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JAHRBUCH der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte Unter Mitwirkung von Hans Otte herausgegeben von Inge Mager 105. Band Hannover 2007

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JAHRBUCH der Gesellschaft

für niedersächsische Kirchengeschichte

Unter Mitwirkung von Hans Otte

herausgegeben von

Inge Mager

105. Band

Hannover 2007

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee'

Von EBERHARD DOLL

Das Kloster in Mariensee (Stadt Neustadt a. Rbge, Region Hannover) blickt auf ei- ne 800jährige Geschichte zurück.

Aus der Zeit zwischen der Gründung des Klosters und der Reformation sind zwei Ablaßurkunden bekannt, die die Klosterkirche betreffen. Beide Urkunden

sind im Original überliefert und befinden sich im Hauptstaatsarchiv Hannover. Die ältere und zuerst zu nennende Urkunde ist ein Ablaßbrief aus den 60er Jah-

ren des 13. Jahrhunderts, den der Kölner Erzbischof Engelbert II. in Bonn für das Kloster Mariensee ausstellte.

Bei der zweiten Urkunde handelt es sich um einen Sammelablaß, den 5 Bischöfe am 7. Mai 1312, einen Tag nach Abschluß des Konzils von Vienne, dort ausstellten, wobei der ebenfalls anwesende Bischof von Minden seine Zustimmung gab.

Beide Ablässe geben als Veranlassung an, die Vollendung des Baues der Kloster- kirche in Mariensee zu fördern. Wir erfahren aus diesen Urkunden, daß der Bau der Klosterkirche weder um 1260 noch 1312 zum Abschluß gekommen war.

Die Ablaßurkunden sind hinsichtlich der Datierung, der Ausstellungsorte, der Persönlichkeiten der Ablaßspender und schließlich wegen der in ihnen enthaltenen Angaben von Interesse und sollen deshalb hier vorgestellt werden.

Die Ablaßurkunde aus den 60er Jahren des 13. Jahrhunderts

Die unter dem Datum des 25. März 1260 im Hauptstaatsarchiv Hannover2 ver- wahrte Urkunde ist bereits zweimal im Wortlaut und mit dem o. a. Ausstellungsda-

tum publiziert worden, 1855 im Calenberger Urkundenbuch von Wilhelm von Ho- denberg und 2002 im Urkundenbuch des Neustädter Landes von Annette von Boetticher und Klaus Fesche und hier gleichzeitig mit einer Übersetzung. 3

1 Frau Prof. Dr. Brigide Schwarz, Berlin, danke ich für Hinweise und Korrekturen bei der Interpretation der beiden Indulgenzen sowie für die Übersetzung der Sammelindul- genz von 1312.

2 HStA Hannover, Cal. Or. 100, Mariensee, Nr. 74. 3 Wilhelm von HODENBERG: Calenberger Urkundenbuch, Abt. V, Kloster Mariensec,

Hannover 1855, S. 64, Nr. 70 (künftig: Cal UB V). Annette von BoE'rricHER/Klaus FE-

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12 Eberhard Doll

Diese Datierung kann nicht stimmen, denn Erzbischof Engelbert II., der Aus-

steller, wurde erst am 8.10.1261 gewählt und erst am 31.12.1262 von Papst Urban IV. in Orvieto konsekriert und mit dem Pallium, dem Zeichen seiner erzbischöfli- chen Würde, investiert. Nur ein geweihter Bischof konnte Ablässe erteilen. Ferner

nennt er sich Erzkanzler für Italien, was seine Regalien-Investitur voraussetzt, die

am 9. November 1261 erfolgte: ' Die falsche Datierung 1260 kam dadurch zustande, daß der Schluß der Datumszeile - genauer. der Schluß der Angabe des Jahrzehnts

und die Angabe des Jahres - durch eine tiefe Rasur zerstört und auch unter Quarz- lampe nicht mehr zu lesen ist. 5 Der Herausgeber des Calenberger Urkundenbu-

ches, Wilhelm v. HODENBERG, hielt sie für eine Korrektur der erzbischöflichen Kanzlei (was gegen alle Kanzleiregeln ist, denn Rasur an dieser Stelle macht eine Urkunde ungültig) und las das Datum 1260. Er berücksichtigte dabei nicht, daß die Rasur auch das sexagesimo erfaßt, daß seine Datierung also Konjektur ist. Wenn die Urkunde echt ist, muß die Rasur nachträglich erfolgt sein.

Zweifel an der Echtheit der Urkunde ergeben sich nicht. Sie ist von Erzbischof Engelbert II. von Köln ausgestellt worden 6 Vorbild sind deutlich Urkunden der

päpstlichen Kanzlei? Ihr Erhaltungszustand ist ausgezeichnet. Das Pergament mißt 43 mal 19 cm. Die

Urkunde ist liniert, der Schriftspiegel links und rechts gekennzeichnet. Der gut les- bare Text ist in einem Zug in einer konservativ wirkenden Urkundenminuskel, die

noch Verschleifungen an den Schäften aufweist", 8 von derselben Hand geschrie- ben, die alle Kanzleiregeln einhält. Die Handschrift kann aber keinem der Schreiber

zugewiesen werden, die in der Kanzlei während der Amtszeit Erzbischof Engel- berts II. tätig waren; die Hand der Marienseer Indulgenz hat nur dieses eine Mal ei- ne erzbischöfliche Urkunde mundiert. Da keine Parallelurkunde bekannt ist, kann

SCHE: Die Urkunden des Neustädter Landes, Bd. 1, Bielefeld 2002, S. 167, Nr. 110 (künf-

tig: V. BOETTICHER/FESCHE 2002).

4 Johann Friedrich BÖHMER: Regesta imperii V. Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich II, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198-1272, Innsbruck 1881 f., S. 1008, Nr. 5389.

5 Von sexagesimo ist nur noch hochgestelltes mo zu lesen, der Rest ist auf einer Länge

von ca. 2 cm und Breite von 1 cm getilgt. 6 Hans FUHRMANN: Das Urkundenwesen der Erzbischöfe von Köln im 13. Jahrhun-

dert (1238-1297), (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 33, hgb. vom Historischen Ar-

chiv des Erzbistums Köln), phil. Diss. Bonn 1994, Siegburg 2000, S. 557 (künftig: FUHR- MANN 2000).

7 Vgl. Thomas FRENZ: Einflüsse despäpstlichen Urkundenwesens auf die Bischofsur- kunden von Passau und Würzburg (13. -15. Jahrhundert), in: Peter HERDE; Hermann JA- xons (Hrsgg. ), Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen. Studien zu ihrer forma- len und rechtlichen Kohärenz vom 11. bis 15. Jahrhundert (Beihefte zum Archiv für Di- plomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 7), Köln 1999, S. 77-84.

8 Freundliche Mitteilung von Herrn Dr. Hans Fuhrmann, Halle.

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee 13

der Schreiber weder der Kanzlei des Erzbischofs noch der des Bischofs von Minden zugewiesen werden .9 Der Schreiber könnte aber aus dem Umfeld der erzbischöfli- chen Kanzlei kommen, denn er übernimmt in die Intitulatio seiner Urkunde die von der Hand CT (nachgewiesen als Schreiber 1259-126610) seit dem Amtsantritt Engelberts II. (1261) ausschließlich verwendete längere Formel

�Sacre Imperii per Italiam Archicancellarius" statt, wie unter Erzbischof Conrad üblich, �Ytalie archi- cancellarius". 11

Sowohl das erste Wort der Intitulatio (der Name des den Ablaß ausstellenden Erzbischofs, Engelbertus), als auch das erste Wort der Arenga in der zweiten Zeile (Quoniam, ut ait ... )

beginnt mit einem verzierten Großbuchstaben. Am Umbug (Plica) unten ist in originaler Hängung an roten und goldenen Sei-

denfäden das Siegel angebracht, das Erzbischof Engelbert während seiner Amtszeit gebrauchte. 12

Die Indizien reichen aus, um die Urkunde nach den äußeren Merkmalen als echt anzusehen. Zudem befindet sie sich im richtigen, dem Empfängerarchiv.

Auch nach den inneren Merkmalen - Titulatur des Ausstellers, die Bittsteller, das verwandte Formular etc. - ist die Urkunde echt.

Zum Datum: Datierungsversuche stehen in moderner Hand links auf der Plica der Urkunde:

in Klammern 1210 (irrige Zuschreibung an Engelbert I. ) und 1266. Auch die Anset- zung 126613 kann nicht akzeptiert werden, denn Aussteller und Ausstellungsort

9 FUHRMANN 2000, S. 59 i. V. m. S. 403,557. 10 FUHRMANN 2000, S. 122. 11 FUHRMANN 2000, S. 123. 12 Bei dem der Urkunde anhängenden, stark beschädigten, aber restaurierten Siegel

handelt es sich offenbar nicht um das Elektensiegel Engelberts II. (auf solchen Siegeln ist der Erzbischof mit einem Zweig in der rechten Hand dargestellt), sondern um sein Ar- chiepiscopussiegel, denn auf dem Siegel ist die Figur des Erzbischofs (ohne Kopf) mit dem Hirtenstab (ohne Krümme) in seiner Rechten zu erkennen. Die nicht mehr vorhandene Umschrift lautete ursprünglich: + ENGELBERTUS DEI GRATIA SanCTE COLONI- ENSIS ECCLesIE ARCHIEPiscopuS (Wilhelm EWALD, Rheinische Siegel. Die Siegel der Erzbischöfe von Köln (948 - 1795), Bd. 1 (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde XXVII), Bonn 1906, S. 17. Künftig: EWALD 1906).

