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JAPANISCHE VERHÄLTNISSE LEAN PRODUCTION BEIM LASERSCHWEISSEN Ladeluftresonatoren und Strömungsdämpfer werden bei Mann+Hummel Automotive seit mehreren Jahren in Groß- und Kleinserien mittels Laser verschweißt. Im Rah- men eines Kooperationsprojekts hat das Unternehmen die Stabilität, Effizienz und Qualität dieses Fertigungs- prozesses gesteigert. Bei der Konzeption einer neuen Anlage und der Umsetzung des Laserschweißprozesses im Betrieb wurden auch Aspekte der „Lean Production“ berücksichtigt. F ür den Entwicklungspartner und Serienlieferanten der internationa- len Automobilindustrie sind Verbin- dungstechnologien wesentlicher Be- standteil einer erfolgreichen und stetig wachsenden Produktion. Das Produkt- spektrum am Standort Bad Harzburg um- fasst Luftführungssysteme im Motor- raum, Scheibenwasch- und Flüssigkeits- behälter, Designabdeckungen und Inte- rieurteile aus Kunststoff. Ladeluftresonatoren und Strömungs- dämpfer aus thermoplastischen Poly- esterelastomeren (TEEE) und Polyami- den mit Glasfasern (PA66 GF30) beein- flussen die Akustik und das Druckver- lustverhalten einer Luftzuführung für den Verbrennungsmotor positiv. Daraus resultierend zählen die Sauberkeit des Bauteils sowie die Beanspruchung mit wechselndem Druck zu den wichtigsten Anforderungen. Gerade in diesen Res- triktionen bietet das Laserdurchstrahl- schweißen in den Punkten Prozessstabilität und Sau- berkeit der Schweißnaht deutliche Vorteile gegen- über herkömmlichen Ver- fahren. Lean-Methodik für den Fügeprozess Um diesen Prozess zu opti- mieren, hat Mann+Hum- mel gemeinsam mit dem La- serspezialisten Prolas eine neue Produkti- onsanlage zum Laserdurchstrahlschwei- ßen von Ladeluftresonatoren und Strö- mungsdämpfern entwickelt. Im Mittel- punkt der Planungen und der Umsetzung standen nicht nur die neuen Lösungen im Bereich der Überwachung von Pro- zessparametern, die das System bietet, sowie die Erfahrungen aus vorausgegan- genen Projekten, sondern auch alle Me- thoden des Mann+Hummel-Manage- ment-Systems (MMS). MMS optimiert Autor Dr. Dirk Hänsch, Geschäftsführer, Prolas, Würselen, [email protected] Wurde mittels Lasertechnik gefügt: Ladeluftresonator für den BMW-Mini. „Innovation heißt für uns nicht nur, Technologie als Einzelnes zu betrachten.“ Jerome Newie, Lean-Experte bei Mann+Hummel Automotive und standardisiert alle unternehmens- internen Prozesse und Abläufe und fin- det in allen Bereichen des Unternehmens Anwendung. So ließen sich in der neuen Laser- schweißanlage auch fundamentale Be- 82 KGK März 2008 PRAXIS PRACTICE

JAPANISCHE VERHÄLTNISSE - kgk-rubberpoint.de · schen, während der letzte Artikel aus der vorhergehenden Losgröße noch ver- ... Mittels Poka-Yoke-Maßnahmen ist es unmöglich,

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JAPANISCHE VERHÄLTNISSE LEAN PRODUCTION BEIM LASERSCHWEISSEN Ladeluftresonatoren und Strömungsdämpfer werden bei Mann+Hummel Automotive seit mehreren Jahren in Groß- und Kleinserien mittels Laser verschweißt. Im Rah-men eines Kooperationsprojekts hat das Unternehmen die Stabilität, Effizienz und Qualität dieses Fertigungs-prozesses gesteigert. Bei der Konzeption einer neuen Anlage und der Umsetzung des Laserschweißprozesses im Betrieb wurden auch Aspekte der „Lean Production“ berücksichtigt.

