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Notfall Rettungsmed 2009 · 12:176–180DOI 10.1007/s10049-008-1145-2Online publiziert: 16. April 2009© Springer Medizin Verlag 2009
S. Lison1 · P. Innerhofer2 · M. Spannagl1 · B. Heindl1
1 Klinik für Anaesthesiologie, Ludwig-Maximilians-Universität München2 Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Medizinische Universität Innsbruck
Interaktion von Volumen-therapie und Gerinnung
Leitthema
Im Rahmen von schweren Verlet-zungen kann es zu großen Blutver-lusten kommen. Ein akuter Blutver-lust mündet in einer Zentralisierung des Kreislaufs und kann unbehan-delt in einen manifesten hämorrha-gisch-traumatischen Schock überge-hen. Ziel einer Volumentherapie ist daher die Aufrechterhaltung eines angemessenen zirkulierenden Blut-volumens. Zum Ausgleich einer Hypo-volämie stehen zahlreiche kristalloi-de und kolloidale Lösungen zur Ver-fügung. Die Wahl des optimalen Vo-lumenersatzmittels führt seit Jahren zu vielfältigen, kontroversen Diskus-sionen.
Ziel dieses Artikels ist es, die verschiedenen Volumenersatzmittel unter dem Aspekt der Interaktion mit der Gerinnung zu bewerten.
Verlust, Verbrauch, Verdünnung
Aus neueren Daten geht hervor, dass das Vorliegen einer Gerinnungsstörung bei polytraumatisierten Patienten mit der Schwere der Verletzung zunimmt und einen unabhängigen prognostischen Risikofaktor für die Mortalität darstellt [11, 18]. Die Gerinnungsstörungen beim polytraumatisierten, blutenden Patienten sind komplex und multifaktoriell bedingt [12]. Meist besteht eine Kombination aus einer Verlust, Verbrauchs und Verdünnungskoagulopathie (. Abb. 1). Große Blutverluste führen bei schweren Verletzungen zunächst zu einem Verlust an Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten sowie zur Anämie. Gleichzeitig kommt es
aufgrund von Gefäßwandverletzungen mit Freilegung von subendothelialem Gewebe zur lokalisierten Gerinnungsaktivierung und zum erhöhten Verbrauch von Gerinnungsfaktoren. Daneben besteht ein gesteigertes fibrinolytisches Potenzial [12]. In dieser Phase verursacht die Verabreichung von kristalloiden und kolloidalen Lösungen eine Verdünnung aller plasmatischen und zellulären Gerinnungsfaktoren. Der Einfluss der Dilution per se wurde in den letzten Jahren vielfach überschätzt und restriktive Regime wurden propagiert [11]. Neue Daten zeigen allerdings, dass eine Hypovolämie über die Aktivierung des ThrombomodulinProteinCSystems zu einer endogenen systemischen Antikoagulation führen kann [2]. Diese Fakten weisen darauf hin, dass eine Volumensubstitution sogar protektiv bezüglich der Entwicklung einer Gerinnungsstörung sein kann; Voraussetzung ist, dass sowohl Hypovolämie als auch Hypervolämie vermieden werden. Viele Volumenersatzmittel beeinflussen allerdings über diese indirekte Wirkung der Hämodilution hinaus die Hämostase auch direkt über spezifische Effekte (. Tab. 1; [17]):F Reduzierung des Faktors VIII,F Reduzierung des VonWillebrand
Faktors (vWF),F Verlängerung der Blutungszeit,F Veränderung der Fibrinpolymerisa
tion undF Beeinflussung der Thrombozyten
funktion.
Die Auswirkungen auf das Gerinnungssystem sind dabei abhängig von der Menge und der Art des verabreichten Volumenersatzmittels. Es besteht in der Litera
tur allerdings eine Unschärfe in der Darstellung der Ergebnisse. Invitro und InvivoEffekte werden teilweise vermischt, signifikante Auswirkungen auf die Gerinnung werden häufig erst durch supraphysiologische Dosierungen erreicht und tierexperimentelle Daten werden immer wieder, ohne Einschränkung, in den humanen Bereich übernommen.
