität ziehen. Werden alle Au-

tos (0 ≤ q ≤ 1=q*) am Markt angeboten, so gilt für die maximale Qualität q*=1 und die durch-

schnittliche Qualität, �� = 1 2⁄ ∙ �∗ = 1 2⁄ .

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Der Preis, den die risikoneutralen Nachfrager bereit sind zu zahlen, wäre also ��=3/4. Zu

diesem Preis sind aber, entgegen der ursprünglichen Annahme, nicht mehr alle Anbieter be-

reit, ihr Auto zu verkaufen. Die qualitativ besten Autos verschwinden vom Markt. Die durch-

schnittliche Qualität verringert sich. Hierdurch vermindert sich aber wiederum die Zahlungs-

bereitschaft der Nachfrager. Welches Gleichgewicht stellt sich ein? q* ist die beste Qualität,

die bei korrekten Erwartungen von Anbietern und Nachfragern am Markt gehandelt wird. Die

Anbieter werden hierfür den Preis ��=q* verlangen. Die durchschnittliche Qualität ist dann

q*/2. Dies bewirkt, dass die Nachfrager bereit sind, den Preis �� =

� �� = � �

∗ zu bezahlen.

Für das Gleichgewicht resultiert: �� = � ⇔

� �∗ = �∗ ⇔ �∗ = 0. Die Zahlungsbereitschaft

der Nachfrager ist immer geringer als der Preis, den die Anbieter mindestens verlangen. Der

Markt bricht also vollständig zusammen.

Selbst da, wo Märkte nicht zusammenbrechen, bleibt der Austausch ineffizient. Effizienz be-

deutet nämlich, dass ein Nachfrager, der ein Gut höher bewertet als ein Anbieter, dieses auch

kaufen sollte. Der Tausch wäre ja für alle vorteilhaft. Sofern der Nachfrager aber der behaup-

teten Qualität misstraut, wird der Tausch oftmals nicht stattfinden. Güter kommen dann nicht

in den Besitz desjenigen, der ihnen den höchsten Wert beimisst. Die durchschnittliche, vom

Nachfrager beobachtete Qualität ist geringer als die des marginalen Autos. Ein Kauf kommt

aufgrund dieses Informationsnachteils nur dann zustande, wenn der Nachfrager bereit ist, eine

Prämie zu zahlen. Diese Prämie behindert einen effizienten Austausch.

Das ist etwa so wie bei Graucho Marx: „I don't care to belong to a club that accepts people

like me as members.“ In etwa: Ich würde niemals in einen Klub eintreten, der bereit wäre, so

jemanden wie mich als Mitglied aufzunehmen. So würde auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein

Nachfrager argumentieren, dass er niemals ein Auto von einem Verkäufer kaufen würde, der

bereit wäre, sein Kaufangebot zu akzeptieren.

Der Preis hat somit neben der Herstellung des Marktgleichgewichts eine zusätzliche Aufgabe:

Er dient als Qualitätssignal. Wenn aber der Preis als ein solches Signal fungiert, so kann er

nur unvollständig seiner Aufgabe nachkommen, das Marktgleichgewicht herzustellen. Es

ergibt sich das Problem der adversen Selektion (adverse selection), also ein Prozess, bei dem

Akteure oder Produkte mit wünschenswerten Eigenschaften aus dem Marktprozess ausschei-

den.

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Beispiel 1: Finanzkrise 2007/08

Das Modell ist beispielhaft für den Zusammenbruch des Marktes für Kreditderivate im Jahre

2007/08, insbesondere Anleihen, die mit Immobilien in den USA und Großbritannien besi-

chert waren. Marktteilnehmer vertrauten zuvor den Ratingagenturen bei der Einschätzung der

Qualität dieser Produkte. Die Bewertung der Ratingagenturen stellte sich aber als fehlerhaft

heraus. Banken wurde damals geraten, sich nicht mehr auf die Bewertung der Ratingagentu-

ren zu verlassen, sondern eigene Risikobewertungen vorzunehmen. Dies haben die Banken

versucht. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Refinanzierung mussten insbesondere Ban-

ken Finanzprodukte verkaufen, traten als Anbieter auf und waren bereit, geringere Preise hin-

zunehmen. Aber die Preise sanken stärker, weil nun die Information über die Qualität der Fi-

nanzprodukte asymmetrisch verteilt war. Banken als Inhaber der Finanzprodukte kannten die

Qualität, Käufer kannten nur die durchschnittliche Qualität. Banken konnten also strategisch

verkaufen, gute Qualität behalten und schlechte Qualität anbieten! Käufer wussten dies und

korrigierten die durchschnittlich erwartete Qualität nach unten.

Beispiel 2: Rationierung

In einem Markt mit asymmetrischer Information kann sich auch eine Rationierung einstellen.

Nehmen wir an, in einem Markt seien einige Nachfrager nicht solvent. Sie kaufen das Produkt

zu jedem beliebigen Preis, da sie das Gut mit ungedeckten Schecks bezahlen oder nach Liefe-

rung Insolvenz anmelden. Bei der Wahl eines Preises wird eine Firma nicht nur die Produkti-

onskosten berücksichtigen, sondern auch den Zahlungsausfall. Je höher dabei der geforderte

Preis, desto größer ist der Anteil der Nachfrager, welche die Zahlung schuldig bleiben. Ein

Produzent fürchtet hierbei also, durch die Wahl eines zu hohen Preises die „guten“ Nachfra-

ger vom Markt zu verdrängen, sodass verstärkt die insolventen Nachfrager dort verbleiben.

Statt eines markträumenden Preises könnte es sich daher lohnen, einen geringeren Preis zu

verlangen. Die Nachfrage wird dann nur anteilig bedient, wodurch auch einige der insolven-

ten Nachfrager leer ausgehen.

Beispiel 3: Zinsen auf dem Kreditmarkt

Ein Abweichen von markträumenden Zinsen sehen wir auch auf dem Kreditmarkt. Die höchs-

ten Zinsen kann derjenige Kreditnehmer bezahlen, der die riskantesten Investitionen durch-

führen möchte. Für Banken würde es sich dann nicht lohnen, die Zinsen auf ein markträu-

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mendes Niveau zu heben. Stattdessen profitieren Banken durch niedrige Zinsen davon, weni-

ger riskante Kreditnehmer in ihrem Kundenstamm zu haben.

Banken lernen über die Zeit ihre Kunden kennen, inklusive ihrer Risikobereitschaft. Dadurch

resultiert adverse Selektion beim Wechseln einer Bank. Eine neue Bank kann die Bonität ei-

nes wechselbereiten Kunden nicht einschätzen. Gerade die risikofreudigen Kunden könnten

häufiger wechseln wollen, da ihre bisherige Bank die hohen Risiken einer Kreditvergabe er-

kannt hat. Eine neue Bank müsste daher zum Ausgleich eine Risikoprämie verlangen. Wenn

sie dies tut und der Kunde sich darauf einlässt, steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass er zu

den schlechten Risiken gehört.

Beispiel 4: Effizienzlöhne

Effizienzlöhne sind Löhne oberhalb des markträumenden Lohnes. Ein Überschussangebot an

Arbeit wird also nicht durch sinkende Löhne ausgeglichen. Effizienzlöhne können theoretisch

damit begründet werden, dass die zusätzlichen Kosten hierfür für die Firmen von dem gestie-

genen Gewinn überkompensiert werden. Die Gründe für eine erhöhte Produktivität sind viel-

fältig. Neben einer besseren Ernährung und geringerer Fluktuation von Arbeitskräften ist ins-

besondere asymmetrische Information zu erwähnen.

Es herrscht asymmetrische Information bezüglich der Qualifikation und Motivation von Be-

werbern. Bei niedrigen Löhnen bevorzugen Hochqualifizierte die Selbständigkeit. Mit hohen

Löhnen können hingegen hochqualifizierte und gut motivierte Stellenbewerber von Konkur-

renzfirmen abgeworben werden. Die durchschnittliche Qualität der Bewerber steigt somit mit

dem Lohn. Probleme mit adverser Selektion werden so abgemildert.

An dieser Stelle dürfen wir einen Ausblick auf spätere Modelle der Vorlesung geben. Es exis-

tieren nämlich weitere Gründe für einen Zusammenhang zwischen Lohn und Produktivität.

Höhere Löhne motivieren Arbeiter, einen höheren Arbeitseinsatz für die Firma zu leisten.

Hier herrscht asymmetrische Information in Bezug auf den Arbeitseinsatz. Fleißige Mitarbei-

ter sind von Drückebergern evtl. nicht vollständig zu unterscheiden. Eine Firma kann aber bei

zufälliger Entdeckung kündigen. Sofern nur ein markträumender Lohn bezahlt wird, wäre die

Kündigung keine Strafe, da eine vergleichbare Arbeit sofort verfügbar wäre. Bei Bezahlung

eines Effizienzlohnes wird die Kündigung hingegen kostspielig. Es droht die Arbeitslosigkeit

oder ein geringerer Lohn. Zuletzt wäre auch zu erwähnen, dass eine intrinsische Motivation

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entstehen könnte. Mitarbeiter möchte Gutes mit Gutem entlohnen. Der Effizienzlohn ist ein

Geschenk, für das die Firma Dankbarkeit verdient. Mitarbeiter sind auch dann motiviert,

wenn dies nicht von Vorgesetzten beobachtet und honoriert wird.

Quiz

Unter dem „Paradoxon der Information“ versteht man das Problem, dass

1. nur der Besitzer von Information ihren Wert einschätzen kann.

2. Menschen sich zu wenig informieren.

3. Information ineffizient verteilt ist.

4. Information wertlos ist.

Der Markt für Gebrauchtwagen kann zusammenbrechen, wenn

1. Verkäufer weniger für ihr Auto verlangen als Käufer zahlen wollen.

2. Verkäufer unvollständig über die Qualität des Autos informiert sind.

3. Käufer die Qualität jedes Autos kennen.

4. Käufer nur die durchschnittliche Qualität der Autos kennen.

Rationierung kann sich lohnen, wenn

1. qualitativ hochwertige Produkte billiger sind.

2. Preissenkungen den Umsatz reduzieren.

3. Preiserhöhungen den Gewinn steigern.

4. Preiserhöhungen die besten Kunden vertreiben.

Literatur

Akerlof, G.A. (1970), The Market for ‘Lemons’. Quality, Uncertainty and the Market Mecha-

nism. Quarterly Journal of Economics, Jg. 84: 488-500.

Douma, S. und H. Schreuder (2008: 63-81).

Furubotn, E.G. und R. Richter (2005: 241-245).

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Übungsaufgaben

Aufgabe 5.1

In der Vorlesung wurde folgendes Spiel gespielt:

a) Beschreiben Sie hierzu, inwiefern asymmetrische Information vorliegt.

b) Inwiefern stellt sich in dem Spiel adverse Selektion ein?

c) Wieso sollte ein Käufer nicht 6€ für ein angebotenes „Auto“ bieten?

Aufgabe 5.2

Der Parameter q bezeichnet die Qualität von Gebrauchtwagen und ist gleichmäßig verteilt

zwischen 0 und 1. Für die Käufer von Gebrauchtwagen ist die Zahlungsbereitschaft abhängig

von der Qualität gemäß der Funktion 2

( ) 0,33

p q q= + . Der Preis, den die Anbieter mindes-

tens verlangen, ist ebenfalls abhängig von der Qualität, und zwar gemäß der Funktion

( )p q q= .

a) Stellen Sie die beiden Funktionen in dem folgenden Diagramm graphisch dar:

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......

45

b) Gegeben sei vollständige Information bezüglich der Qualität der Gebrauchtwagen! Wel-

ches ist die beste Qualität maxq , die am Markt gehandelt wird?

c) Im Gegensatz zu Teilfrage b) kennen die Nachfrager nur die durchschnittliche Qualität q

aller am Markt angebotenen Gebrauchtwagen und richten ihre Zahlungsbereitschaft daran

aus gemäß der Funktion2

( ) 0,33

p q q= + . Die Anbieter kennen hingegen die tatsächliche

Qualität ihrer jeweiligen Gebrauchtwagen. Die Nachfrager gehen, evtl. irrtümlicherweise,

davon aus, dass alle Qualitäten zwischen 0 und maxq aus Teilaufgabe b) am Markt angebo-

ten werden. Bestimmen Sie den Preis, den die Nachfrager bezahlen!

d) Die Nachfrager verhalten sich weiterhin gemäß der Funktion2

( ) 0,33

p q q= + , können nun

aber die durchschnittliche Qualität, die sich im Gleichgewicht einstellt, korrekt antizipie-

ren. Welches ist die beste Qualität, die nun am Markt gehandelt wird?

e) Um welche Art der asymmetrischen Information handelt es sich und welche Problematik

ergibt sich hieraus potentiell?

f) Nennen Sie ein Beispiel, wie der in e) diskutierten Problematik am Markt für Gebraucht-

wagen entgegengewirkt werden könnte und begründen Sie ihr Beispiel kurz!

Aufgabe 5.3

Was ist unter Rationierung zu verstehen und wieso könnte diese rational sein?

1

q

p

1

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Adverse Selektion auf dem Versicherungsmarkt

Adverse Selektion und Möglichkeiten, diese einzudämmen, lassen sich gut für den Versiche-

rungsmarkt beschreiben. Hierbei wird im Wesentlichen versucht, die besser informierte Seite

an den Risiken einer Transaktion zu beteiligen. Um dies zu verstehen, müssen wir zunächst

diesen Markt genauer beschreiben.

Gegeben seien zwei Umweltzustände s1 und s2. In s1 besitzt das Wirtschaftssubjekt das Ein-

kommen y1=y, während es in s2 zusätzlich einen Verlust in Höhe von L erleidet, also resultiert

dort das Einkommen y2=y-L. Es kann nun eine Versicherung abgeschlossen werden, welche

im Schadensfall den Betrag q auszahlt. Hierfür muss eine Prämie p (0<p<1) prozentual zu q

gezahlt werden. Das Einkommen beträgt dann in s1: y1=y-pq (1) und in s2: y2=y-L-pq+q=y-

L+(1-p)q (2).

Erhöht der Versicherte seine Schadensdeckung q, so findet ein Einkommenstransfer von y1

nach y2 statt. Löst man (1) nach q auf und setzt dies in (2) ein, so erhält man die Austauschbe-

ziehung für Einkommen in s1 und s2, auch Budgetrestriktion genannt:

y2=y-L+(1-p)(y-y1)/p (3) Durch Differentiation nach y1 ergibt sich die Steigung der Budgetrestriktion

dy2/dy1=-(1-p)/p (4)

Welchen Zustand sollte ein Wirtschaftssubjekt nun anstreben? Es seien (1-π) und π die Wahr-

scheinlichkeiten, dass s1 oder s2 eintreten. Diese Zustände sind im Rahmen einer Nutzenfunk-

tion zu bewerten. Wir bilden dazu den Erwartungsnutzen. Dabei gewichtet man die Auszah-

lung jedes Umweltzustands mit der Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zustand eintritt. Gewählt

wird die Handlung, bei der die Summe der so gewichteten Auszahlungen am größten ist.

Abschnitt 6: Pooling oder Se-parating

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47

Zusätzlich ist davon auszugehen, dass die Individuen einen abnehmenden Grenznutzen bezüg-

lich des Einkommens besitzen. Es gilt also U(y), U’>0, U’’ <0. Den Erwartungsnutzen erhal-

ten wir nun, indem wir den Nutzen der einzelnen Zustände i mit ihrer Wahrscheinlichkeit ge-

wichten und aufsummieren, ∑ �������∀� . Dieses Entscheidungskriterium geht auf John von

Neumann und Oskar Morgenstern zurück. Diese konnten zeigen, dass der Erwartungsnutzen

unter einfachen Annahmen ein geeignetes Maß für liefert, um menschliche Entscheidungen

abzubilden.

Der abnehmende Grenznutzen in dieser Nutzenfunktion bewirkt, dass Unsicherheit den Er-

wartungsnutzen vermindert, das Wirtschaftssubjekt also risikoavers ist. Dies lässt sich in einer

graphischen Darstellung dem konkaven Kurvenverlauf entnehmen. Dort wird das sichere Ein-

kommen �� (Sicherheitsäquivalent) so konstruiert, dass es den gleichen Nutzen stiftet wie das

unsichere Einkommen aus y1 und y2. Dieses ist aber geringer als das durchschnittliche Ein-

kommen �� = ������ . Diese Differenz zeigt, dass Wirtschaftssubjekte bereit sind, zur Vermei-

dung der Unsicherheit eine Prämie zu bezahlen.

Im Versicherungsmarkt gilt es nun, den Erwartungsnutzen zu maximieren: Max EU= (1-

π)U(y1)+πU(y2). Wir können zur graphischen Veranschaulichung die Grenzrate der Substitu-

tion einer Indifferenzkurve ermitteln. Dazu bilden wir das totale Differential:

�1 − ��� ��!�"�! + �� ����"�� = 0� − !$%%

& ����& ���� = '��

'�� (5)

Je größer π, also je wahrscheinlicher der Schadensfall, umso flacher ist die Indifferenzkurve.

Dies bringt die hohe Bereitschaft zum Ausdruck, in s1 auf Einkommen zu verzichten um dies

in s2 zur Verfügung zu haben. Wir können nun (4) und (5) gleichsetzen und erhalten als Op-

timalitätsbedingung:

− !$%%

&(����&(���� = !$)

) (6)

Es gilt hier also, dass die Grenzrate der Substitution zwischen Einkommen in s1 und s2 im

Optimum gerade dem Relativpreis für diesen Einkommenstransfer entsprechen muss.

Wir wollen nun den Begriff der „fairen“ Versicherungsprämie einführen. Hierfür soll nämlich

gelten, dass diese den Erwartungswert des Einkommens nicht ändert und daher kein Gewinn

für die Versicherung entsteht. Nullgewinn der Versicherung ergibt sich bei: p=π. Der Gewinn

der Versicherung wäre hier Null, da die Versicherung pq erhält und πq auszahlen muss. Dass

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sich auf dem Markt eine faire Prämie durchsetzt, kann mit freiem Marktzutritt begründet wer-

den, bei dem ein jeglicher Gewinn (p > π) durch neue Anbieter erodiert wird.

Bei einer fairen Prämie können wir p=π in (6) einsetzen und erhalten U’ (y1)=U’ (y2) � y1=y2.

Ausgehend von einem Punkt ohne Versicherung würde der Versicherte also vollen Versiche-

rungsschutz wählen mit L=q, denn nur in diesem Fall kommt er auf die Sicherheitslinie mit

y1=y2.

Hätten wir hingegen p>π, also eine unfaire Prämie bei welcher der Versicherer Gewinn er-

zielt, so würde dies U’ (y1)<U’ (y2) implizieren. Aufgrund des abnehmenden Grenznutzens ist

dies nur bei y1>y2 möglich. In diesem Falle würde der Versicherte also nur eine Teildeckung

wählen, also q<L. Das erwartete Einkommen des Versicherten ist dort geringer als bei einer

fairen Prämie. Der Versicherungsnehmer wird schlechter gestellt und die Versicherung macht

entsprechend einen Gewinn.

Zwei Gruppen von Nachfragern

Nehmen wir nun an, zwei Gruppen von Personen fragen am Markt eine Versicherung nach

(z.B. eine Krankenversicherung). Diese Gruppen seien durch unterschiedliche Schadenswahr-

scheinlichkeiten gekennzeichnet: Eine Gruppe mit hohem Risiko πh und eine andere mit nied-

rigem Risiko πl; πh>πl. Der Anteil der hohen Risiken an der Population sei β. Für beide Grup-

pen seien dasselbe Anfangseinkommen y und dieselbe Schadenshöhe L gegeben.

Für das höhere Risiko ist die Indifferenzkurve flacher. Dies bringt zum Ausdruck, dass für

den wahrscheinlicheren Schadensfall eine erhöhte Einbuße beim Einkommen in s1 in Kauf

genommen wird. Optimal wäre es nun, zwei unterschiedliche Tarife mit Volldeckung für bei-

de Versicherungsgruppen anzubieten. Bei freiem Marktzutritt für Versicherungen wären diese

beiden Tarife fair. Es ist aber plausibel anzunehmen, dass die Krankenversicherung unzu-

reichend zwischen guten und schlechten Risiken unterscheiden kann. Die Versicherungsneh-

mer mit hohem Risiko haben keinen Anreiz, freiwillig die für sie gedachte Prämie zu wählen.

Sie stellen sich besser mit der günstigen Prämie. Es findet eine adverse Selektion statt; der

Vertrag mit den guten Risiken wird auch von den schlechten Risiken in Anspruch genommen.

Die Versicherung würde dabei Verluste erleiden.

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Für die Versicherung gibt es nun zwei Lösungsmöglichkeiten. Sie bietet entweder einen ge-

meinsamen Tarif für beide Risikotypen an, sodass sie keinen Verlust macht, wenn beide die-

sen Tarif wählen (Pooling-Vertrag). Alternativ bietet sie einen Tarif an, bei dem die beiden

Typen freiwillig die für sie vorgesehenen Versicherungsverträge wählen (Separating-Vertrag).

Pooling-Vertrag

Für einen Pooling-Vertrag wird eine Krankenversicherung eine Mischkalkulation vornehmen.

Die durchschnittliche Schadenswahrscheinlichkeit sei πa=βπh+(1-β)πl. In einer graphischen

Darstellung lautet die betragsmäßige Steigung -(1-πa)/πa. Die Budgetgerade wird also zwi-

schen den beiden Budgetgeraden für hohes und für geringes Risiko liegen. Auf dieser Gera-

den wird die Versicherung gerade einen Nullgewinn machen, vorausgesetzt, die beiden Risi-

kogruppen wählen einen identischen Deckungsgrad.

In einem Pooling-Vertrag kann die Versicherung nur eine Teildeckung anbieten, da von den

guten Risiken kein höherer Deckungsgrad gewünscht wird. Würde eine Versicherung eine

höhere Deckung anbieten, so würden sich nur die schlechten Risiken hierfür entscheiden.

Konkurrenten, die die von guten Risiken gewünschte Deckung anbieten, würden die schlech-

ten Risiken aus der Mischkalkulation loswerden. Die Versicherung würde damit Verlust ma-

chen. Sie kann also keine höhere Deckung zulassen als das von den guten Risiken gewünschte

Niveau. Die hohen Risiken würden zwar nun eine höhere Deckung haben wollen, sie werden

aber nicht diesbezüglich bei der Versicherung nachfragen, da sie sich sonst als schlechte Risi-

ken offenbaren und von der Versicherung gänzlich abgelehnt werden.

Ein Pooling-Vertrag kann aber keinen Bestand haben. Ausgehend von diesem Vertrag kann

ein Versicherungsunternehmen stets einen Vertrag anbieten, der nur von den guten Risiken

genommen wird und gleichzeitig dem Versicherungsunternehmen einen Gewinn beschert.

Graphisch lässt sich dies daraus herleiten, dass sich im Punkt für den Pooling-Vertrag die In-

differenzkurven der beiden Risikogruppen schneiden. Alle Versicherungsverträge, die unter

der Indifferenzkurve des schlechten Risikos, aber oberhalb der Indifferenzkurve des guten

Risikos liegen, attrahieren nur die guten Risiken. Hieraus resultiert eine Fläche, die nur für die

guten Risiken eine Verbesserung darstellt, für die schlechten Risiken jedoch nicht. Dies gilt

für alle Pooling-Verträge, da dort immer die Indifferenzkurve der hohen Risiken flacher ver-

läuft als diejenige für niedrige Risiken. Als Ergebnis können wir festhalten, dass das Gleich-

gewicht nicht durch einen Pooling-Vertrag gekennzeichnet sein kann.

