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AUSGABE 2014/2015 | PERSPEKTIVEN FÜR IHR BERUFSLEBEN Job- chancen-- ohne-- Ausbildung BERUFLICHE-- MÖGLICHKEITEN Chancen nutzen und Wege ausprobieren BEWERBUNG Vorteile zur Geltung bringen NACHQUALIFIZIERUNG Schrittweise zum Abschluss

Jobchancen ohne Ausbildung - arbeitsagentur.de€¦ · kann, ist Angelika Otto ebenfalls zur Stelle. Umsichtigkeit, Einfühlungsvermögen und Geduld: Diese Eigenschaften sieht Angelika

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A U S G A B E 2 0 1 4 / 2 0 1 5 | P E R S P E K T I V E N F Ü R I H R B E R U F S L E B E N

Job­chancen­­ohne­­AusbildungBERUFLICHE­­MÖGLICHKEITENChancen nutzen und Wege ausprobieren

BEWERBUNGVorteile zur Geltung bringen

NACHQUALIFIZIERUNGSchrittweise zum Abschluss

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INHALT THEMENThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

JOBCHANCEN OHNE AUSBILDUNGSind Sie berufserfahren und engagiert, doch ohne Abschluss?

Darauf lässt sich aufbauen! Dieses Magazin regt dazu an, auf

ver schiedenen Wegen Qualifikationen nachzuholen und eine

Ausbildung abzuschließen. Beherzigen Sie die Bewerbungstipps

und machen Sie sich Ihre Stärken bewusst.

Einführung Weichen für die Zukunft stellen .......................................................................4

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PorträtsVon den Erfahrungen anderer lernen . .............................. 6

ChecklisteWelche Schlüsselqualifikationen habe ich? ........................................ 9

BewerbungWas zu beachten ist ...................16

NachqualifizierungVon Profis beraten lassen ..........18

Weitere ThemenInterviewQualifizieren und Externenprüfung ablegen ..........20

SpätstarterEs ist nie zu spät ........................ 22

TeilzeitausbildungDen Berufsabschluss neben der Kindererziehung nachholen .......24

IMPRESSUM HerausgeberBundesagentur für Arbeit, NürnbergFachredaktion: Team OS 13 – Informations- und Medien-management, Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg

VerlagMeramo Verlag GmbH, Gutenstetter Straße 8d, 90449 NürnbergTel. 0911 937739-0 Fax 0911 937739-99E-Mail: [email protected]

Redaktion BerufsfeldinformationenGesamtleitung: Rainer MöllerChefredaktion: Carmen FreyasRedaktion: Edith Backer, Leonore Straßner Art Direktor: Nero A. KaiserStellv. Art Direktorin: Viviane SchaddeLayout: Claudia Costanza, Katrin HartischTitelfoto: Thomas RieseWir fotografierten bei Partyservice – Metzgerei Wendler in Behringersdorf und bedanken uns für die freundliche Unterstützung.

AutorinnenSabine Olschner, Sabine Schrader

DruckAlpha print Medien AG, Darmstadt

RedaktionsschlussJuni 2014

HaftungsausschlussFür die Richtigkeit der Eintragungen kann – auch wegen der schnellen Entwicklung in Gesellschaft, Wirtschaft und Technik und der großen regionalen Unterschiede – keine Haftung übernommen werden. Bitte informieren Sie sich bei Ihrer Agentur für Arbeit, ob in der Zwischenzeit in ein-zelnen Punkten Änderungen eingetreten sind.

Copyright© Bundesagentur für ArbeitAlle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck, auch auszugs-weise, sowie jede Nutzung der Inhalte bedarf der vor-herigen Zustimmung des Verlags. In jedem Fall ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Bilder dürfen grund-sätzlich nicht genutzt werden. Mit Namen gekennzeich-nete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Herausgebers wieder.

