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Jahresbericht 2 0 1 1 / 2 0 1 2 - Zukunftsenergien · 2014-09-03 · künftig weitgehend aus eigener Erzeugung zu decken. Dazu müsse die Energiewirtschaft Investitionen in neue Erzeugungskapazitäten

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J a h r e s b e r i c h t

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Vorwort

Dr. Annette Nietfeld

Dr. Annette NietfeldGeschäftsführerin

In diesen Wochen jährt sich zum ersten Mal der Beschluss der Bundes-regierung zur inhaltlichen Ausgestaltung der so genannten „Energiewende“.Hinter uns liegt ein Jahr, in dem nach dem Kernenergiemoratorium eineReihe weiterer Weichen zur Umsetzung dieses Beschlusses gestellt wur-den. Erste Erfahrungen wurden gesammelt und Hemmnisse sowie Chan-cen identifiziert. Die Bestandsaufnahme nach einem Jahr fällt teilweisesehr ernüchternd aus. Einzelheiten zu diesem Prozess sind in dem vor-liegenden Jahresbericht des Forum für Zukunftsenergien e.V. nachzule-sen, der den Zeitraum von Sommer 2011 bis Sommer 2012 umfasst.

Zahlreiche damit im Zusammenhang stehende Fragestellungen haben wirin diesem Zeitraum aufgegriffen. So gingen wir der Frage nach demzukünftigen Strommarktdesign nach und versuchten herauszufinden, wel-che grundlegenden, zusätzlichen Änderungen im Energiewirtschaftsrechtsowie im Umgang aller Akteure miteinander erforderlich sind, um dieEnergiewende zu vollziehen. Dabei haben wir uns immer wieder bemüht,die Entwicklungen in Deutschland auch unter einem europäischen odergar internationalen Blickwinkel zu betrachten. Welche Themen wir im Ein-zelnen aufgegriffen haben und welche Standpunkte dabei vertreten wur-den, können Sie in diesem Jahresbericht nachlesen.

Eine umfassende Bestandaufnahme nach diesem ersten Jahr hat aberauch unser Kuratorium vorgenommen. So wurden im Rahmen des Energie-forums einzelne Resümees diskutiert und zusammen mit zahlreichen Auf-sätzen in der Schriftenreihe unseres Kuratoriums schließlich veröffent-licht.

Unsere Konferenzen, Tagungen und Sitzungen kön-nen wir nicht ohne eine zusätzliche finanzielle Unter-stützung durch Mitglieder und Sponsoren durchfüh-ren. Ihnen gilt an dieser Stelle unser herzlicher Dank.Ebenso wertvoll für die Arbeit des Forum für Zukunfts-energien e.V. ist das Engagement der ehrenamtlichenVorsitzenden unserer verschiedenen Arbeitsformatesowie der Mitwirkenden. Auch ihnen danken wir andieser Stelle sehr herzlich.

Ich bin sehr gespannt auf die weitere energiepolitische Entwicklung imnächsten Jahr. Es besteht zwar weitgehend Konsens über die zu über-windenden hohen Hürden bei der Umsetzung der Energiewende – den-noch kommen die Diskussionen über mögliche Lösungswege nur lang-sam voran. Die im nächsten Sommer bevorstehende Bundestagswahl wirddiesen Prozess wahrscheinlich nicht maßgeblich beschleunigen.

Zunächst wünsche ich Ihnen eine interessante Lektüre dieses Jahresbe-richts des Forum für Zukunftsenergien e.V., aus der sich möglichst vieleneue Erkenntnisse und Ideen ergeben mögen.

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Inhalt

1. Mitgliederversammlung

• Festvortrag: Die Zukunft der Energieversorgung -Herausforderungen und Lösungsansätze....................................

2. Energieforum 2012

• Ein Jahr Energiewende - Erfahrungsberichte...............................

3. Arbeitskreis Zukunftsenergien

• 48. Sitzung: Wie geht es weiter mit den Instrumenten desKyotoprotokolls?.............................................................................

• 49. Sitzung: Die deutsche Energiewende und die europäischeEnergiepolitik - Wie passen sie zusammen?...............................

• 50. Sitzung: Wie sollte die Grundlaststromversorgunggesichert werden?.........................................................................

• 51. Sitzung: Aufbruch in eine neue Energiewelt -Welche Eckpfeiler sind notwendig?..............................................

4. Arbeitskreis Energie & Verkehr

• 10. Sitzung: Wasserstoff und Brennstoffzelle -Die bessere Elektromobilität?.......................................................

• 11. Sitzung: Erneuerbare Energien auf die Schiene - Wie?.........

• 12. Sitzung: Elektromobilität - Wie geht es weiter?......................

5. Internationaler Energiedialog

• Die deutsche Energiewende aus internationaler Sicht.................

• Seltene Erden und Australien - Wie die weltweit steigendeNachfrage und die Versorgung ausgeglichen werden können.....

6. European Energy Colloquium

• 5. EEC: Die europäische Energieaußenpolitik.................................

• 6. EEC: Finanzierungsintrumente für den Ausbau der neueneuropaweiten Energieinfrastruktur...................................................

• 7. EEC: Die EU Energy Roadmap 2050..........................................

• 8. EEC: Erneuerbare Energien in Europa - Ist ein einheitlicherFördermechanismus notwendig und möglich?...............................

7. QuadrigaKREIS......................................................................................

8. JournalistenKREIS Zukunftsenergien................................................

9. Energiepolitische Werkstattgespräche..............................................

10. Sommerakademie 2011.......................................................................

11. Weitere Projekte

• Erster Fortschrittskongress: Forschungsaktivitäten undEntwicklungen für die Energiewirtschaft - Eine Präsentationaktueller Beispiele...........................................................................

• Präsentation des World Energy Outlook 2011.................................

• Woche der Umwelt: Der Beitrag der energieintensiven Industrienzur Energiewende............................................................................

• Die EU-Energieeffizienzrichtlinie - Positionen und Beiträge derStakeholder.......................................................................................

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1. Mitgliederversammlung 2011

Festvortrag

Die Zukunft der Energieversorgung - Herausforderungen und Lösungsansätze

Die ordentliche Mitgliederversammlung des Forum für Zukunftsenergien e.V. am 14. Oktober 2011 war auf Einladung des Bayerischen Wirtschafts-ministeriums in der Landesvertretung des Freistaates Bayern in Berlin zu Gast. Den traditionellen Festvortrag hielt der Abteilungsleiter MDirigProf. Dr. Josef Neiß in Vertretung des bayerischen Wirtschaftsministers Martin Zeil. Dabei verdeutlichte er die Konsequenzen des bundeswei-ten Umbaus der Energieversorgungsstrukturen für den Freistaat Bayern und stellte die Strategie vor, mit der die bayerische Regierung dieEnergiewende bewerkstelligen will.

Der Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr undTechnologie sowie Kurator des Forum für Zukunftsenergien e.V., MartinZeil, hatte zugesagt, anlässlich der Mitgliederversammlung 2011 den Fest-vortrag zu halten. Kurzfristig festgelegte, dringende Termine ließen diesjedoch nicht zu. An seiner Stelle übernahm MinDirig Prof. Dr. Josef Neiß(Leiter der Abteilung Energie, Bergbau, Rohstoffe, Umweltfragen) denVortrag.

Prof. Neiß betonte, dass der Ausstieg aus der Kernenergie den FreistaatBayern vor gewaltige Herausforderungen stelle, da der dortige Anteil derKernenergie an der Stromversorgung fast 60% beträgt. Eine Strategie zurBewältigung dieser Problematik sei mit dem Bayerischen Energiekonzeptim Mai 2011 beschlossen worden. Dieses sehe vor, dass in zehn Jahren50% des bayerischen Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien ge-deckt werden. Dabei sollen 15% bis 17% des Stroms durch Wasserkraft,10% durch Windkraft, 16% durch Photovoltaik und 10% durch den Ener-gieträger Biomasse erzeugt werden. Darüber hinaus soll die technologi-sche Führungsrolle Bayerns in Bezug auf Energieeffizienz und Energie-einsparung unter Beweis gestellt und am Klimaschutzziel, die energie-bedingten jährlichen CO2-Emissionen pro Kopf auf unter sechs Tonnenzu reduzieren, festgehalten werden.

Ziel der bayerischen Staatsregierung bleibe es, den Stromverbrauch auchkünftig weitgehend aus eigener Erzeugung zu decken. Dazu müsse dieEnergiewirtschaft Investitionen in neue Erzeugungskapazitäten und Netzetätigen, für die der Staat die Rahmenbedingungen, etwa wirtschaftlicheAnreize für Investitionen in Gaskraftwerke in Süddeutschland, schaffenmüsse.

Ein weiteres Ziel sei es, die energieintensiven Industrien auch weiterhin inBayern zu halten. Prof. Neiß unterstrich, dass das bayerische Wirt-schaftsministerium der Gefahr der Abwanderung von Grundstoffindustrienaufgrund der hohen deutschen Industriestrompreise Rechnung trage. Des-halb setzte es sich dafür ein, einer weiteren finanziellen Belastung entgegenzu wirken, wie es z.B. durch die Ausweitung der besonderen Ausgleichs-regelung bei der EEG-Umlage gelungen sei. Ferner müssten in Zukunftzusätzliche Kompensationszahlungen an die stromintensive Industrie imZusammenhang mit dem CO2-Emissionshandel realisiert werden.

Im Rahmen der Mitgliederversammlung verabschiedeten die Mitglieder dasArbeitsprogramm des Forum für Zukunftsenergien e. V. für das kommen-de Jahr und entlasteten den Vorstand.

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Ein Jahr Energiewende - Erfahrungsberichte

Fast genau ein Jahr nachdem die Bundesregierung mit dem Kernenergie-Moratorium die „Energiewende“ einleitete, fand am 28. März 2012 inBerlin das Energieforum 2012 statt. Vertreter der Energieversorger, der Netzbetreiber sowie der energieintensiven Industrien berichtetenüber ihre Erfahrungen in diesem Zeitraum und diskutierten über nächste Schritte zur weiteren Realisierung des Transformationsprozesses.

Der Kuratoriumsvorsitzende des Forum für Zukunftsenergien e.V., Dr.Tessen von Heydebreck, erinnerte daran, wie abrupt und unter welchenUmständen die Energiewende vollzogen wurde. Es seien Entscheidun-gen getroffen worden ohne konkrete Vorstellungen z.B. darüber, wie dieVersorgungssicherheit gewährleistet oder die finanziellen Belastungen derTransformation gemeistert werden könnten. Dr. von Heydebreck stelltefest, dass diese Fragen auch heute noch nicht hinlänglich beantwortetund in der Zwischenzeit weitere Detailfragen hinzugekommen seien.

Der Präsident der Bundesnetzagentur und Kurator des Forum für Zukunfts-energien e.V., Jochen Homann, konstatierte, dass die Energiewendeinzwischen in der Bevölkerung angekommen und deutlich geworden sei,dass es um einen fundamentalen Umbau der Versorgungsstrukturen geheund nicht nur um den bloßen Ausstieg aus der Kernenergie. Für dasVorhaben gebe es einen gesellschaftlichen Konsens. Allerdings hättensich seiner Beobachtung nach einige entscheidende Akteure zurückge-zogen, so dass verschiedene Projekte oder etwa die notwendige Gebäude-sanierung nur langsam voran schritten und auch die erforderliche Akzep-tanz für den Netzausbau noch immer nicht erreicht worden sei.

Gleichzeitig sei inzwischen deutlich geworden, dass dieses Generationen-projekt sehr viel Zeit benötige und Probleme aufwerfe, die nicht schnelldurch einfache Gesetzesänderungen zu lösen seien. Der häufig gestell-ten Forderung nach einem zentralen Projektmanagement begegnete ermit Skepsis. Seiner Einschätzung nach bleibe am Ende nichts anderesübrig, als immer wieder zu diskutieren und Kompromisse zu suchen. Teil

dieses Prozesses sei das Monitoring derEnergiewende. Die Bundesnetzagentur wer-de hier der ihr übertragenen Aufgabe nach-kommen und eine entsprechende Geschäfts-stelle einrichten. Homann plädierte dafür, dasEnergieversorgungssystem als Ganzes zubetrachten. Seiner Meinung nach passe esnicht zusammen, wenn norddeutsche Bun-desländer sich zum Windstromexporteurentwickeln möchten, während gleichzeitigsüddeutsche Länder ihre Energieautarkieplanten.

Mit Hinweis auf die strenge Frostperiode Mitte Februar 2012 und die indieser Zeit nur mit Mühe gewährleistete Versorgungssicherheit verspracher eine genaue Ursachenanalyse. Seines Erachtens seien Gaslieferungund Stromerzeugung nicht optimal aufeinander abgestimmt.

Als Nadelöhr der Energiewende identifizierte Homann den Netzausbausowohl auf der Übertragungs- als auch auf der Verteilebene. Deshalb seiein nächster wichtiger Schritt die Fertigstellung des Netzentwicklungs-planes. Es sei geplant, diesen im Sommer 2012 vorzulegen und mit derZivilgesellschaft zu erörtern. Die Hoffnung aller Beteiligten sei darauf ge-richtet, auf diesem Weg die notwendige Akzeptanz bei der betroffenenBevölkerung und gleichzeitig die Beschleunigung des Ausbaus zu ge-währleisten. Sobald die Rahmenbedingungen festgelegt sind, bleibe es

2. Energieforum 2012

Das Energieforum ist der öffentliche Teil

der jährlichen Kuratoriumssitzung unter

dem Vorsitz von Dr. Tessen von Heyde-

breck. Es bietet eine Plattform für das

jährliche Schwerpunktthema des Forum

für Zukunftsenergien e.V. unter Beteili-

gung hochrangiger Mitwirkender und mit

breit angelegter Diskusssion.