Auf der Rückseite des Siegels ist ein seit Erzbischof Konrad von Hochstaden (1238- 1261) _fast obligatorisches" (FUHRMANN 2000, S. 351) Gegensiegel aufgebracht, von dem die Umschrift CANCELLARIUS deutlich und dann noch die Buchstaben TALI und ARC zu erkennen sind. Die vollständige Umschrift lautete ursprünglich: + YTALIE ARCHI- CANCELLARIUS (a. a. 0., S. 17). Darstellung und Beschriftung des Siegels korrespon- dieren soweit noch erkennbar mit den Angaben über die kirchliche und weltliche Funkti- on des Ausstellers in der Intitulatio.

13 Der Schreiber der Jahreszahl 1210 hat dass von se_mo vermutlich als d für decimo gelesen. Der Schreiber der Jahreszahl 1266 hat zunächst die 1210 in Klammern gesetzt. Die

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14 Eberhard Doll

passen in diesem Jahr nicht zusammen, wie das Itinerar des Erzbischofs ausweist: in

seiner ganzen Regierungszeit hielt sich Engelbert II. im März in Bonn nur im Jahre 126314 auf, weshalb Richard KNIPPING, der Herausgeber der Regesten der Erzbi-

schöfe von Köln, die Ablaßurkunde für Mariensee unter dem 25. März 1263 ein- reiht. Er gibt das Datum allerdings ohne Erläuterung so wieder. �[1263] März 25 ... Datum Banne VIII kal. april. a. dom. MCC sexages. [secundo]". 15 KNIPPING und FUHRMANN haben keinen Zweifel an der Echtheit unserer Urkunde.

Das Datum 25. März 1263 paßt auch sehr gut zum Inhalt der Urkunde. Damals

war der Erzbischof gerade ins Reich zurückgekehrt. 16 Bonn, das später seine Resi- denz wurde17, erreichte der geweihte Erzbischof laut seiner Regesten am 22. März 1263, einem Donnerstag. Jetzt mußten ihm auch seine geistlichen Untertanen ihre Aufwartung machen - die weltlichen hatten das bereits nach der Regalienleihe ge-

von ihm vermerkte Einerzahl 6 ist auch mit technischen Mitteln nicht zu lesen. Am unte- ren Rande der Rasur ist ein feiner Strich, möglicherweise der Rest einer Unterlänge eines Buchstabens zu sehen, der auf Grund seiner Position und Art nur zum x von sexto gehört haben könnte. Demnach 1266 (Freundliche Mitteilung von Herrn Uwe Hager, M. A., Hannover). Aber für den 25. März dieses Jahres ist kein Aufenthalt des Erzbischofs in Bonn belegt (s. Richard KNIPPING: Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde XXI), 3. Bd., 2. Hälfte, Bonn 1913, S. 1-64 (künftig: KNIPPING 1913).

14 Die Regestensammlung von KNZPP1NG über die Amtszeit Erzbischof Engelberts II. von Köln enthält keinen Beleg, daß sich der Erzbischof im März 1262 und auch in den

noch in Betracht kommenden Jahren 1264 bis 1267 (? sexagesimo) jeweils im März in Bonn aufhielt. Die Jahre 1268 und 1269 scheiden aus, weil sich der Erzbischof nach der

militärischen Niederlage bei Zülpich am 18.10.1267 anschließend 3'k Jahre als Gefangener des Grafen von Jülich auf der Burg Nideggen befand (Wilhelm JANSSEN, Engelbert von Valkenburg (um 1225-1274), in: Erwin GATz: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Rei-

ches 1198-1448, Berlin 2001, S. 274. Künftig GATz 2001). Die Urkundenproduktion er- losch während der Gefangenschaft vollständig (FUHRMANN 2000, S. 405).

15 KNIPPING 1913, S. 12, Nr. 2249: Im Darum ist die Einerzahl durch Rasur ge- tilgt. °Mit dem in Klammern gesetzten secundo` verweist KNIPPING auf den in der Kir-

chenprovinz Köln mit Ausnahme des Bistums Minden von 1222 bis 1310 angewendeten Osterstil (s. Hermann GROTEFEND: Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittel-

alters und der Neuzeit, 11. Aufl., Hannover 1971, S. 12. ), wonach der Jahreswechsel zu Ostern stattfand. 1263 fiel Ostern auf den 1. April (GROTEFEND 1971, S. 164). Der 25. März 1263 ist auf den heutigen Jahreswechsel 1. Januar umgerechnet, in der Urkunde

müßte bei Berücksichtigung des Osterstils demnach ursprünglich. sexagesimo secundo" gestanden haben.

16 Er ist vermutlich noch am 7. Februar 1263 in Orvieto, bei seiner Rückkehr scheint er zuerst nach Köln gekommen zu sein (KNIPPING 1913, S. 12, Nr. 2247). Am 1. April 1263 ist Erzbischof Engelbert in Siegburg nachgewiesen (a. a. 0., S. 13). - Leider enthält keine der Urkunden aus der Zeit Angaben zur Begleitung des Erzbischofs.

17 Zu den Residenzen s. FuHRII"N 2000, S. 321, Anm. 66.

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee 15

tan -, darunter eben auch seine Suffraganbischöfe. Besonders dringlich war das für den Bischof von Minden, Konrad von Diepholz (1261-1266), 18 der damals noch nicht geweiht war. Vermutlich war er auf dem Hoftag am 25.3. anwesend. Jedenfalls ist in seinem Itinerar ein entsprechend langes Loch". Geweiht wurde er damals je- doch nicht, denn er nennt sich bis Dezember 1263 electus confirmatus. Die Weihe wird er erst im Dezember erhalten haben, als er als Bischof in Köln beim Erzbischof

nachgewiesen ist. 19 DerTermin unserer Urkunde, auf den im Jahre 1263 sowohl der Palmsonntag fiel

als auch das Fest Mariä Verkündigung, das im Mittelalter das höchste Marienfest war, bot sich für solche Akte an. Ablässe für Marienkirchen stellte er da sicher auch besonders gerne aus.

Antragsteller sind nach der Urkunde Äbtissin und Konvent des Klosters. Der Name der Äbtissin ist durch zwei Punkte ersetzt. Wer die Äbtissin damals war, ist

unbekannt, ebenso der Name des Propstes 20 Als Bittsteller konnten die Nonnen nicht selbst in Erscheinung treten; dazu war der Propst da, der das Kloster in Rechtsgeschäften vertrat. Die Klostergemeinschaft als Auftraggeber, der die Aus- stellung der Ablaßurkunde beim Erzbischof betrieb und bezahlte, dürfte somit ent- weder den Propst beauftragt oder ein schriftliches Gesuch jemandem mitgegeben (significare cura(ve)runt) haben, der sich an den Hof des Erzbischofs begab, ver- mutlich im Gefolge des gewählten Bischofs von Minden, Konrad von Diepholz21

Das Kloster Mariensee wird in Urkunden durchgängig als dem Zisterzienserorden, nur in den beiden Ablaßurkunden als dem Benediktinerorden zugehörig bezeich-

18 HENGST, in: GATE 2001, S. 455f. H. HOOGEWEG: Westfälisches Urkundenbuch, Bd. VI, S. 233ff, Nrn. 780,782,783 (künftig WUB). Am 13. März 1263 ist Bischof Konrad (�Cono die gratis electus") wahrscheinlich noch in Minden (W. v. HODENBERG: Hoyaer Urkundenbuch, Abt. VII, Kloster Schinna, Hannover 1848 f., S. 32, Nr. 44, ohne Ort, wie sich aus der Anwesenheit des gesamten Domkapitels und der Adeligen ergibt. Am 25. Mai befindet er sich wieder in Neuhaus (bei Liebenau).

19 Als wohl bereits geweihter Bischof ist er am 16. Dezember 1263 in Köln genannt (KNIPPING 1913, S. 17, Nr. 2276).

20 1255 März 18 und 1258 September 20 sind Gertrud als Äbtissin (Cal UB V, Nrn. 61, 67) und 1267 Dezember 4 �Soror W. dicta Abbatissa" nachgewiesen (Cal UB III, Stift Loc- cum, Nr. 285). Pröpste: 1255 und 1258 Dietrich (Cal UB V, Nrn. 61,67); 1272 April 20 Reynhard (WUB VI, S. 309, Nr. 999).

21 Es ist nicht auszuschließen, daß die Antragsteller es ursprünglich gar nicht auf die

erzbischöfliche Einzelindulgenz abgesehen hatten, sondern vielmehr eine Sammelindul- genz erwirken wollten. Bei der Weihe des Mindener Bischofs konnte man auf die Anwe- senheit des Erzbischofs, seiner beiden Assistenten und den Geweihten selbst, ggfs. sogar auf die Anwesenheit weiterer Suffraganbischöfe der Kölner Kirchenprovinz rechnen. Da die Weihe im März 1263 nun aber nicht erfolgte und weitere ausstellungsberechtigte Prä- laten offenbar nicht anwesend waren, blieb nur ein Ablaß des Erzbischofs.

