13
(Aus der Poliklinik fiir Erb- und Rassenpflege E.V. Berlin-Charlottenburg, Heubnerweg 6. -- Direktor: Prof. Dr, Ed. ~ch42tt.) Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweis- mittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen ?1 Von Ed. Sehiitt. (Eingegangen am 3. Mai 19434) In dieser Z. 34 hatte ich auf S. 145 des Referatenteils fiber einen Fall ,,Feststellung der Vatersehaft bei Schw~ngerung am Ende einer Monatsblutung und bei Annahme einer 320t~gigen Schwangerschaft" berichtet, den der Pressereferent des LG. Liegnitz, Landgerichtsrat Dr. Schlenther, im ,,Off. Gesdh.dienst" 1940/41, Tell A, S. 399, bekannt- gegeben hatte. Dabei hatte ieh in Aussieht gestellt, fiber den end- gfiltigen Ausgang des in die Berufungsinstanz gegangenen Prozesses zu beriehten. Das OLG. Breslau hatte aber das Gesuch des Beklagten auf Bewilligung des Armenrechts ffir die Berufungsinstanz abgelehnt, weft die weitere Rechtsverfolgung keine hinreiehende Aussicht auf Er- folg biete, und dies n~her begrfindet. Der Beklagte hat dann im April 1941, nachdem der Reehtsstreit eine Zeitlang wegen Einberufung des Beklagten zur Wehrmacht ausgesetzt war, seine Berufung zurfiek- genommen. Infolgedessen ist in Saehen 4 R 223/39 das Urteil des LG. Liegnitz vom 27. VII. 1940 rechtskrs geworden. Es bleibt somit nur eine epikritische Wfirdigung des Falles fibrig. Da ist nun zuns festzustellen, dal3 nach dem Ergebnis der erb- biologischen Untersuchung des bereits lljs Kindes, der Kindes- mutter und des in Anspruch genommenen Erzeugers durch das Anthro- pologische Institut der Universit~t Breslau (Direktor: Prof. Dr. Frhr. v. Eickatedt) seine Vaterschaft wahrseheinlich ist, und dab ibm also vermutlich kein Unreeht mit dem Ausgang des Prozesses geschehen ist. Bedenklich ist aber, dab solche durch Zufall rechtskr~ftig gewordenen Urteile in das Schrifttum eingehen und als Pr~zedenzf~lle yon Inter: essenten sps ausgenutzt werden. Daraus ergibt sich ffir den Sach- verst~ndigen nicht nur das Recht, sondern auch die Pflieht einer schrift- lich festgelegten Kritik. Diese Kritik setzt im vorliegenden Falle bei dem yore Gerieht ge- w~hlten Modus proeedendi an. Das ganze Verfahren ist yon vorn- 1 Herrn Professor Merkel zum Tag der Vollendung seines 70. Lebensjahres gewidmet.

Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

(Aus der Poliklinik fiir Erb- und Rassenpflege E.V. Berlin-Charlottenburg, Heubnerweg 6. - - Direktor: Prof. Dr, Ed. ~ch42tt.)

Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweis- mittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen ?1

Von

Ed. Sehiitt.

(Eingegangen am 3. Mai 19434)

In dieser Z. 34 hatte ich auf S. 145 des Referatenteils fiber einen Fall ,,Feststellung der Vatersehaft bei Schw~ngerung am Ende einer Monatsblutung und bei Annahme einer 320t~gigen Schwangerschaft" berichtet, den der Pressereferent des LG. Liegnitz, Landgerichtsrat Dr. Schlenther, im ,,Off. Gesdh.dienst" 1940/41, Tell A, S. 399, bekannt- gegeben hatte. Dabei hatte ieh in Aussieht gestellt, fiber den end- gfiltigen Ausgang des in die Berufungsinstanz gegangenen Prozesses zu beriehten. Das OLG. Breslau hatte aber das Gesuch des Beklagten auf Bewilligung des Armenrechts ffir die Berufungsinstanz abgelehnt, weft die weitere Rechtsverfolgung keine hinreiehende Aussicht auf Er- folg biete, und dies n~her begrfindet. Der Beklagte hat dann im April 1941, nachdem der Reehtsstreit eine Zeitlang wegen Einberufung des Beklagten zur Wehrmacht ausgesetzt war, seine Berufung zurfiek- genommen. Infolgedessen ist in Saehen 4 R 223/39 das Urteil des LG. Liegnitz vom 27. VII. 1940 rechtskrs geworden. Es bleibt somit nur eine epikritische Wfirdigung des Falles fibrig.

Da ist nun zuns festzustellen, dal3 nach dem Ergebnis der erb- biologischen Untersuchung des bereits l l js Kindes, der Kindes- mutter und des in Anspruch genommenen Erzeugers durch das Anthro- pologische Insti tut der Universit~t Breslau (Direktor: Prof. Dr. Frhr. v. Eickatedt) seine Vaterschaft wahrseheinlich ist, und dab ibm also vermutlich kein Unreeht mit dem Ausgang des Prozesses geschehen ist. Bedenklich ist aber, dab solche durch Zufall rechtskr~ftig gewordenen Urteile in das Schrifttum eingehen und als Pr~zedenzf~lle yon Inter: essenten sps ausgenutzt werden. Daraus ergibt sich ffir den Sach- verst~ndigen nicht nur das Recht, sondern auch die Pflieht einer schrift- lich festgelegten Kritik.

