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JAHRESBERICHT 2017 1 JAHRESBERICHT 2017 THERAPEUTISCHES WOHNEN FÜR PSYCHISCH BEHINDERTE Stiftung

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JAHRESBERICHT 2017 1

JAHRESBERICHT 2017

THERAPEUTISCHES WOHNEN FÜR PSYCHISCH BEHINDERTE

Stiftung

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JAHRESBERICHT 2017 3

StiftungsratSTIFTUNGSRATSPRÄSIDENTINFrau Dr. med. U. Davatz, Psychiatrische Praxis Baden

EHRENMITGLIEDHerr R. Berner

WEITERE MITGLIEDER DES STIFTUNGSRATSFrau J. BöhlenFrau M. Leu, Sozialdienst KönigsfeldenFrau G. Pozzi, Psychiatrische Uni-Klinik ZürichFrau S. Zumsteg, eidg. Fachärztin für Psychiatrie & Psychotherapie

BUCHHALTUNG UND FINANZVERWALTUNGHerr K. Germann, GEBAG Treuhand AG

MITARBEITER DER STIFTUNG

HeimleitungHerr R. Uebersax

Leitung StellvertretungHerr A. Hasenfratz

BetreuungHerr R. Caluori Frau A. SchmidliFrau M. Wüest Frau L. Achermann

InhaltEditorial Andreas HasenfratzBewohner Josef LichtinInterviewAndreas Hasenfratz Eugen GassmannIn Bild und WortAutonomieRenato UebersaxBewohner GuyerwegSpendenlisteDr. med. Ursula Davatz StiftungsratspräsidentinBilanzErfolgsrechnungRevisionsbericht

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07

08

1012

1314

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JAHRESBERICHT 2017 5JAHRESBERICHT 20174

Diesen Text habe ich aus der Buch-klappe «Autonomie – Ein Versuch über das gelungene Leben» von Beate Rössler übernommen. Beate Rössler, geboren 1958, ist Profes-sorin für Philosophie an der Univer-sität Amsterdam. In ihrem Buch er-kundet sie die Spannung zwischen unserem normativen Selbstver-

ständnis und den Erfahrungen, die wir machen, wenn wir versuchen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Stelle ich mir persönlich die Frage: Wie selbstbestimmt lebe ich wirklich, oder wie sehen persönliche Wünsche aus wenn es um meine Autonomie geht? Als weitge-hend relevanter erachte ich die Situation unserer Be-wohnerInnen innerhalb dieser Thematik. Schnell wird uns bewusst, dass Begriffe wie Selbstbestimmung in diesem Bereich, in der gesellschaftlichen und politi-schen Realität weitgehend Leitbegriffe sind und im All-tag wenig gelebt werden.

Werfen wir einen Blick auf die UNO – Behinderten-rechtskonvention, welche auch die Schweiz ratifiziert hat, sticht jener Artikel ins Auge, welcher besagt, dass JEDE/R seine Lebensform frei wählen dürfe, also auch Menschen mit Behinderung. Diese sind nebst einer IV – Rente nicht selten auch auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Dabei handelt es sich oft um Unterstüt-zungsbeiträge für Wohnungsmieten. Selbständiges Wohnen ist für ein autonomes Leben nicht nebensäch-

EditorialIM JAHRESBERICHT 2017

WIDMEN WIR UNS DEM THEMA «SELBSTBESTIMMUNG»

Ganz selbstverständlich gehen wir davon aus, selbstbestimmend (autonom) zu sein. Und wir denken, dass ein Leben, in dem wir wichtige Dinge gegen unseren Willen tun müssen, kein gelungenes sein kann. Wahr ist aber auch: Zahl-reiche Aspekte unseres Lebens sind gar nicht frei gewählt. Das gilt für viele soziale Beziehungen ebenso wie für manche Situation, in die wir ein-fach hineingeraten sind. Die Alltagserfahrung lehrt uns, dass Selbstbestimmung zwar durchaus gelingen kann, aber eben auch häufig scheitert.

lich! Jüngst müssen EL – Bezüger mit drastischen Kür-zungen durch den Bund rechnen. Ständerätlich wur-den diese Kürzungen bereits abgesegnet, was folglich eine deutliche Beschneidung der Autonomie jener Menschen bedeutet. Zur selben Zeit spricht sich der Nationalrat für den Erhalt eines nationalen Bankge-heimnisses aus, was zu jährlichen Steuerausfällen in Milliardenhöhe führt. Mit der Kürzung der Mietbeiträge erhofft sich der Bund Einsparungen von 5 Millionen! Wo bleibt da die Gerechtigkeit?

