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Internationale Organisationen und Völkerrecht

Internationale Organisationen und Völkerrecht. VR 1 Der wesentliche Unterschied zwischen dem Völkerrecht und dem innerstaatlichen Recht besteht im Fehlen

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Internationale Organisationen und Völkerrecht

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VR 1

• Der wesentliche Unterschied zwischen dem Völkerrecht und dem innerstaatlichen Recht besteht im Fehlen eines zentralen Gesetzgebungsorgans. Das klassische Völkerrecht wird den Staaten nicht oktroyiert, sondern stellt eine Koordinationsordnung zwischen ihnen dar. Vor ihm wurden nur die „christlichen“, später die „zivilisierten“ – also die europäischen Staaten – als Völkerrechtssubjekte anerkannt.

• In der heutigen Völkerrechtsordnung, die sich u.a. in der UNO-Charta widerspiegelt, sind dagegen sämtliche Staaten gleichberechtigte Subjekte. Deshalb gilt grundsätzlich das Prinzip „Ein Staat, eine Stimme.“

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Als Meilensteine des (positiven) Völkerrechts• der Westfälische Friede von 1648 • der Frieden von Utrecht von 1713 • die Wiener Kongreßakte vom 9. Juli 1815 • die Genfer Konvention vom 22. August 1864 • die Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 • die Haager Landkriegsordnung vom 18. Oktober 1907 • die Pariser Vorortverträge 1919 und 1920 • der Briand-Kellogg-Pakt vom 27. August 1928 • die Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 • die Genfer Abkommen vom 12. August 1949 • die zwei Zusatzprotokolle vom 8. Juni 1977 zu den

Genfer Abkommen von 1949 • das Seerechtsübereinkommen der Vereinten

Nationen vom 10. Dezember 1982 • das Rom-Statut des Internationalen

Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998

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VR 2

• Zu unterscheiden ist zwischen dem Friedens- und dem Kriegsvölkerrecht, wobei das Friedensvölkerrecht auch die Regeln umfasst, die den rechtmäßigen Einsatz von militärischer Gewalt bestimmen (ius ad bellum), während als Kriegsvölkerrecht das im Krieg geltende Recht bezeichnet wird (ius in bello)

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Gerechter Krieg

Krieg

ius ad bellum ius in bello

** iustus finis

** causa iusta Kriegs-

** legitima auctoritas VR

Friedens-VR

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Internationale Organisationzwei Begriffsvarianten

1. Analytisches Konstrukt

Normative Zielvorstellung der Entwicklung der internationalen Politik: Ersatz der anarchischen Staatenwelt mitsamt dem für sie typischen Konfliktaustrag durch Drohung mit/Anwendung von militärischer Gewalt durch multinationale politisch-administrative Steuerungs- und Koordinationsmechanismen

Endziel: Weltfriedensorganisation

2. Name einer bestimmten Klasse von Institutionen/Organisationen

Formal: zwischenstaatliche, auf völkerrechtlichen Vertrag gegründete Staatenverbindung mit eigenen, speziellen, arbeitsteilig funktionierenden Organen zur Verfolgung gemeinsamer Zwecke

„ Zweckverband der beteiligten Staaten “„ Zweckverband der beteiligten Staaten “

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Gesellschaft

Staat C

Regierung

Gesellschaft

Staat B

Regierung

Gesellschaft

Staat A

Regierung

IGO

INGO

= außenpolitische oder internationale Transaktionen

= innenpolitische Interaktionen

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Neuere SichtFrage nach dauerhafter, norm- und regelgeleiteter Kooperation zwischen

Staaten in angebbaren PolitikfeldernFrage nach dauerhafter, norm- und regelgeleiteter Kooperation zwischen

Staaten in angebbaren Politikfeldern

I.O.s als Bestandteile routinisierter politischer Mehrebenen-Entscheidungssysteme, in denen grenzüberschreitende und zugleich

Entscheidungsebenen übergreifende Probleme bearbeitet werden

I.O.s als Bestandteile routinisierter politischer Mehrebenen-Entscheidungssysteme, in denen grenzüberschreitende und zugleich

Entscheidungsebenen übergreifende Probleme bearbeitet werden

Politikverflechtung schränkt Entscheidungsunabhängigkeit der beteiligten Staaten ein