Diese Krit ik setzt im vorliegenden Falle bei dem yore Gerieht ge- w~hlten Modus proeedendi an. Das ganze Verfahren ist yon vorn-

1 Herrn Professor Merkel zum Tag der Vollendung seines 70. Lebensjahres gewidmet.

Page 2: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

[st die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismit~el usw. 191

herein in die Richtung nach der Einholung yon wissenschaftlichen Gut- achten abgebogen worden, start dab das Hauptgewicht zun~chst darauf gelegt worden w~re, festzustellen, ob die Kindesmutter sich nicht in der Angabe des Tages der Beiwohnung geirrt haben kSnnte. Bereits in dem ersten Verfahren unter dem Aktenzeiehen 6 H 38/29, sp&ter 6 C 225~/29 und 5 S 368/29 finden sich gleich in dem ersten Sehriftsatz des die Kl&gerin vertretenden Anwalts Ungenauigkeiten beziigHch des Empf~ngnis- und sogar des Geburtsdatums (5. VI. 1928 oder 5. VII. 1928 und 20. V. 1929 oder 26. V. 1929). Damn behauptet der Vormund der Kl~gerin auf B1. 82 R, ,,es sei nicht festgestellt, ob es am 5. VII. 0der am 5. VIII. passiert ist, da sich die Kindesmutter (KM.) unbedingt geirrt haben muB". Diese Behauptung wird yon dem Vormund in den VormundsChaftsakten wiederholt und unter Beweis gestellt. Dort behaup~et der Vormund (Vater der KIWI.) auf B1. 24, die K~. sei veto Sonntag, dem 1. VII. bis Sonntag, dem 8. VII. 1928 in K., 35 km veto ,,Tatort" entfernt gewesen und bringt hieriiber 2 Bescheinigungen (B1.24 u. 33) bei. Erst nachdem das Gerieht auf diese Behauptung gar nieht eingegangen ist, kommt der Vormund mit den g~tnzlich unbewiesenen und unbeweisbaren Angaben, dab die abnorm lange Schwangerschafts- dauer in seiner Familie erblieh sei! Weshalb hat man nicht die KM. cindringlieh befragt, an welchem Wochentage der Verkehr stattgefunden hat und ihre Antwort an Hand eines Kalenders yon 1928 nachgepriift ? Die K ~ . kommt auch erst in einem sp/~teren Stadium mit der Behaup- tung, sie habe 4 Wochen naeh dem Verkehr noeh einmal die Regel gehabt, ,,aber weniger". ~[. E. liegt in dem Nachweis eines Irrtums der K.~[. fiber das Datum des Verkehrs der Schliissel zu dem ganzen Geheimnis verborgen. Offenbar hat sich die K}[. bei dem bereits fiber 1 l Jahre zuriickliegenden 1?alle genau um eine }[onatsblutung, also etwa 28 Tage, geirrt. Bei der Erforschung des Datums hatte der Beklagte gar keine Veranlassung, seinerseits den Angaben der KA~I. zu wider- sprechen, weil er nach dem Wortlaut des w 1717 BGB. jeder [nanspruch- Hahme zur Unterhaltsleistung entging, wenn die Empfgngniszeit des (unehelichen) Kindes vor dem 302. Tage vet der Geburt lag. Es war yon dem einfachen Manne nicht zu erwarten, dab er sich den Untersehied zwischen der vorliegenden Feststellungsklage und einer Unterhaltsklage aus w 1717 BGB. klarmachte. Ffir ihn war die Zahlungspfiicht das zu bc;ffirehtende {J~bel.

Als psychologischen ~IiBgriff m6chte ich es bezeichnen dfirfen, dal~ das Gericht die KM. beeidigt hat, nachdem ihr der Inhalt der wissen- sehaftliehen Gutachten mitgeteilt worden war. Da diese Gutachten sich wie iiblich sehr Vorsichtig ausdrfickten trod weder die absolute UnmSg- lichkeit einer Tragzeit yon 320 Tagen noch die der Empfgngnis am Ende einer ~][onatsblutung behaupten wollten, waren sie nicht geeignet, die

Page 3: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

192 E. Schittt: Ist :die Beei~gung der Kindesmutter

Angaben der KM. zu widerlegen. Dadurch wurde der KM. die Eides- leistung zweifellos erleiehtert. Und dieser , ,enthemmte" Eid ist nun ffir Nichtmediziner ein vollgfiltiger Beweis f fir das Bestehen eines natur- wissensehaftlieh zwar nicht absolut unm6glichen, aber ganz auBer- ordentlich seltenen Ausnahmefalles!

Nunmehr habe ich Gelegenheit, einen ~hnlieh gelagerten :Fall zur Kenntnis der Sachverst~ndigen zu bringen, in dem gleichfalls ein Gericht den Eid der KM. als taugliehes Beweismittcl ffir eine fiberlange Tragzeit seinem Urteil zugrunde gelegt hat. Es handelte sieh hierbei um die An- feehtung der Ehelichkeit eines Kindes:

Ein in X. bei seiner Mutter wohnender st~ltischer Verwaltungs- angestellter K. maeht etwa 1932 die Bekanntschaft einer in der Naehbar- schaft in Stellung befindlichen Hausgehilfin M. und hat schon nach kurzer Zeit Gesehlechtsverkehr (GV.) mit ihr. Das Verh~ltnis zieht sich fiber mehrere Jahre hin, hindert das M~dehen aber nicht, 1935 und 1936 auch mit 2 anderen M~nnern intim zu verkehren. Die Be- ziehungen zu K. werden lockerer, als die M. 1936 naeh S. verzieht. Im August 1937 kommt die 1~I., angeblieh aus AnlaB der Hochzeit eines Bruders, auf Urlaub und zu Besuch zu K. Am 13. VIII . 1937 und am 16. VIII . 1937, dem Tag vor ihrer Rfiekreise nach S., hat sie mit K. GV. Im September bleibt ihr angeblich die Regel aus. Im Oktober fragt sie einen Arzt, der noch keine Schwangersehaft mit Sicherheit feststellen kann. Am 28. I. 1938 macht sie dann nach X. sehriftliche Mitteilung, dab sie schwanger sei und erscheint gleieh am n~ehsten Tag bei K. pers6nlich mit dem Verlangen, sie zu heiraten. Diesem Ersuehen gibt K. start. Die Hochzeit ist am 19. III . 1938. Aber erst am 19. VI. 1938 wird das erwartete Kind, ein M~dchen, ohne Zeichen der. Ober- reife geboren. Danach berechnet sich die gesetzliche Empf~ngniszeit yore 21. VIII . bis 20. XII . 1937. Nunmehr erhob aber K. am 27. IV. 1939 Klage auf Anfeehtung der Ehelichkeit des Kindes mit der Be- griindung, dab er der KM. ws der ges. Empf~ngniszeit nieht bei- gewohnt babe. In der Beweisaufnahme wurde festgestellt, dab der letzte GV. der Ehegatten sp~testens in der Nacht vom 16. zum 17. VIII. 1937 stattgefunden habe. Von Amts wegen wurde Beweis erhober~ fiber die Frage, ob das Kind normal entwickelt gewesen sei oder ob Zeichen der ~ e r r e i f e vorl~gen, so dab das Kind aus einer Beiwohnung empfangen sein k6rme, die vor Beginn der ges. Empf~ngniszeit liege, l~aehdem ffir das letztere keine Beweis erbraeht worden war, erging seitens des LG. am 25. IX. 1939 das Urteil dahin, dab festgestellt wurde, dab die Be- klagte nieht das eheliche Kind des Kl~gers ist.

