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LISTE DER BETEILIGTEN FORSCHERINNEN UND FORSCHER Prof. Dr. Holger Barth, Institut für Pharmakologie und Toxikologie Prof. Dr. Tobias Böckers, Institut für Anatomie und Zellbiologie Prof. Dr. Manfred Frick, Institut für Allgemeine Physiologie Prof. Dr. Florian Gebhard, Klinik für Unfallchirurgie Prof. Dr. Hartmut Geiger, Institut für Molekulare Medizin Prof. Dr. Markus Huber-Lang, Klinik für Unfallchirurgie Prof. Dr. Anita Ignatius, Institut für Unfallchirurgische Forschung Prof. Dr. Uwe Knippschild, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Prof. Dr. Bernd Knöll, Institut für Physiologische Chemie Dr. Stephan Paschke, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Prof. Dr. Dr. Peter Radermacher, Institut für Anästhesiologische Pathophysiologie Prof. Dr. Volker Rasche, Klinik für Innere Medizin Dr. Dr. Francesco Roselli, Klinik für Neurologie Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek, Klinik für Dermatologie Prof. Dr. Hubert Schrezenmeier, Institut für Transfusionsmedizin Prof. Dr. Thomas Seufferlein, Klinik für Innere Medizin PD Dr. Gudrun Strauß, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. Jan Tuckermann, Institut für Vergl. Molekulare Endokrinologie der Tiere (CME) Prof. Dr. Martin Wabitsch, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. Gilbert Weidinger, Institut für Biochemie Prof. Dr. Tanja Weil, Institut für Organische Chemie Prof. Dr. Thomas Wirth, Institut für Physiologische Chemie ANZEIGE | FORSCHUNGSWELTEN | Ein Spezial des Zeitverlags 3 EIN BEITRAG DER UNIVERSITäT ULM Ausgeprägte Verletzungen können erhebliche Kompli- kationen nach sich ziehen, weil aufgrund von zerstörtem Gewebe das Immunsystem überreagieren kann und Mikroorganismen in den Körper eindringen. Mehrere Forscher- teams untersuchen diese komplexen Prozesse im Körper. Kleinere Verletzungen sind nor- malerweise mit einer lokalen Entzündung verbunden, die den Schaden schnell eingrenzt, zerstörtes Gewebe beseitigt, eingedrungene Mikroorganis- men bekämpft und die Heilung des Gewebeschadens zum Ziel hat. Ganz anders dagegen bei einem schweren Trauma zum Beispiel durch einen Autoun- fall: Die zerstörten Gewebe ent- lassen eine Vielzahl von Mole- külen und Zellbestandteilen in den Körper. Da diese hier nor- malerweise nicht vorkommen, werden sie vom Immunsystem attackiert, das daraufhin sehr stark aktiviert wird. Und: Die Zerstörung der natürlichen Schranken der Haut, der Lunge oder des Darms führt zum Ein- dringen von Mikroorganismen. Je schwerer die Verletzung, des- to größer ist die Gefahr einer Entzündung, die auf den gan- zen Körper übergreift. Sind auch noch Bakterien beteiligt, spricht man von einer Blutver- giftung oder Sepsis. Eine solche Entzündung oder »posttrauma- tische Inflammationsreaktion« kann irreversible Organschä- den oder sogar den Tod des Pa- tienten zur Folge haben. Um diese Prozesse besser zu verste- hen, befassen sich sieben der insgesamt 20 Projekte des SFB 1149 mit der akuten Reaktion des Körpers auf schwere Verlet- zungen. Dabei stehen zwei Or- gansysteme im Mittelpunkt, die sehr häufig geschädigt werden: Lunge und Gehirn. Die molekularen Mechanismen bei einer Störung der natür- lichen Schranken in Gehirn, Lunge und Darm erforschen die Professoren Florian Gebhard und Markus Huber-Lang, stell- vertretender Sprecher des SFB 1149, in einem der Teilprojekte. Bei einem schweren Trauma können zum einen Flüssigkei- ten und Entzündungszellen aus den Blutgefäßen in das Gewebe austreten. