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Jahresschrift 2017 . 2018 Berichte . Ereignisse . Fakten

Jahresschrift 2017 - Kapuziner€¦ · Menschheitsprobleme eng verzahnt. Die Enzyklika „Laudato si“ wird manchmal als grüne Enzyklika be-zeichnet. Sie umfasst allerdings weit

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Page 1: Jahresschrift 2017 - Kapuziner€¦ · Menschheitsprobleme eng verzahnt. Die Enzyklika „Laudato si“ wird manchmal als grüne Enzyklika be-zeichnet. Sie umfasst allerdings weit

Jahresschrift 2017.2018

Berichte . Ereignisse . Fakten

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Ursprung verankert. Wir gehören zusammen, wir sind aufeinander verwiesen.Ich bin ein wenig stolz, dass der Franziskusorden einen Impuls einbringt, der, aus einer tiefen Gotteserfahrung heraus, den Lebensraum von Mensch und jeder Kreatur schützen will. Und noch etwas: Die franziskanische Fa-milie weltweit erhebt die Stimme bei den Vereinten Na-tionen für leidende, vergessene Menschen und unsere verwundete Erde. Franciscan International ist eine in-ternationale, Nicht-Regierungsorganisation, die 1989 gegründet wurde. Die Idee der Nachhaltigkeit ist zum zentralen Leitbild für das Überleben der Menschheit im 21. Jahrhundert geworden. Albert Schweitzer hat den Grundgedanken so formuliert: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“. Ich hoffe, dass die Beiträge in unserer diesjährigen Jah-resschrift für Sie, liebe Leserinnen und Leser, anregend und bereichernd sind. Den Verfassern der Beiträge in dieser Jahresschrift und allen, die an der Erstellung mitgewirkt haben, danke ich herzlich.

Kapuziner 2017.2018

Grußwortdes Provinzials

Br. Marinus Parzinger OFMCapProvinzial der Deutschen Kapuzinerprovinz

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Bei meinen Reisen, die mich 2017 nach Indien, Alba-nien und Indonesien führten, fällt mir, von außen kom-mend, gerade die Umweltproblematik besonders ins Auge. In den Städten stockt der Verkehr, die Luft ist ver-pestet, Müll landet im Straßengraben, im Fluss oder im Meer, Monokulturen laugen den Boden aus. Ich bin kein Experte, und meine Meinung rührt von den Informationen her, wie sie jedem zugänglich sind. Mir ist bewusst: die Lage ist ernst. Die Schöpfung leidet und damit auch der Mensch, der Teil der Schöpfung ist. Wir Menschen sägen am Ast, auf dem wir sitzen. Und wir la-den den nächsten Generationen große Lasten auf, wenn wir so weiter machen. Präsident Trump hat das Pariser Klimaabkommen ge-kündigt. Dadurch sahen sich andere Länder zu größe-ren Anstrengungen herausgefordert. Wieder erlebten wir verheerende Stürme, die Florida und vorgelagerte Inseln heimgesucht haben. Bangladesch u.a. Länder waren von extremen Regenfällen und Hochwasser be-troffen. Ist das weit genug weg, so dass wir ruhig schla-fen können? Die ökologische Wende wird zur Überle-bensfrage. Mich überzeugt die Argumentation von Papst Franzis-kus, der in der komplexen Problemlage, in der sich un-sere Welt heute befindet, dem einzelnen zutraut, Verant-wortung zu übernehmen. Über Mülltrennung zu diskutieren, greift zu kurz. Der Pontifex sieht die Menschheitsprobleme eng verzahnt. Die Enzyklika „Laudato si“ wird manchmal als grüne Enzyklika be-zeichnet. Sie umfasst allerdings weit mehr als die Frage nach Umweltschutz. In ihr werden die Menschheitspro-bleme im Zusammenhang gesehen und der Mensch in seiner Verantwortung aufgerufen. Was ich als Kapuziner teile und gut nachvollziehen kann, ist die spirituelle Begründung dieser Argumenta-tion. Schon im Titel der Enzyklika klingt der Sonnenge-sang an. In ihm wird alle Kreatur in eine geschwisterli-che Nähe gestellt und in Gottes Schöpfung als ihrem

Sorge tragen für die Schöpfung

Br. Marinus Parzinger, Provinzialminister

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aus der provinz

8 „Gemeinsam in die Zukunft“ Franziskaner, Minoriten und Kapuziner feiern ein Mattenkapitel

12 Semper Reformanda Theologische Werkwoche zur Reformation in Leipzig

14 Heiliger Br. Konrad Ein großes Jubiläumsjahr erwartet die Kapuziner

17 Weiterführung und Vollendung Die Klosterkirche St. Konrad in Altötting erscheint in neuem Glanz

20 Frankfurt franziskanisch 100 Jahre Kapuziner in Liebfrauen Die Kapuziner gehören zur Stadt Frankfurt

23 Mauern, Mauern, Mauern Das Gartenprojekt in Münster

26 Adieu in Ave Maria Ein Abschied, der weh tut

28 Prävention Über eine wichtige und gute Maßnahme

32 10 Jahre in Abanien Br. Andreas Waltermann blickt auf ereignisreiche Jahre zurück

38 Eine tiefe Verbundenheit Sr. Fidelis Denter berichtet über eine eindrucksvolle Reise nach Indonesien

42 „Es geht immer um den einmaligen Menschen“ Über die Berufepastoral

Mitbrüder44 Menschlich und humorvoll Br. Theo Arquint feiert ein seltenes Jubiläum

46 Mehr als eine Reise Die Junioren in Israel

50 „Die großen Wallfahrten sind alle bei mir“ Br. Vinzenz Müller berichtet über seine Arbeit

54 Viel mehr als ein bloßer Rechtsakt Zwei Brüder legen ihre Ewige Profess ab

56 Vertrautes loslassen Br. Thomas M. Schied wurde zum Diakon geweiht

58 Pilger bereichern das Leben und die Gemeinschaft Das Kloster Werne lädt Pilger zur Rast ein

60 „Ich hätte nie etwas anderes gewollt“ Br. Bruno Tröndle im Interview

nacHdenKLicHes

62 Unerschrocken Gedanken zu einem provokanten Thema

72 Kopf, Herz und Verstand Aspekte einer Schöpfungsspiritualität

aKadeMiscHes

64 „2018 muß der Faden durch das Nadelöhr“ Die PTH Münster im Prozess

66 IUNCTUS Ein Institut entwickelt sich

70 Fachstelle Franziskanische Forschung Die Fachstelle feiert 10-jähriges Jubiläum

78 Tierethik Ein persönlicher Blick auf eine komplexe Disziplin rubriKen

25 Buchtipp

53 Publikationen

71 Augenblick

77 Publikationen

82 Unsere Verstorbenen

84 Termine und Angebote 2018

86 Augenblick

87 Adressen/ Impressum

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Kapuziner 2017.2018

KapuzinerJahresschrift 2017.2018

Inhalt

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76 Kapuziner 2017.2018

Vorwort

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Geschichten, die das Leben schreibt, die Menschen schreiben, trotz und in al-ler Angst, trotz und in aller Hoffnungslosigkeit. Ge-schichten, die davon er-zählen, wie Leben den-noch gelingen kann. Und da gibt es so viele! Überall dort, wo Menschen anpa-cken, um des Lebens wil-len sich engagieren – und helfen, sich selber und anderen. Solche Geschichten sollten noch viel häufiger erzählt werden. Mutmach-geschichten, Geschichten, die zeigen: Es geht doch!Auch in dieser Ausgabe des KAPUZINER lassen sich solche Geschichten finden, in denen Brüder gemein-sam mit anderen Menschen sich nicht entmutigen las-sen, sondern sich für das Leben einsetzen. Sie tun dies aus der Gewissheit heraus, dass Gott mitgeht und ein Gott des Lebens, nicht ein Gott der Angst ist. Ein Gott, der Hoffnung und Mut macht, in aller nüchternen Be-trachtung der Welt, wie sie nun einmal ist.Das wünschen wir uns allen: diesen ehrlichen und offe-nen Blick auf die Wirklichkeit, den ehrlichen Umgang mit der Angst, die nicht fromm ‚weggeredet’ wird. Wir danken Ihnen für Ihr Interesse an dem Leben der Kapuziner. Wir danken Ihnen für Ihre Begleitung und Unterstützung.

In diesen Tagen ist viel von Angst die Rede; eine Angst, die sich nicht hinwegreden oder schönreden lässt. Eine Angst, die sehr vielfältige Ursa-chen hat. Viele Menschen haben Angst vor der Zukunft in unserem Land: Altersarmut, steigende Le-benskosten, Angst vor grundlegen-den Veränderungen ... aber auch Angst vor der politischen Entwick-lung und einem steigenden Popu-lismus, der es mit der Wahrheit und den Fakten nicht so genau nimmt. Die Angst vor Kriegen, die auch uns wieder betreffen, steigt. Die Weltpolitik hilft nicht gerade dabei, diese Ängste zu entkräften. Schaut man in die Gesichter der Menschen, auch in der Kirche, dann sind dort oft Ratlosigkeit, Verwirrung, Fragen zu sehen. Diese Angst darf sein. Die Heraus-forderung liegt darin, wie man mit ihr umgeht, wie man mit ihr lebt, wie man es schafft, sie nicht zu un-terdrücken, sondern anzunehmen, denn nur so verliert die Angst ihre destruktive und lähmende Kraft. Etwas, das hilft, das sind positive

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Br. Thomas Dienberg (li.), Br. Christophorus Goedereis

Br. Thomas Dienberg Br. Christophorus Goedereis

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98 Kapuziner 2017.2018

Aus der Provinz

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Mattenkapitel HofHeiM

VoN BR. CHRISToPHoRUS GoEDEREIS oFMCAP

FRANKFURT - Das Jahr 2017 ist geprägt vom 500. Jahrestag der Reformation – und damit vom Ge-denken an die Kirchenspaltung. Aber in der Ge-schichte katholischer Orden spricht das Jahr 1517 noch von einer anderen Trennung: Der Orden des heiligen Franziskus erinnert sich an seine erste Spal-tung vor 500 Jahren. Im Jahr 1517 verfügte Papst Leo X., die „Minderbrüder“ (so der ursprüngliche Name seines Ordens) in zwei Ordensfamilien aufzuteilen: die Observanten und die Konventualen. Bereits zehn Jahre später sollte mit den Kapuzinern die nächste Teilung des Ordens ins Haus stehen. Das Charisma des hl. Franziskus ist so vital, dass es durch die Jahr-hunderte eine Vielzahl an franziskanischen Gemein-schaften hervorbrachte.

500 Jahre nach diesen Ereignissen trafen sich vom 12. bis 14. Juni 2017 siebzig Franziskaner, Kapuziner und Minoriten im Exerzitienhaus der Franziskaner in Hofheim/Taunus bei Frankfurt. Sie stellten sich die Frage: Wann werden wir wieder ein einheitlicher Orden sein? Kurz zuvor hatten die drei Generalmi-nister der Franziskaner, der Minoriten und der Ka-

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GemeinsamZukunft

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FRAnZISKAnER, KAPuZInER unD MInORITEn

AuF DEM WEG ZuR ORDEnSVEREInIGunG?

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1110 Kapuziner 2017.2018

Aus der Provinz

1. Der evangelische Stadtkirchenpfarrer Olaf Lewerenz bei seiner Begrüßung der franziskanischen Brüder in der Frankfurter Katharinenkirche

2. Die Teilnehmer des Interfranziskani-schen Mattenkapitels in evang. Katharinen-kirche, wo die Barfüßer die ersten refor-matorischen Predigten hielten.

3. Kloster und Bildungshaus der Franzis-kaner in Hofheim, Ort des ersten gemein-samen Mattenkapitels

4. Das Vorbereitungsteam des Interfranzis-kanischen Mattenkapitels: Stefan Feder-busch OFM, Konrad Schlatmann OFM-Conv, Christophorus Goedereis OFMCap.

puziner in einer Presseerklärung kundgetan, dass die Einheit in Reichweite sei.

Die Reformation und die Teilung des franziskani-schen Ordens sind jedoch mehr als nur ein Zufall. Beide Geschichten kreuzen sich auf vielfältige Weise. In Frankfurt am Main zum Beispiel waren die Min-derbrüder (dort wurden sie „Barfüßer“ genannt) die ersten Prediger für die Reformation. Später wurden sie dann selber protestantisch. 100 Jahre später kam mit den Kapuzinern wiederum ein franziskanischer Ordenszweig in die Mainmetropole. Die Kapuziner wurden aber wieder vertrieben, kehrten im 17. Jahr-

hundert abermals in die Stadt zurück, wurden mit der Säkularisation erneut ausgewiesen, um Anfang des 20. Jahrhunderts zum dritten Mal nach Frank-furt zurückzukehren, wo sie bis heute an der belieb-ten Frankfurter Liebfrauenkirche wirken. In Frank-furt, wie in vielen deutschen Großstädten, kreuzen sich die historischen Linien von mittelalterlicher Stadtentwicklung, Reformation, Säkularisation und franziskanischer Ordensgeschichte.

Ob Papst Franziskus die Wiedervereinigung der drei franziskanischen Orden beflügeln werde? Die drei Provinzialminister von Deutschland, Cornelius

Bohl OFM (Franziskaner), Bernhardin M. Seither OFMConv (Minoriten) sowie Marinus Parzinger OFMCap (Kapuziner) können sich das zumindest vorstellen.

Der „Geist von Hofheim“ hat dazu geführt, dass sich die deutschen Minderbrüder konkrete Schritte für die kommenden Jahre vorgenommen haben, um die Zusammenarbeit zu intensivieren und das Zu-sammenwachsen zu fördern. Ob sie dann weltweit unter dem Namen „Minderbrüder“ oder „Franziska-ner“ wieder ein einheitlicher Orden werden, bleibt abzuwarten.

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Mattenkapitel HofHeiM

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Aus der Provinz

1312 Kapuziner 2017.2018

DIE „LuTHERKAnZEL“ In DER nIKOLAIKIRCHE, VOn DER DER REFORMATOR nIE GEPREDIGT HAT, unD unTERSCHIEDE IM EuCHARISTIEVERSTänDnIS, DIE THEOLOGISCH LänGST AuS-GERäuMT SInD: DIE THEOLOGISCHE WERKWOCHE Zu REFORMATIOn unD ÖKuMEnE HIELT FÜR DIE TEILnEHMER EInIGE ÜBERRASCHunGEn BEREIT.

VoN BR. HELMUT RAKoWSKI

Zum Ende des Reformationsju-biläums trafen sich Kapuziner aus Deutschland und der Schweiz vom 18. - 21. September 2017 in Leipzig. Auch zwei Franziskanerbrüder in-teressierten sich für das Thema “Semper reformanda – Kapuziner und die Reformation”.

Gleich zu Beginn betonte Prof. Peter Zimmerling, Theologe an der evangelischen Fakultät und Uni-versitätsprediger der Univeristät Leipzig, dass das Gedenkjahr 2017 wohl das erste öku-menisch begangene Lutherjubiäum der Geschichte war. Auch wenn sich die Augustinus zugeschriebene For-mulierung „Ecclesia semper reformanda“ (Die Kirche muss sich stets erneuern) in seinem Werk wörtlich so nicht findet, hat bereits er den „Reformatio“-Begriff mehrfach auch auf die Kirche bezogen. Umkehr und Erneuerung gehören zum Leben der Christen und zum Leben der Kirche. Spätestens seit dem 2. Vatikani-schen Konzil ist die Ökumene ein wichtiges Anliegen

8 und ein Weg, sich in der gegen-seitigen Begegnung, im gemein-samen Gebet und in der theologi-schen Diskussion auf die gemeinsame Christusnachfolge zu besinnen und sich gegenseitig zur Erneuerung zu verhelfen.

Die Kapuziner entstanden nur wenige Jahre nach Luthers Thesenanschlag als Reformbewe-gung innerhalb der franziskani-schen Bewegung. Sie hatten

schnell einen großen Erfolg und wurden wegen ihrer Zahl, Volksnähe und Effizienz bald die „schnelle Ein-greiftruppe“ des Papstes im Bereich der Mission so-wohl in Europa als auch in Übersee. Gemeinsam mit den Jesuiten waren sie wichtige Protagonisten der sog. Gegenreform, die versuchte, an die Reformation ver-lorene Gebiete wiederzugewinnen. P. Johannes Schla-getter, Franziskaner aus München und ehemaliger Professor an der PTH Münster, gab einen spannenden Einblick in das Verhältnis von den Franziskanern und

Kapuzinern zur Reform.Erstaunliche Erkenntnisse brachte zum Abschluß

Frau Prof. Sattler. Die Direktorin des Ökumenischen Institutes an der Universität Münster berichtete kom-petent und engagiert zum Thema „Ökumene heute. Wege – Themen – Perspektiven“. Es war für die Teilneh-mer überraschend zu hören, dass das Problem der Abendmahlsgemeinschaft längst nicht mehr beim Eu-charistieverständnis liegt. Hier herrscht unter Theolo-gen längst Einigkeit. Das eigentliche Problem besteht in der Frage des Amtsverständnisses. Mit welchem Fleiß und Einsatz im Bereich der Ökumene gearbeitet wird, um die Trennung zu überwinden, zeigt sich z.B. in der dreibändigen Studie zum Amtsverständnis, die von der ökumenischen Kommission erarbeitet wurde.

Eine weitere Überraschung im Bereich der Öku-mene: Der Besuch bei einer evengelischen Ordensge-meinschaft. Auf dem Petersberg bei Halle leben drei Brüder und drei Schwestern der Christusbruderschaft. Ordensleben evangelisch! Sogenannte „Kommunitä-ten“, die bekannteste ist wohl die Gemeinschaft von Taize, entstanden vor allem nach dem 2. Weltkrieg.

Wurden die Schwestern und Brüder anfangs misstrau-isch als “zu katholisch” beäugt, gehört heute dieses Cha-risma wieder zur Realität der lutherischen Kirche. Die Christusbruderschaft fühlt sich übrigens dem Hl. Fran-ziskus nahe und ist Mitglied der Interfranziskanischen Arbeitsgemeinschaft (INFAG).

Der letzte Vor-Ort-Termin galt der Stadt Leipzig und dort besonders der Nikolaikirche, dem Ort, an dem, ausgehend von den traditionellen Friedensgebeten, die friedlichen Demonstrationen begannen, die 1989 zum Fall der Mauer führten. In einer Seitenkapelle steht die sog. „Lutherkanzel“. Von ihr sollte der Reformator ei-gentlich predigen, musste aber wegen Übelkeit absagen und sprach dann am Abend in der Thomaskirche. Nach einem Abstecher dorthin und zum Grab von Johann Sebastian Bach ging es dann zur katholischen Propstei-kirche, die erst 2015 als prominentes modernes kirchli-ches Gebäude in der Innenstadt geweiht wurde. An beiden Orten wurde die gute ökumenische Zusam-menarbeit gelobt. Angesichts von einem Anteil von 15% (!) Christen in Leipzig (12% Protestanten, 3% Katholiken) führt daran wohl kein Weg vorbei.

Werkwoche 2017

– eine theologische Werkwoche voller Überraschungen

Semper Reformanda

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Jubiläum

Kapuziner 2017.2018

Aus der Provinz

Konradjubiläum

BR. KOnRAD VOn PARZHAM IST FÜR DIE KAPuZInER In DEuTSCH-LAnD EInE GAnZ BESOn-DERE PERSOn. 1934 WuRDE ER HEILIGGE-SPROCHEn. SEInEn 200. GEBuRTS- unD TAuFTAG FEIERT DIE DEuTSCHE KAPuZInERPROVInZ In VIELFäLTIGER WEISE. Heiliger

Bruder Konrad

200 Jahre

VoN BR. NoRBERT SCHLENKER

Zwei Tage, bevor im rund 80 km entfernten Obern-dorf an der Salzach das weltberühmte Weihnachtslied „Stille Nacht“ uraufgeführt wurde, erblickt auf dem Ve-nushof im niederbayerischen Parzham bei Bad Gries-bach am 22. Dezember 1818 kurz nach Mitternacht der kleine Hansl das Licht der Welt. Er ist das elfte von zwölf Kindern der Eheleute Bartholomäus und Ger-traud Birndorfer. Sein Vater bringt ihn gleich am Mor-gen in die Kirche St. Wolfgang bei Weng, wo er um 9.00 Uhr auf den Namen des Evangelisten Johannes, dessen Fest die Kirche am 27. Dezember feiert, getauft wird.

Sein 200. Geburts- und Tauftag soll, so ist es die Ab-sicht der Brüder Kapuziner, besonders in Altötting, wo er im damaligen St. Annakloster 41 Jahre gelebt und als Pförtner Gott verbunden und den Menschen zuge-wandt gewirkt hat, das ganze Jahr 2018 über im Blick sein, ebenso im Bistums Passau, dessen dritter Patron der Hl. Bruder Konrad seit 1984 ist. Dieser 22. Dezem-ber 1818 war für den kleinen Hansl nicht nur Geburts-tag für das Leben auf dieser Erde, sondern durch die

8 Taufe auch Geburtstag für das Leben mit Gott und da-mit für das ewige Leben.

Der kleine Hansl hat seine Taufberufung gelebt. Ge-prägt war er durch sein religiöses Elternhaus. Dort wurde der Glaube nicht nur durch häufiges gemeinsa-mes Beten in der Familie und den Gottesdienstbesuch praktiziert, sondern auch durch eine großzügige Gast-freundschaft gegenüber Wanderern und Bettlern. Hansl hat auf dem Schulweg regelmäßig den Rosen-kranz gebetet, später war er sonntags zu den verschie-densten Kirchen und Kapellen in näheren Umkreis un-

terwegs, um mehrere Gottesdienste mitzufeiern. So wurde er schon in jungen Jahren zum Pilger und Wall-fahrer. Er gehörte verschiedenen Bruderschaften an, die ihm ein großes Gebetspensum vorgaben, eine in unse-rer Zeit schwer verständliche, aber damals durchaus übliche Frömmigkeitshaltung. Eine Volksmission in Ering St. Anna und die jahrelange geistliche Begleitung und der regelmäßige Empfang des Bußsakramentes beim Benefiziaten Franz Dullinger in Aigen am Inn be-stärkten seinen Wunsch, Kapuzinerbruder zu werden.

Im September 1849 bittet er im Altöttinger Kapuzi-nerkloster St. Anna um Aufnahme. Seinen Besitz ver-teilt er gleich seinem Ordensvater Franziskus und, wie im Evangelium empfohlen, an die Armen und für ver-schiedene religiöse und soziale Zwecke. Er erhält das Kleid des Hl. Franz von Assisi und den Ordensnamen „Konrad“ Nach dem Noviziat in Laufen an der Salzach und der Feierlichen Profess am 4. Oktober 1852 wird er mit dem Pfortendienst an der am stärksten frequentier-ten Klosterpforte in Bayern beauftragt. Dieser Dienst prägt sein ganzes Ordensleben bis zu seinem Tod am Abend des 21. April 1894.

Seine Aufnahme in das Verzeichnis der Heiligen am Pfingstfest 1934 durch Papst Pius XI war nach knapp 200 Jahren die erste Heiligsprechung eines Deutschen. Der letzte vor Br. Konrad heiliggesprochene Deutsche – auch ein Kapuziner - war 1746 Fidelis von Sigmarin-gen. Dieser kam 1622 in den religiösen und politischen Wirren der Gegenreformation in Seewies in Graubün-den zu Tode und ist damit der Erstlingsmärtyrer des Kapuzinerordens. Beide sind Mitpatrone der Deut-schen Kapuzinerprovinz.

Die Heiligsprechung von Br. Konrad war zugleich ein großes Geschenk und eine starke Ermutigung der Kir-che an das durch den Nationalsozialismus schwer ge-prüfte deutsche Volk. Gemäß dem Pauluswort „das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen (1 Kor. 1, 27)“ und dem Wort Mariens in ihrem Lobgesang des Magnifkats „er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen (Lk 1,52)“ wird hier gegenüber dem deutschen Diktator, dem „Braunen aus Braunau“ mit seinem Größenwahn, der einfache schlichte Kapuzinerbruder im braunen Habit den Gläubigen vor Augen gestellt, der segensreich wirkt und damit auf das wirkliche Heil verweist.

Dieser zweite große Heilige der bayerischen Wall-fahrtsmetropole neben der Gnadenmutter soll in Altöt-ting und im ganzen Bistum Passau mit verschiedenen Veranstaltungen in seinem 200. Geburtsjahr gefeiert werden. Ein Höhepunkt wird sicher das Bruder-Kon-

rad-Fest am 21./22. April sein mit der Wiedereröffnung der renovierten und umgestalteten Klosterkirche St. Konrad mit Altarweihe durch den Passauer Diözesan-bischof Dr. Stefan Oster SDB. Als weiterer prominenter Gast wird zum Bruder-Konrad-Fest der Generalminis-ter der Kapuziner Br. Mauro Jöhri aus Rom in Altötting erwartet, und eine Woche später am 1. Mai zur Eröff-nung der Hauptwallfahrtssaison der Kapuzinerkardinal Séan Patrick O’Malley aus Boston, der in diesem Zu-sammenhang auch unseren Mitbruder Thomas Maria Schied, der zurzeit als Diakon in München sein Prakti-kum macht, in der Altöttinger Wallfahrtsbasilika am 30. April zum Priester weihen. Außerdem gibt es in Al-tötting das ganze Jahr über verschiedene Sonderausstel-lungen zum Leben und Wirken von Bruder Konrad.

Zum 200. Geburtsjahr des Heiligen, der als einfacher Kapuzinerbruder die Kunst besaß, Gottesfreundschaft und Menschenliebe beispielhaft miteinander zu verbin-den und dem heute Konradkirchen auf vier Kontinen-ten geweiht sind, hat unser Schweizer Mitbruder Ni-klaus Kuster ein neues Bruder-Konrad-Buch geschrieben mit der Lebensgeschichte Br. Konrads, die spirituell in die Gegenwart spricht und dazu ermutigt, auch einem ganz schlichten Alltag Tiefe und Weite zu geben. Es trägt den Titel: „Konrad von Parzham - Men-schenfreund und Gottesmann“. Die Lektüre dieses Buches, das im Januar 2018 in der Reihe der Topos-Bio-graphien erscheinen wird, ermöglicht einen neuen zeit-gemäßen Zugang zu unserem heiligen Mitbruder.