Gegen dieses Urtefl erhob die Beklagte, nunmehr vertreten dutch das St~dtische Jugend- und Ffirsorgeamt, Berufung. Das OLG. als Berufungsinstanz veranlaBte eine umfangreiehe Beweisaufnahme. Die

Page 4: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

ein taugliches Beweismittel in UnterhMts- und Abstammungskl~gen? 193

Blutgruppenuntersuchung konnte den K. als Erzeuger nicht aus- schlieBen. ]gin groges erbbiologisches Gutachten des Universit~ts- institutes in W. dagegen kam zu der abschlieBenden Feststellung, dab die erbbiologischen Verhi~ltnisse ,,mit iiberwiegender, fast an Si- cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit daffir sprechen, dab der Ehe- mann K. das'Kind nich$ gezeugt hat".

Die Kindesmutter als Zeugin gab zun~chst an, sie sei noch 8 Tage nach der Hochzeit ihres Bruders in X. geblieben und erst am 24. VIII. 1937 friih yon deft wieder weggefahren. (Die ges. Empf~ngniszeit z~hlt veto 21. VIII. 1937 l) Sie wurde sofort widerlegt durch einen Brief mit dem Poststempel vom 17. VIII. 1937, den sie am Abend ihrer Riickkehr na~h S. yon dort nach X. geschrieben hatte. Zwei namhaft gemachte Mehrverkehrszeugen beeideten nur GV. aus den Jahren 1935 und 1936 (s. oben) und bestritten ihn aus dem Jahre 1937. Das Gericht nahm (lt. Urteflsbegrtindung) an, die KM. babe ffir ihre ursprfingliche, un- richtige Angabe, sie sei erst "am 24. VIII. yon X. weggefahren, eine durchaus einleuchtende Erkl&rung gegeben, indem sie ausffihrte, sie babe damals bis zum 24. VIII:Urlaub gehabt nnd seides Glaubens gewesen, sie habe bis zum letzten Tag in X. geweilt. Da die Zeugin als durchaus glaubwiirdig anzusehen sei, wurde sie auf ihre Aussage, nach dem 17. VIII. 1937 bis zur Geburt des Kindes keinen GV. gehabt zu haben, beeidigt. Das Gericht setzte sich fiber das oben wiedergegebene SchluB- urteil des erbbiologischen Gutachtens hinweg und hob seinerseits aus den einzelnen Merkmalgruppen nur diejenigen Vergleichsmomente her- vor, die [//r eine Vaterschaft des Kl~gers sprs Das Gericht unter- stellte weiterhin die Behauptung der KM., ~ie leide an einer Geb's mutterverlagerung, Dis wahr und n~hm seinerseits an, dieses Leiden sei die Ursaebe fiir eine nach der Beiwohnung versp/~tet eingetretene Empf~ngnis. Das Urtei[ vom 24. IV. I941 erkannte daraufhin fiir Reeht, dab in Ab/~nderung des vorinstanzliehen Urteils die Anfeeh- tungsMage abzuweisen sei.

Auf die gevisionsklage des Unterlegenen hat der IV. Zivilsenat des Reiehsgeriehts in der Sitzung vom 24~. IX. 194I das Urteil des B e - rufungsgeriehgs aufgehoben. Aus der Begrfindung ist folgendes hervor- zuheben: 1. Das Berufungsgerieht habe zu hohe Anforderungen an das Ergebnis der erbbiologisehen Untersuehung gestellt, wenn es dessen l%ststellung, dab mit einer fast an Sicherheit grenzenden Wahrsehein- liehkeit der Klgger nieht der Vater des Kindes sei, Ms unzureiehend erkl~re. Naeh sts I~eehtspreehung des Reiehsgeriehts genfige vielmehr u. U. aueh ein geringerer Grad von WaJarseheinliehkeit.

2. Aber aueh bei Einschr/~nkung des Endergebnisses des erbbiologi- schen Gutaehtens kSnne der noeh verbleibende Wahrscheinliehkeits- grad, insbesondere mit anderen, gegen die Vatersehaft des K1/~gers

Page 5: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

194 E. SchlitZ: Is~ die Beeidigtmg der Kindesmut~r

sprechenden Umst~nden bei richtiger rechtlicher Wiirdigung immer noch geeigne~ sein, die Aussage der K_~. zu erschiittern.

3. Es sei reehtlich bedenklich, wenn der Berufungs~ehter die eigene Beurteflung der Ergebnisse einer erbbiologisehen Untersuchung an Stelle derjenigen des Gutaehters seize. Er kSnne das Gutachten Ms Ganzes verweffen, das stehe ibm frei, er sei aber nicht befugt, d~s Endergebnis des Gut~htens, n~mlieh die fast an Sicherheit grenzende Unwahrsehein- liehkeit der Vaterschaf~ des Kl~gers nicht gelten zu lassen und an dessen SteUe selbst zu dem SehluB zu gelangen~ dal3 sich aus der Untersuehung niehts Wesentliches gegen die Vaterschaft ergebe. Damit habe sieh der Richter auf ein Gebiet begeben, auf dem ihm unmittelbare Sachkenn~nis fehle und das selbst yon der Mehrzahl der ~rzte nich~ beherrscht werde.

