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Universität Trier Fachbereich IV- Wirtschaftswissenschaften/VWL Seminar: Räumliche Wirkungen des demographischen Wandels SS 2004 Leitung: Prof. Dr. Spehl, Dipl. Geogr. M. Gensheimer
Integration vs. Segregation – Alternativen zum Umgang mit ausländischen
Bevölkerungsgruppen in verdichteten Räumen und Metropolen
Nadia Kasper Krausstr. 15, 54290 Trier Tel: 0651/9120625 [email protected] Studienfach/Schwerpunkt: Angewandte Geographie/Raumplanung Semester: 05 Matrikelnummer: 7226620
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Einleitung 1
2. Zuwanderung nach Deutschland 1
3. Zuwanderung und Stadt 3
3.1. Rückblick 4 3.2. Räumliche Segregationen in Städten –
Ausländerquartier 4 3.3. Stadtbeispiele 5 3.4. Gründe für die Bildung von Ausländerquartieren 7 3.5. Unterscheidung zwischen europ. Ausländerquartieren
und US- amerikanischen Ghettos 7
4. Integration vs. Segregation 8 4.1. Exkurs: das Grundmodell der Migration 9 4.2. Pro Ausländerquartiere 10 4.3. Contra Ausländerquartiere 11 4.4. Integration 12 4.5. Politische Integrationsvorstellungen 13 5. Maßnahmen zum Umgang mit ausländischen
Bevölkerungsgruppen 13 6. Fazit 14 Literatur
Abbildungsverzeichnis Seite
Abbildung 1 Anteil der Ausländer 1997 an der Bevölkerung in Deutschland insgesamt in Prozent 2 Abbildung 2 Ausländische Bevölkerung in den Bundesländern 1996 3 Abbildung 3 Deutsche Städte mit den höchsten Anteil ausländischer Bevölkerung 1994 3 Abbildung 4 Bevölkerung und Anteil an Zuwanderern in vier westeuropäischen Städten 5 Abbildung 5 Ausländer in den Stadtregionen Amsterdam, Brüssel, Frankfurt am Main und Düsseldorf 6 Abbildung 6 Wohlfahrtseffekte der Migration 9 Abbildung 7 Ausländeranteil und Integrationsbereitschaft 13
1
1. Einleitung Zwischen 1950 und 1980 nahm Europa so viele Zuwanderer auf, wie die USA in der gesam-
ten letzten Hälfte des 19.Jhs. Dieser enorme Zuwanderungsschub stellte, so lange die Städ-
te Zentrum des Wachstums waren, kein Problem dar – im Gegenteil, die städtische Ökono-
mie profitierte sogar davon. Seit den 70er Jahren vollzog sich jedoch ein tief greifender
Strukturwandel innerhalb der Städte, der Fremdenfeindlichkeit sowie stadtpolitische Hilflosig-
keit gegenüber den ausländischen Zuwanderern hervorrief. Seither werden Ausländer (nicht
nur) innerhalb der Städte als Problem wahrgenommen.1 Das Thema der Segregation entwi-
ckelte sich zu einem Thema höchster politischer Brisanz2 und die Integration von Zuwande-
rern wurde erstmals als Ziel definiert – was einen wichtigen Schritt auf dem Weg einer funk-
tionsfähigen Zukunft darstellt. Denn durch die Alterung und Schrumpfung der europäischen
Bevölkerung sowie den wachsenden ökonomischen Konkurrenzdruck, wird Europa zukünftig
erheblich von Zuwanderung geprägt sein.3
Vor diesem Hintergrund soll also das so aktuelle Thema „Segregation vs. Integration – Alter-
nativen zum Umgang mit ausländischen Bevölkerungsgruppen in verdichteten Räumen und
Metropolen“ in dieser Hausarbeit bearbeitet werden. Dabei wird hauptsächlich auf Deutsch-
land eingegangen, ab und an jedoch ausländische Beispiele zur besseren Veranschauli-
chung herangezogen.
Nach einer relativ allgemeinen Einführung zur Zuwanderung nach Deutschland, wird im
Punkt 3 näher auf die Auswirkungen der Zuwanderung auf die Städte eingehen. Im An-
schluss daran, wird der Segregation die Integration gegenüberstellen, sie werden gegenein-
ander abgewogen und kommentiert. Anhand eines kurzen Exkurses zu den ökonomischen
Effekten der Zuwanderung, soll noch einmal die positiven Aspekte der Migration und damit
auch die Notwendigkeit zur Handlungsbereitschaft unterstrichen werden. Durch aufgezeigte
Handlungsmöglichkeiten zum Umgang ausländischer Bevölkerungsgruppen soll diese Arbeit
ihre Vervollständigung finden und mit einem kurzen Fazit schließen.
2. Zuwanderung nach Deutschland Bis zum Zweiten Weltkrieg galt Deutschland als Auswanderungsland. Dies hat sich seither
geändert, auch wenn offiziell noch lange nicht die Rede von einem „Einwanderungsland“ ist.
Tatsächlich ist Deutschland in Europa jedoch das Land, mit der bei weiten größten Zahl von
Immigranten. 29 Mio. Menschen kamen zwischen 1950 und 1997 nach Deutschland, im glei-
chen Zeitraum verließen rund 20 Mio. Menschen wieder das Land – ein Indiz dafür, dass die
Zuwanderer meist nicht auf Dauer im Land bleiben, was für die Integrationsbereitschaft, auf
1vgl. HÄUßERMANN, H.; OSWALD, I. (1996):, Stadtentwicklung und Zuwanderung, in: SCHÄFERS, B,; WEWER, G. (Hrsg.): Die Stadt in Deutschland. Soziale, politische und kulturelle Lebenswelt. Opladen, S.91. 2vgl. HÄUSERMANN, H.; SIEBEL, W. (2001): Integration und Segregation – Überlegungen zu einer alten Debat-te, in: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaft, Heft 40, S.71. 3vgl. MÜNZ, R.; (2002): Deutschland wird Einwanderungsland. Aspekte einer geregelten Zuwanderung, in: Infor-mationen zur Raumentwicklung, Heft 8, S.393ff.