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass gefährliche Mi- kroorganismen aus Darm oder Atemwegen in den Körper ein- dringen. Die Forscher suchen nach Marker-Molekülen, mit de- ren Hilfe derartige »Schranken- störungen« rechtzeitig erkannt werden können. Wie die Über- tragung von Entzündungssig- nalen im Gehirn nach einem Schädel-Hirn-Trauma funktio- niert, untersucht das Team von Prof. Thomas Wirth, Leiter des Instituts für Physiologische Chemie und Dekan der Medi- zinischen Fakultät Ulm. Denn entscheidende Signalwege, die Entzündungsreaktionen steu- ern, sind im Gehirn noch weit- gehend unerforscht. Ebenso wenig weiß man, ob die Aktivie- rung von Entzündungssignal- wegen zu unterschiedlichen Re- aktionen in verschiedenen Ge- hirnzellenarten führt. Weitere Teilprojekte befassen sich mit der Abstimmung der Synapsen im Gehirn nach einem Schädel- Hirn-Trauma, mit den Folgen einer Lungenquetschung und mit Störungen des Immunsys- tems durch schwere Verletzun- gen. Um Tierversuche zu re- duzieren, werden zahlreiche Modelle im Reagenzglas und in Zellkulturen sowie an einem neuartigen Lungenbläschen- modell (»lung on a chip«) durch- geführt. Damit können grund- legende Mechanismen der Gefahrenantwort nach einem Trauma untersucht werden. Schwerarbeit für das Immunsystem EIN BEITRAG DER UNIVERSITäT ULM Eine optimale Regeneration von Knochen, Muskeln, Haut, Nerven und anderen Geweben entscheidet über den Heilungs- prozess. Dazu werden auch Vorbilder aus der Zoologie untersucht. Durch ein Trauma werden nicht nur Knochen, Haut, Nerven und andere Gewebe verletzt – häufig sind damit auch erhebliche Ent- zündungsreaktionen bis hin zu einer Ganzkörperentzündung verbunden. Eine Regeneration des Gewebes kann jedoch erst dann einsetzen, wenn die Ent- zündung abgeklungen ist. Nach schweren Verletzungen sind Bo- tenstoffe der Entzündung, soge- nannte Interleukine, im Blut zu finden – je größer die Verlet- zung, desto mehr. Lassen sich die Signalwege dieser Boten- stoffe gezielt beeinflussen, kön- nen möglicherweise Störungen im Heilungsprozess von Kno- chenbrüchen verringert werden. Das untersucht Prof. Anita Igna- tius vom Institut für Unfall-chi- rurgische Forschung und Bio- mechanik und stellvertretende Sprecherin des SFB 1149. Zusam- men mit dem Kortison-Forscher Prof. Jan Tuckermann vom Ins- titut für Vergleichende Mole- kulare Endokrinologie der Tiere (CME) erforscht die Spezialistin für Knochenregeneration auch den Einfluss des Stresshormons Kortisol, das bei schweren Ver- letzungen ausgeschüttet wird. Denn ob und in welcher Weise dieses Hormon die Heilung von Knochenbrüchen nach schwe- ren Verletzungen kontrolliert, ist noch völlig unbekannt. Das Team um Professor Gil- bert Weidinger, Institut für Bio- chemie und Molekulare Biolo- gie, arbeitet mit dem Zebrafisch, ein Tier, das außerordentliche Fähigkeiten zur Regeneration besitzt. Zum Beispiel an der Schwanz- flosse: Trennt man einen Teil der Flosse ab, kann sie in kur- zer Zeit wieder nachwachsen. Das gelingt durch sogenannte »Osteoblasten«, spezielle Zel- len, die in Mensch und Tier Knochen bilden. Das Projekt erforscht