Entschuldigen Sie bitte dieses politische Statement. Al-lenfalls entspricht es nicht der Norm, dass in einem Jahresbericht kritische Gedanken zu bürgerlicher Spar-politik geäussert werden. Diese Politik ist aber mitver-antwortlich wenn Menschen mit Behinderung von Grundrechten ausgeschlossen werden, weil am fal-schen Ort geknausert wird. Als Mitarbeiter einer thera-peutischen Institution fühle ich mich dem Menschen mehr verpflichtet als blinder Sparpolitik und sehe mich als deren Lobbyist zur konstruktiven Kritik förmlich ver-pflichtet.

Abschliessend mit einem Zitat von Albert Camus über-gebe ich das Wort unseren BewohnerInnen und mei-nen ArbeitskollegInnen.

Ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung mit den Inhalten des Jahresberichts 2017.

Andreas Hasenfratz

« Die Empörung angesichts

von Unmenschlichkeit und

Leid führe den Menschen

aus der Einsamkeit heraus

zur Solidarität mit seinen

Mitmenschen. In der Revolte

werde der Mensch vom

«solitaire» zum «solidaire»

und kämpfe für etwas, das

ihn mit allen Menschen

verbindet – die menschliche

Würde.»

Albert Camus, Schriftsteller und Philosoph

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JAHRESBERICHT 2017 7

BewohnerEIN BEITRAG ZUM THEMA SELBST-

UND FREMDBESTIMMUNG

Ein Beitrag von Bernhard Josef Lichtin Aarau, Guyerweg, den 17. März 2018

Selbstbestimmung heisst für mich, gewisse Dinge in meinem Leben und Umfeld nicht zu akzeptieren. Nur nach Lust und Laune zur Arbeit zu gehen, mir meine Arbeit und Kollegenkreis selbst auszusuchen. Dem Vorgesetzten – falls er sich nicht korrekt oder kompe-tent verhäl – mal einen Stinkfinger zeigen, oder ihm die Klappe zu putzen. Wenn möglich Ferien, mit wem oder wohin, selber organisieren. Mal zu boykottieren oder harmlos zu demonstrieren.

Meinen Fähigkeiten entsprechende Arbeit und Ent- löhnung. Mal die Wohnung abschliessen und diejeni-gen, die mir auf die Nerven gehen und Dreck machen, die Anwesenheit putzen. Fremdbestimmung ist (Scheis-se!), jeder möchte ja seinen Mitteln entsprechend sein Leben einrichten und gestalten wie er will – betrifft auch Medikamenteneinnahme und Krankenkasse.

Vielleicht auch mal dem Kommissar die Hand strecken – vielleicht zahlt es sich einmal aus. Mal einen Fremden in die Wohnung lassen etc. Mal was verbotenes tun. Einen Termin mal nicht einhalten. Manchmal doch mit dem Strom schwimmen.

P.S. Nur dann zum Essen zu kommen wenn ich Lust habe und meinen Wohnort selbst bestimmen, über meine Rente zu verfügen, die mir zusteht.

Hoffentlich ist Ihnen alles klar von mir.

