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| 15 Jüdische Allgemeine Nr. 25/12 | 21. Juni 2012 MÜNCHEN Leben TV In der Fernsehsendung »Jüdisches Leben in Bayern« geht es am 23. Juni ab 17.30 Uhr auf Sat.1 bayernweit um Isra- elis und Palästinenser, die einem krebs- kranken Jungen helfen. Es ist eine un- glaubliche Geschichte, und sie zeigt die widersprüchliche Lebenswirklichkeit im Nahen Osten. Der Film wurde kürzlich in München in einer zunächst einmali- gen Vorführung gezeigt. Für Sat.1 Bay- ern berichten Marian Offman und sein Team darüber und sprechen mit dem Autor Shlomi Eldar. ikg Hanns Eisler KONZERT Samstag, 23. Juni, 22 Uhr, Münchner Kammerspiele, Maximilian- straße: Zum 50. Todestag von Hanns Eis- ler wird Ohne Kapitalisten geht es besser unter der Leitung von Daniel Gross- mann gespielt. Wiebke Puls, Gesang/ Orchester Jakobsplatz. ikg Demjanjuk STUDIE Unter dem Titel Der Henkers- knecht. Der Prozess gegen John Iwan Demjanjuk veröffentlichte Angelika Benz im Metropol Verlag ihre Erkennt- nisse aus mehr als 90 Verhandlungsta- gen vor dem Landgericht München II. Auf Einladung des Verlags Dachauer Hefte, der Regionalen Arbeitsgruppe von »Gegen Vergessen – Für Demokra- tie«, der Münchner Volkshochschule und der Stadtbibliothek stellt sie ihre Studie am Sonntag, 24. Juni, 11 Uhr, im Gasteig, Rosenheimer Straße 5, vor. ikg Jugend EINDRÜCKE Am Sonntag, 24. Juni, lädt das Jugendzentrum Neshama zu einem Sommerkonzert und einer Fotoausstel- lung unter dem Motto: »Zurück in die Zukunft – Eine Reise durch die Ge- schichte des Jugendzentrums der IKG München« ein. Eröffnung der Fotoaus- stellung: 16 Uhr, Konzertbeginn: 17 Uhr im Hubert-Burda-Saal. ikg Schalom VORTRAG Im Jüdischen Frauentreff für Gemeindemitglieder spricht am Sonn- tag, 24. Juni, 19 Uhr, Rabbiner Steven E. Langnas über jüdische Quellen zur Fra- ge, wie wir miteinander in Frieden leben können. ikg NS-Zeit FILM Im Rahmen des Montagsforums »Europa und der Nationalsozialismus« wird am Montag, 25. Juni, 19 Uhr, im Vortragssaal der Bibliothek Am Gasteig, Rosenheimer Straße 5, mit Blick auf die Tschechoslowakei der Film Der weite Weg (Daleká cesta, 1949, OmeU) vorge- stellt. Es ist die Geschichte eines jüdisch- tschechischen Ehepaars. ikg Psychoanalyse LESUNG Tomas Böhm ist Psychoanaly- tiker und Psychiater in Stockholm, dazu Schriftsteller und Jazzmusiker. Sein Buch Wiener Jazz Trio. Musik, Psycho- analyse und Überleben im Nationalsozia- lismus stellt er in Rahmen einer Konzert- lesung am Dienstag, 26. Juni, 19.30 Uhr, im Jüdischen Gemeindezentrum vor. Tickets unter [email protected], Telefon 089/ 20 24 00 491 und an der Abend- kasse. ikg Fußball GESPRÄCH »Erinnern, Gedenken und Streiten im Zeichen der Fußball-EM in Polen und der Ukraine« lautet das Motto einer Veranstaltung der DFB-Kulturstif- tung Theo Zwanziger am Dienstag, 26. Juni, um 20 Uhr, im Münchner Marstall. Dabei geht es um die Verantwortung des Fußballs und die Grenzen von Politik und Gesellschaft. Eintritt: 9 Euro im Vor- verkauf und an der Abendkasse. ikg KOMPAKT F ür den Geschichtsprofessor Micha- el Brenner ist die Pflege der jiddi- schen Sprache ein wichtiger Be- standteil jüdischer Kultur. Nach Tamar Lewinsky aus der Schweiz hat er derzeit Evita Wiecki aus Polen als fachkun- dige Lektorin des Jiddischen in seinem Team. Das Experiment, ein wissenschaftli- ches Referat 2010 in Jiddisch vortragen zu lassen, war so erfolgreich, dass es nun jedes Jahr im Mai – mit Unterstützung des Freundeskreises des Lehrstuhls – einen »Scholem Alejchem Vortrag« gibt, benannt nach dem wohl bekanntesten jiddischspra- chigen Schriftsteller. Als Kooperationspartner war schnell das Kulturzentrum der Israelitischen Kul- tusgemeinde gewonnen, gibt es doch in München vergleichsweise viele Gemeinde- mitglieder, die mit »mameloschn« groß wurden. So auch Leo Milchiker, der die Einladung des Historikers Samuel Kassow tatkräftig unterstützte. Kassow, Jahrgang 1946, verbrachte seine frühe Kindheit als DP-Kind in Wasseralfingen bei Aalen. Wenn er mit deutschen Kindern spielte, fiel ihm ihr »modnes« (seltsames) Jiddisch auf. »Shmuel Kassow iz a groyser histori- ker, a meyvn (Experte) af der teme fun Varshever geto«, wie Wiecki einführend erläuterte, »zayn mameloshn iz beemes (tatsächlich) di shprakh fun zayn mame fun a kleyn vaysrusish shtetl.