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Ludwig-Maximilians-Universität München Fakultät für Psychologie und Pädagogik Seminar Entwicklungsdiagnostik Dozentin: Dr. H. Perst WS 2010/11 Sprachentwicklungsstörungen Intervention und Therapie Referenten: Jana Karmainski, Daniel Apel

Intervention und Therapie - LMU München · •Konzept: Intuitive Erfassung sprachlicher Regeln • Stimulierung der Zielstruktur in alltäglicher Kommunikationssituation Kriterium

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Ludwig-Maximilians-Universität MünchenFakultät für Psychologie und PädagogikSeminar EntwicklungsdiagnostikDozentin: Dr. H. PerstWS 2010/11

Sprachentwicklungsstörungen– Intervention und Therapie –

Referenten: Jana Karmainski, Daniel Apel

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Gliederung

1 Einführung (Daniel)• Prozessablauf: Von der Diagnose zur Therapie

• Differentialdiagnose von Sprachentwicklungsstörungen

2 Entstehung (Jana)• Ätiologie: Multifaktorielle Übersicht zur Entstehung von Sprachentwicklungsstörungen

3 Therapie und Intervention• Ansprüche und Erwartungen an eine Sprachtherapie (Jana)

• Dimensionale Klassifikation von Sprachtherapien (Daniel)

• EXKURS: Kontextoptimierung: Grundlagen und Anwendung (Daniel + Jana)

• Sprachtherapie auf dem Prüfstand: Metaanalytische Wirksamkeitsbefunde (Daniel)

• Prävention von Sprachentwicklungsstörungen (Daniel)

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Prozessablauf: Von der Diagnose zur Therapie

Anmeldung: Konsultation, Fragestellung

Anamnese: Eltern-/Kind-

Gespräch

Katamnese: Therapieerfolgs-

kontrolle

Diagnose: ELFRA,

Verhaltensbeob.,…

Differentialdiagnose:Klassifikatorische

Abgrenzung

Therapie: Verfahren, Dauer,

Intensität

Indikation: „Heilanzeige“

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Fragenfeld

Wiederholung aus der letzten Sitzung:

„Was ist eine Sprachentwicklungsstörung?“

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Differentialdiagnose von Sprachentwicklungsstörungen I

Eine Sprachentwicklungsstörung liegt dann vor, wenn

1) über das Maß der normalen Varianz hinausgehende Beeinträchtigungen von Sprachverständnis und/oder Sprachproduktion auf einer oder mehreren formal-linguistischen Ebenen bestehen

2) und hierbei als ausgeschlossen gelten kann, dass beeinträchtigendea) körperliche (Hörstörung, neurologische Schädigung)

b) psychische (allgemeine Störung der kognitiven Entwicklung)

c) umgebungsbezogene (deprivierende Umweltbedingungen)

Bedingungen ursächlich vorliegen.

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Back-Up Information: Formal-linguistische Ebenen

SPRACHE

Pragmatisch-ökologisch Morphologisch-syntaktisch

Lexikalisch-semantischPhonetisch-phonologisch

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primär

Differentialdiagnose von Sprachentwicklungsstörungen II

Grundgesamtheit der zu untersuchenden Kinder

Sprachauffälligkeit Keine Sprachauffälligkeit

subsyndromal Klinisch bedeutsam

sekundär

SprachstörungSt.d. Redeflusses

F80.0 F80.1 …

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Gliederung

1 Einführung (Daniel)• Prozessablauf: Von der Diagnose zur Therapie

• Differentialdiagnose von Sprachentwicklungsstörungen

2 Entstehung (Jana)• Ätiologie: Multifaktorielle Übersicht zur Entstehung von Sprachentwicklungsstörungen

3 Therapie und Intervention• Ansprüche und Erwartungen an eine Sprachtherapie (Jana)

• Dimensionale Klassifikation von Sprachtherapien (Daniel)