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16 Eberhard Doll

net 22 Obwohl das Kloster seit seiner Gründung die Nähe zum Zisterzienserorden

suchte, " ist es jedoch nicht förmlich dem Orden inkorporiert worden. Das traf nur für wenige zu, weil der Orden sich hartnäckig dagegen sperrte 24 Für eine Unter-

stellung des Nonnenklosters Mariensee unter die Aufsicht des Abtes eines Zisterzi-

ensermönchsklosters und eine ýinkorporationsbedingte Betreuung durch Ordens-

leute"25 lassen sich in den Quellen keine Anhaltspunkte finden. Die Nonnen des Klosters Mariensee lebten nach der Regel des hl. Benedikt, verstanden sich aber auch als Zisterzienserinnen, weil dieser Orden aus der Reform des Benediktiner-

tunis hervorgegangen war. Vor diesem Hintergrund sind die unterschiedlichen Be-

zeichnungen über die Ordenszugehörigkeit zu verstehen. In der Urkunde gewährt Erzbischof Engelbert II. von Köln unter gewissen, in

der Urkunde genau bezeichneten Bedingungen, einen Ablaß von 40 Tagen und ei- ner Quadragene (quadraginta dies et unam karenam2b). Damit hielt sich Erzbi-

schof Engelbert II. nicht an die Bestimmungen des 4. Laterankonzils von 1215, wo- nach Bischöfen bei der Bewilligung allgemeiner Ablässe nur eine Bußermäßigung

22 Die Formel ordo cisterciensis' findet sich in folgenden Urkunden für Mariensee:

1232/55 (v. BOErrtcHER/FESCHE 2002, S. 109f., Nrn. 55,56). 1240 oder wenig später (v.

BOETTICHER/FESCHE 2002,5.123, Nr. 70). 1242 August 10 (a. a. 0., S. 130, Nr. 76). 1251,

Bremen (a. a. 0., S. 145, Nr. 91:. grisei ordinis'). 1281 November 21, Minden (a. a. O., S.

200, Nr. 136). 1282, Bremen (a. a. 0., S. 201, Nr. 137). 1342 Juli 22 (Cal UB V, S. 101, Nr.

145). Die Formel ordo sancti Benediczi` findet sich nur in den beiden Ablaßurkunden: 1263 März 25, Bonn (HStA Hannover, Cal. Or. 100, Mariensee, Nr. 74. - v. BOETTICHER/FE-

scHE 2002, S. 167, Nr. 110 (jeweils mit der nicht korrekten Jahreszahl 1260). 1312 Mai 7, Vienne (HStA Hannover, Cal. Or. 100, Mariensee, Nr. 103).

23 Manfred HAMMANN, Mariensee, in: Ulrich FAUST (Bearb. ): Die Männer- und Frauen- klöster der Zisterzienser in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg (Germania Benedictina XII), St. Ottilien 1994, S. 445.

24 Gerd AHLERS: Weibliches Zisterzicnsertum im Mittelalter und seine Klöster in Niedersachsen (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser, Band 13), Berlin 20D2,47 (künftig: AHLERS 2002). Bei einer Inkorporation in den Zistcrzienserorden

wäre der Konvent vollständig aus dem Verwaltungsbereich des Diözesanbischofs [Min- den] herausgelöst und in den des Ordens ... übergeleitet' worden. Die dann alleinzustän- dige Ordensleitung hätte den Konvent der Aufsichtsgewalt eines Vaterabtes unterstellt,

�der nunmehr im Auftrag alle jurisdiktionellen Befugnisse in dem ihm immediat unterste- henden Kloster" wahrgenommen hätte (a. a. 0., S. 49).

25 AHLERS 2002,101. 26 Unter Karene (Quadragene) verstand man das strenge 40tägige Fasten, womit die

öffentliche Buße ... zu beginnen pflegte. Sehr oft hat aber der Ausdruck eine umfassende- re Bedeutung; es wird darunter die gesamte 40tätgige öffentliche Buße verstanden, ... , die von dem Bischof oder dessen Stellvertreter auferlegt wurde, und die neben dem Fasten noch andere Bußübungen sowie auch den Ausschluß vom Gottesdienst umfaßte. " (Niko- laus PAULUS: Geschichte des Ablasses im Mittelalter, 3 Bde., Paderborn 1922/23, ND Darmstadt 2000, hier. Bd. II, S. 62f. Künftig: PAULUS 2000).

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee 17

von 40 Tagen, nicht jedoch auch einer Quadragene, zugestanden war; diese Nicht- achtung der Bestimmung ist bei Bischöfen in Deutschland damals allerdings häufig anzutreffen??

Empfänger sind alle, die zur Vollendung des Baues der Klosterkirche durch Geldzuwendungen oder sonstige Unterstützung je nach Vermögen beitragen. Be- dingung ist aufrichtige Reue und die Beichte ihrer Sünden (vere penitentibus et con- fessis).

Über den Bau der Kirche wird gesagt, daß er aufwendig begonnen worden sei (ec- clesiam suam edificare inceperunt opere sumptuoso), daß aber die schwierige wirt- schaftliche Lage des Klosters es der Klostergemeinschaft nicht (mehr) erlaube, bei- des, die Vollendung des Baus und die Instandhaltung zu finanzieren (ad consumma- tionem ipsius ac sustentationem). An anderer Stelle ist von inopia, Mittellosigkeit, die Rede.

Die Geltungsdauer für die Gewinnung des Ablasses wurde auf die Bauzeit be- schränkt. Außerdem enthält die Ablaßurkunde noch das Verbot, daß sie nicht durch Sammler (questuarii) vertrieben werden durfte, sonst sei sie automatisch un- gültig.

Was hatte dieses Verbot für einen Hintergrund, und welche Folgen waren damit verbunden?

Orden, Kirchen und Klöster hatten ein großes Interesse daran, die ihnen verlie- henen Ablässe weithin bekanntzumachen. Je mehr Menschen erreicht wurden, um- so größer war die Aussicht auf ein hohes Spendenaufkommen. Zu diesem Zweck wurden gegen Bezahlung Sammler unter Vertrag genommen, die den bewilligten Ablaß verkünden und Gaben einsammeln sollten. Da diese Sammler nicht immer untadelige und ehrenwerte Männer waren, sondern da sich unter ihnen auch Gau- ner und Betrüger befanden und seit Anfang des 13. Jh. ihr Unwesen zum großen Schaden der Kirche trieben, wurden seitens der Kirche Gegenmaßnahmen ergrif- fen. Eine dieser Maßnahmen war das Verbot des Vertriebs von Ablaßbriefen durch Sammler, ein Verbot, daß schon in Ablässen Papst Gregors IX. (1227-1235) enthal- ten ist. 28

Vor diesem Hintergrund ist also das Verbot des Vertriebs durch Sammler zu se- hen. Dieses Verbot hatte jedoch für die Gläubigen zur Folge, daß sie einen Ablaß

27 PAULUS 2000, S. 66. 28 PAULUS 2000, II, S. 225. Die von Erzbischof Konrad v. Hochstaden (1238-1261) er-

teilten Ablässe waren �fast regelmäßig" mit einer Sammelerlaubnis gekoppelt gewesen. Wegen des in Folge zu beobachtenden Mißbrauchs u. a. durch Almosensammler widerrief er 1245 sämtliche Ablässe. Er begrenzte ab 1258 deren Geltungsdauer und verbot die Ver- breitung durch Almosensammler. Dieses Verfahren wurde von seinen Nachfolgern bis zum Ende des 13. Jh. beibehalten (Wilhelm JANSSEN, Das Erzbistum Köln im späten Mit- telalter 1191-1515, z. Bd., 2. T. (Geschichte des Erzbistums Köln II), Köln 2003, S. 389).

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18 Eberhard Doll

nur durch den Besuch der Klosterkirche erwerben konnten, wenn sie ihre Spende

selbst dort hinbrachten. Beide Einschränkungen erklären, warum der Ablaßbrief keine Angaben enthält

über die Tage, an denen er erworben werden konnte, die sonst zum Formular gehö- ren: In der beschränkten Frist (bis zur Vollendung des Baus) und nur bei Besuch der

abgelegenen Kirche hätte eine Beschränkung der Gelegenheiten den Ablaß wertlos gemacht.

Die Urkunde enthält keine Vorbehaltsklausel, die Zustimmung des örtlich zu- ständigen Diözesanbischofs, des Bischofs von Minden (s. Zt. Konrad von Diepholz 1261-1266), denn der Ablaß eines auswärtigen Bischofs, und das war auch der Erz- bischof von Köln, mußte vom Ortsbischof freigegeben werden. Bereits in einer De- kretale des Liber extra des Corpus luris Canonici, das Papst Gregor IX. 1234 publi- zierte, war bestimmt worden, daß die Einwilligung des zuständigen Ortsbischofs

einzuholen war, wenn ein Bischof Ablässe in einer fremden Diözese gewährte. Erst

ab etwa 1270 wurde die Vorbehaltsklausel unverzichtbarer Bestandteil bischöfli-

cher Ablaßurkunden 29 Aus der Ablaßurkunde von 1263 ergibt sich, daß der einst aufwendig begonnene

Bau der Klosterkirche zu Mariensee noch nicht vollendet war und das Kloster sich

zu dem Zeitpunkt in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befand.