4. Es kSnne zugegeben werden, dais der erbbiologisehe Gutachter sieh bei seinem SehluBurteil dureh den Umstand einer auisergewShnlieh langen Trag~zeit habe beeinflussen lassen, ein Umstand, der allerdings au~erhalb der diesem Saehverst~ndigen unt~rbreiteten Beweisfrage liege. Dieso Frage sei jedoeh yon dem Berufungsrichter Selbst~ndig gepriift und beantwortet worden. Aber aueh hierin sei die Begriindung des Berufungsgerichts nicht in allen Punkten stichhaltig, denn:

5. ])as Berufungsgericht habe nicht gepriift, ob die yon der KM. als Ursache einer verz6gerten Empf~ngnis angeschuldigt~ Geb~rmutter- verlagerung tags/ichlich vorhanden sei, sondern diese Behauptung nieht nut als wahr unterstellt, sondern aueh als Ursaehe versp~teter Empfiing- his anerkanng.

6. Die Verwer~ung des Kr.schen Gutachtens I, das nur ganz allgemein verneine, daiS bei ungew6hnlieh langer Tragedauer immer ~)erreife des glndes vorhanden sein miisse, sei nicht zul~ssig, da dieser Gugachger ausdriicklich sage, es w~re demnaeh festzustellen, inwieweit obige Ge- sichtspunkte im vorliegenden Falle maiSgebend sein k6nnen, und auiSer- dem die Bemerkung S. 11, Abs. 3 des erbbiologischen Gutaehgens 2 dem Berufungsgeriehg zur Stellungnahme hierzu besonderen Anlais gegeben habe.

Auf diese Revisionsriigen bin erlieiS das Berufungsgericht am 20. XI. 1941 BeweisbeschluiS dahingehend, Prof. G., Lei~er der Univer- sit~ts-Frauenklinik in W., solle ein Gutachten erstatten, a)darfiber, ob die K~. an einer Geb~rmutterverlagerung gelitten babe oder noch leide, b) fiber die Frage, ob hierdureh die Befruehtung verz6gert worden sein k6nne, oder ob durch andere Umst~nde die iiber]ange Tragezeig 0hne Zeiehen der ~berreife beim Kinde erkl~rg werden k6nne. G. kam in seinem Gutachten zu dem Schlul~: a) Die K2V[.

1 Es handelte 'sich um eino yore Jugendamg einem Schri~tsatz beigefiigte Bescheinigung eines Frauenarztes.

" Betr. iiberlange Tragezeit als unwahrscheinlich.

Page 6: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen? 195

leidet an einer Geb&rmutterverlagerung, die aueh schon im August 1937 bestanden haben kann; dieses Leiden bewirkt aber keine Verz6gerung der Empf~ngnis (eingehend wissensehaftlieh begriindet), b) Die Ge- burt eines lebenden Kindes naeh einer Tragezeit yon mehr als 302 Tagen geh6rt zu den ganz auBerordentlieh seltenen Ereignissen, die nach N ~ - berger nur 0,26% :Wahrschein|iehkeit haben; daraus daft man folgern, dab die Gebur~ eines lebenden und in unserem Falle ohne sichere Zeichen der ~Jl~ertragung geborenen Kindes naeh einer Empf&ngniszeit yon fiber 307 Tagen mit a n Sicherheit grenzender Wahrseheinlichkeit unm6g- lich ist.

Nach Eingang des Gutachtens forderte das Gerieht die KM. sehrift- lich noeh einmal auf, ihre Aussage zu iiberpriifen. In ihrer schrfftlichen Antwort beharrte die KI~. auf der Angabe, ,,K. ist der Vater des Kindes, und ein Verkehr mit einem anderen Manne hat w~hrend dieser Zeit fiberhaupt nicht stattgefunden".

JNunmehr wurde mir der Auftrag erteflt, gem~B BeweisbeschluB veto 5. III . 1942 ein Obergutaehten zu den bereits vorliegenden Gutachten unter Beriieksichtigung des gesamten Akteninhaltes zu erstatten iiber die Frage, ob nach den Erfahrungen der &rztlichen Wissenschaft, ins- besondere der Erbbiologie und der Gyn~kologie, es offenbar unmSglieh ist, dab die am 19. VI. 1938 geborene Beklagte aus einem GV. des Kl&gers mit der Mutter der Beklagten in der Naeht veto 16. zum 17. VIII. 1937 empfangen worden ist.

Bei der Disponierung meines Gutachtens konnte ich es mir nun nieht versagen, yon der mir auferlegten Verpflichtung, den gesamten Akten- inhalt zu berficksichtigen, ausgiebig Gebrauch zu macben. Im 1. Ab- schnitt zeigte ieh deshalb die Lficken in der Beweisffihrung auf, die m.E . bei ihrer Ausffillung geeignet waren, einesteils den Tatbestand ns zu kls anderenteils die Glaubwiirdigkeit der KM. schwer zu ersehfittern. Was ich dazu aus meiner langjs Erfahrung als Geriehtsmediziner fiber den Eid der Kindesmfitter im allgemeinen vor- gebracht habe, werde ich naehher im ZUsammenhang mit den Aus- ffihrungen zu dem Thema dieses Aufsatzes wiederholen. Im 2. Abschnitt nahm ich ausffihrlieh zur Frage der verl~ngerten Tragezeit auf Grund des mir reiehlieh zur Verffigung stehenden wissensehaftlichen Materials Stelhng. Hier soil diese Frage nicht aufgerollt werden. Sie muir einer besonderen Arbeit vorbehalten bleiben, weft zu einer absehliel]enden Beurteilung zur Zeit noeh keine geniigende ~bereinstimmung zwischen den Faehwissenschaftlern vorhanden ist. In meinem Gutachten schloB ieh reich dem Urteil yon G. i n allen Punkten an und war in der glfieklichen Lage, seine Darlegungen weiter belegen und erg~nzen zu k6nnen. Im 3. Abschnitt iiberloriifte mein Mitarbeiter Dubitscher auf das genaueste die einzelnen Vergleichspunkte in den Merkmalsgruppen

Page 7: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

196 E. Schiitt: Ist die Beeidigung der Kindesmutter

des erbbiologisehen Gutaehtens. Wit konnten die Beoba~htungen des Vorgutachters materiell im wesentliehen best/~tigen, waren jedoeh auf Grund unserer vielen Hunderte yon Vatersehaftsguta~hten in der For- mulierung des SehluBurteils gewohnheitsm~Big vorsiehtiger und zu- riiekhaltender.