« WÜRDIGUNG 2010 war Kassows interna- tional vielbeachtete Studie Who will write our history? Emanuel Ringelblum, the War- saw Ghetto and the Oyneg Shabes Archive unter dem Titel Ringelblums Vermächtnis im Rowohlt Verlag erschienen. Sein Vor- trag über »A Historiker un a Kemfer: Ema- nuel Ringelblum in Varshaver Geto« war eine besonders gelungene Würdigung für Ringelblum, der als Anhänger der linken Poale Zion und »Borochovist« (Anhänger von Ber Borochov) zionistisches, politi- sches Engagement und jiddische Kultur als natürliche Verbündete ansah. Er war »a Kemfer gegen die Assimilatje« und über- zeugter Jiddischist, denn wer die jüdischen Massen liebe, müsse auch die jiddische Sprache lieben. Kassow verwies in schönstem litwi- schem Jiddisch auf gerettete, weil vielerlei vergrabene »Zeugnisse geformt durch Blut und Schmerz«, aus Auschwitz, Lodz, Bialy- stok, Vilnius und Warschau. Bei ihm heißt das: »A Genisa gefilt mit Blut und Peyn«. Emanuel Ringelblum (1900–1944) be- mühte sich darum, »dass Juden nicht als passive Opfer betrachtet wurden, sondern als Teil eines aktiven kreativen Volkes«. Er glaubte an »Allejnhilf« – Selbsthilfe. Die Ausweisung von 17.000 Juden aus Deutsch- land nach Polen im Oktober 1938 war ein Wendepunkt in seinem Leben gewesen. Er trieb Küchen auf und sorgte für juristische Hilfe, war offensichtlich ein Organisations- talent. 1939 war er beim zionistischen Weltkongress in Genf – also in Sicherheit – gewesen. Doch er kehrte zu Frau Yehudis und Sohn Uri zurück. Zwei Wochen später überfielen deutsche Truppen Polen. VERÄNDERUNGEN Ab Spätherbst 1940 bekam Ringelblums Historiografie eine be- sondere Zielrichtung. In seinem Tagebuch nannte er »die Zeit vor dem Ghetto eine echte Idylle. Jeder Monat brachte tiefe Um- brüche, die das jüdische Leben grundle- gend änderten. Deswegen war es wichtig, jedes Geschehnis im jüdischen Leben so- fort zu fangen.« Sein aus 60 Mitarbeitern bestehendes Team nannte sich »Oyneg Shabes« (Schab- bat-Vergnügen), weil man jeden Samstag zusammenkam. Nur drei von ihnen über- lebten, nur einer wusste, wo die Sammlung von Tagebüchern, Theaterplakaten, Stra- ßenbahnfahrkarten, Speisekarten, amtli- chen Ankündigungen und Fotos – Quellen für eine Sozialgeschichte der polnischen Juden im Ghetto – vergraben waren. Nur ein Teil – 25.000 Dokumente – konnte 1946 geborgen werden. Ringelblum gelang es mehrfach, Belege der organisierten Juden- vernichtung nach London zu schmuggeln. Eine Zeit lang glaubte er sogar, dass das deutsche Volk – vor allem die Sozialdemo- kraten und Kommunisten darunter – Hit- ler Einhalt gebieten werde. Noch in seinem letzten Versteck in ei- nem Bunker auf der »arischen« Seite, im Süden Warschaus, schrieb er über die jü- disch-polnischen Beziehungen während des Krieges, laut Kassow »a Maysterwerk«. Anfang März 1944 wurde Ringelblum »ge- massert«, verraten, und mit seiner Familie in das berüchtigte Pawiak-Gefängnis ver- schleppt. »A Historiker un a Kemfer« VORTRAG Samuel Kassow erinnerte an Emanuel Ringelblum In der Vorstandssitzung am 11.6. wurden folgende Themen öffentlich behandelt: I. FRIEDHOFSERWEITERUNG Zum Thema Friedhofserweiterung wurde dem Vorstand erläutert, dass in zehn Jahren an der Garchinger Straße kein Platz mehr zur Verfügung stehen wird. Nach ausführ- licher Erläuterung des Themas durch Fach- leute beschließt der Vorstand eine Doppel- belegung, wie auch in anderen Ländern und in Israel üblich. Hier werden in erster Linie