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jedoch allein die Aufgabe der Netzbetreiber, die Netze zu bauen und zufinanzieren. Homann bekundete die Einschätzung, dass es zahlreicheInvestoren gebe, die über die dafür erforderlichen finanziellen Mittel ver-fügten und sich für die gewährten Renditen interessierten.

Der Vortrag von Homann war der Auftakt für eine Podiumsdiskussionunter der Moderation des Vorstandsvorsitzenden des Forum für Zukunfts-energien e.V., Dr. Werner Brinker (Vorstandsvorsitzender, EWE AG) mitden Vertretern der Energieversorger Sven Becker (Sprecher der Ge-schäftsführung der Trianel GmbH) und Dr. Leonhard Birnbaum (Mitglied

des Vorstands der RWE AG) sowie dem Vertreter der energieintensivenIndustrie Wilfried Köplin (Leiter Konzern-Energiepolitik, Bayer AG), diealle auch dem Kuratorium des Forum für Zukunftsenergien e.V. angehö-ren. Außerdem zählten Dr. Christian Schneller vom Übertragungsnetz-betreiber TenneT TSO GmbH (Leiter Recht und Public Affairs) und CasparBaumgart vom Verteilnetzbetreiber WEMAG AG (Vorstand) zu den Disku-tanten. Im Fokus der Debatte standen die Themenblöcke Investitionen inKraftwerkskapazitäten und Strommarktdesign, Ausbau des Stromnetzes,Sicherung des Industriestandortes Deutschland, Energieeffizienz, dereuropäische Kontext und erneuerbare Energien.

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48. Sitzung

Wie geht es weiter mit den Instrumenten des Kyoto-Protokolls?

Zwei Monate vor Beginn der UN-Klimaschutzkonferenz in Durban diskutierte am 28. September 2011 in Berlin der Arbeitskreis Zukunfts-energien die Frage, wie es mit den Instrumenten des Kyoto-Protokolls weitergehen soll.

Die Position der australischen Regierung stellte der australische BotschafterPeter Tesch vor. Er betonte, dass das Kyoto-Protokoll auf einer Moment-aufnahme der Welt im Jahr 1992 basiere und deshalb als Verhandlungs-basis für eine zukünftige Klimaschutzpolitik nicht unbedingt geeignet sei.Ferner unterstrich er, dass alle Länder mit hohen CO2-Emissionen diesereduzieren müssten. Australien werde sich deshalb nur unter der Voraus-setzung, dass alle größeren Emittenten einer rechtlichen Vereinbarungzustimmen, an einem zweiten Verpflichtungszeitraum beteilen. Der Bot-schafter verwies auch auf den von der australischen Regierung angekün-digten Clean Energy Future Plan, wonach ab Juli 2012 CO2-Emissionenmit Preisen belegt werden sollen. Tesch ging davon aus, dass die Rege-lungen des Kyoto-Protokolls bestehen bleiben, unabhängig davon, ob eseine zweite Verpflichtungsperiode gibt.

MinDir Dr. Urban Rid (Abteilungsleiter „Klimaschutz, Erneuerbare Ener-gien, Internationale Zusammenarbeit“, Bundesumweltministerium) erläuter-te, dass die Bundesregierung in Durban das Ziel einer zweiten Verpflich-tungsperiode mit bestimmten Auflagen verfolgen werde, allerdings im Be-wusstsein, dass dies schwer zu erreichen sein wird. Im Falle eines nega-tiven Verhandlungsergebnisses müssten Ideen für ein so genanntes Über-gangsregime für die Zeit bis zu einer Einigung entwickelt werden.

Einen aktuellen Überblick über den Umfang der Anwendung der Instrumen-te des Kyoto-Protokolls vermittelte Dr. Roland Geres (Geschäftsführer,FutureCamp Holding GmbH). Er beschrieb den „Kyoto-Mechanismus“ CDM(analog JI) als nicht perfekt – aber als einzigen funktionierenden, existie-

renden globalen Mechanismus zur Bepreisungvon CO2-Emissionen. Nach seiner Einschät-zung liegt eine Fortführung des CDM im Inte-resse aller Schwellen- und Entwicklungslän-der. Sektorale Mechanismen seien wün-schenswert, bedürften jedoch einer Konkreti-sierung, z.B. bzgl. spezifischer Mindestanfor-derungen und sektoraler Caps. Ferner plä-dierte er für eine Weiterentwicklung und Ver-besserung des CDM und warnte vor der Be-schädigung der bestehenden Mechanismen.

Dr. Claus Beckmann (Communications and Government Relations, BASFSE) konkretisierte die Folgen einer Verlängerung oder eines Auslaufensdes Kyoto-Protokolls. Er bewertete CDM/JI- Projekte als unbedingt nütz-lich für den Klimaschutz. Mit Blick auf die Frage, wie es mit diesen Instru-menten weitergehen könnte, verwies er auf große Unsicherheiten bzw.die fehlende politische Perspektive und ihre Folgen für den Markt. Eineeinseitige Verlängerung des Kyoto-Protokolls durch die EU bewertete erals problematisch. Vor diesem Hintergrund forderte er von der Politik kla-re, verlässliche und langfristige Randbedingungen für CDM-Projekte so-wie eine Festlegung globaler Baselines für die Emissionsminderungs-techniken.

Abschließend erläuterte die Bundestagabgeordnete und Vorsitzende desBundestag-Umweltausschusses, Eva Bulling-Schröter (Die Linke), denaktuellen Stand der Diskussion im Ausschuss zu diesem Thema.

3. Arbeitskreis Zukunftsenergien

Der Arbeitskreis Zukunftsenergien

findet im Vorfeld parlamentarischer

Entscheidungungen statt. Ein aktuel-

les Thema der Energiepolitik, -

wirtschaft oder -technologie wird unter

verschiedenen Aspekten behandelt

und mit Mitgliedern des Deutschen

Bundestages diskutiert. Vorsitzender

ist Dr. Frank-Michel Baumann (Ge-

schäftsführer, EnergieAgentur.NRW).

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49. Sitzung

Die deutsche Energiewende und die europäische Energiepolitik – wie passen sie zusammen?

Mit der Frage, inwiefern die aktuelle deutsche Energiepolitik mit der europäischen Energiepolitik kompatibel ist, beschäftigte sich der Arbeits-kreis Zukunftsenergien in seiner Sitzung am 23. November 2011 unter der Moderation der Geschäftsführerin Dr. Annette Nietfeld.

Der Kurator des Forum für Zukunftsenergien e.V. undehemalige, langjährige Abgeordnete des EuropäischenParlaments, Dr. Rolf Linkohr, beschrieb eingangs dieKompetenzverteilung zwischen der europäischen undden nationalen Energiepolitiken. Demzufolge gibt esseit dem Vertrag von Lissabon eine geteilte Verant-wortung: Während die einzelnen Mitgliedstaaten überdie Zusammensetzung ihres Energiemix entscheiden,besitzt die EU die Zuständigkeit für den Energiemarkt,die Sicherheit der Energieversorgung, die Energie-effizienz und die Erneuerbaren Energien. Der ange-strebte europaweite Netzausbau führe allerdings zueinem erhöhten Abstimmungsbedarf der nationalenEnergiepolitiken auch bezüglich des Energiemix. Des-halb habe der von Deutschland im Alleingang gefass-te Beschluss zur Energiewende zahlreiche Mitglied-staaten irritiert.

Die Durchsetzungskraft der EU bewertete Dr. Linkohr als gering. EU-Richtlinien verpflichteten die Mitgliedstaaten zwar zu bestimmten Maß-nahmen, es sei jedoch schwer bis unmöglich, deren Einhaltung tatsäch-lich auch zu erzwingen. Zudem führe die Vielfalt an europäischen Zielendazu, dass das europäische Energiesystem überbestimmt sei. Da es kei-ne eindeutige Lösung für alle Eventualitäten geben könne, genüge esseiner Meinung nach, die Richtung vorzugeben und den Bezug zur Wirk-lichkeit, etwa zur Finanzkrise oder zum möglichen Scheitern der interna-tionalen Klimapolitik, herzustellen.

Auch Dr. Oliver Geden (Senior Researcher, Stiftung Wissenschaft undPolitik) betrachtet die deutsche Energiewende im Alleingang skeptisch.Seiner Meinung nach überschätzten Parteien und Medien die nationalenGestaltungsspielräume deutlich. Die deutsche Versorgungssicherheit beiStrom und Gas sei am effizientesten mit einer weiteren Integration desEnergiebinnenmarkts zu erreichen, und Importe aus Nachbarstaaten sei-en dabei nicht per se als problematisch zu bewerten. Er wies darauf hin,dass das Ende der Kernenergiestrom-Produktion in Deutschland nichtgleichbedeutend mit dem Ende des Verbrauchs von Kernenergiestrom inDeutschland sei und prognostizierte, dass dieses Thema in einigen Jah-ren erneut zum Gegenstand (partei)politischer Auseinandersetzungen wer-de. Auch sei ein eigenständiges deutsches Klimaschutzziel nicht notwen-dig, da die gesamte europäische Stromproduktion in den EU-Mitglied-staaten dem gemeinsamen Emissionshandel unterworfen sei, in dessenRahmen ab 2013 keine nationalen Ziele, sondern lediglich ein gesamt-europäisches Ziel gelten. Geden kommt zu dem Schluss, dass Deutsch-land verstärkt auf eine Veränderung des europäischen Rechtsrahmenssetzen müsse, wenn die Energiewende zum Erfolg geführt werden solle.

Aus der Sicht eines Unternehmens, das nicht nur national, sonderneuropaweit und auch darüber hinaus tätig ist, beschäftigte sich Dr. VolkmarPflug (Leiter „Market and Competitive Intelligence“, Siemens AG) mit derFrage, wie das Zusammenspiel der nationalen und europäischen Energie-politik optimiert werden könne. Die 27 EU-Mitgliedsstaaten hätten zwargemeinsame Klimaschutzziele und damit verbunden auch Ziele für denZubau erneuerbarer Energien festgelegt. Aber aufgrund der individuellennationalen Energiepolitiken sei das Bild in den einzelnen Ländern sehr

Dr. Oliver Geden

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heterogen. Das Beispiel Deutschland zeige, dass einzelne Nationen zwarerfolgreich agieren könnten, mit Blick auf die volkswirtschaftlichen Kos-ten jedoch ein großer Abstimmungsbedarf zwischen der nationalen undder europäischen Ebene existiere. Um auch auf europäischer Ebene dieKlimaschutzziele zu erreichen, müsse man die Stärken der einzelnen Län-der für ein europaweites Energiesystem in den Vordergrund rücken, in-dem man z.B. in den südlichen Ländern die Solarenergie und an derNordsee die Windenergie verstärkt nutze.

Für Andreas Kuhlmann (Bundesverband der Energie- und Wasserwirt-schaft e. V.) ist die Verzahnung von europäischer mit nationaler Energie-politik für den effizienten Umbau der Energieversorgung in Zukunft vonentscheidender Bedeutung. So müsse z.B. die Suche nach einem lang-fristig ausgelegten europäischen Marktdesign stärker in den Vordergrundder Überlegungen rücken. Er bedauerte es sehr, dass dieser Sachverhaltin der deutschen energiepolitischen Debatte lediglich eine untergeordne-te Rolle spiele und stattdessen Themen wie „energieautarkes Deutsch-land“ in einzelnen Bundesländern und Kommunen Konjunktur hätten.Kuhlmann vertrat die Auffassung, dass die vermeintlichen Vorteile einer

solchen deutschen Energiepolitik nicht dauerhaft nationalisiert und dabeidie Probleme europäisiert werden könnten. Wenn Politik wirklich „Energie-autarkie“ wolle, habe das weitreichende Konsequenzen. Er forderte, dieDebatte darüber rasch zu führen und mögliche Varianten auf ihre Kom-patibilität mit den europäischen energiewirtschaftlichen Rahmen-bedingungen hin zu prüfen. Außerdem sprach sich Kuhlmann dagegenaus, europäische Richtlinien in einer Form umzusetzen, die über die eu-ropäischen Zielsetzungen hinausgeht, wie das zurzeit im Fall der Industrie-emissions-Richtlinie von den Politikern diskutiert werde. Schließlich führ-te er zum Thema „Energieaußenpolitik“ aus, dass auch diesbezüglicheuropäischer gedacht werden müsse und bemängelte, dass eine ent-sprechend intensive Debatte in Deutschland zurzeit nicht erkennbar sei.Eine europäische Energieaußenpolitik müsse Rahmenbedingungen fürden Zugang zu Rohstoffquellen, die Absicherung von Transitwegen undeine vorausschauende und lastengerechte Klimapolitik schaffen.

Auf der Grundlage der Referate diskutierten anschließend die Mitgliederdes Deutschen Bundestages Dr. Martin Schwanholz (SPD), Klaus Breil(FDP) und Ingrid Nestle (Bündnis 90/Die Grünen).

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50. Sitzung

Wie sollte die Grundlaststromversorgung gesichert werden?

Aufgrund der Beschlüsse zur Energiewende sind Diskussionen über Netzstabilität, Versorgungssicherheit und mögliche Änderungen desStrommarkt-Design entbrannt. Das Forum für Zukunftsenergien e.V. hat diese Debatte anlässlich der Sitzung des Arbeitskreises Zukunfts-energien am 29. Februar 2012 in Berlin aufgenommen und weiter geführt.