Mein Gutachten gelangte zu folgendem Ergebnis: 1 . Die Prtifung des gesamten Akteninhaltes hat Hinweise auf die

M6gliehkeit gegeben, durch Zeugenvernehmungen einige nicht unwesent- fiche Punkte zum Tatbestand erg/~nzend "zu ld/~ren.

2. Zur Frage der i~erlangen Tragezeit ist die Beeidigung der KM. kein taugliches Beweismlttel.

3. Daft nach einer Schwangersehaftsdauer yon 307 Tagen, veto Tage der Empf~ngnis gerechnet, ein Kind ohne Zeichen der ~)erreife lebend geboren wird, ist sowohl nach den Erfahrungen der/~'rztliehen Wissen- schaft als aueh nach den Ergebnissen der Wahrscheinliehkeitsreehnung zwar nieht als offenbar unm6glieh, aber doeh als in hohem Grade un- wahrscheinlieh zu bezeichnen.

4. Bei sorgf/fltiger und vorsiehtiger Auswertung der erbbiologischen Untersuchungsergebnisse ist die Vaterschaft des K. zu dem Kinde eher unwahrscheinlieh als wahrscheinlich.

5. Die gestellte Frage beantworte ich daher dahingehend: Nach den Edahrungen der/~rztliehen Wissensehaft, insbesondere der

Gyn/~kologie und Erbbiologie, ist es zwar nieht offenbar unm6glieh, daI] die am 19. VI. 1938 geborene Beklagte aus einem GV. des K1/~gers mit der Mutter der Beklagten in der Nacht veto 16. auf 17. VIII. 1937 empfangen worden ist, jedoch in hohem Grade unwahrseheinlieh.

Das Berufungsgericht gab der Anregung aus Ziffer 1 meines Gut- achtens start und n.ahm weitere Vernehmungen vor. Dabei bekundete nunmehr die KM., die fiir ihre falsehe Angabe, sie sei erst am 24. VIII. 1937 yon X. weggefahren, dem Gerieht die (laut Urteil) ,,durchaus ein- leuehtende Erkl~rung" abgegeben hatte, sie babe bis 24. VIII. Urlaub gehabt, ihr Urlaub sei sehon am Donnerstag oder Freitag vor ihrer Abreise, also am 12. oder 13. VIII. zu Ende gewesen, sie habe ihn wegen einer Armverletzung fiberschritt6n, derentwegen der Arzt sie arbeits. unf/~hig geschrieben habe.

Die Mutter des K. bekundet, sie habe ihre Schwiegertoehter am 17. VIII. 1937 zur Bahn begleitet. Auf dem Her babe sie ihren Koffer hingestellt und gesagt: ,,Ieh muB noch real aufs Klo, ieh bin unwohl geworden." Die KM. bestritt diese ~uBerung und behauptete, sie sei eine Woehe vorher, am Montag, dem 9. VIII., unwohl geworden, am Freitag, dem 13. VIII., sei die Regel noeh nieht ganz vorfiber gewesen. Das Berufungsgerieht beseheinigt der KM. trotzdem die Glaubwiirdig- keit auf Grund ihrer ,,bestimmten, klaren und unbeirrbaren Aussage".

Page 8: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- trod Abstammungsklagen? 197

hat dagegen Bedenken gegen die Glaubwiirdigkeit der Mutter des K , die offensiehtlich nach ihrer eigenen Angabe mit ihrer Sehwiegertochter verfeindet sei. ])as Gericht nimmt die Angabe der KM., sie sei am 9. VIII. 1937 zuletzt unwohl gewurden und habe seit dem 16./17. VIII . 1937 mit keinem Manne GV. gehabt, als wahr an, stellt lest, dall die Schwangerschaft der KM. am 16.1 sp/~testens am 17. VIII . 1937 begonnen hat und f/~hrt dann fort: ,,Die gesetzliche Empf/~ngniszeit ist also urn. 5 Tage im ungiinstigsten FaUe fiberschritten. Hiernach ist allein die Frage zu beantworten, ob der Beklagten der ihr n a c h w 1592 BGB. offenstehende Beweis, dab die Schwangerschaft ihrer Mutter nach den vorliegenden Umst~nden mehr als 302, n/~mlieh 307 Tage gedauert haben :mull, gefiihrt ist. Denn in diesem Falle gilt dieser l~ngere Zeitraum als Empf/~ngniszeit mit der in w 1591 BGB. gesetzlieh begriindeten Ver- mutung. I)er Grund fiir diese Regelung des Gesetzgebers ist, wie be- reits friiher ausgefiihrt worden und auch dureh das mehrfach sehon erw~hnte Gutaehten Berlin-Charlottenburg und in Rechtsprechung und Sehrifttum wiederholt anerkannt, worden ist, darin zu suchen, dall die vom Gesetzgeber normierte Empf~ngni3zeit knapp bemessen ist, und die MSglichkeit besteht, dab ein Kind ~ach bis zu einer Tragezeit yon 310 Tagen lebend und ohne Zeiehen der t?berreife zur Welt kommt. In dem Gutachten Berlin-Charlottenburg ist zwar unter ausfiihrlicher Nachweisung der medizinischen Literatur mitgeteilt, dall dieser Pro- zentsatz nach dem statistischen Material nur auf 0,13 der F/~lle berechnet worden ist, und dab der Fall der Geburt eines lebenden Kindes ohne Zeichen der ~berreife nach einer Tragezeit yon iiber 302 Tagen ganz auBerordenttich selten sei, abet die MSglichkeit bestehe immerhin. - - Die Beklagte hat sich zur Erftilltmg der ihr obliegenden Beweispflicht auf das Zeugnis ihrer Mutter berufen. Diese ist wiederholt und ein- gehend vernommen und beeidigt worden. Sie hat, such nach eindring- lichem Vorhalt, klar und bestimmt ausgesagt, dab sie surer mit dem Klgger nach dem 18. VIII. 1937 mit keinem anderen Manne GV. ge- pflogen habe und hat diese Aussage such beeidigt. Die beeidigte Aussage einer KM. im Abstammungsprozefl ist ein taugliches und /iir den Richter unentbehrliches Beweismittel, das steht in Rechtsprechung und Schrift- .turn unumst6glich fest (vgl. such D. Recht 1942, 1298, Aufsatz yon Prof. Dr. F6rster). Bei den Angriffen, die in dem Gutachten Berlin- Charlottenburg auf B1. 217 gegen die Beeidigung der KM. erhoben wor- den sind, hat der Gutachter die ihm gesetzten Schranken seiner Aufgabe ganz offensichtlich iiberschritten, zumal er die seiner Ansicht entgegen- stehende Rechtsfibung ausdriicklich anerkannt (wo ? D. Verf.) hat. - - Ist aber diese beeidigte Aussage der Zeugin K)I. glaubhaft, so steht fest, dab die Beklagte, weft eben ihre Mutter mit keinem anderen Manne Verkehr gehabt hat, bereits vor dem 302. Tage empfangen sein mug

