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6. September 2014 Der Wert von Bildung und Wissen. Muss Bildung sich bezahlt machen? Eine Veranstaltungsreihe der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages Schriftenreihe zu Grundlagen, Zielen und Ergebnissen der parlamentarischen Arbeit der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages © X-Weinzar, wikipedia.de

JACC | 6. September 2014 | Staatsministerin Brunhild Kurth | Der Wert von Bildung und Wissen

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Anlässlich des Tag der Sachsen am 6. September 2014 ging Sachsens Staatsministerin fürKultus in Großenhain der Frage nach, inwiefern sich Bildung bezahlt machen muss.

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6. September 2014

Der Wert von Bildung und Wissen.

Muss Bildung sich bezahlt machen?

Eine Veranstaltungsreihe derCDU-Fraktion des

Sächsischen Landtages

Schriftenreihe zu Grundlagen, Zielenund Ergebnissen der parlamentarischen Arbeitder CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages

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Inhaltsverzeichnis

EinführungSteffen Flath MdLEhemaliger Vorsitzender der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages

Der Wert von Bildung und Wissen. Muss Bildung sich bezahlt machen?Brunhild Kurth Sächsische Staatsministerin für Kultus

2 – 3

4 – 16

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Steffen Flath MdL

Einführung

keit und Reflexion und damit der Über-

nahme von Verantwortung einhergeht?

Ich freue mich, dass diese Fragen die

sächsische Kultusministerin Brunhild

Kurth in ihrem Vortrag aufgreifen wird.

Sie hat langjährige Erfahrungen auf un-

terschiedlichen Ebenen des Bildungswe-

sens im Freistaat Sachsen. 1976 begann

sie als Lehrerin und wurde schließlich

nach der Friedlichen Revolution Schul-

leiterin des Gymnasiums Burgstädt. 2001

wechselte Brunhild Kurth in die Kultus-

verwaltung und war u.a. als Referatslei-

terin für Gymnasien, Abendgymnasien,

Kollegs im Kultusministerium und als Di-

rektorin der Sächsischen Bildungsagen-

tur tätig. Im März 2012 wurde Brunhild

Kurth zur sächsischen Staatsministerin

für Kultus ernannt.

Seit der Gründung des Johann-Amos-Co-

menius-Clubs Sachsen 1996 ist es zu ei-

ner guten Tradition geworden, dass zum

Tag der Sachsen eine Veranstaltung des

Gesprächsforums stattfindet. Diesmal

werden wir uns der Bildung widmen.

Es heißt so schön: „Nicht für die Schule

lernen wir, sondern für das Leben.“ Diese

Redensart gilt umso mehr, als dass sich

Bildung heutzutage von Kindesbeinen

bis hinein ins hohe Alter erstreckt. Ganz

ohne Zweifel hat eine umfassende All-

gemeinbildung einen hohen Stellenwert

– für jeden Einzelnen sowie unsere Ge-

sellschaft als Ganzes. Lässt sich der Wert

guter Bildung nur an monetären Parame-

tern wie beispielsweise höherem Einkom-

men und wachsendem Wohlstand mes-

sen? Und welche Rolle spielt der ideelle

Wert von Bildung, der mit Eigenständig-

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Bildung kostet Geld. Viel Geld. Bildung

braucht Vermittler und aktive Rezipien-

ten. Bildung braucht entsprechende Rah-

menbedingungen. Dafür zu sorgen, ist

unsere Aufgabe.

Ich freue mich immer wieder, wenn ich im

Freistaat unterwegs sein kann – mit För-

dermitteln, um unsere Bildungseichrich-

tungen bei ihren Investitionen in opti-

male Lernbedingungen zu unterstützen.

Die Goethe-Grundschule in Limbach-

Oberfrohna beispielsweise hat sich über

einen Fördermittelscheck in Höhe von

zwei Millionen Euro gefreut, das Ober-

land-Gymnasium in Seifhennersdorf über

zweieinhalb Millionen Euro und die Jo-

hann-Amos-Comenius-Förderschule

in Herrnhut – übrigens eine Schule in

freier Trägerschaft – sogar über drei Mil-

lionen Euro. Zudem bekommen mehr als

1.000 Grund- und Oberschullehrer seit

dem 1. September mehr Gehalt. Für die

freien Schulen nimmt der Freistaat in die-

sem und dem nächsten Jahr 35 Millio-

nen Euro zusätzlich in die Hand. Wir fi-

nanzieren damit die Übergangszeit bis

zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes

über freie Schulen. Und zu guter Letzt:

Der Etat meines Hauses ist im laufen-

Der Wert von Bildung und Wissen. Muss Bildung sich bezahlt machen?

Brunhild Kurth

den Haushaltsjahr mit 2,9 Milliarden Euro

veranschlagt. Das heißt, fast jeder fünfte

Euro unseres Landeshaushaltes fließt in

Bildung.

Der finanzpolitische Sprecher der CDU-

Landtagsfraktion hat anlässlich der Ver-

öffentlichung des aktuellen Bildungs-

monitors gesagt: „(...), von einer Unterfi-

nanzierung des Bildungsbereiches kann

also keine Rede sein.“ Da ich aber nicht

Finanzministerin, sondern Kultusministe-

rin des Freistaates Sachsen bin, habe ich

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dazu natürlich eine etwas andere Mei-

nung. Warum und wieso – dazu möchte

ich Sie noch ein wenig auf die Folter

spannen. Denn Bildung und vor allem der

Wert von Bildung lassen sich nicht aus-

schließlich in Zahlen gießen. Aber: Wie

kann der Wert von Bildung sonst gemes-

sen werden? Muss der Wert von Bildung

gemessen werden? Muss er überhaupt

messbar sein?