die genetischen Pro- gramme, die im Zebrafisch die schnelle Regeneration nach Ver- letzungen steuern. Ein Vergleich mit denen höherer Organismen kann helfen, die Knochenrege- neration beim Menschen zu verbessern. Drei weitere For- schungsprojekte zur Regene- ration konzentrieren sich auf die Heilung von Hautwunden, die Regeneration von Gehirn- und Nervenzellen und die Rolle, die unterschiedliche Stammzel- len bei schweren Verletzungen spielen. Lernen vom Zebrafisch Links: Im gesun- den Lungenge- webe sind die Lungenbläschen (Alveolen) deutlich sichtbar. Rechts: Nach einem Brustkorb- trauma sind die Lungenbläschen teilweise mit Im- munzellen gefüllt, was den Gasaus- tausch behindert. Rot angefärbt ist ein zellulärer Rezeptor, der im Entzündungs- geschehen eine wichtige Rolle spielt. (Fotos: Prof. Peter Radermacher) Die schnelle Ver- sorgung nach ei- nem Unfall ist eine wichtige Basis für die Regeneration nach schweren Verletzungen. Deshalb wird sie immer wieder von den Rettungs- kräften trainiert. (Foto: Universi- tätsklinikum Ulm) EIN BEITRAG DER UNIVERSITäT ULM Die Universität Ulm ist in Deutschland führend in der Erforschung physischer und psychischer Traumata. Ein großes Verbundprojekt unter- sucht Verlauf und Rege- neration nach schweren Verletzungen. SFB 1149 – so wird der Sonder- forschungsbereich »Gefahren- antwort, Störfaktoren und re- generatives Potential nach akutem Trauma« abgekürzt. Forschungen, die sich auf die physischen Verletzungen durch Gewalteinwirkung vor allem bei Verkehrs- und Arbeitsun- fällen konzentrieren. Weltweit führen Verletzungen jährlich zu einem Verlust von mehr als 300 Millionen gesunden Le- bensjahren, das entspricht den Verlusten durch Tuberkulose, Aids und Malaria zusammen. Jedes Jahr werden rund acht Millionen Deutsche verletzt und mehr als 1,5 Millionen müssen deshalb stationär be- handelt werden. 20. 243 Men- schen starben 2010 in Deutsch- land aufgrund eines körper- lichen Traumas. Die direkten und indirekten Gesundheits- kosten werden auf 30 Milliar- den Euro geschätzt. Daher ist die Erforschung der Auswir- kungen von Verletzungen ext- rem wichtig und wird im SFB 1149 für zunächst vier Jahre mit mehr als 11,2 Millionen Euro von der Deutschen Forschungs- gemeinschaft (DFG) gefördert. Der Forschungsverbund mit 17 Kliniken und Instituten sowie 20 Teilprojekten am Standort Ulm ist als Großprojekt auf ins- gesamt zwölf Jahre ausgelegt. Koordiniert wird er von sei- nem Sprecher, Prof. Dr. Florian Gebhard, dem ärztlichen Di- rektor der Klinik für Unfall- chirurgie des Universitätskli- nikums Ulm. Das medizinische Problem schwerer Verletzungen ist ihre Komplexität: Zerstörungen von Haut, Muskeln, Knochen, Ner- ven, Organen und Blutgefäßen verursachen oft erhebliche De- fekte. Schwere Traumata kön- nen Entzündungen des ganzen Körpers hervorrufen, die lebens- wichtige Organe schädigen und damit die Regeneration behin- dern. In manchen Fällen füh- ren sie sogar zum multiplen Or- ganversagen und in der Folge zum Tod. Die komplexen Pro- zesse zu verstehen, die dabei im Körper ablaufen, und ge- eignete Maßnahmen zur Re- generation in die Wege zu lei- ten, ist das übergeordnete Ziel des Sonderforschungsbereiches. Eines der drei Teilziele ist es, die unmittelbaren Folgen eines Traumas zu erkennen und be- herrschen. Weitere Teilziele sind die Erforschung der Auswirkun- gen von Entzündungsreaktio- nen auf die Regeneration nach schweren Verletzungen sowie die Untersuchung des Einflus- ses von Alter, Vorerkrankungen oder schädlichen Lebenswei- sen, zum Beispiel von Rauchen und Alkoholgenuss, auf den Heilungsprozess. Jährlich mehr als 20. 