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943 Stahlbau 82 (2013), Heft 12 Persönliches Persönliches Ioannis Vayas 60 Jahre Am 26. Oktober 1953 wird Ioannis Vayas in Griechenland geboren, mit 18 Jahren macht er – seiner Mutter folgend – an der Deutschen Schule in Athen sein Ab- itur. Sein Studium an der Nationalen Technischen Universität Athen beendet er 1976 mit dem Diplom. Ein Jahr zuvor absolviert er ein Praktikum in der Hafen- bauabteilung des Amtes für Straßen- und Hafenbau in Hamburg. Das Nebenein- ander von Griechisch und Deutsch be- stimmen diese frühen Jahre, seine Frau ist Deutsche, seine Töchter wachsen zwei- sprachig auf. Durch Zufall kommt er Ende 1976 zur Technischen Universität Braun- schweig, sein Ziel ist die wissenschaft- liche Mitarbeit in einem Grundbauin- stitut. Aber ein weiterer Zufall führt ihn in das Institut für Stahlbau, in dem er von 1977 bis 1981 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig ist und mit seiner Dis- sertation „Traglastberechnungen für Kon- struktionen aus plattenartigen Bauteilen“ seine mit „Mit Auszeichnung“ bewertete Promotion abschließt. Er wirkte im La- bor u. a. bei Traglastversuchen an längs- gestauchten, versteiften Rechteckplatten mit allseitiger Lagerung sowie an der Ent- wicklung von Raumtragwerken mit Kno- tenkugeln aus duktilem Gusseisen bis zu deren bauaufsichtlichen Zulassung mit. Nebenbei lässt er sich in dieser Zeit von der Schweißtechnischen Versuchs- anstalt Hannover zum Schweißfachinge- nieur ausbilden. Im Oktober 1981 kehrt Vayas nach Griechenland zurück und leistet bis Dezember 1983 seinen Militärdienst. Danach ist er vielseitig als Beratender Ingenieur freiberuflich tätig. Er entwirft u. a. Hallen aus Holz, Stahlbetonhoch- bauten und Verstärkungen alter Bauten aus Mauerwerk. Als Mitglied des Sekre- tariats des Ausschusses für die erste grie- chische Stahl/Spannbeton-Norm betei- ligt sich Vayas an dessen Arbeit. Es war noch die Zeit vor den EUROCODES, in der in Griechenland wenig in Stahl gebaut wurde. Stahlbau in großem Maß kam erst später, der Anteil des Jubilars an dieser Entwicklung ist beträchtlich, ohne ihn ist sie nicht vorstellbar. 1987 wird Vayas wissenschaftlicher Mitarbeiter an seine Athener Universität. Im Stahlbau wird dort damals vorwie- gend theoretisch geforscht, die Aktivitä- ten sind weitgehend auf Technische Me- chanik ausgerichtet. Es gelingt Vayas, der 2003 zum ordentlichen Professor er- nannt wird, die Arbeiten zunehmend – theoretisch und experimentell – auf den „eigentlichen“ Stahlbau zu konzentrieren. Von seinen Kollegen in ganz Europa wird er zu Recht schnell als der griechi- sche Stahlbauer gesehen. Er forscht und lehrt in der Stabilitätstheorie, dem Stahl- verbundbau, dem Leichtbau und dies in Anwendungen auf den Brücken- und Hochbau. Ein wichtiges Arbeitsgebiet ist und bleibt die Erdbebenforschung mit den beiden Seiten, den Einwirkungen und den Widerständen. Die etwa zwei Jahrzehnte um den Jahrtausendwechsel sind für viele Bauin- genieure, besonders denen der Techni- schen Universitäten in Europa, von der mühsamen internationalen Arbeit an den EUROCODES beherrscht. Der Auf- wand ist so groß, weil sich die Regeln nicht auf das Normative beschränken, sondern den Charakter eines internatio- nalen Lehrbuches für