Über Bildung zu diskutieren, bedeutet,

unzählige Perspektiven zu beleuchten,

sich mit den verschiedensten Meinun-

gen auseinanderzusetzen und am Ende

darüber nicht den Überblick zu verlie-

ren. Denn: jeder von uns hat seine eige-

nen Ansichten zur Bildung, zur Schule,

zur Kindertageseinrichtung. Jeder von

uns kann eine Bildungslaufbahn vorwei-

sen. Jeder hat seine eigenen Erfahrungen

im Bildungssystem gemacht, hat Kinder

oder Enkel in der Kindertageseinrichtung

oder der Schule, kennt Lehrer oder Lehrer

in spe. Ich möchte behaupten, in keinem

anderen Bereich – in Politik oder Verwal-

tung, Wirtschaft oder Gesellschaft – sind

so viele Menschen involviert.

Wie also lässt sich am besten über Bil-

dung und ihren Wert diskutieren? Begin-

nen wir mit Aristoteles. „Alle Menschen

streben von Natur aus nach Wissen.“

Gut – der eine mehr, der andere weni-

ger. Aber der Drang nach Wissen ist uns

in die Wiege gelegt. Wer erinnert sich

nicht an die vielen Warum-Fragen sei-

ner Kinder oder Enkel und wie sehr man

manchmal mit einer solchen Frage in die

Bredouille kommt. Wer kennt schon die

richtige, kindgerechte Antwort auf „Wa-

rum regnet es?“ Und hat man mühsam

eine Antwort vorgebracht, folgt schon

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das nächste „Warum?“. Diesen Wissens-

drang gilt es bereits frühzeitig zu fördern.

Und zwar nicht erst in der Schule.

„Kinder erkunden die Welt wie Wissen-

schaftler – systematisch, konzentriert,

unbeirrbar konsequent.“ So steht es im

Werkstattbuch zum Bildungsauftrag von

Kindertageseinrichtungen. Diese Worte

umreißen, womit wir es zu tun haben,

wenn wir über frühkindliche Bildung

sprechen. Hinzukommt, dass bis zum

sechsten Lebensjahr das Bildungsfens-

ter viel weiter geöffnet ist als in allen fol-

genden Jahren.

Es kommt auf den Anfang an! Unsere Kin-

dertageseinrichtungen arbeiten deshalb

nach dem Sächsischen Bildungsplan. Die-

ser Leitfaden für Erzieherinnen und Erzie-

her denkt Bildung vom Kind her. Er will zu-

gleich die öffentliche Verantwortung für

die Bildungsqualität in unseren Kinderta-

geseinrichtungen stärken, ohne dass die

Eltern einen Teil ihrer originären Zustän-

digkeit für das gelingende Aufwachsen ih-

rer Kinder abgeben sollen. Vielmehr geht

es um ein „Hand in Hand“ von Institution

und Familie, damit frühkindliche Bildung

erfolgreich sein kann. Bereits Friedrich

Wilhelm August Fröbel, ein Schüler Pes-

talozzis, erkannte die besondere Bedeu-

tung der frühen Kindheit für die mensch-

liche Entwicklung. Kinder sollten nicht nur

in einer „Kinderbewahranstalt“ unterge-

bracht sein, sondern sich durch Bildung

und Erziehung positiv entwickeln.

Fröbel gründete 1837 im thüringischen

Blankenburg die erste „Pflege-, Spiel- und

Beschäftigungsanstalt“ für Kleinkinder.

Fünf Jahre später begannen die ersten

Kindergärtnerinnenkurse und 1850 grün-

dete er die erste Schule zur Ausbildung

von Kindergärtnerinnen. Diese sollten

zum einen das Spielen fördern und zum

anderen die Kinder beim Bemühen, die

Welt zu erfahren und zu begreifen, un-

terstützen.

Mit seinem letzten großen pädagogi-

schen Werk, den „Mutter- und Koselie-

dern“, wollte Fröbel den Müttern die

Bedeutung und Verantwortung, die in

Mutterschaft und Erziehung liegen, ver-

deutlichen und zugleich ganzheitliche

Hilfen für die Säuglings- und Vorkin-

dergartenerziehung an die Hand geben.

Auch heute gibt es noch Fröbel-Kinder-

gärten – in Deutschland ebenso wie in

Japan oder den USA. Geändert hat sich

allerdings, dass sich nicht mehr nur die

Mütter und Kindergärtnerinnen um die

Kinder kümmern, sondern dass sich Vä-

ter und Erzieher gleichermaßen an Be-

treuung, Erziehung und Bildung von Kin-

dern beteiligen.

Vor 160 Jahren sah das noch ganz anders

aus: als der Pädagoge August Köhler,

Initiator und Mitbegründer des „Deut-

schen Fröbelvereins“, Mitte der 1850er

Jahre eine Ausbildungsstätte ausschließ-

lich für männliche Erzieher ins Leben ru-

fen wollte, scheiterte sein Projekt kläg-

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lich. Es hatten sich schlichtweg zu wenige

Männer dafür gemeldet.