2
die später noch eingegangen werden soll, eine entscheidende Rolle spielt.4 Tatsache ist,
dass die europäische Bevölkerung im 21.Jh., aufgrund steigender Lebenserwartung und
sinkender Kinderzahlen, stark altern und schrumpfen wird. Zwar lässt sich durch Zuwande-
rung das Phänomen der Alterung nicht verhindern, wohl lässt sich jedoch der Prozess des
Bevölkerungsrückgangs aufhalten.5 Wollte Deutschland sicherstellen, dass die erwerbsfähi-
ge Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 65 gleich groß bleibt, bedeute dies eine jährliche
Nettozuwanderung von 460.000 Personen – verglichen mit der momentanen Situation einer
jährlichen Nettozuwanderung von ca. 100.000 Personen, erfordere dies einen erheblichen
Anstieg.6
Im Jahre 2000 lebten etwa 7,3 Mio. Ausländer in der BRD, das entspricht einem Anteil von
8,9% der Gesamtbevölkerung.7 Diese 7,8 Mio. Ausländer verteilen sich räumlich höchst diffe-
renziert auf das Bundesgebiet. Einen deutlichen Zuwanderungsüberschuss (ca. 11% Aus-
länderanteil) weist Westdeutschland auf, während Ostdeutschland lediglich eine Ausländer-
anteil von ca. 2% verzeichnet8 (vgl. Abb.1 und 2).
Abbildung 1
Quelle: BUNDESANSTALT FÜR BAUWESEN UND RAUMORDNUNG (2000), http://www.bbr.bund.de/raumordnung/bevoelkerung/karte_auslaender97.htm (30. 06.2004). 4vgl. MÜNZ, R.;ULRICH, R. (1998): Migration und Integration von Zuwanderern. Optionen für Deutschland, In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 11/12, S.698. 5vgl. MÜNZ (2002), S.393f. 6vgl. EBENDA, S.395. 7vgl. BÖLTKEN, F.; GATZWEILER, H-P.; MEYER, K. (2002): Räumliche Integration von Ausländern und Zuwan-derern, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 8, S.398. 8vgl. MÜNZ, ULRICH (1998), S.707.
3
Abbildung 2 Ausländische Bevölkerung in den Bundesländern 1996
16,913,8
13,512,4
1211,1
9,27,57,4
6,15,1
2,41,91,8
1,41,2
8,9
0 5 10 15 20
HamburgHessen
BerlinBW
Bremen NRW
BayernRP
SaarlandNiedersachsen
SHBrandenburg
SachsenSachsen-Anhalt
MVPThüringen
Deutschland
Quelle: eigene Darstellung nach: MÜNZ, ULRICH (1998), S.703
3. Zuwanderung und Stadt Zuwanderer leben hauptsächlich in den großen Städten Westdeutschlands9 – genauer: in
den Ballungsräumen Baden-Württembergs, dem Großraum München, dem Rhein-Main-
Gebiet, dem Raum Köln, dem Ruhrgebiet aber auch Teilen Westberlins. Anfang der 90er
Jahren lebten in Westdeutschland 70% aller Ausländer in großen Verdichtungsräumen – gut
44% davon in Kernstädten.10 Ganze 80% der Ausländer wohnt zumindest in Städten über
100.000 Einwohner, was gegenüber rund 60% der Deutschen doch eine ganz erhebliche
Summe darstellt.
Abbildung 3 Deutsche Städte mit dem höchsten Anteil ausländischer Bevölkerung 1994 Städte In % Frankfurt a.M 27,9 Stuttgart 23,3 München 22,3 Köln 18,1 Ludwigshafen 17,9 Düsseldorf 17,2 Duisburg 16,3 Augsburg 16,1 Wiesbaden 15,8 Hamburg 13,9 Berlin 11,1
Quelle: eigene Darstellung nach: HEUßERMANN, OSWALD (1996), S. 86
9vgl. HÄUßERMANN, H.; SIEBEL, W. (2003): Die Stadt als Ort der Integration von Zuwanderern. Vortrag bei der Verleihung des Schader-Preises in Darmstadt am 6. November 2003, http://www.schader-stiftung.de/docs/vortrag_preistraeger_endfassung.pdf (13.07.2004), S.1 10vgl. MÜNZ, ULRICH (1998), S. 703f.
4
Besonders betroffen von Zuwanderung sind insbesondere die Städte Frankfurt a.M., Stutt-
gart und München11 (vgl. Abb.3).
Die Konzentration von Ausländern in Städten hängt vor allem mit der regionalen Wirtschafts-
struktur und demnach den Erwerbschancen der Zuwanderer zusammen, wohl aber auch mit
dem Wohnungsmarkt sowie bereits bestehenden ethnischen Netzwerken.12
3.1. Rückblick Städte sind nur durch Zuwanderung entstanden – vorerst durch Zuwanderer aus den umlie-
genden Dörfern und Provinzen, später dann durch Zuwanderer aus fernen Regionen. Da-
mals, und auch heute noch, stellen Städte bevorzugte Zielorte für Zuwanderer dar.13 Somit
entwickelte sich die Stadt im Zuge der Industrialisierung zu einer gigantischen „Integrations-
maschine“.14 Tatsächlich war bis in die 70er Jahre hinein Segregation kein Thema. Auch
wenn sich damals schon Ausländer in nennenswerter Zahl in deutschen Städten aufhielten,
so handelte es sich um Gastarbeiter, die als Lösung von Arbeitsmarktproblemen, nicht als
Integrationsproblem galten. Sie wurden kaum als Konkurrenz wahrgenommen und galten
darüber hinaus als „vorübergehende Erscheinung“15, denn mit einer dauerhaften Niederlas-
sung rechnete damals niemand – weder die Gastarbeiter noch die Einheimischen. Beide
Gruppen machten sich entsprechend wenig Gedanken um Integration.16 Seither ist jedoch
ein Phänomen zu beobachten, das die Situation verändert. Während die deutsche Bevölke-
rung in Großstädten kontinuierlich abnimmt, nimmt die der Ausländer kontinuierlich zu.