000 Tote durch Unfallverletzungen Entzündung durch Verletzungen Der Ulmer Sonderforschungs- bereich 1149 untersucht die komplexen Wechselwirkungen, die bei schweren Verletzungen im Körper auftreten. Drei Teilbereiche mit unterschied- lichen Forscher- teams konzentrie- ren sich auf die Sofortreaktionen des Körpers auf eine schwere Verletzung, den Heilungsprozess von Knochen, Haut, Nerven und anderen Geweben sowie auf indivi- duelle Therapie- ansätze – je nach Lebensstil und Vorerkrankungen. EIN BEITRAG DER UNIVERSITäT ULM Der individuelle Lebensstil beeinflusst nicht nur den Verlauf von Krankheiten, sondern auch die Heilung von Verletzungen. Wie Menschen auf Traumata re- agieren und wie gut sie auch schwere Verletzungen überste- hen, hängt von zahlreichen in- dividuellen Faktoren ab, wie Al- ter, Vorerkrankungen oder dem Lebensstil, etwa der Ernährung, dem Alkohol- oder Zigaretten- konsum. Ebenso individuell sollten auch die Therapiean- sätze sein. Zusammen mit dem Team von Prof. Markus Huber- Lang untersucht Prof. Peter Radermacher vom Institut für Anästhesiologische Pathophy- siologie und Verfahrensent- wicklung den Einfluss von Ta- bakkonsum auf die Leistung der Mitochondrien, der Zell- kraftwerke, nach einer Lungen- quetschung zum Beispiel durch den Aufprall des Brustkorbs bei einem Autounfall. Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankun- gen haben nach Mehrfachver- letzungen ein erheblich höhe- res Risiko zu sterben. Wie ein sogenannter »Kreislaufschock« durch hohen Blutverlust mit der Gabe von reinem Sauerstoff be- einflusst werden kann, ist ein weiteres Forschungsprojekt. Andere Teilprojekte untersu- chen den Einfluss von Fettlei- bigkeit und Alkoholgenuss auf Heilungsprozesse. Für den ne- gativen Einfluss von Adipositas auf die Regeneration von ver- letztem Gewebe gibt es zuneh- mend Beweise, wobei die Me- chanismen noch weitgehend unbekannt sind. Übermäßiger Alkoholkonsum ist bei rund der Hälfte aller Schädel-Hirn-Trau- mata im Spiel. Dabei staunen die Forscher immer wieder über Prozesse, die schwer zu verste- hen sind, aber für die Therapie nützliche Hinweise bieten. So untersucht Dr. Francesco Ro- selli, Klinik für Neurologie, die Tatsache, dass niedrige Alkohol- dosen einen positiven Effekt auf die Gehirnfunktion nach einem Schädel-Hirn-Trauma haben. »Allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei«, hat schon Paracelsus vor 500 Jahren gesagt. Individuelle Therapieansätze Gefahr durch »Schrankenstörung« Oben: Unter UV- Licht leuchtet das Skelett von gene- tisch veränderten Fischen grün und ermöglicht die Beobachtung von Knochenverände- rungen in leben- den Tieren. Unten: Durch Farbmar- kierungen kann man die Bildung von Knochenzel- len beobachten. (Foto: Prof. Gilbert Weidinger) Risiko bei Herz-Kreis- lauf-Erkrankungen Schwanzflosse wächst wieder nach KONTAKT Prof. Dr. Florian Gebhard Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wieder- herstellungschirurgie Albert-Einstein-Allee 23 89081 Ulm Tel. (0731) 50 05 45 00 [email protected]