Z. f: d. ges. Gerichtl. 3Iedizin. B(I. 37. 14

Page 9: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

198 E. Schiitt: Ist die Beeidigung der Kindesmutter

und empfangen worden ist. - - Dem Kl~ger steht diesem Ergebnis der Beweis dafiir often, dab es den Umst~nden naeh oftenbar unmSglieh sei~ dab die KNL die Beklagte yon dem Kl~ger empfangen hat. I)ieser Gegenbeweis ist indessen miBlungen. Nach der Blutgruppenuntersuchung ist der Kl~ger nicht auszusehlieBen. Das gleiche hat abet auch hin- sichtlieh des vorgelegten erbbiologischen Gutaehtens zu gelten. Durch das nunmehr vorliegende Gutachten der Polild~nik f/ir Erb- und Rassen- pflege Berlin-Charlottenburg yore 25. VI. 1942 ist nunmehr der Stand- punkt, den der Senat schon in seinem friiheren Gutaehten eingenommen

hatte, mit der erforderlichen Sachkunde gebilligt worden. Auf B1. 229ft. sind die einzelnen erbbiologischen Merkmale einer ausfiihrlichen Nach- priifung und Begutaehtung unterzogen worden, und es ist festgestellt worden, ,daft der abschlie~enden Feststellung des W.schen Gutachtens, daB die erbbiologisehen Verh~ltnisse mit iiberwiegender, fast an Sicher- heir grenzender Wahrscheinliehkeit dafiir spreehen, dab der Ehemann K. das Kind nicht gezeugt hat', nicht ge]olgt werden kann. Es kSnne viel- meh r lediglieh gesagt werden, dab eine Erzeugerschaft des Kl~gers eher unwahrscheinlich als wahrseheinlieh sei, sie k~nne abet n~cht ausgescMosse~v werden, nicht einmal in h6herem Grad~ unwahrscheinlich gemacht werden. - - Der Beweis der offenbaren UnmSglichkeit ist auch als miSlungen an- zusehen, wenn man sich dem Ergebnis dieses Gutachtens hinsichtlich der t~]~erschreitung der Sehwangersehaftsdauer bis zu 307 Tagen an- sehlieBt. Das Gutachten stellt hier lest, ,dab es sowohl naeh den Er- gebnissen der ~rztlichen Wissenschaft als auch der Wahrscheinliehkeits- rechnung zwar nicht offenbar unm6glich, aber doeh in hohem Grade unwahrscheinlieh zu bezeichnen sei, dab der Kl~ger der Vater des gindes sei'. Da der Gutachter zu diesem Ergebnis gekommen ist, nachdem er, wie oben n~her ausgefiihrt, ausdriicklich die l~Sgliehkeit~ dab solche F~lle vorkommen, bejaht hat, so ist in W/irdigung der glaub- haften beeidigten Aussage der KM. in vorliegender Sache die M6glichkeit, dab die Beklagte yon dem Kl~ger erzeugt ist, doch vorhanden. Aueh die Tatsache, dab das Kind bei der Geburt besonders groB (55 era) war, sprieht fiir die MSglichkeit, dab es iibertragen war. - - Der Senat ist nach Wiirdigung dieses gesamten Beweisergebnisses nicht davon iiber- zeugt, dab der Kl~ger als Vater der Beklagten auszuscheiden hat, und hat deshalb die Klage abgewiesen."

I~ach dem wiedergegebenen Wortlaut des Urteils ist der Senat des Berufungsgeriehts der Ansicht, dab der Beweis der ,,offenbaren Un- mSglichkeit" hundertprozentig zu fiihren ist, trotzdem das Reichsgericht in Ziffer 2 seiner Revisionsriige gesagt hatte, dab such bei Einsehr~n- kung des Endergebnisses des erbbiologischen Gutachtens der noch ver- bleibende Wahrscheinlichkeitsgrad, insbesondere mit anderen, gegen die Vaterschaft des Kl~gers spreehenden Umst~nden immer noch geeignet

Page 10: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

ein t~ugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen? 199

sei, die Aussage der Y~I. zu ersehfittern. Die Feststellungen unseres Gutaehtens bedeuteten fiir den unbefangenen Leser nichts anderes, als die materielle Best~tigung der Gutachten des Rassebiologisehen Ins t i tu ts und der Universit~ts:Frauenklinik in W. Nur in der Form haben wir uns einschr~nkend vorsichtiger ausgedrtickt. Ebenso wie fiir uns be- stehen in diesem Falle fiir jeden effahrenen Gerichtsarzt kaum Bedenken, ebenso wie in der Liegnitzer Saehe einen , , I r r tum" der KI~I. beziiglich des Eintrit ts ihrer letzten Regel um genau eine Periode ftir vorliegend zu eraehten. Dann wird die Tragezeit unheimlich normal, aber - - das Kind hat keinen Vater! Dieser wird durch den Eid der KM. jedoch auf die einfachste Weise beschafft.

D e r Senat des Berufungsgerichts hatte zweifeUos reeht, wenn e r mir, worauf ich yon vornherein gefaBt war, eine Riige erteflte, ieh habe bei meinen ,,Angriffen" gegen die Beeidigung der KM. die mir gesetzten Schranken meiner Aufgabe ganz offensiehtlieh iibersehritten. Ich daf t aber wohl meine in dem Gutaehten gemachten Ausfiihrungen zur Aus- legung des w 1592 Abs. 2 BGB. hier den Faehgenossen wiederholen.