Der Sammelablaß von 1312

Die zweite Ablaßurkunde für das Kloster Mariensee stammt aus dem Jahre 1312. Während in der oben angesprochenen Ablaßurkunde von 1263 ein einziger Bi-

schof einen Ablaß von 40 Tagen und einer Quadragene gewährte, handelt es sich bei der Urkunde von 1312 um eine Sammelindulgenz, die 5 Bischöfe �als ablaßberech- tigte Aussteller gemeinsam und jeder für sich°s° ausstellten.

Die Urkunde wurde am 7. Mai 1312 in Vienne ausgestellt, wo vom 16. Oktober 1311 bis zum 6. Mai 1312 das von Papst Clemens V. einberufene Allgemeine Konzil

stattgefunden hatte. Diese Ablaßurkunde für das Kloster Mariensee ist also in un- mittelbarem Zusammenhang mit dem Konzil zu sehen, da sie am 7. Mai 1312, einen Tag nach dessen offiziellem Ende- der Papst hielt sich noch in Vienne auf -, ausge- fertigt und vom ebenfalls anwesenden, aber nicht zusätzlich als Aussteller handeln- den Ortsbischof Gottfried von Minden bestätigt wurde. Sie ist unter dem Oberbe-

griff �kuriale Sammelindulgenz subsumierbarat

29 Alexander SEIBOLD: Sammelindulgenzen. Ablaßurkunden des Spitmittelaltcrs und der Frühneuzeit (Archiv für Diplomatik. Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, Beiheft 8), Köln Weimar Wien 2001, S. 49f. (künftig: SEIBOLD 2001).

30 SEIBOLD 2001, S. 1.

31 SEIBOLD 2001, S. 238:. Ubi papa, ibi eurii (a. a. O., S. 229). Bisher ist nur noch eine

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee 19

Während die Urkunde von 1263 bereits zweimal, wie schon erwähnt, mit voll- ständigem Text und auch in Übersetzung gedruckt vorliegt, ist die Bischofssammel- indulgenz für das Kloster Mariensee von 1312 bisher dreimal als Regest veröffent- licht 32

Der Erhaltungszustand auch dieser Originalurkunde ist gut. Der Text ist durch-

gehend von einer Hand geschrieben. Das erste Wort der Inscriptio beginnt mit ei- nem verzierten Großbuchstaben (Initiale).

Diese Urkunde enthält im Aufbau zwei Besonderheiten, die sie als kuriale Bi- schofssammelindulgenz kennzeichnen. Wie SEIBOLD darlegt, steht die Inscriptio (Nennung des Empfängers) vor der Intitulatio (Nennung der Aussteller); als weite- res Merkmal führt er an: �Bezeichnend

für die kurialen Bischofssammelindulgen-

zen der Avignoner Zeit ist der ekklesiozentrische Einschub �sancte matris ecclesie" in die Inscriptio. "33 Die hier in Rede stehende Urkunde enthält diesen Einschub

auch, der Schreiber hat jedoch das �sancte"

fortgelassen. Von den ursprünglich 6 an herabhängenden Pergamentstreifen (Pressein) befe-

stigten Siegeln sind nur noch 2 vorhanden, stark beschädigt und restauriert. 34

Bei einem Vergleich der beiden Ablaßurkunden wird an zwei Angaben (Ordenszu-

gehörigkeit, Bauarbeiten) erkennbar, daß die Urkunde von 1263 als Vorlage benutzt

wurde. So wird auch diesmal der Benediktinerorden genannt, dem das Kloster an- gehöre.

Als Anlaß für die Ausstellung des Sammelablasses werden der desolate Zustand

von Kirche und Kloster genannt. Die Urkunde beschreibt mit formelhaften Wen- dungen, die man nicht allzu wörtlich nehmen darf, daß Kirche und Kloster durch Alter und - durch Not erzwungene - Vernachlässigung verfallen seien (ex nimia sui vetustate et inopia desolatafuerint et destructa). Es kann angenommen werden, daß

an dem schon 1263 nicht fertiggestellten Kirchengebäude wegen der Mittellosigkeit

weitere, am Konzilsort Vienne ausgestellte Sammelindulgenz bekannt. 32 Cal. UB V, S. 88, Nr. 103. - WUB X, S. 135, Nr. 373. - C. GRÜNHAGEN, C. WUTKE:

Regesten zur Schlesischen Geschichte. 1301-1315, Breslau 1892, S. 222, Nr. 3280. v. Ho- DENBERG gibt im Calenberger Urkundenbuch in dem Regest für diese Urkunde nur das Datum an, im WUB sind zusätzlich Ausstellungsort Vienne und im Wortlaut die Bestäti-

gung des zuständigen Ortsbischofs aufgenommen. In den Regesten zur Schlesischen Ge- schichte sind Ort und Datum vermerkt.

33 SEIBOLD 2001, S. 18. 34 Von den sechs Siegeln ist das erste zur Hälfte zerstört, das zweite bis auf den Rand

weitgehend komplett erhalten, die anderen sind abgefallen. Bei dem ersten Siegel handelt

es sich um das des Bischofs Gottfried von Minden (WUB X, S. 135, Nr. 373). Die wenigen erhaltenen Buchstaben der Legende des zweiten Siegels scheinen ... ELENEN... zu lau- ten, so daß es sich um das Siegel des Bischofs Aymo von Olenus handeln müßte, das ei- gentlich erst an dritter Stelle zu erwarten wäre (Mitteilung von Herrn Uwe Hager, M. A., Hannover).

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20 Eberhard Doll

des Klosters (inopia) nach Einstellung der Bauarbeiten wohl keine hinreichenden

Maßnahmen zur Instandhaltung mehr durchgeführt worden sind. Bei der Beschreibung der Bauarbeiten schimmert erneut die Vorlage von 1263

durch: daß die Klostergemeinschaft begonnen habe, die Bauten teils neu aufzufüh-

ren, teils zu reparieren und vorhabe, sie aufs prächtigste zu Ende zu führen und zu vervollkommnen:

1263: � ... eedem [sic! ] ecclesiam suam edificare inceperunt opere sumptuoso ... "

1312: n ... ipsa dc novo construere et reparare inchoaverint [ac] opere plurimum

sumptuoso et perficere ac consummare intendant ... a

Der Name der Äbtissin wird wie 1263 durch zwei Punkte signalisiert; doch dies-

mal kennen wir ihren Namen: Wiilleburgis (\Villeberg); sie ist für die Jahre 1293,3s

1302 November 1536 und noch 1314 Juli 1137 in dieser Funktion nachweisbar. (Der Name des Propstes ist für dieses Jahr nicht zu bestimmen. 1302 November

1538 ist es ein Ludolphus, 1315 Juli 4 und noch 1321 ist es Henricus Kint/Kut/

Koch 39)

Da jeder der 5 Bischöfe 40 Tage Ablaß gewährte und sich diese Ablaßtage mit der

Zahl der Aussteller multiplizierten, konnten Gläubige 200 Ablaßtage erlangen. Die

Geltungsdauer des Ablasses war im Gegensatz zum Ablaß von 1263 unbegrenzt. Der Ablaß von 1312 hatte also an sich einen viel höheren Wert für die Gläubigen,

allerdings besaßen jetzt viel mehr Kirchen solche wertvollen Ablässe als 50 Jahre

zuvor. Das ausgehende 13. und beginnende 14. Jahrhundert brachten für die Grafschaft

Wölpe einschneidende Veränderungen, die sich auch auf das Kloster Mariensee aus- wirkten.

1289 starb Graf Burchard von \Völpe, ohne Kinder zu hinterlassen. Nachfolger

wurde sein Bruder Otto, der zunächst Kleriker geworden war, dann aber Dispens

erhielt, in den Laienstand zurückzukehren, um die Regierung nach dem Tode seines Bruders zu übernehmen. Er heiratete die Gräfin Salome v. \}Vunstorf, starb aber

schon um 1307 ohne männliche Nachkommen. 1301/02 befand sich die Grafschaft

zunächst kurzzeitig im Besitze von Graf Otto II. von Oldenburg, 40 der seine An-

35 Cal. UB III, Stift Loccum, S. 309, Nr 494. - v. BOETrICHER/FESCHE 2002, S. 214,

Nr. 151. 36 WUB IX, 1972, S. 60, Nr. 140. - v. BOETTICHER/FESCHE 2002, S. 239, Nr. 167.

37 HStA Hannover, Cal. Or. 100, Mariensee, Nr. 106. - Cal. UB V, S. 89, Nr. 106.

38 WUB IX, 1972, S. 60, Urk. 140. -v. BOETTICHER/FESCHE 2002, S. 239, Nr. 167. - Burchardt Christ. v. SFILCKER, Geschichte der Grafen von Wölpe und ihrer Besitzungen,

Arolsen 1827, S. 274, Nr. XCVIII, Regest.

39 HStA Hannover, Cal. Or. 100, biariensce, Nr. 108. - H. SUDENDORF: Urkunden-

buch zur Geschichte der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg und ihrer Lande,

Hannover 1859,1, S. 150, Nr. 267 (künftig: SUDENDORF 1859).