Familienmitglieder übereinander und nicht mehr nebeneinander ihre letzte Ruhe finden. Ein vorgefertigter Betonrahmen sichert das Grab und bildet auch eine natürliche Ab- grenzung zu Nachbargräbern. II. BESUCH DER PIRATEN IN DER IKG Am 5. Juni besuchte eine Delegation der Pi- raten die IKG, unter anderem mit dem Kreis- vorsitzenden München, Holger van Len- gerich, Alp Sezen und Peter Finkelgruen. Aufseiten der IKG waren Frau Präsidentin Dr. h.c. Charlotte Knobloch und die beiden Vize- präsidenten RA Peter Guttmann und Marian Offman vertreten. In der hochinteressanten Aussprache be- tonten die Piraten, insbesondere ihr Spre- cher Alp Sezen, wiederholt die positive Ein- stellung zum Staat Israel generell und zum Judentum speziell. Man distanzierte sich ausdrücklich von Personen, die diesbezüg- lich negative Äußerungen in der Vergangen- heit geäußert hatten. Man hofft schon bald auf einen Gegenbesuch in der Piratenge- schäftsstelle. Besonders interessant ist auch die Per- sönlichkeit Peter Finkelgruen, ein jüdischer Journalist, in Shanghai geboren, nachdem die Eltern während der Nazizeit dorthin flüchteten. Er wuchs dann später in der Tschechien auf und war unter anderem Aus- landskorrespondent in Israel. Er verfolgte Anton Malloth, der für den Tod seines Groß- vaters verantwortlich war, und schrieb darü- ber auch zwei Bücher. Nach seiner eigenen Aussage war er in der Jugend in der FDP Mit- glied und ist nun im Alter von 70 Jahren bei den Piraten gelandet. III. LETZTE VORSTANDSSITZUNG IN DIESER KADENZ Die letzte Vorstandssitzung dieser Kadenz findet am Montag, den 2.7.2012, um 19.30 Uhr statt. Peter Guttmann BERICHT AUS DEM VORSTAND Konzerte für Vielfalt FESTAKT Maccabis »Music for Goals« wird geehrt »Aktiv für Demokratie und Toleranz« ist Maccabi München seit Langem – und wur- de deswegen beim gleichnamigen Wettbe- werb in diesem Jahr als einer der Preisträ- ger gekürt. Der Festakt fand im Alten Münchner Rathaussaal mit der Ehrung von insgesamt acht bayerischen Projekten statt. Oberbürgermeister Christian Ude, Staatssekretär Max Stadler und die Bun- destagsabgeordnete Gabriele Fograscher würdigten die Leistungen, mit denen sich die jeweiligen Initiatoren auszeichneten und die Anreiz für andere sind, es ihnen gleichzutun. Vor vier Jahren wurde der Sportverein bereits als »Botschafter für Demokratie und Toleranz« vom damaligen Innenmi- nister Wolfgang Schäuble ausgezeichnet (vgl. Jüdische Allgemeine vom 29. Mai 2008). Diesmal galt die Ehrung einem speziellen Projekt des TSV Maccabi, »Music for Goals«. Hier wurde eine Idee des Vereins- managers Maurice Schreibmann umge- setzt. Im Team mit Stefanie Schumann, Eberhard Schulz, Charles Logan und Frede- rik Hettich macht Schreibmann sich mit diesem Projekt in Zusammenarbeit mit vielen, besonders mit seinem Sportverein unter Präsident Robby Rajber, mit der Bay- erischen Landeszentrale für politische Bil- dungsarbeit und dem Bayerischen Fußball- Verband für Toleranz und ein Miteinander stark. Vier viel beachtete Konzerte haben in- zwischen stattgefunden: Mit Programmen vorwiegend aus Gospel und Soul setzen dabei internationale Künstler ein Zeichen. Sie treten für eine bunte und gleichberech- tigte Vielfalt aller Menschen ein – ein Prin- zip, das Maccabi auch in seinem sport- lichen Alltag umsetzt. Bei der Ehrung kamen auch die Kinder und Jugendlichen zu Wort – musikalisch, versteht sich. Höhe- punkt bei dem Festakt war ein Gesangsauf- tritt von Gruppen, die in das Projekt »Music for Goals« eingebunden sind: das IKG-Jugendzentrum Neshama, das Phorms München und die Montessori-Schule Lands- berg. Miryam Gümbel Kinder und Jugendliche von Neshama Foto: M. Gümbel Emanuel Ringelblum mit seinem Sohn (o.), Samuel D. Kassow (u.) Wer die Juden liebe, der müsse auch Jiddisch lieben, sagte Ringelblum. Noch in seinem letzten Versteck schrieb er »a Maysterwerk«. von Ellen Presser Foto: Lisa Pleskow