Wolfgang Neldner hat im Auftrag der IG BCE eine Studie zur Problematikder Netzstabilität erstellt, deren Ergebnisse er präsentierte. Da aufgrundder zunehmenden Mengen an EE-Strom konventionelle Kraftwerke zu-künftig immer weniger netzstabilisierend wirken, schlug er einen „Must-Run-Sockel“ als so genannten „Netzstabilisator“ vor. Dieser soll auf recht-licher und unternehmerisch berechenbarer Grundlage vorrangig zur Fre-quenz- und Spannungserhaltung und so zur Bewahrung der Systemstabi-lität beitragen. Dabei komme es nicht auf den Anlagentyp an, sonderndarauf, dass der Ausgangs(brenn-)stoff stets gesichert verfügbar ist. DerRobustheits- und Schutzcharakter für das Gesamtsystem ergebe sichdurch das geforderte Vorhandensein rotierender Massen, die wie einschwungradmäßiger Kurzzeitspeicher dem System ein größeres Behar-rungsvermögen zur Erhaltung oder Wiedererlangung der Stabilität verlie-hen. Weitere Kriterien seien die gesicherte Aufruf- und Startbereitschaft,die situationsgerechte und unverzögerte Leistungs- und Spannungs-Be-reitstellung, einschließlich anforderungsgerechter Änderungsgeschwindig-keiten. Neldner sprach sich für Incentive-Systeme in Abhängigkeit vonTeilnahme und Bewertung aus, u.a. durch vorrangige Einspeisung ge-genüber anderem Strom, auch aus erneuerbaren Energien und KWK.Das Modell sei zu befristen, bis für stromintensive Industrien und Netz-stabilität ausreichende Stromspeicher bereit stehen.

Prof. Dr. Justus Haucap (Duesseldorf Institute for Competition Economics,Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und damaliger Vorsitzender derMonopolkommission) ist im Auftrag der RWE AG der Frage nachgegan-gen, ob aufgrund der Energiewende zukünftig in Deutschland ein Kapa-

zitätsmarkt für Strom erforderlich und wie dieser im europäischen Kontextzu bewerten sei. Er kam zu dem Schluss, dass die Notwendigkeit einesKapazitätsmarktes sich - wenn überhaupt - nur aus einer isolierten Be-trachtung der Situation in Deutschland ergebe und prognostizierte fürdiesen Fall zahlreiche Probleme, wie z.B. die Gefahr von Mitnahmeeffektenzu Lasten der Stromkunden oder Steuerzahler. Auch unterstrich er, dasseine isolierte Einführung von nationalen Kapazitätsmechanismen die Ideeeines europäischen Binnenmarktes konterkariere.

Dr. Ingo Luge (Vorstandsvorsitzender, E.ON Energie AG und Kurator,Forum für Zukunftsenergien e.V.) betonte, dass in Zentralwesteuropa einstruktureller Engpass an Kraftwerkskapazitäten in den nächsten Jahrennicht erkennbar sei und deshalb aktuell keine Notwendigkeit für die Einfüh-rung eines Kapazitätsmarktes bestehe. Jedoch seien nach dem Kern-energieausstieg mögliche innerdeutsche Engpässe beobachtbar. E.ONvertrete die Position, dass Energiemärkte soweit wie möglich wettbewerb-lich ausgestaltet werden und Kapazitätsmärkte nur dann eingeführt wer-den sollten, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet ist. Werde dieserkennbar, sei ein harmonisierter, technologieneutraler europäischer An-satz wünschenswert. Darüber hinaus sollten die erneuerbaren Energienlangfristig in den Markt integriert und die Netze auf internationaler undnationaler Ebene entsprechend des Transportbedarfs ausgebaut werden.

Die geplante Podiumsdiskussion mit Abgeordneten des Deutschen Bun-destages fiel aufgrund einer kurzfristig angesetzten „Aktuellen Stunde“des Parlaments aus.

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51. Sitzung

Aufbruch in eine neue Energiewelt - Welche Eckpfeiler sind notwendig?

Der Arbeitskreis Zukunftsenergien setzte sich am 25. April 2012 in Berlin mit der Frage auseinander, welche Voraussetzungen zum Gelingender Energiewende erfüllt sein müssen. Aspekte der Akzeptanz und Kommunikation, der Neuordnung des Energiewirtschaftsrechts und derProjektsteuerung wurden erläutert.

Thomas Wimmer (Geschäftsführer, Hill+Knowlton Strategies GmbH) be-schrieb, in welcher Art und Weise sich die Kommunikation zwischen denAkteuren verändern muss, um die Akzeptanz für die Folgen der Energie-wende zu steigern. Er kam zu dem Schluss, dass sich die bisherigen Dis-kussionen und Betrachtungen zur Energiewende zu sehr an dem Aspekt„Sieger und Verlierer“ orientierten. Zukünftig müssten alle Akteure einge-bunden und so für eine Gestaltungsdiskussion gewonnen werden. DieGrundlage „Vertrauen“ könne nur durch transparentes Handeln und eineoffene Kommunikation der eigenen Interessen entstehen. Die Spracheund Kommunikation müsse weniger technisch geprägt sein und auch denNutzen der Veränderungen für die Beteiligten hervorheben.

Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Jürgen Säcker (Direktor des Instituts für deut-sches und europäisches Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungs-recht, FU Berlin) zeigte sich skeptisch bezüglich einer Neuordnung desEnergierechts. Juristen könnten erst tätig werden, wenn die Politik einenin sich stimmigen Zielkanon definiert habe, was zurzeit nicht der Fall sei.Er verwies auf die fehlende Stringenz innerhalb der nationalen Politik so-wie zwischen der nationalen und europäischen Energiepolitik. Bis an ein„Energierecht aus einem Guss“ gedacht werden könne, vergingen wahr-scheinlich zwanzig Jahre. In diesem Zusammenhang erinnerte er an dielangen und ergebnislosen Bemühungen um ein Umweltgesetzbuch.

Viele Akteure fordern zur Umsetzung der Energiewende eine Projektsteu-erung durch einen zentralen Koordinator. Wie diese organisiert werdenkönnte, untersuchte Prof. Dr. Georg Erdmann (Leiter Fachbereich Energie-

systeme, TU Berlin). Er ist Mitglied einer Kommission aus Energieexperten,deren Aufgabe es ist, den Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ imAuftrag der Bundesregierung zu begleiten. Zu bedenken gab er, dass imFalle der Berufung eines zentralen staatlichen Koordinators die MärkteKompetenzen abgeben und Interessensverbände die staatliche Führungakzeptieren müssten. Weiterhin sei zu klären, ob der Staat überhaupt diefachlichen und finanziellen Kompetenzen dafür besitze. Die Aufgaben-stellung des Begleitkreises beschrieb er wie folgt: Überprüfung der Umset-zung des Maßnahmenprogramms ‚Der Weg zur Energie der Zukunft‘ unddes Energiekonzepts einschließlich der darin enthaltenen Ziele für einenachhaltige Energieversorgung, um bei Bedarf nachsteuern zu können.Konkret gehe es um die Bewertung der von den Bundesressorts jährlichvorzulegenden Monitoring-Berichte, die an Hand von quantitativen Größenund tabellarischen Übersichten den erreichten Fortschritt und den Umset-zungsstand der ca. 160 Maßnahmen dokumentieren sollen. Darüber hin-aus werde es alle drei Jahre einen Fortschrittsbericht der Ressorts gebenmit einer tiefergehenden Analyse und Bewertung des Erreichten, der Hemm-nisse und der daraus resultierenden Anpassungen. Die Stellungnahmendes Begleitkreises werden Bestandteil der Monitoring-Berichte.

In der anschließenden Diskussion mit den Mitgliedern des Deutschen Bun-destages Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU), Klaus Breil (FDP), Ralph Lenkert(Die.Linke) und Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) unter der Mode-ration des ehrenamtlichen Vorsitzenden des Arbeitskreises, Dr. Frank-Michael Baumann (Geschäftsführer, EnergieAgentur.NRW), stand die Fra-ge nach einer Koordination der politischen Instrumente im Fokus.

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4. Arbeitskreis Energie & Verkehr

10. Sitzung

Wasserstoff und Brennstoffzelle - Die bessere Elektromobilität?

Die Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Wasserstoff einerseits und der Brennstoffzelle andererseits für die Mobilität der Zukunftstand im Mittelpunkt der Sitzung des Arbeitskreises Energie & Verkehr am 30. November 2011 in Berlin. Zwei inhaltlich konträre Impulsreferatebildeten die Grundlage für eine Podiumsdiskussion mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

Der ehrenamtliche Vorsitzende des Arbeits-kreises Energie & Verkehr, Dirk Inger (Lei-ter der Unterabteilung „Klima- und Umwelt-schutzpolitik“ im Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung), steckte dasSpannungsfeld des Themas wie folgt ab: DieAusgestaltung zukünftiger und nachhaltigerMobilität verlange Diskussion und Konsens-suche zwischen den gesellschaftlich relevan-ten Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Wis-

senschaft. Dabei seien die Zielsetzungen auch für den Verkehrsbereichklar umrissen: CO2-Emissionen müssen reduziert und fossile Energieträ-ger durch erneuerbare Energiequellen perspektivisch ersetzt werden. DieSicherung der Kraftstoffversorgung, die Bezahlbarkeit von Mobilität unddie Kundenakzeptanz seien gleichzeitig zu gewährleisten. Die Elektrifizie-rung der Antriebe werde insbesondere für den Straßenverkehr und fürzukünftige Mobilitätskonzepte eine bedeutende Rolle spielen. Brennstoff-zellen-, Batterie- und Plug-In-Hybridfahrzeuge stünden vor der Marktein-führung. Gleichzeitig konkurrierten Batterie- und Brennstoffzellentech-nologie um Forschungsmittel und öffentliche Aufmerksamkeit. Sinn undUnsinn der einen wie auch der anderen Technologie würden intensiv, oftemotional diskutiert.

Zwei inhaltlich konträre Impulsreferate schufen die Basis für die Diskussi-on: Kritisch gegenüber der Nutzung von Wasserstoff und Brennstoffzellenäußerte sich der Vorstandsvorsitzende der BP Europe SE, MichaelSchmidt. Seiner Einschätzung nach werden im Transportsektor auch zu-künftig Öl und Biokraftstoffe den Markt beherrschen. Der Verbrennungs-motor sei dabei mindestens ebenso High Tech wie seine Alternativen,insbesondere in Hinblick auf das Kriterium Effizienz. BP habe sich in derVergangenheit ernsthaft mit Wasserstoff und Elektromobilität auseinan-dergesetzt, habe aber berechtigte Fragen und im Fall von WasserstoffVorbehalte gegenüber diesen Antriebsmöglichkeiten. Schmidt sprach sichfür einen Dreiklang von Nachhaltigkeit, Bezahlbarkeit und Ver-fügbarkeitals Grundlage für eine CO2-arme Mobilität der Zukunft aus und fordertevon der Bundesregierung Technologieoffenheit bei zukünftigen Entschei-dungen. Außerdem mahnte er mit einem Verweis auf den Kraftstoff E10an, die Verbraucher nicht aus den Augen zu verlieren. Aus der Sicht vonBP werde sich hinsichtlich der zukünftigen Kraftstoffe eine Kombinationaus Energieeffizienzverbesserungen, einschließlich verstärkter Hybridi-sierung, sowie energiedichter und nachhaltiger Biokraftstoffe durchset-zen. Allein dies seien überzeugende und wirtschaftlich vorteilhafte Antwor-ten auf die Frage nach CO2-ärmeren Straßenverkehrslösungen.

Wichtige Problemfelder der Verkehrspolitik

sind mit dem Thema Energie eng verknüpft.

Im Arbeitskreis Energie & Verkehr wird die

vorparlamentarische Debatte kontrovers mit

Abgeordneten des Deutschen Bundestages

geführt. Vorsitzender ist Dirk Inger (Leiter der

Unterabteilung „Klima- und Umweltschutz-

politik“ im Bundesverkehrsministerium).

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Peter Fröschle (Strategische Energieprodukte und Marktentwicklung, Daim-ler AG), dessen Unternehmen sich für die Produktion von Brennstoffzellen-fahrzeugen entschieden hat, stellte im zweiten Referat heraus, dass sei-ner Einschätzung nach Elektrofahrzeuge mit Batterie und Fahrzeuge mitBrennstoffzelle diejenigen Antriebstechnologien darstellten, durch derenEinsatz das EU-Ziel einer bis zu 95% CO2-Minderung in 2050 zu errei-chen ist. Kleinere Elektrofahrzeuge mit Batterie seien aufgrund ihrer Lauf-leistung am besten für den urbanen Verkehr geeignet. Plug-in-Hybrid-Technik und Brennstoffzellenantriebe böten sich als Antriebe für mittel-große und große Fahrzeuge an, die größere Distanzen zurücklegen. AuchBusse und City-Lieferverkehre ließen sich damit realisieren. Er berichte-te, dass die technischen Hürden, Sicherheitsaspekte und Kunden-

freundlichkeit mehr als 15 Mio. km auf den Straßen überprüft wordenseien und folglich Brennstoffzellenfahrzeuge nunmehr Marktreife erlangthätten. Nach Einschätzung von Fröschle besitzt die Brennstoffzellen-technologie ein großes Potenzial für eine signifikante Kostenreduktionmit Skaleneffekten als Haupttreiber. Eine flächendeckende Wasserstoff-Infrastruktur solle in Deutschland bis 2020 aufgebaut und ein Großteil desWasserstoffs dabei aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden.

In der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Moderation von DirkInger diskutierten die Bundestagsabgeordneten Steffen Bilger (CDU/CSU),Ute Kumpf (SPD), Werner Simmling (FDP) und Dr. Valerie Wilms (Bünd-nis 90/Die Grünen).