ICH

Bleib immer

ARTIG

mal bösARTIG

mal abARTIG

gelegentlich

eigenARTIG

aber immer

EINZIGARTIG

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JAHRESBERICHT 20178

Die Antworten auf meine Fragen sollten die subjektive Sicht des Befragten bezüglich selbstbestimmtes Leben in der Wohngruppe zeigen. Ich berücksichtige die persönlichen Erfahrungen, Gefüh-le und die allenfalls erlebten Einschränkungen des Befragten. Bei der interviewten Person handelt es sich um Herrn Eugen Gassmann, welcher mit einem Mitbewohner eine 4 ½ -Zimmerwoh-nung im Wohnheim Guyerweg bewohnt. Das Mitwirken von Eu-gen Gassmann geschieht auf freiwilliger Basis. Das Interview wurde durch Andreas Hasenfratz, Bezugsperson von E. Gass-mann, geführt.

Gibt es Dinge, die du gern tun würdest?Der Baileys am Abend liegt nicht drin… Alkverbot in der WG!

Kannst du deine Bedürfnisse bezüglich zwischen- menschlicher Kontakte und Beziehungen befriedigen?

Ja, momentan ist diesbezüglich aber nichts vorhanden.Ist es dir jederzeit möglich, Besuch zu empfangen?

Auf jeden Fall! Neue Kontakte stelle ich vor dem ersten Besuch bei den Mitarbeiterinnen des Teams vor. Das ist ein Teil der Hausordnung.

Lebst du in einer Partnerschaft?Nein, nur WG-Partner, ohne Liebesbeziehung.

Wirst du von deinen BetreuerInnen respektvoll behandelt?Ja, in jeder Hinsicht. Das ist anscheinend auch möglich, wenn man per DU ist.

Fühlst du dich ernst genommen?Auf jeden Fall: bei uns wird viel miteinander gelacht, aber nicht übereinander.

Kannst du autonom über deine Finanzen bestimmen?Über mein Taschengeld absolut, die übrigen Finanzen werden von meiner Beiständin geregelt.

Ist dein Taschengeld ausreichend?Ich finde, es ist für meine Bedürfnisse eher knapp bemessen.

Herzlichen Dank an Herrn Eugen Gassmannfür seine Bereitschaft zu diesem Interview.

InterviewSELBSTBESTIMMTES

LEBEN IN DER WG GUYERWEG

Ein Dialog zwischen Andreas Hasenfratz, Bezugsperson und Eugen Gassmann, WG-Mitbewohner

Was gefällt dir besonders an deiner Wohnsituation? Einerseits lebe ich eine selbständige Wohnsituation, anderseits habe ich aber auch die Möglichkeit, jederzeit Kontakt zu den Betreuungspersonen aufzunehmen.

Hast du dich selber zu dieser Wohnform entschieden?Ja, nach einem längeren Klinikaufenthalt.

Hast du die Möglichkeit, diese Wohnform zu kündigen?Ja, mit Einhaltung der üblichen Kündigungsfrist.

Kannst du selber bestimmen und entscheiden, wann und von wem deine Räumlichkeiten betreten werden?

Die Wohnung darf nach Anklopfen von den BetreuerInnen betreten werden. Mein Zimmer nur mit meiner Erlaubnis.

Hast du die Räumlichkeiten selber gestaltet und Möbel inkl. Dekorgegenstände ausgesucht?

Die Einrichtung war weitgehend vorhanden. Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass mein Interesse an persönlicher Gestaltung eher klein ist.

Wie weit kannst du deinen Alltag selber bestimmen, in den Bereichen Tagesrhythmus, Freizeit und Ferien?

Mit Ausnahme meiner Verpflichtung gegenüber meiner geschützten 50% Stelle im Atelier des Schlosses Biberstein und meinen Kochpflichten in der Zweier – WG, kann ich sehr autonom funktionieren.

Gefallen dir die Freizeitangebote der Institution?Ja, sie sind sehr vielfältig und vor allem kann ich bei den Entscheidungen zu Wochenendunternehmungen auch etwas sagen.

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JAHRESBERICHT 2017 13

Autonomie ohne Hinweise und Rückmeldungen aus dem Umfeld wirkt we-nig erbauend. Erst aus unserem Entscheid in Kontakt zu unserem Umfeld zu interagieren, uns einzubringen und falls notwendig auch Fragen zu stel-len gibt unserem Autonomiebestreben Kraft und Richtung.