40 Graf Otto II. von Oldenburg (t 2.2.1304) war mit den Grafen von Wölpe verwandt,

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee 21

sprüche gegen eine Abfindung von 6500 Mark Bremer Silber am 30. Januar 1302 an seinen Neffen, Herzog Otto den Strengen von Braunschweig-Lüneburg, abtrat. 41

Mit dem Aussterben der Grafen von Wölpe verloren die Kirche als Grablege der Wölper Grafen und auch das Kloster als ihr Hauskloster an Bedeutung. Mariensee war nunmehr eines unter anderen Klöstern in den Herrschaftsgebieten der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. Da um 1310 Otto der Strenge diesem Raum viel Auf- merksamkeit zuwendete, dürfte das Kloster zunächst noch einiges Interesse bean- sprucht haben. 42

Vermutlich waren das Aussterben der Grafen von Wölpe und der Übergang der Grafschaft an die Welfen der Grund, weshalb man die Kirche nun fertigbauen woll- te. Sie dürfte ein Legat der ausgestorbenen Linie geerbt haben, das aber für die Pläne nicht ausreichte. Möglicherweise hat Herzog Otto der Strenge von Braunschweig- Lüneburg das Vorhaben des Konventes unterstützt.

Diese Vermutungen werden durch den Baubefund bestätigt. Am Gebäude der Klosterkirche sind unterschiedliche Bauphasen erkennbar. �Stilistisch gehören die Apsis und die beiden anschließenden Joche in die Zeit vor 1250. Nur das westliche Joch zeigt jüngere Formen. ... Aus den stilistischen Formen geht hervor, daß beim Bau mit der Apsis begonnen wurde. Im Anschluß daran wurden das erste und das zweite Joch von Osten errichtet. Danach muß eine Baupause eingetreten sein, denn das westliche Joch unterscheidet sich wesentlich von den Ostteilen und ist wahr- scheinlich erst nach 1300 entstanden. " 43

Die letzte Bauanstrengung hing, wie oben erwähnt, mit dem Aussterben der Grafen von Wölpe zusammen. Es wurde alles unternommen, um deren Toten eine angemessene Totensorge zu sichern und die Kirche zu vollenden. Erkennbar ist das an der Bauphase mit der Errichtung des 3. Joches. Die Realisierung dieser abschlie- ßenden Baumaßnahme wurde durch den Sammelablaß vom 7. Mai 1312 möglich. -

denn seine Großmutter mütterlicherseits war eine Tochter des Grafen Bernhard von Wöl-

pe, des Stifters des Klosters. Durch diese verwandtschaftliche Konstellation ist er vermut- lich in den Besitz der Grafschaft Wölpe gekommen, indem ihm Graf Otto v. Wölpe den Be-

sitz abtrat. Ein Vertrag über den Vorgang ist nicht überliefert. Graf Otto II. von Oldenburg

war in zweiter Ehe höchstwahrscheinlich mit Helene von Braunschweig-Lüneburg verhei- ratet, einer Schwester von Herzog Otto dem Strengen, dem er dann die Grafschaft Wölpe

abtrat (s. o. ). S. dazu B. ENGELKE, Der Erwerb der Grafschaft Wölpe durch Otto den Stren-

gen von Braunschweig-Lüneburg, in: Hannoversche Geschichtsblätter, N. F., Bd. 5, Han-

nover 1938/9, S. 69-75. - Detlef SCHWENNICK: Europäische Stammtafeln, Bd. 1.3, Frank- furt/M. 2000, Tafel 277, Die Grafen von Oldenburg-Delmenhorst 1243-1482.

41 SUDENDORF 1859, S. 98, Nr. 167. -v. BOETrICHER/FESCHE 2002, S. 232, Nr. 163. 42 Über den Besitzwechsel und die Bedeutung, die der Erwerb der Grafschaft Wölpe

für die Welfen hatte, s. Sigurd ZILLMAN: Die welfische Territorialpolitik im 13. Jahrhun- dert (1218-1267) (Braunschweiger Werkstücke 12), Braunschweig 1975, insbes. S. 247-256.

43 Oskar KARPA (Hrsg. ): Die Kunstdenkmale des Kreises Neustadt a. Rübenberge, Nachdruck Osnabrück 1958, S. 115-118.

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22 Eberhard Doll

Wieder stellt sich die Frage, wer in Mariensee die Initiative ergriff. Der Initiator

wußte (das war allerdings gängiges Wissen), daß der Erwerb eines Sammelablasses

während eines Konzils besonders erfolgversprechend war, da dort viele Bischöfe

versammelt waren. Als Initiatoren kommen wieder Äbtissin und Konvent des Klo-

sters Mariensee in Frage, denn es ging nun um die Zukunft des Hauses, nachdem wenige Jahre zuvor die Grafen von Wölpe im Mannesstamm ausgestorben waren (s.

o. ). Wenn die Äbtissin Willebergis eine (urkundlich allerdings bislang nicht beleg- bare) Gräfin von Wölpe gewesen sein sollte - darauf deutet jedoch ihr Name hin -, wäre die Initiative besonders verständlich: dann ging es um das Ansehen ihres Hau-

ses und um die Totensorge für ihre Vorfahren. Ein großes Interesse kann auch beim Propst vorausgesetzt werden, dessen Stel-

lung sich gegenüber 1263 gefestigt hatte. Grundsätzlich gehörte der Propst eines Frauenklosters zu den wichtigeren Geistlichen der Region und verfügte über wei- tergehende Verbindungen als ein gewöhnlicher Pfarrer. In Mariensee hatte er auch die Pfarrstelle an der Kirche inne, hatte also eine besondere Beziehung zu dieser Kirche und somit ein Interesse an ihrer Vollendung und angemessenen Ausstattung.

Die Reise nach Vienne könnte der Propst (oder ein Stellvertreter) im Gefolge des Bischofs Gottfried von Minden (s. u. ) gemacht haben, um selber für den Erwerb des Ablasses zu sorgen. Beim Propst kann man das notwendige Fachwissen vorausset- zen, wie die

�bürokratischen" Hürden bei der Erlangung eines Ablaßbriefes zu überwinden waren und mit welchen Kosten zu rechnen war, die man vor Ort dafür begleichen mußte. Er konnte auch die für einen Sammelablaß unbedingt erforderli- chen Angaben liefern und, wie bereits festgestellt, alte Vorlagen wie die von 1263

mitbringen. Es fällt auf, daß Bischof Gottfried von Minden die Sammelindulgenz zwar bestä-

tigte, selber aber keinen Ablaß gewährte. Da er als Ortsbischof den Ablaß vidimie- ren mußte, konnte er natürlich nicht als einer der Aussteller auftreten 44 Die Vidi-

mierung erfolgte hier gleich an Ort und Stelle und ersparte dem Prokurator die Rei-

se an den Bischofshof. Man kann davon ausgehen, daß Bischof Gottfried einen 40tägigen Ablaß mit einer in Minden ausgestellten Urkunde - oder auch mit mehre- ren - bereits gewährt hatte oder das noch vorhatte. Darüber ist aber kein Dokument überliefert. -

Es fällt auch noch auf, daß an der Ausstellung der Sammelindulgenz für Marien-

see nur 5 Bischöfe beteiligt sind. Kuriale Bischofssammelindulgenzen haben in der Zeit zwischen 1311 und 1364

immer eine hohe Ausstellerzahl, nämlich durchschnittlich dreizehn. 45 Die Ablaß-

44 S. dazu SEIBOLD 2001, S. 49, der Sammelindulgenzen nachweist, die nicht nur eine Vorbehaltsklausel enthalten, sondern vom zuständigen Ortsbischof, der zudem als Mitaussteller aufgeführt ist, auch noch bestätigt sind.

45 SEIBOLD 2001, S. 23. An der anderen in Vienne ausgestellten Ablaßurkundc vom

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee 23

urkunde für Mariensee mit nur 5 Ausstellerbischöfen fällt damit etwas aus dem Rahmen. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Zum einen könnten es die für die Ausstellung notwendigen Kosten gewesen sein, die eine Beschränkung auf- erlegten, denn die ausstellenden Bischöfe, der Prokurator, 46 der Schreiber und auch das Material für Pergament, Siegel etc. mußten bezahlt werden (allerdings wäre es kurzsichtig gewesen, durch Niedrighalten der Zahl der Aussteller die Kosten nied- rig halten zu wollen: entsprechend niedriger war die Zahl der zu gewinnenden Ab- laßtage! ). Dann könnte es auch an dem Marienseer Propst oder seinem Vertreter ge- legen haben, der den Vorgang zu spät einleitete, sich nicht rechtzeitig um den Pro- kurator kümmerte - oder er verspätete sich schlicht. Möglicherweise hatte deshalb

auch der Prokurator Mühe, eine entsprechende Anzahl ausstellungsberechtigter Prälaten zu bekommen, weil viele Bischöfe nach Abschluß des Konzils schon im Aufbruch begriffen bzw. bereits abgereist waren. Das Ausstellungsdatum einen Tag nach Beendigung des Konzils deutet jedenfalls darauf hin. So konnte er nur noch Bischöfe als Aussteller gewinnen, die sich länger und nicht nur während des Kon- zils an der Kurie aufhielten (Heinrich von Breslau, Bruder Aymo von Olenus und Bendedikt von Svac). Von den 5 Bischöfen sind es sogar 3, die schon im März am Sammelablaß für Colmar beteiligt gewesen waren (Jakob von Bisaccia, Bruder Ay- mo von Olenus und Benedikt von Svac). Sie gehörten nämlich zu jenen mittellosen Bischöfen, die sich ständig an der Kurie aufhielten, �zumeist Exulanten und Vagan- tenbischöfe, die jede Einnahme nötig hatten" 47 -

Durch die Ablaßurkunde für das Kloster Mariensee von 1312 gab es für alle Gläubigen unter der Bedingung der Reue und Beichte zwei Möglichkeiten, den Ab- laß zu erwerben,

1. wenn sie dem Kloster bei der Fortsetzung und Vollendung des Baues von Kirche und Kloster ihre

�hilfreiche Hand" reichten. Das konnte durch Geldspenden an die Kirchenfabrik oder auf andere verdienstvolle Weise je nach den eigenen Fä- higkeiten und Möglichkeiten (Sach- oder Arbeitsleistungen) geschehen. Der persönliche Besuch der Klosterkirche war dabei nicht unbedingt Voraussetzung.