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Um die nationalen CO2-Einsparungsziele zu erreichen, ist zukünftig auch beim Schienenverkehr die Versorgung mit Strom aus erneuerbarenEnergien erforderlich. Wie die Umstellung der Stromversorgung konkret aussehen könnte und welche Hürden derzeit und künftig zu nehmensein werden, wurde im Rahmen des Arbeitskreises Energie & Verkehr am 25. Januar 2012 in Berlin diskutiert.

11. Sitzung

Erneuerbare Energien auf die Schiene - Wie?

Der ehrenamtliche Vorsitzende des ArbeitskreisesEnergie & Verkehr, Dirk Inger (Leiter der Unter-abteilung „Klima- und Umweltschutzpolitik“ imBundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-entwicklung), verwies auf die zunehmende Be-deutung des Schienenverkehrs für den Transportvon Personen und Güter. Dafür müsse die Bahndie notwendige Energie beschaffen. Folglich hän-ge die Umweltbilanz des Verkehrsträgers Bahnentscheidend von der Herkunft des eingesetztenStrom ab. Aktuell weise der Bahnstrommix in etwaden gleichen Anteil an erneuerbaren Energienauf wie die allgemeine deutsche Stromerzeugung.Dieser lag im ersten Halbjahr 2011 erstmals über20%. Im Vergleich zu anderen Verkehrsträgernweise die Bahn damit den höchsten Anteil anerneuerbaren Energien auf. Zusätzlich habe die

Deutsche Bahn AG im Herbst 2011 angekündigt, den Anteil erneuerbarerEnergien bis zum Jahr 2020 auf 35% zu erhöhen und bis 2050 die Ver-sorgung komplett auf Strom aus regenerativen Quellen umzustellen.

Dr. Hans-Jürgen Witschke (Vorsitzender der Geschäftsführung der DBEnergie GmbH und Vorstandsmitglied des Forum für Zukunftsenergiene.V.) bezog zu dem Thema Stellung aus Sicht der Deutschen Bahn AG.Seiner Auffassung nach ist in Deutschland die Umstellung der Energie-

versorgung auf erneuerbare Energien grundsätzlich nur über Windener-gie zu erreichen, weil alternative Energieträger nicht ausreichend skalierbarbzw. in Mitteleuropa weitgehend ausgebaut seien. Die Politik forderte erauf, geeignete Rahmenbedingungen für einen geordneten Übergang zueiner Energieversorgung aus erneuerbaren Energien bereitzustellen. Dabeisei vor allem der Ausbau eines leistungsfähigen Übertragungsnetzes si-cherzustellen; die zur Diskussion stehenden Netzausbau- und Speicher-projekte seien stets objektiv und sachorientiert zu bewerten. Ziel müssees sein, wirtschaftlich international vergleichbare Rahmenbedingungenfür den Strombezug herzustellen und gleichzeitig die Versorgungssicherheitzu gewährleisten. Bemühungen in Bezug auf die Errichtung von Energie-speichern, verbesserte Einspeiseprognosen und einen verlustfreien Trans-port über große Entfernungen seien deshalb voranzutreiben. Dr. Witschkegab zu bedenken, dass die Umstellung des Verkehrsträgers Schiene auferneuerbare Energien nur dann vertretbar sei, wenn gleichzeitig dieWettbewerbsfähigkeit erhalten bleibe. Ein vollständig „grüner Bahnbetrieb“,der aufgrund des hohen Preises gerade auch vom Güterverkehr weniggenutzt werde, verspiele deshalb ökologische Vorteile. Zu beachten seischließlich, dass die im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern hohenSteuern und Abgaben den Bahnverkehr zusätzlich belasteten.

Das Fraunhofer IWES hat eine Analyse sowie Konzepte zur Erhöhungdes Anteils der regenerativen Energien am Bahnstrom ausgearbeitet. Derzuständige Projektleiter, Norman Gerhardt, stellte die Arbeitsergebnissevor. Demnach sei das Thema „Erneuerbare Energien auf der Schiene“

Dr. Hans-Jürgen Witschke

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vorrangig eine Frage des Bezugs von Ökostrom bzw. des Nachweiseseines zusätzlichen Umweltnutzens. Technisch bestünden zwei Möglichkei-ten: die eines direkten Anschlusses von EE-Anlagen an das Bahnstrom-netz oder der Bezug von EE-Strom über das öffentliche Netz. Nach Ein-schätzung von Gerhardt orientierten sich die Ziele der Deutschen BahnAG zur Steigerung des EE-Anteils sehr eng an den Freiheitsgraden derlangfristigen Bezugverträge zur direkten Einspeisung von konventionellemBahnstrom. Die relativen Mehrkosten für einen Bezug von Ökostrom seiengering, müssten aber vor allem in Hinblick auf die Wettbewerbssituationder DB Energie diskutiert werden. Gerhardt vertrat die Ansicht, dass übermögliche Sonderregelungen die Mehrkosten deutlich reduziert werdenkönnten.

Die beiden Impulsreferenten diskutierten ihre Thesen mit den Bundestags-abgeordneten Steffen Bilger (CDU/CSU) und Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) unter der Moderation von Dirk Inger. Im Mittelpunkt der De-batte standen u.a. zwei Fragen. Zum einen ging es um die Mehrkosten,die durch die Umstellung der Erzeugung auf die Nutzung erneuerbarerEnergien entstehen und deren Finanzierung. Zum anderen standenwettbewerbsrechtliche Themen und die Frage im Raum, wie auf Wettbe-werber, deren Bahnstrom einen höheren Anteil konventionell erzeugtenStroms aufweist und somit preiswerter ist, zu reagieren sei.

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12. Sitzung

Elektromobilität - Wie geht es weiter?

Im Rahmen der Sitzung des Arbeitskreises Energie & Verkehr wurde am 13. Juni 2012 eine Zwischenbilanz zum Thema „Elektromobilität“gezogen. Am Beispiel zweier regionaler Förderprojekte wurden bisherige Erfahrungen und Ergebnisse aufgezeigt. Die sich anschließendeDiskussion befasste sich mit der Frage, welche Entwicklungsschritte bisher vollzogen wurden und welche weiteren Pfade in der Zukunft zubeschreiten sind.

Dirk Inger (Leiter der Unterabteilung„Klima- und Umweltschutzpolitik“ imBundesministerium für Verkehr, Bauund Stadtentwicklung sowie ehrenamt-licher Vorsitzender des ArbeitskreisesEnergie & Verkehr) verdeutlichte ein-gangs, dass der Beitrag des Verkehrs-sektors einen bedeutenden Anteil anden Maßnahmen zur Energiewendeumfasse und in diesem Zusammen-hang der Elektromobilität die Funktion

einer Schlüsseltechnologie zukomme. Allerdings hätten sich inzwischendie anfänglich euphorischen Erwartungen auf ein realistisches Niveau ein-gependelt. Die Bundesregierung arbeite daran, mit verschiedenen Förder-instrumenten das Thema verstärkt in das öffentliche Interesse zu rücken.So sei zunächst in den „Modellregionen Elektromobilität“ den Batterien derWeg geebnet worden. Mit dem Start des Folgeprogramms „Schaufenster“vor wenigen Wochen werde daran angeknüpft. In einem Wettbewerbs-verfahren seien vier Regionen ausgewählt worden, in denen aufgezeigtwerden soll, wie mittels Elektromobilität die Bereiche Energie, Fahrzeugund Verkehr als Gesamtsystem zusammengefügt werden und sich damitinnovative Lösungen ergeben könnten.

Der Geschäftsführer der Modellregion „Rhein-Ruhr 2.0“, Dr. Andreas Ziolek,bewertete das Programm „Modellregionen Elektromobilität“ des Bundes-verkehrsministerium als eines der größten und erfolgreichsten Demonst-rations- und Entwicklungsprogramme für diesen Sektor in Europa, even-tuell sogar weltweit. Die systematische Auswertung und Analyse der Projekt-ergebnisse zeige, dass effiziente und umfassende Strukturen, z.B. themen-spezifische Plattformen, zur weiteren Beförderung der Elektromobilitätgeschaffen worden seien. Dies gelte sowohl für die Zusammenarbeit derzahlreichen, an dem Programm konkret beteiligten Akteure aus Politik,Industrie und Wissenschaft als auch – und dies insbesondere – für eineVielzahl von Pilotanwendern und Multiplikatoren.

Die Ergebnisse aus den Modellregionen zeigten seiner Meinung nach über-einstimmend, dass die Elektromobilität aus eher kleinen, überwiegend ge-werblich genutzten Fahrzeugflotten heraus wachsen werde. Diese Tech-nik habe das Interesse der Akteure in diesen Bereichen geweckt und ihregrundsätzliche Einsatztauglichkeit nachgewiesen. Nach Einschätzung vonDr. Ziolek besteht die wesentliche Aufgabe nun darin, diese Ansätze, z.B.durch geeignete gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen, nach-haltig zu stützen und die technischen (z.B. Erhöhung der Reichweiten)und wirtschaftlichen (z.B. deutliche Senkung der Fahrzeugkosten) Her-ausforderungen anzugehen. Seinen weiteren Ausführungen zufolge bietet

Dr. Anton Hofreiter, Ute Kumpf, Dirk Inger

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die Elektromobilität die zentrale Grundlage zur Einführung signifikanterVersorgungsanteile der erneuerbaren Energien im Verkehrssektor in Formvon regenerativ erzeugtem Strom und Wasserstoff. Zur Hebung diesesPotenzials, insbesondere mit Blick auf die Möglichkeit der Energie-speicherung, gelte es, notwendige Infrastrukturmaßnahmen in der Ener-gie- und der Verkehrsinfrastruktur möglichst eng zu verzahnen.

Als Vertreter des Schaufensterprojektes „Living-Lab“ in Baden-Württem-berg bezog Franz Loogen Stellung: Das System der Elektromobilität seikomplex und verändere Fahrzeug-, Energie-, Informations- und Kommu-nikationstechnik sowie die Produktionsweise in einem vieljährigen Transfer-prozess. Hier stellten die Schaufensterprojekte einen weiteren Schritt darin die Zukunft der nachhaltigen, intermodalen Mobilität. Loogen verdeut-lichte, dass das Land Baden-Württemberg hierbei einer langfristigen Stra-tegie folge, indem es die regelmäßige regionale Zusammenarbeit der Re-

gionen/Gebietskörperschaften – auch auf europäischer Ebene - in die-sem Transferprozess fordere und stütze. Innerhalb dieses Prozesses sei-en seiner Einschätzung nach zuerst wirtschaftliche Geschäftsmodelle (fürFahrzeuge wie Ladeinfrastruktur) zu erarbeiten, und zwar auch im Rah-men der Forschung, denn die heutige F + E Förderung unterstütze nureingeschränkt die notwendige Validierung und den gewollten Stückzahl-anstieg von Fahrzeugen und Infrastruktur.

Auf der Grundlage dieser Erfahrungsberichte und Einschätzungen disku-tierten anschließend die Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek(CDU/CSU), Ute Kumpf (SPD), Judith Skudelny (FDP) und Dr. AntonHofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) unter der Moderation von Dirk Ingerdas Thema. Die Debatte zeigte zahlreiche Übereinstimmungen unter denverschiedenen Parteivertretern. Lediglich in Fragen der Gewährung ei-ner Kaufprämie wurden unterschiedliche Ansätze deutlich.

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5. Internationaler Energiedialog

Die deutsche Energiewende aus internationaler Sicht

Die deutsche Energiewende findet auf europäischer und internationaler Ebene viel Beachtung. Ulrich Benterbusch von der InternationalenEnergieagentur erläuterte am 23. April 2012 im Rahmen des Internationalen Energiedialoges in Berlin, inwiefern diese deutsche energie-politische Entscheidung Auswirkungen auf die unmittelbaren europäischen Nachbarn und ihre jeweilige Energiepolitik hat. Durch einen Ver-gleich mit der Energiepolitik Großbritanniens stellte er außerdem die Besonderheiten der deutschen Politik heraus.

Nach Einschätzung Benter-buschs (Internationale EnergieAgentur) seien sowohl das inter-nationale als auch das europäi-sche Interesse an der deutschenEnergiewende unverändert hoch.Hauptgrund hierfür sei die Tatsa-che, dass mit Deutschland diewichtigste Industrienation Euro-

pas den Übergang zu einer CO2-armen Energieversorgung ohne Kern-kraft wage. Der erfolgreiche Abschluss dieses Vorhabens sei keine Selbst-verständlichkeit, lasse aber lehrreiche Schlussfolgerungen erwarten – ge-rade auch für diejenigen Länder, die eine CO2-arme Energieversorgungzwar anstreben, dabei aber weiterhin auch auf Kernkraft setzen.

Benterbusch unterstrich die Bedeutung eines funktionierenden europäi-schen Strombinnenmarktes. Ohne ihn hätten verschiedene angespannteSituationen bei der Versorgungssicherheit im vergangenen Winter nichtso reibungslos gemeistert werden können, wie es geschehen ist. Auch aufdem weiteren Weg hin zu einer CO2-armen Energieversorgung in Europasei der europäische Strombinnenmarkt unverzichtbar.

Weiter betonte Benterbusch, dass auf den internationalen Energiemärktenin Bezug auf die zu erwartenden zukünftigen Entwicklungen große Unsi-cherheit herrsche – gerade auch mit Blick auf die Gewährleistung derStromversorgungssicherheit im Zeitalter der CO2-armen Erzeugung. Dabei

sei in Europa festzustellen, dass die deutsche Energiewende diese Ver-unsicherungen verstärke. Deshalb erwarteten die europäischen Akteurevon Deutschland neben dem bereits vorgelegten zeitlichen Rahmen für dieRealisierung der Energiewende einen konkreten Umsetzungsplan.

Wie sich andere Nationen den Übergang in ein CO2-armes Zeitalter vor-stellen, erläuterte Benterbusch anhand der Pläne von Großbritannien.