den Stahlbau be- kommen sollen. Vayas ist ein wichtiger und von den Kollegen geachteter Mitstreiter. Er ar- beitet in elf Arbeitsgruppen für den EUROCODE 3 mit. Die sichere Beherr- schung mehrerer Sprachen hilft, dass sein Urteil bei den mit viel Zeitaufwand verbundenen Beratungen an immer wie- der anderen Orten in Europa Gewicht hat. Über seine Forschungen hat er, oft mit Mitautoren, seit 1983 in über 50 Veröf- fentlichungen in internationalen Fach- zeitschriften berichtet. Darin wird die Breite seiner Forschungen deutlich, außer den bereits genannten Gebieten findet man z. B. Themen wie Torsion, Biege- drillknicken, Ermüdung und immer wie- der Fragen zum Bauen in erdbebenge- fährdeter Umgebung mit Vorschlägen für den Entwurf, z. B. für Tragwerke mit Energie-Dissipation durch Rotation in den Anschlüssen. Vayas liefert ab 1988 zahlreiche Bei- träge zu internationalen Konferenzen, an den meisten nimmt er teil, manche richtet er selbst aus. Die Themen dieser ebenfalls rd. 50 Arbeiten zeigen erneut die Vielfalt seiner Forschungen. Wenn Mitverfasser beteiligt sind, sind es inzwi- schen neben Kollegen in Europa meistens seine Mitarbeiter in Athen, die – auch Nichtgriechen - gern von ihm lernen und mit ihm forschen. Zu deren Finanzierung wirbt er über Anträge auf Forschungs- förderung Drittmittel ein. Engagiert hilft Vayas im Rahmen des TEMPUS-Programms der Europäischen Union zur Förderung der Hochschul- bildung in den Europäischen Nachbar- ländern. Er konzentriert sich auf die Technische Universität Cluj-Napoca in Rumänien, hält dort als Gastprofessor Vorlesungen, nimmt rumänische wissen- schaftliche Mitarbeiter und Studenten in seine Athener Universität auf oder vermittelt sie an Technische Universitä- ten in Trento, Sheffield, Nottingham, Manchester und Cottbus. Die Technische Universität Cluj- Napoca ehrt ihn 1997 für seine Ver- dienste durch die Verleihung der Ehren- doktorwürde. In ihrer Laudatio betont sie, dass damit sein wissenschaftliches Werk, seine menschlichen Qualitäten und seine Unterstützung anerkannt und gewürdigt werden. 2011 wird er zum Leiter des Institutes für Stahlbau der Technischen Universität Athen ernannt. Nach acht Fachbüchern in griechischer Sprache über Stahlbau, Verbundbau. Verbundbrücken, Leichtmetallbau, An- wendungsbeispiele zu EUROCODE 3, von denen drei auch ins Deutsche über- setzt werden, ist soeben ein Buch von ihm über Verbundbrücken in englischer Sprache erschienen. Die Praxis berät er in allen Fragen des Stahlbaus und hilft ihr oft auf der Basis seiner Forschungsergebnisse. Diese Tätigkeit beschränkt sich nicht auf die bereits zuvor genannten Teilgebiete, son- dern es kommen u. a. Turm- und Mast- bau, Stahlbauten für Sportanlagen und die Instandsetzung durch Erdbeben oder Brand beschädigter Bauten hinzu. Wir Kollegen staunen nicht nur über Umfang, Vielseitigkeit und Qualität sei- ner Arbeit, sondern danken ihm auch für die Spuren, die er international im Stahl- bau hinterlassen hat. Wir wünschen ihm weiter Schaffenskraft und Erfolg sowie für viele Jahre gute Gesundheit. Wir hof- fen, in Erinnerung an manche schöne gemeinsame Stunden im Kreis seiner gastfreundlichen Familie, ihn möglichst oft zu treffen und mit ihm unsere Ge- danken auszutauschen. Joachim Scheer, Braunschweig/Hannover