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Separating-Vertrag

Für separierende Verträge muss gelten, dass keiner der Versicherung einen Verlust erbringen

darf. Wird gegen diese Bedingung verstoßen, dann würde eine Versicherung darauf verzich-

ten, diesen Vertrag anzubieten und stattdessen nur den anderen Vertrag anbieten. Dies impli-

ziert, dass eine Quersubventionierung nicht möglich ist. Andererseits wird bei freiem Markt-

zutritt kein Vertrag einen Gewinn erbringen können, da sonst neue Wettbewerber mit günsti-

geren Prämien in den Markt eintreten würden. Es muss also für jeden Vertrag eine faire Prä-

mie genommen werden.

Kennzeichen eines separating-Vertrages ist, dass die guten und die schlechten Risiken freiwil-

lig die für sie vorgesehenen Verträge wählen. Die in den Vorlesungsfolien dargestellte Gra-

phik impliziert ein solches Verhalten. Die niedrigen Risiken stellen sich in H besser als in B.

Die hohen Risiken sind gerade indifferent zwischen B und H; wir nehmen an, sie wählen dann

B. Die schlechten Risiken erhalten nun eine Volldeckung. Die guten Risiken erhalten eine

günstigere, für sie faire Prämie, allerdings diese nur bei einer Teildeckung. Die Separierung

erfolgt, weil die Teildeckung zu unattraktiv für die hohen Risiken ist. Nur die guten Risiken

sind bereit, einen großen Teil des Risikos selbst zu übernehmen.

Unter Umständen hat auch das Separating-Gleichgewicht keinen Bestand. Es darf keinen an-

deren Vertrag geben, der jetzt profitabler wäre. Es gibt sicherlich keinen anderen profitablen

separierenden Vertrag. Die hohen Risiken haben bereits ein (faires) Optimum erreicht. Ihre

Position zu verschlechtern würde die Anreizkompatibilität auch weiter verschärfen. Es muss

daher B angeboten werden. Für die niedrigen Risiken wird aber auch kein besserer Punkt ge-

funden werden, der gleichzeitig fair und anreizkompatibel ist. Es könnte aber ein Pooling-

Vertrag angeboten werden, der für alle Versicherungsnehmer attraktiver ist. Ob ein solcher

Vertrag profitabel ist, hängt von dem Anteil schlechter Risiken ab. Sollten die schlechten Ri-

siken selten sein, so verläuft die Budgetgerade eines Pooling-Vertrages steil. Der Pooling-

Vertrag kann dann für beide Risikogruppen günstiger sein. Nun wissen wir aber bereits, dass

ein solcher Pooling-Vertrag nicht die Lösung sein kann, da es hierbei immer die Möglichkeit

gibt, die guten Risiken herauszulösen. Insgesamt können wir damit Folgendes feststellen:

Wenn ein Gleichgewicht existiert, muss es ein separierendes Gleichgewicht sein, bei dem die

schlechten Risiken Volldeckung und die guten Risiken Teildeckung zu jeweils fairen Prämien

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erhalten. Für den Fall, dass nur wenige schlechte Risiken vorhanden sind, existiert kein

Gleichgewicht.

Beispiel 1: IPO

Bei einem Börsengang oder einer Kapitalerhöhung besteht oftmals asymmetrische Informati-

on. Der Emittent benötigt zusätzliches Kapital für Investitionen und ist besser über zukünftige

Renditen und Risiken informiert als die Finanzinvestoren. Erst nach Aufnahme des zusätzli-

chen Kapitals sind Rendite und Risiken allen bekannt. „Schlechte“ Emittenten haben den An-

reiz, besonders viel Kapital aufzunehmen, da sie einen Erlös für ihre Firmenanteile erzielen,

der über dessen Wert liegt. „Gute“ Emittenten möchten nur das Minimum an Firmenanteilen

verkaufen, das sie für die Durchführung zusätzlicher Investitionen unbedingt benötigen. In

einem Pooling-Vertrag werden gute und schlechte Firmen gleichermaßen mit Kapital versorgt

in Höhe des Betrages, den gute Firmen wünschen. In einem Separating-Vertrag bieten gute

Emittenten sehr wenig Firmenanteile zu einem besonders günstigen Preis an. Sie wollen spä-

ter, wenn der Erfolg der Investitionen absehbar ist, weiteres Kapital aufnehmen zu einem hö-

heren Preis.

Beispiel 2: Anreizverträge auf dem Arbeitsmarkt

Löhne entsprechen in einem Gleichgewicht der Produktivität der Arbeitskräfte, da sonst An-

reize zum Abwerben der Arbeitskraft existieren. Welcher Lohn sollte aber bezahlt werden,

falls die Produktivität unterschiedlich ist? Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn

asymmetrische Information vorliegt. Eine Firma kann oftmals nur das Ergebnis des Arbeits-

einsatzes messen, z.B. den Ernteertrag, nicht aber die geleistete Arbeit. Arbeitskräfte möchten

sich, ähnlich wie gegenüber einer Versicherung, absichern gegenüber vielen unverschuldeten

Einflüssen. So kann z.B. der Ernteertrag durch Wetterbedingungen oder Schädlingsbefall sin-

ken. Daher möchten sie ungerne selbstständig arbeiten.

Eine Firma kann einen Pooling-Vertrag anbieten, bei dem alle Arbeitskräfte identisch bezahlt

werden. Neben einem niedrigen Grundeinkommen wären die produktiven Arbeitskräfte be-

reit, einen Teil des Risikos schwankender Erträge zu tragen. Daher wird auch eine erfolgsab-

hängige Entlohnung eingeführt. Die unproduktiven Arbeitskräfte hätten es lieber, wenn die

erfolgsabhängige Entlohnung in ein höheres Grundeinkommen umgewandelt wird, ver-

schweigen dies aber, um sich nicht als unproduktiv zu offenbaren.

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In einem Separating-Gleichgewicht wird die Firma zwei Verträge anbieten. Einen Vertrag mit

geringem Grundeinkommen und einen anderen mit einem noch geringeren Grundeinkommen

aber hoher erfolgsabhängiger Entlohnung. Der letztere ist dann nur für Arbeitskräfte mit ho-

her Produktivität vorteilhaft.

Beispiel 3: Signaling

Informationen leiden darunter, dass sie nicht immer glaubwürdig sind. Einfache Behauptun-

gen, mit denen ein Vorteil erzielt werden soll, werden auch als hot air bezeichnet, heiße Luft

ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit. Dies ergibt sich insbesondere dort, wo Behauptungen

kostenlos sind. Als Signal sind solche Behauptungen wertlos. Ein ausgesandtes Signal kann

aber dann glaubwürdig sein, wenn es mit Kosten verbunden ist.

So könnte z.B. ein Diplom ein Signal der Hochqualifizierung sein. Das Signal geht mit Kos-

ten einher. Der Geringqualifizierte würde auch gerne das Signal aussenden, müsste aber höhe-

re Mühen für den Erwerb auf sich nehmen. Der Hochqualifizierte genießt hingegen sein

Hochschulstudium. Damit separiert das Signal „Diplom“ die Bewerber um einen Arbeitsplatz.

Das Signal wirkt dabei unabhängig davon, was an der Hochschule erlernt wird. Die Arbeits-

perspektiven könnten sich für einen Diplomierten nachhaltig verbessern, selbst wenn er sich

bei einer Sparkasse bewirbt mit einem Diplom in Mongolistik und der Abschlussarbeit:

„Gruppenverhalten und Nachhaltigkeit der Wüstenbewirtschaftung durch Torguud and Kaz-

akh-Stämme in der mongolischen Provinz Govi-Altay.“

Ein Unterschied besteht zwischen Signaling-Spielen und den bisher genannten Beispielen:

Der Inhaber des Informationsvorsprungs macht durch Aussenden eines Signals den ersten

Schritt und übernimmt die Initiative für ein Separating-Gleichgewicht. Im Falle des Versiche-

rungsmarktes wurde der erste Schritt hingegen von der uninformierten Versicherung durchge-

führt, indem sie verschiedene Verträge anbot. Im Gegensatz zu Signaling wird dies auch als

Screening bezeichnet.

Ähnlich kann eine Produktgarantie auf dem Gebrauchtwagenmarkt wirken. Diese ist kostspie-

lig für die Verkäufer von lemons. Die Verkäufer einer guten Qualität könnten sich dies hinge-

gen leisten und würden durch ihre diesbezügliche Bereitschaft ein Signal aussenden. Die Wir-

kung der Produktgarantie besteht dabei nicht darin, diese abzuschließen. Es genügt, dass der

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Verkäufer bereit ist, diese anzubieten. Ist dieses Angebot glaubwürdig, kann auf die Produkt-

garantie verzichtet werden.

Beispiel 4: Werbung

Werbung ist oftmals nichtinformativ. Zu einem Produkt wird keine relevante Information

geliefert. Dennoch kann auch nichtinformative Werbung für Kunden brauchbar sein. Dies

lässt sich z.B. für Erfahrungsgüter darlegen, also Güter, deren Qualität ein Haushalt erst nach

dem Konsum feststellen kann. Die Kunden eines qualitativ hochwertigen Produkts werden

dieses später wieder kaufen und weiterempfehlen. In der Zukunft entstehen so hohe Umsätze.

Mit Hilfe hoher Werbeausgaben kann der Hersteller bereits für die laufende Periode das Sig-

nal hoher Qualität aussenden. Den Kosten der Werbeausgaben stehen dann die zusätzlichen

Erträge ∆� aufgrund der Weiterempfehlung des Produkts entgegen. Diese zusätzlichen, zu-

künftigen Erträge entfallen aber für Hersteller niedriger Qualität. Enttäuschte Kunden generie-

ren keine zukünftigen Umsätze. Diese Hersteller können mit Werbung nur einen geringen

Anstieg derzeitiger Umsätze generieren, ∆�. Dieser Hersteller wäre also maximal bereit, ∆�

für Werbung auszugeben. Sofern der Hersteller hoher Qualität eine Werbung durchführt mit

Kosten größer als ∆�, signalisiert er damit glaubhaft seine Eigenschaft. Für den Hersteller

schlechter Qualität lohnt sich dieses Signal nicht. Der Hersteller der guten Qualität kann

durch Aussenden des Signals zusätzlich profitieren, sofern qualitativ geringwertige Produkte

den Markt verlassen und die Kunden nur noch hochwertige Produkte kaufen.

Quiz

Der Erwartungsnutzen bezeichnet den Nutzen,

1. der sich einstellt, wenn nichts Überraschendes passiert.

2. den z.B. ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber erwarten darf.

3. der bei Gewichtung aller Ereignisse im Mittel zu erwarten ist.

4. den Wirtschaftssubjekte aus der Bildung korrekter Erwartungen ziehen.

Unter einer fairen Prämie versteht man

1. eine faire Aufteilung des Gewinns.

2. einen Nullgewinn für die Versicherungsunternehmen.

3. eine Prämienhöhe, die willkürlich durch die Versicherung bestimmt wird.

4. Alle obigen Antworten sind richtig.

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Auf der Sicherheitslinie

1. kann ein finanzieller Schaden vermieden werden.

2. entspricht der Deckungsgrad der Schadenshöhe.

3. maximiert ein Versicherungsnehmer seinen Nutzen bei fairer Prämie.

4. Alle obigen Antworten sind richtig.

Ein Pooling-Vertrag kann keinen Bestand haben, weil konkurrierende Versicherungen

1. den schlechten Risiken einen profitablen Vertrag anbieten.

2. den guten Risiken einen profitablen Vertrag anbieten.

3. einen höheren Deckungsgrad anbieten.

4. mit einer höheren Prämie einen höheren Gewinn erzielen.

Ein Separating-Vertrag

1. ist immer besser als ein Pooling-Vertrag.

2. bietet schlechten Risiken eine Teildeckung.

3. bietet nur den guten Risiken eine Versicherung an.

4. ist bei wenigen schlechten Risiken schlechter als ein Pooling-Vertrag.

Unter Signaling versteht man einen glaubwürdigen Hinweis auf Leistungsfähigkeit, weil

1. ein Geringqualifizierter sich mit dem Signal besser darstellen kann.

2. ein Geringqualifizierter zu hohe Kosten für den Signalerwerb aufwenden müsste.

3. mit Erwerb des Signals die Leistungsfähigkeit gesteigert wird.

4. ein Hochqualifizierter die Kosten des Signalerwerbs scheut.

Literatur

Gravelle, H. und R. Rees (2004), Microeconomics, 3. Auflage, Prentice Hall, S. 507-511;

530-536.

Rothschild, M. und J. E. Stiglitz (1976), „Equilibrium in Competitive Insurance Markets: An

Essay on the Economics of Imperfect Information“, Quarterly Journal of Economics Jg.

90, S. 629-649.

Scherer, B. (1994), “Adverse Selektion auf dem Versicherungsmarkt”, WiSt, Zeitschrift für

Wirtschaftswissenschaft, Heft 4, S. 201-205.

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Übungsaufgaben

Aufgabe 6.1

a) Auf dem Markt für Krankenversicherungen existieren zwei Nachfragergruppen, eine mit

einem hohen Krankheitsrisiko (πh) und eine andere mit einem geringen Risiko (πn). Bei

funktionierendem Wettbewerb würden hier im Optimum zwei verschiedene Prämien mit

Volldeckung angeboten werden. Warum scheitert eine solche Lösung bei asymmetrischer

Information?

b) Gegeben sei die umseitig stehende Graphik. Hierbei sind In und Ih Indifferenzkurven der

Versicherungsnehmer mit niedrigem und mit hohem Risiko und – (1 – πn) / π n bzw. – (1

– πh) / π h die Steigungen der Budgetgeraden bei einer fairen Prämie. Mit πa wird das

durchschnittliche Risiko der Versicherungsnehmer dargestellt gemäß ihrem Anteil an der

Gesamtheit der Nachfrager. Erläutern Sie, warum unter plausiblen Annahmen weder der

Punkt G noch der Punkt H ein pooling-Gleichgewicht sein können.

c) Bestimmen Sie in der Graphik die Lage des pooling-Gleichgewichts und erläutern Sie,

um was für einen Vertrag es sich dabei handelt!

d) Warum kann dieses pooling-Gleichgewicht keinen Bestand haben? Erläutern Sie Ihre

Antwort anhand der Graphik!

Y2

Y1

– (1 – πa) / πa

O

A

– (1 – πn) / πn

–(1 – πh) / πh

In

Ih

G

H

45°

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Aufgabe 6.2

In unten stehender Graphik werden die aus der Vorlesung bekannten Indifferenzkurven und

Budgetgeraden für zwei Versicherungsnehmer, nämlich solche mit hohem und solche mit

niedrigem Risiko, dargestellt. Mit πa wird dabei das durchschnittliche Risiko bezeichnet. Je-

der Punkt bezeichnet hierbei einen bestimmten Vertrag zwischen einer Versicherung und den

Versicherungsnehmern. Ordnen Sie die Punkte zu den untenstehenden Beschreibungen zu. Zu

jeder der Beschreibungen gehört genau ein Punkt.

Beschreibung Hier bitte den Punkt eintragen:

1. Dieser Vertrag stellt ein Optimum für die ho-hen Risiken bei fairer Prämie dar.

2. Dieser Vertrag stellt das Optimum der niedri-gen Risiken bei Prämie gemäß Durchschnittsri-siko dar.

3. Gegenüber dem Vertrag F wird dieser Vertrag von allen Versicherungsnehmern bevorzugt.

4. Dieser Vertrag ist optimal für die hohen Risi-ken und bewirkt einen Verlust für die Versiche-rung.

y2

y1

45°

O

A

D

B

-(1-πa)/πa

F

G

E

H J

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Aufgabe 6.3

Ein Wirtschaftssubjekt habe ein Einkommen i.H.v. y und sei mit der Möglichkeit eines Scha-

dens in Höhe von L konfrontiert. Für eine Prämie von p mit 0<p<1 kann das Wirtschaftssub-

jekt den Betrag q aus dem schadenlosen Umweltzustand in den Umweltzustand mit Schaden

transferieren. Im Umweltzustand ohne Schaden resultiert daher das Einkommen y1=y-pq und

im Umweltzustand mit Schaden ergibt sich das Einkommen y2=y-L-pq+q.

a) Bestimmen Sie die hieraus in einem y1/y2-Diagramm resultierende Steigung der Budget-

geraden.

b) Das Wirtschaftssubjekt maximiert den Erwartungsnutzen EU= (1-π)·U(y1)+π ·U(y2), wo-

bei π die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Schadens ist und U eine konkave Nutzen-

funktion (U’>0; U’’<0). Zeigen Sie, dass bei einer fairen Prämie mit p=π eine Vollde-

ckung resultiert und bei p>π eine Teildeckung.

c) Es treten zwei Versicherungsgruppen mit unterschiedlichen Schadenswahrscheinlichkei-

ten auf, πh>πl, die sich ansonsten nicht voneinander unterscheiden. Stellen Sie graphisch

die Separating-Lösung dar und beschreiben Sie verbal, welche Anforderungen wir an die

Lösung stellen.

d) Beschreiben und begründen Sie verbal, unter welchen Bedingungen die Separating-

Lösung keinen Bestand haben wird.

Aufgabe 6.4

In untenstehender Graphik werden die aus der Vorlesung bekannten Indifferenzkurven und

Budgetgeraden für zwei Versicherungsnehmer, nämlich solche mit hohem (πh) und solche mit

niedrigem (πl) Risiko, dargestellt. Die Indifferenzkurven und Budgetgerade der Versiche-

rungsnehmer mit hohem Risiko sind hierbei grau dargestellt, die derjenigen mit niedrigem

Risiko schwarz. Mit πa wird dabei das durchschnittliche Risiko bezeichnet (gestrichelte Li-

nie). Tragen Sie den zu den folgenden Beschreibungen passenden Punkt in die Graphik ein!

Beispielhaft ist der erste Punkt, A, bereits eingetragen.

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Beschreibung Punkt Dieser Punkt beschreibt die Ausgangslage, in der keine Versicherung abge-schlossen wurde!

A

Diesen Vertrag wählen die Versicherungsnehmer mit niedrigem Risiko, falls sie die Prämie p=πh bezahlen müssten!

J

Dieser Vertrag liefert für Versicherungsnehmer mit niedrigem Risiko bei einer fairen Prämie den höchsten Nutzen!

D

Dieser Vertrag stellt das Optimum der niedrigen Risiken bei Prämie gemäß Durchschnittsrisiko dar!

R

Gegenüber dem Pooling-Gleichgewicht wird dieser Vertrag von den Versi-cherungsnehmern mit hohem Risiko bevorzugt, nicht aber von denen mit niedrigem Risiko!

G

Dieser Vertrag ist von der Versicherung nur für die Versicherungsnehmer mit niedrigem Risiko gedacht. Die Versicherungsnehmer mit hohem Risiko maximieren dort ihren Nutzen, offenbaren sich aber als hohe Risiken!

H

y2

y1

45°

O

A

-(1-πa)/πa

-(1-πl)/πl

-(1-πh)/πh

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Asymmetrische Information revisited

Wir hatten bisher ein Informationsdefizit bei den Such- und Informationskosten behandelt.

Wir sprechen dabei auch von ex ante asymmetrischer Information: Das Problem der asym-

metrischen Information besteht vor Vertragsschluss. Bei einer Transaktion ist eine Seite bes-

ser informiert als die andere. Typischerweise sind Charakteristika eines Tauschobjekts oder

einer Leistung einem der Partner der Transaktion nicht bekannt. Daher wird diese Form der

asymmetrischen Information auch hidden characteristics genannt, also z.B. die Leistungsfä-

higkeit einer Arbeitskraft, die Qualität eines Produkts oder das Risiko eines Versicherungs-

nehmers.

Eine andere Form der asymmetrischen Information liegt vor, wenn sich die Asymmetrie auf

ein Ereignis bezieht, das nach der Transaktion liegt. Wir sprechen dann von ex post asymmet-

rischer Information. So kann nach einem Vertragsabschluss eine Marktseite Handlungen täti-

gen, die von der anderen Seite nicht beobachtet werden. Wir sprechen dann von hidden ac-

tion. Oder eine Marktseite bezieht Informationen, die der anderen Marktseite nicht zugänglich

sind, z.B. bezüglich von Umweltzuständen. In diesem Fall sprechen wir von hidden informa-

tion. Der Arbeitseinsatz ist beispielsweise für den Arbeitenden überschaubar, nicht aber unbe-

dingt auch für den Arbeitgeber. Die asymmetrische Information bezieht sich dann darauf, dass

bestimmte Aktionen und Informationen nach Vertragsschluss geheim gehalten werden kön-

nen.

Moral Hazard auf dem Versicherungsmarkt

Nach Abschluss eines Versicherungsvertrages kann der Versicherungsnehmer die Transaktion

zu Ungunsten der Versicherung beeinflussen. Der Versicherte lässt z.B. weniger Vorsicht

walten, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit des Schadensfalls erhöht. Zum Beispiel lässt er

weniger Vorsicht walten für sein Vollkasko versichertes Auto, parkt auch in dunklen Ecken

und sperrt es nicht ab. Oder als Krankenversicherter führt er einen riskanten Lebensstil, be-

Abschnitt 7: Moral Hazard

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treibt Gleitschirmfliegen und fährt mit dem Snowboard in Gebieten mit Lawinengefahr. Er

beeinflusst also die Schadenswahrscheinlichkeit π. Oder er wendet zu geringe Mühe auf, um

den Schadensfall in seinen Kosten zu begrenzen. Beispielsweise könnte der Lackschaden am

Auto nur eine geringe Nutzeneinbuße bewirken, aber man lässt ihn dennoch für viel Geld be-

seitigen, da die Versicherung dies bezahlt. Oder man bezieht teure Medikamente, deren Preis

über dem Wert des individuellen Nutzens liegt. In diesem Fall beeinflusst der Versicherte die

Höhe der Zahlung, die er von der Versicherung erhält, q.

Wir verwenden das Modell aus Abschnitt 6, wobei die Versicherten Prävention in Höhe von a

betreiben können. Wird keine Prävention durchgeführt, so gilt a=a0=0. Im Falle von Präventi-

on gilt a=a1>0. Die Schadenswahrscheinlichkeit ist als Folge hoch oder niedrig, πh>πl. Das

Einkommen ohne Schaden ist dann y1=y-a-pq. Im Schadensfalle gilt y2=y-L-a-pq+q.

Das Einkommen ohne Prävention ist in beiden Umweltzuständen größer als bei Durchführung

der Prävention. Trotzdem kann das Nutzenniveau ohne Prävention niedriger sein. Dies kann

anhand einer Graphik gezeigt werden. Es sind nun zwei verschiedene Ausgangssituationen

möglich, eine mit Prävention und eine ohne Prävention. Die Verbindungslinie zwischen A

und C ist eine 45°-Diagonale.

Für beide Varianten, mit und ohne Prävention, existieren eigene Scharen von Indifferenzkur-

ven. Auf der Sicherheitslinie markieren Indifferenzkurven der beiden Indifferenzkurvenscha-

ren jeweils das gleiche Nutzenniveau. Dies liegt daran, dass hier das Nutzenniveau unabhän-

gig ist von den Schadenswahrscheinlichkeiten. Aufgrund der unterschiedlichen Steigung der

Indifferenzkurven kann der Punkt C ein höheres Nutzenniveau kennzeichnen als der Punkt A.

Denkbar wäre alternativ, dass der Punkt A über der roten Indifferenzkurve liegt. Dann würde

sich Prävention nicht lohnen.