Aus Sicht der Internationalen Energieagentur sei dabei ins-besondere diezukünftige Rollenverteilung von „Staat“ und „Markt“ bei der Gestaltung derEnergiepolitik bemerkenswert. Großbritannien, das zwar traditionell für freieMärkte stehe, habe sich aber eindeutig zugunsten eines stärker regulie-renden Staates entschieden, um z.B. die Stromversorgung bei Spitzen-bedarf zu sichern oder wetterbedingte Schwankungen der erneuerbarenEnergien auszugleichen. Nun sei es interessant, welchen Weg Deutsch-land einschlagen werde.

Die Ausführungen von Benterbusch wurden im anschließenden Gesprächmit der Geschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien e.V., Dr. An-nette Nietfeld, vertieft.

Im Internationalen Energiedialog werden nationale

Entwicklungen im internationalen Kontext diskutiert,

oder umgekehrt die Bedeutung internationaler Ent-

wicklungen für die nationalen Zusammenhänge er-

örtert. Der Teilnehmerkreis ist dem Themenspektrum

angepasst: Nationale Stakeholder sowie Vertreter

internationaler Institutionen und Botschaften.

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Seltene Erden und Australien –Wie die weltweit steigende Nachfrage und die Versorgung ausgeglichen werden können

Im Rahmen des Internationalen Energiedialoges stand am 21. Mai 2012 die aktuelle und zukünftige weltweite Versorgungssituation mit selte-nen Erden im Fokus der Debatte. Mitglieder einer australischen Delegation erläuterten ihre Sicht der zukünftigen Entwicklung.

Anlass des Internationalen Energiedialoges war der Besuch einer austra-lischen Delegation aus der Branche der seltenen Erden in der Australi-schen Botschaft in Berlin. Dr. Chris Vernon, Mitglied der Delegation und„Research Program Leader“ bei der „Commonwealth Scientific andIndustrial Research Organisation (CSIRO)“ stellte in einem Impulsvortragdie weltweite Versorgungssituation mit seltenen Erden und deren zukünf-tige Entwicklung dar.

Den Ausführungen von Dr. Vernon zufolge dominiert China mit 37% derweltweiten Reserven zurzeit den globalen Markt der seltenen Erden. DieGründe hierfür lägen zum einen in den ökonomischen Bedingungen inChina, wie z.B. den geringen Lohnkosten, und niedrigen Umweltauflagen.Zum anderen habe aber auch die Nachlässigkeit des Westens zu dieserEntwicklung beigetragen, der es versäumt habe, neue Vorkommen zuerschließen. Daraus sei eine nachteilige Abhängigkeit gegenüber Chinaentstanden. Analysiere man die Entwicklung der Märkte für jedes einzel-ne Metall der seltenen Erden und berücksichtige man dabei, dass in denkommenden Jahren weitere Vorkommen außerhalb Chinas erschlossenwürden, sei zukünftig eine sehr differenzierte Entwicklung zu erwarten.

Für jene seltenen Erden, die für Plasmabildschirme, Leuchtmittel oderDauermagnete, z.B. für Windkraftanlagen, benötigt werden (Ytterium,Terbium, Europium, Dysprosium) – auch schwere seltene Erden genannt- wird eine steigende Nachfrage und eine damit einhergehendeKnappheitssituation prognostiziert. Die Versorgungssituation mit leichtenseltenen Erdelementen, die zurzeit zwar angespannt sei, werde sich inZukunft jedoch aufgrund der neu erschlossenen Lagerstätten außerhalbChinas entspannen. Dr. Vernon empfahl deswegen, auch weiterhin ver-stärkt neue Vorkommen zu erschließen und die Rückgewinnung dieserElemente mittels Recycling zu verstärken.

Da Chinas eigene Nachfrage nach seltenen Erden insgesamt ansteige,das Land jedoch kaum Vorkommen der zukünftig stark nachgefragtenseltenen Erden besitze, werde Chinas Dominanz auf dem Weltmarkt zu-künftig schwinden und das Land voraussichtlich zum Nettoimporteur die-ser speziellen seltenen Erden werden. Die Vorkommen in anderen Län-dern, wie z.B. Australien, würden damit an Bedeutung gewinnen.

Die Ausführungen von Dr. Chris Vernon bildeten die Grundlage für einanschließendes, vertiefendes Gespräch auf dem Podium mit Dr. DierkPaskert (Geschäftsführer der Rohstoffallianz GmbH) und Steve Mackowski(Technical Director, Hastings Rare Earths).

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6. European Energy Colloquium

Am 6. September 2011, einen Tag bevor die Europäische Kommission ihr Strategiepapier über die zukünftige externe Energiepolitik veröffent-lichte, beschäftigte sich das European Energy Colloquium unter dem ehrenamtlichen Vorsitz von Prof. Dr. Michael Köhler (Kabinettschef desEU-Kommissars Günther Oettinger) mit diesem Thema in Brüssel. Vertreter der Politikwissenschaft und der Energiewirtschaft gaben dabeiImpulse für die nachfolgende Podiumsdiskussion mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments und des Deutschen Bundestages.

5. EEC

Die europäische Energieaußenpolitik

Prof. Dr. Michael Köhler betonte, dass die Erar-beitung der Strategie zur europaweiten Energie-außenpolitik im Februar 2011 anlässlich desEU-Gipfels von den Staats- und Regierungs-chefs beschlossen worden sei. Ausgangspunktsei zum einen der aufgrund der steigendenNachfrage weltweit wachsende Wettbewerb umfossile Brennstoffe. Zum anderen müsse dieinternationale Zusammenarbeit vertieft werden,um Herausforderungen, wie z.B. Klimawandel,Sicherheitsproblemen sowie hohen und starkschwankenden Energiepreise, in Zukunft effek-tiver begegnen zu können.

Ein Ziel der Strategie bestehe darin, die die Energieversorgung betreffen-den Abkommen zwischen EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern transparen-ter zu gestalten und somit wechselseitig besser informiert zu sein. Fernerwerde Hilfe bei der Abstimmung der Politik gegenüber einzelnen Partner-ländern und der in internationalen Organisationen zu vertretenden Stand-punkte angeboten sowie die Förderung umfassender Energiepartner-schaften mit den wichtigsten Partnerländern angestrebt. Prof. Köhler hobhervor, dass es sich bei dem Papier nicht um eine geopolitische Strategiehandele. Vielmehr solle die externe Energiepolitik als eine Ergänzung derBinnenmarktpolitik verstanden werden.

Josef Janning (Director of Studies, European Policy Center) unterstrichdie Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik.Seiner Ansicht nach spricht die Nutzung der Markt- und Verhandlungs-macht der EU, die Diversifizierung der Versorger und Energieträger so-wie die Ausdehnung des Energie-Marktmodells der EU über den Kreis derMitgliedstaaten hinaus für eine gezielte Entwicklung einer europäischenEnergieaußenpolitik. Auch wenn dies aus der Perspektive einzelner Mit-gliedstaaten nicht vordringlich erscheine, da sie selbst über entsprechen-de Strukturen bzw. eine attraktive Marktposition verfügten, sieht er in einergemeinsamen Außenpolitik in Energiefragen einen erheblichen Mehrwert.

Nach Einschätzung von Janning betrachten andere relevante Akteure aufden Energiemärkten bzw. in der internationalen Politik, vor allem die raschwachsenden Schwellenmächte und die etablierten Weltmächte, Energie-politik als ein strategisches Element ihrer Außen- und Außenwirtschafts-politik. Die Europäer sollten ihre Positionen und ihren Einfluss in diesemBereich ebenfalls bündeln und nutzen, um dieses machtpolitische Kalkülim Sinne ihrer Interessen zu beeinflussen. Außerdem schaffe eine ge-meinsame europäische Energieaußenpolitik die Voraussetzungen für einhöheres Maß an Kohärenz und Effizienz, das notwenig sei, um z.B. Um-welt- und Klimaziele der EU auch international durchzusetzen.

Auch Dr. Frank Mastiaux (CEO E.ON International Energy) hält vor demHintergrund der globalen Wirtschafts- und Rohstofftrends einen gesamt-

Das European Energy Colloquium (EEC)

findet in Brüssel statt. Ein aktuelles Thema

der europäischen Energiepolitik wird im Vor-

feld der parlamentarischen Entscheidungen

diskutiert. Ziel ist es, die Interessen der deut-

schen Akteure der Energiepolitik den deut-

schen Vertretern in der EU nahe zu bringen.

Prof. Dr. Michael Köhler (Kabinettschef des

EU-Kommissars Günther Oettinger) ist Vor-

sitzender des EEC.

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europäischen, politischen Ansatz in der Energieaußenpolitik fürunverzichtbar. Die europäische Kompetenz in den Bereichen Energie-systeme, Technologie und ‘Sustainable Energy’ seien wichtige und wert-volle Elemente mit hohem Wert für Drittländer. Mit ihnen lassen sich sei-ner Einschätzung nach im Gegenzug Lieferbeziehungen auf- und aus-bauen. Die Politik solle hierfür den entsprechenden Rahmen setzen so-wie den Dialog und die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene för-dern. Die Industrie solle ihrerseits entsprechende Lieferbeziehungen undindividuelle Investitionsentscheidungen umsetzen, um auf die globalen He-rausforderungen zu reagieren.

Die Thesen von Josef Janning und Dr. Frank Mastiaux wurden in eineranschließenden Podiumsdiskussion mit dem Europaabgeordneten Hol-ger Krahmer (ALDE) sowie den Bundestagsabgeordneten Karl-GeorgWellmann (CDU/CSU) und Dorothée Menzner (Die Linke) erörtert.

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6. EEC

Finanzierungsinstrumente für den Ausbau der neuen europaweiten Energieinfrastruktur

Im Oktober 2011 legte die Europäische Kommission ihr „Infrastrukturpaket“ vor, das u.a. Vorschläge für die Finanzierung der geplantenInfrastrukturmaßnahmen enthält. Dieses Papier war Grundlage für das European Energy Colloquium am 08. November 2011 in Brüssel.

Der ehrenamtliche Vorsitzende des European Energy Colloquium, Prof.Dr. Michael Köhler (Kabinettschef des EU-Kommissars Günther Oettinger)stellte eingangs die Notwendigkeit und die inhaltliche Ausgestaltung derweit reichenden Kommissionspläne zum Infrastrukturausbau vor. Dabeiunterstrich er, dass der Ausbau von Gasfernleitungen und Stromnetzenden entscheidenden Schlüssel zur Erreichung der europäischen Klima-und Energieziele bilde. Insgesamt würden in den nächsten zehn Jahrenca. 200 Mrd. Euro für den Bau von Gasfernleitungen und Stromnetzenbenötigt. Das entspreche gegenüber dem Zeitraum 2000 – 2010 einerZunahme der Investitionen im Gasbereich um ca. 30% und im Strom-bereich um ca. 100%. Soweit zurzeit abzusehen, sei davon auszugehen,dass diese Investitionen nicht oder nicht rechtzeitig realisiert werden. AlsGründe dafür benannte er nur schleppend erteilte Baugenehmigungenund die fehlende Rentabilität einiger Investitionen.

Die EU-Kommission beabsichtige deshalb, eine Reihe von Projekten von„gemeinsamen Interesse“ auszuwählen. Für diese solle ein erleichtertes,schnelleres und transparenteres Genehmigungsverfahren gelten und EU-Mittel bereitgestellt werden. Für den Zeitraum 2014-2020 seien für dieEnergieinfrastruktur 9,1 Mrd. Euro in Form von Zuschüssen, projekt-bezogenen Anleihen oder Sicherheiten vorgesehen. An diese auszuwäh-lenden Projekte werde eine Reihe von Anforderungen gestellt. So müsstensie wirtschaftlich, sozial und ökologisch tragfähig sein und mindestenszwei Mitgliedstaaten einbeziehen. Darüber hinaus sollten sie dieVersorgungssicherheit stärken, die Marktintegration ermöglichen, denWettbewerb fördern, die Flexibilität des Systems gewährleisten und die

Übertragung der aus erneuerbaren Quellen stammenden Energie zu denZentren des Verbrauchs und den Speicherstandorten sicherstellen.

Die Auswahl der Projekte erfolge zunächst auf regionaler Ebene durcheine Regionalgruppe, anschließend treffe die EU-Kommission die endgül-tige Entscheidung über die EU-weite Liste der Projekte von gemeinsamenInteresse. Die erste Liste werde am 13. Juli 2013 beschlossen und dannalle zwei Jahre aktualisiert. Projekte dieser Liste würden in jedem Fall dasschnellere Genehmigungsverfahren in Anspruch nehmen und außerdemfinanzielle Zuschüsse beantragen können. Eine finanzielle Unterstützungkomme allerdings nur für solche Projekte in Frage, die sich nachweislichnicht selbst tragen können.

Im Falle einer Förderung finanziere die EU bis zu 50% der Kosten fürStudien und Arbeiten und unter außergewöhnlichen Umständen bis zu80% bei Projekten, die für die regionale oder EU-weite Versorgungs-sicherheit entscheidend sind, innovative Lösungen erfordern und bereichs-übergreifende Synergien liefern. Als Finanzierungsinstrumente kämenhierbei Aktieninstrumente (z.B. Investmentfonds) und Risikoteilungs-instrumente (z.B. Darlehen, Bürgschaften und projektbezogene Anleihen)in Frage.

Prof. Köhler geht davon aus, dass die entsprechende Verordnung Ende2012 vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat verab-schiedet wird und Anfang 2013 in Kraft tritt.

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Dr. Christian Schneller (Leiter Recht + Public Affairs, TenneT TSO GmbH)stellte die Herausforderungen des Höchstspannungsnetz-Ausbaus aus derSicht eines Übertragungsnetzbetreibers dar und bezog zu den Plänender Europäischen Kommission Stellung.