Gründe für diesen Prozess sind in der sinkenden Geburtenrate der Deutschen explizit inner-
halb der Städte aber auch in der Erscheinung der Suburbanisierung zu finden.17 Hinzu
kommt durch den ökonomischen Strukturwandel der Städte ein Zusammenwirken von de-
mographischen, arbeitsmarkt- und wohnungsmarktbezogenen Konkurrenzsituationen. Aber
auch die Ergebnisse der modernen Stadtplanung (z.B. Funktionstrennung, Flächenexpansi-
on durch Suburbanisierung, Gentrification u.a), ließ Stadtviertel entstehen, denen es an jener
Flexibilität und Absorptionsfähigkeit fehlte, die die typischen Einwandererviertel im 19. Jh.
noch auszeichnete,18 und trug somit ganz erheblich zur Beseitigung der komplexen Stadt-
struktur und damit zu einem Integrationsverlust der Städte bei.19 So muss die Stadt heute
eine ganz andere Erfahrung machen als damals. Die Beziehung zwischen Zuwanderern und
Stadt befindet sich heute in einer tiefen Krise, die sich nicht nur in fremdenfeindlichen Paro-
len sondern auch zahlreichen anderen Problemen äußert.20
11vgl. SCHULERI-HARTJE, U-K. (2002): Integrationskonzepte auf städtischer Ebene, in: Informationen zur Raum-entwicklung, Heft 8, S.432. 12vgl. MÜNZ, ULRICH (1998), S. 702f. 13vgl. HÄUßERMANN, SIEBEL (1996), S.85. 14HÄUßERMANN, H.; OSWALD, I. (1997): Zuwanderung und Stadtentwicklung, in: HÄUßERMANN, H.; OSWALD, I. (Hrsg.): Zuwanderung und Stadtentwicklung, Opladen, S.11. 15HÄUßERMANN, SIEBEL (2001), S.71. 16vgl. MÜNZ (2002), S.394. 17vgl. HÄUßERMANN, OSWALD (1996), S.86f. 18vgl. EBENDA, S. 91. 19vgl. DIESELBEN (1997), S.17. 20vgl. EBENDA, S.9.
5
3.2. Räumliche Segregationen in Städten - Ausländerquartiere Segregation ist ein städtisches Problem. In den, nur durch Zuwanderung wachsenden, euro-
päischen Großstädten wird heute eine zunehmende sozialräumliche Polarisierung beobach-
tet, die, und das ist etwas neues, eine zunehmende Korrelation von sozialer, demographi-
scher und ethnischer Segregation aufweist. Diese kleinräumigen städtischen Konzentratio-
nen befinden sich meist in sozial und räumlich unterentwickelten Stadtteilen und Wohnquar-
tieren. Eine Kumulation von Armut, Gewalt, geringer Qualifikation, sozialer Isolation sowie
extrem geringer sozialer und politischer Partizipation sind kennzeichnend für solche Segre-
gationen, die gerne als „soziale Brennpunkte“ bezeichnet werden. Diese Gegebenheit, aber
besonders die Tatsache, dass in solchen Segregationen mittlerweile auch die meisten Kinder
leben, die für unsere Zukunft von größter Bedeutung sind, machen die Aufgabe der Integra-
tion notwendiger und brisanter denn je.21
In Deutschland befinden sich solche Ausländerquartiere vermehrt in innerstädtischen Alt-
bauquartieren, während sich solche von Zuwanderern bewohnten benachteiligten Stadtquar-
tiere in Frankreich dagegen hauptsächlich in randstädtischen Neubaugebieten konzentrieren.
Der, im Rahmen der modernen Stadtplanung, sich vollziehende Gentrification-Prozess führt
seit neusten aber auch in Deutschland zu Verlagerung der Ausländerkonzentrationen in
randstädtischen Großsiedlungen und damit zu einem noch stärkeren Integrationsverlust der
Stadt. Denn das Dilemma der städtischen Isolation ist somit perfekt - hier haben die Zuwan-
derer noch weniger Möglichkeit zu Beeinflussung ihrer Lage - also zur Integration, stattdes-
sen sind sie um so mehr auf ethnische Netzwerke - also Isolation, angewiesen.22
Ein positiv zu beobachtendes Phänomen findet sich in der Tatsache, dass Ausländer in sol-
chen Segregationen nicht auf Dauer leben sondern dass eine solche Segregation vielmehr
als Auffangraum dient. Im Zuge sozioökonomischer Aufwärtsmobilität verlassen die Zuwan-
derer das Quartier, welches sich jedoch durch weitere Zuwanderung erhält.23
3.3. Stadtbeispiele Amsterdam, Brüssel und Frankfurt weisen etwa einen gleich hohen Ausländeranteil von 30%
auf, während Düsseldorf lediglich halb so viele Ausländer zu verzeichnen hat24 (vgl. Abb.4).