Jüdische Allgemeine Nr. 25/12 | 21. Juni 2012 KOMPAKT »A ... · PDF file»Scholem Alejchem Vortrag« gibt, benannt nach dem wohl bekanntesten jiddischspra-chigen Schriftsteller

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| 15Jüdische Allgemeine Nr. 25/12 | 21. Juni 2012 MÜNCHEN

LebenTV In der Fernsehsendung »JüdischesLeben in Bayern« geht es am 23. Juni ab17.30 Uhr auf Sat.1 bayernweit um Isra-elis und Palästinenser, die einem krebs-kranken Jungen helfen. Es ist eine un-glaubliche Geschichte, und sie zeigt diewidersprüchliche Lebenswirklichkeit imNahen Osten. Der Film wurde kürzlichin München in einer zunächst einmali-gen Vorführung gezeigt. Für Sat.1 Bay-ern berichten Marian Offman und seinTeam darüber und sprechen mit demAutor Shlomi Eldar. ikg

Hanns EislerKONZERT Samstag, 23. Juni, 22 Uhr,Münchner Kammerspiele, Maximilian-straße: Zum 50. Todestag von Hanns Eis-ler wird Ohne Kapitalisten geht es besserunter der Leitung von Daniel Gross-mann gespielt. Wiebke Puls, Gesang/Orchester Jakobsplatz. ikg

DemjanjukSTUDIE Unter dem Titel Der Henkers-knecht. Der Prozess gegen John IwanDemjanjuk veröffentlichte AngelikaBenz im Metropol Verlag ihre Erkennt-nisse aus mehr als 90 Verhandlungsta-gen vor dem Landgericht München II.Auf Einladung des Verlags DachauerHefte, der Regionalen Arbeitsgruppevon »Gegen Vergessen – Für Demokra-tie«, der Münchner Volkshochschuleund der Stadtbibliothek stellt sie ihreStudie am Sonntag, 24. Juni, 11 Uhr, imGasteig, Rosenheimer Straße 5, vor. ikg

Jugend EINDRÜCKE Am Sonntag, 24. Juni, lädtdas Jugendzentrum Neshama zu einemSommerkonzert und einer Fotoausstel-lung unter dem Motto: »Zurück in dieZukunft – Eine Reise durch die Ge-schichte des Jugendzentrums der IKGMünchen« ein. Eröffnung der Fotoaus-stellung: 16 Uhr, Konzertbeginn: 17 Uhrim Hubert-Burda-Saal. ikg