Politikverflechtung schränkt Entscheidungsunabhängigkeit der beteiligten Staaten ein

Unterscheidungskriterium: unterschiedliche Intensität und Institutionalisierung internationaler Kooperation

Unterscheidungskriterium: unterschiedliche Intensität und Institutionalisierung internationaler Kooperation

Kontinuum: zwischenstaatlicher Informationsaustausch Kontinuum: zwischenstaatlicher Informationsaustausch

Supranationale Gesetzgebung

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Literaturtip

• Volker Rittberger/Bernhard Zangl: Internationale Organisationen – Politik und Geschichte. Euro- päische und weltweite internationale Zusammen-schlüsse. 3.Aufl. Opladen: Leske & Budrich 2003.

• Harald Müller: Die Chance der Kooperation. Regime in den internationalen Beziehungen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1993.

• Ferner Peter Willetts, Transnational actors and inter- national organizations in global politics sowie

• Richard Little, International regimes • Christian Reus-Smit, International Law

alle in Baylis/Smith/Owens Teil III

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... an international organization can be defined as a formal, continuous structure established by agreement between members (governmental and/or non-governmental) from two or more

sovereign states with the aim of pursuing the common interest of the membership...

Intensive

Extensive

General Specific

European CommunityEuropean Community

Commonwealth of Nations

Commonwealth of Nations

UNOUNO ILOILO FAOFAO

International Sugar Organization

International Sugar Organization

Council of EuropeCouncil of Europe

Nordic CouncilNordic Council

Asian & Pacific Coconut Community

Asian & Pacific Coconut Community

AIMS AND ACTIVITIES

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„Politische“ Internationale Organisationen„Politische“ Internationale Organisationen

„Unpolitische“ Internationale Organisationen„Unpolitische“ Internationale Organisationen

Ziel: Erhalt des Staates als internationaler Akteur

Ziel: Erhalt/Mehrung des Wohlstandes und der Wohlfahrt eines Volkes

DiplomatieDiplomatieSicherheit/VerteidigungSicherheit/Verteidigung

HOHE

POLITIK

Sachbezogene

Landwirtschaft Forsten/Fischerei

Wirtschaft Verkehr

Handel Kommunikation

Finanz Umwelt

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Internationale Akteure – Differenzierung

Alle Globalen Akteure

Illegitime transnationale Akteure

International agierende Verbrechersyndikate

Guerillas, Befreiungs-bewegungen, Internat. Terrorismus

Regierungen und Verwaltungen

Regierungen und Verwaltungen

IGOsIGOs

Supranationale Akteure

Supranationale Akteure

Hybride, Regime, QUINGOs

Hybride, Regime, QUINGOs

Hybride, QUANGOs

Hybride, QUANGOs

Globale Public Policy Netzwerke GPPNs

Globale Public Policy Netzwerke GPPNs

Transnationale Wirtschaftsunternehmen

TNCs, BINGOs

Transnationale Wirtschaftsunternehmen

TNCs, BINGOs

„Sitzland“ –transnationale Akteure, NGOs

„Sitzland“ –transnationale Akteure, NGOs

Legitime transnationale

Akteure

Legitime transnationale

Akteure

Universale, transkontinentale,

regionale transnat. Akteure

Universale, transkontinentale,

regionale transnat. Akteure

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QUINGO = Quasi intergovernmental organization

QUANGO = Quasi nongovernmental organization

BINGO = Business International Nongovernmental Organization

GPPN = Global Public Policy Network

QUINGO = Quasi intergovernmental organization

QUANGO = Quasi nongovernmental organization

BINGO = Business International Nongovernmental Organization

GPPN = Global Public Policy Network

QUINGOs &QUANGOs = Mischformen zwischen regierungsamtlichen und nichtregierungsamtlichen Akteuren QUINGOs &QUANGOs = Mischformen zwischen regierungsamtlichen und nichtregierungsamtlichen Akteuren

GPPN = Allianzen von Regierungsbehörden, Internationalen Organisationen, öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Körperschaften

GPPN = Allianzen von Regierungsbehörden, Internationalen Organisationen, öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Körperschaften

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Literaturtip

• Achim Brunnengräber/Ansgar Klein/Heike Walk (Hrsg.): NGOs im Prozess der Globa- lisierung. Mächtige Zwerge – umstrittene Riesen. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2005 [Schriftenreihe Bd. 400].