Das Innere der Kirche St. Wolfgang, in der Br. Konrad getauft wurde

Das Geburtshaus von Br. Konrad in Parzham

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1716 Kapuziner 2017.2018

Innenrenovierung der Klosterkirche St. Konrad Altötting

DAS JuBILäuM IST EIn GuTER AnLASS, DIE KIRCHE WIEDER In nEuEM GLAnZ ERSCHEInEn Zu LASSEn.

VoN BR. NoRBERT SCHLENKER

Seit der ersten Erhebung der Gebeine im Oktober 1912 zur Vorbereitung der Seligsprechung, waren die Reliquien des Kapuzinerbruders Konrad von Parzham an mehreren verschiedenen Stellen der damaligen Klosterkirche St. Anna beigesetzt. Die letzte Umgestal-tung in den Jahren 1953 – 1956 war wohl beeinflusst von der liturgischen Bewegung des frühen 20. Jahrhun-derts, keineswegs konnten aber zu dieser Zeit schon die Vorgaben der Liturgiekonstitution des II. Vatikani-schen Konzil berücksichtigt werden. Der Reliquien-schrein fand damals seinen Platz unter einem neuen sehr wuchtigen Steinaltar auf einer Stufenanlage und wurde mit einem von vier Silberstangen getragenen Baldachin überdacht. Diese Altaranlage wurde ins Kir-chenschiff vor den Chorbogen vorgezogen. Dabei ging eine stattliche Anzahl von Plätzen im Schiff für die

8 Gläubigen verloren. Dass diese Lösung unbefriedigend war, zeigte sich bereits nach dem Konzil.

Zu Beginn der 90er Jahre anlässlich des 100. Todes-tages des Heiligen wurde eine Renovation der Kirche angedacht, die auch eine Verlegung des Altares und damit des Reliquienschreines und eine Umgestaltung des Altarraumes nach den Vorgaben der Liturgiekon-stitution des II. Vatikanischen Konzils vorsah. Aller-dings wurden damals nur die Raumschale neu gestri-chen und die 14 Kreuzwegstationen mit einem hohen Aufwand restauriert, auf eine Umgestaltung des Altar-raumes hatte man aber aus klosterinternen Gründen verzichtet.

Die Notwendigkeit einer Innenrenovation mit Umgestaltung des Altarraumes wurde immer wieder von den Kapuzinern gesehen und auch von anderen

Weiterführung und Vollendung

Termine 200. Geburtsjahr Hl. Bruder Konrad von Parzham 2018 in Altötting

Sa. 27. Januar 16.00 Uhr buchvorstellung des neuen br. Konrad buches durch den autor Kapuziner-bruder prof. dr. niklaus Kuster aus cH-olten in der stiftspfarrkirche an-schl. eröffnung der ausstellung „Bruder Konrad – sein Leben“in der romanischen eingangshalle der stiftspfarrkirche und der sonderaus-stellung „Bruder Konrad – Geburt und Taufe“ in den räumen des bruder-Konrad-Klosters

Sa.17. / So.18. Februar in St. Magdalenaeucharistisches stundengebetThema: die Kreuzesnachfolge von bruder Konrad orientiert an seinem ordensvater Franz von assisiSa. 10 Uhr: das evangelium lebenSa. 16 Uhr: das zeugnis der demutSo. 9.30 Uhr: abschied nehmen könnenSo. 15 Uhr: Kreuzesfrömmigkeit

Donnerstage der Fastenzeit 19.00 Uhr FastenpredigtenThema: die Kreuzesnachfolge von bruder Konrad orientiert an seinem ordensvater Franz von assisi

22. Februar in der Stiftspfarrkirche; thema: „Bote des Friedens“

1. März in der Stiftspfarrkirche; thema: „Dunkle Stunden aushal-ten können“

8. März in der Stiftspfarrkirche; thema: „Bereit sein zum Sterben“

15. März in St. Josef AÖ-Süd; thema: „Nachfolgen und Leben finden“

Sonntag 11. März 14.30 Uhr eröffnung der sonderausstellung „ Bruder Konrad – Kunst und Schriften“ in der bischöflichen admi-nistration Haus papst benedikt Xvi (Frühjahrhauptfest der Marianischen Männerkongregation)

Sa. 14. April 17. 30 Uhr an der Kirche St. Michael ankunft der pas-sauer Fußwallfahrt der Jugend in altöt-ting 20 uhr vorabendmesse in der basilika mit anschl. Lichterprozession

Fr. 20. – Di. 24. Aprilwallfahr der nordwesteuropäischen

Kapuziner nach altötting und zu den stätten von br. Konrad

Samstag 21. April / Sonntag 22. April: Bruder-Konrad-FestSa. 21. April 10 Uhr Klosterkirche st. Konrad pontifikalmesse mit bischof dr. stefan oster sdb mit altarweihe und zur wiedereröffnung der Klosterkirche st. Konrad nach der renovation

Sa. 21. April 20 Uhr Basilika St. Anna Feierlicher einzug in die basilika mit der bruder-Konrad-Hauptreliquie,vorabendmesse anschließend Lichter-prozession zelebrant und prediger: br. Mauro Jöhri, rom, generalminister der Kapuziner

So. 22. April 10 Uhr Basilika St. Anna Festliche orchestermesse be-sonders für alle, die den namen „Kon-rad“ tragen sowie für die wohltäter und Förderer des Konradklosters und der wallfahrtsbasilika st. anna zelebrant und prediger: br. Mauro Jöhri, rom, generalminister der Kapu-ziner anschl. reliquienprozession über den Kapellplatz, abschluss an der bruder-Konrad-Kirche, danach zu-sammensein am vorplatz der basilika mit verteilung von „bruder-Konrad-weckerl“ und Freigetränken

So. 22. April 14 Uhr treffpunkt pan-orama weltgebetstag für geistliche berufe im bistum passau mit diözes-anbischof dr. stefan oster sdbprozession mit der bruder-Konrad-Hauptreliquie zur basilika st. anna mit statio an der gnadenkapelle und am bruder-Konrad-brunnen,ca. 15 uhr vesper in der basilika st. anna mit anschl. einzelreliquiensegen

So. 22. April 18 Uhr Klosterkirche St. Konradgeistliches Konzert: uraufführung der „Bruder Konrad Kantate“text: bischof dr. stefan oster sdb, Komposition: alwin schronen

Mo. 30. April 15 Uhrpontifikalmesse mit priesterweihe des Kapuziners br. thomas Maria schied (z.zt. diakon in München st. anton) durch den Kapuzinerkardinal seán

patrick o’Malley, boston / usa in der basilika st. anna

Di. 1. Mai 10 Uhr Festliches pontifikalamt und orches-termesse zum Fest der patrona bava-riae und zur eröffnung der Haupt-wallfahrtssaison in der basilika st. anna mit Kapuzinerkardinal seán patrick o’Malley, boston / usa

So. 17. Juni 16.00 Uhr Bruder - Konrad-Spieltheater-Freilicht-aufführung mit der theatergruppe Halsbach auf den stufen und dem vorplatz der basilika st. anna

Fr. 6. – So. 8. JuliJugendwallfahrt von altötting nach parzham mit dem „IK Junge Wall-fahrt“ und Kapuzinerbruder georg greimel

Sa. 22. Dezember in Parzham und St. Wolfganggeburtstag und tauftag: an diesem tag hat der vater birndorfer seinen sohn Johannes auf diesem weg zur taufe gebracht.thema: „In Gott eintauchen – bei den Menschen auftauchen“17 uhr Fackelwanderung vom ge-burtshaus in parzham zur taufkirche in st. wolfgang – dort anschließend: 18.30 uhr: gottesdienst mit tauferin-nerung zusammen mit den Kapuzinern

Fr. 28. Dezember 10 Uhr: Pontifikalmesse in der Basilika St. Anna anlässlich der bundesweiten sternsin-ger-aussendung durch Jugendbischof dr. stefan oster sdb

AUSSTeLLUNGeN:sonderausstellung im bruder-Konrad-Kloster: „Bruder Konrad – Geburt und Taufe“ (ab 27. Januar)

ausstellung in der romanischen eingangshalle der stiftspfarrkirche„Bruder Konrad – sein Leben“ (ab 27. Januar)

ausstellung in der bischöflichen administration Haus papst benedikt Xvi „ Bruder Konrad – Kunst und Schriften“ (ab 11. März)

Leitwort: „Jesu Kreuz – unser buch!“

Jubiläum Aus der Provinz

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1918 Kapuziner 2017.2018

Aus der Provinz

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Absprache mit den Kapuzinern ausgeführt hat. Folgendes ist vorgesehen: Die bisherige wuchtige Stu-

fenanlage mit dem großen Altar und Baldachin werden abgebaut, so dass im vorderen Bereich des Kirchen-schiffes weitere Bänke ergänzt werden können und so-mit im Kirchenschiff mehr Platz ist. Ein neuer kleinerer Altar aus hellem Kalkstein wird hinter dem Chorbogen aufgestellt. In diesem Ensemble werden auch Priester-sitz, Vortragekreuz und Osterkerze ihren Platz finden. Ein neues Kreuz, im Chorbogen hängend, soll das Kir-chenschiff mit dem Chorraum verbinden. Die Kreuzi-gungsgruppe von Siegfried Moroder, die sehr geschätzt ist, findet einen neuen Platz im Kirchenschiff über dem seitlichen Portal zum Klostergang hin.

Der Reliquienschrein wird einen neuen Platz direkt über der Gruft, dem ersten Bestattungsort des Heiligen, finden und gleichzeitig für die Gläubigen, besonders auch für Gehbehinderte, gut zugänglich sein. Dabei wird die 1967 mit einem hohen Spendenaufwand an-gefertigte Silberfigur erhalten bleiben. Sie wird aber in einem neuen zum Gesamtensemble passenden Schrein aus Stein und Glas einen neuen Platz finden. In diesem Schrein werden an den beiden Stirnseiten auch die Hauptreliquie und die Fingerreliquie gut sichtbar untergebracht.

Ein Relief an der Stirnseite mit dem Motiv des himmlischen Jerusalems mit den 12 Toren der heili-gen Stadt und dem Lamm führt theologisch gelungen die Themen der Glasfenster weiter: der im letzten Fenster als der im Himmel verklärte Heilige wird zum Pförtner auch in der Heiligen Stadt. Dort an der Stirn-seite des Chorraumes ist auch ein zweigeteiltes Lucer-nar vorgesehen, so dass die Gläubigen in der Nähe des Schreines Opferkerzen anzünden können.

Ambo und Tabernakel finden ihren Platz unter dem Chorbogen. Vor dem Chorbogen, von der Seite des Kirchenschiffs her gesehen links, wird unter der Mari-enfigur der Evangelienthron seinen Platz finden, auf der rechten Seite unter der Figur des Hl. Josef wird ein Platz geschaffen für die Heiligen Öle.

In der ganzen Kirche werden die Steinplatten des Fußbodens überarbeitet, Die Glasfenster mit Bildern aus dem Leben des heiligen Bruders Konrad werden erhalten, fachmännisch gereinigt und leicht verbes-sert. Ein neuer Anstrich der Wände wird den Raum aufhellen. Auch zwei Beichtstühle werden schalldicht erneuert.

Im technischen Bereich ist eine Gesamterneuerung der Elektrik- und der Lautsprecheranlage vorgesehen, wobei daran gedacht ist, dass die Möglichkeiten der Tonübertragung und der Ausleuchtung für alle Arten von Gottesdiensten bis hin zu jugendgemäßer Liturgie wie z.B. Nightfire optimal bedient werden können.

Die Kostenschätzung für die Gesamtsanierung be-

läuft sich auf knapp zwei Millionen Euro. Zur Unter-stützung der Renovation und der Umgestaltung erhof-fen sich die Kapuziner Spenden aus der Bevölkerung und von den Wallfahrern. Auch wird es wie bei der Ge-neralsanierung der Basilika wieder die Möglichkeit ge-ben, für bestimmte Kunstwerke und Einrichtungsge-genstände Patenschaften zu übernehmen.

Die Wiedereröffnung der Kirche mit Altarweihe ist auf das Bruder-Konrad-Fest am 21. April 2018 termi-niert. Während der Renovationszeit sind die Gottes-dienste, die üblicherweise in St. Konrad stattfinden, in die Wallfahrtsbasilika St. Anna verlegt. Dort hat für diese Zeit auch der Schrein des heiligen Bruder Kon-rad seinen Platz gefunden.

kirche, die damals zurückgestellt wurde, wird somit als Weiterführung und Vollendung des Ortes gesehen, wo der Hl. Bruder Konrad über 40 Jahre gelebt und gewirkt hat.

Unmittelbar nach dem Provinzkapitel 2016 hat die neue Provinzleitung der Deutschen Kapuzinerprovinz den einstimmigen Beschluss zur Sanierung und Um-gestaltung der St. Konradkirche besonders auch im Blick auf die Feier des 200. Geburtsjahres des Heiligen im Jahre 2018 gefasst und den Künstler und Bildhauer Friedrich Koller in Laufen, mit dem wir auch sehr konstruktiv und angenehm bei der Generalsanierung der Basilika zusammengearbeitet haben, mit einem Entwurf beauftragt, den er inzwischen auch in enger

angesprochen und angeregt, wurde aber auch immer wieder zurückgestellt, u.a. da die Kapuziner sich in Altötting ab dem Jahre 2000 mit anderen noch dring-licheren Bauprojekten (Generalsanierung St. Magda-lena, Neubau Konradkloster, Generalsanierung Basi-lika St. Anna) auch finanziell mit hohem Aufwand engagiert haben.

Der Lebensort des heiliggesprochenen Pfortenbru-ders ist für die Deutsche Kapuzinerprovinz ein Schwerpunkt. Daher wurden mit großer Sorgfalt die klösterlichen Räume des Heiligtums zum Teil reno-viert und zum Teil neu gebaut. Dabei wurden weitere Räume den Pilgern zugänglich gemacht. Die jetzt vor-gesehene Renovation und Neugestaltung der Konrad-

Der gesamte Kircheninnenraum inklusive des Bodens bekommt ein neues Gesicht

So soll das Innere der Kirche nach der Renovation aussehen

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2120 Kapuziner 2017.2018

Aus der Provinz

Jubiläum

MITTEn In DER FRAnKFuRTER FuSSGänGERZOnE STEHT DIE LIEBFRAuEnKIRCHE. SEIT 1321 IST SIE EIn BELIEBTER ORT FÜR STILLE unD GEBET. IM InnEnHOF ZWISCHEn KIRCHE unD KLOSTER WERDEn TäGLICH uM DIE 1.800 KERZEn AnGEZÜnDET. SEIT 100 JAHREn WIRD DIE KIRCHE VOn DEn KAPuZInERn BETREuT.

VoN CHRISToPHoRUS GoEDEREIS oFMCAP

Im Jahr 2017 feierte der Orden „100 Jahre Kapuziner in Liebfrauen“. Dazu war eigens der Bischof von Lim-burg, Dr. Georg Bätzing, angereist. Aber die Ordens-brüder blickten nicht nur auf die letzten 100 Jahre zu-rück - sondern auf eine Geschichte, die in Frankfurt im Jahr 1230 ihren Anfang nahm: Nur vier Jahre nach dem Tod des hl. Franziskus kommen die Minderbrüder (so der ursprüngliche Name des franziskanischen Ordens) in die Mainmetropole und lassen sich an einem histori-schen Ort nieder, nämlich an der Frankfurter Paulskir-che. Wie in vielen anderen deutschen Städten, werden sie auch hier „Barfüßer“ genannt. Fortan sollte der Frankfurter Barfüßerkonvent 300 Jahre lang das „of-fene Stadtkloster“ von Frankfurt sein. Im Barfüßerklos-ter trifft sich von 1230 bis 1529 der Stadtrat zu seinen Sitzungen. Dort übernachten zahlreiche Kaufleute während der großen Frankfurt Messen, die bereits seit dem Mittelalter in der Stadt abgehalten wurden. Dort treffen sich Arme und Reiche zu kirchlichen und politi-schen Ereignissen. Was viele nicht wissen: Mit der Frankfurter Paulskirche ist eine große franziskanische Geschichte verbunden.

Frankfurtfranziskanisch

Aber die Geschichte des Frankfurter Barfüßerklos-ters nahm eine jähe Wendung. Als die Ereignisse der Reformation die Stadt Frankfurt überrollten, waren es eben jene Barfüßer, die sich die reformatorischen The-men zu eigen machten. Im Jahre 1522 hielt der Barfü-ßermönch Hartmann Ibach die erste reformatorische Predigt auf Frankfurter Boden. Wenige Jahre später laufen die Frankfurter Barfüßermönche offiziell zum Protestantismus über. In einer bis heute erhaltenen his-torischen Notiz heißt es: „Anno 1529 den 7. Juni ist zu den Barfüßern in Frankfurt am Main die heilige Messe verschieden.“ Eine 300 Jahre lange franziskanische Ge-schichte in Frankfurt am Main scheint damit beendet. Aber der liebe Gott schreibt bekanntlich auch auf krummen Zeilen seine eigene Geschichte…

…Knapp 100 Jahre später ist die Stadt Frankfurt zu 98 % protestantisch. Auf katholische Ordensleute war man nicht gut zu sprechen. Dennoch reisen am 2. Oktober 1623 drei Kapuziner (ein neuer Zweig im Minderbrü-derorden) nach Frankfurt - und bitten darum, sich in der Stadt niederlassen zu dürfen. In einer bewegenden Rede wendet sich der Kapuziner Michael von Innsbruck

an den Stadtrat, verweist auf die große Geschichte der Barfüßer an der Paulskirche und schließt mit den Wor-ten: „Nachdem man dem franziskanischen Orden in dieser Stadt schon einmal ein namhaftes, schönes Klos-ter und eine Kirche erbaut habe, habe nun der allmäch-tige Gott nach langer Winterszeit wieder Männer er-weckt, welche wie frische Blumen aus der alten Wurzel nicht allein den vorigen Glanz verjüngt haben, sondern diesen noch überscheinen und übertreffen.”

Aber selbst solche blumigen Worte können den pro-testantischen Stadtrat nicht erweichen. Es gibt keine Er-laubnis für eine Niederlassung. Doch die Kapuziner las-sen sich nicht abschrecken. Am 23. April 1628, ziehen sieben Brüder gegen den Willen des Stadtrats in die Stadt Frankfurt ein und lassen sich am sog. Antoniter-hof nieder, wenige Steinwürfe von der Liebfrauenkirche entfernt. Es beginnt ein jahrelanges Tauziehen zwi-schen Orden und Stadtrat. Nach fünf Jahren, am 13. Juni 1633, werden die Kapuziner mit Waffengewalt aus der Stadt gewiesen. Ein altes Schmähbild (s. Abbildung) zeugt bis heute davon. Aber die Kapuziner geben im-mer noch nicht auf. 90 Jahre nach ihrer Vertreibung

ziehen sie im Jahr 1723 wieder in die Stadt ein, aber-mals in den alten Antoniterhof. Hier erfreuen sie sich bald so großer Beliebtheit, dass der Stadtrat keine Mög-lichkeit mehr sieht, sie des Ortes zu verweisen. Erst die Säkularisation im Jahre 1803 führt zur erneuten Aufhe-bung des Frankfurter Kapuzinerklosters. Doch auch damit sollte die franziskanische Geschichte der Stadt Frankfurt noch nicht beendet sein. Im Jahr 1900 ziehen die Kapuziner zum dritten Mal in Frankfurt ein. Wie die Ironie des Schicksals es will, werden sie diesmal von den Stadtvätern selber gerufen - und gebeten, sich im Neubaugebiet des Frankfurter Westends niederlassen, um an der Antoniuskirche die Seelsorge zu überneh-men. Als im Jahr 1917 die katholischen Pfarreien in Frankfurt neu strukturiert wurden, bat man die Kapu-ziner schließlich an die Liebfrauenkirche, mitten im Frankfurter Stadtzentrum.

100 Jahre Kapuziner an Liebfrauen. Die vierte Grün-dung der Kapuziner auf Frankfurter Boden. 391 Kapu-ziner Jahre Kapuziner in Frankfurt am Main. 787 Jahre Minderbrüder in der Mainmetropole. Da sage noch ei-ner, Frankfurt sei nicht franziskanisch.

100 Jahre Kapuziner in Liebfrauen

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2322 Kapuziner 2017.2018

Aus der Provinz

VoN BR. BERND BEERMANN

Schon bekannt sind die Außenmauern des Gartens als Schutz- und Lebensraum für unterschiedliche Ap-felsorten im Garten. Die alten Mauern dienen als Wärmespeicher und Halt für das Spalierobst.

Doch darüber hinaus wurde in diesem Jahr fleißig Stein auf Stein gesetzt, um andere Mauern zu bauen.

Das Kräuterbeet wurde um ein Hochbeet erweitert, die aus Natursteinen erbaut wurden. Auf verschiede-nen Höhen geben die neuen Pflanzflächen weiteren Kräutern Raum, sich zu entfalten. Insbesondere un-terschiedliche Minzsorten und Mentholhaltige Pflan-zen finden dort ihr Domizil.

Aber nicht nur Pflanzen sollen sich im Klostergar-ten wohlfühlen, sondern auch die Menschen.

Eine weitere Mauer aus Natursteinen wurde errich-tet. Auf deren Sims findet eine viertelrunde Bank ih-ren Platz als idealer Ort für ein nettes Miteinander mit Blick auf den Kräutergarten oder die Obstwiesen.

Unter den Obstbäumen zeigt sich im Sommer eine bunte Blütenpracht von Wildblüten, ein idealer Ort für Insekten, die dort ihre Nahrung finden. Sowohl unsere vier Bienenvölker als auch Insekten auf der Durchreise können hier wie die Menschen auftanken, um Kraft für den weiteren Weg zu finden. Solch kleine Rastorte für Insekten auf der Durchreise sind wichtig und leider ge-rade auf dem Lande mehr als rar geworden.

Das größte Projekt allerdings, was Mauern angeht, stellt der Ersatz der alten Innenmauer im Klostergar-ten dar: Die hohe alte Mauer, die den Münsteraner Klostergarten in zwei Teile unterteilte, war baufällig geworden. Ganz ohne eine solche Unterteilung kann der Garten mit seinen unterschiedlichen Funktionen nicht sein. Gemüsezucht wäre unmöglich ohne eine kaninchensichere Abtrennung zum Wäldchen. Daher wurde beschlossen, die alte Mauer, die an ihrer höchs-ten Stelle fast 3 m hoch war, abzutragen und durch

Hochbeete für Kräuter

“zum Anbeißen lecker“

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Mauern, Mauern, Mauern

ÜBERALL In DER WELT SInD MAuERn EIn THEMA. MAuERn AuS STEIn, BETOn ODER STAHL, ABER AuCH DIE MAuERn In DEn KÖPFEn DER MEnSCHEn. MAuERn KÖnnEn SEHR unTERSCHIEDLICH SEIn. DAS ZEIGT SEIT DIESEM JAHR AuCH DER KLOSTERGARTEn In MÜnSTER.

Münsters Klostergarten und seine Mauern

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2524 Kapuziner 2017.2018

Ein Mann liegt vor einem Klos-ter in einer italienischen Stadt. Er stirbt. Szenen seines Lebens ziehen an ihm vorbei. Fragen nach dem Bösen, nach Hochmut und Demut, nach dem Glauben, nach dem Tod und dem Nichts lassen ihn nicht los. Der hl. Antonius von Padua stirbt und nimmt die Leser mit auf eine faszinierende Reise in seine Gefühle, Erinnerungen und Ge-danken, die vielen heute wohl ähn-lich durch den Kopf und durch das Herz gehen. Er stirbt, und 3000 Menschen sind herbeigeeilt, um dem großen Heiligen ihre letzte Aufwartung zu erweisen. Zu die-sen will er noch predigen.

Der österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier hat mit seiner neuesten Novelle ein eindrücklich menschliches Bild eines Heiligen gezeichnet, der wohl einer der be-kanntesten Heiligen der Christen-heit weltweit ist: Der Mann, an den man sich wendet, wenn man etwas verloren hat. Und Antonius, so der Glaube oder die Hoffnung, findet es wieder, das Verlorene. Doch bezieht sich der Titel wirklich auf diesen al-ten Volksglauben, oder findet Anto-nius in Wahrheit in den Stunden seines Sterbens sein verlorenes In-neres wieder – und der Tod tut sich als die große Erlösung auf, an der so viele Gläubige in aller Welt sich fest-halten? „Du, ein Bruder, bist du be-rufen, auf die Seelen achtzugeben, die sich zum Bösen neigen? Bist du der Mann, der Verlorenes wieder-findet? Dann kannst du unterschei-den zwischen Gut und Böse.“ Und

Michael Köhlmeier: Der Mann, der Verlorenes wiederfindet

am Ende seines Lebens, das zu-gleich das Ende des Buches ist, sitzt ein Rabe auf seiner Brust. „Und die Brüder sahen, der Mann, der Verlo-renes wiederfindet, hatte auf Erden nichts mehr zu erledigen.“

Es ist ein eindrucksvolles Buch, geschrieben in einer Sprache, die Zitate aus der Bibel, aus den Wer-ken der Kirchenväter und Erzäh-lungen aus dem Leben des Heiligen aufnimmt; eine Sprache aber auch, die einfach und klar, suchend und fragend zugleich ist; eine Sprache, die zwischen dem Mittelalter und unserer heutigen Zeit ihren Weg sucht. Wenn ein Schriftsteller sich mit einer heiligen Gestalt beschäf-tigt, dann rückt er diese oft in neues und unbekanntes Licht. Köhlmeier gelingt zum einen, die Gestalt des Antonius sehr lebendig werden zu lassen, und zum anderen seine Fra-gen und Überlegungen mit den ei-genen Gedanken und Fragen zu ver-binden. Ein nachdenkliches, und deswegen ein sehr schönes Buch. Und vielleicht geht es so manch ei-nem Leser wie den Hörern der ers-ten großen Predigt des heiligen An-tonius im italienischen Forli: „Als er geendet hatte, war es still in der Kir-che; sogar die Ziegen standen starr wie Statuen. Die Fliegen waren ge-landet, die Münder der Bauern kau-ten nicht mehr, die Finger ihrer Frauen nestelten nicht an den Rü-schen. Der Verputz an den Decken rieselte nicht, das Gebälk knarrte nicht, und Bischof und Superior hielten die Luft an. Nie zuvor hatten sie jemanden so reden hören.“

Michael Köhlmeier Der Mann, der Verlorenes wiederfindet Verlag: Carl Hanser 2017 Seitenzahl: 157ISBn 978-3-446-25645-3

Buchtipp

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VoN BR. THoMAS DIENBERG

Öffnung des Gartens mehr Menschen Zugang zu die-ser innerstädtischen Oase zu ermöglichen, möglichst ohne den grundsätzlichen Charakter des Gartens zu verändern.