Eine faire Prämie impliziert ja bekanntlich ein durch Versicherungsabschluss unverändertes

erwartetes Einkommen und einen Nullgewinn für die Versicherung. Es gilt also dann wie bis-

her: p = π. Dies gilt nun jeweils separat für sowohl die guten als auch die schlechten Risiken,

die keine Prävention betreiben. Im Falle vollständiger Information beobachtet die Versiche-

rung den Umfang der Prävention und kann unterschiedliche Prämien anbieten. Im Falle der

Prävention ist die Steigung der Budgetgeraden und der Indifferenzkurve höher, da πh>πl und

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daher eine faire Prämie im Falle der Prävention niedriger ausfällt. Die Versicherung kann

immer Volldeckung anbieten.

In der Graphik der Vorlesung sind dies die Punkte D und E. Der Versicherungsnehmer wird

sich hierbei für E entscheiden. Er wählt dort Volldeckung und erreicht ein zu D höheres Er-

wartungsnutzenniveau. Für den Fall, dass E schlechter ist als D (links unterhalb), würde sich

kein moral hazard einstellen. Vielmehr wäre die Prävention zu teuer und es wäre für alle rati-

onal, diese zu unterlassen.

Was passiert nun, wenn die Versicherung das Präventionsverhalten des Einzelnen nicht be-

obachten kann? Nehmen wir an, die Versicherung wäre naiv und würde an die Durchführung

der Prävention glauben. Sie würde in diesem Fall die Prämie p=πl und den Punkt E auf der

steilen Geraden erwarten. Es lohnt sich nun aber für die Versicherungsnehmer, auf Prävention

zu verzichten. Optimal wäre dabei für sie der Punkt G. Hier wäre der Versicherungsnehmer

überversichert. Dabei würde der Versicherungsnehmer aber eine Deckung verlangen, die ihn

enttarnen würde als jemanden, der keine Prävention betreibt. Der Versicherungsnehmer tut so,

als würde er sich von C nach E bewegen. Bei Vermeidung der Prävention ist dies tatsächlich

eine Bewegung von A nach F. Den Unterschied dieser Punkte kann die Versicherung dabei

wegen hidden action nicht beobachten. Wir haben einen nicht zu beobachtenden Rückgang

der Prävention, also moral hazard.

Dies kann aber nun kein Gleichgewicht sein, da die Versicherung Verluste erleidet. Es gilt: p

= πl < πh. Aufgrund dessen kann die Versicherung den für alle günstigen Vertrag nicht anbie-

ten. Durch den Informationsvorsprung gegenüber der Versicherung stellt sich der Versiche-

rungsnehmer letztlich schlechter. Wie könnte ein Vertrag aussehen, bei dem Investitionen in

Prävention durchgeführt werden? Drei Bedingungen muss ein solcher Vertrag erfüllen:

1) Anreizkompatibilität: Der einzelne Versicherte muss einen Anreiz haben, die im

Vertrag vorgesehene Prävention auch zu leisten.

2) Nullgewinn: Bei Verlust würde die Versicherung den Vertrag nicht anbieten, bei

Gewinn würde weiterer Wettbewerb auftreten.

3) Optimaler Vertrag (unter gegebenen Restriktionen): Der Erwartungsnutzen der

Konsumenten muss maximiert werden. Ansonsten bestehen Anreize, Kunden

durch andere Verträge abzuwerben.

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Im Zentrum der Lösung steht hierbei, wie schon beim Separating-Gleichgewicht im Modell

mit adverser Selektion, der Deckungsgrad q. Dieser muss richtig gewählt werden. Der Versi-

cherte muss sich dabei besser stellen, wenn er bei gegebener Prämie und gegebenem De-

ckungsgrad Prävention betreibt. Für unsere Zwecke genügt es, wenn der Versicherte gerade

indifferent ist zwischen Durchführung und Unterlassung der Prävention.

Eine solche Lösung lässt sich graphisch darstellen. Die Versicherung offeriert einen Vertrag

mit der günstigen Prämie πl, also mit dem steilen Verlauf. Hierbei ist jedoch keine Vollde-

ckung möglich. Vielmehr wird nur eine Nettozahlung im Schadensfall i.H.v. JH gewährt, bei

einer absoluten Prämienzahlung i.H.v. CH. Die Lösung ist also der Punkt J. Der Versicherte

ist im Punkt J gerade indifferent zwischen der Durchführung und Unterlassung der Präventi-

on. Dies resultiert daraus, dass eine Bewegung um CH nach links und HJ nach oben zu Punk-

ten führt (J und K), welche als nutzenäquivalent angesehen werden. Die Nutzenäquivalenz

zeigt sich daran, dass sich die Indifferenzkurven auf der Sicherheitslinie schneiden. Deshalb

ist Bedingung 1), die Anreizkompatibilität, erfüllt. Ein höherer Deckungsgrad, würde die An-

reizkompatibilität zusammenbrechen lassen. Bedingung 2) wird auch erzielt. Alle Versicher-

ten betreiben Prävention, deshalb reicht die Prämie p=πl und es resultieren Nullgewinne. Be-

dingung 3), Optimalität, ist ebenfalls gegeben. Ein geringerer Deckungsgrad, wie im Punkt

J‘‘, würde Wettbewerber auf den Markt rufen, die den Punkt J anbieten.

Beispiel 1: Effizienzlohn revisited

Der Einsatz eines Arbeiters ist nicht beobachtbar und die Überwachung der Arbeitsleistung ist

teuer. Daraus resultiert ex post asymmetrische Information. Arbeitskräfte bevorzugen es, zu

bummeln (shirking), also den Einsatz gering zu halten. Denkbar ist aber eine stichprobenarti-

ge Überprüfung des Arbeitseinsatzes. Warum aber sollte ein Arbeiter vollen Einsatz liefern,

wenn er nicht überprüft wird? Dies gelingt nur, wenn Bummeln mit einer harten Strafe sank-

tioniert wird. Solche Strafen sind aber rechtlich zumeist ausgeschlossen. Nur eine Kündigung

ist als Strafe denkbar. Bei einer Bezahlung eines markträumenden Lohnes ist diese aber keine

Strafe. Der Gekündigte kann zum gleichen Lohn bei einem anderen Arbeitgeber eine Anstel-

lung bekommen. Mit der Bezahlung eines Effizienzlohnes ändert sich dies. Mit der Kündi-

gung erleidet der Arbeiter einen Einkommensverlust, nämlich den Barwert der über den

Marktlohn hinausgehenden zukünftigen Lohnzahlungen. Diese Strafe induziert heutiges

Wohlverhalten. Mit der Bezahlung eines Effizienzlohns gelingt es dem Arbeitergeber, den

Arbeiter am Risiko des eigenen Verhaltens zu beteiligen.

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Beispiel 2: Neros Gesang

Es gehört zum Alltagswissen, dass Menschen durch einen Informationsvorsprung einen Vor-

teil erlangen. Dies ist aber nicht zutreffend. Bereits auf dem Versicherungsmarkt konnten wir

sehen, dass ein Informationsvorsprung nachteilig sein kann. Ist die Durchführung von Präven-

tion nur dem Versicherten bekannt, wird ihm nur ein ungünstiger Tarif angeboten. Der Versi-

cherte wäre daher dankbar, wenn er sich seines Informationsvorsprungs entledigen könnte.

Wir vermeiden u.U. solche Geschäftspartner, die nicht glaubwürdig zusichern können, aus

ihrem Informationsvorsprung keinen Vorteil zu ziehen. Ein Erpresser könnte von uns Geld

dafür fordern, belastendes Material nicht an die Staatsanwaltschaft weiterzureichen oder pein-

liche, private Details nicht zu veröffentlichen. Aber er besitzt einen Informationsvorsprung:

Nur er kennt sein Verhalten nach Zahlung der geforderten Summe. Wird er uns weiter erpres-

sen oder die Information entgegen seiner Zusage weiterreichen? Dieser Informationsvor-

sprung ist nachteilig für ihn. Er kann nicht glaubwürdig die zukünftige Beendigung von Zah-

lungsforderungen garantieren. Dies bewirkt aber, dass wir ihm von Anfang an kein Geld be-

zahlen. Ähnlich verhält es sich mit einem Diktator, der internationale Investoren in sein Land

locken möchte. Er kann nicht glaubwürdig zusichern, den Investoren ihren Gewinn zu belas-

sen. Aufgrund dieses Informationsvorsprungs wird er keine Investitionen anlocken.

Ein besonderes Problem bezüglich einer Informationsasymmetrie hatte Nero (37-68 n. Chr.).

Mit Beginn seiner Regentschaft ließ er immer wieder Widersacher und Rivalen hinrichten,

sogar seine eigene Mutter. Gleichzeitig war er den Musen zugeneigt, insbesondere dem Spiel

der Kithara, einem Saiteninstrument aus der griechischen Antike. Seine musischen Fähigkei-

ten erfüllten ihn mit besonderem Stolz. Bei von ihm selbst organisierten musischen Wettbe-

werben ließ er sich zum besten Teilnehmer küren. Bei seinen Vorträgen durfte kein Teilneh-

mer den Raum verlassen. Berichten zufolge mussten werdende Mütter im Theater selbst gebä-

ren und gelangweilte Männer fielen von den Emporen herunter und kamen zu Tode. Die grie-

chischen Provinzen umgarnten Nero besonders erfolgreich mit allen nur erdenklichen Preisen.

Aber wie sollte er erfahren, ob er tatsächlich gut war? Kein Kritiker traute sich, ihm die

Wahrheit zu sagen. Nero hatte einen Informationsvorsprung: Nur er wusste, wie er mit einem

Kritiker, der ihm die Wahrheit sagt, umgehen würde. Dies war von Nachteil, da er so von

niemandem die Wahrheit erfahren konnte. Die Anerkennung, die er sich wünschte, konnte

ihm keiner glaubwürdig zuerkennen.

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Beispiel 3: Too big to fail

Mit dem Begriff too big to fail (systemrelevant) werden Unternehmen, insbesondere Banken,

gekennzeichnet, wenn ihre Insolvenz volkswirtschaftlich so schädlich wäre, dass die Allge-

meinheit eher die Kosten für ihre Rettung auf sich nehmen würde. Es würde daher immer ein

bail-out stattfinden. Damit trägt das Unternehmen aber kein Insolvenzrisiko mehr, es genießt

Volldeckung durch den Staat.

Die Folge ist moral hazard. So wird keine Prävention mehr gegen die Insolvenz betrieben. So

können z.B. langfristige Kredite vergeben werden und diese über den Interbankenmarkt durch

kurzfristige Kredite finanziert werden (Fristeninkongruenz). Verlangt der Interbankenmarkt

höhere Zinsen, droht die Illiquidität und die Insolvenz. Mit staatlichen Finanzspritzen muss

dann die Bank gerettet werden. Genauso weisen systemrelevante Unternehmen exzessive Ri-

sikobereitschaft auf. Sie verkaufen z.B. viele Credit Default Swaps und sind damit als Siche-

rungsgeber für die Realwirtschaft unabdingbar. Ein weiterer Effekt der Systemrelevanz be-

steht darin, dass der Wettbewerb verzerrt wird. Das Überleben des Unternehmens hängt nicht

mehr vom Einsatz seiner Mitarbeiter ab und der fehlende Wettbewerb bewirkt, dass nicht

mehr gute Unternehmen die schlechten vom Markt verdrängen. Zuletzt wird ein künstlicher

Wachstumsanreiz gegeben, denn kleinere Unternehmen wollen sich zu einem größeren und

damit systemrelevanten Unternehmen zusammenschließen.

Quiz

Der Unterschied zwischen adverse selection und moral hazard besteht darin, dass

1. nur bei adverse selection Information asymmetrisch verteilt ist.

2. bei moral hazard Charakteristika der anderen Marktseite unbekannt sind.

3. bei adverse selection die zukünftige Vertragserfüllung ungewiss ist.

4. moral hazard erst nach Vertragsschluss auftritt.

Moral hazard droht im Fall von

1. Hidden characteristics.

2. Hidden characterisics und hidden information.

3. Hidden information und hidden action.

4. Keine der obigen Antworten ist richtig.

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Moral Hazard auf dem Versicherungsmarkt bezeichnet

1. das Vorliegen asymmetrischer Information vor Abschluss einer Versicherung.

2. eine geringere Vorsicht eines Versicherten nach Vertragsschluss, wodurch sich die

Wahrscheinlichkeit des Schadensfalls erhöht.

3. eine geringe Bereitschaft des Versicherten, sein späteres Verhalten der Versicherung

gegenüber zu offenbaren.

4. den Versuch eines Individuums mit hohem Risiko, sich als niedriges Risiko auszuge-

ben.

Ein Gleichgewicht mit Prävention im Falle von asymmetrischer Information

1. lohnt sich für Versicherungen nicht.

2. kann nur existieren, wenn Versicherungen eine unfair hohe Prämie verlangen.

3. befindet sich immer auf der Sicherheitslinie.

4. existiert nur in einem Vertrag mit Teildeckung.

Ein Informationsvorsprung

1. ermöglicht immer einen zusätzlichen Gewinn.

2. ist nachteilig, wenn andere befürchten, übervorteilt zu werden.

3. ist nachteilig, weil er unfair ist.

4. ermöglicht höheren Gewinn, weil er unfair ist.

Literatur

Gravelle, H. und R. Rees (2004), Microeconomics, 3. Auflage, Prentice Hall, S. 540-544.

Übungsaufgaben

Aufgabe 7.1

Bei der privaten Krankenversicherung sei den Versicherungsnehmern die Möglichkeit gege-

ben, mit Hilfe von Vorsorgemaßnahmen das Risiko des Schadensfalles von πh auf πn zu redu-

zieren. Die Kosten für Vorsorgemaßnahmen (a) werden dabei durch die eingesparten Schäden

überkompensiert. In der untenstehenden Graphik sind hierbei die Indifferenzkurven und die

Budgetgerade einer fairen Prämie im Falle πh grau und im Falle πn schwarz dargestellt.

a) Angenommen, die Versicherung rechne nicht damit, dass Versicherungsnehmer die ge-

sundheitlichen Vorsorgemaßnahmen unterlassen und biete eine unter diesen Umständen

faire Prämie an. Welche Punkte kennzeichnen die von der Versicherung angebotene Ver-

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sicherung und die von den Versicherungsnehmern, unter Ausnutzung des moral hazard,

nachgefragte Versicherung?

b) Welche Versicherung mit fairer Prämie wird angeboten, wenn die Versicherung mit mo-

ral hazard rechnet?

Stellen Sie Ihre Antwort jeweils anhand der beigefügten Graphik dar und erläutern Sie diese

kurz!

Aufgabe 7.2

Bei einem Großbrand ist die Lagerhalle eines Import-Export-Unternehmens völlig zerstört

worden. Aufgrund der weitreichenden Zerstörungen war es im Nachhinein nicht mehr mög-

lich, festzustellen, ob die gesetzlichen Brandschutzbestimmungen und die Auflagen der Ver-

sicherung befolgt wurden. Die Versicherung musste folglich für den Schaden aufkommen,

obwohl ein berechtigter Zweifel daran bestand, dass die vorgeschriebenen Brandschutzmaß-

nahmen eingehalten wurden. Erörtern Sie dieses Problem aus ökonomischer Sicht, indem Sie

nachstehende Teilaufgaben bearbeiten.

a) Stellen Sie mit Hilfe einer geeigneten Graphik zunächst den Fall dar, dass die Brand-

schutzmaßnahmen zu teuer sind und sich volkswirtschaftlich nicht lohnen. Unterstellen

Sie hierbei, dass die Brandschutzmaßnahmen Kosten in Höhe von a verursachen und die

Y2

Y1 O

D

E

y

C

y-a

y – L

Y – L– a

A

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Schadenseintrittswahrscheinlichkeit bei Befolgung der Brandschutzmaßnahmen von πH

auf πL sinkt.

b) Gehen Sie nun von geringeren Kosten für die Brandschutzmaßnahmen a und damit

volkswirtschaftlich lohnenden Brandschutzmaßnahmen aus. Stellen Sie diesen Fall gra-

phisch dar. Wieso lohnt sich die Durchführung der Brandschutzmaßnahmen bei Versiche-

rung mit Volldeckung aus Sicht des Versicherungsnehmers nicht?

c) Erläutern Sie, wie ein Versicherungsvertrag ausgestaltet sein müsste, damit ein Anreiz für

den Versicherten besteht, hinreichende Brandschutzmaßnahmen zu treffen. Kennzeichnen

Sie diese Vertragslösung in Ihrer Graphik aus Teilaufgabe b).

Aufgabe 7.3

a) In der unten abgebildeten Graphik wird die in A entspringende Budgetgerade für eine be-

stimmte Gruppe Versicherungsnehmer dargestellt. Ergänzen Sie die Graphik um die

Budgetgerade einer anderen Gruppe, die ein niedrigeres Risiko aufweist.

b) In der unten abgebildeten Graphik wird die Indifferenzkurve eines potentiellen Versiche-

rungsnehmers dargestellt. Ergänzen Sie die Graphik um die Indifferenzkurve eines ande-

ren Versicherungsnehmers, der ein höheres Risiko darstellt. Beide Indifferenzkurven sol-

len dasselbe Nutzenniveau abbilden.

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c) In der unten abgebildeten Graphik ist die Budgetgerade eines Versicherungsnehmers dar-

gestellt, der, ohne Vorsorge zu betreiben, eine faire Prämie bezahlen muss. Ergänzen Sie

die Graphik um die Budgetgerade bei fairer Prämie unter der Annahme, dass der Versi-

cherungsnehmer Vorsorge betreibt. Unterstellen Sie dabei, dass sich die Vorsorge nicht

lohnt!

d) Der Versicherungsnehmer gibt vor, Vorsorge zu betreiben, und die Versicherung bietet

ihm dementsprechend einen Vertrag mit niedriger Prämie an. Der Versicherungsnehmer

maximiert seinen Nutzen unter der Bedingung, dass er nicht erkannt werden will. Zeich-

nen Sie in die unten stehende Graphik die Indifferenzkurve dieses Versicherungsnehmers

durch den Punkt, der diesem Vertrag entspricht, und bezeichnen Sie diesen Punkt mit B.

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Aufgabe 7.4

In unten stehender Graphik werden die aus der Vorlesung bekannten Indifferenzkurven und

Budgetgeraden für einen Versicherungsnehmer dargestellt, der das Risiko des Schadensfalls

durch Vorsorge verringern könnte. Die Steigungen der Budgetgeraden korrespondieren dabei

mit dem Schadensrisiko, falls Vorsorge betrieben wird. Tragen Sie den zu der jeweiligen Be-

schreibung passenden Punkt in die Graphik ein! Beispielhaft ist der erste Punkt, A, bereits

eingetragen. Für jede richtige Antwort erhalten Sie 2 Punkte! Bei einer falschen Antwort wer-

den keine Punkte abgezogen!

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Beschreibung Punkt Dieser Punkt beschreibt die Ausgangslage, in der keine Versicherung abgeschlos-sen wurde!

A

Die Versicherung setzt ihre Prämie in der irrtümlichen Erwartung, der Versiche-rungsnehmer werde Vorsorge betreiben. Bei gegebener Prämie bestimmt der Ver-sicherungsnehmer den optimalen Deckungsgrad als Tangentialpunkt mit der bestmöglichen Indifferenzkurve.

B

Der Versicherungsnehmer schließt keine Versicherung ab und betreibt Vorsorge. H Der Versicherungsnehmer betreibt Vorsorge und die Versicherung setzt eine faire Prämie. Der Versicherungsnehmer bestimmt den optimalen Deckungsgrad.

D

Die Versicherung bietet eine faire Prämie für denjenigen, der keine Vorsorge be-treibt. Der (nicht Vorsorge betreibende) Versicherungsnehmer bestimmt den op-timalen Deckungsgrad.

E

Die Versicherung setzt ihre Prämie in der irrtümlichen Erwartung, der Versiche-rungsnehmer werde Vorsorge betreiben. Der Versicherungsnehmer maximiert seinen Nutzen unter der Nebenbedingung, dass er nicht erkannt werden darf.

F

Die Versicherung bietet eine faire Prämie bei erwarteter Vorsorge und beachtet dabei die Anreizkompatibilität (sodass der Versicherungsnehmer tatsächlich Vor-sorge betreibt).

G

Aufgabe 7.5

In unten stehender Graphik werden die aus der Vorlesung bekannten Indifferenzkurven und

Budgetgeraden für einen Versicherungsnehmer dargestellt, der das Risiko des Schadensfalls

durch Vorsorge verringern könnte. Die Steigungen der Budgetgeraden korrespondieren dabei

y2

y1

45°

O y

y-L

y-a1

y-L-a1

A

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mit dem Schadensrisiko, falls Vorsorge betrieben wird. Jeder Punkt bezeichnet hierbei einen

bestimmen Vertrag zwischen einer Versicherung und den Versicherungsnehmern. Ordnen Sie

die Punkte in der Graphik den untenstehenden Beschreibungen zu. Zu jeder Beschreibung

gehört genau ein Punkt. Als Beispiel wurde der Punkt A eingetragen.

Beschreibung Punkt hier eintragen!

Dieser Punkt beschreibt die Ausgangslage, in der keine Versicherung abgeschlossen wurde.

A

Es wird keine Versicherung abgeschlossen und stattdessen Vorsorge betrieben.

Der Versicherungsnehmer betreibt Vorsorge, die Versicherung weiß dies und setzt eine faire Prämie. Der Versicherungsnehmer sucht sich den optimalen Deckungsgrad aus.

Die Versicherung bietet eine faire Prämie für denjenigen, der die sozial lohnende Vorsorge nicht betreibt. Der (nicht Vorsorge betreibende) Versicherungsnehmer bestimmt den opti-malen Deckungsgrad.

Die Versicherung setzt ihre Prämie in der irrtümlichen Erwartung, der Versicherungsneh-mer werde Vorsorge betreiben. Der Versicherungsnehmer maximiert seinen Nutzen, be-achtet dabei aber, dass seine Versicherung keinen Verdacht bezüglich seines Fehlverhal-tens schöpfen darf.

Die Versicherung bietet eine faire Prämie bei erwarteter und durchgeführter Vorsorge und einen maximal möglichen Deckungsbeitrag unter Beachtung der Anreizkompatibilität.

Die Versicherung bietet eine faire Prämie bei erwarteter Vorsorge, wird aber bei diesem Angebot durch konkurrierende Anbieter mit einem höheren Deckungsgrad vom Markt verdrängt werden.

y2

y1

45°

O y

y-L

y-a1

y-L-a1

A

Q

U

V

W

R

S

T

X

Y

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Die Vorteile und Risiken der Delegation

Delegation beinhaltet, dass Menschen andere beauftragen, Aufgaben für sie zu erledigen. Für

die meisten von uns ist Delegation eine alltägliche Transaktion. Wir beauftragen Ärzte, unsere

Knochen wieder zusammenzuflicken, Anwälte, für unser Recht zu kämpfen, Steuerberater,

unsere Einkommensteuererklärung zu verfassen, Wohnungsmakler, für uns eine gute Woh-

nung zu finden und Zeitungen, für uns die relevanten Nachrichten zusammenzustellen. Wir

delegieren diese Aufgaben, weil wir nur begrenzte Zeit, Energie und Talent besitzen. Wenn

andere diese Aufgaben für uns erledigen können, erhöht sich die Vielfalt möglicher Transak-

tionen, die wir durchführen können. Firmen sind ebenso auf Delegation angewiesen wie Re-

gierungen. Firmen suchen Auftragnehmer für spezifische Tätigkeiten, für die sie selbst nicht

das know-how besitzen. Regierungen bauen Behörden auf, denen sie Verwaltungsaufgaben

zuweisen. Delegation involviert, dass Verantwortung und Entscheidungsgewalt übertragen

werden. Der Auftragnehmer vollzieht im Namen des Auftraggebers Entscheidungen und muss

sich hierfür dem Auftraggeber verantworten. Der Auftraggeber wird hierbei zumeist als Prin-

zipal bezeichnet. Das Wort kommt vom lateinischen princeps, einem Senator mit großem po-

litischen Einfluss. Mit dieser Wortwahl wird zum Ausdruck gebracht, dass der Auftraggeber

die Bedingungen für die Übernahme einer Aufgabe bestimmen kann. Der Auftragnehmer, in

der Literatur als Agent bezeichnet, kann frei entscheiden, ob er eine Aufgabe übernimmt und

wie er sie ausfüllt. Er kann aber nicht die Bedingungen des Auftrages beeinflussen.