Frankfurt weist aber trotz seinem hohen Ausländeranteil viel niedrigere Segregationswerte
als Amsterdam oder Brüssel auf, was die Vermutung, es gäbe eine direkte Verbindung zwi-
schen dem Anteil von Zuwanderern an der Gesamtbevölkerung und dem Segregationsver-
halten, widerlegt. Obwohl Düsseldorf eine vergleichsweise geringe Ausländerquote zu ver-
zeichnen hat, weist die Stadt relativ hohe Segregationswerte auf, was auf die japanische
21vgl. STROHMEIER, K.P.; KERSTING, V. (2003): Segregierte Armut in der Stadtgesellschaft. Problemstrukturen und Handlungskonzepte im Stadtteil, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 3/4, S. 22vgl. HÄUßERMANN, OSWALD (1997), S.17. 23vgl. SACKMANN, R. (1997): Migranten und Aufnahmegesellschaften, in: HÄUßERMANN, H.; OSWALD, I. (Hrsg.): Zuwanderung und Stadtentwicklung, Opladen, S.49. 24vgl. MUSTERD, S.; OSTENDORF, W.; BREEBAART, M. (1997): Muster und Wahrnehmung ethnischer Segre-gation in Westeuropa, in: HÄUßERMANN, H.; OSWALD, I. (Hrsg.): Zuwanderung und Stadtentwicklung, Opladen, S.297.
6
Zuwanderungsgruppe, die, verglichen mit anderen ethnischen Gruppen, extrem segregiert
lebt, zurückzuführen ist.25
Abbildung 4 Bevölkerung und Anteil an Zuwanderern in vier westeuropäischen Städten
Stadt Jahr Bevölkerung Anteil von Zuwanderern
Amsterdam 1995 722.350 32,0%
Brüssel 1991 952.131 28,5%
Frankfurt a.M. 1994 658.815 28,3%
Düsseldorf 1993 585.168 16,3%
Quelle: eigene Darstellung nach: MUSTERD, OSTENDORF, BREEBART (1997), S.297.
Während in Amsterdam ethnische Minderheiten vorwiegend außerhalb des Stadtzentrums
leben, konzentrieren sie sich in Brüssel, Frankfurt und Düsseldorf hauptsächlich im Zent-
rum26 (vgl. Abb. 5).
Abbildung 5 Ausländer in den Stadtregionen
Amsterdam Brüssel
25vgl. EBENDA, S.301ff. 26vgl. EBENDA, S.301ff.
7
Frankfurt am Main Düsseldorf
Quelle: MUSTERD, OSTENDORF, BREEBART (1997), S.298ff.
Die Konservierung der Kanalzone in Amsterdam und die kürzlich erfolgte Gentrification die-
ses Gebiets haben dazu geführt, dass die Innenstadt für Haushalte mit niedrigem Einkom-
men relativ unerreichbar geworden ist. In Brüssel liegt der südöstliche Teil der Stadt in einer
attraktiven Landschaft und hat daher ein höheres Wohnprestige als die anderen Stadtteile.
Die meisten Zuwanderer müssen sich daher in anderen Wohnbezirken nach geeignetem
Wohnraum umsehen. Frankfurt und Düsseldorf sind erheblich suburbanisiert, weshalb in den
durch starke Abwanderung betroffenen Innenstadtbereichen Wohnraum für die Zuwander-
bevölkerung erschwinglich wurde.27
In Europa gibt es also sehr unterschiedliche Segregationsmuster, die aus den spezifischen
Stadt- und Migrationsgeschichten, also dem Zeitpunkt der größten Zuwanderung und der
damaligen sozioökonomischen Situation der Stadt, sowie der Stadtstruktur zu erklären
sind.28
3.4. Gründe für die Bildung von Ausländerquartieren Zur Bildung von Ausländerquartieren tragen unter anderen eine verstärkte Feindlichkeit der
Umwelt - wohl aber auch mangelnde Integrationchancen bei,29 so dass sich Zuwanderer in
der Aufnahmegesellschaft zu Gruppen zusammenschließen und ein kollektives „Wir-
Bewusstsein“ entwickeln. Andere Ursachen liegen in den Bedürfnissen der Gruppe selbst.
So suchen Zuwanderer den Kontakt zueinander, um die vertraute Sprache sprechen und
sich in gewohnter Weise verhalten zu können.30
27vgl. EBENDA, S.304f. 28vgl. EBENDA, S.301ff. 29vgl. EBENDA, S.304f. 30vgl. SACKMANN (1997), S.47f.
8
Ausländische Zuwanderer sind besonders von Informellen Hilfsnetzen und ethnischen Öko-
nomien abhängig (vgl. Punkt 4.2), die sich nun einmal leichter auf der Grundlage sozialer
Homogenität bilden. Schließlich benötigen sie eine ausreichend große räumliche Konzentra-
tion von Landsleuten, um in ihren Einzugsbereich genügend Kunden und Arbeitskräfte vorzu-
finden.31
Auch die Migrationsform der Kettenwanderung hat entscheidenden Einfluss auf die Bildung
von räumlichen Segregationen.32 Von besonderer Bedeutung für die Bildung von benachtei-
ligten Stadtquartieren ist der Prozess der Gentrification genauso wie der der Suburbanisie-
rung anzuführen. Beides Phänomene der modernen Stadtplanung, die die Stadt ihrer Fähig-
keit als Integrationsmaschine berauben.