Ich bin froh, dass wir heute ein anderes

Bild zeichnen können. Die anspruchs-

volle Ausbildung zur Erzieherin/zum Er-

zieher – zwei Jahre zum Sozialassistenten

und anschließend drei Jahre zum Staat-

lich anerkannten Erzieher – absolvieren

immer mehr Männer. Jeder fünfte Aus-

zubildende ist heute ein Mann. Bei den

bereits tätigen Erziehern sind wir noch

nicht ganz so weit. Doch auch hier hat

sich der Anteil innerhalb der letzten sie-

ben Jahre mehr als verdreifacht – auf fünf

Prozent des pädagogischen Personals an

unseren über 2.800 Kindertageseinrich-

tungen.

Aber ob nun Erzieher oder Erzieherin –

sie alle widmen sich einer Aufgabe, die

groß und großartig zugleich ist. Einer

Aufgabe, bei der es nicht nur darum geht,

Kinder zu betreuen, sondern ihnen auch

etwas beizubringen; auf kindgerechte

Art und Weise. Denn Kinder lernen auf

die unterschiedlichsten Arten. Sie wol-

len spielen, entdecken und ausprobie-

ren. Sie wollen anfassen und ansehen,

hören, fühlen und riechen. Kinder wollen

erleben. Sie wollen die Welt um sich he-

rum begreifen – im wahrsten Sinne des

Wortes. Frühkindliche Bildung ist des-

halb essentiell für die bestmögliche Ent-

wicklung unserer Kleinsten. Sie ist wert-

voll, denn sie legt den Grundstein für den

späteren Bildungserfolg in der Schule.

„Das Haus der kleinen Forscher“ ist bei-

spielsweise ein Angebot in unseren Kin-

dertageseinrichtungen, das den Wissens-

drang von Mädchen und Jungen fördert

und begleitet.

Naturwissenschaftlich-mathematische

Kenntnisse werden dort auf spielerische

Weise vermittelt – es gilt, zu probieren

und zu begreifen. Ich habe im vergange-

nen Jahr an der Zertifizierungsveranstal-

tung für Kindertageseinrichtungen zum

„Haus der kleinen Forscher“ teilgenom-

men und war vom Engagement der Stif-

tung sowie der Erzieherinnen und Erzie-

her tief beeindruckt. So stelle ich mir vor,

wie wir naturwissenschaftliche, techni-

sche und mathematische Bildung dauer-

haft in unseren Bildungseinrichtungen

verankern können.

Neben all der frühkindlichen Bildung

brauchen unsere Kinder aber auch Zeit,

um Kind zu sein. Um zu toben und fan-

gen zu spielen, um auf Bäume zu klettern

oder durch den Wald zu streifen. Und da-

bei nicht zuletzt Erfahrungen zu sammeln

im Umgang mit anderen – seien es Kin-

der, Jugendliche oder Erwachsene. Wir

leben zweifelsohne in einer Wissensge-

sellschaft, die von schnellem Wandel, Glo-

balisierung und immer größerer Hetero-

genität geprägt ist. Für jeden von uns gilt

es, angemessen darauf reagieren zu kön-

nen. Eine umfassende Bildung braucht

es, um damit umzugehen ebenso wie die

nötige geistige Reife. Und so gehört für

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mich zur Bildung nicht nur Wissen, son-

dern auch eine gut ausgebildete Psyche.

Der Frage „Was ist Bildung?“ möchte ich

gern noch ein bisschen weiter auf den

Grund gehen. Werner Heisenberg zi-

tierte dazu in der 100-Jahr-Feier des Max-

Gymnasiums München den Marquis of

Halifax: „Bildung ist das, was übrig bleibt,

wenn man alles vergessen hat, was man

gelernt hat.“

Ich denke, wir sind uns einig, wenn ich

sage, dass Bildung zumindest zwei Dinge

einschließt. Erstens: Wissen – über Fak-

ten, Theorien und Regeln. Ein Beispiel:

Die chemische Formel für Wasser lautet:

H2O. Ganz klar, das ist eindeutig formu-

lierbares und reproduzierbares Wissen.

Es wird auch explizites Wissen genannt.

Darüber hinaus gibt es zudem das im-

plizite Wissen, dieses „Ich-weiß-wie-es-

geht“-Wissen, dass sich aber nur schwer

bis gar nicht in Worte fassen lässt; zum

Beispiel wie man auf dem Fahrrad das

Gleichgewicht hält. Psychologen unter-

scheiden außerdem noch in kurzfristiges

und Langzeitwissen. Für viele gehört zu

Erstgenannten etwa der Ablauf der Pho-

tosynthese. Letztgenanntes ist Wissen,

das über Jahrzehnte verfügbar ist. Zum

Beispiel wie man tanzt oder schwimmt.