Das wird sowohl für die Brüdergemeinschaft vor Ort als auch für die Gäste, die kommen werden, eine inter-essante Zeit werden, in der Veränderungen und Nach-besserungen immer wieder vorkommen können.

Zusammen mit unseren Partnern, den Alexianer-Werkstätten, dem Institut für theologische Zoologie, dem Kompetenzzentrum für Christliche Spiritualität der PTH Münster, IUNCTUS, und dem Naturschutz-bund, NABU, mit seinem Landesverband NRW und dem Stadtverband Münster, die dieses Gartenprojekt begleiten und gestalten, wird es eine Reihe von Veran-staltungen geben. Beginnen werden diese Veranstal-tungen im Frühjahr 2018. Der Katholikentag wird im kommenden Jahr darin einen Höhepunkt darstellen. Gefördert und somit ermöglicht werden diese Aktivi-täten von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW.

Eine herzliche Einladung geht hiermit an alle In-teressierten, sich den Garten anzuschauen und zu erschließen sowie an den kommenden Veranstal-tungen teilzunehmen. Weitere Informationen wird es ab ca. März 2018 auf der dann neuen Website www.kapuzinerklostergarten.de geben.

eine niedrigere Mauer zu ersetzen.Da durch unsere Gärtner, die Garten- und Land-

schaftsbauer der Alexianer-Werkstätten, auch viel neues Gerät aufs Gelände kam, ergab sich die Notwe-nigkeit, hierfür einen Unterstand zu schaffen.

Beides steht nun kurz vor der Vollendung. Die not-wendige Unterteilung des Gartens ist gewährleistet, aber die neue Mauer verhindert nun nicht mehr die Sicht in den anderen Teil des Gartens. Sie strukturiert vielmehr das Gelände und ist durch eine Pergola zu ei-nem weiteren attraktiven Element des Gartens gewor-den. Auch sie dient Spalierobst als Lebensraum und wird weiteren Obstgewächsen einen Standort geben.

Der durch den Schuppen entstandene Freisitz ist ein weiter Ort der Begegnung und des Verweilens im Garten.

Mauern haben unterschiedliche Funktionen. Sie ge-ben Schutz und ermöglichen Leben, sie können aber auch trennen und ausgrenzen. Damit Letzteres nicht zum vorherrschenden Prinzip im Garten wird, sind Türen und Tore ebenso wichtig wie die Mauern selbst.

Auch hierfür ist nun gesorgt. Es gibt mehr Zugangs-möglichkeiten zum Garten zur Jessingstrasse hin. Da-bei soll er weiterhin eine Oase der Ruhe bleiben.

Das kommende Jahr wird ein spannendes Jahr wer-den, in dem wir versuchen werden, durch eine gute

Überall im Garten laden Bänke und Sitze zum Verweilen und zum Gespräch ein

Aus der Provinz

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Aus der ProvinzAus der Provinz

2726 Kapuziner 2017.2018

Die Bildern zeigen die idyllische Lage des barocken Kleinods ‚Ave Maria‘ in Deggingen

Adieuin Ave Maria

Kapuziner sagen

EnDE 2018 WIRD DAS KLOSTER AVE MARIA In DEGGInGEn AuFGEGEBEn. FAST 90 JAHRE WIRKTEn DIE KAPuZInER DORT In DER WALLFAHRTSSEELSORGE.

Doch so hart es auch sein mag, wir müssen loslassen.“

Br. Marinus Parzinger

VoN BR. CHRISToPHoRUS GoEDEREIS oFMCAP

Nach fast 90 Jahren gibt die Deutsche Kapuziner-provinz das Kloster „Ave Maria“ in Deggingen auf. Die weit über die Grenzen hinaus beliebte Wallfahrts-kirche im Bistum Rottenburg-Stuttgart ist seit Jahr-hunderten ein stark frequentierter Wallfahrtsort. 1929 kamen Kapuziner nach „Ave Maria“. Drei Jahre später wurde das Kloster errichtet. Der Diözesanbischof übertrug dem Orden die Seelsorge in der Wallfahrt. Zeitweise haben die Brüder auch die Pfarrei Deggin-gen betreut und weit darüber hinaus seelsorgerlich ge-wirkt. Die Wallfahrtskirche wurde in den Jahren 1716 bis 1718 erbaut und ist bis heute nicht nur Anzie-hungspunkt für Wallfahrer, sondern auch Ausflugsziel für den Tourismus im oberen Filstal. Hochzeitspaare suchen den Ort gerne für ihre kirchliche Trauung aus.

Nachdem das Provinzkapitel im Jahr 2016 die Schließung weiterer Standorte beschlossen hatte, neh-men die Brüder Kapuziner nun einen weiteren schmerzlichen Abschied in Kauf. „In den letzten drei

8 Jahren haben wir uns intensiv damit beschäftigt, wie wir den Herausforderungen der Zeit gerecht werden, wo wir längerfristig bleiben, wo wir Akzente setzen – aber eben auch: Wo wir reduzieren oder gar Abschied müssen“, sagt Br. Marinus Parzinger, der Provinzial der Deutschen Kapuzinerprovinz. Und er betont wei-ter: „Wir freuen uns über junge Brüder, die ihren Weg im Kapuzinerorden suchen und gehen. Dennoch zwingt die Altersstruktur zur Konzentration. Die Auf-gabe eines Klosters tut weh. Doch so hart es auch sein mag, wir müssen loslassen.“

Die Diözesanleitung des Bistums Rottenburg-Stutt-gart sucht nun gemeinsam mit den zuständigen Hauptamtlichen der Seelsorgeeinheit Deggingen-Bad Dietzenbach nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für die Räume des Kapuzinerklosters. Die Wallfahrtskir-che bleibt als Wallfahrtskirche erhalten. Und auch wenn die Kapuziner „Adieu“ sagen, wird „Ave Maria“ doch „Ave Maria“ bleiben.

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Aus der Provinz

2928 Kapuziner 2017.2018

Lieber Bruder Harald, Du bist der Leiter der „Arbeitsgemeinschaft Missbrauchsprävention“ der Deutschen Kapuziner. Die Kirche und die Or-densgemeinschaften haben durch die Miss-brauchsfälle viel an Vertrauen eingebüßt. Sowohl die Bistümer als auch die Ordensgemeinschaften stehen in der Pflicht, aus diesen erfahrungen zu lernen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Zie-hen die deutschen Kapuziner daraus Konsequen-zen und wenn ja, wie sehen diese aus?

Auch in der Deutschen Kapuzinerprovinz sind wir in den Jahren 2010 und 2011 mit Missbrauchsfällen kon-frontier worden, bei denen Mitbrüder unserer Provinz schuldig geworden sind. Wir haben darauf versucht, Geschehenes aufzuarbeiten, auch indem wir Schüler unserer früheren Schulen und Internate angeschrie-ben und sie eingeladen haben, von Übergriffen die ih-nen geschehen sind zu berichten, damit wir ein mög-

8 lichst umfassendes Bild von den Vorfällen in der Vergangenheit bekommen und geschehenes Unrecht anerkennen, soweit möglich auch wieder gutmachen können. Außerdem haben wir gemäß der Richtli-nien, die sich die Deutsche Ordensoberenkonferenz gegeben und inzwischen mehrmals überarbeitet hat, die Vorgehensweisen und Ansprechpartner festge-legt, die im Falle eines Missbrauchsvorfalls oder –vorwurfs zu beachten bzw. zu erreichen sind. Beides hat bei unseren Brüdern die Aufmerksamkeit auf das Thema des Missbrauchs gelenkt und so ein neues Be-wusstsein geschaffen.Natürlich wollen wir nicht nur mit Geschehenem um-gehen, sondern dazu beitragen, dass im Umfeld der Kapuziner in Deutschland nicht wieder sexuelle Über-griffe oder Machtmissbrauch geschehen können, we-der durch unsere Brüder, noch in unseren Klöstern, Einrichtungen oder in den Gemeinden, wo wir arbei-

ten. Dazu haben wir im Herbst 2016 und Frühjahr 2017 alle Brüder, die aktiv im Dienst sind, verpflichtet, an einer eineinhalbtägigen Schulung zur Missbrauch-sprävention teilzunehmen. Diese haben wir zusam-men mit zwei Fachleuten aus dem Bistum Münster ge-staltet, die schon länger mit dem Thema vertraut sind. Liebe Frau Birkenmeyer, Sie sind wie Herr Ko-nietzny auch in der Missbrauchsprävention der Diözese Münster aktiv dabei. Welche Rolle und Aufgabe haben Sie und Herr Konietzny bei der Missbrauchsprävention der Kapuziner in Deutschland?Friedel Konietzny und ich sind von Bruder Harald ge-beten worden, für alle Mitbrüder der Ordensgemein-schaft eine sogenannte Basisschulung durchzuführen. Unsere Aufgabe hierbei war es, gemäß den Beschlüs-sen der Deutschen Kapuzinerprovinz Inhalte wie die rechtlichen Bestimmungen zum Thema sexualisierte Gewalt, Täterstrategien, Opferdynamik, Missbrauchs-zyklus sowie Handlungsleitfäden vorzustellen. Darüber

hinaus ist ein wichtiger Bestandteil der Schulungen die Auseinandersetzung der Teilnehmenden mit Fallbei-spielen, um Einsicht in die subtile Vorgehensweise von Tätern und Täterinnen zu erhalten und in der eigenen Reaktion auf einen Verdacht sowohl Ruhe zu bewahren als auch Handlungssicherheit zu gewinnen.

Bruder Harald, wo stehen die deutschen Kapuzi-ner in der Missbrauchsprävention? Wie haben die Brüder die erste Schulung aufgenommen? Gab es auch Widerstände, Ängste bei den Brüdern? Ha-ben alle Brüder an dieser Basisschulung teilge-nommen?Die sechs Basisschulungen in der Deutschen Kapuzi-nerprovinz von Süd bis Nord durchzuführen und alle Brüder darin einzubinden, hat uns eine Menge Arbeit und Kraft gekostet. Natürlich trifft man nicht auf Be-geisterung, wenn man mit Nachdruck zur Auseinan-dersetzung mit einem Thema einlädt, das uns allen erst einmal unangenehm ist. Die meisten Brüder haFo

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Es gilt, den Missbrauch Schutzbe-fohlener nachhaltig zu verhindern. Dazu muss man in das Thema tiefer einsteigen, als einem lieb ist.

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Das Team, das die Präventionsschulungen vorbereitet und durchgeführt hat: (von links) Br. Harald Weber, Br. Stefan Walser, ute Birkenmeyer, Br. Laurentius Wenk, Friedel Konietzny

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Aus der Provinz

3130 Kapuziner 2017.2018

dass sie möglichst frei auf die Menschen und insbe-sondere die Kinder, zugehen können, die sie in der Seelsorge oder im Kloster antreffen. Dazu gehört es, dass wir uns mit unserer eigenen Sexualität auseinan-dersetzen und Richtlinien und Verhaltensweisen ken-nen, die Missbrauch so weit wie möglich verhindern können. Wenn ich dazu beitragen kann, lohnt es sich, sich dafür auch mit Themen und Bildern im Kopf aus-einander zu setzen, die man sich eigentlich lieber er-sparen würde.

Frau Birkenmeyer, auch an Sie eine letzte Frage: Sie sind bei den Schulungen der Diözese und der Kapuziner aktiv dabei, was hat Sie zu dieser Auf-gabe motiviert, und gibt es dabei auch schöne erfahrungen?Sowohl die Erfahrungen aus der Arbeit mit betroffe-nen Kindern als auch der Begleitung Erwachsener, die aufgrund der traumatischen Erlebnisse in der Kindheit große Lasten tragen, sind meine Motiva-tion. Familiensysteme und Institutionen können großen Schaden anrichten. Über die Schulungen möchte ich mitwirken, ein sensibilisiertes Umfeld zu schaffen. Die überwiegende Mehrheit der Teilneh-menden folgt diesem Wunsch. Durch ihr Engage-ment in ihren Lebens-und Arbeitsbereichen verbrei-tet sich die Botschaft der Achtsamkeit und des Schutzes. Das ist eine schöne Erfahrung.Die Kapuziner sind uns Referenten bei diesem schwierigen Thema mit Engagement und Offenheit begegnet. Wir waren stets eingeladen, am Klosterle-ben mit seinen Ritualen teilzunehmen und haben tiefen Einblick in die Gemeinschaft nehmen dürfen. Auf diese Weise entgegen gebrachtes Vertrauen ist eine schöne Erfahrung. Wir sind dankbar für die Zu-sammenarbeit mit allen Brüdern, weil sie auch uns die Chance bietet, aus dem Konzept der „Kultur der Achtsamkeit“ ein lebendiges, sensibles Miteinander zu gestalten.

Lieber Bruder Harald, liebe Frau Birkenmeyer, vielen Dank für dieses Gespräch!

ben aber, je mehr sie sich mit dem Thema auseinan-dergesetzt haben, die Notwendigkeit eingesehen, und ich möchte nicht von Begeisterung, aber doch von En-gagement und Interesse sprechen, mit dem die Brüder in den Schulungen dabei waren. Außerdem haben wir dabei festgestellt, dass wir auf einer Ebene miteinan-der sprechen, die wir auch im Brüderkreis sonst selten haben und so Dinge voneinander erfahren, die wir noch nicht wussten und die unsere Gemeinschaft stär-ken und verbinden.Am Ende konnten doch nicht alle Brüder teilnehmen, zum Beispiel krankheitsbedingt, und wir müssen nun schauen, wie wir sie „nachschulen“ können in Ange-boten der Diözesen, denn wir haben uns festgelegt, dass kein Bruder in der Pastoral tätig sein darf, wenn er nicht an einer Basisschulung zur Missbrauchsprä-vention teilgenommen hat.

Frau Birkenmeyer, wie sieht die Prävention in der Diözese Münster aus? Hat sie eine eigene Form entwickelt, oder gibt es ein Modell für alle Diözesen?Die Rahmenbedingungen für die Präventionsschu-lungen wurden von der Deutschen Bischofskonferenz entwickelt und somit als Leitlinien für alle Diözesen

vorgegeben. Dazu gehören auch Arbeitshilfen für die konkrete Durchführung der Schulungen, an die alle Referenten gebunden sind. Unterschiede ergeben sich sicher aus dem beruflichen Hintergrund der jeweiligen Referenten. So profitiert Herr Konietzny von langjähri-ger Erfahrung in der Erwachsenen-Fortbildung und ich selbst von meiner Begleitung von Kindern und Ju-gendlichen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben.

Bruder Harald, gibt es schon eine Vorstellung da-rüber, wie die weiteren Schritte der Prävention für die deutschen Kapuziner aussehen sollen? Gibt es ein Ziel, auf das die „Arbeitsgemeinschaft Missbrauchsprävention“ hinarbeitet?Unser Provinzkapitel hat 2016 beschlossen, dass wir alle 3 Jahre erneut verpflichtende Schulungen für alle Brüder veranstalten sollen. Da haben wir nach dem ersten Durchgang begonnen, uns Gedanken zu ma-chen, wie diese nächsten Schulungen aussehen kön-nen. In den bundesweiten kirchlichen Bemühungen um die Missbrauchsprävention etabliert sich das „Institutionelle Schutzkonzept“ für Gemeinden und Einrichtungen. Der Blick geht nicht nur auf den Ein-zelnen, der verantwortlich ist, Missbrauch zu verhin-dern, sondern betrachtet die Systeme, in denen wir

leben und handeln und in denen es gilt, Räume für Missbrauch eng zu machen.Mit diesem Perspektivwechsel wollen wir auch in die Deutsche Kapuzinerprovinz gehen und im nächsten Schritt in allen Konventen und Einrichtungen mit den Brüdern ein institutionelles Schutzkonzept für ihren Kontext zu erarbeiten, um dann die einzelnen Konzepte zu einem provinzweiten Schutzkonzept zusammenzufügen. Bei unserem ersten Arbeitstref-fen haben wir wahrgenommen, dass wir da ganz am Anfang stehen und einen Prozess vor uns haben, der uns einige Jahre beschäftigen wird, aber auch – und das finde ich sehr wertvoll – die Brüder sehr direkt und vor Ort an der Arbeit in der Missbrauchspräven-tion beteiligen wird.

Frau Birkenmeyer, wenn Sie die Prävention der Kapuziner sehen, wie nachhaltig schätzen Sie das Bemühen der Kapuziner ein? Werden sich da-durch zukünftige Missbräuche verhindern lassen?Nachdem nun alle Kapuziner an der Basisschulung teilgenommen haben, ist sozusagen der Grundstein gelegt. Die Mitbrüder haben nicht nur die o.g. Basisin-halte gehört, sie haben engagiert nachgefragt, sehr of-fen über Vorfälle in den eigenen Reihen reflektiert und um die Entwicklung hin zu einer Kultur der Acht-samkeit gerungen. Nach dieser sehr persönlichen Auseinandersetzung eines jeden Einzelnen wird es im nächsten Schritt um die Entwicklung eines institutio-nellen Schutzkonzeptes gehen. Wenn es einer Ge-meinschaft gelingt, in einem offenen Dialog einen Schutzraum für Kinder und Schutzbefohlene mit neuer Achtsamkeit zu verankern, dann bin ich von der Nachhaltigkeit überzeugt. Missbräuchliches Ver-halten ist ein subtiler und tückischer Akt eines ab-sichtlichen Handelns: dieses zu entdecken und zu ent-tarnen braucht Wissen, Mut und eine Gemeinschaft, die entschlossen ist, die Schutzlosen zu schützen und Täter in die Verantwortung zu nehmen.

Br. Harald, eine letzte Frage an Dich: Wie geht es Dir persönlich mit der Thematik Missbrauchsprä-vention? Ich bin 2009 zum Priester geweiht worden und in den Schwung meiner ersten Pastoralstellen hinein mit dem Missbrauchsskandal in Deutschland konfrontiert gewesen, das war nicht schön. Das Thema ist naturge-mäß eines, das einem ein ungutes Gefühl gibt, so dass ich mich auch am liebsten darum herum gedrückt hätte. Heute begleite ich in der Ausbildung die Brüder im Juniorat der Kapuziner und Mitbrüder aus verschie-denen Gemeinschaften, die ihre ersten Schritte in der Pastoral machen. Denen möchte ich ermöglichen,

ansprechpartner, gesetzliche grundlagen, selbstverpflichtungen des ordens und be-richte über die aufklärung vergangener vor-fälle der deutschen Kapuzinerprovinz kann man im internet einsehen: www.kapuziner.de/praeventionmissbrauch.html

Gibt es ein Ziel auf das die „Arbeitsgemeinschaft Missbrauchsprävention“ hinarbeitet?

Unser Provinzkapitel hat 2016 beschlossen, dass wir alle 3 Jahre erneut verpflich-tende Schulungen für alle Brüder veranstalten sollen.

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32 Kapuziner 2017.2018 33

Aus der Provinz

Albanienin

VoN BR. ANDREAS WALTERMANN

Am 27. August 2017 war ich auf den Tag genau 10 Jahre in Albanien, eine gute Gelegenheit, Rückschau zu halten, die Ist-Situation zu bedenken, aber auch nach vorn zu blicken.

Dabei ist Albanien ja eigentlich die B-Lösung gewe-sen. Wir Kapuziner hatten zunächst vor, einen Neuan-fang im Kosovo zu wagen. Als wir nach längerem Su-chen in westeuropäischen Kapuzinerprovinzen keine drei Brüder für diesen Aufbruch finden konnten, habe ich mich den italienischen und albanischen Brüdern in Albanien anschließen können. Heute muss ich klar sagen: die B-Lösung ist die richtigere Entscheidung gewesen. Gott führt uns Menschen eben auf seine Weise.

In Albanien gibt es nach wie vor einen großen Man-gel an Priestern und Ordensleuten, die sich mit und für die Menschen in diesem Land engagieren. Der wüste Kommunismus und der Versuch, alles Religiöse und Christliche auszurotten, hat seine Spuren hinter-lassen - bis heute. Die Kirche Albaniens, eine frühe

Gründung des Apostels Paulus oder seiner Schüler, hat – Gott sei Dank - tiefe Wurzeln. De facto ist sie aber erst wieder 27 Jahre jung und eine Kirche im Aufbau.

Mit einem schönen Grillabend in netter Atmo-sphäre haben wir in Fushë-Arrëz das kleine Jubiläum gefeiert. Br. Marinus, der Provinzial der deutschen Kapuziner, und Br. Michael aus Frankfurt konnten ihre Reise so planen, dass sie dabei sein konnten. Eine Freundin aus Deutschland war da. Unser zukünftiger Bischof, Simon Kulli, war mit einer kleinen Abord-nung von Schwestern und kirchlichen Mitarbeitern aus Vau-Dejes gekommen. Mein Nachbarpfarrer, Don Giovanni Fiocchi, war mit zwei Mutter-Teresa-Schwestern aus Puka da. Aus Shkodër und Nënshat waren die Brüder Kapuziner Piergiorgio, Guiseppe, Matteo, Bonaventura, Gjon und Landi angereist, zu-sammen mit einigen anderen Freunden. Schwester Gratias und Franc, unser Pastoralassistent, waren na-türlich auch anwesend.

Ich erinnere mich noch gut an meine Ankunft am Flughafen Tirana vor zehn Jahren um Mitternacht. Br. Prela hatte seinen Bruder geschickt, mich abzuholen. Er brachte mich nach Kamez, eine riesige Vorstadt von Tirana. Dort war ich die erste Nacht im Pfarrhaus bei Don Konrad. Die Nacht war lärmig und sehr heiß, das Zimmer lag direkt an der Hauptstraße; der Ver-kehr hörte nie auf und ich schlief damals sehr schlecht, auch wegen der inneren Anspannung, was das neue Leben als Missionar in Albanien wohl bringen würde. Heute schlafe ich meistens gut.

Am nächsten Tag wurde ich morgens von Br. Gjon nach Nenshat abgeholt. Im dortigen Konvent der Ka-puziner habe ich die ersten 14 Monate verbracht, mich in der Pfarrei der Brüder in den Dörfern Hajmel, Nenshat und Dheu i lehtë engagiert, meine Sprach-kenntnisse verbessert und mich in die sehr unter-schiedliche Kultur und die manchmal ungewohnten Überraschungen und Gegebenheiten in diesem Land eingelebt.

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AnDREAS WALTERMAnn IST SEIT ZEHn JAHREn In ALBAnIEn. ER SCHAuT AuF EInE BEWEGTE unD BERÜHREnDE GESCHICHTE, WAGT ABER AuCH EInEn AuSBLICK.

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AUS DER MISSIoN

oben: Br. Andreas im Kreise der Brüder

Heutransport auf altbewährte

Weise

Rechts: Die Feier der Aussendung von Br. Andreas am 24.08.2007 in Dieburg

10Jahre

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3534 Kapuziner 2017.2018

Aus der Provinz

1. Fushë-Arrëz war eigentlich ohne Kirche geplant –heute ist sie nicht mehr wegzudenken. 2. Oft geht es um Renovation und umbau, so wie auf diesem Bild

3. Br. Andreas, wie so oft, unterwegs

Jahre im Land bin und mich ganz gut inkulturiert und integriert fühle, werde ich auch mentalitätsmäßig wohl immer ein „Fremder“ bleiben. Um meinen deut-schen Pass werde ich von vielen Albanern beneidet. Deutschland gilt für viele als das „gelobte Land“ – lei-der für die meisten unerreichbar.

Landschaftlich ist Albanien ein sehr schönes Land mit hohen Bergen und tiefen Schluchten, mit Wasser-fällen und Seen, mit über 300 Kilometern Adriaküste und schönen Stränden, mit Feldern und Wäldern. Für viele Touristen gilt Albanien als ein Geheimtipp. Al-

banien ist aber auch ein Land großer Gegensätze. Man sieht auf den Straßen teure Luxuslimousinen und ge-nauso Eselskarren oder Menschen, die ihre Lasten auf dem Rücken tragen. Die großen Städte expandieren in rasanter Weise, die Peripherie von Tirana ist in weni-gen Jahren enorm angewachsen, die infrastrukturel-len Veränderungen sind kaum anzupassen, die Berg-dörfer entvölkern sich hingegen zusehends.

Es gibt nach wie vor viel Korruption und Misswirt-schaft, ein schlecht aufgestelltes Rechtssystem und ein korruptes Gesundheitswesen. Der Staat ist schwach und die Menschen haben wenig Vertrauen in ihn, ob-wohl sie sehr stolz sind, Albaner zu sein. Es gibt eine hohe Arbeitslosigkeit und das Fehlen von Perspekti-ven. Viele junge Menschen wollen einfach nur weg. Das hat sich wie ein Gift in ihre Köpfe und Herzen ge-mischt. Und sehr viele leben schon im Ausland: in Griechenland, in Italien, in Frankreich oder anderswo. Auch die, die z.B. versucht haben, nach Deutschland zu kommen und von dort abgeschoben wurden, wer-den es wieder versuchen.

Seit Oktober 2008 lebe ich in der Kleinstadt Fushë-Arrëz in der nordöstlichen Bergregion des Bistums

Sapa. Unser verstorbener Bischof Lucjan Avgustini hatte damals in der Pastoralkonferenz dringend einen anderen Priester für diese Aufgabe gesucht, nachdem ein Italiener krankheitsbedingt ausgefallen war.

Im Jahr 1995 kamen zwei deutsche Franziskanerin-nen hierher, von denen jetzt noch Sr. Gratias hier lebt. Sie haben die Missionsstation aufgebaut und sich auch um den Bau der neuen, großen Pfarrkirche St. Josef gekümmert. Durch ihr soziales Engagement waren und sind die Schwestern bis weit über die Grenzen der Pfarrei bekannt.

Fushë-Arrëz ist eine arme Stadt mit sehr hoher Ar-beitslosigkeit. Die beiden Kupferminen sind dicht und die Kupferscheide ebenso. Auch alle Waldarbeiter wurden in den letzten Jahren entlassen. Immer noch ziehen Familien weg mit der Hoffnung, irgendwo Ar-beit zu finden. Auch den Menschen in den Dörfern ringsum geht es ähnlich. Zum großen Pfarrgebiet ge-hören noch 22 arme Bergdörfer im Umkreis von 80 Kilometern.