Ioannis Vayas 60 Jahre

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943Stahlbau 82 (2013), Heft 12

Persönliches

Persönliches

Ioannis Vayas 60 Jahre

Am 26. Oktober 1953 wird Ioannis Vayas in Griechenland geboren, mit 18 Jahren macht er – seiner Mutter folgend – an der Deutschen Schule in Athen sein Ab-itur. Sein Studium an der Nationalen Technischen Universität Athen beendet er 1976 mit dem Diplom. Ein Jahr zuvor absolviert er ein Praktikum in der Hafen-bauabteilung des Amtes für Straßen- und Hafenbau in Hamburg. Das Nebenein-ander von Griechisch und Deutsch be-stimmen diese frühen Jahre, seine Frau ist Deutsche, seine Töchter wachsen zwei-sprachig auf.

Durch Zufall kommt er Ende 1976 zur Technischen Universität Braun-schweig, sein Ziel ist die wissenschaft-liche Mitarbeit in einem Grundbauin-stitut. Aber ein weiterer Zufall führt ihn in das Institut für Stahlbau, in dem er von 1977 bis 1981 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig ist und mit seiner Dis-sertation „Traglastberechnungen für Kon-struktionen aus plattenartigen Bauteilen“ seine mit „Mit Auszeichnung“ bewertete Promotion abschließt. Er wirkte im La-bor u. a. bei Traglastversuchen an längs-gestauchten, versteiften Rechteckplatten mit allseitiger Lagerung sowie an der Ent-wicklung von Raumtragwerken mit Kno-tenkugeln aus duktilem Gusseisen bis zu deren bauaufsichtlichen Zulassung mit.

Nebenbei lässt er sich in dieser Zeit von der Schweißtechnischen Versuchs-anstalt Hannover zum Schweißfachinge-nieur ausbilden.

Im Oktober 1981 kehrt Vayas nach Griechenland zurück und leistet bis Dezember 1983 seinen Militärdienst. Danach ist er vielseitig als Beratender Ingenieur freiberuflich tätig. Er entwirft u. a. Hallen aus Holz, Stahlbetonhoch-bauten und Verstärkungen alter Bauten aus Mauerwerk. Als Mitglied des Sekre-tariats des Ausschusses für die erste grie-chische Stahl/Spannbeton-Norm betei-ligt sich Vayas an dessen Arbeit. Es war noch die Zeit vor den EUROCODES, in der in Griechenland wenig in Stahl gebaut wurde. Stahlbau in großem Maß kam erst später, der Anteil des Jubilars

an dieser Entwicklung ist beträchtlich, ohne ihn ist sie nicht vorstellbar.

1987 wird Vayas wissenschaftlicher Mitarbeiter an seine Athener Universität. Im Stahlbau wird dort damals vorwie-gend theoretisch geforscht, die Aktivitä-ten sind weitgehend auf Technische Me-chanik ausgerichtet. Es gelingt Vayas, der 2003 zum ordentlichen Professor er-nannt wird, die Arbeiten zunehmend – theoretisch und experimentell – auf den „eigentlichen“ Stahlbau zu konzentrieren. Von seinen Kollegen in ganz Europa wird er zu Recht schnell als der griechi-sche Stahlbauer gesehen. Er forscht und lehrt in der Stabilitätstheorie, dem Stahl-verbundbau, dem Leichtbau und dies in Anwendungen auf den Brücken- und Hochbau. Ein wichtiges Arbeitsgebiet ist und bleibt die Erdbebenforschung mit den beiden Seiten, den Einwirkungen und den Widerständen.

Die etwa zwei Jahrzehnte um den Jahrtausendwechsel sind für viele Bauin-genieure, besonders denen der Techni-schen Universitäten in Europa, von der mühsamen internationalen Arbeit an den EUROCODES beherrscht. Der Auf-wand ist so groß, weil sich die Regeln nicht auf das Normative beschränken, sondern den Charakter eines internatio-nalen Lehrbuches für den Stahlbau be-kommen sollen.