2. Außerdem konnten dieselbe Gnade diejenigen jährlich erwerben, die an be- stimmten kirchlichen Festtagen und in den Oktaven der Feste (die Woche nach den (Hoch-)festen) die Kirche zu Beichte und Gebet aufsuchten.

5.3.1312 für St. Katharina in Colmar waren 10 Bischöfe beteiligt (a. a. 0., S. 238). Als Höchstzahl an Ausstellern einer Bischofssammelindulgenz hat SEIBOLD 31 festgestellt (a. a. 0., S. 23).

46 Nicht identisch mit dem Prokurator, den das Kloster ausgeschickt hatte, sondern jemand, der berufsmäßig für diesen den Erwerb der Sammelindulgenz an der Kurie be- sorgte.

47 SEIBOLD 2001, S. 165. �Dieses Bischofsproletariat war jedenfalls auf jede Art von Nebeneinkünften, auch Sammelablässen, angewiesen" (a. a. 0., S. 210).

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24 Eberhard Doll

Damit wurden die Gläubigen zu häufigem Kirchenbesuch und zur Teilnahme an den Kirchenfesten ermuntert, nas wiederum mit der Hoffnung auf Eingang zahl- reicher Geld- und Sachspenden verbunden war.

Die Festtage aus dem Festkalender der Klosterkirche Mariensee sind in der Ab- laßurkunde mit einer Ausführlichkeit aufgeführt, wie sie in keiner anderen der bis- her bekannten Quellen zu finden sind. Diese Festtage sind deshalb so sorgfältig aufgelistet, weil sich nach ihnen die Ablaßtage bestimmten.

Die nachstehend genannten Festtage des Marienseer Kalendariums waren also die Ablaßtage, an denen ein Ablaß von den Gläubigen erworben werden konnte. SEIBOLD vermerkt, daß dieAblaßtage erfahrungsgemäß alle mit dem Kirchenpatro-

zinium zusammenhingen. 45 Die Angabe des Patroziniums war obligatorisch 49

Die Festtage:

- die Patrozinien der Kirche.. " 1) Maria (die Marienfeste, damals vermutlich drei):

- Mariä Verkündigung (25. März)

- Mariä Himmelfahrt(15. August).

- Mariä Lichtmeß (2. Februar) 2) Johannes der Täufer (24. Juni) 3) Georg, Märtyrer (23. April)

Nach den Patrozinien folgen die Herrenfeste:

- Auferstehung

- Himmelfahrt

- Pfingsten.

Dann werden als Festtage aus dem Kalendarium noch das Apostelfest (15. Juli)

und Allerheiligen (1. November) genannt, und abschließend folgt noch ein wichti- ges Fest, ohne Datumsangabe, das Kirchweihfest.

Wir können davon ausgehen, daß uns durch den Sammelablaß von 1312 aus dem Kalendarium der Klosterkirche Mariensee die damals wichtigsten Festtage überlie- fert sind. Später kamen durch Stiftungen weitere hinzu 5t

48 SEIBOLD 2001, S. 45. 49 a. a. 0., S. 36. 50 Diese Ablaßurkunde von 1312liefert uns eine andere Zusammenstellung des Patro-

ziniums der Klosterkirche als die Urkunde vom 27.12.1214, mit der Graf Bernhard von Wölpe dem Kloster seinen Hof in Catenhusen schenkte. Als Schutzheilige sind dort die

Jungfrau Maria, der Evangelist Johannes (27. Dezember) und alle Heiligen (1. November)

genannt (HStA Hannover, Cal. Or. 100, Mariensec, Nr. 7. -v. BOEITICIIER/FESCHE 2002, S. 83, Nr. 27).

51 Im Andachtsbuch (Gebetbuch) des Klosters Mariensee, fertiggestellt 29.9.1522, ist

außer den o. g. Marienfesten zusätzlich noch Mariä Heimsuchung (2. Juli) aufgeführt (KIA

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee 25

Die ausstellenden Bischöfe: -52

Die für Mariensee ausgestellte kuriale Bischofssammelindulgenz vom 7. Mai 1312 hält am Rande noch eine weitere Überraschung bereit: sie belegt die Teilnahme von Bischöfen am Konzil von Vienne 1311/1312, die offiziell nicht dazu geladen waren und auch in der Anwesenheitsliste nicht genannt sind 53

Bei allen bisherigen Konzilien war grundsätzlich die Teilnahme aller Bischöfe üblich gewesen. Nicht so in Vienne. Papst Clemens V. traf offensichtlich in Abspra- che mit dem französischen König eine Auswahl. Es hatten nur diejenigen Prälaten in Vienne zu erscheinen, die namentlich in dem Berufungsschreiben aufgeführt wa- ren. Alle anderen hatten den Berufenen schriftliche Vollmachten mitzugeben oder Prokuratoren mit Vollmachten zu entsenden. Den Nichtberufenen ließ er aller- dings die Möglichkeit offen, auch selbst zu erscheinen54 Von den 6 in unserer Ur- kunde namentlich aufgeführten Bischöfen ist nur einer (Benedikt, Bischof von Svac) offiziell zur Teilnahme am Konzil von Vienne geladen gewesen. Alle übrigen sucht man in den beiden überlieferten Berufungslisten55 vergebens, sie waren dem- nach offiziell nicht berufen.

Insofern liefert die für Mariensee ausgefertigte Ablaßurkunde eine interessante Ergänzung zum personellen Rahmen des Konzils.

Unter den 6 nachfolgend aufgeführten Bischöfen läßt sich bei dreien nachweisen, daß sie aus Bistümern des Hl. Römischen Reiches kamen (Heinrich von Breslau, Bruder Johannes von Koroneia, Gottfried von Minden), die übrigen waren Auslän- der (die Reihenfolge ihrer Nennung in der Urkunde ist die nach ihrer Bischofswei- he, ohne Nr. 6):

1) Heinrich, Bischof von Breslau (Heinricus Wratislaviensis) 2) Jakob, Bischof von Bisaccia (Jacobus Bisatiensis) 3) Bruder Aymo, Bischof von Olenus (Frater Aymo Elenensis) 4) Benedikt, Bischof von Svac (Benedictus Suatinensis) 5) Bruder Johannes, Bischof von Koroneia (Frater Johannes Coronaniensis) 6) Gottfried, Bischof von Minden (Godefridus Mindensis)

Mariensee, Dr. Gabriele Borger, Hamburg, Vortrag über das Andachtsbuch, Mariensee 20.10.1997, S. 8). Zum Festkalender der einzelnen Kirchen und seiner Erweiterung durch Stiftungen vgl. jetzt Irmgard HAAS, Das Stiftsieben am Kollegiatstift St. Blasii in Braun- schweig in Spätmittelalter und beginnender Neuzeit im Spiegel der liturgischen Stiftungen, phil. Diss. Hannover 2007.

52 Einzelaufstellung s. Anhang 1. 53 Ewald MÜLLER: Das Konzil von Vienne 1311-1312. Seine Quellen und seine Ge-

schichte (Vorreformationsgeschichtliche Forschungen XII) Münster/ W. 1934, S. 73-84 (künftig MÜLLER 1934).

54 MÜLLER1934, S. 17. 55 a. a. 0., S. 663-670.

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26 Eberhard Doll

Zusammenfassung

Vergleicht man die Angaben der Ablaßurkunden von 1263 und 1312 über den Bau-

zustand der Klosterkirche Mariensee zu jener Zeit mit dem heutigen Baubefund

miteinander, ist folgendes zu erkennen: Mit dem aufwendigen Bau einer Kirche ist vermutlich kurz nach Verlegung des

Klosters von �Vornhagen" nach Mariensee (1207 S6) begonnen worden. Nach der bis etwa 1250 andauernden Bauphase waren die eigenen Mittel erschöpft. Man ver- suchte zwar, mit Hilfe von Ablässen Gelder für die Fortsetzung der Bauarbeiten zu bekommen; der Ablaß von 1263 hat die zur Vollendung des Kirchenbaues erforder- lichen Gelder nicht eingebracht. Es trat daraufhin eine Baupause von mehr als 50 Jahren ein.

Erst die mit dem Sammelablaß von 1312 durch die Gläubigen erbrachten Spen- den und Unterstützung unterschiedlichster Art (darunter der Nachlaß der Wölper

und Zuwendungen anderer Großer der Region) ermöglichten einen Weiterbau. Der

Bau der Klosterkirche Mariensee wird bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts vollendet gewesen sein.

Anhang l

Kurzbiographien der an der Sammelindulgenz vom 7. Mai 1312 in Vienne beteiligten Bischöfe

1) Heinrich, Bischof von Breslau / Heinricus Wratislaviensis (Erzbistum Gnesen)

Bei ihm handelt es sich um Heinrich v. Würben, der seit dem 2. Februar 1302 bis zu seinem Tode am 23.9.1319 Bischof von Breslau war.