Wenn ich zurückschaue: es ist Vieles entstanden und geworden in diesen 10 Jahren und den nun fast neun Jahren in den Bergen. Wir konnten Kirche aus

AUS DER MISSIoN

Schon drei Tage nach meiner Ankunft musste ich damals die erste Sonntagspredigt in Albanisch halten. Br. Gjon hatte sie vorher korrigiert. Da ich nur ganz wenig Italienisch verstehe und spreche, und niemand der Brüder Deutsch kann, musste ich gleich alles in ei-ner fremden Sprache kommunizieren, anfangs nicht so leicht, aber eine gute alltägliche Schule, wenn auch anstrengend. Noch in Frankfurt hatte ich ja die Grundlagen des Albanischen in einer Sprachschule gelernt. Dann war ich auch 6 Wochen im Kosovo ge-wesen und hatte dort bei einem Pfarrer gewohnt, der nur fünf Worte Deutsch sprach: Guten Morgen, haben Sie gut geschlafen, vielen Dank, auf Wiedersehen und gute Nacht.

Mittlerweile komme ich ganz gut mit der albani-schen Sprache zurecht, traue mich natürlich auch, frei zu sprechen und zu predigen. Das gehört jetzt zu mei-nem Alltag. Ich weiß, dass ich immer noch manche Fehler mache, aber die Leute nehmen mich damit wohlwollend an. Es gibt sogar Situationen, dass mir das deutsche Wort nicht mehr einfällt, aber das alba-nische wohl.

Ich weiß natürlich auch, obwohl ich ja jetzt schon 10 4

Wenn ich zurückschaue ist Vieles entstanden und gewor-den in diesen 10 Jahren. Wir konnten Kirche aus lebendi-gen Menschen ausbauen“

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3736 Kapuziner 2017.2018

Kapuziner untypischen Lebensweise ohne Gemein-schaft vor Ort lebe. Da zeichnen sich, so hoffe ich, aber Entwicklungen ab. Den Kapuzinern in Shkodër und Nenshat, etwa 80 Kilometer von Fushë-Arrëz entfernt, fühle ich mich brüderlich verbunden. Fushë-Arrëz ist ein guter Standort für uns Kapuziner: an der Periphe-rie des Landes und des Bistums, mit viel Armut und Perspektivlosigkeit unter den Menschen.

Wir sind derzeit auch im Gespräch mit einer albani-schen Schwesterngemeinschaft, die vielleicht in Zu-kunft Schwester Gratias (76) hier auf der Missionssta-tion unterstützen wird.

Zehn Jahre in Albanien – wie schnell die Zeit ver-geht. Es war für mich eine gefüllte und arbeitsame, aber auch eine erfüllte Zeit.

Mit einem Wort von Dag Hammarskjöld, dem frü-heren UN-Generalsekretär und Gottsucher, das mich schon lange begleitet, möchte ich schließen: Für das Vergangene – Dank, für das Kommende – Ja!

AUS DER MISSIoN

A LBA N I E N

FUSHë-ARRëZ

Aus der Provinz

Das geschieht z.B. durch Hausbauprojekte für arme Familien, die Reparatur von Dächern, die Hilfe in existentiellen Notlagen, durch Ausbildungsförderung für Schüler und Studenten, durch das Schweinepro-jekt, die finanzielle Unterstützung von alten und kran-ken Menschen mit ganz minimaler Rente, oder durch den Kauf des Holzvorrates für den Winter oder eines Ofens und die Verteilung von Schulmaterial. Da es in

1. (von links) Br. Michael Wies, Br. Andreas, Kardinal Ernest Troshani (m), Franc Doda, Sr. Gratias

2. Gäste beim 10-jährigen Jubiläum

3. Im Konvent der Kapuziner in Skodher

4. Br. Andreas bei einer Gräbersegnung in Mezi

unseren Dörfern keine Läden mehr gibt, entstand auch die Idee, ein Verkaufsfahrzeug als mobilen La-den zu organisieren.

Ich darf an dieser Stelle allen Hilfswerken, Diöze-sen, Gemeinschaften, Pfarrgemeinden, Gruppen, Ver-einen und Einzelpersonen ganz herzlich danken. Ohne die tätige Solidarität vieler Menschen mit der Kirche Albaniens und mit uns in Fushë-Arrëz, wäre die Situation noch viel schwieriger.Wie geht es hier weiter?

Das Leben hier in den unterschiedlichen pastoralen und sozialen Aufgaben dieser Bergregion gefällt mir persönlich gut. Ich darf dabei mithelfen, hier Kirche aufzubauen, ich kann meine Talente und Fähigkeiten ein bringen und ich habe hier Verantwortung über-nommen. Das motiviert mich. Ich sehe mich auch in den nächsten Jahren weiter in Albanien, so Gott will und die Gesundheit mitspielt.

Ich bin mir bewusst, dass ich momentan in einer für

lebendigen Menschen aufbauen durch unsere kate-chetische Arbeit, durch regelmäßige Präsenz bei den Leuten. Wir konnten Gottesdienste halten und Häuser segnen, Gemeinschaftstage für Jugendliche anbieten, wir haben einen großen Kreis von Lektoren, Minist-ranten und Katecheten. Das Leben in der großen Pfar-rei ist lebendig und stark. Ich kenne mittlerweile sehr viele Menschen mit Namen. Und es ist viel Vertrauen gewachsen.

Auch die notwendigen Strukturen für kirchliches Leben konnten wir schaffen. In einigen Dörfern gibt es jetzt kleine Kirchen oder die Möglichkeit, in einer Schule einen Raum für Gottesdienst und Katechese (= Religionsunterricht) zu nutzen.

Natürlich gehen die Einflüsse unserer säkularen Ge-genwart an der jungen Kirche Albaniens nicht vorbei. Die ständige Erreichbarkeit der jungen Menschen durch das Smartphone und die Abhängigkeit von so-zialen Netzwerken sind Symptome unserer Zeit. Man geht nicht mehr in die Tiefe, sondern bleibt an der Oberfläche, unverbindlich und bindungsscheu. Die Aufgabe bleibt: den Menschen die Dimension des Evangeliums zu vermitteln, sie in ihrem Glauben zu bestärken und Ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind.

Für mich gehören die drei Säulen von Kirche – Got-tesdienst und Liturgie /Verkündigung und Evangeli-sierung / Dienst am Nächsten – untrennbar zusam-men, und ich erlebe eine große Ausgewogenheit im Gesamt unseres pastoralen Tuns. Die schwierige sozi-ale Situation der Menschen, die große Armut und die hohe Arbeitslosigkeit nötigen uns geradezu, uns auch im sozialen Bereich zu engagieren. Täglich erreichen uns Hilfsgesuche armer Familien.

Die albanische Kirche hat keine finanziellen Res-sourcen. Nicht einmal die Priester und kirchlichen Mitarbeiter haben ein regelmäßiges Einkommen. Nur weil uns sehr viele Menschen in Deutschland und Ös-terreich auf bewundernswerte und treue Weise unter-stützen, können wir hier den Menschen helfen.

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Albanien bleibt herausfor-dernd, spannend und bewegend für mich, für uns, für die Menschen hier.“

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INDoNESIEN

NIAS

Eine tiefe

BLITZLICHTER EInER InDOnESIEnREISE

„Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist….“ Dieser Ti-tel eines Liedes von Herbert Grönemeyer ging mir im-mer wieder durch den Kopf während meines Aufent-haltes in Indonesien: die Menschen dort, inzwischen weiß ich, dass das vor allem Batak-Mentalität ist, lie-ben laute Musik; sei es, dass sie in ohrenbetäubender Lautstärke scheinbar überall aus Lautsprechern tönt, sei es, dass die Menschen selber singen, mit beeindru-ckender Innigkeit und maximaler Lautstärke. Karaoke scheint voll im Trend zu liegen…

Laut war überhaupt einiges in Indonesien: der un-beschreibliche Verkehr in Medan, der irgendwie funk-tioniert, obwohl es nach meiner Wahrnehmung kaum Verkehrsschilder gibt; die alles übertönenden Rufe und Gebete, die regelmäßig aus den Moscheen zu hö-ren sind und einen stets daran erinnern, dass man in einem muslimischen Land ist.

Vier Wochen lang durfte ich in die fremde Welt In-donesiens eintauchen und einen kleinen Eindruck vom Leben dort gewinnen.

Unsere Schwestern in Sikeben (Nordsumatra) hatten zum 25-jährigen Gründungsjubiläum ihres Klosters eingeladen, und mir fiel die Aufgabe zu, unseren Kon-vent, das Mutterkloster, bei diesem Fest zu vertreten.

1976 waren auf Bitten der Rheinisch-Westf. Kapuzi-

nerprovinz, die in Indonesien eine Mission hatte, drei Schwestern unseres Konventes ausgezogen, um das kontemplative Leben dort einzupflanzen. Das erste Kloster gründeten sie in Gunung Sitoli auf der Insel Nias. Nach 16 Jahren zogen sie von dort weiter auf die Insel Sumatra nach Sikeben, um dort ein weiteres Kla-rissenkloster zu errichten.

Gott schenkte viele Berufungen, so dass mittler-weile noch zwei Klöster gegründet wurden: eines in Sekincau (Südsumatra) und eines auf Timor. Im Juli dieses Jahres wurde der Grundstein für ein neues Klos-ter bei Sibolga gelegt. Und auch unsere Schwestern in Sikeben sind mit der Planung einer neuen Gründung schon weit fortgeschritten.

In Indonesien traf ich also auf eine komplett andere Ordenssituation, als wie wir sie hier in Europa haben und wie wir sie uns vielleicht auch zurückwünschen. Für unsere älteren Schwestern war es ja noch eine Selbstverständlichkeit, dass in jedem Jahr junge Frauen eintraten und man sich eher mit der Frage be-schäftigen musste: Wie bringen wir sie alle unter?, an-statt: Welche Nutzung können wir uns für unser Haus noch vorstellen?

Ein Grund dafür mag sicher der sein, dass sich die Katholiken in Indonesien in einer Minderheitssitua-

tion befinden. Indonesien ist das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung der Welt, in dem sich we-niger als 9 % der Bevölkerung zum Christentum be-kennen, davon wiederum sind nur 3 % katholisch. Und man bekennt sich zu seinem Glauben, ist stolz da-rauf und praktiziert ihn auch.

Erfahren habe ich das schon auf meinem Hinflug auf der Strecke Singapur- Medan. Ich hatte meinem Platz neben einem jungen Mann – ein 22-jähriger Wirtschaftsstudent aus Medan, wie ich schnell erfuhr.

Er strahlte mich an, als ich mich neben ihm nie-derließ und fragte sogleich, ob ich eine katholische Nonne sei.

Als ich das bejahte, strahlte er noch mehr und teilte mir freudig mit, dass er auch Katholik sei, und soo glücklich sei, neben mir sitzen zu dürfen. Während des gesamten Fluges erzählte er mir dann von seinem Glauben und erkundigte sich nach dem Glaubensle-ben in Deutschland…..

Überhaupt sind Priester und Ordensleute hoch an-gesehen bei den Menschen. Ihnen wird mit großem Respekt, wenn nicht gar Verehrung begegnet.

Da ich nun schon einmal diese weite Reise unter-nehmen würde, hatte ich mir vorgenommen, allen vier Klöstern einen Besuch abzustatten. Deshalb habe ich

aus touristischer Sicht wahrscheinlich wenig vom Land gesehen, aber es war mir ein Anliegen, wenigs-tens für ein paar Tage in der jeweiligen Gemeinschaft mit den Schwestern zu leben und sie kennenzulernen.

Überrascht und auch tief berührt stellte ich fest, wie wichtig in allen vier Klöstern das Bewusstsein ihrer Herkunft aus Deutschland ist. Das Mutterkloster aus Senden ist gedanklich sehr präsent, und die Schwes-tern empfinden nach wie vor eine tiefe Dankbarkeit, dass unsere Missionarinnen zu ihnen nach Indonesien gekommen sind und das kontemplative Leben als Kla-rissen dort begonnen haben. Ich konnte eine tiefe Ver-bundenheit spüren, so dass ich mich in allen vier Klös-tern sofort wohl fühlte und dachte: Ja, wir sind wirklich Schwestern. Man spürt die gleiche spirituelle Prägung, so unterschiedlich die einzelnen Klöster aufgrund ih-rer konkreten Situation auch sind.

In drei Klöstern lebt jeweils mindestens eine Schwes-ter, die vor über 10 Jahren für 1 bzw. 1 1/2 Jahr zum Deutsch-lernen sowie zum Kennenlernen des Mutter-klosters in unserem Konvent mitgelebt hat, so dass das Problem der Verständigung für mich einigermaßen gesichert war.

Da ist zunächst unsere „älteste Tochter“, das Biara Santa Klara in Gunung Sitoli, das uns in Senden ver-a

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Indonesien

Verbundenheit

Aus der Provinz

Sr. Fidelis und Sr. Vincentia vor einem traditionellen Adat-Haus beim Kapuzinerkloster Alverna in Gunung Sitoli

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VoN SR. FIDELIS DENTER, ÄBTISSIN DES KAPUZINER-KLARISSENKoNVENTES IN SENDEN

AUS DER MISSIoN

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Aus der Provinz

AUS DER MISSIoN

Kapuziner 2017.2018 41

ständlicherweise besonders nahe ist. 34 Schwestern le-ben dort zurzeit, und ich hatte das Empfinden, dass der Alltag in diesem Kloster sehr anstrengend ist. Zu-nächst wegen des feucht-heißen Klimas, aber auch we-gen der Geräuschkulisse, die dort permanent herrscht. Vom Hafen unten schallt es den Berg hinauf, allem vo-ran mehrmals am Tag die Rufe und Gebete aus den Moscheen. Wenn die Schwestern am frühen Morgen von halb fünf bis halb sechs ihre Betrachtung in der Kapelle halten, beginnt pünktlich um 5 Uhr das Rufen des Muezzins in einer ohrenbetäubenden Lautstärke, so dass man meinen könnte, er stünde direkt vor der Tür – und das geht dann eine halbe Stunde so. Ich be-wundere die Schwestern, dass sie das aushalten, aber sie haben keine Möglichkeit, das irgendwie zu ändern. Da ist volle Toleranz gefordert. Das Miteinander geht problemlos, sagten die Schwestern. Unter ihren zahl-reichen Wohltätern und Helfern sind auch viele Mus-lime, die den Schwestern sogar ihre Gebetsanliegen anvertrauen. Da spielt die unterschiedliche Religion keine Rolle.

Von Gunung Sitoli ging es dann nach Sikeben, wo am 26. August die Jubiläumsfeierlichkeiten stattfanden.

Auch hier sind zurzeit 33 Schwestern, aber die Situ-ation ist völlig anders. Das Kloster liegt 3 Autostunden von Medan entfernt, auf ca. 850 m Höhe im Bergland Nordsumatras. Das Klima ist wesentlich angenehmer, und dort lebt auch unsere letzte in Indonesien verblie-bene Missionarin, die 87jährige Sr. Johanna.

Dieses Kloster ist so etwas wie ein geistliches Zent-rum der Region. Die Schwestern betreiben neben vie-len anderen Tätigkeiten auch ein großes Gästehaus, zu dem von weither Menschen kommen für Exerzitien, Besinnungstage oder Kurse; über hundert Übernach-tungsplätze können sie anbieten.

Die Jubiläumsfeier war großartig und hat mir gezeigt, wie die Klöster auch von der Bevölkerung in der Umge-bung mitgetragen werden. Unzählige Helfer unterstütz-ten die Schwestern bei der Vorbereitung des Festes. Die große Aula musste hergerichtet und bestuhlt werden. Für den Basar, für den die Schwestern seit einem Jahr Handarbeiten gefertigt hatten, mussten Tische gestellt, und die Ware musste ausgelegt werden. Morgens kamen Frauen, um für die Gäste (weit über 300 wurden ge-zählt) zu kochen usw. Und, was mich am meisten beein-druckt hatte, war, dass eine Gruppe von ca. 15 jungen Männern sich bereitgefunden hatte, in der Festmesse zu singen und dafür drei Monate lang 3 Mal die Woche mit den Schwestern die Gesänge eingeübt hatte.

Das nächste Kloster, zu dem ich aufbrach, liegt in Se-kincau in der Provinz Lampung im Süden Sumatras. Es ist sozusagen eine katholische Enklave in einem rein muslimischen Gebiet, und der Anfang war sehr vom Misstrauen den Schwestern gegenüber geprägt. Die

Angst vor Evangelisierung ist im Islam immer da, und aus diesem Grund bekam die Kirche keinen Turm und keine Glocken, mit dem die Schwestern hätten auf sich aufmerksam machen können. Hier leben neun Schwes-tern, und auch sie betreiben ein kleines Gästehaus, zu dem Menschen von weither kommen. Das Zusammen-leben mit der Bevölkerung geht inzwischen ganz gut. Die Schwestern müssen keine Angst vor Übergriffen haben, werden jedoch kritisch beäugt. Die Anlage eines großen Kreuzweges mit Mariengrotte am Rande des Klostergeländes wurde sogleich mit der Errichtung mehrerer neuer Moscheen im Umkreis beantwortet – was sich auch akustisch niederschlägt.

Das jüngste, von unseren Schwestern gegründete Kloster zählt ebenfalls neun Schwestern und befindet sich auf dem indonesischen Teil der Insel Timor. Diese Gegend ist wiederum überwiegend christlich geprägt, was im Straßenbild gleich auffällt: Die Zahl der ver-schleierten bzw. kopftuchtragenden Frauen ist ein-deutig in der Minderheit. Die größte Herausforderung ist hier das Klima. Im Sommer regnet es mehrere Mo-nate nicht, und das bei Tagestemperaturen über 30 Grad. Mein Eindruck auf der fünfstündigen Autofahrt vom Flughafen in Kupang nach Kefamenanu: grau und staubig. Viele Bäume hatten die Blätter abgewor-fen oder sie waren verbrannt, die Flüsse und Bäche

waren weitgehend ausgetrocknet.Auch hier leben die Schwestern hauptsächlich von

der Hostienbäckerei, dem Fertigen von Paramenten und dem Herstellen von Kerzen. Außerdem konnte ich einen florierenden Verkauf von Heiligenfiguren und religiösen Schriften beobachten.

Einen Großteil ihrer Zeit und Kraft müssen die Schwestern dafür aufwenden, dem Boden genügend Gemüse für den täglichen Bedarf abzuringen: Drei-mal am Tag müssen sie in der Trockenzeit die Pflan-zen wässern, ein Teil der Pflanzen verbrennt jedoch

bei der Hitze. Das ist sehr mühsam, doch die Schwes-tern sind trotzdem nicht verzagt, sondern strahlen et-was Frohes, Überzeugtes aus.

Für alle Schwestern gilt wohl, was P. Guido, Kapuzi-ner aus Medan, mir über die Schwestern aus Sikeben, die er seelsorglich betreut, sagte: „I like them, because they are so joyful.“

Es gibt so vieles, was ich von meiner Indonesien-reise berichten könnte; ich habe mich hier in der Hauptsache auf eine kurze Skizzierung unserer Klös-ter beschränkt.

Erzbischof Anicetus Sinaga hat in seiner Festtags-predigt das Wort aus dem Markus-Evangelium ausge-führt: „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ Diesem Ruf sind un-sere Schwestern Ruth, Gisela und Johanna vor 41 Jah-ren gefolgt. Das brauchte Mut und Gottvertrauen. Ich durfte nun sehen, welche Früchte ihr Gottvertrauen getragen hat und welch ein Segen für viele Menschen daraus erwachsen ist.

Das wiederum bestärkt mich, vertrauensvoller mei-nen Weg in die Zukunft zu gehen und Gott zuzu-trauen, dass mit seinem Segen große Dinge wachsen können, wenn ich auf ihn höre und den Mut habe, ei-nen ersten Schritt zu gehen.

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1. Der Glockenturm der Klosterkirche in Sikeben

2. Der Schwesternkonvent in Sikeben

3. Erzbischof Anicetus Sinaga und Sr. Fidelis er-öffnen feierlich den Basar beim Jubiläumsfest

4. Der Verkauf von selbstgegossenen und ver-zierten Kerzen ist eine wichtige Einnahmequelle in allen Klöstern.

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Aus der Provinz

4342 Kapuziner 2017.2018

DIE FRAGE nACH DEM nACHWuCHS IST FRÜHER ODER SPäTER DIE ÜBERLEBEnSFRAGE FÜR EInEn ORDEn. VOn AuSSEnSTEHEnDEn WERDEn WIR Zu RECHT DAnACH GEFRAGT: „HABEn SIE nACHWuCHS?“ „WIE VIELE JunGE BRÜDER GIBT ES BEI DEn KAPuZInERn?“ ODER WIE EIn MAnAGER SAGTE: „SIE MÜSSEn MAL An IHREM RECRuITInG ARBEITEn…“

ernsthaften Klärung beitragen können.In den letzten Jahren hatten wir einen Mitbruder

und ein Kloster schwerpunktmäßig für die Beru-fungspastoral benannt. Im vergangenen Jahr haben wir das Konzept von einem „Zentrum für Berufungs-pastoral“ hin zu verschiedenen Zentren umgestellt. An verschiedenen Orten, wo Kapuziner leben, sollen Brüder für interessierte junge Menschen ansprechbar sein und gezielte Angebote machen:

In Altötting haben wir an einem außergewöhnlichen geistlichen Ort die Infrastruktur, um Einzelne und Gruppen aufzunehmen, im Kloster oder auch im Som-mer auf dem großen Zeltplatz. Jeremias kümmert sich gerne um Jugendliche und junge Erwachsenen, um ihre praktischen und spirituellen Fragen.

In der Frankfurter Innenstadt leben wir an einem multikulturellen Ort. Br. Michael möchte in Koopera-tion mit Ordensschwestern junge Christen in der Groß-stadt vernetzen. Als Leiter des Franziskustreff steht er für eine wichtige Dimension der franziskanischen Le-bensweise, die Sorge für Arme.

In München bieten wir im Pfarrverband Isarvorstadt gottesdienstliche und andere geistliche Angebote an, die gerade für jüngere Menschen in dieser Stadt attrak-tiv sind. Br. Stefan Maria und Br. Thomas stehen als gute Gesprächspartner und Geistliche Begleiter für Fra-

VoN BR. STEFAN WALSER

Dass das nicht ganz so leicht ist, ist klar. In Deutsch-land kommen immer weniger junge Menschen mit dem christlichen Glauben in Berührung. Noch weni-ger kommen insofern auf die Idee, in einen Orden einzutreten. Die Zahlen sprechen für sich. Unser Le-ben als Kapuziner darf auch für sich sprechen. Wir glauben, dass sich das Leben in einer franziskanischen Brüdergemeinschaft nach wie vor lohnt. Wir glauben, dass wir in einer interessanten, keineswegs gottlosen Zeit leben. In der Profess versprechen wir Kapuziner, unser Leben in den „Dienst Gottes, der Kirche und der Menschen“ zu stellen. Wir sind bereit, in die Zu-kunft zu gehen, und wir sind bereit, junge Männer aufzunehmen und auszubilden. Wir erleben in unse-ren Häusern, dass Menschen gerne zu uns kommen, weil sie bei uns finden, was der Glaube in der heutigen Zeit sehr dringend braucht: praktische Erfahrungs-räume und vor allem die Erfahrung von Glaubensge-meinschaft. Und wir erleben, dass es durchaus junge Menschen gibt, die unserer Brüdergemeinschaft beitre-ten wollen – so wie Christian und Julian, die sich zur-zeit im Postulat auf die Aufnahme in den Orden vorbe-reiten. Egal wie groß oder klein die Zahlen sind, es geht beim Thema „Berufung“ immer um einen einmaligen Menschen und um dessen individuell richtigen Lebens-weg und Lebensort. Schön, wenn wir hier zu einer

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Br. Michael mit der Aktion „Lust to Go“ in FrankfurtKlettersteigfreizeit in Gschnon/Südtirol

gen des Glaubens und der Berufung zur Verfügung. In Münster reagieren wir mit dem Angebot „Kloster

für Studierende“ auf die Bedürfnisse von Studieren-den. Wir stellen unser Kloster und unseren Garten teilweise zur Verfügung, um einen Freiraum zu schaf-fen und einen Gegenimpuls zum häufig gestressten und leistungsorientierten Studienalltag zu setzen. Wir bieten „Stille Tage“ und Meditationsabende an, in be-grenztem Rahmen sogar Wohnraum für Studenten.

Im „Kloster zum Mitleben“ in Stühlingen finden schon seit über 30 Jahren Menschen einen authenti-schen Ort, um franziskanisches Leben kennenzuler-nen und sich mit dem eigenen Glauben auseinander-zusetzen. Gerade junge Menschen sind bei allen Wochen herzlich willkommen und finden bei Br. Ste-phan Johannes Maria und allen Schwestern und Brü-der offene Ohren und einfühlsame Gesprächspartner.

Nähere Informationen zu den Häusern und Angebo-ten finden sie auf der Homepage der Berufungspasto-ral: www.kapuziner-entdecken.de Dort gibt es auch Anregungen für das Gebet um Berufungen und die An-meldung zum Newsletter. Gerne senden wir gedruckte Flyer und Informationsmaterial zum Auslegen.