Die Risiken einer Delegation bestehen darin, dass die überlassende Entscheidungsgewalt

missbraucht werden kann. Der Auftraggeber verliert teilweise die Kontrolle an den Auftrag-

nehmer. Das Ziel, mit der Delegation eine bestmögliche Aufgabenerfüllung zu erzielen, kann

beeinträchtigt werden. Der Auftragnehmer könnte die überlassene Entscheidungsgewalt ent-

gegen den intendierten Zielen des Auftraggebers ausüben. Ärzte verschreiben nicht das hei-

lende Medikament, sondern suchen zur Umsatzsteigerung nach weiteren Krankheiten. Anwäl-

te empfehlen einen Gerichtsprozess, obwohl dieser aussichtslos ist, um ihre Gebühr in Rech-

nung zu stellen. Steuerberater empfehlen uns Steuersparmodelle und kassieren verdeckte Pro-

Abschnitt 8: Delegation

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visionen hierfür. Wohnungsmakler verheimlichen die Nachteile einer Wohnung und Zeitun-

gen verstecken Werbung in ihren Nachrichten.

Eigentum und Management

Eine häufige Form der Delegation besteht zwischen Eigentümern und Managern einer Firma.

Eigentum und Kontrolle sind damit getrennt. Hierbei droht moral hazard von Seiten des Ma-

nagers. Der Eigentümer ist u.U. mit einem Manager konfrontiert, der unzureichend motiviert

ist. Es droht, dass der Manager nach Vertragsabschluss unzureichenden Einsatz leistet, Fir-

mengelder für luxuriöse Büroräume und Dienstwagen verschwendet oder mit riskanten Fir-

menübernahmen sein eigenes Ego befriedigt anstatt den Gewinn zu steigern. Adam Smith

(1776) formulierte dies bereits früh:

„The directors of such (joint - stock) companies, however, being the managers rather

of other people's money than of their own, it cannot well be expected, that they should

watch over it with the same anxious vigilance with which the partners in a private co-

partnery frequently watch over their own. Like the stewards of a rich man, they are apt

to consider attention to small matters as not for their master's honour, and very easily

give themselves a dispensation from having it. Negligence and profusion, therefore,

must always prevail, more or less, in the management of the affairs of such a compa-

ny.”

Wir hatten bereits in Abschnitt 3 argumentiert, dass idealerweise der Kontrolleur der Eigen-

tümer sein sollte. Nun gibt es aber diverse Gründe, warum Eigentum und Kontrolle in der

Praxis auseinanderfallen. Derjenige mit der besten Befähigung zur Kontrolle hat evtl. nicht

das nötige Kapital oder scheut das Risiko. Dies bewirkt, dass er nicht Eigentümer werden

kann. Der Manager hat hierbei einen Informationsvorsprung, da nur er übersehen kann, ob

eine Investition den Gewinn steigert oder andere Ziele des Managers befriedigt. Wie sollte in

einem solchen Fall ein optimaler Vertrag zwischen Eigentümer und Manager aussehen? Hier-

zu soll ein einfaches, formales Prinzipal-Agenten Modell mit moral hazard vorgestellt wer-

den.

Im Unterschied zu den vorherigen Modellen mit moral hazard liegt hierbei kein Wettbewerb

auf Seiten des Prinzipals vor. Der Prinzipal ist vielmehr Monopolist, da er ausschließliche

Nutzungsrechte an seinem Eigentum hat. Der Prinzipal kann dabei zwischen verschiedenen

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Agenten wählen oder einem einzelnen Agenten die Optionen des Vertrages diktieren. Es kann

daher nicht, wie im Falle des moral hazard auf dem Versicherungsmarkt, die Nullgewinn-

Restriktion aufgestellt werden; Gewinn wird ja nicht durch Wettbewerb eliminiert.

Prinzipal-Agenten-Modell mit Risikoneutralität

Der Prinzipal ist der Eigentümer. Der Gewinn Q (in € gemessen) hängt vom Einsatz e des

Agenten (Managers) ab, Q=Q(e). Im deterministischen Fall ist die Gewinnhöhe nicht von

stochastischen Elementen abhängig. Der Prinzipal kann hierbei e nicht beobachten. Da aber

eine klare Beziehung zwischen Einsatz e und Output (Gewinn) Q vorliegt, kann der Prinzipal

den Einsatz immer indirekt bestimmen. In diesem Fall läge keine asymmetrische Information

vor. Sobald der Zusammenhang zwischen Gewinn Q und Einsatz e nicht mehr deterministi-

scher Natur sondern stochastisch ist, ist es nun nicht mehr möglich, den Arbeitseinsatz indi-

rekt herzuleiten. Ein exogener Umwelteinfluss (Schock), θ, beeinflusst die Produktion gemäß:

Q=e+θ (1)

Die Verteilung von θ kann weder vom Prinzipal noch vom Agenten beeinflusst werden. Der

Agent bestimmte hierbei zuerst seinen Einsatz e, danach bestimmt „die Natur“ das Ausmaß

des Schocks. Wir unterstellen, dass θ eine normalverteilte Zufallsvariable ist mit Mittelwert

Null und Varianz σ2. Ferner unterstellen wir, dass der Prinzipal weder den Arbeitseinsatz des

Agenten, e, noch den Schock, θ, beobachten kann. Es liegt also asymmetrische Information

zweierlei Art vor: hidden action, d.h. die Aktionen des Agenten sind dem Prinzipal unbe-

kannt, und hidden information, d.h. nach Vertragsschluss auftretende Informationen sind dem

Prinzipal unbekannt.

Der Einsatz e gehe mit subjektiv empfundenen Kosten, c, (auch in € gemessen) einher, ge-

mäß:

c(e)=k/2·e2. (2)

Hierbei gibt k>0 die Rate an, mit der ein Anstieg der Einsatzmenge die marginalen Kosten

erhöht (c’=ke).

Der Prinzipal möchte dem Agenten einen Lohnsatz, w, gemäß dem Arbeitseinsatz, e, bezah-

len. Dies geht aber nicht, da dieser unbekannt ist. Er kann lediglich den Lohn entweder pau-

schal, r, oder in Abhängigkeit vom Gewinn, αQ, bestimmen:

w=r+αQ. (3)

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Das um das Arbeitsleid korrigierte Einkommen des Agenten, A, beträgt A=w-c(e). Mit (2) und

(3) wird hieraus:

A = r+aQ - k/2·e2 (4)

Sofern wir Risikoneutralität annehmen, kann A als Nutzengröße interpretiert werden. Sofern

wir Risikoaversion unterstellen, ist A keine Nutzengröße, sondern, wie oben bezeichnet, eine

um das Arbeitsleid korrigierte Einkommensgröße.

Wir nehmen an, dass der Agent nicht dazu gezwungen werden kann, den Vertrag anzuneh-

men. Wir wollen also die Sklaverei ausschließen. Er wird den Vertrag dabei nur dann akzep-

tieren, wenn dieser ein Mindestniveau an Nutzen, A0, erreicht. Dieses wird plausiblerweise

durch seine nächstbeste alternative Beschäftigung bestimmt. Diese Teilnahmebedingung wird

auch participation constraint (PC) genannt. Wir unterstellen der Einfachheit halber A0=0.

Damit folgt ,�-� ≥ 0. Die Teilnahmerestriktion (5) wird sicherlich bindend sein, da der Prin-

zipal dem Agenten möglichst wenig überlassen will. Es gilt ,�-� = , /0 + 12 − 3� 4�5 =

0 + 14 − 3� 4�. Somit folgt:

0 = 3� 4� − 14 (PC)

Da das Einkommen von Prinzipal und Agent unsicher ist, spielt die Risikoneigung der beiden

Akteure eine Rolle bei der Bestimmung des optimalen Vertrages. Sofern beide risikoneutral

sind, ist die Lösung einfach. Der Prinzipal maximiert E(Q-w) und der Agent maximiert E(A).

Der Prinzipal hat bei seiner Maximierung zu berücksichtigen, dass der Agent E(A) maximiert

und gleichzeitig A0 nicht unterschritten werden darf. Für das Kalkül des Agenten folgt Maxe

E(A). Mit der Produktionsfunktion Q=e+q folgt hieraus:

Maxe E(A)= Maxe (r+ae-k/2·e2). (5)

Aus der ersten Ableitung folgt

e=a/k. (IC)

Wie sich leicht zeigen lässt, ist die Bedingung zweiter Ordnung erfüllt. Diese Gleichung ist

die Bedingung der Anreizkompatibilität (incentive constraint IC). Sie gibt dabei die Reaktion

des Agenten auf den Anreizvertrag des Prinzipals wieder. Hierbei zeigt sich, dass der Einsatz

des Agenten mit der Gewinnbeteiligung steigt und ohne eine solche Beteiligung kein Einsatz

geleistet wird.

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Sofern der Prinzipal diese Reaktionsfunktion IC kennt, kann er versuchen, das Verhalten des

Agenten durch einen entsprechenden Gewinnanteil α zu steuern. Für das Kalkül des Prinzi-

pals gilt:

Maxr,α E(Q-w)= Maxr, α E((1-α)Q)-r= Maxr,α ((1-α)e-r), (6)

mit den Nebenbedingungen e=α/k (IC)

und r=-αe+k/2·e2. (PC)

Einsetzen der PC erbringt:

Maxα (1-a)e+ae-k/2·e2 = e-k/2·e2.

Nun kann der Prinzipal nicht e, sondern nur α bestimmen. Wir müssen also die IC einsetzen

und erhalten:

Maxα a/k-a2/(2k).

Aus der ersten Ableitung folgt nun 1/k-a/k=0. Im Gewinnmaximum wird der Prinzipal daher

einen Gewinnanteil i.H.v. a*=1 festsetzen, d.h. der Prinzipal wird die Verantwortung für die

Produktion vollständig an den Agenten abtreten. Da er den Arbeitseinsatz nicht beobachten

kann, ist es optimal, den einsatzabhängigen Gewinn vollständig an den Agenten zu delegie-

ren. Der Agent wird das volle Risiko übernehmen und zum Bezieher des Residualeinkom-

mens werden. Für den Arbeitseinsatz folgt gemäß IC: e*=1/k. Hieraus ergibt sich ein erwarte-

ter Bruttogewinn von E(Q)*=1/k.

Für das feste Einkommen r gilt im Optimum:

r*=k/2·e*2-α*e*=k/2·1/k2-1/k =-1/(2k).

Der Agent muss einen Betrag an den Prinzipal entrichten, damit er den vollen Gewinnanteil

a=1 erhält. Statt einer Pauschalentlohnung an den Agenten muss dieser also eine Pauschalge-

bühr bezahlen. Dies entspricht einem Lizenz-Vertrag. Der erwartete Lohn im Optimum ist

dann:

Ew*=r*+a*EQ*=-1/(2k)+1·1/k=1/(2k).

Dies entspricht gerade dem Arbeitsleid: c(e)=k/2·e*2=1/(2k). Das um das Arbeitsleid korri-

gierte Einkommen beträgt also gerade Null, was bereits durch die PC ausgedrückt wurde.

Der erwartete Nettogewinn des Prinzipals ist:

E(Q*-w* ) = 1/k-1/(2k)=1/(2k).

Der Agent erhält also 50% des Bruttogewinns als Kompensation für den Arbeitseinsatz, die

andere Hälfte behält der Prinzipal. Es liegt folglich ein perfekter Anreiz für einen optimalen

Arbeitseinsatz vor. Diese Lösung wird daher als first-best-Lösung bezeichnet. Eine solche

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Lösung mit e=1/k würde sich auch einstellen, wenn vollständige Information vorläge. Bei

vollständiger Information würde die IC entfallen, da der Prinzipal e direkt steuern kann. Lö-

sen wir Gleichungssystem (6) aber ohne IC, so ergibt sich ebenfalls e=1/k. Wir könnten dann

keine Aussage mehr in Bezug auf α machen. Im Falle vollständiger Information könnte der

Prinzipal nämlich den optimalen Arbeitseinsatz sowohl durch Zahlung eines gewinnabhängi-

gen Anteils, als auch durch eine höhere Pauschalentlohnung erreichen. Er ist lediglich durch

die PC gebunden.

Modell mit Risikoaversion

Das bisherige Resultat unterstellte Risikoneutralität. Eine realistischere Annahme ist, dass nur

der Prinzipal risikoneutral ist, während der Agent risikoavers ist. Dies lässt sich u.a. damit

begründen, dass der Manager einer Firma nur von dort Einkommen bezieht, während die In-

haber ihr Portfolio diversifiziert haben. Wir unterstellen für den Agenten die Maximierung

einer von Neumann-Morgenstern Nutzenfunktion.

Um ferner eine einfache algebraische Funktion zu erhalten, unterstellen wir eine Nutzenfunk-

tion mit konstanter absoluter Risikoaversion (e ist hierbei die Eulersche Zahl 2,71828):

U(A)=-e-aA, a>0. (7)

Der Nutzen des Agenten aus seinem unsicheren Einkommen kann bestimmt werden durch das

Sicherheitsäquivalent:

C(A)=E(A)-R, R>0. (8)

R ist die Risikoprämie. C(A) ist dabei nicht etwa das im Durchschnitt erwartete Einkommen

E(A), sondern das dem Erwartungsnutzen entsprechende sichere Einkommen, das Sicherheits-

äquivalent. Die Prämie R ist gerade die Differenz aus dem erwarteten Einkommen E(A) und

dem Wert, den der Agent bereit wäre, für dieses unsichere Einkommen zu bezahlen, also dem

Sicherheitsäquivalent. Für den besonderen Fall unserer gewählten Nutzenfunktion gilt:

R=a/2·α2σ2. (9)

Der Parameter a kennzeichnet das Ausmaß der Risikoaversion. Gleichung (9) soll hier nicht

näher hergeleitet werden. Mit Hilfe von (4) und (8) folgt:

C(A)=r+aE(Q)-k/2·e2-a/2·α2σ2,

und mit (1) folgt:

C(A)=r+ae-k/2·e2-a/2·α2σ2 . (10)

Der Agent wird nun seinen erwarteten Nutzen maximieren:

Maxe C(A)= Maxe (r+αe-k/2·e2-a/2·α2σ2).

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Aus der ersten Ableitung folgt nun erneut die bekannte IC:

e=a/k.

Zusätzlich hat sich nun aber die PC verändert. Der Agent darf durch die Teilnahme nicht

schlechter gestellt werden, es gilt also C(A)≥0. Sofern diese Bedingung als bindend ange-

nommen wird, impliziert dies:

r=k/2·e2+a/2·α2σ2-αe.

Folgendes System ist also zu lösen:

Maxr,α ((1-α)e-r),

Mit den Nebenbedingungen

e=α/k (IC)

und r=k/2·e2+a/2·α2σ2-αe. (PC)

Im Vergleich zu dem vorherigen System (8) hat sich dabei nur die PC geändert. In reduzierter

Form lautet das System:

Maxα ((1-α)e+αe-k/2·e2-a/2·α2σ2)= Maxα (α/k-α2/(2k) -a/2·α2σ2)

Ableitung nach α erbringt als Bedingung erster Ordnung:

1/k-α/k -aασ2=0.

Der optimale Gewinnanteil lautet daher:

1-(1+kaσ2)α=0 � a** =1/(1+kaσ2)<1.

Der Gewinnanteil ist positiv, da kaσ2 >0. Da a** <1, muss der Agent nicht das gesamte Risi-

ko übernehmen. Es findet also ein Vertrag mit Gewinnaufteilung statt (sharing contract). Der

im Gewinnmaximum resultierende Arbeitseinsatz ist:

e** = 1/[k(1+kaσ2)] <1/k

Der Agent wird also weniger Einsatz leisten als im Fall mit sicherem Ausgang, Risikoneutra-

lität oder symmetrischer Information. Der gewinnunabhängige Lohn beträgt nun gemäß PC:

r** =-α** e** +k/2·e** 2+a/2·α** 2σ2 =-α** 2/k+α** 2/(2k)+a/2·α** 2σ2 =α** 2/(2k)·[kaσ2-1].

Eingesetzt für a** =1/(1+kaσ2) folgt:

(20)

Es gilt hierbei r** >-1/(2k), wie sich leicht zeigen lässt. Der Prinzipal muss dem Agenten also

einen höheren gewinnunabhängigen Lohn bezahlen als im Fall mit symmetrischer Informati-

on oder Risikoneutralität. Für den Fall kaσ2-1>0 ist diese Zahlung positiv, also bei starker

Risikoaversion (a), hoher Streuung des Risikos (σ2) oder hinreichend großem Anstieg der

( )2

**22

1

2 1

kar

k ka

σσ−=

+

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marginalen Kosten des Einsatzes (k). In diesen Fällen ist der Gewinnanteil (a) entsprechend

geringer. Der Einsatz e fällt dabei auch geringer aus, weil das Setzen von Anreizen hierbei zu

kostspielig ist.

Wir sehen, dass α** mit steigender Risikoaversion a, erhöhter Streuung des Risikos σ2 und

größerem Grenzleid des Arbeitseinsatzes k abnimmt. Bei kaσ2=0 liegt Risikoneutralität vor,

fehlende Schocks oder konstantes Grenzleid der Arbeit. In diesem Fall kann die first-best-

Lösung erreicht werden und es gilt α** =1. Für den Fall, dass kaσ2 =1, ergibt sich gerade

α** =1/2 und die gewinnunabhängige Entlohnung ist gerade gleich Null. Während α** mono-

ton fällt, ergibt sich zuerst ein Anstieg und dann ein Abfall für r** , die Pauschalentlohnung.

Ausgehend von first-best wird mit steigendem kaσ2 zunächst die gewinnabhängige Entloh-

nung reduziert und dafür die gewinnunabhängige Entlohnung zur Kompensation hierfür an-

gehoben. Mit einem weiteren Anstieg von kaσ2 sinken beide Anteile der Entlohnung. Der

Grund hierfür liegt darin, dass ein geringeres α** jeweils mit einem niedrigeren Einsatz e**

einhergeht. Die gesamte Entlohnung w muss daher nicht mehr so groß ausfallen, um den

Agenten noch zur Teilnahme zu bewegen.

Beispiel 1: Der Franchise-Vertrag

Ein Franchise-Vertrag ist als eine Zwischenlösung zwischen zwei Extremen α=1 und α=0

anzusehen. Hierbei überträgt ein Franchise-Geber das Recht, einen Geschäftsnamen zu ver-

wenden sowie ein Produkt oder eine Dienstleistung zu veräußern an jemand anderen (Fran-

chise-Nehmer). Ein Franchise-Vertrag spezifiziert üblicherweise die territorialen Rechte des

Franchise-Nehmers, die Unterstützung des Franchise-Gebers (Training und Marketing) sowie

fixe oder umsatzabhängige Zahlungen. Solche Verträge finden sich typischerweise bei Fast-

Food Restaurants, Hotels und Einzelhandel. Die Verträge sind dadurch motiviert, dass ein

Prinzipal (der Franchise-Geber) nicht die Kapazitäten hat, um lokale Niederlassungen selbst

zu betreiben, und Anreize für eine hohe Motivation gesetzt werden sollen. Ein Franchise-

Geber muss allerdings die Produkt-Qualität genau kontrollieren, da ein Franchise-Nehmer

sonst mit billigen Vorprodukten seinen Profit auf Kosten der Reputation des Franchise-Gebers

steigern wird.

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Beispiel 2: Boni für Investment-Banker

Empirisch lässt sich beobachten, dass für verschiedene Berufsgruppen wie Vertriebsmitarbei-

ter, Investmentbanker und CEOs ein hoher Anteil der Entlohnung gewinnabhängig erfolgt.

Demgegenüber erhalten Krankenschwestern und Mitarbeiter im Bereich der Kreditvergabe

einer Bank eine Pauschalentlohnung. Der Grund besteht in den measurement costs.

Würden Mitarbeiter für Höhe und Anzahl der vergebenen Kredite entlohnt werden, so würden

auch zweifelhafte Kunden an Geld gelangen. Das Problem besteht darin, dass es schwer ist,

den Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Mitarbeiters und dem späteren Gewinn der

Bank zu messen. Wenige vergebene Kredite könnten sowohl Folge von Faulheit des Mitarbei-

ters als auch Fleiß beim Erkennen von dubiosen Kunden sein. Der Gewinn Q ist damit stark

von Größen abhängig, die die Bank nicht beobachten kann. Wir können sagen, σ2 ist beson-

ders groß. Demgegenüber ist der Beitrag eines Investment-Bankers zum Firmengewinn leich-

ter messbar. Die bei einer Firmenübernahme fällige Gebühr oder die im Kurs gestiegenen

Aktien beim Eigengeschäft einer Bank erlauben es, den Beitrag eines Mitarbeiters zum Ge-

winn einer Bank zu bestimmen. Wir können sagen, σ2 ist kleiner.

Mindestens zwei Probleme sollten aber nach den Erfahrungen der Finanzkrise nicht vergessen

werden. Erstens werden Boni für Gewinne ausgeschüttet, aber Investmentbanker kaum an den

Verlusten beteiligt. Das Prinzipal-Agenten-Modell legt nahe, dass dies geändert wird, damit

Investmentbanker stärker auf die Risiken ihrer Geschäfte achten. Zweitens lässt sich zwar gut

messen, inwieweit ein Mitarbeiter zum Gewinn beigetragen hat, aber weniger, ob dies auf

Glück oder Arbeitseinsatz zurückgeführt werden sollte. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass

der Zufall hier eine größere Rolle spielt. Während viele Banker meinten, ihr hoher Arbeitsein-

satz und ihr Können e, sei verantwortlich für den Gewinn, war es vielmehr eine Immobilien-

und Aktienblase, also θ>0.

Beispiel 3: Neuseelands Anreize für Zentralbanker

In demokratischen Systemen sind die Bürger eines Landes in der Rolle des Prinzipals. Sie

entscheiden an der Wahlurne über zentrale politische Institutionen und Mehrheiten. Die von

ihnen gewählte Regierung besetzt die Zentralbank des Landes und übernimmt die Rolle des

Agenten. Aber Zentralbanker haben einen Informationsvorsprung gegenüber den Bürgern des

Landes. Sie bestimmen mit ihrer Politik letztlich über die Höhe der Inflationsrate. Die Bürger

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hoffen hierbei auf Preisniveaustabilität, damit ihre Ersparnisse langfristig vor Entwertung

geschützt sind. Neben dieser Informationsasymmetrie herrscht aber auch ein Interessenkon-

flikt. Die Zentralbank möchte, dass alle Preisniveaustabilität erwarten. Aber kurzfristig sieht

sie einen Vorteil darin, eine laxe Geldpolitik zu betreiben. Hiermit kann sie die Arbeitslosig-

keit bekämpfen, wichtige Investitionsprojekte anstoßen und den Schuldenstand der Regierung

senken. Die Nachteile einer laxen Geldpolitik sind erst langfristig sichtbar: In Form höherer

Preise.