• EXKURS: Kontextoptimierung: Grundlagen und Anwendung (Daniel + Jana)

• Sprachtherapie auf dem Prüfstand: Metaanalytische Wirksamkeitsbefunde (Daniel)

• Prävention von Sprachentwicklungsstörungen (Daniel)

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Ätiologie: Vorurteile

Störungen der Sprachentwicklung entstehen durch :

unzureichende Förderung

elterlicher Dialekt

Übermäßig viel TV und Computer

Hysterie der Eltern

die deutsche Sprache

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Sprachentwicklungsstörungen

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Genetische Disposition

• Familiäre Häufung in Zwillingsstudien

unabhängig von Umwelteinflüssen

• 50%: gemischte Erbgänge

50%: Autosomal-dominante Vererbung

Polygene multifaktorielle Vererbung

(Beteiligung Chromosom 2, 7, 15, 16, 19)

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Defizite der sprachbezogenen Informationsverarbeitung

Defizite des auditiven Gedächtnisses

Schwierigkeiten bei der schnellen Verarbeitung

auditiver Reize

Probleme rythmisch-prosodische Informationen

zu verarbeiten

Einschränkung bei der Übernahme größerer

Spracheinheiten

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Psychosoziale Belastungen

• Moderierende Effekte unzureichender Förderung

• Verstärkt genetische Disposition

• Nur in Ausnahmefällen alleinige Ursache: Kaspar-Hauser-Syndrom

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Frühkindliche Hirnschädigung

Allgemeine kognitive Entwicklungsbeeinträchtigung

spezifische Sprachentwicklungsstörung

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Geburtskomplikationen

• Geringes Geburtsgewicht

• Kurze Gestationsdauer (Frühgeburt)

• Sauerstoffmangel während der Geburt

• Längerer Krankenhausaufenthalt nach der Geburt

• Einsatz geburtshilflicher Maßnahmen

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Modell des Arbeitsgedächtnisses

Mehrkomponentenmodell nach Baddeley et al., 1986

Teilung der Aufmerksamkeit

Multimodales Speichermodell

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Gliederung

1 Einführung (Daniel)• Prozessablauf: Von der Diagnose zur Therapie

• Differentialdiagnose von Sprachentwicklungsstörungen

2 Entstehung (Jana)• Ätiologie: Multifaktorielle Übersicht zur Entstehung von Sprachentwicklungsstörungen

3 Therapie und Intervention• Ansprüche und Erwartungen an eine Sprachtherapie (Jana)

• Dimensionale Klassifikation von Sprachtherapien (Daniel)

• EXKURS: Kontextoptimierung: Grundlagen und Anwendung (Daniel + Jana)

• Sprachtherapie auf dem Prüfstand: Metaanalytische Wirksamkeitsbefunde (Daniel)

• Prävention von Sprachentwicklungsstörungen (Daniel)

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Interventionen bei SSES

Verbesserung der Sprech- und Kommunikationskompetenz und –freude durch logopädische Maßnahmen, sowie optimale soziale Integration

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Indikation einer Sprachtherapie

• Sprache als Schlüsselqualifikation für kognitive,

emotionale und soziale Entwicklung

• Schulische und berufliche Konsequenzen

• Stigmatisierung von 50% der Kinder und 30% der Eltern

• Wahrgenommenes Mobbing-Risiko 3x häufiger (36%)

• Anhaltende Defizite im Erwachsenenalter

• Komorbiditätsrisiko

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Ansprüche an eine Sprachtherapie

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Ansprüche der Gesellschaft

• dem medizinischen Kenntnisstand entsprechend

• Erfolgsorientiert, evidenzbasiert

• wirtschaftlich

• bedarfsgerecht

Ansprüche der Ärzte

• konkreter Nutzen für Betroffene

• Nachhaltigkeit

• so früh wie möglich, so intensiv wie nötig

• nebenwirkungsarm

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Mögliche Nebenwirkungen

Ressourcenverbrauch

Finanzielle und zeitliche Belastung der Eltern

Störung der Eltern-Kind Interaktion

Überforderung von Eltern und Kind

Verlust der intuitiven Sprachförderung

Stigmatisierung

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Ansprüche der Sprachtherapeuten