• Sven Bernhard Gareis/Johannes Varwick: Die Vereinten Nationen. Aufgaben, Instrumente und Reformen. 4. aktualis.u.erw. Aufl. 2006 [UTB]

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Verhältnis staatlicher/nichtstaatlicher nationaler und internationaler Organisationen*

Das internationale System setzt sich zusammen aus » weniger als 200 Staaten » ca. 250 IGOs (UN, NATO, EU, OSZE usw.)» ca. 6600 INGOs mit weltweiter, interkontinentaler oder regionaler Mitgliedschaft

(z.B. Amnesty International, Kirchenbünde, das IRK, die FIFA usw.)» ca. 10.000 NGOs mit überwiegend einem Land zuzurechnender Mitgliedschaft

(„Sitzland-NGO“), die aber gleichwohl signifikante internationale Aktivitäten unterhalten (z.B. Freedom House, USA; Medicins sans Frontieres, Frankreich; Cap Anamur, BRD)

» ca. 64.000 transnationalen Konzernen (TNcs, BINGOs) mit über 860.000 nationalen Tochterfirmen

* Nichtstaatliche internationale Organisationen: näherungsweise

Terminologische Neuorientierung:

nichtstaatliche internationale Akteure

transnationale Akteure

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1909 1956 1960 1964 1968 1976 1981 1986 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994

IGO (a) 37 132 154 179 229 252 337 369 309 300 293 297 286 272 263

IGO (b) 0 0 0 0 0 0 702 1330 1393 1489 1563 1497 1404 1464 1490

INGO 176 985 1268 1718 2577 5155 9398 14518 16325 14333 16208 16113 12457 12759 12961

Summe 213 1117 1422 1897 2806 5407 10437 16217 18027 16122 18064 17907 14147 14495 14714

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Internationale Organisationen: Rollen

Instrumente staatlicher Diplomatie:Hilfsmittel der Staaten bei der Durchsetzung partikularer Interessen (insbes. der mächtigen Akteure)

Arena für politische Tauschbeziehungen:Eher Rahmen als Mittel staatlicher Politik

– Konferenzdiplomatische Dauereinrichtungen zur Behandlung von Themen von internationalem Interesse auf verschiedenen Kooperationsniveaus

Teilweise autonome, internationale Akteure:Handlungsträger, deren Verhalten kein ausschliesslicher Reflex auf die internationale Umwelt darstellt, sondern die Entscheidungen treffen können, die nicht den Präferenzen aller Mitglieder entsprechen (müssen), diese aber dennoch binden.

Instrumente staatlicher Diplomatie:Hilfsmittel der Staaten bei der Durchsetzung partikularer Interessen (insbes. der mächtigen Akteure)

Arena für politische Tauschbeziehungen:Eher Rahmen als Mittel staatlicher Politik

– Konferenzdiplomatische Dauereinrichtungen zur Behandlung von Themen von internationalem Interesse auf verschiedenen Kooperationsniveaus

Teilweise autonome, internationale Akteure:Handlungsträger, deren Verhalten kein ausschliesslicher Reflex auf die internationale Umwelt darstellt, sondern die Entscheidungen treffen können, die nicht den Präferenzen aller Mitglieder entsprechen (müssen), diese aber dennoch binden.

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Spezifische Wirkungen von IGOs und INGOsSpezifische Wirkungen von IGOs und INGOs

a. Gegenelite und Parallelelite zur Diplomatie des Nationalstaats: das Ansteigen der Zahl der IGOs und INGOs wurde für die Diplomatie der Nationalstaaten eine Herausforderung, mussten doch dadurch neue Verhaltensweisen z.B. in Form der Konferenzdiplomatie entwickelt werden. Gegeneliten bilden sich in den INGOs, die bei der Lösung spezieller, oft fachlicher Probleme eine grössere Kompetenz als die Diplomaten aufgrund ihrer Fachausbildung aufweisen.