Am 1. Februar 1990 wurde der Reserve Bank Act in Neuseeland in Kraft gesetzt: ein neuarti-

ges Gesetzeswerk, das zum Ziel hatte, den Konflikt zwischen Zentralbank und Bürgern zu

entschärfen. Hierbei muss die Zentralbank vorab Ziele ihrer Politik bestimmen. Zumeist wur-

den hierzu Inflationsraten i.H.v. 0-2% gewählt. Ferner wurde festgelegt, dass im Falle eines

Verfehlens dieses Ziels die Regierung den Zentralbankgouverneur entlassen kann. Damit ent-

steht ein Anreizvertrag für den Zentralbanker. Inflation wird damit nicht vollständig verhin-

dert. Dies ist auch nicht intendiert. Es mag gute Gründe dafür geben, in einer Krise Inflation

zuzulassen, um schlimmeren Schaden von einer Volkswirtschaft abzuwenden. Ein Zentral-

banker, der sich für Inflation entscheidet, setzt sich damit aber dem Risiko einer Kündigung

aus. Er wird nun besser abwägen zwischen den Vorteilen und den Risiken einer erhöhten In-

flation.

Quiz

Das Verhältnis zwischen folgenden Akteuren lässt sich als Prinzipal-Agenten-Beziehung be-schreiben

1. Ehefrau und Ehemann.

2. Firma und Konkurrent.

3. Versicherungsnehmer und Versicherung.

4. Keine der obigen Antworten ist richtig.

Im Prinzipal-Agenten-Modell wird der Agent optimalen Einsatz leisten,

1. wenn der Prinzipal den Einsatz nicht beobachten kann.

2. wenn der Prinzipal ein Einkommen nur mit einer vom Agenten erhobenen Pauschal-

gebühr erzielt.

3. wenn der Prinzipal die Umweltbedingungen nicht beobachten kann.

4. wenn der Prinzipal einen Teil des Umsatzes für sich behält.

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Unter der incentive constraint versteht man

1. die Anreize, die der Prinzipal dem Agenten setzt.

2. die Drohung des Agenten, auf seine nächstbeste alternative Beschäftigung auszuwei-

chen.

3. die aus einem Nutzenkalkül stammende Verhaltensweise des Agenten.

4. die Beschränkung, die aus dem vom Prinzipal bestimmten Vertrag resultiert.

Unter der participation constraint versteht man

1. die Bedingung, die den Agenten von einer alternativen Beschäftigung abhält.

2. den Pauschallohn, den der Prinzipal dem Agenten bezahlt.

3. die variable Entlohnung, die dem Agenten einen Arbeitsanreiz bietet.

4. die Beschränkung, die aus dem vom Prinzipal bestimmten Vertrag resultiert.

Die optimale gewinnunabhängige Entlohnung r** ist am höchsten,

1. wenn die gewinnabhängige Entlohnung 0,5<α<1 beträgt.

2. wenn die gewinnabhängige Entlohnung α=0 beträgt.

3. wenn die gewinnabhängige Entlohnung α=0,5 beträgt.

4. wenn die gewinnabhängige Entlohnung 0<α<0,5 beträgt.

Im Vergleich zu Risikoneutralität muss der Prinzipal bei Risikoaversion des Agenten

1. einen höheren gewinnunabhängigen Lohn r bezahlen.

2. einen negativen gewinnunabhängigen Lohn bezahlen.

3. einen höheren gewinnabhängigen Lohn α bezahlen.

4. für den höheren Einsatz insgesamt besser entlohnen.

Literatur

Douma, S. und H. Schreuder (2008: 356-359).

Erlei, M, M. Leschke und D. Sauerland (1999: 74-76; 106-125).

Furubotn, E.G. und R. Richter (2005: 206-222).

Posner, E. (2000), „Agency Models in Law and Economics”, Law & Economics Working

Paper No. 92, The Law School, University of Chicago.

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Übungsaufgaben

Aufgabe 8.1

Es sei folgende Produktionsfunktion für den Gewinn Q und den Einsatz e gegeben:

Q = e + θ

wobei θ einen exogenen Schock kennzeichnet mit Mittelwert Null und Standardabweichung

σ=1. Der Prinzipal ist risikoneutral. Zuerst muss der Prinzipal einen Vertrag vorschlagen,

dann entscheidet der Agent über seine Teilnahme und seinen Einsatz und am Schluss tritt der

Schock auf, mit dem dann die Produktionshöhe bestimmt wird. Für den Lohn des Agenten

kann der Prinzipal eine gewinnabhängige Komponente (αQ) und eine gewinnunabhängige

Komponente (r) vorsehen. Der Agent maximiert sein Sicherheitsäquivalent, für welches sich

folgende Beziehung bestimmen lässt:

C(A) = r + αe – 1/6e2 – 2α2

a) Bestimmen Sie die Teilnahmerestriktion des Agenten (participation constraint) unter der

Annahme 6̅ = 0.

b) Angenommen, der Prinzipal könne die Höhe des Schocks, θ, beobachten. Zeigen Sie for-

mal, welchen Vertrag er im Optimum anbieten wird und bestimmen Sie den optimalen

Einsatz e!

c) Angenommen, der Prinzipal könne weder den Arbeitseinsatz e des Agenten noch den

Schock θ beobachten. Bestimmen Sie das optimale Verhalten des Agenten, d.h. die hie-

raus sich für den Prinzipal ergebende Anreizrestriktion (incentive constraint).

d) Ermitteln Sie den optimalen Gewinnanteil α und den Einsatz e im Optimum.

Aufgabe 8.2

Es sei folgende Produktionsfunktion für den Gewinn Q und den Einsatz e gegeben:

(1) 2 = 4 + 8,

wobei 8 einen exogenen Schock kennzeichnet mit dem Mittelwert Null und der Standardab-

weichung 1. Der Prinzipal kann weder den Arbeitseinsatz des Agenten, e, noch den Schock 8

beobachten. Die Sequenz sei folgendermaßen: Zuerst muss der Prinzipal einen Vertrag vor-

schlagen, dann entscheidet der Agent über seine Teilnahme und seinen Einsatz und am

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Schluss tritt der Schock auf, mit dem die Produktionshöhe bestimmt wird. Der Prinzipal ist

risikoneutral. Für das Sicherheitsäquivalent, 6�-�, gelte:

(2) 6�-� = 0 + 14 − 14 42 − 212,

a) Welche Bedeutung haben die vier einzelnen Terme auf der rechten Seite von Gleichung

(2)?

b) Bestimmen Sie das optimale Verhalten des Agenten, d.h. die hieraus sich für den Prinzipal

ergebende Anreizrestriktion (incentive constraint)!

c) Bestimmen Sie die Teilnahmerestriktion (participation constraint)!

d) Bestimmen Sie das Gleichungssystem, das der Prinzipal zu lösen hat.

e) Zeigen Sie, dass der Prinzipal 1 = ! setzen wird!

Aufgabe 8.3

Eine Fast-Food-Kette möchte sowohl in München als auch in Passau ein neues, zentral gele-

genes Restaurant eröffnen. Dabei kann sie weder den Einsatz der lokalen Betreiber, noch na-

türliche Ursachen für Schwankungen des lokalen Umsatzes beobachten. Während in München

die Nachfrage nach Fast-Food-Produkten durch den kontinuierlichen Zustrom von Touristen

keinen Schwankungen unterliegt, ist die Nachfrage nach Fast-Food-Produkten in Passau stark

schwankend. Wie wird sich ein optimaler Vertrag in Passau von dem in München unterschei-

den?

Aufgabe 8.4

In der Graphik auf der folgenden Seite sehen Sie die optimale von einem Prinzipal angebote-

ne Pauschalentlohnung, r**, in Abhängigkeit der Risikoaversion a, der Streuung des Risikos,

σ2, und des Grenzleids des Arbeitseinsatzes, k. Ordnen Sie die Punkte den untenstehenden

Beschreibungen zu. Beispielhaft ist der erste Punkt, A, bereits in der Tabelle eingetragen.

Manche Punkte müssen evtl. mehrfach in die Tabelle eingetragen werden.

Beschreibung Punkt Hier beträgt die Pauschalentlohnung Null. A Hier muss der Agent eine fixe Franchise-Gebühr bezahlen und es gilt α<1. Hier ist der Nettogewinn des Prinzipals am kleinsten (im Vergleich zu allen ande-ren Punkten).

Hier ist der Gewinnanteil des Agenten am höchsten (im Vergleich zu allen ande-

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ren Punkten). Hier beträgt der Gewinnanteil α=0,5. Hier ist der Einsatz des Agenten am niedrigsten (im Vergleich zu allen anderen Punkten).

Hier ist der gesamte Lohn des Agenten (bestehend aus der Pauschalentlohnung und der gewinnabhängigen Entlohnung) am höchsten (im Vergleich zu allen ande-ren Punkten).

Aufgabe 8.5

In der untenstehenden Graphik sehen Sie den optimalen Gewinnanteil α**, den der Prinzipal

einem Agenten bezahlt in Abhängigkeit der Risikoaversion a, der Streuung des Risikos, σ2

und des Grenzleids des Arbeitseinsatzes, k. Ordnen Sie die Punkte den untenstehenden Be-

schreibungen zu. Jeder Punkt, A, B, C, D und E muss genau einmal eingetragen werden!

Beschreibung Hier bitte den Punkt eintragen:

Hier beträgt die Pauschalentlohnung Null. Hier ist der Nettogewinn des Prinzipals am geringsten. Hier ist der gesamte Lohn des Agenten (bestehend aus der Pauschalent-lohnung und Gewinnanteil) am höchsten.

Hier bezahlt der Agent eine Franchisegebühr und belässt dem Prinzipal einen Anteil am Gewinn.

Hier ist die Pauschalentlohnung am höchsten.

r**

kaσ2 A

B

C

D E

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α**

1

1/2

1 A

B

C

D E

kaσ2

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Post-contractual opportunism

Im Zentrum des moral hazard steht das Problem, dass Menschen sich opportunistisch verhal-

ten können. Williamson (1985: 47) definiert dies folgendermaßen:

„By opportunism I mean self-interest seeking with guile. This includes but is scarcely

limited to more blatant forms, such as lying, stealing and cheating. Opportunism often in-

volves subtle forms of deceit … more generally, opportunism refers to the incomplete or dis-

torted disclosure of information, especially to calculated effort to mislead, distort, disguise,

obfuscate, or otherwise confuse. It is responsible for real or contrived conditions of infor-

mation asymmetry...”

Das Problem des Opportunismus wird insbesondere dort relevant, wo eine Transaktion nicht

Zug um Zug erfolgt, sondern eine gewisse Zeitspanne liegt zwischen Leistung und Gegenleis-

tung. Dies ist bereits spürbar für Handwerker oder Ärzte, die zuerst ihrer Arbeit nachgehen

und danach auf die Begleichung ihrer Rechnung hoffen. Besonders lang ist die Zeitspanne bei

Investitionen. So werden dort Ressourcen zu einem frühen Zeitpunkt investiert; eine Entloh-

nung hierfür erfolgt durch die Gegenseite aber erst viel später.

Zum Verständnis der Wirkung asymmetrischer Informationen stellt die Governancekosten-

theorie den Zeitpunkt der Durchführung solcher Investitionen in den Vordergrund. Nachdem

solche Investitionen durchgeführt wurden (postcontractual) droht Opportunismus.

Transaktionsspezifische Investitionen

Nach Vertragsschluss sind oftmals Investitionen notwendig zur Erstellung der vereinbarten

Leistung. Kaum sind solche transaktionsspezifischen Investitionen durchgeführt, ergibt sich

aber das Risiko des Opportunismus durch die Gegenseite. Transaktionsspezifische Investitio-

nen sind außerhalb einer gegebenen Vereinbarung weniger Wert, sind also teilweise in einer

Beziehung „versunken“. Wir sprechen daher auch von relationship-specific investment.

Abschnitt 9: Governancekos-tentheorie

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Nach der Vertragsunterzeichnung selbst stellt Opportunismus noch keine Bedrohung dar,

denn beide Seiten könnten immer noch den Vertrag brechen, ohne hierbei hohe Einbußen zu

erleiden. Erst nach Durchführung der transaktionsspezifischen Investition ist postcontractual

opportunism eine Gefahr. Dies wird deutlich anhand der vier Arten dieser Investitionen:

1. Lokale Spezifität (site specificity):

Beim Auftreten von Transport- und Lagerkosten empfiehlt es sich unter Umständen,

den Standort für eine Betriebsstätte nahe an Zulieferern oder nahe an Abnehmern zu

wählen. Ein Beispiel hierfür wäre die enge Beziehung zwischen einer Kohlengrube

und einem Kohlekraftwerk. Wird das Kraftwerk nahe der Grube gebaut, so sind die

involvierten Investitionen spezifisch auf einen bestimmten Zulieferer ausgerichtet.

2. Sachkapitalspezifität (physical asset specificity):

Eine Seite eines Austausches unternimmt Investitionen in besondere Ausrüstung oder

Maschinen. Aufgrund dieser Besonderheiten ist der Wert der Investition am höchsten

für die besondere Transaktion und geringer bei alternativer Verwendung. Ein Beispiel

wären custom-built Produkte, also für den Kunden maßgeschneiderte Produkte.

3. Humankapitalspezifität (human capital specificity):

Eine Seite eines Austausches muss besonderes know-how erwerben, welches einen ge-

ringeren Nutzen außerhalb dieses Austausches besitzt. Hier wäre z.B. know-how zu

nennen, welches erst durch Erfahrung innerhalb einer Firma erworben wird.

4. Zweckbestimmte Anlagen (dedicated assets):

Hierbei liegt die Betonung auf der Marktmacht eines Abnehmers. Mit diesem einen ist

das Handelsvolumen so groß, dass die Kapazitäten allein für ihn erhöht werden müs-

sen. Sollte der Abnehmer den Vertrag kündigen, würden Überkapazitäten entstehen.

Das Problem besteht dabei nicht darin, dass die erstellten Produkte qualitativ auf die

Wünsche des Kunden maßgeschneidert sind, sondern lediglich in Bezug auf die Quan-

tität.

Fundamentale Transformation

In jedem der genannten vier Fälle von transaktionsspezifischen Investitionen sind zwei Pha-

sen zu unterscheiden – das Verhältnis der beiden Vertragsparteien vor und nach Durchfüh-

rung der Investition. Das Verhältnis ändert sich nach Durchführung der transaktionsspezifi-

schen Investition. Vorher konnte jeder frei wählen und sich für die günstigste Vertragspartei

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entscheiden. Danach sind die Vertragsparteien aneinander gebunden. Dies wird auch als lock-

in bezeichnet. Dieser Begriff wird insbesondere auf die Investition selbst bezogen. Diese ist

„eingeschlossen“ in ihrer besonderen Verwendung. Dieser Wandel der Beziehung zwischen

den Partnern wird als „fundamentale Transformation“ bezeichnet.

So bringt z.B. ein Mietvertrag transaktionsspezifische Investitionen mit sich, insbesondere für

den Mieter. Dieser hat einen teuren Umzug bezahlt, persönliche Beziehungen zu Nachbarn

aufgebaut und Wissen bezüglich der lokalen Infrastruktur erworben. Er hat evtl. an seinem

neuen Wohnort weitere transaktionsspezifische Investitionen in Vereine, Kindergärten und

Schulen getätigt. Für den Mieter liegt dann ein lock-in vor: Er ist eingesperrt in der vertragli-

chen Verpflichtung. Vor seinem Umzug war er hingegen in einer Wettbewerbssituation und

konnte sich den Vermieter bzw. die Wohnung frei auswählen.

Versunkene Kosten und die Quasi-Rente

Das Ausmaß der Spezifität lässt sich quantitativ durch eine Betrachtung der Kosten der Inves-

tition bestimmen. Entscheidend sind hierbei die „versunkenen Kosten“. Dies ist derjenige

Anteil an den Kosten einer Investition, der bei einer alternativen Verwendung der Investiti-

onsgüter verloren geht. Die „versunkenen Kosten“ ergeben sich aus der Differenz der Herstel-

lungskosten und dem Wiederverkaufswert für den Fall, dass die Investition einer alternativen

Verwendung zugeführt wird. Unspezifische Investitionen sind vollständig wiederverwertbar

(redeployable). Bei hoher Spezifität sind Investitionen hingegen vollständig versunken. Die

versunkenen Kosten sind dabei nicht deckungsgleich mit fixen Kosten, obwohl sie mit diesen

gemein haben, dass sie sich nicht mehr in ihrer quantitativen Größenordnung kurzfristig vari-

ieren lassen. Versunkene Kosten sind aber darüber hinaus an eine bestimmte Verwendung

gebunden.

So müssen z.B. Transportunternehmen für die Verbindung über den Ärmelkanal Investitionen

tätigen, welche dann zu fixen Kosten führen. Aber im Falle von Fähren sind diese fixen Kos-

ten nicht spezifisch und damit nicht versunken; die Fähren können nämlich auch für andere

Fährverbindungen genutzt werden. Der Tunnel ist hingegen in voller Höhe versunken, im

wahrsten Sinne des Wortes nicht nur er selbst, sondern auch die zu seiner Erstellung notwen-

digen Kosten.

Eng verwandt hierzu ist der (mehr auf die Ertragsseite abstellende) Begriff der „Quasi-Rente“.

Um eine Ressource in ihrer Verwendung zu erhalten, muss der Besitzer mit einer Mindest-

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summe entschädigt werden. Diese Summe entspricht gerade der zweitbesten Verwendung, da

der Besitzer sonst diese Alternative bevorzugt und die Ressource aus der derzeitigen Verwen-

dung abzieht. Die Quasi-Rente ist nun derjenige Betrag, der über diese Mindestsumme hin-

ausgeht. So könnte z.B. der Einsatz einer Fähre in Schottland € 1.000.000 (Umsatz minus

Arbeitskosten) jährlich erbringen. Sofern ein Betrag von € 1.500.000 im Ärmelkanal erzielt

wird, ergäbe sich eine Quasi-Rente von € 500.000 pro Jahr. Der Tunnel wäre hingegen an-

derswo unbrauchbar, da er sich nicht verlagern lässt. Die Quasi-Rente beträgt damit die vollen

€ 1.500.000, die am Ärmelkanal erzielt werden. Oder die Lotto-Fee der ARD könnte alterna-

tiv als Sekretärin arbeiten und dort €40.000 pro Jahr verdienen. Bei ihrem Job verdient sie

aber € 60.000 und damit eine Quasi-Rente von € 20.000. Nach ihrem Master in Economics

könnte sie nun € 80.000 verdienen. Daher kündigt sie den Job als Lotto-Fee, da der dort er-

zielte Betrag nicht ausreicht, die Bereitstellung ihrer Arbeitskraft sicherzustellen. Insgesamt

lässt sich eine Definition der Quasi-Rente am ehesten auf Englisch formulieren: „a quasi-rent

is the excess above the return necessary to maintain a resource’s current service flow“ (Al-

chian und Woodward 1988: 67).

Die Quasi-Rente wird nun gerade benötigt, um die versunkenen Kosten wieder zu erlangen.

Hiermit sollen sich also die transaktionsspezifischen Investitionen amortisieren.

Der holdup

Nach der Durchführung einer transaktionsspezifischen Investition droht opportunistisches

Verhalten durch andere. So könnte z.B. eine Gewerkschaft einen Arbeitskampf organisieren

und dadurch die Quasi-Rente der Investition reduzieren. Die Hausbank könnte einen Teil der

Quasi-Rente abschöpfen, indem sie höhere Zinsen verlangt und mit einer Rückforderung von

Krediten droht. In beiden Fällen sind es Besitzer wichtiger Produktionsfaktoren, die einen

Angriff auf die Quasi-Rente durchführen können, indem sie die Lieferung ihres Produktions-

faktors verweigern. Ist ein Produktionsfaktor unabdingbar erforderlich (unique=einzigartig),

so kann mit der Drohung die Quasi-Rente vollständig abgeschöpft werden.

Als Beispiel hierfür führte schon Marshall (1890) ein Stahlwerk an, welches in der Nähe eines

Kraftwerks angesiedelt ist, um den Strom von dort günstig zu erhalten. Wir könnten, um das

Beispiel aktuell zu halten, an die günstigen Strompreise in Island denken, welche viele Alu-

miniumhersteller dazu veranlassen, dort ihre Produktionsstätten zu bauen. Sobald das Alumi-

niumwerk aber die Kosten in die Ansiedlung versenkt hat, könnte das Kraftwerk den Preis für

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Strom erhöhen. Solange die laufenden Kosten des Aluminiumwerks gedeckt wären, würde es

weiter produzieren. Aber die versunkenen Investitionen würden sich nicht amortisieren. Ein

solch erpresserisches Verhalten wird auch als holdup bezeichnet. Entscheidend für einen

holdup ist die Fähigkeit, eine Ressource, die einen Produktionsfaktor darstellt, zu entziehen.

Wie sieht es aus mit einem Landbesitzer, der seinen Grund und Boden zum Bau eines Wol-

kenkratzers verpachtet hat? Der Hausbesitzer ist abhängig von dem Produktionsfaktor Land

und hat seine Investitionen (den Bau des Wolkenkratzers) vollständig versenkt. Der Hausbe-

sitzer ist aber nicht von einem holdup bedroht, da der Besitzer des Produktionsfaktors „Bo-

den“ diese nicht entziehen kann. Demgegenüber lässt sich die Stromzufuhr unterbrechen, die

Wasserversorgung abstellen oder die Lieferung des Faktors Arbeit durch Streiks beenden.

Inhaber solcher Produktionsfaktoren sind damit in der Lage, einen holdup durchzuführen und

die Quasi-Rente teilweise abzuschöpfen.

Beispiel 1: Der Mietvertrag

Der Vermieter kann die lock in-Situation des Mieters ausnutzen und nach einer Weile die

Miete erhöhen. Er setzt sie dann minimal unterhalb des Mietniveaus, bei welchem der Mieter

kündigt und seine transaktionsspezifischen Investitionen verliert. Hierdurch kann der Vermie-

ter die komplette Quasi-Rente abschöpfen. Um diesen holdup zu verhindern, sollte der Mieter

weitgehenden Kündigungsschutz und Mietpreisgarantien genießen. Allerdings können solche

Lösungsvorschläge wiederum andere Probleme mit sich bringen. Typischerweise kann das

Problem des moral hazard durch Kündigungsschutz und Mietpreisgarantien verschärft wer-

den. Der Mieter pflegt das Eigentum des Vermieters evtl. nicht hinreichend – er hat keine

finanziellen Anreize, den Wohnraum zum Zeitpunkt seines Ausscheidens im Wert zu erhal-

ten. Sollte der Vermieter deswegen unzufrieden sein, so sollte er weitreichende Möglichkeiten

der Kündigung wahrnehmen können – im Widerspruch zu der Notwendigkeit, das holdup-

Problem zu lösen. Daher werden oftmals gleichzeitig holdup und moral hazard im Markt

fortbestehen.

Beispiel 2: Arbeitsvertrag

Viele Arbeitsverträge erfordern transaktionsspezifische Investitionen, insbesondere bezüglich

des Humankapitals. Wer sollte aber bezahlen für Weiterbildung und training on the job? Die-

se Investitionen gehen im Falle der Kündigung verloren. Sofern das Unternehmen die Kosten

übernimmt, kann der Arbeiter durch spätere erhöhte Lohnforderungen diese Quasi-Rente ab-

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schöpfen. Das Unternehmen fürchtet, im Falle eines Ausscheidens des Arbeiters die transakti-

onsspezifischen Investitionen erneut durchführen zu müssen und wird deswegen einer Lohn-

erhöhung zustimmen.