Zweitens: Kompetenzen, die definito-

risch die Fähigkeit sind, Probleme zu lö-

sen sowie die Bereitschaft, dies auch zu

tun. Ich denke dabei vor allem an die So-

zialkompetenzen – also Kooperations-

fähigkeit, Kommunikationsfähigkeit

und Konfliktfähigkeit, außerdem Dis-

ziplin und emotionale Kompetenz. All

dies wird gespeist aus Verantwortungs-

bewusstsein, Mündigkeit und Selbst-

bewusstsein. Und beigebracht wird es

in unseren Kindertageseinrichtungen,

in der Kindertagespflege und unseren

Schulen. Der Erwerb sozialer Kompeten-

zen könnte ganz altmodisch auch als Er-

ziehung bezeichnet werden. Wie aber

werden Wissen und Kompetenzen er-

worben? Beides eignet sich der Mensch

über Lernen an. Zu lernen beschreibt

dabei einen Prozess, der entweder ab-

sichtlich – zum Beispiel in der Schule

– oder beiläufig – zum Beispiel im Mu-

seum –, allein – im stillen Kämmerlein

– oder in der Gruppe abläuft. Zu lernen

bedeutet also, sein Verhalten, Denken

und Fühlen aufgrund von Erfahrung, Ein-

sicht und Verstehen zu ändern. Gelernt

wird traditionell in der Schule oder der

Ausbildung. Dies wird als formales Ler-

nen bezeichnet. Daneben gibt es noch

das non-formale Lernen. Das ist jegli-

che Art von Weiterbildung außerhalb

des Schul-, Berufsbildungs- und Hoch-

schulsystems.

Die dritte Art des Lernens ist das infor-

melle Lernen, das weder organisiert noch

strukturiert abläuft. Vor allem ältere

Menschen lernen gern informell, also

durch Besuche von Museen und Gale-

rien, durch ehrenamtliche Tätigkeit oder

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durch Lesen von Zeitungen, Zeitschriften

und Büchern.

Kehren wir noch einmal zum forma-

len Lernen zurück: Welcher Anspruch

wird daran gelegt? Wer bestimmt, was

in der Kindertageseinrichtung oder der

Schule gelernt wird? Geht es um beruf-

lich qualifizierendes, geldwertes Fach-

wissen oder um allgemeine, „enzyklopä-

dische“ Bildung? Es geht wohl um beides

– sowohl das qualifizierende Fachwissen,

also mathematische, naturwissenschaft-

liche, technische Kenntnisse, als auch

die allgemeine Bildung. Führen wir uns

vor Augen – ein Absolvent ist zwischen

15 und 18 Jahren alt und damit mitnich-

ten „fertig“ ausgebildet. Er oder sie steht

vielmehr an einer Schwelle – zum Beruf,

zum Erwachsen sein. Die Absolventen

haben aber das Rüstzeug an die Hand be-

kommen, das sie benötigen, um ihre ers-

ten (und auch weitere) Schritte in ihrem

neuen Leben zu gehen. Darauf bereitet

sie die Schule vor. Beide Arten von Wis-

sen sind wertvoll.

Ich denke, wir sind uns an diesem Punkt

einig, dass eine rein humanistische Bil-

dung, wie sie Wilhelm von Humboldt An-

fang des 19. Jahrhunderts für das Gymna-

sium als Vorbereitung auf das Studium

verstand, heute nicht mehr das Maß al-

ler Dinge ist. Heute, 200 Jahre später, ge-

hört einfach mehr dazu. Aber, ich denke,

wir sind uns auch einig, dass Schule auf

das Leben danach bestmöglich vorberei-

ten soll. Das formulierte auch Humboldt

1809 in einem Bericht an König Friedrich

Wilhelm III. Nur der sei erfolgreich im Be-

rufsleben, der ein „seinem Stande nach

aufgeklärter Mensch und Bürger“ sei. Be-

reite ihn Schule darauf gut vor, seien Er-

lernen und Ausüben eines Berufs leicht

zu bewältigen. Nennen Sie mich altmo-

disch, aber ich finde, diese Aussage hat

auch heute noch Gültigkeit und es gibt

in Sachsen noch die eine oder andere

Schule – fünf, um genau zu sein –, die es

ebenso sieht. Sie tragen zumindest den

Namen „Humboldt“.

Ein paar mehr, nämlich 36 Schulen, tra-

gen den Namen eines anderen Gelehr-

ten: Pestalozzi. Pestalozzis Idee der Ele-

mentarbildung – die ganzheitliche und

harmonische Förderung der intellektu-

ellen, sittlich-religiösen und handwerk-

lichen Kräfte der Kinder – und seine Me-

thoden, diese Bildung den Kindern zu

verinnerlichen, übernahm Humboldt für

seine dreijährige Elementarschule. Da-

rüber hinaus bescherte uns Humboldt

noch etwas, dass aus der Bildungsland-

schaft nicht mehr wegzudenken ist: Die

Abiturprüfung und das Lehramtsexamen,

mit dem der Stand des Gymnasiallehrers

geschaffen wurde.

Aber warum das alles? Warum Reformen

und Entwicklungen? Warum neue Inhalte

und Methoden – wenn der Marquis of

Halifax doch 100 Jahre vor Pestalozzi und

Humboldt sagte, Bildung sei der Rest

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nach dem Vergessen des Gelernten? Weil

Bildung eben viel mehr ist als ein „üb-

rig bleiben“. Weil Bildung auf Gelerntem

aufbaut. Weil Gelerntes immanenter Be-

standteil von Bildung ist. Würden wir je-

manden als gebildet bezeichnen, der we-

der lesen, schreiben oder rechnen kann?

Bildung fußt auf solchen Grundfertigkei-

ten. Sie sind wichtige Voraussetzung, um

in unserer Gesellschaft nicht an den Rand

gedrängt zu werden. Sie sind wertvoll. Sie

eröffnen Chancen und Teilhabe.