SchalomVORTRAG Im Jüdischen Frauentreff fürGemeindemitglieder spricht am Sonn-tag, 24. Juni, 19 Uhr, Rabbiner Steven E.Langnas über jüdische Quellen zur Fra-ge, wie wir miteinander in Frieden lebenkönnen. ikg

NS-ZeitFILM Im Rahmen des Montagsforums»Europa und der Nationalsozialismus«wird am Montag, 25. Juni, 19 Uhr, imVortragssaal der Bibliothek Am Gasteig,Rosenheimer Straße 5, mit Blick auf dieTschechoslowakei der Film Der weiteWeg (Daleká cesta, 1949, OmeU) vorge-stellt. Es ist die Geschichte eines jüdisch-tschechischen Ehepaars. ikg

PsychoanalyseLESUNG Tomas Böhm ist Psychoanaly-tiker und Psychiater in Stockholm, dazuSchriftsteller und Jazzmusiker. SeinBuch Wiener Jazz Trio. Musik, Psycho-analyse und Überleben im Nationalsozia-lismus stellt er in Rahmen einer Konzert-lesung am Dienstag, 26. Juni, 19.30 Uhr,im Jüdischen Gemeindezentrum vor.Tickets unter [email protected], Telefon089/ 20 24 00 491 und an der Abend-kasse. ikg

FußballGESPRÄCH »Erinnern, Gedenken undStreiten im Zeichen der Fußball-EM inPolen und der Ukraine« lautet das Mottoeiner Veranstaltung der DFB-Kulturstif-tung Theo Zwanziger am Dienstag, 26.Juni, um 20 Uhr, im Münchner Marstall.Dabei geht es um die Verantwortung desFußballs und die Grenzen von Politikund Gesellschaft. Eintritt: 9 Euro im Vor-verkauf und an der Abendkasse. ikg

KOMPAKT

Für den Geschichtsprofessor Micha-el Brenner ist die Pflege der jiddi-schen Sprache ein wichtiger Be-standteil jüdischer Kultur. Nach

Tamar Lewinsky aus der Schweiz hat erderzeit Evita Wiecki aus Polen als fachkun-dige Lektorin des Jiddischen in seinemTeam. Das Experiment, ein wissenschaftli-ches Referat 2010 in Jiddisch vortragen zulassen, war so erfolgreich, dass es nun jedesJahr im Mai – mit Unterstützung desFreundeskreises des Lehrstuhls – einen»Scholem Alejchem Vortrag« gibt, benanntnach dem wohl bekanntesten jiddischspra-chigen Schriftsteller.

Als Kooperationspartner war schnelldas Kulturzentrum der Israelitischen Kul-tusgemeinde gewonnen, gibt es doch inMünchen vergleichsweise viele Gemeinde-mitglieder, die mit »mameloschn« großwurden. So auch Leo Milchiker, der dieEinladung des Historikers Samuel Kassowtatkräftig unterstützte. Kassow, Jahrgang1946, verbrachte seine frühe Kindheit alsDP-Kind in Wasseralfingen bei Aalen.Wenn er mit deutschen Kindern spielte,fiel ihm ihr »modnes« (seltsames) Jiddischauf. »Shmuel Kassow iz a groyser histori-ker, a meyvn (Experte) af der teme funVarshever geto«, wie Wiecki einführenderläuterte, »zayn mameloshn iz beemes(tatsächlich) di shprakh fun zayn mamefun a kleyn vaysrusish shtetl.«

WÜRDIGUNG 2010 war Kassows interna-tional vielbeachtete Studie Who will writeour history? Emanuel Ringelblum, the War-saw Ghetto and the Oyneg Shabes Archiveunter dem Titel Ringelblums Vermächtnisim Rowohlt Verlag erschienen. Sein Vor-trag über »A Historiker un a Kemfer: Ema-nuel Ringelblum in Varshaver Geto« wareine besonders gelungene Würdigung fürRingelblum, der als Anhänger der linkenPoale Zion und »Borochovist« (Anhängervon Ber Borochov) zionistisches, politi-sches Engagement und jiddische Kultur alsnatürliche Verbündete ansah. Er war »aKemfer gegen die Assimilatje« und über-zeugter Jiddischist, denn wer die jüdischenMassen liebe, müsse auch die jiddischeSprache lieben.