Hypothermie
Die Hypothermie ist beim polytraumatisierten Patienten, nicht zuletzt durch die Gabe ungewärmter Infusionslösungen, eine häufige Komplikation. Tierexperimentelle Untersuchungen konnten zeigen, dass es bei 35°C Körpertemperatur sowohl zur Störung der Thrombozytenfunktion als auch zur Beeinträchtigung der plasmatischen Gerinnung kommen kann [20]. Daher sollten wenn immer möglich gewärmte Infusionslösungen eingesetzt werden.
Azidose
Im Rahmen eines hämorrhagischtraumatischen Schocks ist häufig eine metabolische Entgleisung mit zum Teil ausgeprägter Azidose zu beobachten. Dadurch kann das pHOptimum für den Ablauf der enzymatischen Gerinnungsvorgänge nicht mehr gewährleistet werden. Neben einer Reduktion der Thrombinbildung wurde ein Abfall der Thrombozyten und der Fibrinogenkonzentration beschrieben. Diese Veränderungen führen zu einer Beeinträchtigung der Clotbildung und sind durch die alleinige Puffertherapie nicht behebbar [21, 22, 29].
RedaktionU. Kreimeier, München
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Die Volumentherapie dient primär der Sicherstellung einer adäquaten Gewebeperfusion und soll daher einer Azidose entgegenwirken. Im Kontrast dazu kann der Einsatz von Volumenersatzmitteln bei der Ausbildung einer Azidose aber auch Vorschub leisten. Die Mehrzahl der sich im Handel befindlichen Kolloide liegen in unphysiologischen Trägerlösungen vor und können damit als unbalanzierte kolloidale Lösungen definiert werden.
E Der Gebrauch von beträchtlichen Mengen an unbalanzierten kolloidalen und kristalloiden Lösungen geht mit einer Dilutionsazidose einher.
In welchem Maße diese Dilutionsazidose zur Beeinträchtigung der Gerinnung beiträgt, ist bisher nicht vollständig geklärt. InvitroArbeiten konnten zeigen, dass es unter dem Einsatz von balanzierten Volumenersatzmitteln zu geringfügigeren Beeinträchtigungen der Gerinnung kam als unter unbalanzierten Lösungen [15, 25]. Eine InvivoStudie bei Patienten mit gefäßchirurgischen Operationen erbrachte, dass sich unter der Gabe von unbalanzierten kristalloiden Lösungen eine ausgeprägtere Azidose ausbildete [28]. Diese Azidose führte zu einem Anstieg im Bikarbonatverbrauch und war begleitet von einem erhöhten Bedarf an Blutprodukten.
Kristalloide
Zu den Kristalloiden gehört eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen mit verschiedenen Zusammensetzungen an Elektrolyten. Allen gemeinsam ist eine kurze intravasale Verweildauer durch rasche Diffusion in den Extravasalraum. Kristalloide Lösungen finden in erster Linie zum Ausgleich von bestehenden Flüssigkeitsdefiziten und in der Therapie von Elektrolytstörungen Anwendung.