b. Multilaterale und multinationale Interessenbündelung: I.O. wirken als spezifische Konfliktverhütungs- und –regelungsagenturen. In ihnen vollzieht sich eine laufende Multilateralisierung, wenn auch im Völkerrecht weiterhin von der Idee ausgegangen wird, dass das Individuum in all seinen Beziehungen von seinem Heimatstaat vertreten wird.

c. Vermittlungsfunktionen: aufgrund ihrer multinationalen Zusammensetzung bilden I.O. einen guten Rahmen, um zwischen streitenden Parteien zu vermitteln und auszugleichen. Eine I.O kann als neutraler Ort dienen, an dem die Streitparteien ohne Prestigeverlust zusammentreffen können. Auch können I.O sich als Vermittler in Konfliktfällen einschalten wie z.B. die Vereinten Nationen in vielen Missionen, aber auch die Europäische Gemeinschaft im Jugoslawienkrieg, wenngleich ohne grossen Erfolg (Balkankonflikt)

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d. Kollektive Organisierung schwacher und kleiner Nationalstaaten: das internationale System besteht zu mehr als der Hälfte aus kleinen und schwachen Staaten, die zwar durch das Völkerrecht in den internationalen Beziehungen rechtlich gleichgestellt sind, die aber faktisch nur durch Zusammenschluss ihre Interessen wahrnehmen können. So bilden I.O für diese Staaten einen Rahmen, mit dessen Hilfe sie sich für ihre Probleme zunächst einmal Gehör schaffen können (z.B. Gruppe der 77), um in einem zweiten Schritt vielleicht sogar ihre Interessen durchsetzen zu können.

e. Internationale Öffentlichkeit durch I.O.: I.O. tagen oft öffentlich und geben darüber hinaus in internationalen Pressekonferenzen die Möglichkeit, sich mit den anstehenden Themen vertraut zu machen. Geheimdiplomatie ist danach heute nicht mehr möglich, da eine I.O. selbst ein Interesse an der Veröffentlichung ihrer zu behandelnden Fragen hat.

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Entgrenzungskrise des Nationalstaats (I)

Klassische Staatsdefinition:

„Staat“: Diejenige menschliche Gemeinschaft, die innerhalb eines bestimmten Gebietes das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit mit Erfolg für sich beansprucht (Max Weber)

Territorialität Herrschaftsgewalt

Innenpolitik

(unterliegt dem Durch-setzungsanspruch des

Gewaltmonopols) Ordnungslegitimität im

Innenraum der Staatlichkeit =>

Souveränitätsbegriff

Aussenpolitik

Wahrnehmung hoheitlicher Belange

durch den Staatsapparat nach

aussen

Staatsapparat

Gesellschaft

als nichtstaatlicher Bereich

Entgegensetzung

Internationale PolitikInternationale Politik

AussenpolitikAussenpolitik

bzw.

Gesellschaft A

Staatsapparat A

A

Staatsapparat B

B

Gesellschaft A Gesellschaft B

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Entgrenzungskrise des Nationalstaats (II)

Kennzeichen der Krise:

Innen- und aussenpolitischer Verlust an Souveränität und Handlungsautonomie Kennzeichen der Krise:

Innen- und aussenpolitischer Verlust an Souveränität und Handlungsautonomie

Die Globalisierung von Wirtschaftsaktivitäten in Verbindung mit der Ausbildung neuer weltwirtschaftlicher Zentren, vor allem aber der Übergang von der Internationalisierung der Produktion zum „global sourcing“ durchbricht die Schutzfunktion territorialstaatlicher Grenzen für nationale Ökonomien und nationale Daseinsfürsorge.

Der internationale Schadstoffverkehr unterläuft die territoriale Unversehrtheit des Nationalstaats; seine Souveränität wird durch globale Umwelteinflüsse beeinträchtigt.

Die Bildung transnationaler Gemeinschaften von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen, Arbeitsmigranten und nach Besserung ihrer ökonomischen Lage Strebenden sprengt die in der Staatsbürgerschaft greifbare Zuordnung von Bevölkerung und Territorium; sie trägt die Krisenhaftigkeit der globalen Entwicklung in die Gesellschaften der Zielländer.

Transnationale Koalitionen entwickeln neue Formen der Kooperation als Sachwalter globaler Anliegen (Schutz der Menschenrechte, Demokratisierung, Umwelt), die staatliche Politik aushebeln.