,,w 1592 lautet : Als Empf~ngniszeit gilt die Zeit yon dem 181. bis zu dem 302. Tage vor dem Tage der Geburt des Kindes, mit EinschluB sowohl des 181. als des 302. Tages."

Steht lest, daB das Kind innerhalb eines Zeitraumes empfangen worden ist, der weiter als 302 Tage vor dem Tage der Geburt zuriick- liegt, so gilt zugunsten der Ehelichkeit des Kindes dieser Zeitraum als Empf~ngniszeit.

Es li~l~t sich natfirlich nicht mehr ermitteln, ob dem Gesetzgeber durch einwandfrcie Beobachtung sichergestellte F~lle einer Tragezeit yon mehr als 302 Tagen bekannt waren, die ihn zu dcr Einschrs bestimmung des Abs. 2 veranlal~ten. Man ist aber vielleicht berechtigt, diese Annahme abzulehnen, denn im anderen Falle wi~re es nieht ver- sts weshalb den unehelichen Kindern in w 1717 BGB., in dem der Abs. 2 des w 1592 fehlt, nicht die gleiche ,,naturwissenschaftliche Tat- sache"zugutekommenso l l t e z. Offenbarha tder Gesetzgeberaussozialen Griinden die ehelichen Kinder bier privilegieren wollen. Das Recht jedes deutschen Kindes auf Feststellung seiner blutm~Bigen Abstammung kannte man um die Jahrhundertwende noch nicht, das ist erst eine

z Diese Zurficksetzung der Unehelichen hat der Beschlul~ des Grol3en Senats fiir Zivilsaehen des Reichsgerichts yore 12. VIII. 1942 (GSE. 15/42) ~usgeri~umt. Darin heil3t es: Es sei mit dem Rechtsempfinden unvereinbar, dab der Vater eines unehelichen Kindes allein deswegen yon allen Unterhaltspflichten frei wfirde, weil sich dessen Tragezeit, was das BGB. selbst beim eheliehen Kinde imw 1592 Abs. 2 als mSglich ausdrfieklich berficksichtigt hat und auch in der Wissenschaft als m6glich fesk~teht, fiber die gesetzliche Empfiingniszeit hinaus erstreckt. Dtsch. #ustiz 1942, 723 - - Dtsch. Recht 1942, H. 46, 1497.

14"

Page 11: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

200 E. Schiitt: Ist die Beeidigung der Kindesmutter

Errungenschaft des Dritten Reiches. DaB jedoch der Gesetzgeber an .die Zubilligung der Vergiinstigung des Abs. 2 w 1592 besonders hohe Anforderungen stellen wollte, geht daraus hervor, dab er eine Empf~ng- niszeit yon iiber 302 Tagen gelten lassen will, wenn ]eststeht, dab das Kind frfiher empfangen worden ist. Auf welche Weise das Gericht eine solche Feststellung trifft, dariiber bestehen keine Vorschriften. Sicher :ist nur, dab dem Kinde die Beweislast zuf~llt. Dabei taucht nun sofort die Frage auf, ob fiJr das Vorliegen eines juristisch zugelassenen Aus- nahmetatbestandes zur Feststellung eines naturwissensehaftlich min- destens ~ul3erst seltenen Ausnahme[aUes der Ze~genbeweis zul~sig er- scheint, oder auf kurze Formel gebracht: ob die Beeidigung der KM. ein taugliches Beweismittel ist. Der Jurist mag diese Frage bejahen, der Naturwissenschaftler muB sie auf das entschiedenste verneinen. Konsequenterweise wiirde die Zulassung dieses Beweismittels zur Folge haben, dab damit auch Tragezeiten yon 365 Tagen und mehr ,,bewiesen" werden k6nnten !

Gegen die Beeidigung der KM. als Zeugin ir~ Prozessen, die ihr Kind fiihrt, sprechen aber auch gewisse psychologische Tatsachen, an denen der Juris t um so weniger vorbeigehen diirfte, als ihm schon Bedenken kommen miissen, ob die Zeugenaussage einer Mutter in Sachen ihres Kindes iiberhaupt ob]elctiv sein kann. Eine normal empfindende Mutter kann schlechterdings gar nichts gegen das Wohl ihres Kindes unter- nehmen! Sie fiihlt ganz instinktiv, daB sie die natiirliche Schiitzerin des Kindes ist. Sie wird zu seinem Schutz lediglieh diesen Inst inkt sprechen lassen und alle verstandesm~Big'en ~berlegungen ausschalten, ja mitunter gar nicht einmal iiber die Schwelle ihres BewuBtseins t re ten lassen. Eine richtige ,,Mutter" ist zum Wohl ihres Kindes jedes Ver- brechens f~hig, selbstverst~ndlich auch eines Meineides 1. Der Eid zu- gunsten des Kindes wird den Mfittern in Kindschaftssaehen' um so leichter gemacht, als sich erfahrungsgem~B die Jugend~mter (nach ihrer Ansicht pfliehtgem~B) bemiihen, die Interessen ihrer ~Iiindel oder Pfleg- linge manchmal bis ins Groteske zu vertreten. Die Jugend~mter sind es, die immer noch gegen die Zuverl~sigkeit des Blutgruppenbeweises anrennen; sie sind es, die jeden ,,Ausnahmefall" begierig sammeln und verSffentlichen. Selbst jetzt noch, in einer Zeit, in der sie die Berech- tigung der Suche nach dem blutm~Bigen Vater widerwillig zugeben miissen, ist ihnen die MSglichkeit, einen Zahlvater zu finder~, das an- genehmere Ergebnis einer Beweisaufnahme. Vorl~ufig stehen wir ~ z t e noch im unentschiedenen Kampf um Zul~sigkeit der Beeidigung der KM. in solchen Prozessen. Wir diirfen aber m: E. keine Gelegenheit voriiber-

t Vgl. auch Schneickert, Arch. f. Polizeiwes. 1938, 172: Aus Griinden der Ver- brechensverhfitung sollte der Eid der K~I. vor der Blutgruppenuntersuchung nicht zugelassen werden.