> Allen Kristalloiden gemein ist eine kurze intravasale Verweildauer
Spezifische Interaktionen mit der Hämostase sind im Zusammenhang mit der Gabe von kristalloiden Lösungen bisher nicht
Zusammenfassung · Abstract
Notfall Rettungsmed 2009 · 12:176–180 DOI 10.1007/s10049-008-1145-2© Springer Medizin Verlag 2009
S. Lison · P. Innerhofer · M. Spannagl · B. HeindlInteraktion von Volumentherapie und Gerinnung
ZusammenfassungViele Volumenersatzmittel können die Gerin-nung neben einem unspezifischen Verdün-nungseffekt auch spezifisch beeinflussen. Zu den spezifischen Effekten zählen die Erniedri-gung der Faktor VIII- und der Von-Willebrand-Faktor-Aktivität, eine Störung der Fibrinpoly-merisation, eine Verlängerung der Blutungs-zeit und ein negativer Einfluss auf die Throm-bozytenfunktion. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Substanzen. Kristalloide und Albumin weisen primär nur einen Verdünnungseffekt auf. Hy-droxyethylstärke (HES) mit einem hohen Mo-lekulargewicht (HMW) und Dextrane beein-trächtigen die Gerinnung erheblich und soll-ten daher beim blutenden oder blutungsge-fährdeten Patienten gänzlich vermieden wer-den. Gelatine und HES mit einem niedrigen
Molekulargewicht (LMW) und Substitutions-grad beeinflussen vor allem die Fibrinpoly-merisation, besonders bei jungen Patienten mit niedrigen Fibrinogenspiegeln muss früh-zeitig mit einer beeinträchtigten Gerinnselbil-dung gerechnet werden. Die Kofaktoren Azi-dose und Hypothermie können das Hämo-stasepotential ebenfalls schwer beeinträch-tigen und sollten daher konsequent thera-piert werden. Die Gabe von balanzierten Lö-sungen scheint sich über die Vermeidung ei-ner hyperchlorämischen Azidose günstig auf die Gerinnung auszuwirken.
SchlüsselwörterPolytrauma · Volumenersatzmittel · Hämostase · Azidose · Hypothermie
Interaction between volume therapy and coagulation
Abstract Apart from haemodilution many volume sub-stitutes can additionally influence haemo-stasis through specific ways of action. Spe-cific effects include decreased activity of fac-tor VIII and von Willebrand factor (vWF), pro-longation of bleeding time, inhibition of fi-brin polymerisation and induction of plate-let dysfunction. Crystalloids and albumin on-ly initiate haemodilution. Hydroxyethyl starch (HES) with a high molecular weight (HMW) and dextran significantly impair coagulation by specific effects and thus should be avoid-ed in patients with active bleeding or risk of bleeding. Gelatin and HES with low molecu-
lar weights (LMW) may impair fibrin polymer-isation. In young patients with low serum fi-brinogen levels timely substitution of fibrino-gen must be considered. The haemostatic co-factors acidosis and hypothermia contribute to impairment of coagulation in a relevant manner and thus should be treated effective-ly. Balanced solutions reduce the incidence of hyperchloraemic acidosis and thereby also coagulopathic effects.
KeywordsMultiple trauma · Plasma substitutes · Haemostasis · Acidosis · Hypothermia
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bekannt. Somit beeinträchtigen Kristalloide das Gerinnungssystem vor allen Dingen durch einen unspezifischen Verdünnungseffekt. Einige InvitroArbeiten konnten allerdings zeigen, dass Kristalloide bei milder Hämodilution eine Hyperkoagulation hervorrufen können. Bei diesen Arbeiten wurden thrombelastographische (TEG) Veränderungen nach Hämodilution untersucht. In den nichtaktivierten TEGMessungen fand sich eine Verkürzung der Gerinnselbildungszeit und ein Anstieg der Gerinnselfestigkeit [26]. InvivoArbeiten mit aktivierter TEGMessung konnten diese Ergebnisse nicht bestätigen. Gleichzeitig zeigte sich keine Änderung der aktivierten Gerinnungsmarker [6, 8]. Damit ist der zugrunde liegende Mechanismus für die oben angeführten Befunde einer Hyperkoagulopathie bislang nicht geklärt; die klinische Relevanz scheint von eher untergeordneter Bedeutung.