Damit sich Bildung auch wirklich entfal-

ten kann, braucht es neben Wissen und

Kompetenzen auch Zeit. Maria Mon-

tessori hat diesen Anspruch ganz tref-

fend formuliert: „Kinder und Uhren darf

man nicht ständig aufziehen; man muss

sie auch gehen lassen.“ Mir ist bewusst,

dass der eine oder andere dieser Pädago-

gik skeptisch gegenübersteht. Für Mon-

tessori stand aber im Mittelpunkt, die

Freude des Kindes am Lernen zu pfle-

gen. Kinder lernen im eigenen Rhythmus,

auf ihre eigene Art. Weil sie lernen wol-

len, um am Leben teilhaben zu können.

Wir nennen diese Motivation heute „in-

trinsische Motivation“. Den Erwachse-

nen versteht Montessori nicht als Anlei-

tenden und Lehrenden, sondern als den

zum Lernen Hinführenden, der sich dann

zurückzieht und beobachtet. Die „klassi-

sche“ Kindergarten- oder Schulpädago-

gik unterscheidet sich hier deutlich: Der

erwachsene Lehrer nimmt eine viel zen-

tralere Stellung im Bildungsprozess ein,

denn er ist es, der Wissen und Bildung

vermittelt. Es lässt sich vortrefflich dar-

über debattieren, welche Methode denn

nun die beste zur Wissensvermittlung sei

– sind es reformpädagogische Ansätze

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wie bei Montessori oder Rudolf Steiners

Waldorfpädagogik, ist es Frontalunter-

richt, Gruppenarbeit, selbständiges An-

eignen?

Welche Methode auch immer die rich-

tige sein möge – ich denke, wir sind uns

einig, dass sie immer kindgerecht sein

muss. Kindgerecht und trotzdem leis-

tungsorientiert. Kinder sind keine klei-

nen Erwachsenen. Sie sind vielmehr auf

dem Weg dahin. Für uns klingt das heute

selbstverständlich. Doch auch der große

Pädagoge des 17. Jahrhunderts, Johann

Amos Comenius, verstand Kindheit nicht

als eigenständige Phase, sondern als Vor-

bereitung auf das Erwachsenenleben. Er

war dennoch einer der ersten, der Pä-

dagogik an den unterschiedlichen Pha-

sen der Kindheit ausrichtete. Noch heute

steht Comenius als Namenspatron für

Bildungsprogramme, bspw. für das Co-

menius-Programm der Europäischen

Union, das die grenzüberschreitende Zu-

sammenarbeit von Schulen fördert. Nicht

zuletzt hieß unser hauseigenes „Sächsi-

sche Bildungsinstitut“ bis 2006 „Come-

nius-Institut“.

All diese Bildungsreformer haben ge-

meinsam, dass Kinder ihrem Alter ent-

sprechend gefördert werden müssen.

Dass sie Schritt für Schritt an Wissen

und Kompetenzen heranzuführen sind,

um sie zu bilden und zu erziehen. Ob Frö-

bel oder Montessori, Steiner oder Come-

nius – bei allen spielen die Lehrenden, die

Erziehenden eine entscheidende Rolle.

Auch, wenn deren Rolle unterschiedlich

ausgeprägt ist.

Im vergangenen Jahr erschien die um-

fangreiche Studie des Bildungsforschers

John Hattie „Visible Learning – Lernen

sichtbar machen“ erstmals auf Deutsch.

Das Fazit, ganz komprimiert: Es gibt

keine Patentlösung für guten Unterricht.

Aber: Es kommt sehr wohl auf den Leh-

rer an! Für diese Erkenntnis braucht es

vielleicht nicht zwingend eine 450-sei-

tige Studie. Ich finde es aber gut, einmal

schwarz auf weiß nachlesen zu können,

was man immer schon geahnt hat oder

einfach weiß.

Lernen müssen unsere Kinder und Ju-

gendlichen selbst. Anders können sie

keine erfolgreiche Bildungslaufbahn ab-

solvieren. Aber auf diesem Weg sind die

Erzieherinnen und Erzieher, die Lehre-

rinnen und Lehrer mindestens genauso

wichtig, denn sie vermitteln. Sie beglei-

ten und unterstützen. Und sie verstehen

es, auch wenn das nicht immer leicht ist,

sich die Zeit zu nehmen, um auf die Kin-

der und Jugendlichen einzugehen. Für

diese individuelle Förderung braucht es

ein System, auf das sie sich verlassen

können. Ich denke, genau das können wir

insbesondere unseren Lehrerinnen und

Lehrern bieten – ein Schulsystem, das auf

Verlässlichkeit, Solidität und Kontinuität

beruht, ohne dabei stillzustehen. Bildung

und Wissen entwickeln sich weiter. Me-

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thoden entwickeln sich weiter. Und auch

unser Schulsystem entwickelt sich wei-

ter. Aber – und das ist unser großer Vor-

teil – ohne den Zwang, ständig revoluti-

oniert zu werden.

Unser Schulsystem ist im besten Sinne

konservativ – es behält, was gut und be-

währt ist und verändert Überholtes. Es

entwickelt sich kontinuierlich weiter,

ohne zwischen Strukturdebatten aufge-

rieben zu werden. Bei uns gibt es das

achtjährige Abitur. Das ist Gewissheit.

Darauf können sich die Menschen verlas-

sen. Wir experimentieren nicht mit „G8“

oder „G9“ oder vielleicht doch „G8½“. In

Sachsen ist der Rahmen gesetzt. In mei-

nen Augen ist diese Gewissheit ausge-

sprochen wertvoll.