Ansprechpartner: Br. Stefan Walser OFMCap Mail: [email protected]

Es geht immer

Menschenum den einmaligen

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„Kapuziner entdecken“ Auswahl an Veranstaltungen:

29.12.17 – 1.01.18 Silvester im Kloster Münster: „Jahreswechsel mal anders“

25.03.18 – 1.04.18 Salzburger Klosterwoche in der Karwoche

28.03.18 – 1.04.18 Kar- und Ostertage im Kapuzinerkloster Münster „Mitleben“

22.04.18 „Weltgebetstag für Geistliche Berufe“ in Altötting im Rahmen der 200-Jahrfeier des Hl. Konrad von Passau

09.-13.05.18 Katholikentag in Münster

06.-08.06.18 Fuß-Wallfahrt von Altötting nach Parzham zum Jubiläumsjahr

01.-08.09.18 Woche zum Mitleben in Stühlingen:„Der eigenen Berufung auf der Spur“

25.11. – 01.12.18 Salzburger Klosterwoche

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4544

Jubiläum

Kapuziner 2017.2018

Mitbrüder

Kapuziner eingekleidet worden; 1944 legte er in Bre-genz seine Feierliche Profess ab. Schließlich folgte am 6. August vor 70 Jahren P. Theos Priesterweihe in Feldkirch (Vorarlberg). Zwischen 1948 und 1953 wirkte er in Bregenz als Aushilfspater, ab 1951 auch als katechet. Danach war er in Landeck Direktor des III. Ordens, Kooperator und Katechet. Ab 1956 war er auch zuständig für das Seraphische Liebeswerkt (SLW) und das Missionshilfswerk; um diese Einrich-tungen kümmerte er sich seit 1958 dann von Fügen im Zillertal aus. In Imst in Tirol (seit 1967) war er eben-falls für das SLW verantwortlich, außerdem wirkte er dort als Katechet und Aushilfspater, ehe er 1983 schließlich nach Salzburg wechselte, wo er als Aus-hilfspater, Beichtvater und Sammelpater tätig und seit 1986 auch für das Missionshilfswerk verantwortlich war. 1994 wurde P. Theo durch den Salzburger Erzbi-

VoN MICHAEL GLASS

Mit dem Lied „Salve Regina“, einem Gruß an die Gottesmutter, begann eine ebenso feierliche wie an-dächtige Dankmesse, musikalisch gestaltet von Orga-nist Walter Glatz. Kapuzinerpater Norbert Schlenker, Guardian des St. Magdalenaklosters, stellte in seiner Begrüßung fest: „P. Theo, Du hast jahrelang das Wall-fahrtsgeschehen mitgetragen und mitgestaltet, und Du hast viele Menschen ‚mit Maria zu Jesus’ geführt.

In der Tat wirkte der gebürtige Schweizer – 1923 in Ruschein/Graubünden (Bistum Chur) – viele Jahre im „Herzen Bayerns“ in Altötting. Bereits in seiner Zeit als Seelsorger in Salzburg (seit 1983) kam P. Theo im-mer gerne zur Aushilfe und Mithlfe an den benach-barten Gnadenort, bis ihn dann (seit 2003) die Nordtiroler Kapuzinerprovinz gleichsam als „Dauer-leihgabe“ in Altötting freigab. Zuvor war Benedikt Ar-quint – so sein Geburtsname – 1939 in Imst (Tirol) als

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schof Dr. Georg Eder zum Erzbischöflichen Geistli-chen Rat ernannt.

In Altötting verbringt er nun im BRK –Senioren-heim (seit 2016) seinen Lebensabend, und entspre-chend seiner Tätigkeiten über Landesgrenzen hin-weg kamen zur Jubiläumsfeier viele Kapuzinerbrüder nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Öster-reich. Der Hauptzelebrant, Br. Erich Geir (Inns-bruck), ist Provinzial der Kapuzinerprovinz Öster-reich-Südtirol; der Prediger, Br. Marinus Parzinger (München), ist Provinzial der Deutschen Kapuziner-provinz. Gäste der Feier waren neben Altöttingern – darunter Zweiter Bürgermeister Wolfgang Sellner und Pfarrgemeinderatsvorsitzende Luise Hell - u. a. auch ein Ehepaar aus Imst in Tirol und natürlich nahe Verwandte aus P. Theos Schweizer Heimat, dar-unter seine Schwester Idaly Arquint sowie eine

Nichte und zwei Neffen. „Du warst an verschiedenen Orten, aber Du warst immer nah an den Menschen“, fasste Br. Marinus P. Theos Wirken in seiner Predigt zusammen. Vor allem dessen humorvolle und herzli-che Art habe ihn zu einem sehr beliebten Seelsorger und zu einem gesuchten Ansprechpartner und Beichtvater gemacht; darüber hinaus hätten Altöt-ting-Pilger am liebsten P. Theo aufgesucht, wenn sie ihre Andachts-Gegenstände weihen lassen wollten. Nicht nur den Kapuzinerbrüdern, sondern auch Wallfahrern habe P, Theo durch seine Art „immer wieder Freude bereitet“, resümierte Br. Marinus. „P. Theo, Du hast uns bereichert!“ Bevor Br. Marinus schließlich auf das Evangelium zum Tag „Verklärung des Herrn“ (vgl. Mt 17,1-9) einging, dankte er P. Theo für dessen Wirken und außerdem dankte er „Gott, dass er P. Theo berufen und begleitet hat“.

Seit 70 Jahren Priester – Feierliche Dankmesse

ER IST EIn „KAPuZInER-uRGESTEIn“ unD EIn BELIEBTER SEELSORGER nICHT nuR AM WALLFAHRTSORT In ALTÖTTInG. SEIT 70 JAHREn IST P. THEO ARquInT nun PRIESTER. VOn EInEM „SELTEnEn JuBILäuM“ SPRACH DER HAuPTZELEBRAnT DERDAnKMESSE In DER KAPELLE DES BRK-SEnI-OREnHEIMS In ALTÖTTInG AM 6. AuGuST, KAPuZInERPATER BR. ERICH GEIR. PREDIGER KAPuZInERPATER BR. MARInuS PARZInGER WÜRDIGTE VOR ALLEM P. THEOS MEnSCH-LICHE unD HuMORVOLLE ART.

Menschlich und humorvoll

Der Jubilar im Kreise der mitfeiernden Priester und Mitbrüder

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4746 Kapuziner 2017.2018

VoN BR. MATTHIAS REICH

Drei Wochen durften wir in Israel verbringen und haben Kultur, Religion, Geschichte, sowie unge-wohnte Wetterverhältnisse und Landschaften erlebt. Die erste Woche haben wir im Pilgerhaus der Bene-diktiner in Tabgha am See Gennesaret verbracht, die anderen beiden bei den Brüdern im Kapuzinerklos-ter in Jerusalem.

In Israel haben wir in ungekannter Dichte ein Mit-einander, Durcheinander und manchmal auch Ge-geneinander von Menschen, Kulturen, Religionen, Konfessionen und politischen Interessen erlebt. Es gab verschiedene Herausforderungen für einzelne und für die ganze Gruppe. Im Alltag war besonders die Sprache als Herausforderung spürbar, da wir uns am ehesten auf Englisch unterhalten konnten. Die brüderliche Begegnung war eine schöne Begleiter-scheinung auf unseren Wegen durch das Land des

8 Herrn. Der Leser ist nun eingeladen, mit einen Blick zu werfen auf die Vielfalt dieses Landes.

Die Vielfalt der Kulturen zeigt sich an mehreren Stellen. Bei vielen Menschen erkennt man an der Kleidung, welcher Religion sie angehören, sei es eine Ordenstracht, eine Kippa oder ein speziell gewunde-nes Kopftuch. Man sieht Soldaten und bewaffnete Zi-vilisten. Man kann in der Altstadt Jerusalems durch den Bazar gehen oder außerhalb der alten Stadt-mauer den Betrieb einer modernen Stadt erleben, wie er von Europa vertraut ist. Es gibt Konzerte in Kirchen und auf Plätzen, und wenn man die Straßen entlang geht, passiert man abwechselnd Kirchen, Sy-nagogen und Moscheen.

Mit den genannten Gebäuden sind wir beim Thema Religion oder vielmehr Religionen angelangt. Juden, Christen und Muslime teilen sich das Inter-

esse an diesem kleinen Fleck Erde, auf dem die Er-zählungen des Alten Testamentes ihren Ort haben, auf dem auch unser Heiland Jesus Christus gelebt und gewirkt hat und der aufgrund der gemeinsamen Traditionen auch für die Muslime ein besonderer Ort ist. Manchmal wird in Bezug auf das Hl. Land vom 5. Evangelium gesprochen, und es ist viel Wah-res daran. Denn manches klingt neu oder deutlicher, wenn es nicht „nur“ als Text gehört wird, sondern wenn man einen Ort sieht, an dem Jesus dieses oder

jenes Wort gesagt hat. Auf verschiedene Weise geben Stätten wie der Tempelberg mit Klagemauer, die Gra-beskirche, der Garten Getsemani oder der See Gen-nesaret mit seinen Dörfern und Bergen rundum Zeugnis vom Kern unserer und der anderen Religio-nen. Sie tun das zum Teil durch die Verknüpfung mit Ereignissen, deren dort gedacht wird, sie tun das aber auch durch eine Ausstrahlung die mit Worten eigentlich nicht beschrieben werden kann.

An dieser Stelle wäre es aber zu wenig, nur von Plätzen und Gebäuden zu sprechen, denn wir haben auch gesehen, wie lebendig der Glaube in Israel ist. An einem Freitagabend konnten in einer Synagoge an der Feier der Gemeinde teilnehmen, die zum An-brechen des Sabbat gehalten wird. Den Muezzin, der die Muslime zum Gebet ruft, kann man weithin über die Stadt vernehmen, und besonders eindrucksvoll

Ein wunderschöner Blick auf die Altstadt von Jerusalem

v.l.n.r. Br. Antony, Br. Christian, Br. Thomas, Br. Adrian, Br. Ben,

Br. Effi, Br. Matthias, Br. Jens, Br. Thomas M., Br. Marc

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Der Boden, auf dem man sich bewegt, trägt Jahrtausendeder Weltgeschichte.“

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Mehr Reise

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Juniorentreffen, der Westeuropäischen Kapuzinerprovinzen

Mitbrüder

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4948 Kapuziner 2017.2018

war die Teilnahme an den liturgischen Feiern in „un-seren“ Kirchen. Einige haben miterlebt, wie die ein-zelnen christlichen Konfessionen zur Nacht von Samstag auf Sonntag ihre Liturgie in der Grabeskir-che feiern. Gemeinsam waren wir beim Festgottes-dienst in St. Anna zu Jerusalem an Mariä Geburt und haben sonntags auch einmal einen Pfarrgottesdienst in der hebräischen Gemeinde mitgefeiert. Häufiger haben wir in der Gruppe den Gottesdienst gefeiert und beim Hören der Lesungen der Ereignisse gedacht, von denen das Evangelium berichtet. Alles das gehört zur Gegenwart und zur Geschichte des Hl. Landes.

Die Geschichte des Landes macht allein schon durch die Zahlen Eindruck. Der Boden, auf dem man sich bewegt, trägt Jahrtausende der Weltge-schichte. Das ist zwar überall so, aber das Besondere in Israel ist, dass die Geschichte dieses Landes auf ei-

nen großen Teil der Kulturen in der Welt einen nicht zu verachtenden Einfluss gehabt hat und immer noch hat. Nicht zuletzt auch in Europa, wenn man bedenkt, dass dort die Wiege des Christentums ist. Evangelium und Kirchengeschichte sind ein Strang, der uns mit Israel verbindet. Das Gedächtnis an diese Verbindung besteht vor allem an den vielen Wall-fahrtskirchen, die an biblische Erzählungen erin-nern. Eine andere traurige Verbindung mit Europa hat in der Shoa-Gedenkstätte in Yad-Vashem ein Mahnmal, das wir auch besucht haben. Unser Frem-denführer für die erste Woche in Galiläa, Herr Erich König, der als Österreicher seit über 40 Jahren in Is-rael lebt, hat uns das Land mit einem großen Wissen über Geschichte und Gegenwart vorgestellt. Er hat Ausgrabungen mit seinen Schilderungen belebt, in-dem er immer auch vom Leben der Menschen an

den einzelnen Orten erzählt hat. Wo immer wir gewesen sind, waren wir mehr oder

weniger ungewohnten Wetterverhältnissen und Landschaften ausgesetzt. Regen gab es nicht, die Temperaturen in den Tälern unter dem Meeresspie-gel waren umso höher, je tiefer man hinunter kam. Die Landschaft war nur grün, wo sie bewässert wurde und wo Bäume standen. Wie ein Paradies

blickt aus den gelben Hügeln das Quellgebiet des Jor-dan hervor, wo klares Quellwasser über Bergkanten in Wasserfällen herunterstäubt. Man sieht, dass das Land selbst in der Natur von Gegensätzen geprägt ist.

Unsere Aufgabe ist es nun, die Gegensätze als Be-reicherung anzunehmen. Das gilt im übertragenen Sinn auch für die Brüdergemeinschaft, denn wir wa-ren Akteure und Zeugen einer kulturellen und sprachlichen Mischung, die ihren gemeinsamen Nenner in der Berufung und Entscheidung für den Lebensweg als Kapuziner, folglich im Evangelium hat. Am Ende unserer Pilgerfahrt haben wir inne ge-halten und uns darüber ausgetauscht, was wir für unsere Ausbildung und unseren Lebensweg von die-sen Wochen mit allem, was wir erlebt haben, mit-nehmen. Es war für alle genug, und bestimmt konnte jeder zuhause noch davon austeilen.

Mitbrüder

Links: Ist sie wirklich die Stadt des Friedens?

Unten: Die Halle der namen im Holocaust-mahnmal yad Vashem

oben links: Die Auferstehungskapelle in der Grabeskirche in Jerusalem

oben mitte: Endlose Wege im endlosen Sand: die Wüste Juda

Rechts: Die Brüder vor dem Felsendom

Man sieht, dass das Land selbst in der Natur von Gegensätzen geprägt ist.“

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Mitbrüder

Kapuziner 2017.2018

BRuDER VInZEnZ MÜLLER, EIn KAPuZInER, IST SEIT 30 JAHREn MESnER In DER BASILIKA ST. AnnA, ALTÖTTInG. ER IST ES GEWOHnT, DASS DAS GOTTESHAuS VOLL IST – GROSSE WALLFAHRERGRuPPEn FEIERn HIER IHREn GOTTESDIEnST. IM JuLI BEISPIELSWEISE KA-MEn 400 MESnER/InnEn AuS DEM BISTuM AuGSBuRG ZuR WALLFAHRT nACH ALTÖTTInG. WAS HEISST ES, An EInEM SO BEDEuTEnDEn WALLFAHRTSORT MESnER Zu SEIn?

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Bruder Vinzenz, als Mesner an der Basilika St. Anna in Altötting haben Sie gewiss viel zu tun?„Unter der Woche ist es nicht so schlimm, an den Wochenenden aber ist viel los. Am meisten ist bei uns an Pfingsten los – am Samstag, am Pfingstsonn-tag und am Pfingstmontag. Da ist der Höhepunkt.“

Da kommen praktisch...?„… die Regensburger und die Münchner Wallfahrer, das werden dann schon so acht- bis neuntausend. Früher sind am Pfingstmontag auch noch die Augs-burger gekommen. Die kommen jetzt nur noch am achten August.“

Wenn so viele Wallfahrer kommen, dann erleben Sie auch die unterschiedlichsten Priester, die die Gottesdienste zelebrieren? Was heißt das für Sie als Mesner?„Ich bin jetzt über 30 Jahre Mesner. Da habe ich schon einiges mitgemacht. Aber ich muss sagen, ich hab‘ noch nie Scherereien gehabt. Mit keinem Priester, mit keinem Bischof . Und mit den Bischöfen kann man reden – so wie ich mit Ihnen jetzt rede. Ganz normal, ganz normal! Da meint man immer, die Bischöfe sind hochg’stochen, aber sie sind ganz normal.“

8 Sie haben bestimmt auch schon viele Bischöfe erlebt?„Ja, ja.“

Das, was Sie alles zu tun haben, das kann man wahrscheinlich gar nicht in Stunden zählen?„Mir wird nie langweilig! Ich mach‘ ja alles selber, auch die Kirchenwäsche.“

Auch die Augsburger Mesner sind in Ihre Kirche zum Wallfahrtsgottesdienst gekommen…?„Ach, das waren nur 400 – das ist für mich nicht viel!“ Nicht viel? Sie kennen andere Zahlen?„Wenn die Kirche normal belegt ist, dann gehen 800 rein, aber es geht schon bis zweieinhalb Tausend. Neulich, an einem Wochenende, hatte ich die Do-nauschwaben da, das sind so zwei- bis dreitausend. Aber das ist nicht schwierig.“

Worauf müssen Sie denn als Mesner an so einer Wallfahrtskirche besonders achten?„Ich muss halt schauen, dass alles sauber ist und g’richtet, es muss halt alles picobello sein, aber so schlimm ist das nicht. Ich kann’s mir ja einteilen. Mir

redet niemand drein, der Chef, der Rektor Pater Nor-bert, der weiß Bescheid, wie was läuft. Und liturgisch, mei, da mache ich’s, wie sich’s gehört.

Das heißt?„Wenn ein Fest ist, dann nehmen wir immer’s Fest. Manche nehmen halt gern ein Marienfest. Franziskus am 4. Oktober ist für uns Kapuziner ja ein Hochfest, da müssen sich die Pfarrer schon ein bisschen daran halten. Da sollten’s dann schon die Texte vom Franzis-kus nehmen – oder ihn zumindest erwähnen, sonst geht er ja ganz unter!

Kommt es vor, dass die Priester Sonderwünsche haben?„Ich kriege ja von ihnen das Programm für den Gottes-dienst, das läuft dann schon. Ich widerspreche da nicht. Das müssen sie verantworten, mich kümmert das nicht.“

Wie kommen Sie als Mesner zurecht, wenn Sie mal mehrere Zelebranten haben? „Ich komm‘ eigentlich immer in Schuss. Oft haben wir 20 Zelebranten.“

Und die kleiden Sie alleine an?

Die großen Wallfahrten,

die sind alle bei mir.“

Mesner in Altötting

Der Kapellplatz in Altötting mit der Gnadenkapelle Foto

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52 Kapuziner 2017.2018

Mitbrüder

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„Das geht ruckzuck! Die Schultertücher richte ich her, die nehmen sie dann, die Alben hängen auch da. Das geht ruckzuck, die sind nummeriert. Das ist keine Schwierigkeit.“

Sie mögen Ihren Beruf?„Ja, ja.“

Im Jahr 2006 war Papst Benedikt in Altötting. Der zentrale Gottesdienst war auf dem Kapellenplatz…„… und ich war eingesperrt in der Basilika.“

Warum denn das?„Ich hab‘ ja nimmer raus dürfen. Wir sind in der Früh um drei runter, die Polizei war auch da, wir haben uns einen Kaffee gemacht. Alles, was draußen los war, ha-ben wir uns im Fernsehen angeschaut. Ich hab nichts mitgekriegt, bloß vom Fernseher halt.

Warum durften Sie nicht raus?„Die Kirche war zugesperrt, sie war umstellt von Poli-zisten, damit keiner rein kommt. Das war wegen der Sicherheit. Ich durfte nicht raus, ich hätte ja sonst nicht mehr reinkönnen. Und um fünfe nachmittags ist dann der Papst zu uns gekommen, zur Vesper. Die Basilika war bombenvoll, das Fernsehen war da.“

Was haben Sie da vorbereiten müssen?

„Gar nichts. Bloß den Rauchmantel. Es war ja schon alles gerichtet.“

Waren Sie da ein bisschen aufgeregt?„Nein, überhaupt nicht! Benedikt war ja als Kardinal schon da - bloß dass er halt jetzt Papst war. In der Sa-kristei wollte ich ihm den Rauchmantel anziehen – den wollte er mir wegnehmen und hat gesagt: Den häng‘ ich mir schon selber um! Ich hab‘ aber schon ge-merkt: Er war an diesem Abend müde. Er hat mir leid getan. Aber so war’s nett.“

Als Mesner stehen Sie immer im Hintergrund?„Ich bin immer, immer abseits. Drum mag ich es auch nicht, wenn ich das so sehe, wenn Mesner unter der Messe rausspringen und noch was reintragen. Das ist bei mir alles schon hergerichtet. Höchstens – wenn da fünftausend Leute da sind, dann bring‘ ich vielleicht noch ein paar Hostienschalen mehr. Und die Laut-sprecheranlage, die muss natürlich funktionieren!“

Die Leute, die zur Gnadenkapelle in Altötting kommen, kommen die dann auch in die Basilika?„In der Basilika, da sind die ganz großen Wallfahrten. In der Kapelle hat’s jede Stunde eine Messe, die Pilger gehen dann schon zur Basilika rauf, privat. Die großen Wallfahrten, die sind alle bei mir.“Das Interview führte Gerlinde Knoller

Br. Vinzenz inspiziert das Dach der Kirche zur Zeit der RenovationFo

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Publikationen2017/18

Thomas Möllenbeck/Ludger Schulte (Hg.)„Spiritualität.Auf der Suche nach ihrem ort in der Theologie“Verlag AschendorffISBn 978-3-402-13214-2Preis: 29,80,-€

Thomas Dienberg „Unerschrocken. Mit dem Glauben durch angstvolle Zeiten“Verlag Camino/Katholisches Bibelwerk 2017 ISBn: 978-3-96157-003-4Preis: 16,95,-€

Thomas Dienberg/Thomas Eggensperger/Ulrich Engel/Bernhard Kohl (Hg.) „ ... am Ende ganz allein? Gemeinschaftsbildung in post-traditionalen Zeiten“Verlag Aschendorff ISBn: 978-3-402-13261-6Preis: 24,80,-€

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Mitbrüder

Kapuziner 2017.2018

mehr als ein Viel

DIE FEIER DER EWIGEn PROFESS DER BRÜDER THOMAS SCHIED unD CHRISTIAn ALBERT

Eine solche große Feier ist nicht alltäglich in der deutschen Kapuzinerprovinz. Die ewige Profess ist au-ßerdem etwas Besonderes, für den Bruder, der sie ab-legt, für seine Familie und für die Mitbrüder. Br. Tho-mas M. und Br. Christian bereiteten sich lange auf diesen Schritt vor. Am 27. Mai war es dann soweit. Sie legten ihre Gelübde feierlich in die Hände des Provinzi-alministers Br. Marinus Parzinger in der Klosterkirche Münster ab. Das Evangelium, welches in der Messe ver-kündet wird, passt: Jesus wünscht sich von seinen Jün-gern, dass sie in seiner Liebe bleiben. Das versuchen die beiden nun in ihrem Leben als Kapuziner.

Ewige Profess, was ist das eigentlich? Nach einem längeren Ausbildungsweg im Orden, der mit dem Postulat beginnt, über das Noviziat in Salzburg und das Juniorat verläuft, sind die beiden zu der Entschei-dung gekommen, dass sie ihr ganzes Leben im Orden der Kapuziner verbringen wollen. Im Juniorat haben Br. Thomas und Br. Christian sich darauf vorbereitet, was es heißt, ihr Leben lang Kapuziner zu sein. Sie ha-ben jetzt alle Rechte und Pflichten und gehören end-gültig zum Orden. Es ist aber kein bloßer Rechtsakt. Vielmehr haben die beiden frohen Herzens ja sagen können. Sie möchten weiter auf dem weg bleiben, den sie bisher gegangen sind und fragen: Wie kann ich das

Evangelium in der Welt leben und den Menschen von Christus erzählen? Wie kann ich weiter auf der Suche nach Gott bleiben? Die Gemeinschaft der Brüder hilft ihnen bei diesem Weg. Die Konstitutionen der Kapuzi-ner, also unsere Satzungen, schreiben dazu: „In der Or-densweihe bindet uns der Heilige Geist mit einem be-sonderen Band an Christus, macht uns der Wirklichkeit des Geheimnisses Christi teilhaft […].“ Durch die Be-folgung der Gelübde der Armut, des Gehorsams und der keuschen Ehelosigkeit wollen die Brüder in Freiheit leben; wollen lieben; wollen den Menschen beistehen.

Neben diesen Fragen haben die beiden in der Zeit des Juniorates auch eine Berufsausbildung gemacht. Der Bankkaufmann Br. Christian hat eine Lehre zum Koch in Münster absolviert. Er lebt und arbeitet nun im Kloster zum Mitleben in Stühlingen an der Schweizer Grenze. Br. Thomas hat als gelernter Krankenpfleger ei-nen anderen Weg eingeschlagen und ein Studium der Theologie auf sich genommen. Nach vier Jahren im Spätberufenenseminar in Lantershofen hat er auch da-rum gebeten zum Diakon geweiht zu werden, was ein paar Wochen nach der Ewigen Profess am 24. Juni durch Weihbischof Stefan Zehkorn geschah.

Im Kloster Münster gehen die Vorbereitungen zu Ende. Trubelig und flink eilen manche Brüder über

bloßer Rechtsakt

Thomas M. und Christian feiern ihre Profess im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes in der Klosterkirche Münster

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Rechts: Bevor die Brüder die Profess ablegen, wird in der Allerheiligenlitanei der Geist Gottes angerufen

Unten: Der Brudergruß gehört zu jeder Professfeier dazu

die Flure. Sie üben die Gesänge für die Messe, gehen den Ablaufplan durch. Die Räume werden mit Blu-men geschmückt, die Tische werden verziert, in der Küche wird das Festtagsmenü vorbereitet. Alle arbei-ten mit, dass es ein schöner Tag für die beiden werden kann. Aus ganz Deutschland sind Mitbrüder und na-türlich die Familien der beiden Kandidaten gekom-men. Alle wollen sie dabei sein und mitfeiern. Die bei-den haben sich lange Gedanken gemacht, aber am Ende können sie beide sagen: Es passt für mich. Ich bin angekommen. In der Messe ruft Br. Harald, der Ju-nioratsleiter, die beiden mit Namen auf und beide le-gen die Profess in die Hände von Br. Marinus ab: Ich will dem Evangelium und den Fußspuren Jesu Christi folgen. Aus ganzem Herzen vertraue ich mich dieser Bruderschaft an, damit ich zur Vollkommenheit der Liebe gelange im Dienste Gottes, der Kirche und der Menschen.Br. Thomas, Br. Christian, herzlichen Glückwunsch und Gottes Segen!