F ür den Entwicklungspartner und Serienlieferanten der internationa-len Automobilindustrie sind Verbin-

dungstechnologien wesentlicher Be-standteil einer erfolgreichen und stetig wachsenden Produktion. Das Produkt-spektrum am Standort Bad Harzburg um-fasst Luftführungssysteme im Motor-raum, Scheibenwasch- und Flüssigkeits-behälter, Designabdeckungen und Inte-rieurteile aus Kunststoff. Ladeluftresonatoren und Strömungs-dämpfer aus thermoplastischen Poly-esterelastomeren (TEEE) und Polyami-den mit Glasfasern (PA66 GF30) beein-flussen die Akustik und das Druckver-lustverhalten einer Luftzuführung für

den Verbrennungsmotor positiv. Daraus resultierend zählen die Sauberkeit des Bauteils sowie die Beanspruchung mit wechselndem Druck zu den wichtigsten Anforderungen. Gerade in diesen Res-triktionen bietet das Laserdurchstrahl-schweißen in den Punkten Prozessstabilität und Sau-berkeit der Schweißnaht deutliche Vorteile gegen-über herkömmlichen Ver-fahren.

Lean-Methodik für den Fügeprozess Um diesen Prozess zu opti-mieren, hat Mann+Hum-mel gemeinsam mit dem La-serspezialisten Prolas eine neue Produkti-onsanlage zum Laserdurchstrahlschwei-ßen von Ladeluftresonatoren und Strö-mungsdämpfern entwickelt. Im Mittel-punkt der Planungen und der Umsetzung standen nicht nur die neuen Lösungen

im Bereich der Überwachung von Pro-zessparametern, die das System bietet, sowie die Erfahrungen aus vorausgegan-genen Projekten, sondern auch alle Me-thoden des Mann+Hummel-Manage-ment-Systems (MMS). MMS optimiert

Autor Dr. Dirk Hänsch, Geschäftsführer, Prolas, Würselen, [email protected]

Wurde mittels Lasertechnik gefügt: Ladeluftresonator für den BMW-Mini.

„Innovation heißt für uns nicht nur, Technologie als Einzelnes zu betrachten.“ Jerome Newie, Lean-Experte bei Mann+Hummel Automotive

und standardisiert alle unternehmens-internen Prozesse und Abläufe und fin-det in allen Bereichen des Unternehmens Anwendung. So ließen sich in der neuen Laser-schweißanlage auch fundamentale Be-

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PRAXIS PRACTICE

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standteile der Lean-Methodik implemen-tieren, wie Rüsten während des Prozesses (SMED), die automatische Selektion von Prozessabnormalitäten (JIDOKA – Auto-nomation) und die daraus resultierende Null-Fehler-Strategie. So kann inzwi-schen, während der letzte Artikel aus der vorhergehenden Losgröße noch ver-schweißt wird, in der zweiten Kavität das Werkzeug für die nachfolgende Charge bereits aufgerüstet werden. Mittels Poka-Yoke-Maßnahmen ist es unmöglich, da-bei Fehler zu initiieren. Der Rüstvorgang erfolgt vollständig ohne Werkzeug und Hilfsmittel.

Die Schweißanlage ist mit einem Diodenlaser ausgestattet.

ERHÖHTE MARKTCHANCEN

Gemäß der Null-Fehler Strategie und Be-rücksichtigung der Jidoka-Methodik kann erst dann ein Start des Prozesses er-folgen, nach dem alle Qualitätsanforde-rungen automatisch überprüft wurden. Bei Abweichungen erfolgt eine sofortige Abschaltung des Bearbeitungsschrittes oder dieser kann erst gar nicht gestartet werden. Fehlerhafte Teile werden nicht an den nachgelagerten Prozess weiterge-geben. Gleichzeitig wurde neben dem Einführen dieser wesentlichen Bestand-teile einer modernen und effizienten – schlanken – Produktion die Qualität der Schweißverbindung gesteigert.