Miteinander verbündete, auf Wachstum und technischen Fortschritt sowie Mobilität von Kapital, Gütern und Dienstleistungen eingeschworene gesellschaftliche Kräfte ignorieren das staatliche Entscheidungsmonopol. Sie konstruieren technologische und ökonomische Sachzwänge national wie international:

– Transnationale Vernetzung

– Funktionale Interdependenz

– Globalisierung der Politik

ökonomische Vermittlung durch den Weltmarkt

politische Vermittlung durch die transnationale Gesellschaft

ökonomische Vermittlung durch den Weltmarkt

politische Vermittlung durch die transnationale Gesellschaft

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Transnationale Gesellschaft

Der Staat ist nicht mehr Staat genug, um sich gegenüber den technisch-ökonomischen Rationalitätsvorstellungen der transnationalen Gesellschaft jenes Maß an souveräner Unabhängigkeit zu bewahren, dessen er zur Erfüllung seiner elementaren Aufgaben bedarf. Die transnationale Gesellschaft unterläuft seinen

Souveränitätsanspruch.

A B C

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Souveränitätsverlust, Entgrenzung, Global Governance. Neues (weltgesellschaftliches?) Milieu des nationalen Akteurs?

•Fortschritt der Produktivkräfte•Internationalisierung/Globalisierungder Produktion, Distribution vonDienstleistungen und des Kapital-markts•Entstofflichung/ Virtualisierung der Weltwirtschaft

•Fortschritt der Produktivkräfte•Internationalisierung/Globalisierungder Produktion, Distribution vonDienstleistungen und des Kapital-markts•Entstofflichung/ Virtualisierung der Weltwirtschaft

Wachstum der Menge regionaler, internationaler, transnationaler Akteure, Organisationen, IGOs/

INGOs und Regime

Wachstum der Menge regionaler, internationaler, transnationaler Akteure, Organisationen, IGOs/

INGOs und Regime

Verdichtung globaler Verflechtungen in Schlüsselbereichen: Wirtschaft, Politik, Technologie, Kommunikation, Verkehr, Migration, Rechtswesen

Wachsende Durchlässigkeit von Grenzen

Reduzierung der Fähigkeit von Staaten zur Schaffung politischer/ ökonomischer/ rechtlicher Kontrollinstrumente zur Steuerung des Stromes

von Gütern, Dienstleistungen, Personen, Ideen

Reduzierung der Fähigkeit von Staaten zur Schaffung politischer/ ökonomischer/ rechtlicher Kontrollinstrumente zur Steuerung des Stromes

von Gütern, Dienstleistungen, Personen, Ideen

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Reduzierung der Fähigkeit von Staaten zur Schaffung politischer/ ökonomischer/ rechtlicher Kontrollinstrumente zur Steuerung des Stromes

von Gütern, Dienstleistungen, Personen, Ideen

Reduzierung der Fähigkeit von Staaten zur Schaffung politischer/ ökonomischer/ rechtlicher Kontrollinstrumente zur Steuerung des Stromes

von Gütern, Dienstleistungen, Personen, Ideen

Wachsende Notwendigkeit zwischenstaatlicher Kooperation zur Beeinflussung/ Gestaltung von Politikergebnissen

Wachstum der Menge internationaler Institutionen und Organisationen zur Konfliktbearbeitung und Konfliktverregelung

(Ansatzweise) Genese eines Systems der „Global Governance“ und Neudefinition der Kompetenzen, Zuständigkeiten,

Handlungsmöglichkeiten, Verhaltenserwartungen nationaler Akteure

Genese eines fragilen interdependenten Weltsystems, bedroht von (Re-) Nationalisierungstendenzen, Abschottungspolitik, ideologischen, religiösen und fundamentalistischen Wirkkräften sowie negativen Wirkungen des technischen

Fortschritts (ökologische Katastrophen, Ausbreitung neuer Krankheiten und Seuchen, Rüstungsproliferation)

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Literaturtip

• Jürgen Neyer: Postnationale politische Herrschaft. Vergesellschaftung und Ver-rechtlichung jenseits des Staates. Baden-Baden: Nomos 2004.