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5756 Kapuziner 2017.2018

Die Feier der Diakonenweihe war für mich – wie auch schon die Feier der Ewigen Profess – ein sehr schönes und berührendes Ereignis. Ich werde sicher noch lange und gerne daran zurückdenken. Es ist schon etwas Besonderes, wenn man nach all den Jah-ren der Vorbereitung vor den Bischof und auch vor die Brüdergemeinschaft treten darf und dann sagen kann: Ich bin bereit. Für mich war der Gedanke sehr wichtig, dass ich mich in Dienst nehmen lasse. Ge-rade bei der Diakonenweihe wird das ja sehr deut-lich. Es geht nicht um einen Status oder einen beson-deren Stand. Ich bin da – und bereit für den Dienst. Ich stelle mich zur Verfügung – und die Verantwort-lichen nehmen mich an zum Dienst an Gott und den Menschen. Von daher war für mich die eigentliche

und es hat mir gutgetan, dass sie da waren.Ich freue mich sehr über meine neuen Aufgaben als Diakon, und ich bin gespannt, was mich in der Pfarr-seelsorge alles so erwartet. Ich muss Vertrautes auf-geben, viel viel Neues wird auf mich zukommen, und es gibt viel zu lernen. Ich wünsche mir, dass ich gut Fuß fassen kann. Kapuziner sein, Diakon sein, Seel-sorger sein – das verbinde ich erst mal mit dem Bild der Gemeinschaft. Ich trete meine neue Stelle nicht als Einzelkämpfer an. Da gibt es die Brüder im Kon-vent, da gibt es das Seelsorgeteam und da gibt es die Gruppen in der Pfarrei und in der Stadt. Das hört sich für mich total spannend an. Da freue ich mich drauf. Seelsorge heißt aber auch, seinen Blick für den Ein-

Mitbrüder

zelnen zu schärfen. Mit Menschen im Gespräch zu sein oder einfach zuzuhören. Vielleicht dort, wo das Leben gerade nicht glatt läuft. Vielleicht dort, wo die kleinen und großen Kreuzungen des Lebens zu ge-stalten sind. Da sein – zuhören – begleiten. Ich weiß noch nicht genau, wie man ein guter Seelsorger wer-den kann. Dazu braucht es mehr als die „Trocken-übungen“ in der Ausbildung. Dazu braucht es die Er-fahrung in der Praxis. Das steht für mich jetzt an. Und darauf möchte ich mich in den nächsten Mona-ten einlassen. Vertrautes aufgeben müssen – das ist auch für die Kapuziner in Deutschland eine wichtige und not-wendige Aufgabe. Ich höre oft die Frage, ob der Ka-puzinerorden in Deutschland überhaupt noch eine

Weihehandlung ein sehr dichter Moment. Der Bi-schof legte mir schweigend die Hände auf und sprach anschließend das Weihegebet. Ich musste in diesem Augenblick nur da sein. Ich durfte etwas an mir ge-schehen lassen. Dieses Ritual finde ich unglaublich schön. Es wird deutlich, dass Berufung vor allem Ge-schenk ist. Etwas, das man nicht zu hundert Prozent selbst machen kann. Einen großen Anteil an meinem Weg haben auch die vielen Menschen, die mich in meinem Leben begleitet haben. So habe ich mich be-sonders darüber gefreut, dass bei der Profess und bei der Weihe Menschen dabei waren, die mir wichtig sind. Familie, Freunde, Mitbrüder – ich gehe meinen Weg nicht allein, und ich brauche gute Beziehungen und Freundschaften. Das ist etwas sehr Kostbares

GEDAnKEn VOn BR. THOMAS M. SCHIED AnLäSSLICH SEInER DIAKOnEnWEIHE IM JunI 2017

loslassen

VertrautesZukunft hat. Diese Frage stellen wir uns als Kapuzi-ner natürlich auch selbst. Die Entwicklungen in den letzten Jahren sprechen eine deutliche Sprache. Wir werden weniger. Die Gemeinschaft wird kleiner. Das geht extrem schnell. Wir haben schon eine ganze Reihe von Klöstern aufgelöst, und vermutlich wer-den da noch weitere folgen. Was heißt das für unsere Zukunft? Das heißt zunächst einmal, dass wir Ver-trautes loslassen müssen. Das ist für viele Brüder sehr schmerzhaft. Aber, wir sind auch herausgefor-dert, nach neuen Ansätzen zu suchen. Ich glaube da-ran, dass es weitergeht! Anders als früher. Anders als gewohnt. Deshalb wünsche ich mir von uns als Ge-meinschaft, dass wir diese Herausforderung mutig annehmen und gestalten. Es muss Freiräume geben,

wo Ideen wachsen können, wo etwas Neues entste-hen kann. Es braucht dazu unter den Brüdern eine Atmosphäre, in der Inspirationen konkretisiert wer-den können. Dazu kann jeder etwas beitragen. Un-sere Gemeinschaft lebt doch davon, dass sich Brüder vom Geist Gottes entflammen lassen und diese Freude nach außen strahlen. Das war tatsächlich schon immer so. Und das ist unsere Chance für die Zukunft. Ich möchte dem Heiligen Geist etwas zu-trauen. Ich würde noch keinen Haken hinter die Ge-schichte der Kapuziner in Deutschland machen. Da sind noch Überraschungen drin. Warten wir es ab! Mich ermutigt dabei der Satz, der Victor Hugo zuge-schrieben wird: Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist!

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oben: Die liturgischen Gewänder ma-chen es einem manchmal nicht so leicht

Links: Die Konzelebrationsgewänder liegen für die Mitfeiernden bereit.

oben: Während der Allerheiligenlitanei liegt der Kandidat ausgestreckt auf dem Boden.

Rechts: Der feierliche Weiheakt durch den Weihbischof Dr. Stefan Zekorn

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5958 Kapuziner 2017.2018

SEIT EInIGEn JAHREn KEHREn MEHR unD MEHR PILGER In DAS KLOSTER WERnE EIn. DIE BRÜDER BESCHREIBEn, WIE SEHR DIESE MEnSCHEn DAS LEBEn IM KLOSTER VERänDERn.

Pilgerbereichern das

Leben und die Gemeinschaft

Zu Anfang des Jahres 2007 initiierte unser mittler-weile verstorbener Mitbruder Pater Suitbert Telgmann die Renovation der oberen Räume des alten „Pesthau-ses“. In dem Gebäude, in dem die Mitbrüder gelebt hat-ten, die sich im 17.und 18. Jahrhundert in der Pestkran-kenpflege in Werne engagierten, standen drei Räume leer, die sich für die Unterbringung von Jakobus-Pil-gern anboten. Die Förderung des Ausbaues der alten Pilgerwege durch die EU einerseits und die große Be-liebtheit des Pilgerns nach Santiago de Compostela an-dererseits ließen in der Gemeinschaft die Idee reifen, eine Pilgerstätte auf dem Jakobusweg einzurichten. Wie sich schnell herausstellte, bestand und besteht hier ein großer Bedarf. P. Suitbert konnte am 11.4.2007 die ersten Pilger begrü-ßen. Im ersten Jahr übernachteten „nur“ 10 Personen, im Jahr 2008 waren es schon 128 und 2009 wieder 117 Pilger. Seitdem pendelt die Zahl der Übernachtungen zwischen 90 und 110. Im Juli 2017 konnten wir den Pil-ger in unserem Übernachtungshaus begrüßen. Pilger aus Deutschland, aber auch aus Schweden, Norwegen, Dänemark, Belgien, Italien und Polen machen in Werne Zwischenstation. Sie gehen den Weg nach Santiago ent-

weder in Etappen oder laufen die Gesamtstrecken in-nerhalb eines halben Jahres. Sie werden von uns Kapu-zinern morgens nach der Eucharistiefeier zum Frühstück eingeladen. Dabei entwickeln sich oft inter-essante und bereichernde Gespräche.

Hier einige Zitate aus unserem Pilgerbuch. K. Sch. schrieb am 4.3.2012: „Vielen herzlichen Dank für die tolle Aufnahme und die Freundlichkeit, die ich er-fahren durfte. Ich danke auch für die Gedanken am Mor-gen und die Worte beim Frühstück. Ich bin gestärkt und beeindruckt“.

Christian H. meinte am 1.8.2013. „Ein wunderbarer Aufenthalt bei Ihnen. Ich habe viel gelernt“.

„Vielen Dank für die Gastfreundschaft und das auf-schlussreiche, interessante Gespräch am Frühstückstisch. Gott segne Sie und Ihre Arbeit“ Kerstin K. am 24.8.2014.

Daniel hielt am 7.11.2015 fest: „Vielen Dank für die nette Gastfreundschaft. Es war für mich eine Freude und Er-leichterung auch noch in der Dunkelheit ein Obdach für

die Nacht zu finden. Diese Menschlichkeit hat mir nach einem langen und anstrengenden Tag sehr gut getan. Der Aufenthalt hier im Kloster wird mir noch lange in guter Erinnerung bleiben. Vielen Dank dafür“.

J. G. aus Göttingen trug sich am 1.7.2017 ein. „Welch Glück: die freundliche Aufnahme im Kloster, ein gemütli-ches Bett zur Erholung der müden Glieder, eine wunder-bare Kirche zur inneren Einkehr, liebevolle Menschen in Fürsorge, danke!“

Ich möchte schließen mit einem Kommentar des Pilgers: „Als wir uns für den Jakobsweg im Münsterland entschie-den, hatten wir keine Ahnung, dass uns ein 10-jähriges Bestehen erwarten würde. Nichtsahnend hatten wir zwei Zimmer im Kloster Werne reserviert und bekamen auch sofort Antwort: Wir waren herzlich willkommen. Und so haben wir uns während des ganzen Aufenthaltes gefühlt: herzlich willkommen. Die Zimmer sind warm und liebe-voll und mit Auge fürs Detail eingerichtet, und das wirkt sich auch auf die Pilger aus. Mit Liebe bereitet man die Betten für die nächsten Besucher vor. Der Höhepunkt un-

serer Reise war der Festabend für das 10-jährige Bestehen des Jakobsweges. Wir kamen mitten in der vom Förder-verein organisierten Festwoche an und konnten an der Vesper und dem Festabend danach teilnehmen. Wir ha-ben feststellen können: In Werne wohnen nette Leute! Wir haben wunderbar gefeiert und uns gut unterhalten. Das Gesprächsthema des Tages war natürlich das Pilgern und die Pilgerreise nach Santiago de Compostela. Am nächsten Morgen haben wir uns nach der Laudes am Frühstückstisch nochmals über den vorigen Abend unter-halten. Aber dann mussten wir auch schon wieder wei-terziehen. Die Geschenke, die wir als Pilger bekamen, ha-ben nun einen Ehrenplatz in unseren Wohnungen in Amsterdam erhalten, so dass wir noch regelmäßig an un-seren Aufenthalt im Kloster Werne denken können.“Birgit Felstau und Marco de Haan, 6.8.2017, Amster-dam, Niederlande

Wir Brüder Wolfgang, Tobias und Romuald in Werne fühlen uns durch die Pilger und die Gespräche mit Ih-nen gestärkt und beschenkt – entsprechend einem Wort von Martin Buber: „Alles wirkliche Leben ist Be-gegnung“.

Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“

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Mitbrüder

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Rechts: Das ehemalige ‚Pesthaus‘ am Kloster, wo die Pilger eine Über-nachtungsstätte finden.

Unten: Pilger fühlen sich willkommen und freuen sich über die Gastfreundschaft der Brüder

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Mitbrüder

Kapuziner 2017.2018

Mitbrüder

insgesamt 12 Jahre in Rom sein (einmal acht Jahre und dann noch einmal vier weitere Jahre), und es war eine sehr schöne und interessante Zeit für mich: das Leben in einer internationalen Gemeinschaft, wobei mir natürlich sehr die Kenntnisse der italieni-schen und auch englischen Sprache geholfen haben. Auch das, was ich so über den Gesamtorden mitbe-kommen habe, hat mich geprägt und meinen Blick noch einmal sehr erweitert. Sehr schnell ist es mir dann gelungen, Kontakte zu den deutschsprachigen Monsignores am Vatikan in der deutschen Sektion zu knüpfen. Damit konnte ich auch dem Gesamtor-den sehr helfen. In Rom, wie eigentlich überall, sind Beziehungen einfach wichtig. Ein erstes Mal hat dann mein Herz nach acht Jahren geblutet, als ich zurück in die Provinz musste, denn mein Vertrag mit den Römern war beendet. Doch hat mich die Kurie noch einmal für vier Jahre zurückge-holt. Ich durfte noch einmal mit meinen Beziehungen für den Orden arbeiten. Die Kurie war für so manchen Monsignore vom Vatikan ein liebgewonnener Ort. Sie teilten gerne mit uns Brüdern das Leben.

Jetzt bist Du wieder in Münster, wo Du am Anfang Deines Ordenslebens lange Jahre gewesen bist. Wie erlebst Du das Ordensleben heute im Ver-gleich zu früher?Ich muss sagen, dass einiges und auch Wesentliches heute viel offener ist, Früher war doch vieles strenger, starrer, ja man kann auch sagen: autoritärer. Mit den Oberen kann ich heute viel offener reden. Das fehlte früher doch oft. Aber es ist heute nicht besser, auch nicht schlechter. Es hat sich einfach aufgrund der Zeit so manches geändert. Wenn ich z. B. daran denke, dass im Haus früher viel mehr Brüder lebten, dann ist das doch ein großer Unterschied. Was ich auch sagen muss, das ist die Tatsache, dass ich persönlich bei uns im Or-den, ob in Rom oder in Münster, niemals einen Unter-schied zwischen den sogenannten Laien- und Priester-brüdern gespürt habe. Und das spricht für den Orden und die Gemeinschaften, wie ich finde. Ich bin mit meiner Entscheidung als Laienbruder sehr zufrieden – und hätte auch nie etwas anders gewollt!

Wenn Du einen Wunsch frei hättest, was würde das für Dich hier und heute sein?Einfach: Weiter so! Jetzt mit 70 blicke ich auf ein schö-nes Leben zurück, und ich würde es wieder jederzeit wählen, wobei mein Weg heute vielleicht eine ganz an-dere Richtung im Orden nehmen würde, wer weiß ...

Das Interview führte Br. Thomas Dienberg.

gewollt ! etwas Anderes

Ich hätte nie

InTERVIEW MIT BR. BRunO TRÖnDLE

Du hast vor wenigen Wochen Dein 50-jähriges Ordensjubiläum gefeiert. Was waren für dich die wichtigsten und prägendsten ereignisse in Dei-nem Leben als Ordensmann?Als erstes muss ich da den Eintritt vom Postulat ins Noviziat nennen, damals von Zell nach Stühlingen. Das war ein Erlebnis für mich, das mich sehr geprägt hat. Denn damit begann die Zeit, die mir das Rüstzeug für die weiteren Jahre im Orden gegeben hat. Ich habe sehr vieles lernen dürfen, mich in das Leben als Kapu-ziner eingewöhnen dürfen – und hatte viele Brüder, von denen ich das lernen konnte. Eine weitere bedeutungsvolle Zeit für mich war dann die Zeit nach der Profess in Münster. Zunächst habe ich als Koch gearbeitet, da ich ja auch eine Ausbildung zum Hotelkoch hatte. Doch Br. Wendelin, dem ich sehr viel zu verdanken habe, meinte, dass mein Platz und meine Aufgabe im Kloster vielleicht auch die Pforte sei, da ich doch sehr gerne mit Menschen zusammen bin und gut mit Menschen umgehen könne. Ich bin sehr froh und dankbar, dass er das gesehen hatte –und ich habe mich auf diese neue Aufgabe eingelassen. Es hat mir seitdem einfach ungeheuer viel Freude bereitet, und ich war und bin mit Leib und Seele Pförtner. In Münster habe ich noch etwas anderes entdecken dürfen, von dem ich so nichts ahnte: die Liebe zum

Theater. Eher zufällig über P. Amandus, der Kontakt zu einer Opernsängerin in der Nachbarschaft des Klosters hatte, bin ich zum Theater gekommen. Für Münster und für mich entwickelte sich daraufhin eine ganz wunderbare Beziehung mit dem Theater in der Stadt, vor allem mit den Künstlerinnen und Künst-lern. Sie fanden oft den Weg zu uns ins Kloster – und ich habe eine große Nähe zwischen ihnen und uns, dem Theater und dem Kloster feststellen dürfen. Bei-des sind Berufe, ja Lebensweisen, aus einer bestimm-ten Berufung heraus, eben nicht nur Beruf. Das Spie-lerische und die Gestaltung von Gottesdiensten hat uns verbunden, und natürlich auch die Auseinander-setzungen mit den existentiellen Fragen des Lebens. Die Verbindung zum Theater gibt es im Übrigen bis heute in Münster Du warst lange Jahre in Rom als Pförtner an der Generalkurie und hast den Orden umfassend ken-nengelernt. Welche besonderen Momente sind Dir in erinnerung?Nach einer kurzen Zeit in Koblenz als Pförtner bin ich 1982 an die Generalkurie nach Rom gekommen, wahrscheinlich wohl, weil ich vorher zweimal als Pförtner zum Generalkapitel eingeladen war – und die Aufgabe wohl ganz gut bewältigt habe. Ich durfte

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Br. Bruno Tröndle, geb. 1947 in Säckingentrat 1967 in den Orden der Kapuziner ein hieß kurz im noviziat Arnold, wählte dann aber wieder seinenTaufnamen Bruno

in Münster bis 1980

in Koblenz bis 1982

in Rom bis 1990

in Koblenz bis 1993

in Rom bis 1997

seitdem in Münster

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Nachdenkliches

Mit Mut durch die Welt gehen, sich nicht erschrecken lassen trotz Erschrockenheit weitermachen sich nicht langfristig beirren lassenwagemutigfreimütig

Bin ich unerschrocken?

Es hat etwas mit Stellung beziehen zu tunweil ich an etwas glaubeweil ich dem Menschen glaubeweil ich an den Menschen glaubeIch bin doch eher feige

Unerschrockenheit: Was heißt das eigentlich?

Unersc hrockenUnerschrockenheit

Halte mich gerne im HintergrundKann trotzdem meinen Mund manchmal nicht haltenHabe aber Angst vor AuseinandersetzungenDoch stelle ich michStelle ich mich hin und bekenneSetze ich mich einfür die Sache, die mir am Herzen liegt?Mut, Furchtlosigkeit, Tapferkeitdrei verschiedene BedeutungenKühnheit, Zivilcourageandere Worte für UnerschrockenheitSpart die Angst nicht ausLässt sich von der Angst anspornen Fo

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Ach Gott

Mut zur gepflegten PolemikMut zur Intellektuellen Unerschrockenheitdie die Dinge beim Namen nenntnicht schwafeltnicht auf die Konsequenzen schautsondern auf RedlichkeitWahrheit und Engagementgepflegt polemisch mit dem Finger in der Wundeder Versuch, wie Vaclav Havel es sagt, in der Wahrheit zu lebeneben - UNERSCHROCKEN ...

von Br. Thomas Dienberg

Geht Hand in Hand mit der Angst

Bin ich unerschrockenTapfer und furchtlosLasse ich mich ansprechen oder bin ich nicht einfach nur sattLasse mich nur ungern störenStehe nur ungern aufErhebe nur ungern meine StimmeHabe mich eingerichtetWill mich nicht stören lassenWill nichts aufgebenWill nichts riskierenWill mich nicht aus der Reserve locken lassenWill will will nicht - Doch warum geht es immer nur um meinen Willensehnsüchtigsuchend und fragendGott wo bist duLass mich zu Dir stehenLass mich zu mir stehenLass mich zur Welt stehenLass mich ein Held werdennur im Kleinennur ein wenigso dass ich mit Stolz auf mich schauen kann

GottDu KleingläubigerWem traust Dunur dirDann lass es seinDann vergiss es

Unerschrocken in Zeiten der Angst

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2018

Kapuziner 2017.2018

Akademisches

Pater Ludger, seit nunmehr zwei Jahren arbei-ten Sie an der Vision einer Hochschule der Orden. Blicken wir zurück auf 2017. Welche Hürden liegen hinter dem Projekt?Der Kick-Off war schwierig, also eine arbeitsfähige Gruppe zu finden. Anders ausgedrückt: Aus Beobach-tern Beteiligte zu machen. Das ist uns gelungen, mit viel Konzentration. Es gab große Herausforderungen, was die Klärung der juristischen Voraussetzungen staatlicher- und kirchlicherseits angeht, denn man ist ja nicht jeden Tag mit einer Hochschulgründung be-schäftigt. Außerdem ist die Hochschule ein Politikum in einer Zeit, in der viele Menschen sagen: „Wir haben zu viele theologische Hochschulen!“ Das brachte viele Widerstände, und die sind auch noch längst nicht alle überwunden.

Gibt es denn eine Entwicklung, die die Hoch-schule der Orden etwas konkreter macht?Wir sind uns nun ziemlich sicher, wie wir sie aufbauen würden: Die Hochschule der Orden würde wohl ein Zweitcampus oder ein kooperationsfähiges, eigen-ständiges Zentrum für Theologie werden. Das würde bedeuten: Eine katholische Hochschule oder katholi-sche Universität gründet in Berlin einen zweiten Cam-pus oder ein „Zentrum für katholische Theologie der Orden“, das von den Orden mit ihren jeweiligen Ei-genheiten verwaltet wird. Das hielte die akademische

8 Präsenz etwas schlanker, vor allem in Sachen Verwal-tung und Finanzierung.

Die Katholische Universität Ingolstadt-Eichstätt wäre eine Möglichkeit, um so einen Zweitcampus anzubieten...…ja, das ist eine realistische Möglichkeit, wobei sie mit ihrer eigenen Fakultät der Theologie in Eichstätt bleiben würde. Wir würden mit den Professoren einer Hoch-schule der Orden in Berlin eben diesen Zweitcampus oder ein Zentrum ganz neu aufbauen. Das hätte gleich mehrere Vorteile: Die Hochschule der Orden würde re-alisiert, Eichstätt hätte eine Präsenz in Berlin und die verschiedenen anderen Fakultäten Eichstätts könnten mit dem Ordens-Campus in Berlin arbeiten und Syner-gien nutzen. Hier ist vieles interdisziplinär möglich: Wirtschaftswissenschaft und ethisches Fragen, Kunstge-schichte und Glaube, Politik, Kultur und Religion,... Wir würden die Hochschule der Orden also an sämtliche Lehrstühle „andocken“ können, mit ihnen zusammen-arbeiten können und die gesellschaftliche Relevanz von Glaube und Theologie vermitteln können.

Was ist der nächste große Meilenstein?Das wird der 4. November 2017 sein. Berlins Erzbi-schof Dr. Heiner Koch hat die interessierten Orden und Geistlichen Bewegungen nach Berlin eingeladen, um dann wirklich konkret zu werden. Im Hinblick auf

dieses Treffen sind vorher schon einige Sicherheiten zu schaffen: Wird es uns gelingen, eine Gruppe an Ge-meinschaften zusammen zu bekommen, die in einer Art und Weise mitmacht, dass wir einen Trägerverein zur konkreten Entwicklung und Gründung der Hoch-schule bilden können? Wird jemand also Nägel mit Köpfen machen, was die Mitarbeit angeht? Dafür sind noch intensive Gespräche zu führen. Am Ende sind die Mitspieler hoffentlich sichtbar und wir wissen, was sie einzubringen bereit sind.

Welche Kriterien machen denn Orden zu „Mit-spielern“?Viele, und das ist mir auch sehr wichtig! Manche Or-den glauben, sie könnten nicht mitarbeiten, da sie keine Professoren oder Studierende in den eigenen Reihen haben. Andere, weil sie kaum über finanzielle Mittel verfügen. Aber Geld, Lehrpersonal und Studie-rende sind nur drei von vielen Varianten, um einzu-steigen. Mitarbeit in der Administration, geistlichen Begleitung, finanzielle Stipendien für ausländische Studierende, Wohngruppenbetreuung, Führung der Cafeteria oder Kulturwerkstatt, Vernetzung mit inter-nationalen Ordensaktivitäten, Homepagebetreuung..., da kann man der Phantasie viel Raum geben. Und in dieser Hinsicht möchte ich auch noch Gespräche füh-ren und mit Schwestern und Brüdern klären, was möglich ist. Die akademische Präsenz der Orden soll mehr sein als Forschung und Lehre. Sie soll ausstrah-len in die Stadtgesellschaft und in die Lebensführung der Einzelnen. Ich glaube: Viele, die nun davon ausge-hen, dass sie sich gar nicht einbringen können, könn-ten es sehr wohl. Sie wissen nur mitunter gar nicht um ihren jeweiligen Wert für die Hochschule der Orden.

Kommen wir auf die PTH zu sprechen: Befindet sich diese nun in einem Dilemma?Ein bisschen. Denn natürlich müssen wir realistisch bleiben, was die Hochschule der Orden angeht. Sie kann funktionieren. Aber genau so realistisch ist das

Gegenteil. Und daher müssen wir darauf achten, das Profil der PTH nun nicht herunter zu ziehen und uns nur noch um Berlin zu kümmern. Die Theologie der Spiritualität ist ein wichtiges Pfund, das wir gerne mit nach Berlin nehmen würden, aber auch hier in Müns-ter weiter ausbilden wollen und werden. IUNCTUS, das Kompetenzzentrum der Hochschule für christli-che Spiritualtiät, ist dabei ein zentraler Baustein. Es lässt sich nun mal nicht ändern, dass die Berliner Vi-sion noch vage ist. Aber ich glaube, dieser Spagat ge-lingt uns aktuell ganz gut.

Das perfekte Jahr 2018 sieht wie aus?So, dass unser Studienbetrieb in Münster so lange sehr qualifiziert läuft, bis wir wissen, dass es in Berlin los-geht. Das heißt also auch, dass wir uns in Münster - um das noch einmal ganz deutlich zu machen - nicht hin-terfragen! Im perfekten Jahr 2018 haben wir dann aber auch ein verbindliches Trägerkonstrukt für Berlin. Ein Konstrukt, das der Hochschule der Orden den Weg ebnet, angefangen bei den Immobilien bis hin zum Personal. Perfekt ist das Jahr 2018 dann, wenn wir bis zum Jahresende wissen, wohin der Spaten gestochen wird. Und dann muss der Faden durch das Nadelöhr.

Was wünschen Sie sich für die nahe Zukunft?Dass wir ordensübergreifend zusammenarbeiten. Und dass alle Beteiligten konstruktiv und kritisch an dieser Vision einer großen Hochschule der Orden mitwirken. Ich erwarte gar nicht, dass ein jeder „Hurra!“ rufen wird. Aber wir müssen darauf aufpas-sen, nicht zu rückwärtsgewandt zu agieren, oder rein resignativ. Das alles in dem Wissen, dass wir uns, so unterschiedlich die Orden auch sein mögen, in den Dienst von etwas Größerem stellen, der Hoffnung des Evangelium, das heißt einem evangelisierenden Le-ben, Handeln und Denken für Berlin, Deutschland und für die Weltkirche.Das Interview führte Kai Weckenbrock, Rundfunkjournalist

Die HocHscHule Der orDen ist seit zwei JaHren im GespräcH. anfanGs eine Vision, ist sie 2017 zu einem politikum GeworDen. ein GespräcH mit prof. p. luDGer äGiDius scHulte ofmcap, rektor Der pHilosopHiscH-tHeoloGiscHen HocHscHule münster unD treibenDe kraft Hinter Der Gemeinsamen HocHscHule Der orDen.

muss der Faden durch das Nadelöhr!“

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6766 Kapuziner 2017.2018

Akademisches

voN Br. ThomAs DieNBerg

Inzwischen haben die sieben Fachbereiche von IUNCTUS, dem Kompetenzzentrum für Christliche Spiritualität in Münster, Fahrt aufgenommen: die Ge-schichte und Theologie der Spiritualität, die Franzis-kanische Spiritualität, Gesundheit und Spiritualität, Management/Leitung und Spiritualität, Ökologie und Spiritualität, Zeitdiagnostik und Spiritualität und schließlich noch Religion(en) und Spiritualität. Aus einer guten und intensiven Forschung heraus werden Angebote für Einzelpersonen und für Organisationen gestaltet, Symposien geplant und verschiedene Initia-tiven gestartet. Spiritualität ist das Herz religiösen Le-bens, sie ist auch das Herz unseres Instituts. Aus ei-nem Workshop zur Frage des Christlichen Profils und der Christlichen Identität haben sich sehr gute Koope-rationen mit kirchlichen Institutionen und Organisa-tionen vor Ort und in der Nachbarschaft von Münster ergeben. In Workshops mit Verantwortlichen dieser Organisationen versuchen wir, diesem Profil auf der Spur zu bleiben und mit einer christlich gestalteten

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spiritualität ist Heute in aller munDe. sie ist Die GrunDinspiration menscHlicHen lebens, sie ist Der kern cHristlicHen Glaubens. iunctus GeHt Dem in wissen-scHaft, forscHunG unD mit Vielen anGe-boten nacH.