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Page 1: Jährlich mehr als 20.000 tote durch unfallverletzungen fileProf. Dr. Tobias Böckers, Institut für Anatomie und Zellbiologie Prof. Dr. Manfred Frick, Institut für Allgemeine Physiologie

1 Ein Spezial des Zeitverlags | Name SoNderthema | aNzeige

LiSte der beteiLigteN ForScheriNNeN uNd ForScher Prof. Dr. Holger Barth, Institut für Pharmakologie und Toxikologie Prof. Dr. Tobias Böckers, Institut für Anatomie und Zellbiologie Prof. Dr. Manfred Frick, Institut für Allgemeine Physiologie Prof. Dr. Florian Gebhard, Klinik für Unfallchirurgie

Prof. Dr. Hartmut Geiger, Institut für Molekulare Medizin Prof. Dr. Markus Huber-Lang, Klinik für Unfallchirurgie Prof. Dr. Anita Ignatius, Institut für Unfallchirurgische Forschung Prof. Dr. Uwe Knippschild, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Prof. Dr. Bernd Knöll, Institut für Physiologische Chemie Dr. Stephan Paschke, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie

Prof. Dr. Dr. Peter Radermacher, Institut für Anästhesiologische Pathophysiologie Prof. Dr. Volker Rasche, Klinik für Innere Medizin Dr. Dr. Francesco Roselli, Klinik für Neurologie Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek, Klinik für Dermatologie Prof. Dr. Hubert Schrezenmeier, Institut für Transfusionsmedizin Prof. Dr. Thomas Seufferlein, Klinik für Innere Medizin

PD Dr. Gudrun Strauß, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. Jan Tuckermann, Institut für Vergl. Molekulare Endokrinologie der Tiere (CME) Prof. Dr. Martin Wabitsch, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. Gilbert Weidinger, Institut für Biochemie Prof. Dr. Tanja Weil, Institut für Organische Chemie Prof. Dr. Thomas Wirth, Institut für Physiologische Chemie

aNzeige | ForSchuNgSweLteN | Ein Spezial des Zeitverlags 3

Ein BEitrag dEruNiverSität uLm

Ausgeprägte Verletzungen können erhebliche Kompli-kationen nach sich ziehen, weil aufgrund von zerstörtem Gewebe das Immunsystem überreagieren kann und Mikroorganismen in den Körper eindringen. Mehrere Forscher-teams untersuchen diese komplexen Prozesse im Körper.

Kleinere Verletzungen sind nor-malerweise mit einer lokalen Entzündung verbunden, die den Schaden schnell eingrenzt, zerstörtes Gewebe beseitigt,

eingedrungene Mikroorganis-men bekämpft und die Heilung des Gewebeschadens zum Ziel hat. Ganz anders dagegen bei einem schweren Trauma zum Beispiel durch einen Autoun-fall: Die zerstörten Gewebe ent-lassen eine Vielzahl von Mole-külen und Zellbestandteilen in den Körper. Da diese hier nor-malerweise nicht vorkommen, werden sie vom Immunsystem attackiert, das daraufhin sehr stark aktiviert wird. Und: Die Zerstörung der natürlichen Schranken der Haut, der Lunge oder des Darms führt zum Ein-dringen von Mikroorganismen. Je schwerer die Verletzung, des-to größer ist die Gefahr einer

Entzündung, die auf den gan-zen Körper übergreift. Sind auch noch Bakterien beteiligt, spricht man von einer Blutver-giftung oder Sepsis. Eine solche Entzündung oder »posttrauma-tische Inflammationsreaktion« kann irreversible Organschä-den oder sogar den Tod des Pa-tienten zur Folge haben. Um diese Prozesse besser zu verste-hen, befassen sich sieben der insgesamt 20 Projekte des SFB 1149 mit der akuten Reaktion des Körpers auf schwere Verlet-zungen. Dabei stehen zwei Or-gansysteme im Mittelpunkt, die sehr häufig geschädigt werden: Lunge und Gehirn.