• Ganzheitliche Sichtweise

• auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt

• Plausibilität

• Kombination aus Evidenz/ Intuition & Erfahrung

Ansprüche von Eltern und Kind

• fachliche Kompetenz

• Erreichbarkeit, Transparenz

• Spaß, Verständlichkeit

• Berücksichtigung der Bedürfnisse der Eltern

• zeitliche und finanzielle Zumutbarkeit

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Partizipation der Eltern

• Abbau von Überbehütung/ Ablehnung

• Erlernen sprachförderndes Verhalten

• Erlernen von Sprech- und Imitationsspielen und Übungen für zu Hause

• Richtiger Umgang mit Fehlern

• Abbau von Stigmatisierung und Schuldgefühlen

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Partizipation der Eltern

Bedürfnisse der Eltern:

Information

professionelle Hilfe

finanzielle Unterstützung

Integration in soziales Netzwerk

Mangelhafter Einbezug der Eltern nach den Prinzipien der Partnerschaftlichkeit und des Empowerment

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Partizipationsbereitschaft

• 80% der Sprachtherapien werden von Müttern veranlasst

• Wunsch nach Information über Störungsbild

• Bereitschaft zum gemeinsamen Üben zu Hause

• Wenig Interesse an aktiver Teilnahme an Therapiesitzungen

• Negativer Einfluss auf Partizipationsbereitschaft:

Wahrgenommene Belastung, Berufstätigkeit, steigende Anzahl von Kindern

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Die ersten Schritte

Beurteilung der Spontansprache

weiterführende Diagnostik

Ausschluss anderer

Ursachen

Auswahl geeigneter Therapie-verfahren

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Prozessablauf: Von der Diagnose zur Therapie

Anmeldung: Konsultation, Fragestellung

Anamnese: Eltern-/Kind-

Gespräch

Katamnese: Therapieerfolgs-

kontrolle

Diagnose: ELFRA,

Verhaltensbeob.,…

Differentialdiagnose:Klassifikatorische

Abgrenzung

Therapie: Verfahren, Dauer,

Intensität

Indikation: „Heilanzeige“

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Vor Beginn der Therapie: Auswahl der Therapieziele

• Grundlage: Sprachbefund ( individuelles Defizit- bzw. Ressourcenmuster)

• Gesamttherapieplan setzt sich aus unterschiedlichen Teilzielen zusammen:

THERAPIEPLAN

Bereichsübergreifend

• Hintergrund: SES häufig im Kontext komplexer Störungsbilder

• interdisziplinäre Zusammenarbeit

• Beispiel: Förderung der Aufmerksamkeitsspanne

Ebenenspezifisch

• Definition von Therapiezielen auf der linguistischen Subebene

• Auswahl konkreter Behandlungstechniken

• Beispiel: „Wo ist Herr Rot“ als spezifische Dativübung

Sprachspezifisch

• Auswahl spezifischer linguistischer Ebenen als sog. „Zielstrukturen“

• Ansetzen bei besonders betroffenen Ebenen

• Beispiel: Wortschatzaufbau vor Grammatikübungen

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Dimensionale Klassifikation von Sprachtherapien im Überblick I

Strukturiertes Vorgehen:

• orientiert an Lerntheorie• Einsatz spezifischer

Techniken: Imitation, Elizitation, Sprachroutinen

• Unterstützung durch Gestik, Farben, Schrift

Naturalistisches Vorgehen:

• Konzept: Intuitive Erfassung sprachlicher Regeln

• Stimulierung der Zielstruktur in alltäglicher Kommunikationssituation

Kriterium Kontinuum Spezifizierung

Zielperson Kind zentriert Paralleles

Elterntraining

Zielsetzung Allgemeine

Sprachförderung

Spezifische

Sprachstrukturen

Setting Einzeltherapie Gruppentherapie

Vorgehen Strukturiert naturalistisch

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Fragenfeld

Strukturiertes vs. naturalistisches Vorgehen:

„Welche Vor- und Nachteile könnten hiermit

jeweils verbunden sein?“

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Kriterium Kontinuum Spezifizierung

Methoden Rein sprachlich Nutzung anderer

Modalitäten

Ansatzpunkt Input-Therapie Output-Therapie

Zielstruktur Phononologie Syntax

Zielzustand Erw.-Sprache Zwischenschritte

Input-Therapie:

• Wahrnehmung von Sprache steht im Vordergrund

• Hochfrequente Darbietung der zu erlernenden linguistischen Zielstruktur

Output-Therapie:

• Anregung zum aktiven Sprechen steht im Vordergrund

• Lernen durch eigenen Einsatz der zu erlernenden Sprachregeln

Dimensionale Klassifikation von Sprachtherapien im Überblick II

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Zielstruktur Phononologie Syntax

Zielsetzung Allgemeine

Sprachförderung

Spezifische

Sprachstrukturen

Zielzustand Erw.-Sprache Zwischenschritte

Vorgehen Strukturiert Naturalistisch

Zielperson Kind zentriert Paralleles

Elterntraining

Setting Einzeltherapie Gruppentherapie

Ansatzpunkt Input-Therapie Output-Therapie

Methoden Rein sprachlich Nutzung anderer

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Sprachspezifisch

• Patholinguistische Therapie (Siegmüller/Kauschke, 2006)

• Psycholinnguistisch-orientierte Phonologie-Therapie (Fox, 2007)

• Entwicklungsproximale Therapie (Dannenbauer, 2002)

• Metaphon (Jahn, 2001)• Assoziationsmethode

(Mc Ginnis, 1963)• Kontextoptimierung (Motsch, 2006)• Input-Therapie (Penner & Kölliker, 1998)• …

Sprachtherapie-Verfahren im Überblick

Funktionsbereichsübergreifend

• Die Entdeckung der Sprache

(Zollinger, 2007)

• Late-Talker-Therapiekonzept (Schlesinger, 2007)

• Handlungsorientierte Sprachtherapie (HOT; Weigl,2002)

• …

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Entwicklungsproximale Therapie (Dannenbauer, 2002)

• Therapieziel: Diejenigen syntaktischen Strukturen, die das Kind als nächstes erwerben würde

• Therapie in vorstrukturierter Situation, die der individuellen Interessenlage des Kindes entspricht

• hierbei: Zielstruktur wird mit erhöhter Frequenz in Interaktion zwischen Kind und Therapeut eingebaut

• Interaktion beinhaltet Rollentausch, damit das Kind Gelegenheit hat, Strukturen zu entdecken und selbst zu produzieren

• Zentrale Methode: Flexibles Modellieren (Scaffolding)

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Sprachspezifisch

• Patholinguistische Therapie (Siegmüller/Kauschke, 2006)

• Psycholinnguistisch-orientierte Phonologie-Therapie (Fox, 2007)

• Entwicklungsproximale Therapie (Dannenbauer, 2002)

• Metaphon (Jahn, 2001)• Assoziationsmethode

(Mc Ginnis, 1963)• Kontextoptimierung (Motsch, 2006)• Input-Therapie (Penner & Kölliker, 1998)• …

Sprachtherapie-Verfahren im Überblick

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Kontextoptimierung I

• Integratives Therapiekonzept zur Förderung grammatischer Fähigkeiten bei spracherwerbsgestörten Kindern:

Produktionsorientierte Ansätze

Rezeptionsorientierte Ansätze

Reflexionsorientierte Ansätze

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Kontextoptimierung II

• Prinzipien der Kontextoptimierung:

KONTEXTOPTIMIERUNG

Modalitätenwechsel

• Integrativer Charakter: Rezeption, Produktion und Reflexion von Sprache wechseln in kurzen Intervallen

Ressourcenorientierung

• Aufgreifen bereits vorhandener Kompetenzen und Inanspruchnahme anderer psychischer Funktionen

Ursachenorientierung

• Anpassung der Therapietechniken an die spezifischen Teildefizite der Kinder (z.B. Elliptische Zielstruktur-Patterns)

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• Das therapeutische Instrumentarium: Modellierungstechniken

1) Verwendung der kürzesten Zielstruktur

2) gezielte Fragen zur Elizitation („Herauskitzeln“) der Zielstruktur

3) besondere Sprechweise des Therapeuten: Wahrnehmbare visuelle oder auditive Strukturangebote bzw. fraktioniertes Sprechen

4) Vermeiden situativer oder sprachlicher „Ablenker“

5) korrektives Feedback

6) Vervollständigen von Äußerungen

7) logische Weiterführung einer Äußerung

8) modellierte Selbstkorrektur

Kontextoptimierung III

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Spiele zur grammatischen Förderung: Der Akkusativ

Normal

Ina begrüßt die Lehrerin.

Er sieht einen Lastwagen.

Ich mag den Mann.

Ist das für mich?

Er sieht den Hund.

Gestört

Ina begrüßt das Lehrerin.

Er sieht ein Lastwagen.

Ich mag der Mann.

Ist das für mir?

Er sieht das Hund.

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Wie heißt die Hauptstadt

Italiens?

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Forschung vs. Praxis

• basiert auf Evidenz

• Zahlreiche Erkenntnisse zu gestörterSprachentwicklung

• Fordert bereichsspezifische Trainings

• Prüfung der Wirkung durch Interventionsstudien unzureichend

• Basiert auf Erfahrung

• Individualität der SSES

• KompensatorischeStützung allgemein notwendig

• Kein Einheitliches Erklärungsmodell

Variantenreichtum der Interventionen

Jedes Kind ist individuell

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Wirkungsmechanismen der Sprachtherapie

Aufmerksamkeit

Motivation

Sprachförderndes Umfeld Frustrationstoleranz

Compliance der Eltern

Intelligenz

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Effektivitätssteigerung durch Kontextoptimierung?

Kontext-optimierung

Ursachen-orientierung

Ressourcen-orientierung

Modalitäts-wechsel

Berücksichtigung ursächlicher Faktoren

Förderung sprachbewusst und sprachunbewusst/

Generalisierung

Nutzen von metasprachlichen und

schriftsprachlichen Ressourcen/ Motivation

Ausschaltung aller sprachlichen Ablenker

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Effektivitätssteigerung durch Kontextoptimierung?

• Reduktion der Schwächen vorhandener Konzepte durch Integration positiver Erfahrungswerte

• Variabel Einsetzbar

Lernfortschritte ausgeprägter und schneller

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Gliederung

1 Einführung (Daniel)• Prozessablauf: Von der Diagnose zur Therapie

• Differentialdiagnose von Sprachentwicklungsstörungen

2 Entstehung (Jana)• Ätiologie: Multifaktorielle Übersicht zur Entstehung von Sprachentwicklungsstörungen

3 Therapie und Intervention• Ansprüche und Erwartungen an eine Sprachtherapie (Jana)

• Dimensionale Klassifikation von Sprachtherapien (Daniel)

• EXKURS: Kontextoptimierung: Grundlagen und Anwendung (Daniel + Jana)

• Sprachtherapie auf dem Prüfstand: Metaanalytische Wirksamkeitsbefunde (Daniel)

• Prävention von Sprachentwicklungsstörungen (Daniel)