Oftmals werden hohe transaktionsspezifische Investitionen aber auch von den Arbeitern und

Angestellten durchgeführt. Sie eignen sich Wissen an, welches einen Wert nur innerhalb der

Firma hat, in alternativer Verwendung aber weitgehend wertlos ist. Firmen könnten dann ei-

nen holdup gegenüber den Arbeitskräften durchführen. Zur Verteidigung dieser Investitionen

können Gewerkschaften einen wichtigen Beitrag liefern.

Gewerkschaften agieren wie Zulieferbetriebe von Humankapital. Sie verteidigen durch kol-

lektive Aktionen und Drohungen die transaktionsspezifischen Investitionen ihrer Mitglieder.

Dies ist aber dann von Nachteil, wenn die Firma für die Weiterbildung der Arbeiter bezahlt

hat. In diesem Fall kann die Gewerkschaft einen kollektiven holdup organisieren und die

Quasi-Rente des Unternehmens abschöpfen. Besonderes Beispiel hierfür sind Spartengewerk-

schaften, wie die Lokführergewerkschaft GdL, die Ärztegewerkschaft Marburger Bund, die

Kabinengewerkschaft Unabhängige Flugbegleiter Organisation UFO und die Vereinigung

Cockpit der Piloten. Offenbar gibt es auch hier keine first-best-Lösung.

Dort, wo firmenspezifisches Humankapital eine große Rolle spielt, wie z.B. bei Anwaltskanz-

leien oder Unternehmensberatungen, werden diese oft als Sozietäten (Partnerschaften) ge-

führt, also mit vollen Eigentumsrechten der Mitarbeiter.

Beispiel 3: Eigenkapital und Fremdkapital

Für Fremdkapital werden nur feste Zinsen gezahlt und im Konkursfall geht der Gläubiger leer

aus. Auch der Eigenkapitalgeber geht im Konkursfall leer aus; den Gewinn bezieht er aber

alleine. Während also das Konkursrisiko von beiden getragen wird, hat nur der Eigenkapital-

geber die Chance auf ein höheres Einkommen. Dies bewirkt, dass zwischen beiden Geldge-

bern ein Konflikt über die Höhe der Dividende entsteht. Diese stellt nämlich eine Sicherheit

gegenüber dem Konkursrisiko dar. Da die Eigenkapitalgeber Kontrolle über die Firma ausü-

ben, können sie die Höhe der Dividende bestimmen. Damit ergibt sich aber eine Möglichkeit

des opportunistischen Verhaltens. Nach Erhalt von Fremdkapital können sie einen Angriff auf

die Quasi-Rente starten im Sinne eines erhöhten Risikos für den Fremdkapitalgeber.

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Daher versuchen Fremdkapitalgeber, eingegangene Risiken der von ihnen finanzierten Firmen

zu begrenzen. Fremdkapitalgeber versuchen z.B. Kontrollaufgaben innerhalb einer Firma zu

übernehmen, um die eingegangenen Risiken zu kontrollieren. So werden oftmals Positionen

im Aufsichtsrat an Fremdkapitalgeber vergeben. Eine andere Möglichkeit, die genannten

Probleme zu reduzieren, ist der Aufbau langfristiger Kreditbeziehungen, um durch revolvie-

rende Kredite ein Wohlverhalten des Kreditnehmers zu erzwingen.

Beispiel 4: Company Town

O.E. Williamson (1985: 36-38) beschreibt die institutionenökonomische Problematik einer

Company Town, einer Firma, die in einer entfernten Region Rohstoffe fördert und für ihre

Arbeitskräfte eine eigene Stadt gründet. Zu anderen Regionen besteht kein gutes Straßennetz

und damit keine Anbindung an mobile Arbeits- und Gütermärkte, sodass die Arbeitskräfte nur

einem einzigen Arbeitsanbieter gegenüberstehen. Williamson geht insbesondere auf die Frage

der Entlohnung der Arbeitskräfte und die Unterbringung ein: “Given the remote location,

workers will be concerned not merely with wages but also with housing and with the econo-

mic infrastructure. Were the firm to decide to construct housing itself, it could then … rent the

homes to workers on short-term leases… Alternatively, the firm could .. require workers to

construct their own houses.” Beide Varianten haben unterschiedliche Wirkungen in Bezug auf

holdup und moral hazard.

Arbeitskräfte, die ein Haus selbst errichten oder kaufen, tätigen damit eine transaktionsspezi-

fische Investition (lokaler Spezifität). Damit kann die Firma einen holdup durchführen. Sie

kann den Lohnsatz für alle Arbeiter senken. Verlassen diese die Firma, so können sie ihr Haus

nur weit unter den Anschaffungskosten verkaufen. Daher werden sie moderate Lohnsenkun-

gen hinnehmen. Die Firma kann damit die Quasi-Rente der Arbeiter abschöpfen. Eine solche

Möglichkeit hätte die Firma bei Miethäusern nicht. Dann stellt sich aber das Problem, dass

Arbeiter, die die Firma verlassen, keinen Anreiz haben, das Haus in gutem Zustand zu hinter-

lassen. Es droht damit moral hazard.

Beispiel 5: Make or buy - revisited

Die Modellierung von transaktionsspezifischen Investitionen ruft die Frage „make or buy”

erneut auf den Plan. Diese wird hier auch oft mit den Begriffen „hierarchy” und „market”

belegt. Sobald für eine Transaktion (also einem physischen Übergang von einer technologisch

abgrenzbaren Schnittstelle zu einer anderen) spezifische Investitionen anfallen, ist der Markt

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oder die Hierarchie eine alternative Organisationsform. Das Risiko des Opportunismus ist

größer bei einem Austausch über den Markt. Ein unabhängiger Marktpartner wäre keinen

Restriktionen ausgeliefert und würde gemäß seinem jeweiligen momentanen Vorteil handeln.

Opportunismus wird so wahrscheinlicher. Dies bewirkt, dass einzigartige Produktionsfakto-

ren, welche sich entziehen lassen, sich typischerweise im Besitz des Produzenten befinden

und nicht über den Markt bezogen werden. Dieses Ergebnis ist im Einklang mit den bisheri-

gen Überlegungen zu „make or buy“.

Hierbei liegt eine besondere Form der market TC vor: ex post opportunistisches Verhalten

lässt sich nach Durchführung transaktionsspezifischer Investitionen nur schlecht eindämmen.

Entweder sind die Verhandlungskosten für eine Eindämmung zu hoch (weil alle Eventualitä-

ten geregelt werden müssen). Oder das Problem bleibt unvollständig gelöst, ein holdup wird

also wahrscheinlicher. Es entstehen also Transaktionskosten, welche die Marktbenutzung zu

teuer werden lassen und einen Besitz des Produktionsfaktors empfehlen. Wir können somit

feststellen, dass die market TC mit der Höhe der transaktionsspezifischen Investitionen an-

steigen. Das gleiche gilt nicht, oder zumindest deutlich abgeschwächt, bei einem Austausch

innerhalb einer Firma. Dieser Sachverhalt lässt sich anhand einer einfachen Graphik darstel-

len. Hierbei bezeichnet k das Ausmaß, mit dem Investitionen transaktionsspezifisch sind. Da-

bei kann k Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Bei k=0 sind Investitionen nicht transaktions-

spezifisch. In diesem Fall ist ein Austausch über den Markt vorteilhaft, da am Markt Anreize

zu Eigenverantwortung, Effizienz und hohem Arbeitseinsatz in höchstem Ausmaß gegeben

sind (und wir sonstige market TC hier vernachlässigen). Diese Anreize sind schwächer in ei-

ner Firma und lassen sich nur mit hohen managerial TC beseitigen. Es sind gerade die high-

powered incentives der Marktbeziehung, welche ein opportunistisches Verhalten erst wahr-

scheinlich machen. Der Hierarchie wird erst der Vorzug gegeben, wenn transaktionsspezifi-

sche Investitionen die Gefahr des holdup so groß werden lassen, dass sie die Vorteile der bes-

seren Anreize überkompensieren. So wird typischerweise ein Verlag seine Bücher bei einer

externen Druckerei drucken lassen. Eine Zeitung ist aber auf einen sofortigen Service ange-

wiesen und könnte durch Dritte mit einem holdup bedroht werden. Ein großer Anteil der In-

vestitionen einer Tageszeitung ist transaktionsspezifisch, sodass k weiter rechts liegt. Sie wird

die Druckerei deswegen zumeist selbst besitzen.

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Quiz

Unter der Quasi-Rente versteht man den Teil der Entlohnung,

1. den eine Ressource in der zweitbesten Verwendung erbringt.

2. der notwendig ist, um eine Ressource in ihrer Verwendung zu erhalten.

3. der über die zur Erhaltung einer Ressource in ihrer Verwendung notwendige Mindest-

entlohnung hinausgeht.

4. der einen über die marginalen Kosten hinausgehenden Deckungsbeitrag erbringt.

Unter einem holdup versteht man

1. den Versuch, die Quasi-Rente abzuschöpfen.

2. ein erpresserisches Verhalten von Inhabern einzigartiger Produktionsfaktoren.

3. die Drohung, eine für die Produktion wichtige Ressource zu entziehen.

4. Alle obigen Antworten sind richtig.

Mit steigender Höhe der transaktionsspezifischen Investitionen

1. steigen die market transaction costs.

2. sinken die market transaction costs.

3. sinken die managerial transaction costs.

4. steigen die managerial transaction costs, und zwar stärker als die market transaction

costs.

Der Inhaber einer Zeitung

1. sollte die Druckerei niemals integrieren.

2. sollte die Druckerei integrieren, wenn Skalenerträge in der Produktion auftreten.

3. sollte den Druck von einem externen Anbieter durchführen lassen, wenn hohe Skalen-

erträge in der Produktion auftreten.

4. sollte den Druck von einem externen Anbieter durchführen lassen, wenn keine Ska-

lenerträge in der Produktion auftreten.

Literatur

Alchian, A. und S. Woodward (1988), “The Firm Is Dead; Long Live The Firm a Review of

Oliver E. Williamson's The Economic Institutions of Capitalism The Economic Institu-

tions of Capitalism: Firms, Markets, Relational Contracting. by Oliver E. Williamson”,

Journal of Economic Literature 26 (1): 65-79.

Douma, S. und H. Schreuder (2008: 161-173).

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96

Erlei, M, M. Leschke und D. Sauerland (1999: 175-193).

Furubotn, E.G. und R. Richter (2005: 141-154).

Klein, B., R.A. Crawford und A.A. Alchian (1978), Vertical Integration, Appropriable Rents,

and the Competitive Contracting Process. Journal of Law and Economics, 21, 297-326.

Williamson, O.E. (1985: 32-38; 43-67; 90-96).

Übungsaufgaben

Aufgabe 9.1

Für die Vermietung einer Wohnung seien verschiedene vertragliche Vereinbarungen möglich:

a) Der Vermieter kann jederzeit kündigen oder den Mietpreis erhöhen.

b) Der Mietvertrag kann vom Vermieter nicht gekündigt werden und der Mietpreis bleibt

während der Laufzeit konstant.

Erläutern Sie die institutionenökonomischen Probleme jeder dieser beiden Vertragsausgestal-

tungen. Gehen Sie hierbei auf transaktionsspezifische Investitionen, holdup und moral hazard

ein.

Aufgabe 9.2

Gehen Sie zurück zu Aufgabe 4.44. Erläutern Sie den Begriff „transaktionsspezifische Inves-

tition“ unter beispielhaftem Rückgriff auf diese kurze Beschreibung.

Aufgabe 9.3

FTD, 21.9.2006: Kreml drängt in große Energieprojekte

Russland versucht, im Streit um das ostsibirische Gas- und Ölförderprojekt Sachalin 2 eine

Beteiligung des staatlich kontrollierten Energiekonzerns Gasprom durchzusetzen. Das Vorha-

ben könne schneller vorankommen, wenn ein Unternehmen wie Gasprom beteiligt werde,

sagte Russlands Botschafter in Japan, Alexander Losjukow, gestern nach Angaben der Nach-

richtenagentur Reuters. Die Gespräche über eine Beteiligung an dem vom Ölkonzern Royal

Dutch/Shell betriebenen Projekt könnten noch in diesem Jahr zu einem Ergebnis kommen.

Am Montag hatten russische Behörden unter Verweis auf Verstöße gegen Umweltvorschrif-

ten Genehmigungen für das Förderprojekt zurückgezogen.

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Zunehmend Schwierigkeiten bekommt auch das russisch-britische Gemeinschaftsunterneh-

men TNK-BP, das die Ausbeutung des ostsibirischen Gasfeldes Kowykta plant. Wie aus un-

ternehmensnahen Kreisen verlautete, wollen die Behörden von Irkutsk die Lizenz des Unter-

nehmens aussetzen, ebenfalls wegen Umweltauflagen. Bereits seit längerem wird spekuliert,

dass Gasprom und der staatliche Ölkonzern Rosneft Interesse an einem Einstieg bei TNK-BP

haben.

Die Vorgänge belegen, dass die umweltrechtlichen Bedenken lediglich ein Vorwand des Staa-

tes sind, um vom Kreml kontrollierte Unternehmen an dem Geschäft zu beteiligen. Die Prob-

leme für Shell beim Ausbau von Sachalin 2 folgen einem Muster, das auch bei anderen Ener-

gieunternehmen mit ausländischer Beteiligung zum Einsatz kommt. So musste der US-

Konzern Exxon Mobil die Ölförderung beim Projekt Sachalin 1 wegen einer angeblichen

technischen Überprüfung stoppen. Und auch TNK-BP wird bei der Ausbeutung von Kowykta

bereits seit längerem unter Druck gesetzt.

Russische Marktbeobachter hegen keinen Zweifel am eigentlichen Beweggrund der Behör-

den: „Der Staat will entweder die Rolle russischer Unternehmen bei den Projekten stärken

oder die Projekte selbst der aktuellen russischen Rechts- und Steuerlage unterwerfen“, heißt

es bei den Analysten der Moskauer Investmentbank Deutsche UFG.

Die Energieförderung auf der russischen Pazifikinsel Sachalin geht auf Verträge aus den 90er

Jahren zurück. Damals gelang es Exxon Mobil und Shell, mit Russland die Entwicklung und

den Betrieb der Großprojekte Sachalin 1 und Sachalin 2 auszuhandeln. Der Ölpreis war in den

90er Jahren, auch im Gefolge der Asienkrise, auf Werte um 10 $ je Barrel abgesackt. Der rus-

sische Staat hatte in dieser Situation kein Interesse daran, mit staatlichen Unternehmen in die

teuren und riskanten Projekte zu investieren.

Mit den stark gestiegenen Ölpreisen der vergangenen Jahre hat sich die Situation grundlegend

geändert. Bei der Vergabe von Förderrechten in der Energiewirtschaft und bei anderen strate-

gisch bedeutenden Rohstoffen müssen russische Unternehmen künftig generell die Mehrheit

halten, wenn ausländische Investoren beteiligt sind. Seit geraumer Zeit versucht der russische

Staat zudem, bei der Energieförderung möglichst viel Einfluss von privatwirtschaftlichen Un-

ternehmen zurückzugewinnen und staatliche Konzerne wie Gasprom und Rosneft aufzuwer-

ten. Exxon steht mit seinem Sachalin-1-Projekt schon länger unter dem Druck russischer Be-

hörden, die immer wieder die Einhaltung von Verträgen in Zweifel ziehen und mit Lizenzent-

zug drohen.

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a) Inwiefern lässt sich der Vorfall als holdup beschreiben? Welches sind die transaktionsspe-

zifischen Produktionsfaktoren und welchen Einsatzfaktor droht Russland zu entziehen?

b) Welche Entwicklung hätte sich eingestellt, falls sich statt der Erhöhung ein Sinken des

Ölpreises eingestellt hätte?

c) Erleiden die derzeitigen Ölförderer einen Verlust durch das Verhalten Russlands?

d) Halten Sie das russische Verhalten für rational? Würden die Ölförderer sich erneut für ein

Engagement in Russland entscheiden?

Aufgabe 9.4

Der Transport von Rohöl von den Ölfeldern zu den Raffinerien lässt sich grundsätzlich mit

Hilfe von Pipelines oder mit Schiffen durchführen. Es ist zu beobachten, dass für einen

Schiffstransport zumeist ein unabhängiger Transporteur beauftragt wird, wohingegen eine

Pipeline entweder dem Eigentümer der Ölfelder oder dem Eigentümer der Raffinerie oder

beiden zugleich gehört.

a) Beschreiben Sie, was genau unter Opportunismus zu verstehen ist!

b) Welche Form von transaktionsspezifischen Investitionen unterscheidet Williamson und

welche liegt in dem oben genannten Beispiel vor?

c) Inwieweit könnte ein unabhängiger Besitzer der Pipeline einen holdup durchführen?

d) Inwiefern könnten andererseits die Eigentümer der Ölfelder oder Raffinerien gegenüber

dem Eigentümer der Pipeline einen holdup durchführen?

e) Wieso ist ein holdup bei Schiffstransport nicht möglich?

f) Inwiefern folgt aus der Beantwortung der vorhergehenden Teilfragen die Tatsache, dass

ein Schiffstransporteur zumeist unabhängig ist, wohingegen die Pipeline den Eigentümern

der Ölfelder und/oder der Raffinerie gehört?

Aufgabe 9.5

Unten ist eine aus der Vorlesung bekannte Graphik, die den Zusammenhang zwischen Trans-

aktionskosten und der Spezifität von Investitionen, k, darstellt.

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a) Wieso verläuft die Kurve der Market transactions costs mit einer positiven Steigung?

b) Wie ist der Schnittpunkt der beiden Kurven zu interpretieren und was gilt links vom

Schnittpunkt?

Transaktions-kosten

Market transaction costs

Managerial transaction costs

1 0 k

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Zwischen Markt und Hierarchie

Bisher wurde make or buy als Entscheidung zwischen zwei Alternativen dargestellt, zwischen

Markt und Hierarchie. Dies lässt aber die vielfältigen Möglichkeiten außer Acht, mit denen

sich die Vorteile der beiden Varianten verknüpfen lassen.

Bei einer hierarchischen Lösung können marktähnliche Anreize implementiert werden. So

existiert auch innerhalb einer Firma Wettbewerb und dieser kann gezielt zur Leistungssteige-

rung eingesetzt werden. Sofern es möglich ist, die Leistung des Einzelnen zu messen (Mess-

problem), kann dieser leistungsgerecht entlohnt werden. Es können profit-center eingerichtet

werden, mit denen ein marktähnlicher Austausch simuliert wird. Solche Bestrebungen stoßen

aber an Grenzen. Bei einem übermäßigen Gewinn eines profit-centers wird der Anreizvertrag

nach unten angepasst, damit die gesamte Firma hiervon mit profitieren kann – der Vertrag

wird somit opportunistisch angepasst. Bei einem kalkulatorischen Konkurs eines profit-

centers werden deren Mitarbeiter typischerweise nicht entlassen, sondern es findet eine Neu-

ordnung des Arbeitsvertrages statt. Dies impliziert, dass die Anreize innerhalb einer Hierar-

chie nicht vollständig diejenigen des Austauschs über den Markt erreichen werden.

Bei einer Entscheidung für den Markt finden sich Methoden, mit denen Opportunismus ein-

gedämmt werden kann. So werden hierbei z.B. private Formen der Konfliktvermeidung und

-lösung gesucht. Mit letzteren werden wir uns in Abschnitt 11 befassen. Hier wollen wir die

Möglichkeit betrachten, Verträge zu schließen und Gerichte zu ihrer Durchsetzung zu bemü-

hen.

Gerichtliche Durchsetzung von Verträgen

Bei einer gerichtlichen Durchsetzung unterwerfen sich beide Parteien dem Urteil eines Drit-

ten: Eines amtlich bestellten Richters oder eines Schiedsgerichts (trilateral governance). Tri-

lateral governance geht mit der Notwendigkeit einher, viele Eventualitäten vertraglich genau

Abschnitt 10: Incomplete Contract Theory

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zu antizipieren und zu regeln. Die resultierenden Verträge werden dabei sehr lang, ihre Aus-

arbeitung mühsam. Im Vertragstext muss der Aufgabenbereich eines Vertragspartners genau

bestimmt werden. Ein Ziel der Vertragsgestaltung besteht darin, schuldhaftes und opportunis-

tisches Verhalten von unverschuldeter Nichterfüllung (z.B. wg. höherer Gewalt) zu unter-

scheiden. Während im ersten Fall Strafen oder Schadenersatz vereinbart werden, würde im

zweiten Fall eine Teilung des Risikos vorteilhaft werden. Diese Abgrenzung muss detailliert

beschrieben und gerichtlich durchgesetzt werden. Lücken im Vertrag könnten Opportunismus

einer Marktseite bewirken und müssen daher vermieden werden.

Je innovativer ein Projekt, desto schwieriger ist die Antizipation von Eventualitäten. Der

Aufwand, der für gerichtlich durchsetzbare Verträge getätigt werden muss, kann hierbei zu

groß werden. Die Verträge zur Einführung eines Mautsystems in Deutschland waren mehrere

tausend Seiten lang, die beigefügten Anhänge gingen darüber noch weit hinaus. In der Folge

ist ein gerichtliches Verfahren zeitraubend und mit erheblichem Ressourcenaufwand verbun-

den. Die Folge kann sein, dass eine Rechtsdurchsetzung durch Gerichte zu teuer ist und eher

private Formen der Durchsetzung von Ansprüchen zur Anwendung kommen.

Hier zeigt sich ein Beispiel für ein Aufeinandertreffen von formellen und informellen Institu-

tionen. Dabei ergibt sich ein substitutives Verhältnis zwischen diesen beiden Institutionen.

Der Staat schafft formelles Recht, dessen Durchsetzung aber teuer ist. Private Methoden sind

informell und könnten kostengünstiger sein.

Asymmetrische Information – mal anders

Die gerichtliche Durchsetzung von vertraglichen Ansprüchen ist nicht nur aufwändig, sie

könnte auch mit einer weiteren Form der asymmetrischen Information einhergehen. Vertrag-

lich kann geregelt werden, welches Verhalten schuldhaft ist, welches unverschuldet. Die

Komplexität der formulierten Verträge kann dabei auch das Urteilsvermögen eines guten

Richters überfordern. Parteien, die sich auf eine gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche

verlassen, gehen dabei das Risiko ein, dass ein Richter den Vertrag missversteht, oder auf-

grund sachfremder Abwägungen entscheidet.

Besonders deutlich wird die Schwierigkeit bei der Entscheidung darüber, ob ein holdup vor-

liegt. Die Unterbrechung der Wasser- oder Stromversorgung mag vom Versorger mit techni-

schen Schwierigkeiten begründet werden, könnte allerdings auch als Drohung zur Durchset-

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zung von Preiserhöhungen intendiert sein. Ein Gericht hätte also zu prüfen, ob die Begrün-

dung schlüssig ist oder in Wirklichkeit ein holdup durchgeführt wird. Hierbei kann das Ge-

richt aber überfordert sein, wenn die sachliche Beurteilung privates Wissen der Beteiligten ist.