Kolloide
Bei den kolloidalen Volumenersatzlösungen wird zwischen natürlichen und künstlichen Kolloiden unterschieden. Das wichtigste natürliche Kolloid ist Albumin. Zu den künstlichen Kolloiden werden unterschiedliche Präparationen von Gelatine, Hydroxyethystärke (HES) und Dextranen gezählt. Beträchtliche Unterschiede existieren im Ländervergleich be
züglich des Gebrauchs der verschiedenen Volumenersatzmittel. Während in den europäischen Ländern Gelatine und nieder bzw. mittelmolekulargewichtige (LMW bzw. MMW) HESPräparaten der Vorzug gegeben wird, werden in den Vereinigten Staaten in größerem Maße Dextrane und hochmolekulargewichtige (HMW) HESPräparate mit hohem Substitutionsgrad (Hetastarches) eingesetzt.
Albumin
Generell gilt, dass Albumin unter den Kolloiden den geringsten Einfluss auf die Hämostase hat. Daher wird Albumin in vielen Studien als Referenzsubstanz eingesetzt. So konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass HES und Dextrane einen stärkeren Einfluss auf die gemessenen Gerinnungsparameter hatten als Albumin [1, 14, 24].
> Unter den Kolloiden hat Albumin den geringsten Einfluss auf die Hämostase
Dennoch hemmt Albumin die Thrombozytenaggregation in vivo und nimmt Einfluss auf die Fibrinpolymerisation in vitro und in vivo, diese Effekte scheinen aber ohne entscheidende physiologische Folgen zu bleiben [10]. Insgesamt findet sich in der Literatur kein Hinweis darauf, dass es im Zusammenhang mit der Infu
sion von Albumin zu einem erhöhten Blutungsrisiko kommt. Daher ist davon auszugehen, dass Albumin neben einer unspezifischen Verdünnung keine gravierenden Auswirkungen auf die Hämostase in vivo hat.
Gelatine
Gelatinepräparationen werden aus tierischem Kollagen hergestellt. Mehrere neuere InvitroStudien haben gezeigt, dass Gelatine die Plättchenfunktion und die plasmatische Gerinnung beeinflussen kann. Gelatine beeinträchtigt die ristocetininduzierte Thrombozytenaggregation und führt zu einer Verlängerung der Blutungszeit. Außerdem wird der vWF verringert [3]. Diese Reduktion des vWF ist dabei größer, als dass sie durch die alleinige Dilution zu erklären wäre. Darüber hinaus konnten TEGUntersuchungen eine Beeinträchtigung der Fibrinpolymerisation sowie eine gestörte Quervernetzung der Fibrinmonomere zeigen [6]. Zusätzlich wurde eine verminderte Gerinnselelastizität und ein vermindertes Gerinnselgewicht unter Gelatinesubstitution beschrieben [19].
Die klinische Relevanz dieser Hämostaseveränderungen nach Gelatineinfusion ist allerdings unsicher, zumal die überwiegende Mehrheit der InvivoStudien zeigen konnte, dass Gelatine keinen Einfluss auf den perioperativen Blutverlust hat [4, 27].
Dextrane
Dextrane sind aus Glukoseeinheiten aufgebaute hochmolekulare Polysaccharide.
E Dextrane haben von allen künstlichen Kolloiden die gravierendsten Auswirkungen auf die zelluläre und plasmatische Gerinnung.
Die negativen Wirkungen von Dextranen auf die Hämostase sind gut dokumentiert [4]. So beeinträchtigt die Substanz die Adhäsionsfähigkeit und damit die Funktionstüchtigkeit der Thrombozyten durch Umhüllung („coating“). Darüber hinaus wird die Aktivität von vWF und Faktor VIII dosisabhängig und über die Maße eines reinen Dilutionseffektes hinaus ver
Traumatische/operative Blutung
Verdünnung der noch vorhandenen GerinnungskomponentenStörung der Fibrinpolymerisation durch Kolloide
Verlust und Verbrauch vonGerinnungsfaktoren und Thrombozyten
+
Azidose
Komplexe Gerinnungsstörung
Gabe von Kristalloiden und Kolloiden (→ Normovolämie)
Hypothermie
Abb. 1 8 Ätiologie der erworbenen Gerinnungsstörung bei akuter, schwerer Blutung. Infusions-lösungen können durch Verdünnung, Fibrinpolymerisation (Kolloide), Hypothermie (kalte Lösungen) und Azidose (unbalanzierte Lösungen) die Entstehung einer Koagulopathie verstärken
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Leitthema
ringert. Das reduzierte Niveau von vWF kann zur Störung der primären Hämostase führen. In der Tat zeigen sich deutlich verlängerte Blutungszeiten nach Infusion von Dextranen. Daneben steigert Dextran die Fibrinolyse. Dextran kommt auch aufgrund der erhöhten Blutungsneigung in Deutschland kaum noch für die Indikation Volumenersatz zum klinischen Einsatz.