3.5. Unterscheidung zwischen europäischen Ausländerquartieren und US-
amerikanischen Ghettos Immer wieder werden in der deutschen Literatur europäische Ausländerquartiere mit US-
amerikanischen Ghettos verglichen – ja, sogar einander gleichgestellt, was für die europäi-
sche Zukunft schlimmste Befürchtungen hervorruft. Diese Unterstellung der Similarität ist
jedoch nicht tragbar und demnach zu widerlegen. Einige grundlegende Unterschiede lassen
sich feststellen:
Die Segregation in europäischen Städten ist viel niedriger als in den meisten amerikanischen
Städten,33 außerdem sind die Konzentrationsgebiete sehr viel kleinräumiger angelegt. Immig-
rantenviertel in europäischen Staaten werden darüber hinaus nie von nur einer einzigen
Migrantengruppe bewohnt sondern sind vielmehr multiethnisch zusammengesetzt. Der Anteil
der Einheimischen bleibt innerhalb der Segregation hoch – stellen meist sogar immer noch
die Mehrheit dar.34 „Das Phänomen, dass Individuen im Immigrantenviertel sowohl arbeiten
als auch wohnen und deshalb – wie es in den USA der Fall ist – nicht mit der Stadt als Gan-
zes in Berührung kommen, existiert in Westeuropa nicht.“35
4. Integration vs. Segregation Wie bereits erwähnt, rechnete ursprünglich niemand mit der dauerhaften Niederlassung der
Zuwanderer – folglich bemühte sich kaum jemand um Integration. Den Folgen dieser Fehl-
einschätzung steht die deutsche Bevölkerung heute gegenüber: die meisten Arbeitsmigran-
ten und ihre Kinder sind de fakto bis heute noch immer keine vollwertigen Mitglieder der
deutschen Gesellschaft. Die meisten von ihnen sind (auf jeden Fall in Deutschland) nach wie
vor Staatsbürger ihres Herkunftslandes, sie heiraten überwiegend untereinander, sprechen
zum Teil nur unzureichend Deutsch und sind beträchtlich häufiger arbeitslos oder von Sozi-
alhilfe abhängig als der Durchschnitt der einheimischen Bevölkerung. All dies spricht in der 31vgl. HÄUßERMANN, SIEBEL (2001), S. 72ff. 32vgl. SACKMANN (1997), S.47f. 33vgl. MUSTERD, OSTENDORF, BREEBAART (1997), S.301f. 34vgl. MAHNING, H.; (2001): Ethnische Segregation als Herausforderung städtischer Politik, http://www.migration-population.ch/publications/dp/007.pdf (13.07.2004), S.2. 35EBENDA, S.2.
9
politischen Diskussion als Argument gegen zukünftige Zuwanderung.36 Von dieser künftigen
Zuwanderung ist Deutschland jedoch abhängig und es lässt sich auch nicht leugnen, dass
Zuwanderung ganz erheblich positive ökonomische Effekte nach sich zieht (vgl. Exkurs: das
Grundmodell der Migration). Vor diesem Hintergrund ist es also von großer Bedeutung Zu-
wanderung nicht nur zuzulassen - sie evt. sogar zu fördern, auf jeden Fall jedoch alles daran
zu setzen, die Zuwanderer gezielter zu integrieren und nicht sich selbst zu überlassen.
Das Ziel der Integration sind gleichwertige regionale Lebensbedingungen für Deutsche wie
auch Zuwanderer. So soll Zuwanderern eine gleichberechtigte Zugang zum Bildungssystem,
zu allen Positionen am Arbeitsmarkt, zum Wohnungsmarkt und allen anderen gesellschaftli-
chen Teilsysthemen einschließlich des politischen Systems ermöglicht werden. Dafür sind
Anstrengungen von beiden Seiten erforderlich - nicht nur von den Zuwanderern. Auch Wirt-
schaft, Politik und Kultur der Aufnahmegesellschaft sind gefordert – sie formen die Gesell-
schaft und tragen daher ganz erheblich zur Integrationsbereitschaft der Gesellschaft bei.37
Vor dieser Aufgabe stellt sich auch die Frage ob Ausländerquartiere überhaupt zugelassen
oder durch evt. staatliche o.ä. Eingriffe von Anfang an verhindert werden sollen. Um diese
Frage zu beantworten, sollen im Folgenden die Vor- und Nachteile von Ausländerquartieren
herausgearbeitet werden. Bevor dies geschieht, werden zunächst jedoch durch einen kurzen
Exkurs, die positiven ökonomischen Auswirkungen der Migration erläutert, um die Notwen-
digkeit der Zuwanderung verbunden mit gezielten Integrationsmaßnahmen noch einmal zu
unterlegen.
4.1. Exkurs: Das Grundmodell der Migration38 Das Grundmodell der Migration betrachtet die Arbeitsmärkte von zwei Modellländern – in
diesem Fall Deutschland und Griechenland. Vereinfachend wird vollständige Konkurrenz und
freie Lohnbildung am Arbeitsmarkt angenommen.
Abbildung 6a zeigt die Nachfrage an Arbeit in der BRD während Abbildung 6b die Nachfrage
nach Arbeit in Griechenland darstellt. Die Achsen bilden der Nominallohnsatz sowie die Ar-
beitskräfteanzahl.
Bei gegebenen Güterpreisen, gegebener Produktionstechnik und fallendem Lohnsatz fragen
beide Länder verstärkt Arbeit nach. Demnach haben die Nachfragefunktionen einen fallen-
den Verlauf. Da die Nachfrage an Arbeit (trotz angenommener Vollbeschäftigung) in der
Bundesrepublik höher ist als in Griechenland (da ein höherer Kapitalbestand und fortschritt-
lichere Technologie die Produktivität des Arbeitseinsatzes erhöht), liegt die Kurve weiter vom
Ursprung entfernt. Der Arbeitskräftebestand beträgt in der BRD Oc in Griechenland hingegen
OC.
36vgl. MÜNZ (2002), S.394. 37vgl. BÖLTKEN, GATZWEILER, MEYER, (2002), S.397. 38vgl. FUNK, L. (1993): Ökonomische Effekte der Migration, Trier, S. 2ff.