Die molekularen Mechanismen bei einer Störung der natür- lichen Schranken in Gehirn, Lunge und Darm erforschen die Professoren Florian Gebhard und Markus Huber-Lang, stell-vertretender Sprecher des SFB 1149, in einem der Teilprojekte.

Bei einem schweren Trauma können zum einen Flüssigkei-ten und Entzündungszellen aus den Blutgefäßen in das Gewebe austreten. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass gefährliche Mi-kroorganismen aus Darm oder Atemwegen in den Körper ein-

dringen. Die Forscher suchen nach Marker-Molekülen, mit de-ren Hilfe derartige »Schranken-störungen« rechtzeitig erkannt werden können. Wie die Über-tragung von Entzündungssig-nalen im Gehirn nach einem Schädel-Hirn-Trauma funktio-niert, untersucht das Team von Prof. Thomas Wirth, Leiter des Instituts für Physiologische Chemie und Dekan der Medi-zinischen Fakultät Ulm. Denn entscheidende Signalwege, die Entzündungsreaktionen steu-ern, sind im Gehirn noch weit-gehend unerforscht. Ebenso wenig weiß man, ob die Aktivie-rung von Entzündungssignal-

wegen zu unterschiedlichen Re- aktionen in verschiedenen Ge-hirnzellenarten führt. Weitere Teilprojekte befassen sich mit der Abstimmung der Synapsen im Gehirn nach einem Schädel-Hirn-Trauma, mit den Folgen einer Lungenquetschung und mit Störungen des Immunsys-tems durch schwere Verletzun-gen. Um Tierversuche zu re- duzieren, werden zahlreiche Modelle im Reagenzglas und in Zellkulturen sowie an einem neuartigen Lungenbläschen-modell (»lung on a chip«) durch-geführt. Damit können grund-legende Mechanismen der Gefahrenantwort nach einem Trauma untersucht werden.

Schwerarbeit für das immunsystem Ein BEitrag dEruNiverSität uLm

Eine optimale Regeneration von Knochen, Muskeln, Haut, Nerven und anderen Geweben entscheidet über den Heilungs-prozess. Dazu werden auch Vorbilder aus der Zoologie untersucht.

Durch ein Trauma werden nicht nur Knochen, Haut, Nerven und andere Gewebe verletzt – häufig sind damit auch erhebliche Ent-zündungsreaktionen bis hin zu einer Ganzkörperentzündung verbunden. Eine Regeneration des Gewebes kann jedoch erst dann einsetzen, wenn die Ent-zündung abgeklungen ist. Nach schweren Verletzungen sind Bo-tenstoffe der Entzündung, soge-nannte Interleukine, im Blut zu finden – je größer die Verlet-zung, desto mehr. Lassen sich die Signalwege dieser Boten-stoffe gezielt beeinflussen, kön-nen möglicherweise Störungen

im Heilungsprozess von Kno-chenbrüchen verringert werden. Das untersucht Prof. Anita Igna-tius vom Institut für Unfall-chi-rurgische Forschung und Bio-mechanik und stellvertretende Sprecherin des SFB 1149. Zusam-men mit dem Kortison-Forscher Prof. Jan Tuckermann vom Ins-titut für Vergleichende Mole-kulare Endokrinologie der Tiere

(CME) erforscht die Spezialistin für Knochenregeneration auch den Einfluss des Stresshormons

Kortisol, das bei schweren Ver-letzungen ausgeschüttet wird. Denn ob und in welcher Weise dieses Hormon die Heilung von Knochenbrüchen nach schwe-ren Verletzungen kontrolliert, ist noch völlig unbekannt.

Das Team um Professor Gil-bert Weidinger, Institut für Bio-chemie und Molekulare Biolo-gie, arbeitet mit dem Zebrafisch,

ein Tier, das außerordentliche Fähigkeiten zur Regeneration besitzt.

Zum Beispiel an der Schwanz-flosse: Trennt man einen Teil der Flosse ab, kann sie in kur- zer Zeit wieder nachwachsen.