Kassow verwies in schönstem litwi-schem Jiddisch auf gerettete, weil vielerlei

vergrabene »Zeugnisse geformt durch Blutund Schmerz«, aus Auschwitz, Lodz, Bialy-stok, Vilnius und Warschau. Bei ihm heißtdas: »A Genisa gefilt mit Blut und Peyn«.

Emanuel Ringelblum (1900–1944) be-mühte sich darum, »dass Juden nicht alspassive Opfer betrachtet wurden, sondernals Teil eines aktiven kreativen Volkes«. Erglaubte an »Allejnhilf« – Selbsthilfe. DieAusweisung von 17.000 Juden aus Deutsch-land nach Polen im Oktober 1938 war einWendepunkt in seinem Leben gewesen. Ertrieb Küchen auf und sorgte für juristischeHilfe, war offensichtlich ein Organisations-talent. 1939 war er beim zionistischenWeltkongress in Genf – also in Sicherheit –gewesen. Doch er kehrte zu Frau Yehudisund Sohn Uri zurück. Zwei Wochen späterüberfielen deutsche Truppen Polen.

VERÄNDERUNGEN Ab Spätherbst 1940bekam Ringelblums Historiografie eine be-sondere Zielrichtung. In seinem Tagebuchnannte er »die Zeit vor dem Ghetto eineechte Idylle. Jeder Monat brachte tiefe Um-brüche, die das jüdische Leben grundle-gend änderten. Deswegen war es wichtig,jedes Geschehnis im jüdischen Leben so-fort zu fangen.«

Sein aus 60 Mitarbeitern bestehendesTeam nannte sich »Oyneg Shabes« (Schab-bat-Vergnügen), weil man jeden Samstagzusammenkam. Nur drei von ihnen über-lebten, nur einer wusste, wo die Sammlungvon Tagebüchern, Theaterplakaten, Stra-ßenbahnfahrkarten, Speisekarten, amtli-chen Ankündigungen und Fotos – Quellenfür eine Sozialgeschichte der polnischen

Juden im Ghetto – vergraben waren. Nurein Teil – 25.000 Dokumente – konnte 1946geborgen werden. Ringelblum gelang esmehrfach, Belege der organisierten Juden-vernichtung nach London zu schmuggeln.Eine Zeit lang glaubte er sogar, dass dasdeutsche Volk – vor allem die Sozialdemo-kraten und Kommunisten darunter – Hit-ler Einhalt gebieten werde.

Noch in seinem letzten Versteck in ei-nem Bunker auf der »arischen« Seite, imSüden Warschaus, schrieb er über die jü-disch-polnischen Beziehungen währenddes Krieges, laut Kassow »a Maysterwerk«.Anfang März 1944 wurde Ringelblum »ge-massert«, verraten, und mit seiner Familiein das berüchtigte Pawiak-Gefängnis ver-schleppt.

»A Historiker un a Kemfer«VORTRAG Samuel Kassow erinnerte an Emanuel Ringelblum

In der Vorstandssitzung am 11.6. wurden folgende

Themen öffentlich behandelt:

I. FRIEDHOFSERWEITERUNGZum Thema Friedhofserweiterung wurdedem Vorstand erläutert, dass in zehn Jahrenan der Garchinger Straße kein Platz mehrzur Verfügung stehen wird. Nach ausführ-licher Erläuterung des Themas durch Fach-leute beschließt der Vorstand eine Doppel-belegung, wie auch in anderen Ländern undin Israel üblich. Hier werden in erster LinieFamilienmitglieder übereinander und nichtmehr nebeneinander ihre letzte Ruhe finden.Ein vorgefertigter Betonrahmen sichert dasGrab und bildet auch eine natürliche Ab-grenzung zu Nachbargräbern.

II. BESUCH DER PIRATEN IN DER IKGAm 5. Juni besuchte eine Delegation der Pi-raten die IKG, unter anderem mit dem Kreis-vorsitzenden München, Holger van Len-

gerich, Alp Sezen und Peter Finkelgruen.Aufseiten der IKG waren Frau Präsidentin Dr.h.c. Charlotte Knobloch und die beiden Vize-präsidenten RA Peter Guttmann und MarianOffman vertreten.