Innerhalb dieses strukturellen Rahmens

unterliegt Schule wie alle gesellschaft-

liche Bereiche ständigem Wandel, Ent-

wicklung und Veränderung. In der Öf-

fentlichkeit kommt es deshalb immer

wieder zu Diskussionen über das tatsäch-

lich Notwendige. Was muss vermittelt

werden? Wie soll vermittelt werden? Darf

ein Lehrer auch erziehen? Muss ein Erzie-

her lehren? Wie viel Zeit brauchen unsere

Kinder und Jugendlichen, um zu lernen,

um zu begreifen? Wie viel Zeit muss, wie

viel Zeit darf ich Ihnen als Vermittler da-

für geben? Was muss Schule leisten? Be-

ziehungsweise: Was müssen unsere Kin-

dertageseinrichtungen und Tageseltern

leisten? Wenn wir von „sich etwas leis-

ten“ sprechen – welches Bildungssystem

wollen wir uns leisten? Wie viel ist Bil-

dung uns wert?

„Heute kennt man von allem den Preis,

aber von nichts den Wert.“ So schrieb es

vor 120 Jahren Oscar Wilde. 18,90 Euro.

Pro Schüler. Pro Tag. So sagt es ganz aktu-

ell das Statistische Bundesamt für unsere

öffentlichen Schulen. Ist das der Wert

von Bildung? 18,90 Euro. Oder 11,17 Euro

pro Tag, pro Kindergartenkind? Und was

bedeutet das überhaupt: wert sein? In

welchen Kategorien wird der WERT ge-

messen? Sind es ausschließlich ökono-

mische Kriterien, mit denen der „Ware“

Bildung beizukommen ist?

Ist Bildung eigentlich eine Ware? Und

wenn nicht, auf welche andere Weise

ließe sich ihr Wert bemessen? Als ich

mich auf der Suche nach einer Begriffs-

bestimmung von „Wert“ durchs Internet

geklickt habe, sind mir als erstes die öko-

nomischen Kategorien ins Auge gefallen

– Gebrauchswert, Tauschwert, Liebha-

berwert. Also, der Preis von Bildung. Erst

auf den zweiten Blick finden sich auch

geisteswissenschaftliche Annäherungen

an „Wert“, also eher ideelle Kategorien.

Welche dieser beiden Messlatten gilt es

an Bildung anzulegen, wenn wir fragen:

Muss Bildung sich bezahlt machen?

Ja, Bildung muss sich bezahlt machen.

Aber auf welche Art und Weise – darü-

ber lässt sich ganz vortrefflich diskutie-

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ren. Der Bildungsmonitor 2014 hat Sach-

sen erneut den Spitzenplatz bescheinigt.

Betrachtet wurden dabei, unter anderem,

Förderinfrastruktur, Ausgabenpriorisie-

rung oder Forschungsorientierung. In

diesen Bereichen bekam Sachsen Top-

Werte. Verbesserungsbedarf bestehe al-

lerdings bei Inputeffizienz und Zeiteffi-

zienz.

PISA, IQB-Ländervergleich, IGLU, VERA

– all diese Lernstandserhebungen und

Kompetenztests messen – im Vergleich

zum Bildungsmonitor – eher die inhaltli-

chen Aspekte von Bildung. Und auch hier

ist Sachsen spitze.

„Schön“, könnte man sagen und sich ent-

spannt zurücklehnen. Immerhin zeigen

diese Zahlen, dass in der sächsischen Bil-

dung Input und Output stimmen. Un-

sere Bildung ist etwas wert; Jahr für Jahr

durch Studien und Vergleiche beschei-

nigt. Wenn ich nun aber einen Blick zur

Wirtschaft werfe, mag das schon ganz

anders aussehen. Ende des vergangenen

Jahres war ich bei zahlreichen Terminen,

um mit Vertretern der Wirtschaft über

die Ausbildungsreife unserer Schülerin-

nen und Schüler sowie über die Berufs-

und Studienorientierung zu diskutieren.

Immer wieder, mal verdeckt, mal offen,

schwappte mir entgegen, dass die Aus-

bildungsreife durchaus verbesserungs-

würdig sei. „Was denn nun,“ ließe sich

fragen, „ist die Bildung in Sachsen spitze

oder nicht?“

Sie merken bereits – die Parameter, die

an den Wert von Bildung angelegt wer-

den, könnten unterschiedlicher kaum

sein. Welche Bilanz muss am Ende einer

klassischen Bildungslaufbahn – Kinderta-

geseinrichtung, Schule, Ausbildung – ste-

hen? Erlauben Sie mir dazu einige Zahlen.

Wenn Sie sich darüber hinaus informie-

ren möchten, empfehle ich Ihnen den Bil-

dungsfinanzbericht: Besonders spannend

wird es ab Seite 118. Auf dieser Seite sind

die Ausgaben ausgewählter Bildungskar-

rieren aufgeschlüsselt.

Zwei möchte ich herausgreifen: Etwa

98.000 Euro kostet der Weg von der Kin-

dertageseinrichtung, über Grundschule,

Oberschule und dreijähriger Ausbildung.