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In den 1980er Jahren nahm das Massachu-setts Institute of Technology (MIT) Auto-mobil-Montagewerke in 17 Ländern unter die Lupe. Auftraggeber war die ame-rikanische Automobilindustrie, die zu dieser Zeit Marktanteile verlor, und deshalb herausfinden wollte, weshalb vor allem die Japaner zur gleichen Zeit weltweite Absatz-erfolge verzeichnen konnten. Inzwischen hält die damals bei den japanischen Unter-nehmen gefundene Produktionsorganisa-tion auch in Europa Einzug. Man spricht von Lean Production oder auf deutsch schlanke Produktion und meint damit das Weglassen

aller überflüssigen Arbeitsgänge sowohl in der Produktion als auch in der Verwaltung. Dabei geht es darum, Kompetenzen und Verantwortungen zu bündeln, Verschwen-dung und Fehler zu vermeiden, die Abläufe zu harmonisieren und sich um eine kontinu-ierliche Verbesserung zu bemühen. Für die-sen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) hat sich auch in Europa der japanische Begriff Kaizen durchgesetzt. Das Kaizen soll zu einer höheren Identifikation der Mit-arbeiter mit dem Unternehmen und so zu einer stetigen Verbesserung der Wett-bewerbsposition beitragen.

Schlank sein ist in

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GLOSSAR Lean Production Das Lean-Production-Konzept umfasst unterschiedliche Techniken, die meist mit ihrem japanischen Namen bezeichnet werden. Dazu zählen unter anderem Jidoka, Poka Yoke und SMED. � Jidoka (Autonomation: autonome Auto-

mation) bezeichnet die Funktion einer Maschine, alle Abweichungen vom Nor-malbetrieb ohne menschliche Über-wachung zu selektieren. Treten Prozess-abnormalitäten auf, wird der Verarbei-tungsprozess sofort gestoppt. Die Her-stellung von fehlerbehafteten Teilen wird vermieden und eine Qualitätsstei-gerung erfolgt.

� Poka Yoke ( jap. Vermeiden unbeabsich-tigter Fehlhandlungen) ist eine präven-tive Fehlervermeidung. Mit dieser simplen und kostengünstigen Methode wird zum Beispiel mechanisch verhin-dert, dass Bauteile falsch positioniert werden.

� SMED (Single Minute Exchange of Die) beinhaltet die Reduzierung der unpro-duktiven, nicht wertschöpfenden Werk-zeugwechselzeiten mit Hilfe von ein-fachen Mechanismen. Ziel ist ein ein-minütiger Werkzeugwechsel, um eine flexible und bedarfsgerechte Produktion zu ermöglichen.

Die Kopplung an einen Roboter macht die Anlage flexibel.

Online-Prozesskontrolle reduziert den Ausschuss Die neue Anlage ist eine modifizierte Standardschweißanlage vom Typ Pro-weld, die mit einem Diodenlaser aus-gestattet ist. Auf ihr erfolgt die Verbin-dung der Bauteile im Konturschweißver-fahren durch einen Roboter. Dadurch ist die Anlage sehr flexibel: Nötige Anpas-sungen an Bauteiländerungen oder Vari-anten lassen sich schnell und flexibel um-setzen. Für die Modifizierung einer Schweißnaht wird ebenso wenig Zeit be-nötigt wie für einen Bauteilwechsel. So ist es zum Beispiel möglich, auf einer An-lage verschiedene Bauteile im roulieren-dem Wechsel zu verschweißen. Die Anlage ist mit einem Drehtisch aus-gestattet, so dass während des Schwei-ßens auf der Vorderseite neu bestückt werden kann. Mit der neuen Laser-

schweißanlage wurde der Output hin-sichtlich Qualität, Geschwindigkeit und Flexibilität deutlich gesteigert: Bei zirka einer Million Bauteile pro Jahr, die auf der Anlage in unterschiedlichen Varian-ten geschweißt werden, konnte die Takt-zeit halbiert werden. Für einen Varian-tenwechsel werden nicht mehr zehn Mi-nuten benötigt. Dies erfolgt heute in-nerhalb von 30 Sekunden. Durch die integrierte Online-Prozess-regelung Weldcontrol, mit der die Laser-schweißanlage ausgestattet ist, können mehrere prozessrelevante Daten gleich-zeitig erfasst werden. Fehlstellen sowie Materialfehler lassen sich so schnell iden-tifizieren. Somit kann über eine geeigne-te Prozessstrategie der Ausschuss auf ein Minimum reduziert werden. „Innovation heißt für uns nicht nur, die Technologie als Einzelnes zu betrachten,

sondern zu jedem Zeitpunkt den Kunden und sein Produkt in den Mittelpunkt zu stellen“, so Jerome Newie, Fertigungspla-ner bei Mann+Hummel: „Das war auch bei diesem Projekt ein Muss – und ist her-vorragend gelungen.“

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