Wegen Auseinandersetzungen mit dem päpstlichen Legaten Nicolaus Boccasini (später Papst BenedediktXI., t 1304) sowie Streitigkeiten mit dem Gnesener Erzbi-

schof (Jakob Swinka, 1283-1313), der ihn bannte und über die Stadt Breslau das In-

terdikt verhängte, appellierte er an den Papst und hielt sich deshalb von 1309 bis 1313

an der Kurie in Avignon auf. Papst Clemens V. setzte ihn am 12.10.1213 wieder in die Verwaltung seines Bistums ein, woraufhin er nach Breslau zurückkehrte. 57

Sein Name ist in der Berufungsliste zum Konzil von Vienne nicht enthalten,

56 Erste urkundliche Erwähnung des Klosters Mariensee: 1207 November 27, Ratze- burg, Herzog Albrecht von Sachsen schenkt dem , cenobio de Lacu sancte Marie` eine Mühle usw. (Cal UB V, S. 4, Nr. 2. -v. BOETtICHER/FESCHE 2002, S. 80, Nr. 24).

57 EUBEL 1898, I, S. 568, Anm. 4. - Jan KoPIEC, Heinrich von Würben (t 1319), in:

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee 27

demnach ist er nicht berufen worden. Mit der Sammelindulgenz von 1312 ist belegt, daß er am Konzil von Vienne teilgenommen hat.

Die von Jan KoPIEC in der Kurzbiographie58 vermutete Teilnahme des Bischofs am Konzil findet ihre Bestätigung mit dieser Urkunde.

2) Jakob, Bischof von Bisaccia / jacobus Bisatiensis (Bisaccia, Unteritalien, Prov. Cosenza)

Er war dort Bischof von 1311 bis zu seinem Tode (1329). " Vorher war er zum Bischof von Canea (Canea/Kydonia, Kreta, lat. Agiensis) ge-

wählt, bestätigt und geweiht worden. Canea, heute Chania, gehörte zu den lateini- schen Bistümern, die nach dem 4. Kreuzzug in Griechenland eingerichtet wurden (vgl. u. Olenus); Kreta stand um 1310 unter der Herrschaft Venedigs. Der Vorgän- gerjakobs, Bischof Mattheus, war von den Sarazenen gefangengenommen und ent- führt, über drei Jahre verschollen und für tot gehalten worden. Er kehrte aber schließlich doch zurück. Daher war Jakob so lange ein sogenannter �Bischof ohne Kirche", bis er 1311 vom Papst nach Bisaccia transferiert wurde, jetzt also wieder ordnungsgemäß Bischof war. 60

Zum Konzil von Vienne war er offiziell nicht geladen, nahm aber schon an der Eröffnungssitzung am 16. Oktober 1311 teil und blieb mindestens bis zum 10. Mai 1312 dort. 61

Zwei Monate vor seiner Beteiligung an der Ausstellung des Sammelablasses für das Kloster Mariensee finden wir ihn in Vienne mit 9 weiteren Bischöfen als Aus- steller einer Sammelindulgenz für St. Katherina in Colmar (5. März 1312). 62

3) Bruder Aymo, Bischof von Olenus / Aymo Elenensis (Olenen., Olonens., auch Elenen., Olenus, Erzbistum Patras, Griechenland).

Auch Olenus war eines der lateinischen Bistümer, die nach dem 4. Kreuzzug einge- richtet worden waren. Der Bischof residierte in Andravilla, der Hauptstadt des la- teinischen Fürstentums Morea/Achaia. Um 1310 gab es dort schwere Kämpfe um die Nachfolge unter verschiedenen westlichen Fürsten (vgl. u. ).

Aymo war Benediktinermönch (OSB). Vermutlich weil sich 1313 abzeichnete,

GATZ 2001, S. 110. SEIBOLD 2001, S. 239, dagegen gibt an, daß der Bischof von Breslau ex- tra angereist sei.

58 KOPIEC in: GATZ 2001, S. 110.

59 EuBEL 1898, I, S. 76 u. 139. - Dictionnaire d'histoire et de geographie ecclesia- stiques VIII, Paris 1912ff., Sp. 1539f.

60 EUBEL 1898, I, S. 76, Anm. 1, zu Agien[sis]. 61 MÜLLER 1934, S. 78. Am 10. Mai 1312 zahlte er bei der päpstlichen Kammer sein

Servitium ein. 62 SEIBOLD 2001, S. 238.

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28 Eberhard Doll

daß er auf absehbare Zeit nicht zurückkehren konnte, wurde er von Papst Clemens V. zum Bistum Rab in Dalmatien (lat. Arbensis, Arbe) transferiert. 63

In der Berufungs- und Anwesenheitsliste für das Konzil von Vienne ist er nicht aufgeführt, er nahm aber am Konzil teil.

Er gehörte offensichtlich mit zu jener Gruppe von Bischöfen, die sich lange an der Kurie aufhielten. Wann und aus welchem Grund er nach Avignon reiste, ist aus den gängigen Nachschlagewerken nicht zu ersehen. Seit 1311 ist Aymo an Sammel- indulgenzen zusammen mit anderen Bischöfen wie Benedikt von Svac beteiligt.

Er war beteiligt als Mitaussteller u. a. an folgenden Sammelindulgenzen:

- in Avignon am 11. Juli 131161

- in Vienne am S. März 131265

- in Vienne am 7. Mai 1312 und erneut - Avignon Nov. / Dez. 131266

4) Benedikt, Bischof von Svac / Benedictus Suatinensis (Suaci<n>ensis, Sfacia, Soazzo, Svac, Sas in Dalmatien, Erzbistum Antibaren., Antivari)

Von 1307 bis 1318 war er Bischof von Svac, anschließend Erzbischof von Ragusa 67

Zum Konzil war er offiziell berufen" und hat teilgenommen. Er hielt sich, wie auch Bischof Aymo von Olenus, schon vor dem Konzil an der

Kurie in Avignon auf, denn zusammen mit Aymo und weiteren Prälaten war er an der Ausstellung einer Sammelindulgenz am 11.7.1311 beteiligt, 69 ebenso an der

zweiten aus Vienne bekannten Ablaßurkunde für St. Katherina in Colmar (5.3. 1312). 70

5) Bruder Johannes, Bischof von Roroneia /Frater Johannes Coronaciensis (Co-

romacensis, Coronaciensis, Granitza, Koroneia in Böotien, Griechenland, Suf- fragan von Athen).

Mit dem Augustinereremiten (OESA) Johannes (Joannes Reez de Probeno, 71 Jo-

63 EUBEL1898, I, S. 393, i. V. m. 5.101. Rab wie auch Svac waren damals venezianische Kolonien. Zur Anmerkung von SEIBOLD (2001, S. 238, Anm. 1953), wonach Aymo (, Bi-

schof von Helos") nach EUBEL (1, S. 273) nicht nachweisbar sei: s. EUBEL 1898, I, S. 393. Dort ist Aymo unter der Bistumsbezeichnung . Olenen., alias Olone::., sive Elenen. " (Suf- fraganbistum des Erzbistums Patras) erfaßt.

64 SEIBOLD 2001, S. 239, Anm. 1959. 65 a. a. 0., S. 238. 66 KNIPPING IV (1915), S. 155, Nr. 732. 67 EUBEL 1898,1, S. 491. 68 MÜLLER 1934, S. 665. 69 SEIBOLD 2001, S. 239. 70 SEIBOLD 2001, S. 238. 71 EUBEL 1898, I, S. 220:. Joannes Reez de Probcno. "

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Ablaßurkunden für das Kloster Mariensee 29

hannes Recz de Bochum72) haben wir einen zweiten Ordensgeistlichen unter den Ausstellern. Sein Fall liegt anders als der der anderen exulierten lateinischen Bi- schöfe in Griechenland (vgl. Nr. 3): Er war nicht schon länger Bischof, sondern war erst sehr kurz vorher geweiht worden, wenn nicht gar erst an der Kurie während des Konzils. Vom Bistum Koroneia konnte man 1312 nicht erwarten, daß er dort in absehbarer Zeit residieren könnte, denn 1311 war das Herzogtum Athen in die Hände der Großkatalanischen Kompanie" gefallen. Daher betraute man damit ei- nen sogenannten Titularbischof, in diesem Fall einen Deutschen. Die Deutschen waren an den Kämpfen der Lateiner um Griechenland nicht beteiligt. Johannes Retz erwirkte offensichtlich während des Konzils 1311/1312 vom Papst die Er- laubnis, als Hilfsbischof des Erzbischofs Burchard von Magdeburg zu wirken und ist dort von ca. 1312 bis 133173 nachgewiesen, nach anderen von 1317 bis 1329.74

Weihbischof Johannes hielt sich im Gefolge seines Erzbischofs in Vienne auf. In den Berufungs- bzw. Anwesenheitsliste ist sein Name nicht enthalten.

6) Gottfried, Bischof von Minden / Godefridus Mindensis Gottfried, ein Graf von Waldeck, war Bischof von Minden von 1304 April 5 bis 1324 (t Minden 14.5.1324) 75

Auf der Grundlage der Beschlüsse des Konzils von Lyon (1274) gab er eigene Synodalverordnungen u. a. zur Reform des Lebens der Geistlichen sowie der Ver- waltung von Kirchengut heraus. Großzügig unterstützte er die Klöster in seinem Sprengel 76

Er ist weder zum Konzil berufen worden noch in der Anwesenheitsliste aufge- führt, er nahm aber teil.