Fremdbestimmung ufert aus, dort wo Kraft und Richtung fehlen und dort wo auch finanzielle Interessen bestehen. Verlockend für all unsere Sinne werden wir eingedeckt mit den vermeintlichen allgemeinen und bequemen Lösungsvorschlägen. Ohne unser dazu tun, wird unsere Achtsamkeit nicht geschult und unser Bemühen nach Selbstverwirklichung bleibt auf der Strecke.

Dort, wo in unserem Leben Kraft und Richtung im Einklang sind mit unse-rem Denken, Sprechen und Handeln erleben wir uns authentisch und viel-leicht decken sich unsere grossen Ziele von Achtsamkeit und Mitgefühl mit den Zielen des Herzsutra – ausgelöst durch unser Bemühen um Selbst-bestimmung.

Renato UebersaxLeitung Stiftung Guyerweg

AutonomieANNÄHERUNG

AN EINEN BEGRIFF

Gate Gate Paragate Parasamgate Bodhi Svaha

Gegangen, gegangen, ans andere Ufer gegangen, vollkommen hinüber gelangt, seliges Erwachen.

Die Definition eines Begriffs wie «Autonomie» ist sehr vielseitig und aus diesem Grunde habe ich mich am Guyerweg umgehört:

SPENDENLISTE Einbezahlt von Betrag in CHF

Einwohnergemeinde Aarau 500.00

Einwohnergemeinde Buchs 100.00

Aktion «Denk an mich» Basel 4’500.00

Graber-Brack-Stiftung Aarau 5’000.00

Total Spenden 10’100.00

R. U. A. S. P. C. R. B. A. H. Welche Farbe siehst Himmelblau Grün – Blau Grün Türkis Du beim Begriff Autonomie:

Wo im Körper empfindest Halschakra Bauchgefühl Herz Brustraum Du Autonomie:

Was fördert Autonomie: Guter Boden, Zufriedenheit Selbst- Eigene gute Leute, bewusstsein Leichtigkeit im Träume, Umgang gutes zu Hause mit Sachen Was behindert Autonomie: Angst, negative Sucht Autoritäts- belastete Einstellung gläubigkeit Biografie Reicht die IV-Rente Für ein gutes Ja, im Nein, Wohl kaum, für ein autonomes Leben? autonomes grossen es braucht Rente wirkt Leben braucht Ganzen mehr behindernd es mehr als reichts die IV-Rente

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JAHRESBERICHT 2017 15JAHRESBERICHT 201714

Keine Patienten werden so sehr gegen ihren Willen fremdbestimmt wie die Psychiatriepatienten und keine anderen Patienten können sich so schlecht dagegen wehren. Woher kommt das, wie lässt sich das erklären?

Obwohl die Psychiatrie über die Einführung der Patien-tenrechte einige Fortschritte gemacht hat in dieser Hin-sicht, ist das Fremdbestimmungsrecht noch sehr stark verankert in der psychiatrisch-psychosozialen Versor-gung. Warum?

Menschen mit psychischen Leiden haben ihre Gefühls-, Denk- und Handlungswelt oft nicht mehr unter ihrer be-wussten Willenskontrolle. Sie fallen ab von der Norm im Fühlen, Denken und Handeln und fallen deshalb in der Gesellschaft auf. Sie ecken an mit ihrer Andersartigkeit und verursachen Unruhe im Regelablauf. Je ängstlicher ein Kollektiv, eine Gesellschaft ist – und das ist sie vieler-orts heutzutage – umso intoleranter wird sie gegenüber jeglicher Normabweichung und umso grösser wird auch das Normierungsstreben. In der Schweiz herrscht zur-zeit ein starker Drang zur Normierung über gesetzliche Regelungen, die dem Kollektiv Sicherheit geben sollen, was an sich im Gegensatz zum alt bewährten, hochge-priesenen schweizerischen Föderalismus steht.