Auch er vertrat die Auffassung, dass der Netzausbau zukünftig bei Energie-versorgungssystemen der entscheidende Faktor mit immensem Kapital-bedarf sein werde. Allein im Offshore-Bereich in Deutschland sei TenneTInvestitionsverpflichtungen in Höhe von ca. 5 Mrd. Euro eingegangen,und weitere Investitionen in der Höhe von 9-11 Mrd. Euro in Deutschlandund den Niederlanden seien geplant. Die Dimension dieser Beträge wer-de deutlich, wenn ihr der Kaufpreis des Netzes in Höhe von 885 Mio.Euro gegenübergestellt werde.

Nach einem „A- mit Anmerkungen“-Rating der Agentur Standard & Poor’sund der Begebung von zwei Anleihen in Höhe von je 500 Mio. Euro imFebruar 2011 sei es wichtig, externe Eigenkapitalgeber zu akquirieren.

Ein entscheidender Faktor sei dabei die Eigenkapitalrendite. Mit Blick aufdie Regulierung machte er darauf aufmerksam, dass über die An-gemessenheit von Eigenkapitalrendite und Regulierungsrahmen der Marktentscheide. Aufgrund der entscheidenden Frage der Eigenkapital-finanzierung sah Dr. Schneller die von der Europäischen Kommissionvorgeschlagenen Finanzierungsinstrumente kritisch.

Die Ausführungen von Prof. Dr. Köhler und Dr. Schneller wurden im An-schluss mit den Abgeordneten des Europäischen Parlaments Herbert Reul(EVP) und Holger Krahmer (ALDE) unter der Moderation der Ge-schäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien e.V., Dr. Annette Niet-feld, diskutiert.

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7. EEC

Die EU Energy Roadmap 2050

Die Energy Roadmap der Europäischen Kommission stand am 07. März 2012 im Fokus des European Energy Colloquium. Auf der Grundlagevon Impulsreferaten aus zwei europäischen Nachbarländern diskutierten deutsche Abgeordnete des Europäischen Parlaments die vorgeleg-ten Szenarien.

Die europäische Energy Roadmap 2050 stellteOlivier Onidi (stellv. Kabinettschef des EU-Kom-missars Günther Oettinger) vor. Er vertrat kurz-fristig den erkrankten ehrenamtlichen Vorsitzen-den des European Energy Colloquium, Prof. Dr.Michael Köhler (Kabinettschef des EU-Kommis-sars Günther Oettinger). Onidi stellte dar, dassdie Europäische Kommission mit dem im De-zember 2011 vorgestellten Energiefahrplan ei-ner Aufforderung des Europäischen Rates nach-komme. Ein solcher sei notwendig, da die der-

zeitigen EU-Politikansätze und –Maßnahmen zurErreichung der Energie-2020-Ziele nicht ausrei-

chend seien, um das für 2050 angestrebte EU-Dekarbonisierungsziel von80-90 % gegenüber 1990 zu erreichen. Mit den Szenarien der EnergyRoadmap 2050 werden verschiedene Wege zur Zielerreichung analysiert.Insgesamt sei deutlich geworden, dass das Ziel der angestrebten C02-Emissionsreduktion erreichbar sei. Es bedürfe dazu jedoch entsprechendhoher Investitionen, Energieeinsparungen in allen Bereichen, eines er-heblichen Anstiegs des Anteils der erneuerbaren Energien, der Anwen-dung der CCS-Technologie und des Beitrages der Kernenergie bei mittel-fristig steigenden Preisen für Strom und Wärme für alle Verbraucher.

Kim Møller Mikkelsen (Danish Energy Association) identifizierte aus derSicht dänischer Investoren die Herausforderungen, die sich aus der EnergyRoadmap ergeben. Danach stellen Investitionen in neue Kraftwerks-kapazitäten, die aufgrund des überalterten europäischen Kraftwerksparksund des deutschen Kernenergieausstiegs erforderlich werden, eine we-sentliche Herausforderung dar. Während die Politik Investitionen in CO2-arme Technologien fordere, sprächen die Kohlenstoffpreise für Investitio-nen in fossile Kraftwerke. Mikkelsen plädierte deshalb dafür, auch für dieJahre 2030, 2040 und 2050 bindende CO2-Reduktionsziele festzulegenund durch finanzielle Anreize Investitionen in CO2-arme Technologien zuinitiieren.

Mit Blick auf den notwendigen europaweiten Ausbau der Energie-infrastruktur und dort insbesondere der Netze befürwortete er eineeuropaweit einheitliche Regulierung, so dass alle Transportnetzbetreiberauf der gleichen Grundlage agierten.

Als dritte Herausforderung nannte Mikkelsen die Meisterung der europäi-schen Energieeffizienzziele, von deren Wirtschaftlichkeit er sich über-zeugt zeigte. Schließlich forderte er eine weitere Vervollständigung deseuropäischen Binnenmarktes durch eine Umsetzung des Zweiten und Drit-ten Binnenmarktpaketes.

Herbert Reul und Holger Krahmer

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Adam Janczak (Attaché der Ständigen Vertretung der Republik Polen beider EU) präsentierte die polnische Position zur Energy Roadmap 2050.Die polnische Regierung begrüße insgesamt die vorgestellten Szenarien,bemängele allerdings die nicht erkennbare Technologieneutralität bzw. dieÜbergewichtung der erneuerbaren Energien. Auch müsse verstärkt darangearbeitet werden, den Abschluss eines dringend erforderlichen interna-tionalen Klimaschutzabkommens voranzutreiben – ansonsten seien dieeuropäischen Anstrengungen im Bereich des Klimaschutzes wirkungs-los.

Das europäische Emissionshandelssystem stelle ein maßgebliches undkosteneffizientes Instrument der europäischen Klimaschutzpolitik dar. Diegegenwärtig niedrigen CO2-Preise spiegelten den aktuellen Marktpreiswider und sollten kein Grund sein, das Instrument anzuzweifeln oder inden Markt einzugreifen.

Polen stimme mit den anderen EU-Mitgliedstaaten darin überein, dass dieEnergieeffizienz den Schlüssel zur Erreichung der energie- und klima-politischen Ziele bilde. Dabei müsse die Effizienz in allen Bereichen ver-bessert werden – auch im Bereich der Stromerzeugung.

Entsprechend den Ausführungen von Janczak begrüßt es die polnischeRegierung, dass Fragen des Carbon-Leakage-Effektes und derWettbewerbsfähigkeit der Industrien in der EU verstärkt Beachtung fin-

den. Allerdings sei bisher nicht eingehend analysiert worden, inwieferndie ambitionierten europäischen Anstrengungen tatsächlich zu einer Re-duktion der globalen Emissionen führten. Dabei sei neben dem Carbon-Leakage-Effekt der Umstand zu bedenken, dass durch Güter, die außer-halb der EU hergestellt werden, Emissionen importiert würden.

Außerdem vermisse die polnische Regierung Betrachtungen darüber, wiesich der zukünftige höhere Anteil von Erdgas im europäischen Energie-mix auf die Erdgaspreise auswirken werde. Ihrer Ansicht nach seienaufgrund der erhöhten Nachfrage steigende Preise zu erwarten.

Die Statements gaben den Impuls für die Podiumsdiskussion mit den Ab-geordneten des Europäischen Parlaments Herbert Reul (EVP), NorbertGlante (S&D), Holger Krahmer (ALDE) und Sabine Wils (GUE/NGL) un-ter der Moderation der Geschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergiene.V., Dr. Annette Nietfeld. Im Mittelpunkt der Debatte stand u.a. die Frage,ob davon auszugehen sei, dass auch für die nächsten Dekaden die brei-te politische Zustimmung zu den europäischen Klimaschutzzielen ein-schließlich der damit verbunden Preissteigerungen gegeben sein wirdund wie detailliert energiepolitische Strategien für einen Zeitraum von vierzigJahren ausformuliert sein sollten.

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8. EEC

Erneuerbare Energien in Europa – Ist ein einheitlicher Fördermechanismus notwendig und möglich?

Die Europäische Kommission hat am 6. Juni 2012 eine Mitteilung vorgelegt, in der sie Wege zur Erreichung des angestrebten Zubaus vonErneuerbare-Energien-Anlagen aufzeigt. Darin steckt sie ferner einen europäischen Rahmen ab, innerhalb dessen der Zubau erfolgen soll, umderen Anteil 2030 auf 20 Prozent zu steigern. Kurz nach der Veröffentlichung dieser Mitteilung diskutierte das Forum für Zukunftsenergien e.V.im Rahmen des European Energy Colloquium in Brüssel das Thema.

Der ehrenamtliche Vorsitzende des European Energy Colloquium, Prof.Dr. Michael Köhler (Kabinettschef des EU-Kommissars Günther Oettinger)beschrieb die Bereiche, die als Hebel zur kosteneffizienten Zielerreichungidentifiziert worden sind. Zum einen müsse der Elektrizitätsbinnenmarktvollendet werden. Hier seien Investitionsanreize erforderlich, damit erneu-erbare Energien problemlos in den Markt integriert werden könnten.Fördermaßnahmen seien so auszugestalten, dass die Kosten sänken undÜberkompensationen vermieden würden. Darüber hinaus sollten solcheFördermaßnahmen in allen Mitgliedstaaten kohärent sein. Diese solltenferner die in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie verankerten Mechanis-men der Zusammenarbeit, mit denen erneuerbare Energieträger gehan-delt werden können, intensiver nutzen. Da die EU-Kommission fürchte,das Wachstum der erneuerbaren Energien könne nach 2020 einbrechen,möchte sie Meilensteine bis 2030 setzen. Entweder könnten neue Reduk-tionsziele für Treibhausgasemissionen festgelegt werden, ohne Ausbau-ziele für erneuerbare Energien zu definieren. Oder es könnten weiterhinjeweils drei nationale Ziele für erneuerbare Energien, Energieeffizienz undTreibhausgase bestimmt werden. Als dritte Option komme die Festsetzungdieser drei Ziele nicht auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene inFrage.

MinDirig Berthold Goeke (Leiter der Unterabteilung Erneuerbare Energienim Bundesumweltministerium) betonte die Bedeutung der Kostensenkungund schrittweisen Marktintegration der erneuerbaren Energien und ver-

wies auf die zahlreichen Maßnahmen des BMU in den letzten Jahren. Erbegrüßte insbesondere den zweistufigen Ansatz der KOM-Mitteilung, nach-dem zunächst der bestehende Rechtsrahmen umgesetzt und verbessertund erst danach über einen neuen Rahmen nach 2020 nachgedacht wer-den solle. Ebenso wie die Kommission sei auch das BMU der Meinung,dass die aktuelle Erneuerbaren-Richtlinie einen stabilen Rahmen für ei-nen effektiven und effizienten Ausbau der erneuerbaren Energien in Europadarstelle.

Zwar müsse man sich den Herausforderungen für die Zeit nach 2020stellen, jedoch bestünden Bedenken, ob ein neuer Legislativvorschlag schonin den nächsten Jahren nicht verfrüht sei. Das könnte die Ziele für 2020 inFrage stellen und damit Investoren verunsichern.

Aus Sicht des Bundesumweltministeriums sei ein Erneuerbaren-Ziel für2030 notwendig, da die EU Energy Roadmap gezeigt habe, dass der Er-neuerbaren-Ausbau ohne ein Ziel abrupt einbreche und dass die 2050-Klimaziele nur dann erreicht werden könnten, wenn der EU-weite Anteilder erneuerbaren Energien bis 2030 bei 30% liege. Goeke betonte dieNotwendigkeit einer verbesserten Koordinierung der Förderpolitiken derMitgliedstaaten und stellte klar, dass die Energiewende in Deutschlandkein isoliertes Projekt, sondern mit der europäischen Energiepolitik abzu-stimmen sei. Goeke betonte die Vorteile eines diversifizierten Ausbaus dererneuerbaren Energien, also einer Balance zwischen dem Ausbau an den

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besten Standorten und in der Nähe der Verbrauchszentren. Dadurch sin-ke die Schwankungsanfälligkeit des Gesamtsystems und der Netzausbaubleibe machbar und bezahlbar. Aus deutscher Sicht könne man sich beieinem anvisierten Anteil von 80% Erneuerbare in 2050 auch aus Energie-sicherheitsgründen nicht nur auf Stromimporte verlassen, da der Windauch an den besten Standorten nicht immer wehe.

Darüber hinaus müssten Überförderungen der besten Standorte dringendvermieden werden, um die Verbraucher nicht unnötig zu belasten. Mitwelchem künftigen EU-Förderrahmen dies am besten zu erreichen sei,sollte in den kommenden Jahren gründlich diskutiert werden. Der bisheri-ge Förderrahmen habe sich jedoch als effektiv und bei näherem Hinse-hen auch als sehr kosteneffizient erwiesen, wie auch Untersuchungender Kommission immer wieder zeigten. Abschließend gab Goeke einigeAnregungen für eine Weiterentwicklung des europäischen Förderrahmensund eine weitere Angleichung der mitgliedstaatlichen Förderregelungen.Beispielsweise sollten alle Fördersysteme stärker auf die Direktvermarktungdes EE-Stroms setzen und sich auf eine einheitliche Methodologie derKostenberechnung und Kostendegression einigen.