Die Schuldfrage wäre nicht kontrahierbar, wenn das Gericht schlechter informiert ist als die

Vertragsparteien. Vertragliche Bestandteile sind dann nicht durchsetzbar, weil sie nicht von

einem Dritten verifiziert werden können. Hier liegt eine besondere Form der asymmetrischen

Information vor. Information ist nicht zwischen den Vertragsparteien asymmetrisch verteilt,

sondern zwischen diesen und einem neutralen Dritten.

Ein formales Modell

Eine Folge der fehlenden Verifizierbarkeit besteht in verzerrten Anreizen zur Durchführung

transaktionsspezifischer Investitionen. Dies wurde in dem Modell der unvollständigen Verträ-

ge (incomplete contract) von Grossman und Hart (1986) formal gezeigt.

Angenommen, ein Käufer und ein Verkäufer stehen in einem dauerhaften Austausch mit-

einander. Sie handeln ein bestimmtes Gut zum Zeitpunkt 1 und wissen, dass eine Erhöhung

des Gewinns im Zeitpunkt 2 möglich ist. Man denke hier an einen Zulieferer und einen Ab-

nehmer. Der Abnehmer kann das Endprodukt am Markt verkaufen zum Preis v (z.B. v=32).

Der Zulieferer stellt ein Zwischenprodukt zu Kosten c her (z.B. c=16). Insgesamt entsteht

beiden der Gewinn v-c (z.B. 32-16=16), wobei wir von sonstigen Kosten absehen. Wir unter-

stellen, dass der gemeinsame Gewinn gleichmäßig aufgeteilt wird (z.B. jeder erhält 8). Dies

lässt sich formal als Nash-Produkt beschreiben. Nun könnte der Zulieferer in Forschung in-

vestieren. Diese Investitionen I könnten die Produktionskosten für das Zwischenprodukt ver-

ringern (z.B. von c=16 auf c‘=10). Sie sind aber transaktionsspezifisch und hätten keinen

Nutzen für andere Kunden als den einen Abnehmer. Wir nehmen an, dass die transaktionsspe-

zifischen Kosten I überproportional ansteigen mit der Wahrscheinlichkeit π, die Kosten zu

reduzieren. Es gilt also I=aπ2 (z.B. I=6π2).

Risikoneutrale Kontrahenten möchten gemeinsam das erwartete soziale Optimum maximie-

ren: maxπ π(c-c‘)-aπ2. Als Bedingung erster Ordnung folgt 2aπ=c-c‘�π=(c-c‘)/(2a), (z.B.

π=(16-10)/12=1/2). Die optimalen transaktionsspezifischen Investitionen betragen dann I=(c-

c‘)2/(4a) (z.B. I=62/12=3/2).

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Tatsächlich handeln die Beteiligten aber unabhängig voneinander als Eigennutzmaximierer.

Der Abnehmer wird beobachten, falls der Zulieferer das Zwischenprodukt günstiger produzie-

ren kann. Diesbezüglich gehen wir also von vollständiger Information aus. Er wird dann aber

nachverhandeln. Er wird behaupten, das Zwischenprodukt habe sich leicht verändert oder

konkurrierende Zulieferer hätten günstigere Konditionen angeboten. Zur Fortführung der

langfristigen Lieferbeziehung ist ein Kompromiss mit dem Abnehmer erforderlich. Wir unter-

stellen, dass bei Verhandlungen der Zugewinn aus gemeinsamer Zustimmung gleichmäßig auf

die Beteiligten verteilt wird. Damit wird der Abnehmer zur Hälfte von der Kosteneinsparung

des Zulieferers profitieren.

Für den Zulieferer ergibt sich bezüglich der Höhe der transaktionsspezifischen Investitionen

die folgende Berechnung: maxπ π(c-c‘)/2-π2/2. Als Bedingung erster Ordnung folgt 2aπ=(c-

c‘)/2�π=(c-c‘)/(4a), (z.B. π=(16-10)/24=1/4). Die optimalen transaktionsspezifischen Inves-

titionen betragen dann I=(c-c‘)2/(16a) (z.B. I=62/48=3/8). Es resultiert eine Unterinvestition;

das soziale Optimum nicht erreicht.

Könnte mit Hilfe von Verträgen das soziale Optimum erreicht werden? Abnehmer und Zulie-

ferer könnten einen Vertrag schließen, in dem festgelegt wird, dass Kostenvorteile, die aus

Forschung und Innovation entspringen, vollständig beim Zulieferer verbleiben. Aber die

Rechte hieraus lassen sich nicht vor Gericht einfordern. Ein Gericht könnte evtl. beobachten,

dass Kosteneinsparungen vorliegen und in Forschung investiert wurde. Es könnte aber den-

ken, dass die Forschung nutzlos war und die Kosteneinsparungen aufgrund anderer Einflüsse

entstanden. Die vertraglichen Details können somit nicht von einem Gericht verifiziert wer-

den. Die Beteiligten können aufgrund der Nichtverifizierbarkeit erst dann in Verhandlungen

treten, wenn die Kosteneinsparung aufgetreten ist. Dies ist aber zu spät, um dem Zulieferer

optimale Anreize für Forschung zu geben.

Nun gibt es aber eine Lösung für das Problem: Der Zulieferer könnte den gesamten Anteil des

Abnehmers aufkaufen. Die Aufteilung des Gewinns wird damit irrelevant, da Gewinne ohne-

hin dem Zulieferer zufließen. Damit sind wir zurück in der Fragestellung von make or buy.

Erneut sind es Transaktionskosten, die hierzu einen Beitrag liefern. Es ist unmöglich (oder zu

teuer), einem Gericht die Kausalität zwischen transaktionsspezifischen Investitionen und Kos-

teneinsparungen zu beweisen, damit diese nicht vom Markt ausgenutzt werden. Daher erweist

sich die Hierarchie als vorteilhaft.

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Beispiel 1: Wer sollte Eigentümer werden?

Mit dem formalen Modell wird noch nicht das reichhaltige Ergebnis von Grossman und Hart

(1986) vollständig wiedergegeben. Mit dem Modell wird nämlich auch ein Beitrag geliefert

zur Beantwortung der Frage, wer der Eigentümer werden sollte. Es könnte nämlich passieren,

dass auch der Abnehmer transaktionsspezifische Investitionen durchführen kann. Er investiert

T=bδ2 (z.B. I=6δ2) und kann mit der Wahrscheinlichkeit δ ein verbessertes Produkt produzie-

ren, das am Markt einen Preis von v‘=44 erzielt. Für die Maximierung des sozialen Optimums

folgt: maxδ δ(v‘-v)-bδ 2. Als Bedingung erster Ordnung folgt 2bδ = v‘-v �δ =( v‘-v)/(2b),

(z.B. δ=(44-32)/12=1). Aber der Abnehmer befürchtet Nachverhandlungen des Zulieferers

und erwartet, nur die Hälfte des Zugewinns behalten zu können: maxδ δ(v‘-v)/2-bδ 2. Als Be-

dingung erster Ordnung folgt 2bδ =(v‘-v)/2�δ =(v-v‘)/(4b), (z.B. δ=(44-32)/24=1/2). Erneut

wären die transaktionsspezifischen Investitionen zu gering. Es würde sich daher für den Ab-

nehmer lohnen, den Zulieferer aufzukaufen und sämtliche Anteile der Firma zu übernehmen.

Wenn aber sowohl Zulieferer als auch Abnehmer transaktionsspezifische Investitionen durch-

führen können, wer sollte dann wen aufkaufen? Hierbei ergibt sich das Problem, dass durch

Aufkauf der Anreiz zu transaktionsspezifischen Investitionen der aufgekauften Firma ver-

schwindet. Die aufgekaufte Firma erzielt ja keinen Vorteil mehr aus ihrer erhöhten Mühe und

den Investitionen in die Forschung. Sie kann auch nicht zu den Investitionen gezwungen wer-

den, da diese nicht kontrahierbar sind. Daher wird derjenige sich als Eigentümer durchsetzen,

der mit seinen transaktionsspezifischen Investitionen den höheren Zugewinn erzielt. In unse-

rem Beispiel ist dies der Abnehmer, da v‘-v>c-c‘. Er könnte den höheren Preis bieten für die

Anteile.

Wir hatten in Abschnitt 3 ausgeführt, dass derjenige der Eigentümer sein solle, der mit den

geringsten Kosten den Ressourceneinsatz kontrollieren könnte. Aus Sicht der transaktionsspe-

zifischen Investitionen haben wir nun einen ergänzenden Blick auf dieses Thema erhalten.

Beispiel 2: Waldbesitz in Oaxaca

Kommunen in Mexiko sind Eigentümer des Waldes und können die Holzproduktion selbst

organisieren oder an eine private Firma abgeben. Integration des Waldes in die private Firma

ist hierbei nicht möglich. Bei Abgabe an eine private Firma kann diese transaktionsspezifische

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Investitionen in die Holzproduktion tätigen (Maschinen und Fuhrpark, Anlegen von Trans-

portwegen, know-how) mit dem ihr zur Verfügung stehenden Expertenwissen. Andererseits

sind Investitionen der Kommune in den Wald (Aufforstung, Erhaltungsmaßnahmen, Feuer-

schutz) damit transaktionsspezifisch. Sie führen zu erhöhtem Gewinn der privaten Firma. Dies

erschwert die Vertragsgestaltung.

Empirisch zeigt sich, dass Kommunen mit mehr Expertenwissen, höherem Humankapital und

größerem Wald die Holzproduktion selbst organisieren. Der Vorteil privater Firmen bezüglich

vorhandenem Fuhrpark und Expertenwissen wiegt dort geringer, weil die Kommune eher Zu-

griff auf diese Ressourcen hat.

Beispiel 3: AOL und Time Warner

Im Jahre 2000 fusionierten der US-Internetdienst AOL und das US-Medienunternehmen Time

Warner. Mit einem gesamten Fusionsvolumen von 182 Milliarden Dollar (zu Zeiten der Pla-

nung sogar noch höher bewertet) ist dies bis heute die größte vertikale Integration. Time War-

ner betrieb viele Printmedien und hatte zuletzt den Bereich Kabel-TV und Unterhaltung aus-

gebaut, allerdings mit schwachen Wachstumsraten. Time Warner suchte einen verbesserten

Zugang zu neuen Kundenkreisen. AOL war einer der weltweit größten Provider, der über tele-

fonische Einwahl und Breitband Zugang zum Internet bot. Seinen Kunden versuchte AOL

maßgeschneiderte Inhalte anzubieten. Nach Bekanntgabe der Fusion stieg der Kurs von Time

Warner um 12%, der von AOL um 19%. Aber wie kam es, dass AOL 55% der Anteile erhielt

und Time Warner nur 45% und wie konnte der CEO von AOL, Steve Case, den Chefposten

reklamieren, sodass am Ende von einer Übernahme durch AOL die Rede war? Dies über-

rascht insbesondere, weil AOL bezüglich der Anzahl der Mitarbeiter und beim Umsatz deut-

lich kleiner war. So wurde erwartet, dass AOL nur 20% zum Umsatz des Gesamtunterneh-

mens beitragen würde.

Zum einen waren Aktien im Bereich der Computertechnologie im Jahre 2000 deutlich über-

bewertet. So lag auch die Marktkapitalisierung von AOL über derjenigen von Time Warner.

Zum anderen hatte evtl. AOL die aussichtsreicheren transaktionsspezifischen Investitionen zu

bieten. Technische Innovationen, mit denen Nutzer bei Einwahl gleich auf die Inhalte geleitet

werden und dort länger verweilen, waren weitgehend der Hoffnungsträger dieser Fusion.

Ähnliche transaktionsspezifische Investitionen konnte Time Warner kaum aufweisen. Dies

könnte dazu beigetragen haben, dass Anleger eine Führerschaft von AOL wollten. Evtl. kann

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damit das Modell von Grossman und Hart einen Beitrag zur Erklärung dieser Fusion liefern.

Rückblickend sei nicht unerwähnt, dass das neue Gemeinschaftsunternehmen keinen Erfolg

hatte, die Marktkapitalisierung um 90% sank und die beiden Unternehmen 2009 wieder aus-

einandergingen. Das Geschäftsmodell einer Integration von Internetzugang und Inhalt stellte

sich bei der weiteren Ausbreitung des Internets und dem Kundenwunsch nach einer Vielfalt

von Inhalten als unbrauchbar heraus.

Quiz

Der Zulieferer eines Zwischenprodukts hat nur einen geringen Anreiz, durch Forschungsan-

strengungen seine Produktionskosten zu senken, weil ein Abnehmer den Preis des Zwischen-

produkts

1. unverändert lassen wird.

2. erhöhen wird.

3. senken wird.

4. erratisch schwanken lassen wird.

Ein Automobilhersteller erwägt, durch Forschungsanstrengungen die Qualität seiner Autos zu

verbessern und damit höhere Preise zu erzielen. Er fürchtet Preiserhöhungen für den von ei-

nem Zulieferer bezogenen einzigartigen Produktionsfaktor. Das soziale Optimum wird erzielt,

wenn der Automobilhersteller

1. dem Zulieferer Preiserhöhungen untersagt.

2. die Forschungsanstrengungen reduziert.

3. mit dem Zulieferer Kompromisse schließt.

4. die Aktien des Zulieferers aufkauft.

Literatur

Aghion, P. und R. Holden (2011), „Incomplete Contracts and the Theory of the Firm: What

Have We Learned over the Past 25 Years?“ Journal of Economic Perspectives, Volume

25(2): 181–197.

Antionori, C. and G.C. Rausser (2008), “Ownership and Control in Mexico’s Community

Forestry Sector”, Economic Development and Cultural Change, Vol. 57(1): 101-136.

Furubotn, E.G. und R. Richter (2005: 251-258).

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Übungsaufgaben

Aufgabe 10.1

Ein Zulieferer eines deutschen Automobilunternehmens steht vor der Frage, ob er in die Er-

forschung einer neuen Technologie investieren sollte, z.B. einer Technik, mit der Rußpartikel

bereits bei der Verbrennung im Motor vermieden werden. Die Wahrscheinlichkeit, mit der

eine solche neue Technik die europäischen Umweltstandards erfüllt, π, ist abhängig von der

Höhe der (transaktionsspezifischen) Forschungsinvestitionen des Zulieferers:

I=π2.10.000.000

Der Marktwert der Innovation im Falle einer erfolgreichen Einführung beträgt v=10.000.000

€ und fällt beim Automobilunternehmen an. Hinweis zur Bearbeitung: Der Marktwert v lässt

sich im Modell so behandeln wie eine Kostenersparnis des Zulieferers, c-c‘.

a) Bestimmen Sie das soziale Optimum für die beiden Parteien! Wie hoch sind die Investiti-

onen des Zulieferers und der gemeinsame Gewinn?

b) Angenommen, Gerichte könnten v verifizieren. Wie könnte in diesem Fall ein optimaler

Vertrag aussehen?

c) Angenommen, Gerichte könnten I oder π verifizieren. Wie könnte in diesem Fall ein op-

timaler Vertrag aussehen?

d) Unterstellen Sie nun, dass Gerichte weder die Durchführbarkeit der Forschungsmaßnah-

men noch den Marktwert der Innovation überprüfen können (z.B. weil der Zulieferer auch

anderweitige Forschung falsch deklarieren und das Unternehmen den Marktwert der In-

novation anderen Erfolgsfaktoren zuschreiben könnte). Die Firmen einigen sich darauf,

dass nach Durchführung der Forschung Verhandlungen über die Einführung und die Auf-

teilung des Gewinns geführt werden. Hierbei ist dann beiderseitige Zustimmung für die

Markteinführung erforderlich. Der Zugewinn aus gemeinsamer Zustimmung wird gleich-

mäßig auf die Beteiligten verteilt (Nash-Produkt). Wie hoch sind in diesem Fall die Inves-

titionen, die Wahrscheinlichkeit der Einführung und die Gewinne der beiden Firmen?

Aufgabe 10.2

Ihr Arbeitgeber fordert Sie dazu auf, die Chance auf ein höheres zukünftiges Einkommen

durch Investitionen in Ihre berufliche Fortbildung zu verbessern. Je höher hierbei Ihre Investi-

tionen I, desto höher ist die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Produktinnovation, die sie ge-

meinsam mit Ihrem Arbeitgeber am Markt einführen können. Die Kosten Ihrer Investition I

betragen hierbei in Abhängigkeit von der Erfolgswahrscheinlichkeit π mit 0<π<1: I =

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π2·100.000. Weder diese Investitionen, noch die Wahrscheinlichkeit π lassen sich von einem

Gericht verifizieren. Genauso wenig können spätere Gewinne des Arbeitgebers oder Kosten-

vorteile aufgrund der beruflichen Fortbildung und ihre Zuordnung zu Ihrer Investition von

einem Gericht verifiziert werden. In einer späteren Periode entscheidet der Zufall gemäß der

Wahrscheinlichkeit π, ob sich die Innovation durchführen lässt. Falls dies gegeben ist, kann

Ihr Arbeitgeber einen Bruttogewinn v in Höhe von 80.000 am Markt erzielen.

a) Bestimmen Sie die Investitionen in Fortbildung, I, und die Erfolgswahrscheinlichkeit π

im sozialen Optimum!

b) Wieso könnten im Rahmen des bekannten Incomplete Contracts Modells die folgenden

Versuche, das soziale Optimum zu erreichen, scheitern? Geben Sie jeweils eine kurze

Antwort!

i. Ihr Arbeitgeber finanziert die berufliche Fortbildung zur Hälfte mit!

ii. Ihr Arbeitgeber verspricht Ihnen vor der Durchführung ihrer Fortbildung im

Erfolgsfall den gesamten Gewinn v=80.000!

c) Bestimmen Sie Ihr individuelles Optimum unter der Maßgabe, dass die Versuche Ihres

Arbeitgebers zur Erzielung des sozialen Optimums scheitern. Unterstellen Sie hierbei,

dass bei möglicher Markteinführung Ihr Arbeitgeber im Rahmen von Verhandlungen eine

Aufteilung des Nettogewinns gemäß Nash-Produkt mit Ihnen vereinbart.

d) Wie ließe sich durch vertikale Integration das soziale Optimum erzielen?

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Private Methoden der Konfliktvermeidung

Anstatt Gerichte zur Durchsetzung gegenseitiger Ansprüche zu bemühen, können Vertrags-

parteien nach Methoden suchen, Streitigkeiten intern zu klären. Es wird dann im Gegensatz zu

trilateral governance nur bilateral verhandelt (bilateral governance). Der Vorteil hieraus ist,

dass keine Kosten für Gerichte anstehen und dass Verträge nicht so ausgestaltet werden müs-

sen, dass sie ein Externer verstehen und verifizieren muss. Es genügt dann, dass die Beteilig-

ten selbst den Vertrag verstanden haben und die Konsequenzen kennen, die ihnen aus Fehl-

verhalten resultiert. Dabei muss der Vertrag private Sanktionen bereitstellen, damit Fehlver-

halten unattraktiv wird.

Hostage

Nehmen wir an, A könnte nach Abschluss eines Vertrages durch B geschädigt werden, falls B

sich opportunistisch verhält. Dies könnte nun dadurch eingedämmt werden, dass A von B zur

Absicherung ein Pfand einfordert (Geisel=hostage). Dieses kann A bei opportunistischem

Verhalten des B einbehalten. Damit lohnt sich opportunistisches Verhalten für B nicht mehr.

Hier denken wir z.B. an eine Kaution im Falle des Mietvertrages. Eine Vorauszahlung dient

ebenfalls als Pfand und wird gerade dort eingefordert, wo nach Vertragsschluss Investitionen

in die Vertragserfüllung notwendig sind. Zumeist hat ein hostage einen Wert, der für A und B

identisch ist, wie z.B. bei der Mietkaution oder der Vorauszahlung. Gleichzeitig mit dem Aus-

tausch von Leistung und Gegenleistung (inklusive einer Prüfung, dass B nicht opportunistisch

gehandelt hat) kann dann Zug um Zug die Geisel zurückgegeben werden.

Es existieren auch hostages, welche für A keinen Wert haben, sondern nur für B. Hier denken

wir z.B. an zwischenstaatliche Bündnisse, die durch Heirat garantiert wurden. Die geliebte

Tochter des Königs B wurde mit dem Herrscher eines anderen Landes A verheiratet und lebte

fortan an seinem Hof. Das Besondere hieran ist, dass das resultierende Bündnis selbst dann

funktioniert, wenn A die Königstochter nicht wertschätzt. Es genügt, dass B sie liebt und um

ihre Sicherheit im Falle des Konflikts fürchtet.

Abschnitt 11: Bilateral Gover-nance

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Brand name capital kann auch als hostage aufgefasst werden: Eine Firma investiert hierbei in

die Art und Weise, wie sie selbst von Kunden wahrgenommen wird. Der Kunde kann dieses

„Kapital“ aber im Falle des Fehlverhaltens vernichten. Er selbst hat hieraus keinen unmittel-

baren Nutzen, weiß aber, dass sein Verhalten den Inhaber des brand name capitals zu Wohl-

verhalten nötigt.

Transaktionsspezifische Investitionen als hostage

Wir gingen bisher davon aus, dass Investoren einen Nachteil davon haben, wenn ihre Investi-

tionen transaktionsspezifisch sind. Sie bevorzugen es, dass im Falle des Scheiterns eines Ver-

trages die Investition auch außerhalb der ursprünglichen Beziehung einen hohen Wert hat.

Investitionen sollten möglichst unspezifisch sein.

Diese Sichtweise ändert sich jedoch, wenn transaktionsspezifische Investitionen als hostage

dienen können und lässt sich allgemein für Bereiche der strategischen Interaktion formulieren:

Menschen können einen strategischen Vorteil daraus erlangen, dass sie ihr Wohlergehen bei

bestimmten Umweltzuständen verschlechtern. Diese Erkenntnis geht auf die bahnbrechenden

Beiträge von Thomas Schelling zurück. In seinem Buch „The Strategy of Conflict“ von 1960

heißt es (S. 195-196): “Overtly worsening the outcome of specific options can strengthen

one’s position”. Dies lässt sich anhand eines einfachen Spiels zeigen, bei dem A investieren

und B sich opportunistisch verhalten kann. Es kann sich für B lohnen, das eigene Wohlerge-

hen im Falle opportunistischen Verhaltens zu verschlechtern, damit A auf das Einhalten sei-

nes Versprechens vertrauen kann und bereitwillig investiert.

So werden Armeegeneräle auf ihrem Feldzug die Brücken hinter sich abbrennen, damit für

ihre Truppen die opportunistische Flucht keine Option mehr ist und nur noch der Sieg über

den Gegner die einzige Überlebenschance bietet.

Wiederholte Transaktionen

Die Erwartung zukünftiger Geschäfte kann ein Hebel sein, um eigene kurzfristige Interessen

zu Gunsten der Interessen anderer zurückzustellen. Hierfür ist es notwendig, dass jeder Spie-

ler die Möglichkeit hat, dem Mitspieler Gutes oder Schlechtes anzutun. Damit kann jeder dem

anderen bei Fehlverhalten mit Strafe drohen. Ein bekanntes Beispiel hierzu ist ein wiederhol-

tes Gefangenendilemma. Axelrod (1984) befragte hierzu Spieltheoretiker, welche Strategie sie

in einem über 200 Runden wiederholten Spiel mit folgenden Auszahlungen verfolgen würden.