Page 12: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen? 201

gehen lassen, den Gerichten unsere schweren Bedenken mit Ernst und Nachdrnck vorzutragen."

In seiner Zuriickweisung meiner vorstehenden ,,Angriffe" hat das Berufungsgericht auf einen Aufsatz yon F6rster im Dtsch. Recht 1942, 1297 Bezug genommen. Beim Lesen dieser kleinen Arbeit des Marburger Gerichtsmediziners, betitelt: ,,Das erbbiologische Gutachten in der Pra- xis", vermochte ich ]edoch nur 2 Stellen zu finden, die dafiir sprechen kSnnten, dab dieser Arzt den juristischen Standpunkt teile, die Be- eidigung der KM. sei ein unentbehrliches und taugliches Beweismittel. Die eine Stelle lautet: ,,Man sollte daher (d. h. wenn nur ein einziger Mann fiir die Untersuchung zur Verfiigung steht) yon dem Anfordern eines Gutachtens Abstand nehmen, wenn kein anderer Mann benannV werden kann, die Blutgruppen- und Blutk6rperchenmerkmalsunter- suchnngen negativ verlie.fen und die KM. mit aller Bestimmtheit den Mehrverkehr bestreitet, ja unter Umstgnden sogar ihre Aussage beeidet,'" Die andere Stelle: ,,In 15,22% entschied das Gericht entgegen dem Gut- achtenergebnis. Es wurde zum Ausdruck gebraeht , dal3 ein einfaeher

�9 Wahrscheinlichkeitsgrad fiir oder gegen die Vaterschaft allein nicht aus- reiche; diesen Gedankenggngen kann man insofern nicht folgen, als ein solches Ergebnis besonders in Verbindung mit einer eidlichen Aussage der KM. ein gewichtiges Beweismoment sein kann."

Aus diesen Sgtzen kann man doch nicht folgern, dab F6rster die Beeidigung der KM. fiir ein voUwertiges Beweismittel hglt, sondern h6chstens, dab sie bei einem Summationsbeweis einen beachtlichen Po- sten darstellen kSnne.

Um nur bei den dem Juristen gels Zeitschriftenaufss zu bleiben, mSchte ich dem mir vorgehaltenen Gews gegeniiber auf die VerSffentlichung von Goroncy: ,,Vergleichende Untersuchungen tiber den Beweiswert der Blutgruppenbestimmung und der Aussage der KSndesmiitter in Vaterschaftsprozessen" in Dtsch. Justiz 1936, H. 25 hinweisen. Von seinen rund 100 F~lten will ich hier nur die 10 F~lle erw~hnen, in denen es zu Meineidsverfahren kam. Von ihnen sagt Goroncy: ,,Von diesen 10 Kindesmiittern waren 8 praktisch als normal zu bezeichnen, sie machten einen glaubwiirdigen Eindruck. Aber gerade die, bei denen ein Meineid nach den ganzen Umstgnden besonders un- wahrseheinlich erschien, so dab die JustizbehSrden wohl aus rein ge- ffihlsm~Bigen Erw~gungen heraus wiederholte und eingehende Begut- achtungen erforderten, gaben unter dem Druck der Hauptverhandlung Mehrverkehr zu. Die 9. dieser Kindesmfitter, eine 17j~hrige, wurde aus w 3 JGG. auger Verfolgung gesetzt. Mehrverkehr war kurz vor und kurz nach der ges. Empf~ngniszeit erwiesen. Im 10. Fall lag Pseudologia phantastica vor." - - Man lese in dieser Arbeit die Griinde nach, die die Kindesmfitter zur Entschuldigung ihrer falschen Bekundung angaben.

Page 13: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel in Unterhalts- und Abstammungsklagen?

202 E. Schiitt: Ist die Beeidigung der Kindesmutter ein taugliches Beweismittel.

Da kann man nur einem so erfahrenen Frauenarzt, wie Wi~tz, bei- pflichten, wenn er sagt: ,,Die Grfinde fiir das ,Vergessen' einer Ko- habitation sind fiir uns, die wit yon der Seele einer Frau wie die Blinde~ yon der Farbe reden, oft unverst~ndlich." - - Aus meiner krassen Fuchsen- zeit vor fast einem halben Jahrhundert erinnere ich mich eines Damen- imitators (Transvestiten), der als Couplet sang: ,,Wir Frauen sind ein R~tsel und we rden ' s immer sein, Es schaut auch kein Gelehrter ins Frauenherz hinein, Ihr M~nner gebt euch keine Mfih', ihr 15st dies R~tsel nie!" - - Es ist eigenartig, dab e i n Pervertierter eine so tiefe Weisheit in einem banalen Singsang zum Vortrag brachte.

Im altgermanischen Mythos steigt der Sonnengottsohn zur Winter- sonnenwende hinab zu den Brunnen der Tiefe, zur Muttergrabkammer, um daraus (dem Symbol des Uterus) neugekr~ftigt emporzusteigen. Bei der Urmutter Erda, der Welt weisester Wala, sucht Gottvater Wotan Rat und Entschleierung des Schicksals. Zu ,,den Mfittem" begibt sich Faust in unstillbarem Erkenntnisdrange. Denn das Weibliche steht dem Kosmischen n~her, ist pflanzenhaft, hat Dasein, ist Schicksal, ist Zeit, ist die organische Logik des Werdens selbst . Eben deshalb bleibt das Kausalprinzip ihm ewig fern. Der Mann dagegen ist Mikrokosmos, t i e r - haft, lebt im Wachsein, erlebt das Schicksal und begreift die Kausalit~t (nach Spen!]ler). Begreift er die Frau ? Propter solum ovarium mulier est quid est.

Beseheiden wir uns also damit, dab die Seele der Frau fiir uns M~nner stets in ihren tiefsten Tiefen ein unerforschlich wundersam Geheimnis bleiben wird. Hiiten wir uns davor, ffir die Frau eine Lage zu schaffen, in der sie gegen ihre l~atur zu handeln sich gezwungen fiihlen k6nnte. Das ist meine Antwort auf die Frage meines Themas.