Das gelingt durch sogenannte »Osteoblasten«, spezielle Zel-len, die in Mensch und Tier Knochen bilden. Das Projekt erforscht die genetischen Pro-gramme, die im Zebrafisch die schnelle Regeneration nach Ver-letzungen steuern. Ein Vergleich mit denen höherer Organismen kann helfen, die Knochenrege-neration beim Menschen zu verbessern. Drei weitere For-schungsprojekte zur Regene- ration konzentrieren sich auf die Heilung von Hautwunden, die Regeneration von Gehirn- und Nervenzellen und die Rolle, die unterschiedliche Stammzel-len bei schweren Verletzungen spielen.

Lernen vom zebrafisch

Links: im gesun-den Lungenge-webe sind die Lungenbläschen (alveolen) deutlich sichtbar. rechts: nach einem Brustkorb-trauma sind die Lungenbläschen teilweise mit im-munzellen gefüllt, was den gasaus-tausch behindert. rot angefärbt ist ein zellulärer rezeptor, der im Entzündungs-geschehen eine wichtige rolle spielt.(Fotos: Prof. Peter radermacher)

die schnelle Ver-sorgung nach ei-nem Unfall ist eine wichtige Basis für die regeneration nach schweren Verletzungen. deshalb wird sie immer wieder von den rettungs-kräften trainiert. (Foto: Universi-tätsklinikum Ulm)

Ein BEitrag dEruNiverSität uLm

Die Universität Ulm ist in Deutschland führend in der Erforschung physischer und psychischer Traumata. Ein großes Verbundprojekt unter- sucht Verlauf und Rege- neration nach schweren Verletzungen.

SFB 1149 – so wird der Sonder-forschungsbereich »Gefahren-antwort, Störfaktoren und re-generatives Potential nach akutem Trauma« abgekürzt. Forschungen, die sich auf die physischen Verletzungen durch Gewalteinwirkung vor allem bei Verkehrs- und Arbeitsun-fällen konzentrieren. Weltweit führen Verletzungen jährlich zu einem Verlust von mehr als

300 Millionen gesunden Le-bensjahren, das entspricht den Verlusten durch Tuberkulose, Aids und Malaria zusammen. Jedes Jahr werden rund acht Millionen Deutsche verletzt und mehr als 1,5 Millionen müssen deshalb stationär be-handelt werden. 20.243 Men-schen starben 2010 in Deutsch-land aufgrund eines körper- lichen Traumas. Die direkten

und indirekten Gesundheits-kosten werden auf 30 Milliar-den Euro geschätzt. Daher ist die Erforschung der Auswir-kungen von Verletzungen ext-rem wichtig und wird im SFB 1149 für zunächst vier Jahre mit mehr als 11,2 Millionen Euro von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG) gefördert. Der Forschungsverbund mit 17 Kliniken und Instituten sowie

20 Teilprojekten am Standort Ulm ist als Großprojekt auf ins-gesamt zwölf Jahre ausgelegt. Koordiniert wird er von sei-nem Sprecher, Prof. Dr. Florian Gebhard, dem ärztlichen Di-rektor der Klinik für Unfall-chirurgie des Universitätskli-nikums Ulm.

Das medizinische Problem schwerer Verletzungen ist ihre Komplexität: Zerstörungen von

Haut, Muskeln, Knochen, Ner-ven, Organen und Blutgefäßen verursachen oft erhebliche De-fekte. Schwere Traumata kön-

nen Entzündungen des ganzen Körpers hervorrufen, die lebens-wichtige Organe schädigen und damit die Regeneration behin-

dern. In manchen Fällen füh-ren sie sogar zum multiplen Or-ganversagen und in der Folge zum Tod. Die komplexen Pro-zesse zu verstehen, die dabei im Körper ablaufen, und ge- eignete Maßnahmen zur Re- generation in die Wege zu lei- ten, ist das übergeordnete Ziel des Sonderforschungsbereiches. Eines der drei Teilziele ist es, die unmittelbaren Folgen eines

Traumas zu erkennen und be-herrschen. Weitere Teilziele sind die Erforschung der Auswirkun-gen von Entzündungsreaktio-nen auf die Regeneration nach schweren Verletzungen sowie die Untersuchung des Einflus-ses von Alter, Vorerkrankungen oder schädlichen Lebenswei-sen, zum Beispiel von Rauchen und Alkoholgenuss, auf den Heilungsprozess.