IUNCTUS – es geht weiter

IUNCTUS – Kompetenzzentrum für Christliche Spiritualität

Leitungskultur zu verbinden. Viele kirchliche Organi-sationen leiden darunter, dass sie oftmals von Ordens-leuten gegründet wurden, diese Ordensleute aber nicht mehr im institutionellen Alltag zu finden sind. Was heißt das für das Profil der Einrichtungen? Wie kann man es dennoch mit Wurzeln und der daraus entstandenen Identität verbinden und in Zukunft diese wahren? Was bedeutet das im Umgang mit An-dersgläubigen und Menschen in den Institutionen, die eben nicht mehr kirchlich gebunden und/oder soziali-siert sind? Ist christliche Leitung etwas, was man auf ‚normales Leitungshandeln’ aufsetzt, oder geht es hier nicht viel mehr um Grundhaltungen und die Umset-zung eines konkreten Menschenbildes?

In unserer Forschung ist unser Ziel, die Enzyklika des Papstes ‚Laudato Si’, die leider, so unsere Beobachtung, viel zu schnell in kirchlichen Kreisen ad acta gelegt wor-den ist, im kommenden Jahr in den Fokus unserer Überlegungen zu stellen und daraus dann auch For-schungsprojekte in Zusammenarbeit aller Fachbereiche

voran

zu entwickeln. Folgende Überlegungen leiten uns dabei: Mit seiner 2015 veröffentlichten Enzyklika „Lau-

dato Si‘ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ hat Papst Franziskus in vielerlei Hinsicht den „Nerv der Zeit“ getroffen:

(1) Der Ansatz, alle „Menschen guten Willens“ in ih-rer Sorge um die Zukunft der Erde anzusprechen und damit darauf hinzuarbeiten, die Kräfte zu bündeln, ent-spricht einerseits dem dringend notwendigen Schwenk der Kirche weg von einer ungesunden, ihrem Auftrag widersprechenden Binnenorientierung hin zu einer an den Menschen und der Schöpfung orientierten Glaubens-Praxis aus dem Evangelium. Andererseits hat der Text auch das Potential, Verhärtungen und Ideologisierungen in gegenwärtigen nationalen, euro-päischen und weltweiten Diskurskonstellationen in Politik und Gesellschaft kritisch-konstruktiv offenzu-legen und womöglich Wege aufzuzeigen, wie diese schrittweise überwunden werden können.

(2) Die Enzyklika thematisiert die entscheidenden Zukunftsfragen der Menschheit, sucht sich dabei ausdrücklich auf die neuesten Erkenntnisse ver-schiedener Wissenschaften zu stützen und scheut sich auch nicht, an entscheidenden Stellen politisch

in dem Sinne zu werden, dass konkrete Postulate für strukturelle Veränderungen aufgestellt werden.

(3) Den Gesamtrahmen bildet eine vom Papst so ge-nannte „ganzheitliche Ökologie“, für die der heilige Franziskus von Assisi als Gewährsmann benannt wird, und für die ausdrücklich auch die christliche, biblisch verankerte Spiritualität insgesamt als zent-rale Quelle hervorgehoben wird.

Ein Blick auf die Website, wo Termine und Ange-bote aus den Fachbereichen zu diesen Überlegungen zu finden sind und auch stets aktualisiert werden, lohnt sich.www.iunctus.de

IUNCTUS IUNCTUS IUNCT

Symposien im IUNCTUS

23.03.2018 – 25.03.2018 internationales symposium: Franciscan spirituality and integral ecoloy, in Kooperation mitspes (spirituality in economics and society, Leuven)

28.09.2018 – 29.09.2018 symposium: geistliche trockenheit

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IUNCTUS

Kapuziner 2017.2018

IUNCTUS IU

Links: Die enzyklika ‚laudato si‘ beschäftigt in ihrer aktualität und brisanz die mitarbeiter und mitarbeiterinnen.

rechts: regelmäßige konferenzen des gesamten

teams schärfen das profil.

maria nortmann und markus warode nutzen den kloster-garten zum austausch und zur reflexion.

Wahrnehmen, was da ist.“

voN mArkus WAroDe

„Wer in Menschen investiert und ein Klima der Be-geisterung in seiner Organisation schafft, der inves-tiert in die Zukunft.“ Dieses Zitat, das im Kontext ei-ner Veranstaltung des Politischen Forums Ruhr gefallen ist, stellt den Menschen mit seinen Potenzialen und die Kultur einer Organisation als sich bedingende Faktoren für eine gelungene nachhaltige Zukunft in den Vordergrund. Dafür braucht es eine Kultur, in welcher Menschen ihre persönlichen Werte und Fä-higkeiten einbringen und sich für ein gemeinschaftli-ches Ziel einsetzen können. Ebenso braucht es Füh-rungskräfte als Initiatoren und Multiplikatoren, die einen entsprechenden kulturellen Raum schaffen, in denen Mitarbeiter offen und kreativ sein können.

Die Ressource Mensch wird von den Organisatio-nen verstärkt in den Mittelpunkt gestellt. Dieses hört sich erst einmal gut an. Niemand würde heute noch widersprechen, dass der einzelne Mitarbeiter in einer

Organisation wichtig ist und dass alle verfügbaren Po-tenziale – auch die versteckten – gehoben werden müssen. Gefordert ist demnach ein Ansatz, der die praktischen Anforderungen von Organisationen und deren Mitarbeitern beinhaltet und nicht auf einer ide-ellen Ebene stehenbleibt. Was muss ein solcher Ansatz beinhalten?

IUNCTUS verbindet in seinem Grundkonzept eine wertereflektierte Haltung mit verantwortlichem Han-deln. Zentral ist, dass es nicht nur zu Lippenbekennt-nissen kommt, sondern dass gemeinsam formulierte Werte umgesetzt werden und eine lebendige Organi-sationskultur entsteht. Mit dem Schwerpunkt der christlich-franziskanischen Spiritualität als Funda-ment von individuellem und gemeinschaftlichem Handeln setzt IUNCTUS genau dort an. Dabei wird unter Spiritualität eine Haltung verstanden, die die persönlichen Werte und Fähigkeiten des Einzelnen

vor dem Hintergrund konkreter Lebenssituationen re-flektiert und immer wieder in Frage stellt. Das immer-wieder-in-Frage-stellen bildet einen stetigen ganzheit-lichen Entwicklungsprozess (auch im Glauben) ab. Im Kontext der Christlichen Spiritualität wird von Trans-formation gesprochen. Die Transformation ist eine zentrale Aufgabe für den Menschen. Sie impliziert das proaktive Handeln als Grundbedingung für die eigene Existenz, wobei der Umgang mit Scheitern integriert ist. Daneben ist die Gestaltung von Beziehungen ein weiteres elementares Kriterium von Spiritualität. Die Basis bildet die Frage, wie ich mich als Person selbst führe. Erst eine reflektierte Selbstführung bildet das Fundament dafür, wie ich mit anderen in einem ge-meinschaftlichen Kontext umgehe. Spiritualität ist da-bei kein Harmoniekonzept, das in schlechten Zeiten oder als Methodenbaukasten hervorgeholt werden kann. Sie ist vielmehr eine Geisteshaltung, die den Menschen ganzheitlich mit seinen Stärken und Schwächen in den Blick nimmt. Es geht zunächst da-rum, wahrzunehmen und zu spüren, was vorhanden ist. Es geht nicht darum, zu philosophieren, was man gerne hätte oder wer man gerne sein möchte. Nur wenn eine ehrliche Standortbestimmung stattfindet, eine authentische Haltung bewusst ist, kann verant-wortlich gehandelt werden. Entscheidend ist, dass ge-handelt wird. Auf persönlicher und organisationaler Ebene.

Übertragen auf den Organisationskontext entwi-ckelt IUNCTUS derzeit einen Ansatz, der sich auf die Ebenen Person, Rolle und Organisation bezieht. In

ihrer Funktion als Schnittstelle und Multiplikatoren stehen die Führungskräfte im Fokus. Zentral ist die Person mit ihrer Spiritualität, ihren Werten, Fähigkei-ten und Erwartungen. „Wer bin ich?“ und „Was tue ich?“ sind die Fragen, die es zu beantworten gilt. Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Rollen ist dabei ein entscheidender Schritt. Welche unterschied-lichen Erwartungen gibt es z.B. an die Rolle der Füh-rungskraft? Wie kann ich als Führungskraft die exter-nen Erwartungen mit meinem inneren Kompass in eine gute Balance bringen? Erst dann ist es möglich, auch im Sinne der Organisation gut zu handeln. Dazu gilt es, im Ansatz das System Organisation mit seinen internen und externen Einflussfaktoren und Beschrän-kungen zu berücksichtigen. In der Konsequenz gilt es, ein Format zu konzipieren, das individuelles Können und Wollen sowie organisationales Dürfen miteinander in Balance bringt und auf einem reflektierten Wertege-rüst im Sinne der Christlichen Spiritualität fundiert ist. Dieser Grundansatz lässt erwarten, dass Führungs-kräfte mit den Mitarbeitern eine gelebte Kultur schaf-fen, in der der Einzelne mit seinen Werten und Fähig-keiten einen bestimmenden Teil zum gemeinsamen Organisationsziel beitragen und damit an der zukünfti-gen Organisationsentwicklung mitwirken.

Im Kontext dieser Thematik und den skizzierten Fragestellungen entwickelt und spezifiziert IUNCTUS aktuell ein Forschungsprojekt sowie ein Fort- und Weiterbildungsprogramm. Informationen zur Ent-wicklung der Formate finden Sie unterwww.iunctus.de

– Christliche Spiritualität als Fundament für die heutige Organisationswelt

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Akademisches

Kapuziner 2017.2018

Fachstelle Franziskanische Forschung feiert zehnjähriges Bestehenam 14. oktober 2017 beGinG Die facHstelle franziskaniscHe forscHunG (fff) iHr zeHnJäHriGes Jubiläum mit einem festakt in Der DiözesanbibliotHek münster, Dem sitz Der facHstelle.

voN BerND schmies

In seiner Begrüßung erinnerte P. Marinus Parzin-ger OFMCap an die Motivation der deutschsprachi-gen Provinzen der Franziskaner, Franziskaner-Minori-ten und Kapuziner, 2007 eine Forschungsstelle zu gründen: Die gemeinsame Gründungsinitiative ver-folgte das Ziel, die historisch gewachsene Forschungs- und Wissenschaftstradition der franziskanischen Ge-meinschaften zeitgemäß fortzuführen und den Dialog mit den Wissenschaften zu fördern. Dieser Aufgabe sei die FFF in den vergangenen zehn Jahren vorbild-lich nachgekommen, worauf sie „stolz zurückblicken“ und zugleich „mutig in die Zukunft“ schauen könne.

Dass die FFF ihren Aufgaben mit Erfolg nachkom-men könne, verdanke sie, so deren Geschäftsführer Bernd Schmies in seiner Begrüßung, auch denjenigen, die sie groß-zügig und in vielfältiger Weise unterstützen. Dazu gehören etwa die 15 franziskanischen Frauenkongregationen, die mit der Erweiterung der Trä-

gerschaft durch den Verein „Franziskanische Forschung e.V.“, seit 2010 beigetreten sind.

Im Zentrum des Festaktes standen die Festvorträge von Prof. Dr. Johannes B. Freyer OFM und Prof. Dr. Thomas Dienberg OFMCap. Freyer verwies in seinem Vortrag auf die drei Säulen, auf denen franziskanische Forschung basieren sollte: die Erforschung der Quellen und des historischen Kontextes sowie das „retrieval des franziskanischen Erbgutes“. Indem dieses Erbgut wie-der gehoben würde, könne es aktuelle gesellschaftspoli-tische Fragen beantworten helfen. So betonte Freyer in seinen vertiefenden Überlegungen zur franziskani-schen Hermeneutik, dass Franziskus und sein Ideal kein Auslaufmodell sei, sondern Vorbild beispielsweise für gutes wirtschaftliches und ökologisches Handeln sein könne. Dagegen regte Dienberg in seinen Ausfüh-rungen über die „wiedergefundene Sprache oder: Was wir vom hl. Antonius lernen können“ eine Sprachschule an. Vor dem Hintergrund von Michael Köhlmeiers No-velle über Antonius von Padua empfahl er der Fach-stelle als Vertreterin der Wissenschaft, sich immer zu fragen, wozu und für wen sie schreibe und welche Spra-che sie nutze. Gleichzeitig schrieb er ihr ins Stamm-buch, das von ihr Erforschte nicht nur analysierend und beschreibend, sondern auch für Nichtwissenschaftler vermittelnd zugänglich zu machen.

prof. p. Dr. Johannes baptist freyer lehrt als theologe in rom und san Diego

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Augenblick

Die eule gilt als das symbol der Weisheit

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Nachdenkliches

voN Br. ThomAs DieNBerg

„Es schließt auch das liebevolle Bewusstsein ein, nicht von den anderen Geschöpfen getrennt zu sein, sondern mit den anderen Wesen des Universums eine wertvolle allumfassende Gemeinschaft zu bil-den. Der Glaubende betrachtet die Welt nicht von außen, sondern von innen her und erkennt die Bande, durch die der himmlische Vater uns mit allen Wesen verbunden hat.“

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Ernstfall der Christlichen SpiritualitätDiese Worte von Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si sind wegweisend für die folgenden fünf grundlegenden Aspekte einer Schöpfungsspiritualität. Sprechen wir von einer Schöpfungsspiritualität und versuchen einige grundlegende Aspekte darzulegen, so geht es immer um gelebte und gestaltete Beziehung. Diese ist Kern und Grund christlicher Spiritualität, ins-besondere auch einer Schöpfungsspiritualität. Der Mensch ist nicht getrennt von seiner Umwelt und den anderen Geschöpfen, sondern liebevoll mit ihnen ver-bunden, weil Gott alles mit einander verbunden hat. Daraus resultieren Solidarität, Verantwortung und Liebe. Von daher ist eine gelebte Schöpfungsspirituali-tät sogar Kern einer gelebten Spiritualität, die sich nicht heraushält, die sich einmischt und ihre Verwirklichung nicht nur im Kirchenraum oder in der persönlich ge-lebten Frömmigkeit sucht, sondern Stellung bezieht und für das Leben und die Würde aller Geschöpfe ein-tritt, wo diese bedroht sind. Denn mit allem, was ist und lebt, steht der Mensch in Beziehung, in, wie der hl. Franziskus von Assisi es formulieren würde, verwandt-schaftlicher Beziehung. Gilt das Bittgebet als Testfall des Glaubens, so ist die Schöpfungsspiritualität der Testfall Christlicher Spiritualität, mehr noch: der Ernst-fall. An ihr zeigt sich, wes Geistes Kind der Christ ist. Hier zeigt sich auch die Kultur der Barmherzigkeit: eine Kultur des Teilens und des Gebens, die ihr Wesen ge-rade dann offenbart, wenn Menschen im Innersten be-rührt werden von den Ungerechtigkeiten und den Lei-

den von Mensch und Natur. Eine innere Berührung, die von einer Betroffenheit über die Analyse der Situa-tion hin zur Tat und zum Engagement führt, analog der Erzählung vom barmherzigen Samariters: also vom Kopf über das Herz zur Hand.

In Beziehung lebenIn ‚Laudato Si’ stellt der Papst sehr deutlich die Gefähr-dung der Lebensgrundlagen, die weltweite Armut und die soziale Ungerechtigkeit als die zentralen Herausfor-derungen der Moderne heraus. Noch ist es Zeit zum Handeln, noch ist es nicht zu spät. Er macht deutlich, dass es heute nicht eine Finanzkrise, daneben eine öko-logische und womöglich noch weitere andere Krisen gibt. Vielmehr sieht er weltweit eine große sozio-öko-nomische Krise, die zugleich auch eine anthropologi-sche und vor allem auch eine spirituelle Krise darstellt. Der Umgang mit der Schöpfung und die Frage nach der weltweiten Armut, der finanzielle Crash und die große Sehnsucht vieler Menschen heute nach Spiritualität ge-hören zusammen betrachtet und bedingen einander durchaus. Gerade eine Schöpfungsspiritualität in der Praxis muss mit einer gelebten Verbindung und Bezie-hung dieser verschiedenen Dimensionen menschlichen Lebens umgehen und Wege finden, wie diese zu leben sind. Eine gelebte Schöpfungsspiritualität kämpft nicht nur für das Leben und die Würde der Schöpfung, sie kämpft auch gegen eine schleichende Gottvergessenheit, die eben dazu führt, dass der Mensch sich als (Be-)Herr-scher der Welt fühlt und entsprechend, leider allzu oft a

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Nachdenkliches

unheilvoll, agiert. „Wir können nicht eine Spiritualität vertreten, die Gott als den Allmächtigen und den Schöp-fer vergisst. Auf diese Weise würden wir schließlich an-dere Mächte der Welt anbeten oder uns an die Stelle des Herrn setzen und uns sogar anmaßen, die von ihm ge-schaffene Wirklichkeit unbegrenzt mit Füßen zu treten. Die beste Art, den Menschen auf seinen Platz zu verwei-sen und seinem Anspruch, ein absoluter Herrscher über die Erde zu sein, ein Ende zu setzen, besteht darin, ihm wieder die Figur eines Vaters vor Augen zu stellen, der Schöpfer und einziger Eigentümer der Welt ist.“

Schöpfungsspiritualität – vom angemesse-nen Umgang mit der WirklichkeitEine Schöpfungsspiritualität hat es mit der Welt zu tun, wie sie ist, sein sollte und könnte. Sie geht von der Tra-dition, von den Realitäten aus und lenkt ihren Blick in die Zukunft. Insofern ist eine Schöpfungsspiritualität vor allem zunächst eine Schule der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, die ihren Blick auf den angemessenen Umgang mit der Wirklichkeit lenkt. Die Schöpfung ist eine von Gott geschaffene Wirklichkeit. Aufgrund der christlichen Tradition, vor allem der in der Bibel sehr positiven Perspektive auf Schöpfung und Welt, und des Umgangs des Menschen mit Welt und Schöpfung, ist eine sehr wichtige erste Perspektive, um den angemes-senen Umgang mit der Wirklichkeit zu sehen, eine Analyse der Welt, wie sie ist. Schöpfungsspiritualität macht Ernst mit einer umfassenden Analyse der Ver-flechtungen von Armut, Ausbeutung der Natur und

dem Missbrauch der Welt durch den Menschen. Das gilt auf der systemischen Ebene genauso wie auf der persönlichen, sprich für den Lebensstil jedes einzelnen. Ein von der Schöpfungsspiritualität geprägter Lebens-stil zeichnet sich elementar durch den Respekt gegen-über allem aus, was ist, denn alles hat von Gott eine ihm und ihr eigene Würde zugesprochen bekommen. Aus dieser Grundhaltung des Respekts erwachsen dann Tu-genden wie Bescheidenheit und Demut, Dankbarkeit, Behutsamkeit, Verzicht, aber auch Freude, Lust am Le-ben und Solidarität. Gerade in der Beziehung zur Welt zeigt sich, ob es sich um ein bloßes Lippenbekenntnis, oder ob es um ein verantwortetes und wissend-auf-merksames Leben in und mit der Schöpfung Gottes, die uns als Geschenk anvertraut worden ist, handelt. Der Theologe Rosenberg spricht von der politischen Di-mension als konstitutivem Bestandteil einer Schöp-fungsspiritualität.

Die Inkarnation in Jesus Christus als prä-gende theologische GrundlageChristlicher Glaube speist sich aus dem Glauben an die Menschwerdung Gottes. Er ist den Weg des Menschen gegangen bis zum Tod am Kreuz, das nicht das Ende des Lebens, sondern den Grund und die Perspektive der Christlichen Hoffnung ausmacht. In der Mensch-werdung Gottes umarmt Gott alle Materie, das Fleisch-liche und die Welt in all ihrer Natürlichkeit und Gegen-ständlichkeit. Im Gegensatz zu vielen Einflüssen, vor allem auch neo-platonischer Kreise, bejaht das Chris-

tentum das Materielle, weil es in der Menschwerdung Christi bejaht und geliebt wird.

Insofern umarmt auch der Christ, der sich auf die Nachfolge Christi macht, die Welt und Geschöpflich-keit von Herzen und aus Liebe. In seiner Enzyklika weist Papst Franziskus immer wieder auf seinen Na-menspatron aus Assisi hin. Für Franziskus war das Evangelium die Grundlage seiner radikalen Entschei-dung, sein Leben zu ändern. Er wollte Jesus Christus, dem menschgewordenen Sohn, nachfolgen: in Armut, als Minderer Bruder und abhängig allein von Gott, in einem Leben mit den Armen, mit den Menschen und als Verkünder der Liebe Gottes.

Die Menschwerdung ist der Weg, dem anderen und der Schöpfung zu begegnen. Es ist die Kontemplation der Welt, wie sie ist, in all ihrer Schönheit, aber auch mit all ihren Wunden und in ihrer Gebrechlichkeit. Der menschgewordene Gott wird Realität für Franziskus in der Schwachheit und Verwundbarkeit der Menschheit und der Schöpfung, so wie er als kleines Kind zur Welt kam und am Kreuz gestorben ist. Durch die Mensch-werdung wird die Welt geheiligt, und in der Inkarna-tion umarmt Gottes Sohn die gesamte materielle Welt. Franziskus hatte von daher einen sehr positiven Blick auf die Welt und Schöpfung, alles trug für ihn die Spu-ren Gottes, des Schöpfers. Die Schöpfung war für ihn das Sakrament Gottes. Papst Franziskus greift das auf, indem er betont, dass die Liturgie und Feier der Sakra-mente, insbesondere auch der Eucharistie, die Schöp-fung in ihrer Leiblichkeit und Gegenständlichkeit heiligt.

Umkehr Ein weiteres Element einer christlichen Schöpfungsspi-ritualität, und hier treffen sich der Papst und sein Na-menspatron wiederum in einzigartiger Weise, ist die grundsätzliche Umkehr. Papst Franziskus fordert eine grundsätzliche ökologische Umkehr, die aus der Begeg-nung mit Jesus Christus erwächst, und die die Bezie-hungen zur Welt zur Blüte bringen soll. „Wir erinnern an das Vorbild des heiligen Franziskus von Assisi, um eine gesunde Beziehung zur Schöpfung als eine Dimen-sion der vollständigen Umkehr des Menschen vorzu-schlagen. Das schließt auch ein, die eigenen Fehler, Sünden, Laster oder Nachlässigkeiten einzugestehen und sie von Herzen zu bereuen, sich von innen her zu ändern.“ Eine Umkehr, die auch geprägt ist von einer Versöhnung mit der Schöpfung. Für den Heiligen aus Assisi ist Umkehr ein Schlüsselbegriff seines Lebens. Sein gesamtes Leben war ein kontinuierlicher Umkehr-prozess. Fundamental ist sicherlich die Begegnung mit einem Leprosen, als Franziskus selbst noch nicht genau wusste, was er wollte und sich fragte, was der Sinn sei-nes Lebens sein könnte. Nicht, wie in der damaligen Kultur gefordert, macht er einen großen Bogen um die-sen Kranken und meidet jedwede Begegnung mit ihm, vielmehr steigt er vom Pferd, geht auf den Leprosen zu, umarmt und küsst ihn. Er umarmt den verwundeten und offiziell für tot erklärten Menschen, gibt ihm seine Würde zurück, indem er ihm auf Augenhöhe begegnet, mehr noch, in dem er ihn als eine geliebte Person ernst nimmt. In dieser Begegnung umarmt er das Hässliche 4

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Publikationen2017/18

Arno Dähling„Die vier Jahreszeiten in poetischer umschreibung“deutscher lyrik verlag (dlv) - karin fischer Verlagisbn 978-3-8422-4537-2preis: 17,80,-€

guido kreppold „Die verwaltung des untergangs- keine hoffnung für klöster und kirche?“Vier-türme-Verlag münsterschwarzachisbn: 978-7365 -0076-1preis: 16.00,-€

stefan knobloch „Bilder der kunst - Bilder des Lebens. impressionen“wissenschafts-Verlag isbn: 978-3-936332-12-4 preis: 15.90,-€

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Nachdenkliches

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und Verletzte, das Gebrochene und Schwache der Welt, gleichzeitig aber auch die Schönheit und einzigartige Würde, die in allem, was lebt, zugrunde gelegt ist. Kurze Zeit später ändert er sein Leben radikal. Er wurde zu ei-nem Liebhaber des Lebens in all seinen Facetten. Sein Leben veränderte sich durch diese Begegnung, wie es sich auch für den Leprosen änderte. In dieser Begeg-nung zeigt sich, dass gelebte Liebe die Kraft zur Verän-derung und Transformation hat. Genau das meint auch gelebte Schöpfungsspiritualität und die ökologische Umkehr, zu der Papst Franziskus auffordert.