Im Bereich der Psychiatrie wurden die Menschen früher mit Zwangsmassnahmen wie Deckelbäder, Zwangs-

jacken und Isolierzellen förmlich zur Norm zurück ge-zwungen. Isolierzellen werden auch heute noch sowohl in der Psychiatrie als auch im Gefängnis als verzweifel-ter Versuch angewandt, Patienten wie auch Delinquen-te wieder an die gesellschaftlichen Normen anzupas-sen. An sich ist dies eine widersinnige therapeutische Massnahme, einen Menschen durch Isolation von der Gruppe zu einem besseren Sozialverhalten zu bringen, die aber dennoch seit Jahren praktiziert wird.

In der Psychiatrie werden in der heutigen Zeit an erster Stelle Psychopharmaka eingesetzt, um das Normver-halten eines Menschen wieder herzustellen. Es handelt sich dabei um Medikamente, welche sich auf die Psy-che des Menschen in emotionaler, kognitiver und auch verhaltensmässiger Hinsicht auswirken und das betref-fende Individuum somit wieder gesellschafts-kompati-bel machen.

Machen wir nun einen kurzen Sprung zurück zur Ent-wicklungsgeschichte, zur Ontogenese eines menschli-chen Individuums. Der Mensch ist ein soziales Wesen, das sowohl genetisch verankertes Sozialverhalten als auch gewisse andere genetisch bestimmte Persönlich-keitszüge und Anlagen mit sich bringt, die im Laufe der Kindheit und Jugendjahre durch die Interaktion mit dem Umfeld weiter ausformuliert bzw. geprägt werden.

SelbstbestimmungJAHRESBERICHT WOHNHEIM

GUYERWEG FÜR DAS JAHR 2017

Dr. med. Ursula Davatz, Stiftungsratspräsidentinwww.ganglion.ch http://schizo.li

Aus dieser Interaktion mit dem er-zieherischen und sozialisierenden Umfeld entwickelt sich schliesslich die individuelle Persönlichkeit. Bei manchen Menschen passen die genetischen Veranlagungen sehr gut zum erzieherischen Umfeld. Bei andern besteht jedoch eine derart grosse Diskrepanz, dass es zu ständigen Miss-verständnissen und schliesslich zu zerstörerischen Aus-einandersetzungen kommt. Das ist der Moment, wo sich bei jungen, noch nicht zur Persönlichkeit ausgeformten Individuen, Fehlentwicklungen anbahnen, die in psychi-sche Krankheiten übergehen.

Die meisten psychiatrischen Krankheitsbilder entwickeln sich somit in der Pubertät oder nehmen zumindest dort ihren Anfang, selbst wenn sie noch nicht zu einer Be-handlung führen. Die Pubertät stellt also die wichtigste Entwicklungsperiode dar, die massgebend ist für die Formulierung einer gesunden selbstsicheren Persön-lichkeit, oder eben der Entstehung einer psychischen Krankheit.

Psychiatriepatienten und somit auch die Bewohner des Wohnheims Guyerweg, wurden vom Umfeld gestört in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Der wichtigste Entwi-cklungs- und Sozialisierungsaspekt in der adoleszenten Phase eines Menschen ist die Auseinandersetzung mit dem andersartigen Gegenüber, sei dies Vater, Mutter,

LehrerIn, LehrmeisterIn, Mitschü- lerIn oder dem gleichaltrigen Ge-schlecht. Hält das Umfeld dieser

Auseinandersetzung nicht stand oder engt die Jugend-lichen zu sehr ein, wird ihnen die Möglichkeit nicht ge-boten, über Selbstbestimmung ihre eigene Persönlich-keit zu entwickeln. Dies ist in der Regel bei sämtlichen Psychiatriepatienten, aber auch bei den Bewohner des Wohnheims Guyerweg der Fall, die vom Umfeld in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestört wurden.

Aus diesem Grund ist es unser Ziel, den Bewohnern im Wohnheim Guyerweg ein familienähnliches Umfeld als Übungsfeld anzubieten, innerhalb welchem sie mög-lichst viel Selbstbestimmung erhalten und sich in ihrer Persönlichkeit in der Auseinandersetzung mit den Be-treuern und Betreuerinnen in gesunder Richtung weiter entwickeln können.