Jährlich mehr als 20.000 tote durch unfallverletzungen

Entzündung durch Verletzungen

Der Ulmer Sonderforschungs-

bereich 1149 untersucht die

komplexen Wechselwirkungen,

die bei schweren Verletzungen im Körper auftreten. Drei Teilbereiche mit unterschied-lichen Forscher-

teams konzentrie-ren sich auf die

Sofortreaktionen des Körpers

auf eine schwere Verletzung, den Heilungsprozess

von Knochen, Haut, Nerven und anderen Geweben sowie auf indivi-duelle Therapie- ansätze – je nach

Lebensstil und Vorerkrankungen.

Ein BEitrag dEruNiverSität uLm

Der individuelle Lebensstil beeinflusst nicht nur den Verlauf von Krankheiten, sondern auch die Heilung von Verletzungen.

Wie Menschen auf Traumata re-agieren und wie gut sie auch schwere Verletzungen überste-hen, hängt von zahlreichen in-dividuellen Faktoren ab, wie Al-ter, Vorerkrankungen oder dem Lebensstil, etwa der Ernährung, dem Alkohol- oder Zigaretten-konsum. Ebenso individuell sollten auch die Therapiean-sätze sein. Zusammen mit dem Team von Prof. Markus Huber-Lang untersucht Prof. Peter Radermacher vom Institut für Anästhesiologische Pathophy-

siologie und Verfahrensent-wicklung den Einfluss von Ta-bakkonsum auf die Leistung der Mitochondrien, der Zell-kraftwerke, nach einer Lungen-quetschung zum Beispiel durch den Aufprall des Brustkorbs bei einem Autounfall. Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankun-gen haben nach Mehrfachver-letzungen ein erheblich höhe-res Risiko zu sterben. Wie ein sogenannter »Kreislaufschock«

durch hohen Blutverlust mit der Gabe von reinem Sauerstoff be-einflusst werden kann, ist ein weiteres Forschungsprojekt.

Andere Teilprojekte untersu-chen den Einfluss von Fettlei-bigkeit und Alkoholgenuss auf

Heilungsprozesse. Für den ne-gativen Einfluss von Adipositas auf die Regeneration von ver-letztem Gewebe gibt es zuneh-mend Beweise, wobei die Me-chanismen noch weitgehend unbekannt sind. Übermäßiger Alkoholkonsum ist bei rund der Hälfte aller Schädel-Hirn-Trau-mata im Spiel. Dabei staunen die Forscher immer wieder über Prozesse, die schwer zu verste-hen sind, aber für die Therapie nützliche Hinweise bieten. So untersucht Dr. Francesco Ro-selli, Klinik für Neurologie, die Tatsache, dass niedrige Alkohol-dosen einen positiven Effekt auf die Gehirnfunktion nach einem Schädel-Hirn-Trauma haben. »Allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei«, hat schon Paracelsus vor 500 Jahren gesagt.

individuelle therapieansätze

Gefahr durch »Schrankenstörung«

Oben: Unter UV-Licht leuchtet das Skelett von gene-tisch veränderten Fischen grün und ermöglicht die Beobachtung von Knochenverände-rungen in leben-den tieren. Unten: durch Farbmar-kierungen kann man die Bildung von Knochenzel-len beobachten. (Foto: Prof. gilbert Weidinger)

Risiko bei Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen

Schwanzflosse wächst wieder nach

KoNtaKt

Prof. Dr. Florian Gebhard Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und Wieder- herstellungschirurgie Albert-Einstein-Allee 23 89081 Ulm Tel. (0731) 50 05 45 00 [email protected]