• Hartmut Behr: Entterritoriale Politik. Von den Internationalen Beziehungen zur Netzwerk-analyse. Wiesbaden: VS Verlag 2004.

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Literaturtip

• Arthur Benz (Hrsg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung. Wiesbaden: VS-Verlag 2004.

• Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.): Governance-Forschung. Vergewis-serung über Stand und Entwicklungs-linien. Baden-Baden: Nomos 2005.

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NGOs als politische Akteure Konsultationsprozess

UNO – ECOSOC

StatusanerkennungUNO – ECOSOC

Statusanerkennung

NGOs Aktivitäten, Fachwissen, Personal, Ressourcen

NGOs Aktivitäten, Fachwissen, Personal, Ressourcen

Kategorien

1. High-status NGOs Ansprech-/Konsultationspartner in den meisten Fragen, die das ECOSOC bearbeitet (relativ kleine Anzahl)

2. Spezialisierte NGOs Ansprech-/Konsultationspartner in einem kleineren Arbeitsbereich (ggfs. auch „single-issue“), dort aber mit hohem Expertenwissen ausgestattet

3. Liste der (gelegentlich) konsultierten NGOs

NGO: gesellschaftliche Gruppierung, der ECOSOC Konsultativstatus zugebilligt hat

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Kriterien für UNO-akzeptable NGOsKriterien für UNO-akzeptable NGOs1. Unterstützung der Ziele und Arbeit der UNO

2. Vertretungskörperschaft („representative body“) mit identifizierbarer Geschäftsstelle und handlungsbevollmächtigten Mitarbeitern, die einer demokratisch entscheidenden Versammlung verantwortlich sind.

3. Non-Profit-Making Organizations (TNCs können keinen Konsultativ-Status erhalten)

4. Kein Gebrauch oder keine Befürwortung von Gewalt zur Lösung internationaler/nationaler Probleme

5. Anerkennung der Norm der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten (Menschenrechtsgruppen sollten ihre Aktivitäten nicht auf eine bestimmte Gruppe, Nationalität oder ein Land beschränken)

6. INGOs bedürfen zu ihrer Gründung keiner Zustimmung von Regierungsseite. Amtliche Körperschaften / Organisationen können jedoch Mitglied von INGOs sein (=> QUINGO)

1. Unterstützung der Ziele und Arbeit der UNO

2. Vertretungskörperschaft („representative body“) mit identifizierbarer Geschäftsstelle und handlungsbevollmächtigten Mitarbeitern, die einer demokratisch entscheidenden Versammlung verantwortlich sind.

3. Non-Profit-Making Organizations (TNCs können keinen Konsultativ-Status erhalten)

4. Kein Gebrauch oder keine Befürwortung von Gewalt zur Lösung internationaler/nationaler Probleme

5. Anerkennung der Norm der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Staaten (Menschenrechtsgruppen sollten ihre Aktivitäten nicht auf eine bestimmte Gruppe, Nationalität oder ein Land beschränken)

6. INGOs bedürfen zu ihrer Gründung keiner Zustimmung von Regierungsseite. Amtliche Körperschaften / Organisationen können jedoch Mitglied von INGOs sein (=> QUINGO)

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Beispiel Zivilluftfahrt

Regelung von Sicherheitsfragen

LuftfahrtgesellschaftenLuftfahrtgesellschaften StaatenStaaten

IATA (International Air Transport Organisation) universale INGO; regelt Geschäftsbeziehungen der Mitglieder

ICAO (International Civil Aviation Organization) universale IGO; regelt Navigations- und Sicherheitsstandards

Pressure Group Beides UN-

Sonderorganisationen

IFALPA (International Federation of Air Line Pilots‘ Associations) universale INGO: Dachverband der nationalen Berufsverbände

International Transport Workers Federation

International Union of Aviation Insurers (universale INGOs) Nationale Fachverbände als Sitzland NGOs

WMO (World Meteoro-logical Organization) Wettervorhersage

Institute of Air Transport (Forschung)

International Union of Geodesy and Geophysics (Wissenschaft)

International Commission on Illumination (techn. Standards)

INGOs oder QUINGOsINGOs oder QUINGOs

Ständige Teilhabe an den

Sitzungen

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Stoßseufzeraus münsterschen Hörsälen…