Hydroxyethystärke
Hydroxyethystärke (HES) ist ein aus natürlicher Stärke abgeleitetes und aus Glukoseeinheiten aufgebautes hochmolekulares Polysaccharid. HES gehört zu den am häufigsten eingesetzten Volumenersatzmitteln. Im Handel befindet sich mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher HESPräparationen, die sich hinsichtlich ihrer Konzentration, der Verteilung des mittleren Molekulargewichts, dem Substitutionsgrad sowie dem C2/C6Hydroxyethylierungsgrad unterscheiden. Die spezifischen, chemischen Charakteristika sind dabei wesentlich für die Geschwindigkeit des enzymatischen Abbaus und damit für die intravasale Verweil und Wirkdauer.
> HES gehört zu den am häufigsten eingesetzten Volumenersatzmitteln
HES beeinträchtigt die normale Hämostase auf verschiedenen Ebenen. Im Vordergrund stehen die Auswirkungen auf die Plättchenfunktion, den Faktor VIII und den vWF. Hämostaseologische Untersuchungen ergaben, dass die Gabe von HES in einem erworbenen VonWillebrandSyndrom mit erniedrigter FaktorVIIIAktivität und vermindertem vWFSpiegel resultieren kann [14, 16]. Dies spiegelt sich teilweise in einer Verlängerung der aktivierten partiellen Thromboplastinzeit (aPTT) wider [1]. Daneben beeinträchtigt HES die Thrombozytenaggregation, die Fibrinpolymerisation, die Gerinnselfestigkeit und elastizität [5, 13, 24].
Zur Inzidenz von Blutungskomplikationen in Zusammenhang mit HESInfusionen liegen zum Teil widersprüchliche Daten vor. Heterogene Studienbedingungen und unterschiedliche HESLösungen lassen einen direkten Vergleich
der Studien nur eingeschränkt zu. Dennoch können einige generelle Aussagen gemacht werden. Die Effekte von HESLösungen auf die Hämostase und den Blutverlust sind vom Molekulargewicht sowie vom Substitutionsgrad abhängig. HMWHESVerbindungen beeinflussen die Gerinnung erheblich, selbst wenn sie nur einmalig gegeben werden. Sie führen zur Störung der Thrombozytenaggregation, Verminderung von Faktor VIII und vWF, Beeinträchtigung der Gerinnselqualität und Steigerung der Fibrinolyse [5, 16]. MMWHES und langsam abbaubares HES mit einem hohen Grad an Substitution führen nach wiederholter Gabe in kurzer Zeit ebenfalls zur klinisch relevanten Einschränkung der Gerinnung; vermutlich kommt es zur Ansammlung der Makromoleküle [1, 16]. Gut belegt ist inzwischen, dass LMWHESLösungen deutlich geringere Auswirkungen auf die Gerinnung haben. Als relevanter Faktor bleibt die Beeinträchtigung der Fibrinogenpolymerisation, die ausgeprägter ist als nach Gelatinelösungen und darüber hinaus auch durch hoch dosierte Fibrinogengaben schlecht normalisierbar ist [6, 7, 13, 23]. Hypertone Kochsalzlösung kombiniert mit MMWHES zur „small volume resuscitation“ beeinträchtigte in einer experimentellen Untersuchung ebenfalls die Gerinnselfestigkeit, jedoch weniger stark als reine LWMHES oder Gelatinelösungen [9]. Ob hieraus ein klinischer Vorteil erwächst, ist noch nicht abzuschätzen.