Vayas ist ein wichtiger und von den Kollegen geachteter Mitstreiter. Er ar-beitet in elf Arbeitsgruppen für den EUROCODE 3 mit. Die sichere Beherr-schung mehrerer Sprachen hilft, dass sein Urteil bei den mit viel Zeitaufwand verbundenen Beratungen an immer wie-der anderen Orten in Europa Gewicht hat.

Über seine Forschungen hat er, oft mit Mitautoren, seit 1983 in über 50 Veröf-fentlichungen in internationalen Fach-zeitschriften berichtet. Darin wird die Breite seiner Forschungen deutlich, außer den bereits genannten Gebieten findet man z. B. Themen wie Torsion, Biege-drillknicken, Ermüdung und immer wie-der Fragen zum Bauen in erdbebenge-fährdeter Umgebung mit Vorschlägen für den Entwurf, z. B. für Tragwerke mit Energie-Dissipation durch Rotation in den Anschlüssen.

Vayas liefert ab 1988 zahlreiche Bei-träge zu internationalen Konferenzen, an den meisten nimmt er teil, manche richtet er selbst aus. Die Themen dieser ebenfalls rd. 50 Arbeiten zeigen erneut die Vielfalt seiner Forschungen. Wenn Mitverfasser beteiligt sind, sind es inzwi-schen neben Kollegen in Europa meistens seine Mitarbeiter in Athen, die – auch Nichtgriechen - gern von ihm lernen und mit ihm forschen. Zu deren Finanzierung wirbt er über Anträge auf Forschungs-förderung Drittmittel ein.

Engagiert hilft Vayas im Rahmen des TEMPUS-Programms der Europäischen Union zur Förderung der Hochschul-bildung in den Europäischen Nachbar-ländern. Er konzentriert sich auf die Technische Universität Cluj-Napoca in Rumänien, hält dort als Gastprofessor Vorlesungen, nimmt rumänische wissen-schaftliche Mitarbeiter und Studenten in seine Athener Universität auf oder vermittelt sie an Technische Universitä-ten in Trento, Sheffield, Nottingham, Manchester und Cottbus.

Die Technische Universität Cluj- Napoca ehrt ihn 1997 für seine Ver-dienste durch die Verleihung der Ehren-doktorwürde. In ihrer Laudatio betont sie, dass damit sein wissenschaftliches Werk, seine menschlichen Qualitäten und seine Unterstützung anerkannt und gewürdigt werden.

2011 wird er zum Leiter des Institutes für Stahlbau der Technischen Universität Athen ernannt.

Nach acht Fachbüchern in griechischer Sprache über Stahlbau, Verbundbau. Verbundbrücken, Leichtmetallbau, An-wendungsbeispiele zu EUROCODE 3, von denen drei auch ins Deutsche über-setzt werden, ist soeben ein Buch von ihm über Verbundbrücken in englischer Sprache erschienen.

Die Praxis berät er in allen Fragen des Stahlbaus und hilft ihr oft auf der Basis seiner Forschungsergebnisse. Diese Tätigkeit beschränkt sich nicht auf die bereits zuvor genannten Teilgebiete, son-dern es kommen u. a. Turm- und Mast-bau, Stahlbauten für Sportanlagen und die Instandsetzung durch Erdbeben oder Brand beschädigter Bauten hinzu.

Wir Kollegen staunen nicht nur über Umfang, Vielseitigkeit und Qualität sei-ner Arbeit, sondern danken ihm auch für die Spuren, die er international im Stahl-bau hinterlassen hat. Wir wünschen ihm weiter Schaffenskraft und Erfolg sowie für viele Jahre gute Gesundheit. Wir hof-fen, in Erinnerung an manche schöne gemeinsame Stunden im Kreis seiner gastfreundlichen Familie, ihn möglichst oft zu treffen und mit ihm unsere Ge-danken auszutauschen.

Joachim Scheer, Braunschweig/Hannover