10
BRD Griechenland
Arbeitskräfteeinsatz
Arbeitskräfteeinsatz
Lohnsatz Lohnsatz
NBrd
NGr
00
d D
b
B
c f CF 0
lG
lBRD
lGR
lG
Abb. 6a Abb.6b
a
a
A
A
Abbildung 6
Wohlfahrtseffekte der Migration
Quelle: eigene Darstellung nach FUNK (1993), S.3.
In der folgenden Analyse wird vereinfachend davon ausgegangen, dass die Möglichkeit der
kostenlosen Wanderung besteht und dass Wanderungen allein aufgrund der Unterschiede
der Lohnsätze stattfinden – was in der Realität nicht der Fall ist. Somit wandern die Arbeits-
kräfte von Griechenland nach Deutschland bis sich die Lohnsätze in beiden Länden im Punkt
lg angleichen. Graphisch entspricht die Auswanderung FC aus Griechenland der Erhöhung
des Arbeitsbestandes cf in Deutschland. Damit sinkt der durchschnittliche Lohnsatz in
Deutschland von l(BRD) auf l(G), das inländische Sozialprodukt erhöht sich jedoch von Oabc
auf Oadf.
In Griechenland dagegen erhöht sich der Durchschnittslohn von l(Gr) auf l(G), während sich
das inländische Sozialprodukt von OABC auf OADF verringert. Da erkennbar ist, dass die
Sozialprodukterhöhung in der BRD die Verringerung des Sozialprodukts in Griechenland
übersteigt, lässt sich folgern, dass das reale Sozialprodukt beider Länder zusammen gestie-
gen ist. Damit wurde nachgewiesen, dass grenzüberschreitende Migration die ökonomische
Effizienz beider Staaten steigert obwohl sich an der Arbeitskräfteanzahl sowie dem Kapital
nichts verändert hat!
Dieses theoretische Modell trifft jedoch nicht auf jeden Fall zu, denn die Auswirkungen der
Einwanderung hängen immer vom Ausmaß der Wanderung, von den Gründen der Wande-
rung und von der Situation im Auswanderungs- und Einwanderungsland ab.
4.2. Pro Ausländerquartiere Ausländerquartiere sind nicht prinzipiell als negative Erscheinungen zu bezeichnen, denn sie
erfüllen notwendige Funktionen als Ort vertrauter Heimat in der Fremde, wo der neu Zuge-
11
wanderte Nachbarn findet, die seine Sprache sprechen und seine Gewohnheiten teilen. Er
findet dort eine Unterkunft, eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Infrastruktur, er erhält
Informationen über die neue Umgebung sowie materielle und emotionale Unterstützung.39
Sie bieten den jüngst Zugewanderten die räumliche Nähe von Menschen gleicher Lebenssi-
tuation und damit auch gleicher Interessenlagen. Dies fördert ihre Organisationsfähigkeit und
bietet damit eine wesentliche Voraussetzung dafür, sich politisch Gehör zu verschaffen.
Demnach werden Ausländerquartiere als Brücke zwischen den zwei Gesellschaften verstan-
den.40
In größeren Einwanderungskolonien können sich sogar ethnische Ökonomien entwickeln,
d.h. ökonomische Aktivitäten, die überwiegend von einer einzigen Zuwanderungsgruppe
sowohl in Produktion, Angebot und Konsum bestimmt wird. Ethnische Ökonomien wie diese
sind nicht nur wichtig für die Versorgung der Zuwanderer sondern bieten auch den Neuan-
kömmlingen, die zunächst keinen Zugang zum normalen Arbeitsmarkt gefunden haben, E-
xistenzmöglichkeiten jenseits der Sozialhilfeabhängigkeit.41 Demnach hat Segregation Vortei-
le und zwar nicht nur für Zuwanderer, auch wenn diese besonders auf informelle Hilfsnetze
und ethnische Ökonomien angewiesen sind.
Häußermann und Siebel sind der Ansicht, dass sich erst auf der Basis derart gesicherter
Identität, die nur durch eine homogene Umwelt hervorgerufen wird, die Zuwanderer sich dem
Neuen und Fremden öffnen können. Segregation dient nach ihrer Auffassung der Vermei-
dung von Konflikten sowie der Intergrationsförderung.42 Mischung, so meinen sie, zerstöre
informelle Netze bzw. behindere deren Aufbau und schwäche damit die ökonomische, die
soziale und die psychische Stabilität. Diese sei jedoch Voraussetzung für gelingende Integra-
tion.43
Tatsächlich ist offensichtlich, dass Segregation per se nicht als Problem gilt. Die Absonde-
rung der Oberschicht in ihren Wohngebieten müsste sonst mit gleicher Besorgnis betrachtet
werden wie die der Unterschicht – was nicht der Fall ist.44
4.3. Contra Ausländerquartiere Auch wenn die Argumentation für die Ausländerquartiere noch so positiv und überzeugend
klingen mag, so können sie aber – besonders in Reaktion auf gescheiterte Integrationsver-
suche – auch zu Orten des Rückzugs in die eigene Gemeinschaft und damit zur Mobilitäts-
falle werden.45 Ethnische Segregationen können aber auch - und das steht der Argumentati-
on von Häußermann und Siebel entgegen - zu einer Vergrößerung der sozialen Distanz zwi-
schen den Gesellschaften und damit einer beidseitigen geringerer Integrationsbereitschaft
39vgl. HÄUßERMANN, SIEBEL (2003), http:// www.schader-stiftung.de/docs/vortrag_preistraeger_endfassung.pdf (13.07.2004), S.12. 40vgl. DIESELBEN (2001), S. 72ff. 41vgl. DIESELBEN (2003), S.13. 42vgl. DIESELBEN (2001), S. 72ff. 43vgl. SIEBEL, W.; (1997): Die Stadt und die Zuwanderer, in: HÄUßERMANN, H.; OSWALD, I. (Hrsg.): Zuwande-rung und Stadtentwicklung, Opladen, S.40. 44vgl. EBENDA, S. 39f. 45vgl. HÄUßERMANN, SIEBEL (2003), S. 12.