Obgleich moderne HESLösungen im Allgemeinen als wirkungsvoller und sicherer Volumenersatz angesehen werden, kann es je nach verwendeter Substanz und Menge dennoch zu einer klinisch relevanten Hämostasestörung kommen. Mit zunehmender Molekülgröße und hohem Substitutionsgrad steigt die Beeinträchtigung der Gerinnungsfunktion. Deshalb sollten die in Europa klinisch zunehmend zum Einsatz kommenden LMWHESLösungen den HMWHESLösungen unbedingt vorgezogen werden.
Fazit für die Praxis
Die meisten Volumenersatzmittel grei-fen an verschiedenen Punkten in die Hä-mostase ein; es kann zu unspezifischen und spezifischen Effekten kommen (. Tab. 1). Einschränkend ist allerdings zu sagen, dass eine Vermischung experi-menteller und klinischer Daten in der hä-mostaseologischen Beurteilung der Ne-benwirkungen zu finden ist. Albumin hat keine klinisch relevante Wirkung auf die Hämostase. Gelatine- und LMW-HES-Lösungen haben vergleichbar mode-rate Wirkungen, während HMW-HES-Lö-sungen und Dextrane einen stark hem-menden Einfluss auf die Gerinnung zei-gen, der mit einem deutlich erhöhten Blutungsrisiko einhergeht.Daher sollten Dextrane und HMW-HES-Lösungen in der Volumentherapie blu-tender oder blutungsgefährdeter Pati-
Tab. 1 Unspezifische und spezifische Effekte von Volumenersatzmitteln auf die Blutgerinnung
Unspezifische Dilution Spezifische Effekte
Kristalloide Ja Dilutionsazidose?
Albumin Ja Thrombozytenaggregation↓Gerinnselqualität↓
Gelatine Ja Thrombozytenaggregation↓vWF↓Gerinnselqualität↓
Dextrane Ja Thrombozytenadhäsion↓vWF, Faktor VIII↓Fibrinolyse↑
HES Ja Thrombozytenaggregation (HMW)↓vWF (LMW, HMW), Faktor VIII (LMW, HMW)↓Gerinnselqualität (LMW, HMW)↓Fibrinolyse (HMW)↑
vWF Von-Willebrand-Faktor; HES Hydroxyethylstärke; HMW hochmolekulargewichtig; LMW niedermolekular-gewichtig.
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enten keine Anwendung finden. Aber auch Gelatine- und LMW-HES-Lösungen sollten immer mit Bedacht gewählt wer-den. Da junge Patienten in der Regel niedrig normale Fibrinogenspiegel auf-weisen, sind diese Patienten prädesti-niert, unter Gelatine und mehr noch un-ter HES eine Störung der Gerinnselfes-tigkeit zu entwickeln, so dass frühzeitig an eine eventuell notwendige Substituti-on gedacht werden sollte. Bei Patienten mit einer Thrombopenie, Thrombopathie oder manifester Koagulopathie sollten Kolloide nur mit äußerster Zurückhal-tung eingesetzt werden, ein vorrangig zu behandelndes schweres Volumendefizit kann aber nur durch Gabe von Kolloiden effektiv therapiert werden. Azidose und Hypothermie – zwei wesentliche Kofak-toren der Gerinnung – sollten aggressiv therapiert werden. Wahrscheinlich bie-ten balanzierte Infusionslösungen hier-bei einen Vorteil.
KorrespondenzadresseDr. S. Lison
Klinik für Anaesthesiologie, Ludwig-Maximilians-Universi-tät MünchenNussbaumstr. 20, 80336 Mü[email protected] muenchen.de
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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