72 MÜLLER 1934, S. 84: �Johannes Recz de Bochum" [! ]

73 EUBEt. 1901, II, S. 307: 'Joannes Recz de Bochum (Er. s. Aug. ) Coronanien. 1312/31. " 74 Michael SCHOLZ: Magdeburg, Weihbischöfe, in: GATZ 2001, S. 384. Erzbischof

Burchard �war der erste Magdeburger Erzbischof, der die päpstliche Erlaubnis erhielt,

sich in seinen geistlichen Pflichten durch einen Vikar vertreten zu lassen. In dieses Amt wurde möglicherweise 1312 der Augustinereremit Johann Retz von Bockenem berufen" (a. a. 0., S. 390).

75 EUBEL 1898, I, S. 358. Nach K. HENGST in: GATZ, S. 457f., sei er 1304 gewählt, aber ausweislich seiner - verschollenen - Grabplatte nie geweiht worden Das ist nach dem Wortlaut dieser Urkunde widerlegt, denn er konnte sich in dieser Umgebung nicht episco- pus nennen, ohne geweiht zu sein (WUB X, S. 136, Nr. 375). 1310 Oktober 2 erteilte er der Pfarrkirche zu Hameln einen Ablaß von 40 Tagen, dessen Gültigkeit ebenfalls die Weihe voraussetzte (WUB X, S. 118, Nr. 331).

76 HENGST in: GATZ 2001, S. 457f.

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Anhang 2

1312 Mai 7, Vienne

Bischof Heinrich von Breslau und vier weitere Bischöfe erteilen allen, die zum Bau des Klosters Mariensee einen Beitrag leisten, einen Ablaß von 40 Tagen.

Orig.: Hauptstaatsarchiv Hannover, Cal. Or. 100, Mariensee, Nr. 103. Regest: Cal. UB V, S. 88, Nr. 103. - PRINZ 1977, WUB X, S. 135, Nr. 373. - Rcgestcn

zur Schlesischen Geschichte 1892, S. 222, Nr. 3280.

Universis matris ecclesie fidelibus, ad quos presentes pervenerint. Dci gratia Heinricus \Vratislaviensis, Jacobus Bisatiensis, frater Aymo Elenensis,

Benedictus Suatinensis, frater Johannes Coromacensis ecclesiarum cpiscopi salu- tem in domino.

Virga venustissima et omnium virtutum floribus insignita virgo dei genitrix glo-

riosa, cuius similitudinem sol et luna mirantur, cuius precibus iuvatur populus chri-

stianus florem preciosissimum et inmarcessibilem et eternum nature dominum Ihe-

sum Christum, ineffabili sancto spiritu cooperantc produxit omnes eius rcverentiam loca eiusdem virginis gloriose insignita vocabulo sint a Christi fidelibus veneranda, ut eius piis adiuti suffragiis eterne retributions premia conscqui mereamur.

Cum igitur ecclesia et opus monasterii dc Lacu sancte Marie, ordinis sancti Bene- dicti, Mindensi diocesis sita in silvis ab omni habitatione remota, que ipsius gloriose virginis existit vocabulo insignta, ex nimia sui vetustate et inopia desolata fuerint et destructa, et dilecte filie

.. abbatissa cc conventus ipsius monasterii, sicut asserunt, ipsa de novo construere et reparare inchoaverint opere plurimum sumptuoso et per- ficere ac consummate intendant domino cooperante, et ad hoc proprie non suppe- tant facultates et propterea suffragia fidelium necessaria sunt eisdcm, universitatem vestram monemus, rogamus ec hortamur in domino in remissionem vobis pecca- minum iniungentes, quatinus eidem monasterio dc bons vobis a dco collatis grata caritatis subsidia erogetis, ut per subventionem vestram construi valeant ecclesia et opus supradicta auctore domino et feliciter consummari, vosque per hoc et alia bo-

na, que domino inspirante feceritis, ad eterne felicitatis possitis gaudia pervenire. Nos enim et nostrum singuli de omnipotentis dci misericordia ct bcatorum Petri

et Pauli apostolorum cius auctoritate confisi omnibus vere pcnitcntibus et confes- sis, qui eis ad hoc manum porrexerint adiucricem singulas perpetuo quadragenas, il- lis vero, qui in singulis sancte Marie, beatorum Johannis Baptiste, Georgii martiris, Resurrectionis, Ascensionis, Pentecostes, omnium Apostolorum festivitatibus ct in

commemoratione Omnium sanctorum ac in die dedicationis ipsius ecclesie, ac in

octavis festivitatum quidem octavas habentium, causa devotionis et orationis ac-

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cessunt, annuatim totidem dies de iniunctis sibi penitentiis misericorditer relaxa- mus, dummodo loci dyocesani accessit ad hoc voluntas.

Nos insuper Godefridus dei gratia Mindensis episcopus, ipsius loci diocesanus, huiusmodi indulgencias concessas gratas et ratas habemus easque auctoritate ordi- naria prout melius de iure possumus confirmamus et etiam approbamus.

In cuius rei testimonium presentes litteras fieri iussimus et sigillorum nostrorum appensione muniri. Datum Vienne anno domini M° CCC° XII° nonas maii.

(Transkript: Uwe Hager, M. A., Hannover)

Übersetzung

Allen Getreuen der (heiligen) Mutter Kirche, zu denen dies gelangen mag, entbieten von Gottes Gnaden Heinrich, Bischof von Breslau, Jakob, Bischof von Bisaccia, Bruder Aymo, Bischof von Olenus, Benedikt, Bischof von Svac und Bruder Johan- nes, Bischof von Koroneia, Heil im Herrn.

Das wunderschöne Reis, die mit den Blüten aller Tugenden gezierte Jungfrau, die glorreiche Gottesmutter, deren Bildnis Sonne und Mond bewundern und durch de- ren Gebete das Christenvolk Hilfe erfährt, hat die köstlichste und unverwelkliche, von Natur aus ewige Blüte: den Herrn Jesus Christus geboren unter Mitwirkung des Heiligen Geistes. Daher sind alle Orte, die der Verehrung ihres, der glorreichen Jungfrau, Namens gewidmet sind, von den Gläubigen zu verehren, damit wir durch ihre frommen Fürbitten Hilfe erfahren und schließlich die Früchte des ewigen Lohns zu erlangen verdienen.

Weil nun die Kirche und die Gebäude des Klosters Mariensee, dem Benedikti- nerorden zugehörig, in der Diözese Minden, weitab von jeder Behausung im Wald gelegen, welches dem Namen jener glorreichen Jungfrau gewidmet ist, wegen ihres hohen Alters und - durch Not erzwungene - Vernachlässigung verfallen waren, und weil die geliebte Tochter, die Äbtissin

.. und ihr Konvent, wie sie versichern, begonnen haben, die Bauten teils neu aufzuführen teils zu reparieren, und beabsich- tigen, mit Gottes Beistand diese aufs prächtigste zu Ende zu führen und zu vervoll- kommnen, wozu aber ihre eigenen Kräfte nicht reichten und die Unterstützung der Gläubigen vonnöten sei,

deshalb fordern wir euch alle insgesamt auf, bitten und ermahnen euch im Herrn und legen euch zur Vergebung Eurer Sünden ans Herz, daß ihr diesem Kloster aus den euch von Gott verliehenen Gütern (Gott) wohlgefällige Unterstützung der täti- gen Liebe leistet, damit durch eure Hilfe die obengenannte Kirche und Gebäude des Klosters erbaut und mit Gottes Hilfe glücklich vollendet werden können; daß ihr aber durch dieses und andere gute Werke, die ihr auf Gottes Eingebung hin tut, zur Freude der ewigen Glückseligkeit gelangen könnt.

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Wir jedoch, und jeder einzelne von uns, kraft der Barmherzigkeit des allmächti- gen Gottes und im Vertrauen auf die Vollmacht der Heiligen Peter und Paul, seiner Apostel, erlassen allen, die wahrhaft bereut und gebeichtet haben, auf ewig und jeder von uns je40 Tage der Kirchenstrafen, die ihnen auferlegt wurden. Diesen Ab- laß erhalten alle, die ihnen zu diesem Zweck (durch Spenden und Arbeitsleistun-

gen) zu Hilfe kommen; jene jedoch, die an den Festen der HI. Maria, des HI. Johan-

nes des Täufers, des Märtyrers Georg, der Auferstehung, der Himmelfahrt, Pfing-

sten, dem Fest aller Apostel, dem Fest Allerheiligen und am Jahrestag der Weihe dieser Kirche und in den Oktaven derjenigen Feste, deren Oktaven begangen wer- den, dort aus Gründen der Frömmigkeit und des Gebets erscheinen, erhalten ein- mal im Jahr ebensoviele Tage Ablaß; Voraussetzung ist die Bewilligung des Ortsbi-

schofs. Und wir, von Gottes Gnaden Gottfried, Bischof von Minden, Diözesanbischof

dieses Ortes, billigen und bewilligen diesen Ablaß und bekräftigen und approbieren ihn kraft unserer Amtsgewalt in aller Form.

Zum Zeugnis dessen befahlen wir, dieses gegenwärtige Schreiben anzufertigen und durch Anhängung unserer Siegel zu befestigen. Gegeben in Vienne im Jahre des Herrn 1312, an den Nonen des Mai.