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Ertrag Spaltenspieler

Zeilenspieler

Kooperieren Betrügen

Kooperieren 3 3

5 0

Betrügen 0 5

1 1

Danach ließ er alle Strategien gegeneinander spielen. Den höchsten Ertrag über alle Paarun-

gen hinweg erzielte dabei die Strategie tit-for-tat. Diese beinhaltet, in der ersten Runde zu

kooperieren und danach exakt die Strategiewahl des anderen aus der Vorrunde zu spielen. Das

Interessante hierbei ist, dass sich Kooperation durchsetzt, falls beide Spieler diese Strategie

verfolgen. Gleichzeitig schützen sich Spieler gegen Ausbeutung. Weil nun jeder Spieler eine

anschließende Strafe des anderen befürchtet, kann sich insgesamt ein hohes Kooperationsni-

veau einstellen. Auch experimentelle Evidenz wurde zu wiederholten Gefangenendilemmata

durchgeführt und weist darauf hin, dass Wiederholung zu höherer Kooperation führt. Dies

zeigt sich insbesondere in der Strategiewahl der letzten Spielrunde. Dort bricht nämlich Ko-

operation zusammen, denn Fehlverhalten kann nun nicht mehr durch Wiederholung sanktio-

niert werden.

Diese Erkenntnis zeigt auf, dass auch bei einem Bezug von Produktionsfaktoren über den

Markt das Risiko opportunistischen Verhaltens eingedämmt werden kann. Sofern ein Zuliefe-

rer für einen versuchten holdup bestraft werden kann, z.B. indem der Belieferte mit einem

Folgeauftrag einen konkurrierenden Zulieferer beauftragt, ist das Risiko des Opportunismus

verringert. Die Notwendigkeit, einzigartige Ressourcen vertikal zu integrieren sinkt damit.

Allerdings neigt ein wiederholter Marktaustausch dazu, Ähnlichkeit mit Hierarchie zu haben.

Wie würde z.B. eine Firma ihrem Zulieferer gegenüber reagieren, falls der Marktpreis für das

Endprodukt sinkt? Sie muss Kosten sparen und wird versuchen, den Preis des Zulieferers zu

drücken. Wäre der Zulieferer aber integriert (Hierarchie), z.B. als Firmenmitarbeiter, so wür-

de dies kaum passieren. Selbst wenn langfristig das Lohniveau gesenkt werden soll, wird dies

erst nach längerer Diskussion erfolgen. Nun zeigt sich aber, dass ein wiederholter Marktaus-

tausch auch zu Preisstarrheiten führen kann. Beispielhaft hierfür sind die Thunfisch- und

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Lachsfischer, deren Fänge nur an einen einzigen Abnehmer, einen lokalen Verarbeitungsbe-

trieb, geliefert werden können. Hier ist es schwer für die Fischer zu erkennen, ob Preis-

schwankungen auf zu rechtfertigende Marktschwankungen zurückzuführen sind, oder aber

auf das opportunistische Verhalten des Verarbeitungsbetriebes. Die Preiserhöhung könnte

sonst als Opportunismus interpretiert werden (tit) und mit Streik oder einer anderen Strafe

beantwortet werden (tat). Preisstarrheiten werden als Garant eines ehrlichen Geschäftsgeba-

rens angesehen und als Methode zur Verteidigung der Quasi-Rente gegenüber opportunisti-

schem Verhalten. Wiederholter Marktaustausch ist damit ein Kompromiss zwischen den Ext-

remen von Markt und Hierarchie.

Reputation

In vielen Alltagssituationen ist uns der Umgang mit Reputation vertraut. Wir wissen, dass

Politiker gerne auf ihre Reputation verweisen, z.B. dass sie nur der Allgemeinheit dienen oder

rigoros gegen Inflation oder Kriminalität vorgehen wollen. Oder Hersteller von Produkten

pflegen eine Reputation, nur gute Qualität zu verkaufen und bei Reklamationen die Ware an-

standslos zu ersetzen. Genauso kennen wir auch Situationen, in denen eine Reputation der

Härte aufgebaut wird. Damit wir nicht beleidigt werden, sollen andere denken, dass wir lange

nachtragend sind und uns nichts bieten lassen. In diesem Sinne handelt auch ein Monopolist

gegenüber dem Markteintritt von kleinen Wettbewerbern. Sie sollen wissen, dass er sie mit

allen Mitteln vom Markt fernhalten wird und dafür bereit ist, kurzfristig auch Verluste hinzu-

nehmen.

Was sind die gemeinsamen Merkmale solchen Verhaltens? Am Anfang der Reputation steht

eine a-priori Erwartung eines Beobachters (Bayesian Belief), nennen wir sie :. Der Politiker

könnte mit einer bestimmen Wahrscheinlichkeit ehrlich handeln, das Produkt von guter Quali-

tät sein. Dies kann entweder daraus resultieren, dass der Politiker intrinsisch ehrlich ist, ihm

die Lüge zuwider ist. Alternativ könnte er es für vorteilhaft erachten, als ein solcher Politiker

eingeschätzt zu werden. Beim Produkt wird ein Beobachter entweder glauben, der Hersteller

sei intrinsisch an guter Qualität interessiert oder möchte zumindest so erscheinen. Je höher

diese Wahrscheinlichkeit :, desto eher wird der Politiker gewählt und umso höher ist die Zah-

lungsbereitschaft für das Produkt. Mit der Zeit sammelt der Beobachter Erfahrungen und wird

die Wahrscheinlichkeit anpassen, : steigt oder sinkt.

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Der Hersteller des Produktes (ebenso wie der Politiker) kann langfristig auf die Wahrschein-

lichkeit Einfluss nehmen. Stellt er ein qualitativ hochwertiges Produkt her, so wird sich : mit

der Zeit erhöhen. Ist er hingegen nicht intrinsisch an guter Qualität interessiert, so könnte er

sich für eine schlechte Qualität entscheiden. Die negativen Erfahrungen der Beobachter sen-

ken dann aber :. Damit weist Reputation ähnliche Eigenschaften auf wie der physische Kapi-

talstock einer Firma. Durch Investitionen erhöht er sich. Wird er nicht gepflegt, so verschleißt

er. Ähnlich wie Investitionen in physisches Kapital sind auch solche in Reputation kostspie-

lig. Der Grund ist etwas anders. Erst durch ihre Kosten wird eine Reputation glaubwürdig. So

könnte der Hersteller eines Produktes nicht durch hohle Versprechungen : erhöhen, sondern

nur dadurch, dass er Kosten für ein gutes Produkt aufwendet, damit ein Beobachter hiermit

positive Erfahrungen sammelt.

Dabei unterscheidet sich Reputation von Repetition (wiederholten Transaktionen) durch die

Informationsverbreitung. Fehlverhalten wird nicht nur bewirken, dass das : des einen Be-

obachters sinkt, sondern auch dasjenige anderer Marktteilnehmer. Positive Erfahrung wird

sich Mund-zu-Mund verbreiten und das : vieler erhöhen. Dies kann bewirken, dass Reputati-

onseffekte noch stärker sein können als die einer wiederholten Transaktion.

Einfaches Reputationsmodell

Ein Monopolist verkauft in jeder Periode eine Einheit seines Gutes an viele Kunden. Er ist

nicht intrinsisch an guter Qualität interessiert, sondern wählt frei zwischen zwei Qualitäten,

niedrig oder hoch. Der Käufer kann die Qualität nicht unmittelbar beobachten, sondern erst zu

einem späteren Zeitpunkt, t+1. Der Verkäufer kann den Käufer somit mit einer niedrigen

Qualität kurzfristig überraschen. Die Kosten einer Einheit der hohen Qualität seien ch, dieje-

nigen der niedrigen Qualität seien cl, mit ch>cl. Der Preis einer Einheit der hohen Qualität sei

ph>0 derjenige der niedrigen Qualität sei pl=0. Die Konsumenten sind identisch in ihrem Nut-

zenkalkül. Sie beurteilen die Qualität vollständig anhand der in der letzten Periode erfahrenen

Qualität. Werden sie einmal betrogen, so bieten sie in der Folgeperiode einen Preis von Null.

Hierfür werden sie aber kein Produkt erhalten. Daher bricht der Markt dann zusammen. Zu-

künftige Perioden werden vom Monopolisten mit dem Zinssatz i diskontiert.

Ein Reputationsgleichgewicht ergibt sich bei einem steady-state, also einer Situation, bei der

der Monopolist eine konstante Qualität über die Zeit anbietet und die Erwartungen der Käufer

sich immer erfüllen. Für den Monopolisten unterstellen wir, dass er mit der hohen Qualität in

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der ersten Periode startet. Sofern der Monopolist immer die hohe Qualität anbietet, beträgt der

Barwert der zukünftigen Erträge: �; − <;� /1 + !!�� +

!�!���� + ⋯5 = �; − <;� !��

� .

Sofern der Monopolist einmal abweicht und schlechte Qualität verkauft (milking his reputati-

on), würde er in der laufenden Periode den Ertrag ; − <? erzielen und Null in allen zukünfti-

gen Perioden. Damit hohe Qualität beibehalten wird, muss somit gelten (no-milking conditi-

on): �; − <;� !��� ≥ ; − <? ⇔ ; − <; ≥ @�<; − <?�. Für die Aufrechterhaltung der Quali-

tät muss der Ertrag, also der Preis abzüglich der marginalen Kosten, größer sein als i(ch-cl).

Hierdurch ergibt sich eine entsprechende Preisuntergrenze für Güter hoher Qualität ; ≥ <; +@�<; − <?�. Zu den Kosten muss also noch ein Aufschlag bezahlt werden, der den Anreiz zur

Aufrechterhaltung der Reputation mit sich bringt. Ein kurzsichtiges Verhalten des Anbieters

würde zukünftige Erträge stark diskontieren. Der Zinssatz wäre dann entsprechend hoch.

Hierdurch kann sich milking lohnen. Sofern aber der Zinssatz niedrig ist, spiegelt dies eine

langfristige Orientierung des Verhaltens wider.

Der Reputationsmechanismus kann helfen, Transaktionen über den Markt abzuwickeln, statt

diese zu integrieren. Hier bilden Marktteilnehmer Erwartungen über die Eigenschaften ande-

rer Marktteilnehmer. Mit der Wahrscheinlichkeit 1-: wird hier erwartet, dass ein Zulieferer

opportunistischer Typ ist. Sofern der Zulieferer sich aber nicht opportunistisch verhält, steigt

die Wahrscheinlichkeit :, dass er ein ehrlicher Typ ist. Positive Erfahrungen können die Sor-

ge bezüglich opportunistischen Verhaltens reduzieren. Einem Austausch über den Markt

könnte daraufhin der Vorzug gegeben werden.

Relationale Verträge

Alternativ zu vollständig ausformulierten Verträgen existieren in der Realität oftmals unvoll-

ständige Verträge, welche bewusst viele Eventualitäten offen lassen. Solche Verträge werden

oftmals bei Arbeitsverhältnissen beobachtet. Hierbei liegt auf beiden Seiten asymmetrische

Information vor. Der Arbeiter kennt seine Qualifikation und Motivation. Der Manager wird

im ersten Jahr nur grob den Arbeitsbereich eines Arbeiters spezifizieren. Von Jahr zu Jahr

werden die Arbeitsplatzbeschreibung sowie die konkreten Ziele präzisiert. Nur der Manager

kennt den Wert, den der Arbeiter für die Firma erbringt. Er wird jedes Jahr genauer bestim-

men, wie der Arbeiter entlohnt werden soll und dies an die wachsende Erfahrung des Arbei-

ters anpassen. Dabei sind die beiden in einem ständigen Konflikt. Der Manager sieht gebro-

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chene Versprechen des Arbeiters. Dieser hingegen sieht die Ressourcen, die der Manager ihm

vorenthält. Gleichzeitig sehen beide, dass sie von einer fortlaufenden Kooperation profitieren.

Aufgrund der Unklarheit des relationalen Vertrages sind kaum verifizierbare Details aufzu-

finden, die vor Gericht geklärt werden könnte. Es gibt stattdessen zwei private Drohpunkte –

den relationalen Vertrag zu verlassen, oder nur noch das Minimum des Vertrages zu erfüllen,

so viel, dass gerade eine Kündigung unterbleibt. Beide Möglichkeiten müssen permanent an-

gedroht werden, um die Gegenseite zu Kompromissen zu bewegen.

Beispiel 1: Der Nutzen eines wertlosen Geschenks

Geschenke können die Rolle eines hostage übernehmen. Dies wird deutlich aus der Frage,

welches der Wert eines Geschenks ist. Oftmals hat der Schenkende viel bezahlt, der Be-

schenkte hat aber evtl. nur geringen Nutzen hieraus. Trotzdem könnte der Beschenkte gerade

deswegen sich über das Geschenk freuen, da hiermit ein Bündnis begründet wird. Man denke

z.B. an ein Verlobungsgeschenk. Der Diamantring hat die besondere Eigenschaft, dass sein

Wiederverkaufswert nur etwa halb so hoch liegt wie sein Einkaufspreis (das wird ein Juwelier

nie verraten). Aber gerade dies macht den Charme des Geschenks aus. Es entfaltet nur in der

Beziehung seinen Wert. Wie wäre es stattdessen, als Verlobungsgeschenk einen preisni-

veaustabilen Goldbarren zu schenken? Es ist gerade der Wertverfall, der wie ein hostage

wirkt.

Beispiel 2: Franchise revisited

Der Franchise-Geber ist oftmals Eigentümer des Gebäudes und der Franchise-Nehmer nur

Mieter. Gleichzeitig hat der Franchise-Nehmer oftmals die Auflage, auf eigene Kosten die

Investitionen in das Gebäude und die Ausstattung gemäß dem vorgegebenen Design vorzu-

nehmen sowie vorab eine Eintrittsgebührt (franchise fee) zu entrichten. Diese Investitionen

sind damit transaktionsspezifisch. Bei Beendigung des Vertrages, typischerweise nach 5 oder

10 Jahren, verliert der Franchise-Nehmer diese Investitionen, denn sie sind außerhalb der

Franchise-Beziehung weitgehend wertlos. Allerdings sind diese Vertragsfristen so gewählt,

dass eine Amortisierung der Anfangsinvestitionen dann erreicht werden sollte. Aber bei Fehl-

verhalten des Franchise-Nehmers kann der Franchise-Geber den Vertrag kündigen (z.B. bei

Tätigwerden für Konkurrenzunternehmen oder unzureichender Qualität, die auch nach Ab-

mahnung nicht zufriedenstellend ist). In diesem Fall verliert der Franchise-Nehmer seine

transaktionsspezifischen Investitionen, bevor diese sich amortisieren konnten.

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Diese Transaktionsspezifität kann aber gerade vorteilhaft sein, sogar für den Franchise-

Nehmer. Sie kann als Garantie dafür dienen, besondere Sorgfalt walten zu lassen. So gibt der

Franchise-Nehmer hiermit eine Garantie ab, nur die vereinbarte Qualität zu liefern und nicht

mit billigen Konkurrenzprodukten die Reputation des Franchise-Systems zu gefährden. Ein

möglicher moral hazard des Franchise-Nehmers wird damit eingedämmt.

Beispiel 3: Patty Hearst und das Stockholm Syndrom

Die aus reichem und einflussreichen Elternhaus stammende Patty Hearst (*1954 in San Fran-

zisco) wurde 1974 durch die linksradikale Symbionese Liberation Army (SLA) entführt. Sie

wurde eigenen Aussagen zufolge 57 Tage lang in einen kleinen Schrank gesperrt und miss-

handelt. Mehrere Millionen US-Dollar Lösegeld wurden gezahlt, von denen die Entführer

Lebensmittel kauften und in Armenvierteln verteilten. Patty Hearst schloss sich während die-

ser Zeit der Bewegung an und beteiligte sich später an Banküberfällen. Für ihre Beteiligung

wurde sie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und später begnadigt. Sie ist das bekannteste

Beispiel dafür, dass Entführungsopfer mit den Tätern sympathisieren. Dies wird in der Psy-

chologie als Stockholm-Syndrom bezeichnet.

Aber es gibt auch eine ökonomische Erklärung für dieses Verhalten. Das Entführungsopfer

hofft auf seine Freilassung; der Erpresser fürchtet aber, dass das Opfer sich später „opportu-

nistisch“ verhält und entgegen anderslautender Versprechen die Identität der Entführer verrät.

Erpressungsopfer können einen Vorteil daraus ziehen, ihre eigenen Optionen zu verschlech-

tern. Hierzu verüben sie selbst freiwillig eine Straftat (z.B. anderen Entführungsopfern gegen-

über oder wie im Falle von Patty Hearst durch Beteiligung an gemeinsamen Straftaten). Das

Opfer lässt dem Entführer exklusives Beweismaterial eigener Straftaten zukommen. Im Falle

der Aufdeckung droht dem Opfer eine Freiheitsstrafe, sobald der Täter das Beweismaterial

vorlegt.

Beispiel 4: peak-load-pricing

Coca Cola arbeitete 1999 an einem Getränkeautomaten, der automatisch den Preis bei Hitze

anhob. Dies entspricht einer als peak-load-pricing bekannten Strategie. Mit schwankenden

Preisen wird versucht, die schwankende Nachfrage zu kanalisieren. Dies ist beispielsweise an

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Flughäfen zu beobachten. Aber auch bei erhöhten Preisen für Skilifte in der Karnevals- oder

Osterwoche oder für Blumen um Feiertage.

Das Problem hierbei ist, dass Kunden nicht unterscheiden können, ob damit wirklich eine

sinnvolle Kanalisierung der Nachfrage stattfindet oder ein holdup. So findet keine Kanalisie-

rung statt, wenn Mineralölgesellschaften den Benzinpreis während der Hauptferienzeit erhö-

hen. Dies stellt vielmehr eine Abschöpfung der Quasi-Rente dar. Dies wird von Kunden dann

aber als unfair empfunden. So reagieren Reisende zur Ferienzeit verärgert auf erhöhte Ben-

zinpreise, warten lieber lange vor freien Tankstellen oder nehmen längere Anfahrtswege in

Kauf.

Quiz

Die no-milking-condition kennzeichnet die Bedingung dafür,

1. dass auf kurzfristige Vorteile aus Gründen der Fairness verzichtet wird.

2. dass auf kurzfristige Vorteile aus Sorge um Reputation verzichtet wird.

3. dass langfristige Vorteile in der Nutzenfunktion ein höheres Gewicht bekommen.

4. dass langfristige Vorteile mit Hilfe einer Geisel (Hostage) erzielt werden können.

Bei wiederholten Spielen kann man erfolgreich spielen indem man

1. sich immer kooperativ verhält.

2. das Verhalten eines Mitspielers in der folgenden Runde kopiert.

3. zufällig wechselt zwischen kooperativem und nichtkooperativem Verhalten.

4. sich nie kooperativ verhält.

Strategisches Verhalten ist dann optimal, wenn

1. der Nutzen in allen Umweltbedingungen maximiert werden.

2. anderen Teilnehmern ein faires Nutzenniveau zugestanden wird.

3. der eigene Nutzen freiwillig verringert wird um andere Teilnehmer zu einer günstigen

Strategiewahl zu veranlassen.

4. andere Teilnehmer im Unklaren über das eigene Verhalten gelassen werden.

Literatur

Axelrod, R. (1984), The Evolution of Cooperation, Basic Books.

Douma, S. und H. Schreuder (2008: 181-193).

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Furubotn, E.G. und R. Richter (2005: 258-263; 313-319; 327-330; 334-350).

Williamson, O.E. (1985: 90-95; 120-123).

Übungsaufgaben

Aufgabe 11.1

Viele Ökonomen sehen ein gewichtiges Problem für die Entwicklungsschwäche zahlreicher

Länder in einer Kreditrationierung. Oft mangelt es gerade in den Dörfern an Krediten für

kleine und mittelgroße Betriebe.

a) Inwiefern könnten Probleme von hidden information und hidden action auf dem Kredit-

markt hierfür verantwortlich sein?

b) Warum könnten in Anbetracht Ihrer Ergebnisse zu Teilfrage a) die Banken einen Zinssatz

unterhalb des markträumenden Niveaus präferieren?

c) Wie kann die Kreditrationierung durch die Bereitstellung von Sicherheiten überwunden

werden?

d) In Abwesenheit von Sicherheiten können alternative Mechanismen für die Durchsetzbar-

keit (self-enforcement) eines Kreditvertrages sorgen. Nennen Sie zwei Mechanismen, die

dies bewirken können, und beschreiben Sie diese kurz.

Aufgabe 11.2

a) Unten ist eine Auszahlungsmatrix dargestellt. Erläutern Sie, welche Anreize sich für Spie-

ler 1 ergeben!

b) Spieler 2 sei in der Lage, die obige Auszahlungsmatrix derart zu verändern, dass eine Aus-

zahlung an ihn selbst sinkt. Würde er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und wenn

ja wie?

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c) Erläutern Sie anhand eines Franchise-Vertrages, wie die Ergebnisse aus den Teilfragen a)

und b) für die Vertragsgestaltung ausgenutzt werden können!

Aufgabe 11.3

Ein Hersteller von Kugellagern für Windräder genießt einen guten Ruf. Er steht dabei in jeder

Periode vor der Frage, ob er qualitativ hochwertige Kugellager erstellen sollte (hohe Qualität

h) oder bei den Kosten sparen sollte (niedrige Qualität l). Abnehmer merken den Unterschied

erst nach längerer Benutzung der Kugellager und können eine niedrige Qualität nicht vor Ge-

richt nachweisen. Die Herstellungskosten eines hochwertigen Kugellagers betragen hc 200= ;

die entsprechenden Kosten bei minderwertiger Qualität betragen lc 50= . Der Preis einer Ein-

heit hochwertiger Kugellager ist hp 210= ; für eine minderwertige Qualität würden Kunden

lediglich lp 50= bezahlen. Die Abnehmer sind in ihrem Nutzenkalkül identisch. Der Zinssatz

i betrage 10% p.a. Der Produzent verkauft in der ersten Periode hochwertige Kugellager.

Stiege er auf die minderwertige Qualität um, dann würde er dies dauerhaft machen.

a) Leiten Sie die no-milking condition formal her und erörtern Sie diese.

b) Die Abnehmer überlegen, dem Produzenten der Kugellager freiwillig mehr als den bishe-

rigen Preis hp 210= zu bezahlen. Wie wäre ein solches Verhalten zu erklären? Welches

Preisniveau hp würden Sie den Abnehmern empfehlen?

Aufgabe 11.4

Scheich Hassan regiert sein Fürstentum seit Jahrzehnten mit eiserner Hand. Dies hat dem

Land Frieden gebracht und Streitigkeiten unter lokalen Gruppen vermieden. Gleichzeitig sind

internationale Investoren dem Land aber weitgehend ferngeblieben. Zaghafte Investitionen

versiegten vollständig, als in einem benachbarten Fürstentum Investoren gezwungen wurden,

zu ungünstigen Bedingungen Anteile ihrer Firmen an den dortigen Staatspräsidenten zu ver-

kaufen. So sind sich Investoren unsicher, ob sie Scheich Hassan vertrauen können. Es er-

scheint lohnend, größere Gaskraftwerke in dem Land zu errichten, und aufgrund des günsti-

gen Strompreises wären auch weitere industrielle Ansiedlungen rentabel. Aber manchen In-

vestoren geht die Machtfülle des Scheichs zu weit. Er könnte seine Macht jederzeit nutzen, so

die Sorge, um Investoren zu enteignen, da er alle Gesetze des Landes nach Gutdünken ändern

kann. Der Scheich möchte Investoren anlocken. Um dies zu erreichen, legt er sein gesamtes

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Vermögen in New York bei einer Bank an und erklärt, dass für alle Streitigkeiten mit Investo-

ren die Gerichte in New York zuständig sind.

Erläutern Sie kurz die folgenden Begriffe unter beispielhaftem Rückgriff auf diese kurze Be-

schreibung!

a) Asymmetrische Information.

b) Holdup.

c) Hostage.