Dr. Volkmar Pflug (Vice President Strategies, Market and CompetitiveIntelligence, Siemens AG) nahm aus der Sicht eines Unternehmens Stel-lung, das in mehreren Mitgliedsländen der Europäischen Union im Be-reich der Erneuerbaren-Energien aktiv ist. Um die europäischen 20-20-20-Ziele zu erreichen, sei ein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energi-en unumgänglich, was in den meisten Mitgliedstaaten auch geschehe,durch die Kreditkrise jedoch gefährdet sei. Die zusätzlich notwendigen

CO2-Reduktionen im Bereich der konventionellen Stromerzeugung, z.B.durch den Einsatz von Gas- statt Kohlekraftwerken oder der CCS-Techni-ken, kämen nicht genügend schnell voran. Ähnlich sehe es mit dem not-wendigen Ausbau des Übertragungs- und Verteilungsnetzes aus. Die wei-tere erforderliche Säule, die Energiespeicherung, sei bisher zu kostenin-tensiv.

Für eine einheitliche europäische Energiepolitik identifiziert Pflug beträcht-liche Hemmnisse, da die Regulierungslevels in den Mitgliedstaaten unter-schiedlich hoch seien und der Energiemix in den jeweiligen Staaten nichtvon der EU vorgegeben werden könne. Dennoch sieht er das dringendeBedürfnis für einen europäischen Rahmenplan, der das weitere Wachs-tum der erneuerbaren Energien unterstütze. Dazu gehören seiner Mei-nung nach vor allem das Emissionshandelssystem und europaweite Re-gelungen zur Netzintegration von erneuerbaren Energien. Pflug bevor-zugt außerdem harmonisierte Mechanismen zur Marktintegration, die denWettbewerb zwischen erneuerbaren und fossilen Energieträgern ermög-lichen, anstelle einheitlicher Fördersysteme.

Die Statements von Goeke und Pflug setzten die Impulse für die Podiums-diskussion mit den Abgeordneten des Europäischen Parlaments Dr. MarkusPieper (EVP) und Holger Krahmer (ALDE) unter der Moderation derGeschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien e.V., Dr. Annette Niet-feld. Dabei wurde deutlich, dass nach Auffassung vieler Akteure in derEnergiepolitik eine einheitliche Förderung der erneuerbaren Energien zwarnotwendig, aber nicht realisierbar erscheint.

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7. QuadrigaKREIS

Der QuadrigaKREIS bietet einen geeigneten Rahmen für Hintergrund-gespräche mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages. Ihnen werdenHintergrundinformationen angeboten sowie die Möglichkeit, abseits vompolitischen Tagesgeschäft aktuelle Themen in kleiner Runde zu erörtern.

Die Diskussionen besitzen vertraulichen Charakter, so dass die Abgeord-neten sich frei fühlen können, Fragen zu stellen, ihre Meinung zu äußernund zu bilden. Ausgangspunkt der moderierten Diskussion ist jeweils einImpulsvortrag einer namhaften Persönlichkeit. So debattierte der Vize-präsident des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V., Dr.Jürgen Lenz, im Rahmen dieses Formats über das Thema „Power-to-Gas“.

8. JournalistenKREIS Zukunftsenergien

Journalisten deutscher und internationaler Medien werden zumJournalistenKREIS Zukunftsenergien eingeladen. Mit diesem Hintergrund-gespräch wird das Ziel verfolgt, energiewirtschaftliche Themen in die kom-plexen wirtschaftlichen Zusammenhänge einzuordnen und sie mit denMedienvertretern zu erörtern.

Im Rahmen dieser Treffen gibt eine namhafte Persönlichkeit mit einemkurzen Vortrag den Impuls für eine anschließende, moderierte Diskussi-on. Einzelheiten der Debatte dürfen nicht nach außen getragen werden.Der Kreis der Teilnehmer ist klein gehalten (ca. 10 Personen), um tiefge-hende Diskussionen zu gewährleisten.

Im vergangenen Jahr war der ehrenamtliche Vorsitzende des Forum fürZukunftsenergien e.V., Dr. Werner Brinker, in seiner Funktion als Vor-standsvorsitzender der EWE AG Gast des JournalistenKreises Zukunfts-energien. In seinem Impulsreferat beschäftigte er sich mit den Erfahrun-gen und Perspektiven eines regionalen Energieversorgers ein Jahr nachder Energiewende.

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9. Energiepolitische Werkstattgespräche 10. Sommerakademie 2011

Seit mittlerweile einem Jahr organisiert das Forum für Zukunftsenergiene.V. die Energiepolitischen Werkstattgespräche. Im Rahmen diesesArbeitsformates treffen regelmäßig Vertreter der Wirtschaft und verschie-dener NGO zusammen. Dabei wird das Ziel verfolgt, für den Dialog zwi-schen den Akteursgruppen eine Plattform zu bieten und auf diese Weisedie oftmals vorherrschenden Trennlinien zu überwinden.

Die Energiepolitischen Werkstattgespräche tragen den Charakter vonHintergrundgesprächen und zeichnen sich durch eine kontinuierliche,Vertrauen aufbauende und fördernde Kommunikation aus. Die Bereit-schaft, diesen Rahmenbedingungen zu entsprechen, bildet die entschei-dende Voraussetzung für den Erfolg dieser Gesprächsrunden. Sie findenmehrfach im Jahr statt, und jedes Treffen ist einem bestimmten energie-politischen Thema gewidmet. Der Teilnehmerkreis umfasst ca. vierzigPersonen aus Wirtschaftsunternehmen, Verbänden und NGO. Alle Teil-nehmer sind in ihrem beruflichen Umfeld mit Themen der Energiewirt-schaft befasst.

Im Laufe des Berichtszeitraumes setzten sich die Teilnehmer mit damitauseinander, wie die zukünftige (Industrie-) Gesellschaft aussehen könn-te, ob die Strom- und Wärmeerzeugung zukünftig zentral oder dezentralerfolgen sollte, wie das Gemeinschaftswerk Energiewende gelingen kannund wie viel Markt und wie viel Staat notwendig sind, um auch zukünftigdie Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten.

Die Sommerakademie hat sich inzwischen als festes Arbeitsformat desForum für Zukunftsenergien e.V. etabliert. Im Sommer 2011 fand sie zumzweiten Mal statt und vermittelte Mitarbeitern der Bundestagsabgeordnetengrundlegende Kenntnisse über die Energiewirtschaft.

Das Konzept der Sommerakademie fußt auf der Überlegung, dass dieEnergiepolitik ein wahrlich komplexes Themenfeld darstellt: Abgesehenvon den politischen Zielen und den Interessen der unterschiedlichen Stake-holder dürfen die zu treffenden Entscheidungen z.B. die physikalischenund technischen Grundlagen der Strom- und Wärmeproduktion und auchdie Bedürfnisse der Verbraucher nicht außer Acht lassen; gerade auchdeshalb, weil diese Entscheidungen weit reichende Folgen für die ge-samte Volkswirtschaft haben können.

Diese komplexen Grundlagen werden innerhalb der Sommerakademiekurz und prägnant aufgearbeitet, Zusammenhänge deutlich aufgezeigtund so ein fundiertes Wissen für zukünftige Entscheidungen geschaffen.Die Sommerakademie richtet sich an die Mitarbeiter der Bundestagsab-geordneten, die die energiepolitischen Entscheidungen vorbereiten undbewerten müssen.

Im Jahr 2011 vermittelte die Sommerakademie Kenntnisse über die tech-nischen Aspekte der Energiegewinnung und –umwandlung.

Die Sommerakademie wird auch im Jahr 2012 fortgesetzt. Dabei werdendie Anforderungen der energieintensiven Industrien an eine nachhaltigeEnergievesorgung im Fokus stehen.

Aufgrund des Erfolges der Sommerakademie in Berlin wird das Formatunter dem Namen „European Summer School“ künftig auch einmal proJahr in Brüssel stattfinden.

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11. Weitere Projekte

Erster Fortschrittkongress

Forschungsaktivitäten und Entwicklungen für die Energiewirtschaft - Eine Präsentation aktueller Beispiele

Die von der Politik beschlossene Energiewende und der damit verbundene Einfluss auf den Einsatz verschiedener Technologien zur Gewin-nung von Strom, Wärme und Mobilität waren am 26. Oktober 2011 in Berlin Anlass für die Veranstaltung des ersten Fortschrittkongresses.Unter der Moderation des Vorstandsvorsitzenden des Forum für Zukunftsenergien e.V. Dr. Werner Brinker vorgetragene aktuelle Beispieleaus den Bereichen Photovoltaik, Übertragungsnetze und Batterieentwicklung verdeutlichten das Zusammenspiel von Forschung und Anwen-dung.

Einleitend beschrieb der stellvertretende Vor-sitzende des Forum für Zukunftsenergien e.V.und Präsident des Karlsruher Instituts fürTechnologie, Prof. Dr. Eberhard Umbach, dieRahmenbedingungen, die die Wissenschaftbenötigt, um eine ergebnisoffene Forschungund Entwicklung zu gewährleisten. Trotz derFestlegungen im Rahmen der Energiewendesei es erforderlich, auch weiterhin nach demangemessenen Energiemix zu forschen, dazukünftige Entwicklungen und Bedürfnisse

heute noch nicht absehbar seien. Forschung schaffe die Vorsorge für dieZukunft, und mit Blick auf das Energieversorgungssystem komme es dar-auf an, es in seiner Gesamtheit zu betrachten.

Prof. Dr. Bernd Rech (Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Ener-gie GmbH, Institut Silizium Photovoltaik) stellte Arbeiten zur Forschungund Entwicklungen im Bereich der Photovoltaik vor. Seiner Auffassungnach repräsentiert die großtechnische, globale Nutzung der Solarenergieauf der kurz-, mittel- und langfristigen Zeitskala eine der großen Zukunfts-aufgaben. Dementsprechend seien die aktuellen Kosten für den Solar-strom zu akzeptieren, zumal es aufgrund von abzusehenden Forschungs-

ergebnissen zu Preissenkungen kommen werde. Prof. Rech verwies fer-ner auf den großen Forschungs- und Entwicklungsbedarf bei weiterenKomponenten der Systeme der Zukunft, wie z.B. Speicher und Netze.

Aus der Sicht der Anwender zeigte Ingeborg Esser (Hauptgeschäftsführerindes Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmene.V.) die Perspektiven der Photovoltaik und der Energieeffizienz bzw. derEnergieeinsparung im Gebäudebereich auf. Mit dem Hinweis auf diedadurch verursachten Mehrkosten für die Wohnungswirtschaft lenkte siedie Aufmerksamkeit auf die soziale Dimension dieser Entwicklung.

Im Einzelnen verdeutlichte sie, dass durch die daraus resultierenden Miet-kostensteigerungen sich die Gefahr der Segregation und der Verschlech-terung der sozialen Balance in den Wohnquartieren verschärfe. Daherappelliere sie an die Politik, diesen Entwicklungen Aufmerksamkeit zuschenken und darüber hinaus bei der Formulierung von Maßnahmen zurSteigerung der Energieeffizienz und -einsparung im Wohnbereich auchdie Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahmen für die Wohnungsunternehmenim Blick zu behalten. Insgesamt sollten die Rahmenbedingungen verstetigtund besser abgestimmt werden.

Neben den regelmäßigen Arbeitsformaten

bieten sich das Forum für Zukunftsenergien

und die vereinseigene EFO Energie Forum

GmbH als Projektträger und Projekt-

manager für Konferenzen, Studien und Gut-

achten an. Die Bandbreite reicht dabei von

Aktivitäten im Auftrag eines ausschließlichen

Auftraggebers bis hin zu Kooperationen mit

mehreren Sponsoren.

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Die durch die Energiewende veränderten Anforderungen an das Strom-netz skizzierte Dr. Heinrich Gartmair (Leiter Asset Management, TenneTTSO GmbH) aus Sicht eines Übertragungsnetzbetreibers. Maßgeblich fürdie Anforderungen an die Netze seien nun vor allem die Erzeugungs- undVerbrauchsmuster. Für das Design der zukünftigen Netzstruktur sei fer-ner die Lösung des Speicherproblems ausschlaggebend. Hinzu kommedie Beantwortung der Frage, wie sich die Marktmechanismen zukünftigentwickelten.

Dr. Gartmair sah Forschungs- und Entwicklungsbedarf sowohl mit Blickauf die verschiedenen Technologien als auch hinsichtlich des Zusam-menwirkens von Erzeugung, Verbrauch und Netzen in einem europäi-schen Strombinnenmarkt. Er forderte von der Politik und somit von derGesellschaft verlässliche und nachhaltige Rahmenbedingungen, damit dieNetzbetreiber den Weg für die Energiewende bereiten können.

Technische Lösungen zur Bewältigung der Anforderungen an die Netzepräsentierte Dr. Wolfgang Krewel (Director Markteting & Strategy Grid,Alstom Deutschland AG). Beispielhaft stellte er die HV-Gleichstrom-übertragung (HVDC) vor, die sich für die Übertragung großer Leistungenauf langen Strecken sowohl on- als auch offshore eignet. Außerdem ginger auf das System der Blindleistungskompensation mittels MSCDN(Mechanically Switched Capacitor with Damping Network) und das Modeldes Smart Grid ein.

Im Themenblock „Batterieentwicklung“ wies Dr. Thomas Weber (LeiterBASF Future Business GmbH) auf die Schlüsselrolle der Energie-speicherung sowohl bei der Elektromobilität als auch im stationären Be-

reich hin. Bei der Elektromobilität verfolge die BASF die Ziele, größereReichweiten, eine weiter verbesserte Sicherheit sowie geringere Kostendurch neue Materialien zu erreichen. Im stationären Bereich strebe manan, Materialien und Systeme für eine kostengünstige und stabile Energie-versorgung mittels Großspeicher dem Markt zur Verfügung zu stellen.BASF gebe ein klares Bekenntnis zur Kommerzialisierung der Lithium-Ionen-Technologie ab und investiere in Forschung und Entwicklung sowiedie Produktion von Batteriematerialien.