Den Betreuern und Betreuerinnen sei hier ganz herzlich gedankt für ihren unermüdlichen und standhaften Ein-satz. Den Bewohnern wünschen wir viel Mut und Glück bei ihrer selbstbestimmten, aber gleichzeitig sozialver-träglichen Lebensführung.

Die StiftungsratspräsidentinDr. med. Ursula DavatzBaden, 06.04.2018 UD/sd

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JAHRESBERICHT 2017 17JAHRESBERICHT 201716

BilanzAK TIVEN

BilanzPASSIVEN

31.12.2017 31.12.2016

Umlaufvermögen CHF CHF

Flüssige Mittel 954’909.82 858’231.00

Guthaben Kostgelder Bewohner 11’937.00 3’111.00

Übrige Forderungen 385.00 1’315.30

Guthaben Betriebsbeitrag Kanton 2017 18’612.80 0.00

Guthaben Betriebsbeitrag Kanton 2016 0.00 58’259.00

Aktive Rechnungsabgrenzung 17’655.45 13’025.65

1’003’500.07 933’941.95

Anlagevermögen

Immobile Sachanlagen 310’400.00 340’000.00

Mobile Sachanlagen 41.00 7’831.00

310’441.00 347’831.00

TOTAL AKTIVEN

1’313’941.07 1’282’772.95

31.12.2017 31.12.2016

Fremdkapital CHF CHF

Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 34’076.10 35’383.75

Sackgelder Betreute 19’611.10 21’560.00

Passive Rechnungsabgrenzung 17’620.00 13’390.00

Hypotheken 500’000.00 500’000.00

571’307.20 570’333.75

Eigenkapital

Stiftungskapital 160’000.00 160’000.00

Fondskapital freier Fonds 430’260.88 420’160.88

Ertrags- / Aufwandüberschuss 21’094.67 12’674.74

611’355.55 592’835.62

Zweckgebundene Rücklagen- und Fondskapital

Zweckgebundene Rücklagen 131’278.32 118’603.58

131’278.32 118’603.58

TOTAL PASSIVEN

1’313’941.07 1’281’772.95

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JAHRESBERICHT 2017 19JAHRESBERICHT 201718

Erfolgsrechnung Revisionsbericht

BETRIEBSRECHNUNG 2017 2016

Betriebsertrag

Beiträge Trägerkanton 253’786.80 222’965.00

Kostgelder Bewohner 532’952.00 548’486.00

786’738.80 771’451.00

Betriebsaufwand

Personalaufwand 486’718.65 490’643.90

Haushalt 109’990.35 108’407.75

Diverser Betriebsaufwand 105’071.85 100’174.50

Büro, Verwaltung 64’712.50 55’068.60

Finanzaufwand 8’754.77 9’016.77

775’248.12 763’311.52

Betr. Ertrags- / Aufwandüberschüsse 11’490.68 8’139.48

LIEGENSCHAFTSRECHNUNG Liegenschaftsertrag 1’870.00 2’040.00

Ertragsüberschuss Liegenschaften 1’870.00 2’040.00

STIFTUNGSRECHNUNGErtrag

Spenden 10’100.00 10’400.00

Zinsertrag 1’352.09 3’916.16

Kurserfolg Wertschriften 0.00 - 1’465.90

Überschussbeteiligung Versicherung 5’728.90 0.00

Nebenerlöse 653.00 45.00

Ertragsüberschuss Stiftung 17’833.99 12’895.26

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Stiftung Guyerweg

c/o Dr. med. U. DavatzMäderstrasse 13 5400 Baden

Wohngruppe Guyerweg

Guyerweg 3 5000 Aarau

Telefon 062 822 00 54 Telefax 062 825 01 96

www.guyerweg.ch [email protected]

Spenden an:

UBS AG CH-8098 Zürichz.H. Konto CH48 0023 1231 2113 0001 H Stiftung Guyerweg Therapeutisches Wohnen psychisch Behinderter

Impressum:

Konzept | Gestaltung: TRINAMO AG | Grafik & Web, AarauLayout: Karin Knabenhans, OltenKorrektorat: TRINAMO AG | KV, AarauFotos: Kevin Hauenstein, Tegerfelden