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Sprachtherapie auf dem Prüfstand: Metaanalytische Befunde I

• Suchodoletz, 2009:

• Wirksamkeit einer Sprachtherapie:

– Kurzfristige Erfolge können als belegt angesehen werden (Law et. al., 2004)

– Beweise für langfristige Verbesserungen stehen noch aus

– Deutlichste und nachhaltigste Fortschritte im Bereich der Lautbildung

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• Moderatoren des Therapieerfolgs:– Kurzfristige und langfristige Erfolge v.a. abhängig von Übertragung des

Gelernten in den Alltag (Nelson et. al., 1996)

• Wirksamkeit unterschiedlicher Therapiemethoden:– Einzelstudien weisen auf eine Überlegenheit von Modellierungsverfahren

gegenüber Imitationsübungen hin

– Suchodoletz: „Nelson et. al. (1996) hingegen kamen zu dem Schluss, dass generelle Aussagen nicht möglich seien.“

• Zentrales Problem: Methodische Mängel der einbezogenen

Teilstudien und der Metanalysen selbst

Sprachtherapie auf dem Prüfstand: Metaanalytische Befunde II

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• Unterschiedliche Präventionsstrategien:

– Primär: Beseitigung der Ursachen für klinisch relevante Sprachstörungen

– Sekundär: Intervention bei Hinweis auf eine sich entwickelnde Störung

– Tertiär: Vermeidung von Sekundärsymptomen bei vorhandener Diagnose

Prävention von Sprachentwicklungsstörungen

Quantität des Sprachangebots

Qualität des Sprachangebots

Frühkindliche Hirnschädigung

Auditive Wahrnehmung

MedienkonsumSprachförder-programme

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

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Literatur

• Arnoldy, P. & Traub, B. [Hrsg.] (2005). Sprachentwicklungsstörungen früh erkennen und früh behandeln. Loeper Literaturverlag: Karlsruhe.

• Berg, M. (2008). Kontextoptimierung im Unterricht. München: Ernst Reinhardt Verlag• Janczyk, M., Schöler, H. & Grabowski, J.(2004). Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeit bei Vorschulkindern mit gestörter und

unauffälliger Sprachentwicklung. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 36 (4), 200 – 206.• Knox, E. & Conti-Ramsden, G.(2003). Bullying risks of 11-year-old children with specific language impairment (SLI): does school

placement matter?. International Journal of Language & Communicational Disorders, 38 (1), 1 – 12.• Law, J., Garrett, Z., Nye, C. (2004). The efficacy of treatment for children with developmental speech and language

delay/disorder: A meta-analysis. Journal of Speech, Language and Hearing Research 47 (3), pp. 924-943• Macharey, G. & Suchodoletz, W.(2008). Perceived Stigmatization of Children with Speech-Language Impairment and Their

Parents. International Journal of Phoniatrics, Speech Therapy and Communication Pathology, 60 (5). 60 – 68. • Petermann, F. (2008). Lehrbuch der klinischen Entwicklungspsychologie, 6. Auflage. Hogrefe: Göttingen.• Ritterfeld, U. & Rindermann, H.(2004). Mütterliche Einstellung zur sprachtherapeutischen Behandlung ihrer Kinder. Zeitschrift

für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 33 (3), 172 – 182. • Stamm, K., Schöler, H. & Weuffen, M. (2002). Zur Bedeutung perinataler Komplikationen bei Sprach- und Sprechstörungen,

Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 34 (1), 11 – 20.• Suchodoletz, W. [Hrsg.](2002). Therapie von Sprachentwicklungsstörungen. Kohlhammer: Stuttgart. • Suchodoletz, W. (2009). Frühintervention bei Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen. Monatsschrift Kinderheilkunde 10 (3),

pp. 965 -970• Suchodoletz, W. (2009). Wie wirksam ist Sprachtherapie? Kindheit und Entwicklung 18 (4), pp. 213-221