Eine Vision habenSchließlich geht eine Schöpfungsspiritualität von einer Vision aus, der Vision nämlich, dass die Welt für alle ein gerechter und guter Ort sein kann, an welchem alle friedlich und in Harmonie mit einander leben, biblisch gesprochen: „Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zu-sammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. Kuh und Bärin freunden sich an, ihre Jungen liegen beieinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Er-kenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist.“ (Jes 11, 6-9) Die Schöpfung ist verwundet und seufzt, sie leidet und wird missbraucht und ausgebeutet, doch das ist nicht das letzte Wort. Die Welt kann anders sein. Darin spricht sich auch der Glaube einer creatio continua aus: Gott geht mit und greift ein, nicht zuletzt

auch durch Menschen, die, wie der heilige Franziskus, eine liebende Solidarität mit allem Leben und der Schöp-fung beispielhaft vorleben und damit allem Geschaffe-nen die je eigene Würde wiederzugeben vermögen. „Schöpfung besagt mit den Worten des evangelischen Theologen Ton Veerkamp, dass es ‚immer und überall eine Alternative zu allen herrschenden Verhältnissen gibt’. Schöpfung drückt damit die Hoffnung aus, dass die Welt, die wir alltäglich erleben, auch anders, ganz anders sein könnte: gerechter, menschlicher und lebensfreund-licher. Schöpfung baut darauf, dass unsere Erde tatsäch-lich als gemeinsamer Wohnort für alle Menschen gestal-tet werden kann. (...) Schöpfung ist als Utopie damit gegenwartskritisch.“ Aus dieser gegenwartskritischen Perspektive und dem Glauben an eine bessere und ge-rechtere Welt in Gott erwächst eine schöpfungsspiritu-elle Gelassenheit, eine eschatologische Gelassenheit in aller Bedrängnis, ein durchdachtes verantwortliches und geduldiges Handeln in liebender Solidarität.

Am Ende stellen sich drei wesentliche Fragen für den Leser und die Leserin:• Gründen meine Lebenshaltung und mein Lebensstil auf dem Respekt und der Liebe gegenüber allem, was von Gott geschaffen ist?• Wo muss ich umkehren und mit der Botschaft von der Menschwerdung Gottes in meinem Alltag in den geleb-ten Beziehungen zum Geschaffenen aufmerksamer werden?• Lebe ich aus einer Hoffnung heraus, die mir Mut und Kraft gibt, gegenwartskritisch zu sein? Wie äu-ßert sich das? Fo

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türlich bedingten und die Evolution antreibenden Veränderungen zu üben.

Näher als Wildtiere sind uns Menschen die ge-zähmten und unserem Gutdünken durch jahrhun-dertelange Zucht und Auswahl angepassten Nutz- und Haustiere. Bei Nutztieren steht primär der Ertrag ihrer Haltung im Vordergrund. Bei Haustieren das menschliche Wohlfühlen. Fast alle Nutz- und Haus-tiere haben nur noch sehr wenig gemein mit ihren aus der Natur entnommenen Vorfahren und sind nur noch in Ausnahmefällen in der Lage, unter den har-schen natürlichen Bedingungen zu überleben. Des-halb übernimmt der Mensch für alle domestizierten Tiere die volle Verantwortung. Wir sind aufgefordert, in allen mit domestizierten Tieren verbundenen Handlungen das Tierwohl gegen den von uns er-wünschten Nutzen abzuwägen. Während dies bei den Labortieren gesetzlich vorgeschrieben ist, da hier im-mer der Erkenntnisgewinn gegen das zu erwartende

voN Prof. Dr. sTefAN schLATT

„Tiere spielen in unserer modernen Industriege-sellschaft eine sich wandelnde und immer zentralere Rolle. In erster Linie nicht als Wildtiere, die wir im Fernsehen in immer raffinierter und aufwendig ge-machten Wildtierdokumentationen bewundern. Trotz der Tatsache, dass sie als wild bezeichnet wer-den, erleben wir auch diese Tiere mehr und mehr unter Kontrolle des Menschen, da die Einrichtung von Nationalparks und der Schutz des Klimas von uns als wichtige Maßnahme für die Erhaltung intak-ter Natur erachtet wird. Ob sich der Mensch da nicht zu sehr überschätzt? Er macht sich jedoch hiermit in gut gemeinter Absicht mehr denn je zum Bewahrer der Schöpfung. Mir erscheint es wichtig, ein wenig mehr Demut und Achtung vor der Größe der Schöp-fung zu haben. In Anbetracht der Enge unseres Planten wäre es vielleicht angebracht, Arten- und Umweltschutz mit einer gewissen Gelassenheit bei der Beobachtung der vielen großen und kleinen, na-

Akademisches

Leid von Versuchstieren vor der Genehmigung eines Tierversuchs abgewogen werden muss, sind wir bei den in menschlicher Obhut in Ställen und Häusern lebenden Tieren deutlich unentschiedener. Wir be-wundern den Blinden- und Bergrettungshund und loben die Treue unserer Familienhunde. Allerdings haben Menschen die erwünschten Merkmale von do-mestizierten Tieren bewusst verändert und durch züchterische Selektion in unterschiedlichen Rassen manifestiert. Hunde und Katzen, aber auch viel Nutz-tiere, müssen aufgrund ihrer durch menschliche Se-lektion bedingten Merkmale oftmals große Handi-caps ertragen. Einige Rassen werden als Qualzuchten bezeichnet und nicht mehr zugelassen. Zudem leben viele domestizierte Tiere als kastrierte bzw. sterili-sierte Individuen. Damit verlieren Sie einen wesentli-chen Teil ihres natürlichen Verhaltensrepertoires zu-gunsten eines pflegeleichten und menschengerechten Auftritts.

Auf die Frage des Kleinen Prinzen sagt der Fuchs bei Antoine de Saint Exupery: „Zähmen bedeutet, sich vertraut miteinander machen… Aber wenn du mich zähmst, dann werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzigartig sein. Und ich werde für dich einzigartig sein in der ganzen Welt.“ Die Men-schen haben viele Tiere sehr nah an ihre Lebenswelt herangeholt, sie erfahren dabei die in dieser Unterhal-tung zwischen Prinz und Fuchs geschilderte Verbin-dung von Mensch und Tier. Sei es, wenn die Men-schen den Tieren Namen geben, sie vermenschlichen, ja sogar lieben. Viele unserer Haustiere sind für die sie pflegenden Menschen einzigartig und wichtiger Teil ihres Lebens.

Tiere erleben wir also in ganz vielfältiger Weise. Schwer tun wir uns, die jeweils damit einhergehende Verantwortlichkeit des Menschen für die Tiere zu de-finieren. Es gibt kaum ein Thema in unserer Indust-riegesellschaft, das intensiver diskutiert wird als der angemessene Umgang mit Tieren, ob in natürlicher Umgebung, im Zoo, im Stall, im Haus oder im Labor.

Hier setzt Tierethik an. Als Teildisziplin der Bio-ethik erörtert sie die moralischen Fragen, die sich aus dem menschlichen Umgang mit Tieren ergeben. Es stehen Fragen nach der Legitimität der Nutzung von Tieren im Zentrum der Überlegungen. Mehr noch als in vielen anderen Ethikdisziplinen ist die Tierethik geprägt von den moralischen und religiösen Maßstä-ben im konkreten gesellschaftlichen Umfeld. Ob und welche Tiere zum Verzehr gehalten werden, wieweit ein Tier in die Privatsphäre des Menschen eindringen

darf und welche Würde und welchen Status Tiere im Verhältnis zur Menschenwürde einnehmen dürfen, wird im globalen Maßstab niemals konsensfähig sein. Die Verehrung der Hindus für die Kuh und die Un-reinheit des Schweins bei Moslems und Juden kommt uns Christen befremdlich vor, prägt aber den Um-gang mit Tieren in den von diesen Religionen gepräg-ten Ländern. Tierethik kann also nicht konsensfähig sein, sondern fragt nach der jeweils besten Vorge-hensweise im verantwortlichen Umgang mit Tieren. Hier erscheint jedoch ein gemeinsamer Ankerplatz auffindbar. Allen lebendigen Wesen gebührt der Ih-nen zustehende Respekt und der daraus erwachsende verantwortliche Umgang. Dabei ist es sekundär, ob wir die Tiere als Fleischlieferanten, Zootiere, Labor-modelle oder Schoßhunde einsetzen.

Tierethische Ansätze sind so mannigfaltig wie un-ser Umgang mit Tieren. Die Diskussion über Tier-würde und Personenrechte, insbesondere für Men-schenaffen, bilden ein extremes Ende des Spektrums. Ob mit der Anerkennung einer Tierwürde nicht eher die ohnehin von rassistischem Gedankengut ange-fochtenen Menschenrechte geschwächt, als Tierrechte gestärkt werden, erscheint hier kritisch. Auf der ande-ren Seite steht die auf Maximalgewinn optimierte Tiererzeugungsindustrie, deren genetisch optimierte Tiere auf schnelles Muskelwachstum oder Maximal-produktion von Milch oder Eiern getrimmt wurden. In dieser Lebenswelt wird das Tier zu einem maschi-nistischen Element von Produktionsketten. Das Tie-rethik in diesem Spektrum ein schwieriges Fach ist und für unterschiedlichste Anfragen Lösungsent-würfe finden muss, ist offensichtlich. Dazu kommt die Tatsache, dass diese Thematik häufig hochgradig emotionalisiert ist. So kann es z.B. beim Umgang mit Versuchstieren keine Konsenslösung geben, da fast niemand eine vernunftbasierte Mitte zwischen Tierversuchsgegnern und Befürworten einzunehmen vermag.

Papst Franziskus hat mit der Enyzklika „Laudato Si1“ am 24. Mai 2015 das Thema eines verantwortli-chen Umgangs mit der Schöpfung angefragt und mit dieser Thematik seine Kirche bereichert und diese zum Umdenken aufgefordert. Betitelt mit der „Sorge für das gemeinsame Haus“ stehen die Themenberei-che Umwelt- und Klimaschutz im Vordergrund, be-rühren aber auch bestehende soziale Ungerechtigkei-ten und die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen. Diese Enzyklika kann uns auch für den Umgang mit Tieren wertvolle Ansätze vermitteln. Im breiteren

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Tierethik

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Ein persönlicher Blick auf eine komplexe Disziplin

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Umfeld des Kapuzinerordens erlebe ich dabei eine Fülle unterschiedlicher Ansätze.

Dr. Rainer Hagencord ist Leiter des Instituts für Theologische Zoologie (ITZ), einer mit der Philoso-phisch Theologischen Hochschule in Münster assozi-ierten Einrichtung. In einem kürzlich veröffentlichten Gastkommentar2 der Zeitschrift „TIERethik“ zum Thema „Von der Verbundenheit alles Lebendigen“ be-schreibt er seine Ermunterung durch Papst Franzis-kus. Er erkennt in der Enzyklika die Absicht des Paps-tes, einen fehlgeleiteten Anthropozentrismus zu erkennen und zu korrigieren: „Ein Weltbild, dass für den Menschen allein die Welt geschaffen wurde und Tier und Natur lediglich eine schöne Kulisse darstel-len, wird von Papst Franziskus in der Enzyklika Lau-dato Si deutlich als fehlgeleiteter Anthropozentrismus benannt. Er (der Papst) sieht den daraus entstehenden Relativismus als wesentliche Ursache für die Zerstö-rung der biologischen Vielfalt, die Umweltverschmut-zung oder den Klimawandel: Wenn der Mensch sich selbst ins Zentrum stellt, gibt er am Ende seine durch die Umstände bedingten Vorteilen absoluten Vorrang, und alles Übrige wird relativ“. Für Dr. Hagencord er-wächst daraus die Aufforderung, Tieren als Teil der Schöpfung neu zu begegnen, eine Aufgabe, deren sich das ITZ als Kernthema angenommen hat: „Um in der Begegnung mit Tieren eine spirituelle Beziehung mit-teilen zu können, reicht es nicht, sich unsere Ver-wandtschaft mit den Tieren nur bewusst zu machen. Wir müssen sie wieder fühlen lernen. Das mag damit beginnen, nicht gleichgültig wegzusehen, wenn es etwa um Artensterben, Tierversuche oder in Me-gaställe eingepferchte Nutztiere geht….Der Mensch braucht auch tiefe Erfahrungen im Erleben der Tier-welt, und dafür gilt es, wohlüberlegt über sinnvolle Er-weiterungen religiöser Formen nachzudenken“, so Dr. Hagencord. Die vom ITZ erprobte, auch praktisch er-lebbare Herangehensweise wird ein Weg von vielen sein, mit der erhöhte Sensibilität und Verantwortung gegenüber dem Tier neu geübt werden kann.

Über weitere Zugänge denkt der Fachbereich Öko-logie und Spiritualität im Kompetenzzentrum für Christliche Spiritualität IUNCTUS nach. Hier wird das Ziel verfolgt, ein neues und verändertes Umwelt-bewusstsein zu schärfen, das gegründet ist auf Res-pekt, Ehrfurcht und der Würde gegenüber allem, was lebt und existiert. Dabei nährt sich eine Schöpfungs-spiritualität nicht nur aus dem Einsatz für den gerech-ten Umgang mit der Natur und der Schöpfung, viel-

Stefan Schlatt, ist in bocholt aufgewachsen. er ist bis 1983 am st. Josef-Gymnasium der kapuziner in bocholt zur schule gegangen. Heute lebt er in altenberge, kreis steinfurt. er ist verheira-tet mit klara schlatt und hat drei erwachsene söhne lukas, Jakob und ferdinand. nach dem abitur hat er biologie und katholische theologie in münster studiert. im anschluss an die promotion in biologie im Jahr 1992 folgten einige mehrjährige forschungsauf-enthalte in australien und den usa. 2008 kehrte er als professor an die wwu münster zurück und ist seitdem als Direktor des cen-trums für reproduktionsmedizin und andro-logie tätig. parallel leitet er das institut für regenerations- und reproduktionsbiologie. seine biomedizinische forschung berührt häufig Grenzgebiete, die neben naturwissen-schaftliche auch geisteswissenschaftliche und ethische Herausforderungen stellen. Dies betrifft tierversuche ebenso wie ethi-sche anfragen zu beginn des menschlichen lebens. stefan schlatt ist in vielfacher Hinsicht mit den kapuzinern in Verbindung geblieben. er schätzt die kontakte zu den kapuzinern, die ihm als freunde und Ge-sprächspartner in vielfacher Hinsicht weit-blick und kritische Distanz ermöglichen.

mehr geht es auch elementar um die Aspekte der Gerechtigkeit und des Friedens. Auch hier soll die En-zyklika des Papstes bei der Entwicklung neuer Pers-pektiven in den Vordergrund der zukünftigen Arbei-ten rücken. Prof. P. Dr. Thomas Dienberg OFMCap zitiert in seinem jüngst erschienenen Aufsatz3 zum Thema „Kopf, Herz und Hand - Grundlegende As-pekte einer Schöpfungsspiritualität“ das für Ihn maß-gebliche Kapitel aus der Enzyklika Laudato Si: „Es schließt auch das liebevolle Bewusstsein ein, nicht von den anderen Geschöpfen getrennt zu sein, son-dern mit den anderen Wesen des Universums eine wertvolle allumfassende Gemeinschaft zu bilden. Der Glaubende betrachtet die Welt nicht von außen, son-dern von innen her und erkennt die Bande, durch die der himmlische Vater uns mit allen Wesen verbunden hat.“ Hier sieht Prof. Dienberg den Ernstfall der Christlichen Spiritualität. „Der Mensch ist nicht ge-trennt von seiner Umwelt und den anderen Geschöp-fen, sondern liebevoll mit ihnen verbunden, weil Gott alles miteinander verbunden hat. Daraus resultieren Solidarität, Verantwortung und Liebe. Von daher ist eine gelebte Schöpfungsspiritualität sogar Kern einer gelebten Spiritualität, die sich nicht heraushält, die sich einmischt und ihre Verwirklichung nicht nur im Kirchenraum oder in der persönlich gelebten Fröm-migkeit sucht, sondern Stellung bezieht und für das Leben und die Würde aller Geschöpfe eintritt, wo diese bedroht sind.“

Ich erlebe Tiere täglich in mannigfaltiger Form. In meiner Arbeit als mit Tieren experimentierender For-scher, in meinem Privatleben mit Katzen, Fischen und Schildkröten als Haustiere, in meinen Ausflügen in die Natur. Dabei erfahre ich die oftmals mühsamen und intensiven Anforderungen an verantwortete Tierhaltung. Der Umgang mit Tieren bedeutet oft

Freude und Erfüllung und führt in vielfältiger und manchmal überraschender Weise zu Anerkennung aber auch Ablehnung. Ich bemühe mich um eine dif-ferenzierte und vernunftbasierte Herangehensweise, die jedoch oftmals emotional überfrachtet ist. Ich ma-che mir Sorgen, ob das Verhältnis zum Tier nicht zu einem unlösbaren Zankapfel der ethischen Auseinan-dersetzung verkommen wird. Auch deshalb bemühe ich mich in universitären und nationalen Gremien um eine fruchtbare Diskussion. Die Mitarbeit in Gruppen, die sich mit tierethischen Fragen beschäfti-gen, finde ich bereichernd, aber oft auch anstrengend und beizeiten frustrierend. Es gibt jedoch keine Alter-native als die Diskussion mit allen Gruppen, um die unterschiedlichsten Aspekte des Umgangs mit Tieren zugunsten eines verbesserten Tierwohls zu erreichen. Dabei darf man aus meiner Sicht jedoch keinem defi-nierten Anspruch nachlaufen, sondern muss sich lei-ten lassen von einer hohen Verantwortlichkeit für die uns geschenkten Lebewesen. Dazu gehören Wildtiere aber genauso wie die Labormaus oder das überzüch-tete Nutz- oder Haustier. Nur dann ist eine differen-zierte Betrachtung des Themas möglich und eine Ver-besserung des Umgangs mit Tieren erreichbar. Zumindest für alle in unterschiedlichster Weise in menschlicher Obhut gehaltenen Tiere sollte das Tier-wohl und nicht ein wie auch immer abgeleiteter An-spruch einer Tierwürde das Primärziel sein, welches die tierethische Debatte anführen sollte.

Akademisches

Ein Weltbild, dass für den Menschen allein die Welt geschaffen wurde und Tier und Natur lediglich eine schöne Kulisse darstellen, wird von Papst Franziskus in der Enzyklika Laudato Si deutlich als fehlgeleiteter Anthropozentrismus benannt.“ 2

1. enzyklika Laudato si, papst Franziskus, „Über die sorge für das gemeinsame haus“, Libreria editrice Vaticana

2. Dr. rainer hagencord, gasteditorial. Von der Verbundenheit alles Lebendigen. tierethik, 9. Jahrgang 2017/1, heft 14, s.7-13

3. prof. p. Dr. thomas Dienberg. Kopf, herz und hand, grundlegende aspekte einer schöpfungsspiritualität. anzeiger für die seelsorge, zeitschrift für pastoral und gemeindepraxis. heft 5-2017

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Am 03. Januar 1928 wurde er in Berwangen, Kreis Waldshut-Tien-gen, zusammen mit seinem Zwil-lingsbruder Karl geboren und auf den Namen Wilhelm getauft. Die Zwillinge wuchsen auf dem elterli-chen Hof mit ihrem älteren Bruder Otto auf. Nach der Volksschulzeit blieb Wilhelm zunächst auf dem el-terlichen Hof und besuchte die Fort-bildungsschule. Ganz zum Ende des Krieges wurde er noch zum Militär-dienst eingezogen. Doch schon nach wenigen Tagen kam er in amerika-

nische Gefangenschaft, aus der er aber nach drei Monaten wieder ent-lassen wurde. Im Alter von 21 Jah-ren entschloss er sich, eine Maurer-lehre zu beginnen. Diese schloss er 1951 mit der Gesellenprüfung ab. Nach sieben Jahren Praxis in diesem Beruf legte er am 28. Februar 1958 die Meisterprüfung ab.

Doch Wilhelm Schmid blieb wei-ter auf der Suche nach seiner Beru-fung im Leben. Im Oktober 1960 begann der das Postulat bei den Ka-puzinern. Am 23. April 1961 trat er schließlich im damals für einen Or-denseintritt hohen Alter von 32 Jah-ren in das Noviziat in Stühlingen ein. Am 24. April 1962 legte er die Einfache Profess ab. Als Junior blieb er zunächst am Noviziatsort und band sich drei Jahre später am 24. April 1965 in der Ewigen Profess endgültig an den Orden. Er blieb zunächst noch fünf weitere Jahre in Stühlingen, wo er in Haus und Gar-ten beschäftigt war. Im September 1970 wurde er als Pförtner und Sak-ristan nach Bad Mergentheim ver-setzt. Bevor er dort anfangen konnte, wurde er nach Münster geschickt, um am Bau der Missionsprokur mitzuhelfen. In Mergentheim blieb er nur ein paar Monate und wurde zu August 1971 ganz nach Münster versetzt. Hier kümmerte er sich bis

1987 um den Garten.Von Münster ging es 1987 für

kurze Zeit nach Karlsruhe. Im glei-chen Jahr zog er weiter nach Wag-häusel. Seine nächsten Stationen waren Koblenz im Jahr 2000, Die-burg 2003 und Werne 2006. Der Garten unserer Häuser war zeitle-bens sein Wirkungsbereich, für den er sich mit Hingabe einsetzte.

Im November 2007 ließen seine Kräfte nach, und eine Versetzung auf die Pflegestation in Münster wurde notwendig. Dank der guten Pflege konnte sich Br. Alois wieder erholen und blieb die folgenden neun Jahre in Münster.

Br. Alois blieb seiner Liebe zum Garten und zu den Blumen bis zu-letzt treu. Er erfreute sich an ihrer Schönheit und ließ andere gern da-ran teilhaben. Solange er noch konnte, nahm er Mitbrüder, die auf den Rollstuhl angewiesen waren, mit in den Garten. Bei diesen Aus-flügen nahm er häufig Blumen mit, die er den Mitarbeitern und den Mitbrüdern schenkte. In den Mit-tagsstunden des 29. Dezembers 2016 entschlief er dann ruhig und in Frieden.

Seine tiefe Frömmigkeit und die Liebe zur Schöpfung und den Mit-menschen zeichnete ihn aus und wird uns im Gedächtnis bleiben.

unsere verstorbenen

Br. Alois schmidPater konrad heidrich

Geboren am 15.06.1932 als ein-ziges Kind der Eheleute Paul Heidrich und Anna geb. Irmler be-suchte Herbert Heidrich die Volks-schule und das Gymnasium im su-detendeutschen Troppau. In den letzten Kriegsmonaten des Jahres 1945 wurde Herbert mit seiner Mutter aus der Heimat vertrieben. Sein Vater, der als Soldat im Kriegs-dienst war, gilt seit dieser Zeit als vermisst. Eine neue Heimat fanden Mutter und Sohn in Kirchanschö-ring bei Laufen an der Salzach Oberbayern, und Herbert kam an das Internat der Kapuziner nach Burghausen, wo er im Juli 1953 das Abitur am dortigen Kurfürst-Maxi-milian-Gymnasium ablegte. We-nige Wochen später wurde er in das Noviziat der Kapuziner in Laufen aufgenommen und erhielt den Or-densnamen Konrad. Nach den üb-lichen philosophischen und theo-logischen Studien in Eichstätt und der Feierlichen Profess im August 1957, empfing er 1959 die Priester-weihe durch den Eichstätter Bischof Joseph Schröffer.

Seine ersten pastoralen Einsätze leistete P. Konrad vom Kloster Lau-fen aus. Nach einer kurzen einjähri-gen Kaplanszeit in Kempten im All-gäu wurde er wieder nach Laufen zurückgerufen, um an der Seite des

Novizenmeisters bei der Ausbil-dung der jungen Kapuziner mitzu-wirken. Wiederum bereits nach ei-nem Jahr wartete eine neue Aufgabe auf ihn. Er wurde Kaplan in der Ka-puzinerpfarrei St. Anton in der Münchener Isarvorstadt.

Zum 1. September 1976 begann für ihn nach 12 Jahren in München wiederum eine neue Aufgabe, die er genau 25 Jahre ausüben durfte. Als Stadtpfarrer in Kempten St. Anton tat er seinen seelsorglichen Dienst in großer Volksverbundenheit und Leutseligkeit. Als er 2009 in Kemp-ten sein Goldenes Priesterjubiläum nachfeierte, war in der Presse sein Wirken folgendermaßen geschil-dert: „Mit seinem spitzbübischen Humor war er ein beliebter Religi-onslehrer und gefragter Beichtvater. Seine Kemptener Faschingspredig-ten galten als einzigartig. Für viele Kemptener war P. Konrad wie sein Vorgänger P. Odilo das Zugpferd der Kapuziner im Allgäu. Die Größe seiner Jugend- und Ministranten-schar ist bis heute unerreicht. Der Mann ohne Führerschein betreute auch andere Kirchen und ließ sich von seinem Mesner kutschieren.…“ Sein engagierter seelsorglicher Ein-satz wurde zum Weihnachtsfest 1983 durch den Augsburger Bischof Josef Stimpfle mit der Ernennung

zum Bischöflichen Geistlichen Rat gewürdigt. In diesen langen Jahren wurde ihm mehrfach auch die Lei-tungsaufgabe des Guardians und Vikars im Kapuzinerkonvent Kempten übertragen. Mit seinem Weggang im August 2001 ging dann auch die Ära der Kapuziner in Kempten zu Ende. Als letzter Kapuziner musste er das dortige Kloster auflösen.

Die nächsten 15 Jahre seines Le-bens verbrachte er im Kapuziner-kloster St. Sebastian in Rosenheim. Schwerpunkte seiner seelsorgli-chen Tätigkeit hier waren die Beichtseelsorge und die Betreuung der Franziskanischen Gemein-schaft (OFS) und der Mariani-schen Männerkongregation.

Verschiedene gesundheitliche Beschwerden schränkten in den letzten vier Jahren seine unermüdli-che Tätigkeit ein. Dadurch bedingt wechselte er im August 2016 nach Altötting St. Magdalena, wo er sich relativ schnell eingewöhnte und dankbar und erfreut war, dass er in der Altöttinger Beichtkirche nahezu täglich beim Dienst der Versöh-nung in der Spendung des Bußsak-ramentes mitwirken konnte.

Am Josefstag 2017 ließ ein Sturz auf der Treppe eine schwere Er-krankung ausbrechen, von der er

sich nicht mehr erholte. In den Mit-tagsstunden des 1. April entschlief er nach zweiwöchigem Krankenla-ger im Altöttinger Krankenhaus friedlich im Herrn. Bis zum Schluss halfen ihm Humor und bejahende Lebensfreude, aber auch sein tiefer Glaube, auch diese gesundheitlich- en Einbrüche anzunehmen und mit ihnen zu leben.

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