In der hochinteressanten Aussprache be-tonten die Piraten, insbesondere ihr Spre-cher Alp Sezen, wiederholt die positive Ein-stellung zum Staat Israel generell und zumJudentum speziell. Man distanzierte sichausdrücklich von Personen, die diesbezüg-lich negative Äußerungen in der Vergangen-heit geäußert hatten. Man hofft schon baldauf einen Gegenbesuch in der Piratenge-schäftsstelle.

Besonders interessant ist auch die Per-sönlichkeit Peter Finkelgruen, ein jüdischerJournalist, in Shanghai geboren, nachdemdie Eltern während der Nazizeit dorthinflüchteten. Er wuchs dann später in derTschechien auf und war unter anderem Aus-landskorrespondent in Israel. Er verfolgteAnton Malloth, der für den Tod seines Groß-vaters verantwortlich war, und schrieb darü-ber auch zwei Bücher. Nach seiner eigenenAussage war er in der Jugend in der FDP Mit-glied und ist nun im Alter von 70 Jahren beiden Piraten gelandet.

III. LETZTE VORSTANDSSITZUNG INDIESER KADENZ

Die letzte Vorstandssitzung dieser Kadenzfindet am Montag, den 2.7.2012, um 19.30Uhr statt. Peter Guttmann

BERICHT AUS DEM VORSTANDKonzerte für Vielfalt FESTAKT Maccabis »Music for Goals« wird geehrt

»Aktiv für Demokratie und Toleranz« istMaccabi München seit Langem – und wur-de deswegen beim gleichnamigen Wettbe-werb in diesem Jahr als einer der Preisträ-ger gekürt. Der Festakt fand im AltenMünchner Rathaussaal mit der Ehrungvon insgesamt acht bayerischen Projektenstatt. Oberbürgermeister Christian Ude,Staatssekretär Max Stadler und die Bun-destagsabgeordnete Gabriele Fograscherwürdigten die Leistungen, mit denen sichdie jeweiligen Initiatoren auszeichnetenund die Anreiz für andere sind, es ihnengleichzutun.

Vor vier Jahren wurde der Sportvereinbereits als »Botschafter für Demokratieund Toleranz« vom damaligen Innenmi-

nister Wolfgang Schäuble ausgezeichnet(vgl. Jüdische Allgemeine vom 29. Mai 2008).Diesmal galt die Ehrung einem speziellenProjekt des TSV Maccabi, »Music forGoals«. Hier wurde eine Idee des Vereins-managers Maurice Schreibmann umge-setzt. Im Team mit Stefanie Schumann,Eberhard Schulz, Charles Logan und Frede-rik Hettich macht Schreibmann sich mitdiesem Projekt in Zusammenarbeit mitvielen, besonders mit seinem Sportvereinunter Präsident Robby Rajber, mit der Bay-erischen Landeszentrale für politische Bil-dungsarbeit und dem Bayerischen Fußball-Verband für Toleranz und ein Miteinanderstark.

Vier viel beachtete Konzerte haben in-zwischen stattgefunden: Mit Programmenvorwiegend aus Gospel und Soul setzendabei internationale Künstler ein Zeichen.Sie treten für eine bunte und gleichberech-tigte Vielfalt aller Menschen ein – ein Prin-zip, das Maccabi auch in seinem sport-lichen Alltag umsetzt. Bei der Ehrungkamen auch die Kinder und Jugendlichenzu Wort – musikalisch, versteht sich. Höhe-punkt bei dem Festakt war ein Gesangsauf-tritt von Gruppen, die in das Projekt»Music for Goals« eingebunden sind: dasIKG-Jugendzentrum Neshama, das PhormsMünchen und die Montessori-Schule Lands-berg. Miryam GümbelKinder und Jugendliche von Neshama

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Emanuel Ringelblum mit seinem Sohn (o.), Samuel D. Kassow (u.)

Wer die Juden liebe, dermüsse auch Jiddisch lieben, sagte Ringelblum.

Noch in seinem letztenVersteck schrieb er»a Maysterwerk«.

von Ellen Presser

Foto: Lisa Pleskow