Aus dem Anwendungsbereich „Elektromobilität“ berichtete Dr. Ulrich G.Alkemade (Project Direktor Lithium Akkumulator Technologie, Robert BoschGmbH). Der Markt für Elektrofahrzeuge wachse signifikant, und die Bat-terie sei dabei die Schlüsselkomponente in einem komplexen System mitvielen Subkomponenten. Nachdem die Batterien für HEV (hybrid electricvehicle) und PHEV (plug-in hybrid electric vehicle) inzwischen Serien-reife erlangt hätten, seien nun erste Anwendungen mit begrenzter Reich-weite realisierbar.

Für die anschließende Podiumsdiskussion hatten ursprünglich dieBundestagsabgeordneten Edelgard Bulmahn (Bundesministerin a. D., SPD– Bundestagsfraktion) und Prof. Dr. Martin Neumann (Forschungs-politischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion) ihre Teilnahme zuge-sagt. Aufgrund der kurzfristig anberaumten namentlichen Abstimmung imDeutschen Bundestag über den Euro-Rettungsschirm mussten sie diesejedoch absagen. Dr. Werner Brinker, Prof. Dr. Eberhard Umbach unddie Vortragenden nutzten die deshalb zur Verfügung stehende Zeit zurinhaltlichen Vertiefung der Vorträge im Rahmen einer ausführlichen Dis-kussion.

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Präsentation des World Energy Outlook 2011

Ein weiteres Mal präsentierte das Forum für Zukunftsenergien e.V. den World Energy Outlook der Internationalen Energieagentur am 11.November 2011. Diese jährlich publizierte Studie zählt zu den meist zitierten energiewirtschaftlichen Untersuchungen weltweit.

Die Veranstaltung fand erneut in Kooperation mit dem Bundesministeriumfür Wirtschaft und Technologie, dem Bundesverband der Deutschen In-dustrie, dem OECD Berlin Centre und dem Weltenergierat-Deutschlandstatt.

Dr. Fatih Birol, Chefökonom der Internationalen Energieagentur, präsen-tierte die wichtigsten Aspekte der Studie: Im Fokus stand zum einen dieEntwicklung der Nutzung von Kohle, die gerade für wachsende Volkswirt-schaften einen wichtiger Rohstoff darstellt, und die sich daraus ergeben-den klimapolitischen Folgerungen. Außerdem wurde die Rolle Russlandsauf den globalen Energiemärkten näher untersucht.

Weitere Keynotes hielten der damalige Staatssekretär im Bundes-wirtschaftsministerium, Jochen Homann, der auch Kurator des Forum fürZukunftsenergien e.V. ist, sowie Dr. Uwe Franke, zu dem Zeitpunkt Vor-standsvorsitzender der BP Europa SE. Auf dem Podium diskutierten au-ßerdem MinR Dr. Rainer Görgen, Bundesministerium für Wirtschaft undTechnologie, Dr. Oliver Geden, Stiftung Wissenschaft und Politik, Dr. Hans-Wilhelm Schiffer, RWE AG, die Ergebnisse der Studie unter der Moderati-on von Dr. Carsten Rolle, Weltenergierat-Deutschland.

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Woche der Umwelt

Der Beitrag der energieintensiven Industrien zur Energiewende

Auf Einladung des Bundespräsidenten und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt veranstaltete das Forum für Zukunftsenergien e.V. am 06.Juni 2012 im Garten des Schlosses Bellevue ein Fachforum zum Thema „Der Beitrag der energieintensiven Industrie zur Energiewende“.Dabei wurde am Beispiel der Stahlindustrie darüber diskutiert, wie diese zum Gelingen der Energiewende beitragen kann und welche Risikenfür die energieintensiven Industrien damit verbunden sind.

Dr. Henning Schliephake (Mitglied der Geschäftsführung, Georgsmarien-hütte GmbH) verdeutlichte, dass die Stahlbranche insofern einen wesent-lichen Beitrag zur Energiewende leiste, als sie die dafür benötigten Pro-dukte anbiete. Stahl sei der mit Abstand am häufigsten verwendete indus-trielle Werkstoff des produzierenden Gewerbes. Vor allem aus Gründendes Wettbewerbs habe die Georgsmarienhütte GmbH bereits in der Ver-gangenheit intensiv an der Effizienzsteigerung der einzelnen Produktions-prozesse gearbeitet. Insgesamt habe die Branche den spezifischen fos-silen Primärenergieverbrauch seit 1990 um 15,2 Prozent gesenkt und imZeitraum von 1990 bis 2010 den CO2-Ausstoß um 10,8 Mio. t vermindert.Er unterstrich ferner, dass ohne die verschiedenen Ausnahmeregelungen,wie z. B. die reduzierte EEG-Umlage, sein Unternehmen mit wirtschaftli-chem Erfolg nicht geführt werden könne. Sollten diese Ausnahme-regelungen abgeschafft werden, könnten die für die Energiewende erfor-derlichen Produkte in Deutschland nicht mehr hergestellt werden.

Auf der Grundlage dieser Ausführungen fokussierte sich die anschlie-ßende Podiumsdiskussion mit Dr. Henning Schliephake und DietmarSchütz, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien und Ku-

rator des Forum für Zukunftsenergien e.V., unter der Moderation von Dr.Annette Nietfeld, Geschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien e.V.,auf die Frage, wie mit den Energiewende bedingten Kostensteigerungenfür Strom und Wärme umzugehen sei.

Schütz verdeutlichte, dass es auch das Bestreben der Branche dererneuerbaren Energien sei, die energieintensiven Industrien in den Wert-schöpfungsketten Deutschlands zu erhalten. Gleichzeitig räumte er ein,dass es in der Vergangenheit eine teilweise Überförderung dererneuerbaren Energien gegeben habe und darüber hinaus die Energie-wende mit Kostensteigerungen verbunden sei, die zu sozialen Härten führe.Einen möglichen Ausweg aus dieser schwierigen Situation sah er in einerteilweisen Finanzierung der Kosten der Energiewende aus Steuermitteln.

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Die EU-Energieeffizienzrichtlinie - Positionen und Beiträge der Stakeholder

Mitte Juni 2012 haben sich das Europäische Parlament und der Europäische Rat nach zähem Ringen und unter hohem politischen Druck derdänischen EU-Ratspräsidentschaft im Trilogverfahren auf einen zwischen Parlament und EU-Kommission erzielten Kompromiss für eine EU-Energieeffizienzrichtlinie verständigt. Die formelle Verabschiedung wird für den kommenden Herbst erwartet. Am Anfang des Prozesses zuderen Umsetzung in nationales Recht kommentierten die betroffenen Branchen, vertreten durch die Energieversorger, die Wohnungswirtschaftund die energieintensiven Industrien, aus ihrer Sicht die Richtlinie im Rahmen einer Konferenz am 27. Juni 2012.

Dr. Markus Pieper (Schattenberichterstatter der EVP-Frak-tion zur EU-Energieeffizienzrichtlinie) stellte eingangs diewesentlichen inhaltlichen Elemente des erzielten Kompro-misses vor und ging insbesondere auf den Verhandlungs-prozess zwischen dem Europäischen Parlament und demEuropäischen Rat ein. Kritik äußerte er gegenüber der Bun-desregierung, deren Positionspapier erst drei Stunden vorder Abstimmung eingebracht wurde und folglich nur unwe-sentlich berücksichtigt werden konnte. Auch das informelleTrilogverfahren und die mangelnde Beteiligung des Euro-päischen Parlaments verurteilte Pieper scharf.

Die Immobilienwirtschaft zeigte sich mit dem Ergebnis des Trilogverfahrensweitestgehend zufrieden. Mit einer Sanierungsquote von drei Prozent, dienur für den öffentlichen Gebäudebestand gilt, sei die Gefahr von Zwangs-sanierungen vom Tisch. Dennoch sollten die Mitgliedstaaten Unterstützungs-maßnahmen konzipieren, um Investitionen zur Modernisierung des Gebäu-debestandes zu mobilisieren. Ingeborg Esser (Hauptgeschäftsführerin desGdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen)sprach sich in diesem Zusammenhang gegen starre Vorgaben aus undmahnte an, dass Wohnungen bezahlbar bleiben müssten. Sie warnte zudemvor zunehmender Altersarmut und der Entstehung sozialer Brennpunkte inbestimmten Wohnquartieren.

Wilfried Köplin (Bayer AG und Kurator des Forum für Zukunftsenergiene.V.) machte als Vertreter der energieintensiven Industrie geltend, dassdie Festsetzung des absoluten jährlichen Einsparziels von 1,5 Prozenteiner Wachstumsbremse gleichkomme. Stattdessen sollte die Energie-effizienz als Energieverbrauch in Relation zu einer Wirtschaftsgröße wiebeispielsweise dem BIP definiert werden. Unabhängig davon benötigtendie energieintensiven Industrien keine regulatorischen Vorgaben zur Ver-besserung der Energieeffizienz, da die Reduktion von Energiekosten stetseinen entscheidenden Wettbewerbsfaktor darstelle. So habe die BayerMaterialScience AG gemeinsam mit Partnern etwa ein Herstellungsverfahrenfür Chlor entwickelt, das im Vergleich zu konventionellen Technologienden Stromverbrauch um 30 bis 50 Prozent senke (Sauerstoffverzehr-kathoden-Technologie). Ein weiteres Beispiel sei die Herstellung von TDI,einem Vorprodukt für Polyurethan-Weichschäume. Mit dem von der Bay-er MaterialScience AG neu entwickelten Produktionsverfahren ließen sichgegenüber einer konventionellen Anlage gleicher Größe bis zu 60 ProzentEnergie einsparen. Dennoch weise die in der Richtlinie enthaltene Forde-rung, die EU-Mitgliedstaaten sollten nationale Fahrpläne aufstellen, um eineSenkung des Energieverbrauchs im Gebäudebereich zu erreichen, in dierichtige Richtung. Schließlich seien die spezifischen Kosten zur Vermei-dung von CO2-Emissionen bei Maßnahmen zur Verbesserung der Energie-effizienz in der Regel um ein Vielfaches geringer als die Stromerzeugungaus erneuerbaren Energien. Daher müssten wirksame Fördersysteme,

Dr. Markus Pieper

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wie z.B. Zuschüsse, steuerliche Absetzbarkeit, Contracting u.a., entwi-ckelt werden. Bedauerlich sei, dass in Deutschland sowohl auf Bundes-als auch auf Länderebene diese Fördersysteme reduziert würden.

Auch Dr. Hans-Jörn Weddige (Vice President Environment & Climate,ThyssenKrupp AG) kritisierte die statischen Energieeinsparvorschriftender Richtlinie. Hohe Energiekosten hätten das Bewusstsein für Einspar-potenziale seit je her geschärft und bewirkt, dass Kostenreduktions-maßnahmen ohnehin umgesetzt würden. Der Mehrwert einer solchen Richt-linie sei darüber hinaus für energieintensive Industrien generell zweifel-haft. Schlechtere Rohstoffe, höhere Produkt- und damit Prozessan-forderungen oder strengere Umweltauflagen, z.B. zusätzliche Entstau-bungsanlagen, könnten trotz realisierter Effizienzsteigerungen sogar zueinem rechnerisch schlechteren Effizienzgrad führen. Effizienzziele müss-ten daher stets im Einklang mit Potenzialen stehen. Dr. Weddige rietdazu, bei knappen Kassen auf Energieeffizienzmaßnahmen mit großerHebelwirkung zu setzen. Die Industrie liefere dazu die nötigen, nachhalti-gen Produkte, z. B. Elektrobleche für zukunftsweisende Energieumwand-lungsmaschinen oder energiesparende Aufzüge für nachhaltige Gebäude-sanierungen. Eine Doppelbelastung der Industrie durch die Energie-effizienzrichtlinie und das ETS müsse vermieden werden. Eine Anrech-nung von Vorleistungen und die Ausnahme des ETS-Sektors seien dafürder richtige Weg. In diesem Zusammenhang wies Dr. Weddige fernerauf die Kosten der Energieverpflichtungssysteme hin, die über den Strom-und andere Energiepreise auch auf die industriellen Verbraucher umge-legt würden. Eine Gesamtbewertung der direkten und indirekten Auswir-

kungen müsse immer vor dem Hintergrund des Ziels des Erhalts der glo-balen Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland auch durchwettbewerbsfähige Energiepreise erfolgen.

Aus der Sicht eines Energieversorgers, der gemäß der Effizienzrichtlinieverpflichtet werden soll, den Energiekonsum der Kunden jährlich um 1,5Prozent gegenüber dem Vorjahr zu reduzieren, nahm Harald Halfpaapvon enercity Stellung. Nach den Erfahrungen seines Unternehmens seientechnologische Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz undauch deren Wirtschaftlichkeit gegeben, trotzdem zeigten die Kunden anderen Nutzung aber kaum Interesse. Demzufolge könne die Energiewirt-schaft zwar Energieeffizienzdienstleistungen oder -programme anbieten.Die Entscheidung für oder gegen das Angebot liege aber weiterhin alleinbeim Verbraucher. Halfpaap sprach sich deshalb u.a. für eine transpa-rente Information der Wähler über die tatsächlich zu erwartenden Kostender Energiewende und direkte ordnungspolitische Vorgaben für Endver-braucher und Produkthersteller aus.

In der sich anschließenden Podiumsdiskussion mit den Bundestagsab-geordneten Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU), Michael Kauch (FDP) undOliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) wurde unter der Moderation vonDr. Annette Nietfeld, Geschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien,darüber diskutiert, inwieweit die vorgetragenen Argumente der betroffe-nen Branchen bei der Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie in deut-sches Recht Berücksichtigung finden können.

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