139.000 Euro schlagen zu Buche, wenn

wir Oberschule gegen Gymnasium und

Ausbildung gegen ein Diplom-Studium

tauschen. Um es plastisch zu machen:

Entweder eine Bildungskarriere oder ein

Auto der Oberklasse. Da muss am Ende

also etwas herauskommen, wenn so viel

Geld investiert wird. Es soll ja nicht um-

sonst gewesen sein. Am besten wäre es

dann noch, wenn der Berufsstarter sein

Arbeitsleben auch in dem Land verbringt,

dass für seine Bildung so viel Geld ausge-

ben hat. Damit diese Investitionen wie-

der zurückfließen können. Volkswirt-

schaftlich betrachtet ist das logisch und

sinnvoll – keine Frage. Aber muss bei Bil-

dung zwingend die „Re-Finanzierbarkeit“

im Vordergrund stehen? Erfüllt Bildung

nicht auch einen Selbstzweck?

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Sachsen gibt pro Jahr und Schüler an

seinen öffentlichen Schulen 6.900 Euro

aus. Das klingt gut. Das liegt 900 Euro

über dem Bundesdurchschnitt. Klassen-

primus sind allerdings die Thüringer mit

7.800 Euro, Bummelletzter ist Nordrhein-

Westfalen mit 5.200 Euro. Den größten

Teil dieser 6.900 Euro, etwa drei Vier-

tel, nehmen die Personalkosten ein. Da-

mit liegt Sachsen leicht unter dem Bun-

desschnitt. Beim laufenden Sachaufwand

treffen wir das bundesdeutsche Mittel

mit zehn Prozent ziemlich genau. Bei

den Investitionsaufgaben gibt Sachsen

doppelt so viel Geld aus wie der Durch-

schnitt und liegt damit unangefochten

an der Spitze. Sicher, moderne, helle Ge-

bäude mit der entsprechenden Ausstat-

tung sind ein „Muss“ für gutes und er-

folgreiches Lernen. Sie sind aber nur ein

Teil des Systems Schule. Noch wichtiger

als die Hülle ist meines Erachtens der

Inhalt, also das, was unsere Lehrerinnen

und Lehrer leisten.

Über den Wert von Bildung zu diskutie-

ren, bedeutet natürlich mehr, als sich Sta-

tistiken und Kennziffern anzuschauen.

Der Wert von Bildung manifestiert sich

nicht nur in Euro, auch wenn Sachsen ein

gutes „Preis-Leistungs-Verhältnis“ vor-

weisen kann.

Ebenso wichtig wie das Geld ist aber

ein Faktor, den es gratis gibt: Verläss-

lichkeit. Ich sagte das bereits zu Beginn.

Man kann dazu stehen wie man will, aber

in Sachsen wird nicht am Schulsystem

gerüttelt. Ein „Hü“ und „Hott“ bei den

Strukturen gibt es bei uns nicht, sondern

eine Arbeitsgrundlage mit Gewissheit.

Energien von Lehrern, Eltern und Schü-

lern, die bei ständigen Strukturreformen

und den entsprechenden Gegenrefor-

men verwendet, fast möchte ich sagen:

verschwendet werden, können in Sach-

sen zielgerichtet für eine erfolgreiche Bil-

dungslaufbahn genutzt werden. Das ist

effizient und damit auch eine Form von

Wert. Aber Bildung ist eben nicht nur

effizient und berechenbar. Sich zu bil-

den, bedeutet auch, einmal zu kreiseln

– um ein bestimmtes Thema, eine be-

stimmte Ansicht. Es bedeutet, sich Zeit

zu nehmen, um verschiedene Perspek-

tiven zu beleuchten und auszuloten. Bil-

dung braucht auch Freiräume, Fantasie

und Motivation. Bildung braucht auch

Erziehung sowie fundierte und vielfältige

Vermittlung. Bildung braucht gut ausge-

bildete Lehrerinnen und Lehrer. Sie sind

ein Wert an sich.

Ein Wert, der sich auch in Zahlen gie-

ßen lässt. Nämlich jene, die auf dem Ge-

haltszettel stehen – das ist in etwa alles

zwischen 2.700 Euro für einen Grund-

schullehrer, der gerade ins Berufsle-

ben startet und 6.800 Euro für eine ge-

standene Gymnasialdirektorin. Das sind

uns unserer Lehrer wert, diejenigen, die

Wissen vermitteln, die Schüler fördern

und die dafür sorgen sollen, dass Kinder

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und Jugendliche ihr Leben lang wissbe-

gierig sind. Und das ist der nicht-mone-

täre Wert von Bildung – das Wissbegie-

rig sein, der Durst auf Neues, der Wunsch

zu lernen. Sein Leben lang zu lernen, sich

weiterzubilden, wird immer wichtiger.

Wie anders ließe sich dieser Anspruch

umsetzen als durch gewecktes und ge-

fördertes Interesse am Wissen?

Deshalb ist es gut, den Wissensdurst jun-

ger Menschen anzuregen – schon früh-

zeitig in der Kindertageseinrichtung, dem

„Haus der kleinen Forscher“ etwa, oder

in Neigungskursen und fächerübergrei-

fendem Unterricht, mit der BeLL – der

Besonderen Lernleistung –, bei der sich

Schüler intensiv mit einem bestimmten

Thema auseinandersetzen. Denn das In-

teresse an Wissen existiert unabhängig

vom Bedürfnis nach technischen Lösun-

gen für ein bestehendes Problem. Auf-

merksamkeit und Konzentration, die wir

brauchen, um Wissen zu erwerben, füh-

ren zu wertvollen Erfahrungen. Augenbli-

cke des Verstehens können eine außerge-

wöhnliche Bereicherung darstellen. Das

„Aha“-Erlebnis kennt doch jeder von uns.