12
führen. Schließlich führen ethnische Konzentrationen zu größeren Sichtbarkeit der Minorität
und lösen so ein Gefühl der Bedrohung bei der Majorität aus, was wiederum Konflikte ver-
schärft.46
Die Konfrontation mit anderen Lebensweisen übt außerdem Toleranz ein, verhindert Stigma-
tisierung, Isolation und verbessert indirekt die infrastrukturelle Versorgung benachteiligter
Gruppen. Gemischte Quartiere mit entsprechendem Wohnraumangebot sind sozial stabiler
und baulich regenerationsfähiger, da extreme Konzentration von Armut die Abwanderung
von Mittelschichthaushalten veranlasst. Folglich sinken die Mieteinnahmen der Hauseigen-
tümer, die darauf hin Investitionen unterlassen.47 Mischung unterstützt die Übernahme er-
wünschter Verhaltensweisen und verhindert gleichzeitig eine negative Etikettierung des
Stadtteils.48
Um auf die Frage der Verhinderung oder Förderung solcher Quartiere zurückzukommen, sei
zu bemerken, dass Einwanderungsquartiere unbedingt als dauerhafte Erscheinungen in
Einwanderungsstädten zu akzeptieren sind, zugleich jedoch alles unternommen werden soll-
te, damit sich die einzelnen Zuwanderer nur vorübergehend darin aufhalten (müssen). „Aus-
länderquartiere müssen Durchgangsstationen sein und dürfen nicht Zeichen einer strukturel-
len Benachteiligung werden“.49 Statt einer erzwungenen Politik der isolierten Verstreuung
der Zuwanderer über das ganze Stadtgebiet, ist es viel wichtiger, den Zuwanderern die Zu-
gänge zu den Netzwerken offen zu halten, ihnen gleichzeitig jedoch die Übergänge in die
Gesellschaft der Einheimischen so leicht wie möglich zu machen. Kurzum, freiwillige Segre-
gation muss zugelassen, die durch Diskriminierung und Mechanismen des Wohnungsmarkts
erzwungene, dagegen verhindert werden.50
Die Stadt wird in Zukunft eine hochgradig segregierte und differenzierte Stadt sein, da Integ-
ration durch sozialen Aufstieg erfolgt und dieser sich auch räumlich ausdrückt. Solange je-
doch Prozesse der sozialen Mobilität möglich sind, und diese von der Aufnahmegesellschaft
nicht verhindert werden, solange steht Segregation der Integration nicht im Weg. Unsere
Gesellschaft basiert auf sozialer Mobilität, auf sozialen Aufstieg wie auch Abstieg und nicht
auf gleichverteilten Wohlstand für alle. Soziale Mobilität ist sogar das Kennzeichen einer dy-
namischen urbanen Gesellschaft, was soviel heißt wie, soziale Ungleichheit ist der Garant
der gesellschaftlichen Dynamik.51
4.4. Integration Integration ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Demnach erlauben Zustands-Indikatoren
wie Schulerfolg, Arbeitslosenquote oder Häufigkeit interethnischer Eheschließungen nicht
46vgl. SACKMANN (1997), S.50. 47vgl. HÄUßERMANN, SIEBEL (2002), S.72. 48vgl. SIEBEL (1997), S. 39. 49HÄUßERMANN, SIEBEL (2003), S.12. 50vgl. HÄUßERMANN, SIEBEL (2003), S.12. 51vgl. KRÄMER-BADONIE, T. (2004): Integration: Ein Plädoyer für klare Linien, http:// www.politische-bildung-brandenburg.de/programm/vortraege/integration_kraemer_badoni.pdf (13.07.2004), S.7.
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das Urteil, Integration sei gelungen oder nicht. Entscheidend ist viel mehr die Richtung des
Prozesses und nicht die gegenwärtige Situation.52 Integration ist ein unaufhörlicher und kon-
fliktreicher Prozess, der keinem festen Schema folgt sondern immer wieder von neuem be-
ginnt. Demnach gibt es auch keine eindeutigen und feststehenden Standards, nach denen
das Erreichte gemessen werden könnte. Ebenso wenig gibt es verallgemeinerbare Maß-
nahmen zur Integration, die in jeder Stadt und auf jeden Fall anwendbar wären.53
Integration ist nicht nur eine staatliche Aufgabe sondern eine Frage des alltäglichen individu-
ellen Umgangs miteinander - sie gelingt oder misslingt in jeder kleinen alltäglichen Handlung:
wie einem Bettler begegnet wird ist ebenso eine Integrations- oder Ausschließungshandlung
wie der Umgang mit einer Kopftuch-Ausländerin, die einem im Weg steht.54
Auffallend ist hierbei die Umfrage von 2002, die zeigte, dass jene Gebiete Deutschlands eine
besonders große Intergrationsbereitschaft aufweisen, in denen bereits viele Ausländer zu
verzeichnen sind – im Osten Deutschlands, wo eine sehr geringe Ausländerquote vor-
herrscht, ist die Integrationsbereitschaft der Deutschen dagegen erschreckend gering (vgl.
Abb.7).
Abbildung 7 Ausländeranteil und Integrationsbereitschaft
Quelle: BÖLTKE, GATZWEILER, MEYER (2002), S.398.
52vgl. HÄUßERMANN, SIEBEL (2003), S.9. 53vgl. EBENDA, S.10. 54vgl. EBENDA, S.9.
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4.5. Politische Integrationsvorstellungen In verschiedenen Ländern werden verschiedene politische Zielsetzungen zum Umgang mit
ausländischen Bevölkerungsgruppen verfolgt. So dominiert in der deutschen Politik bis heute
das Modell der Assimilation. Die Leitkultur soll bei dieser Vorstellung unverändert bleiben,
während von den Zuwanderern Anpassung an diese Kultur verlangt wird. Die Zuwanderer
sollen also ihre Fremdheit ablegen und sich so unauffällig wie möglich integrieren. Die An-
passungsleistung liegt allein beim ausländischen Individuum!
Bei der amerikanischen Vorstellung vom melting-pot (Schmelztiegel) soll sich dagegen im
Prozess der Zuwanderung auch die Aufnahmegesellschaft verändert. Sie soll eine neue
Identität entwickeln. Die von den Zuwanderern mitgebrachten Elemente sollen mit den Ein-
heimischen zu etwas neuen verschmelzen. Die Anpassungsleistung liegt also auf beiden
Seiten, nicht - wie bei der Deutschen Vorstellung - nur bei den ausländischen Individuen.55
5. Maßnahmen zum Umgang mit ausländischen Bevölkerungsgruppen Da die deutsche Politik bisher primär das Ziel der Desegregation - also der Vermeidung von
Ausländerkonzentrationen verfolgt, scheute sie aus Angst vor möglicher Ghetto-Bildung auch
den Eingriff in die Grundrechte nicht. Damals wurden Versuche unternommen, durch Zu-
zugssperren den Zuwanderern das Recht auf freie Wohnortwahl zu nehmen.56 Diese Strate-
gie, die die Probleme, die in Ausländerquartieren vermehrt anzutreffen sind, lindern sollte,
machen sie in Wirklichkeit nur weniger sichtbar, indem sich die Zuwanderer in der städti-
schen Gesellschaft verstreuen.57 Maßnahmen zur Begrenzung des Familiennachzugs und
zur Rückkehrförderung erwiesen sich als ebenso wenig sinnvoll, wie die eben genannte
Maßnahme der Zuzugssperre.58
Die Einrichtung von Integrationskursen, in denen neben der Vermittlung von Sprachkennt-
nissen auch Grundlagen der bundesrepublikanischen und europäischen staats- und Gesell-
schaftsordnung vermittelt werden sollen, wäre eine weitere, vielleicht zukunftsfähigere Maß-
nahme zur funktionierenden Integration. Neuzuwanderer wie auch bereits Ansässige, früher
zugewanderte Personen, sollen einen Anspruch auf Integrationskurse haben.59 Die Frage,
die sich hier für die Zukunft stellen muss, ist, ob diese Integrationskurse verpflichtend oder
freiwillig sein sollen. Verpflichtende Vorschrift heißt gleichzeitig nämlich wieder neue Diskri-
minierung der Zuwanderer.
Unumgänglich ist die Notwendigkeit, gezielt Integrationshilfen und soziale Infrastrukturmaß-
nahmen in solchen Quartieren zu bündeln, in denen sich die Zuwanderer konzentrieren. Ei-
nen wesentlichen Ansatzpunkt bietet hier die Bildungspolitik, der aufgrund der Förderung
zukünftiger Chancengleichheit eine besondere Bedeutung zufällt. Des weiteren sind öffentli-
55vgl. EBENDA, S.2. 56vgl. HÄUßERMANN, OSWALD (1996), 96. 57vgl. DIESELBEN (1997), S.22. 58vgl. SCHULERI-HARTJE, U-K. (2002), S.431. 59vgl. o.V (2002): Schlussbericht der Enquete-Kommission „Demographischer Wandel - Herausforderungen unse-rer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik“, in: Informationen zur Raumentwicklung, An-hang des Heftes 8, S.467.
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che Räume in der Stadt zu schaffen, die Möglichkeiten und Anlässe für interkulturelle Be-
gegnungen bieten.60
6. Fazit Von räumlicher Integration im Sinne von Chancengleichheit für Deutsche und Ausländer
kann noch lange keine Rede sein.61 Wie diese Arbeit aufzeigte, sind Ausländer im Vergleich
zu Deutschen definitiv strukturell benachteiligt. Dies gilt sowohl für die Teilhabe an politi-
schen Partizipations- und Entscheidungsprozessen als auch für den Zugang zum Bildungs-,
und Ausbildungssystem sowie Arbeitsmarkt.62 Hier muss in Zukunft noch viel getan werden.
So steht die deutsche Bevölkerung dem Problem der Segregation und Diskriminierung von
Ausländern nach wie vor mehr oder weniger hilflos gegenüber. Es müssen Lösungen gefun-
den und Taten in Angriff genommen werden um Deutschland als Einwanderungsland auch
für qualifizierte Zuwanderer weiterhin attraktiv zu halten. Denn, solange es die Deutschen
nicht schaffen ihre Fertilitätsrate extrem in die Höhe zu treiben - und das wird vermutlich
niemals der Fall sein -, wird Deutschland nun mal, und das ist nicht zu leugnen, auf Zuwan-
derung angewiesen sein. Wenn dann jedoch von der deutschen Seite keinerlei Integrations-
bereitschaft sichtbar ist, und der Staat weiterhin die Politik der Assimilation betreibt, werden
Spannungen unsere Lebensqualität stark beeinträchtigen – was natürlich auch für die Integ-
rationsbereitschaft der Zuwanderer gilt. Bevor wir jedoch an deren Integrationsbereitschaft
arbeiten, sollten wir vorerst bei uns ansetzen – schließlich sind wir es, und diese Einstellung
muss sich in unseren Köpfen ändern, die auf Zuwanderung angewiesen sind.
60vgl. HÄUßERMANN; SIEBEL (2001), S.77. 61vgl. BÖLTKE, GATZWEILER, MEYER (2002), S.411f. 62vgl. EBENDA, S.412ff.
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