Und nicht umsonst gibt es die Bildungs-

sendung „Wissen macht Ah!“ In der ak-

tuellen Folge geht es um „Beutelkunst“;

die Verknüpfung von Windbeuteln und

Jackson Pollock.

Wie diese beiden zusammengehören, ist

in der Tat ein „Aha“-Erlebnis wert. Schon

um seiner selbst willen.

Es ist doch ein erhebendes Gefühl, wenn

sich kleine Details, fragmentarische In-

formationen und Bruchstücke von Wis-

sen zu einem Gesamtbild zusammenfü-

gen. Wenn wir auf einmal in der Lage sind,

ein Phänomen zu erklären, auch wenn es

weiterhin ganz erstaunlich bleibt. Solche

Erfahrungen sind jenseits von instrumen-

tellem Nutzen wertvoll. Ein umfassendes

Verständnis unserer Welt besitzt auch ei-

nen nichtmonetären Nutzen.

Wenn wir aber einzig und allein auf den

materiellen Nutzen von Wissen und Bil-

dung achten und dabei nur das berück-

sichtigen, was sich am Ende finanziell

auszahlt, verlieren wir eine ganz wich-

tige Facette der Dinge aus den Augen,

die unser Leben bereichern. Unser Bil-

dungssystem soll jungen Menschen in

die Hand geben, was sie für einen er-

folgreichen Start in das Berufsleben be-

nötigen. Es soll zugleich aber auch den

Blick öffnen für die vielen Dinge abseits

des reinen „Nutzen-Wissens“; für das

Verständnis von Kunst und Musik zum

Beispiel. Es sind so viele Aspekte, die

unser Mensch-Sein begründen – Kolle-

gialität und Toleranz, Begeisterungsfä-

higkeit und Durchhaltevermögen. Oder

eben Wissen und Bildung. Unsere Kin-

dertageseinrichtungen und Schulen

leisten einen hervorragenden Beitrag,

wenn es darum geht, jungen Menschen

die Voraussetzungen mitzugeben, die

Sie für ein erfolgreiches (Berufs-)Leben

brauchen.

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Ich möchte uns allen auch noch einmal

ins Gedächtnis rufen, wie wir am Ende

unserer Schullaufbahn ins Leben starte-

ten. Wir waren keine fertig ausgebildeten

Persönlichkeiten, sondern auf dem Weg

dahin. Auch wir brauchten jemanden,

der uns „bei der Hand nimmt“ und uns

auf unserem weiteren Weg begleitete

und anleitete. Ebenso geht es den jun-

gen Menschen heute. Wenn sie aus der

Schule kommen, ihren Schulabschluss in

der Hand, dann beginnt ein neuer Ab-

schnitt ihrer Bildungslaufbahn; zugege-

benermaßen ein Abschnitt, in dem die

Bildung noch sehr viel stärker im Fokus

der Nutzbarkeit steht. Natürlich ist es

Aufgabe von Schule, mittels Bildung den

jungen Menschen in unserem Land Le-

bensperspektiven zu eröffnen. Denn was

nützt das schönste Wissen, wenn sich

damit kein Arbeitsplatz finden lässt. In

der Schule geht es aber auch darum, ge-

bildete, selbständig denkende und mün-

dige Staatsbürger zu formen. Wissen und

Bildung dürfen deshalb nicht auf ihren

instrumentellen, ihren materiellen Wert

begrenzt werden. Wissen und Bildung

verbessern meine Lebensqualität nicht

nur, weil sie sich in barer Münze aus-

zahlen. Wissen und Bildung verbessern

meine Lebensqualität, weil ich zu schät-

zen weiß, was ich habe; weil ich Freude

finde an geistigen Dingen; weil ich von al-

lem nicht nur den Preis kenne, sondern

auch seinen Wert.

Bildung hat sich über die Jahrhunderte

hinweg stetig verändert. Inhalte und

Methoden haben sich den gesellschaft-

lichen, den wirtschaftlichen und den po-

litischen Entwicklungen angepasst. Eines

hat Bildung aber immer behalten: ihren

Wert – ob er sich nun monetär messen

lässt oder doch eher ideeller Natur ist.

Bildung ist bedeutender Bestandteil un-

seres Menschseins. Sie gibt uns Orien-

tierung, hilft uns, uns zurechtzufinden

und Teil eines großen Ganzen zu sein. Bil-

dung muss sich nicht darüber definieren,

welche Zahl am Ende auf dem Lohnzettel

steht. Bildung ist für mich vielmehr eine

mir innewohnende Bestätigung, dass ich

tun kann, was ich tun möchte, weil ich

dazu in der Lage bin. Bildung gibt mir

das Selbstvertrauen, Dinge anpacken zu

können und verändern zu wollen – auch

auf die Gefahr hin zu scheitern. In einem

solchen Fall stehe ich wieder auf und be-

ginne von neuem. Das ist wertvoll. Und

vor allem ist es: unbezahlbar!

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Impressum

Der Wert von Bildung und Wissen. Muss Bildung sich bezahlt machen?Veranstaltung am 6. September 2014

HerausgeberCDU-Fraktiondes Sächsischen Landtages

RedaktionPascal Ziehm

Satz, Gestaltung und DruckZ&Z Agentur Dresden

Dresden, September 2014

Diese Broschüre wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern im Wahlkampf zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Den Parteien ist es gestattet, die Druck-schrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden.

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