BestellungenDas Heft kann über den Bestellservice der Bundesagentur für Arbeit im Internet bezogen werden: www.ba-bestellservice.de

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BERUFLICHE MÖGLICHKEITEN EINFÜHRUNGThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

WEICHEN FÜR DIE ZUKUNFT STELLEN Je besser die berufliche Qualifizierung, umso einfacher ist es, eine Stelle zu finden. Aber auch ohne eine abgeschlossene Ausbildung haben Sie Chancen, in einem Unternehmen Fuß zu fassen. Dazu ist jedoch Ihr Einsatz gefragt.

männer und Frauen ohne Ausbildung ha-ben es auf dem Arbeitsmarkt nicht im-mer leicht: Sie sind am häufigsten von

Arbeitslosigkeit betroffen. Fast die Hälfte der Arbeitslosen hat keinen Berufsabschluss. Und doch gibt es immer wieder Menschen, die es schaffen, auch ohne abgeschlossene Aus-bildung eine Arbeit zu finden. Was ist ihr Erfolgsgeheimnis? Höchstwahrscheinlich ist es eine Mischung unterschiedli-cher Faktoren: Sie haben viel Engagement gezeigt und den Willen, etwas dazuzulernen. Und sie haben zugegriffen, wenn sich ihnen die passenden Gelegenheiten geboten haben.

Anpacken und integrierenAber welche Arbeitsmöglichkeiten gibt es für Sie, wenn Sie keine abgeschlossene Ausbildung haben? Als Erstes können Sie versuchen, als Helfer oder Helferin eine Stelle zu finden. Damit haben Sie schon mal bei einem Unternehmen den Fuß in der Tür. Nun gilt es, zu zeigen, was Sie können und wel-che Fähigkeiten Sie mitbringen: Wenn Sie Ihren Arbeitgeber davon überzeugen, dass Sie zuverlässig sind, anpacken und sich gut ins Team einfinden, gibt es realistische Chancen, dass Sie eine längerfristige oder sogar eine unbefristete Stelle angeboten bekommen. Bei passender Gelegenheit

können Sie natürlich auch danach fragen. Zeigen Sie Enga-gement, indem Sie nicht nur nach den Anweisungen Ihres Chefs arbeiten, sondern überlegen, wie Sie selber den Kol-legen und Kolleginnen weiterhelfen können. Vielleicht wird ja im Unternehmen auch eine Stelle ausgeschrieben, auf die Sie gut passen? Halten Sie die Augen und Ohren offen, um zu erfahren, was sich in Ihrer Abteilung oder in anderen Bereichen der Firma tut.

Mit Weiterbildung punktenWenn Sie sich bewähren, wird Ihr Arbeitgeber wahrschein-lich bereit sein, weiter in Sie zu investieren, damit Sie noch besser für ihn einsetzbar sind. Ein guter Tipp: Nutzen Sie die Weiterbildungen, die angeboten werden, oder kümmern Sie sich selbst um eine Teilnahme. Wenn Sie zum Beispiel im Lager arbeiten, können Sie einen Gabelstapler-Führerschein machen. Wer im Gesundheitswesen angestellt ist, kann einen Sanitäterschein erwerben, und in der Gastronomie Tätige können einen Servierkurs absolvieren. Mithilfe der Kenntnisse, die Sie sich bei den Weiterbildungen aneignen, können Sie innerhalb des Unternehmens – oder bei einem

Stellenwechsel – Ihre Chancen erhöhen, woanders einge-setzt zu werden. Außerdem wird die Arbeit wahrscheinlich abwechslungsreicher, wenn Sie mehr wissen und sich die Aufgabenbereiche auch mal ändern.

Die beste Weiterbildung ist natürlich die, die Sie zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung führt. Denn damit ha-ben Sie die besten Aussichten auf einen sicheren Job und mindern das Risiko von Arbeitslosigkeit. Falls Sie es nach der Schule – aus welchen Gründen auch immer – nicht ge-schafft haben, einen Abschluss zu machen, brauchen Sie den Mut nicht zu verlieren: Eine Ausbildung lässt sich später nachholen. Im Rahmen der sogenannten Nachqualifizierung können Sie einen vollwertigen Abschluss erlangen. Und die gute Nachricht ist: Die Erfahrung, die Sie bereits als Helfe-rin oder Helfer gesammelt haben, können Sie sich anrech-nen lassen, sodass die Ausbildungszeit verkürzt werden kann. Wenn Ihnen der passende Schulabschluss zu Ihrem Wunschberuf fehlt, können Sie auch den nachholen. Es gibt zahlreiche Anbieter, die Menschen in solchen Situationen unterstützen. Bei den Agenturen für Arbeit können Sie sich über Ihre Möglichkeiten und die finanziellen Hilfen für pas-sende Maßnahmen beraten lassen.

Steigender FachkräftebedarfSie fragen sich vielleicht, ob sich der Aufwand einer Aus-bildung überhaupt noch lohnt? Auf jeden Fall, wenn man sich die Voraussagen anschaut: Diese besagen, dass es

bei den Fachkräften mit mittleren Qualifikationen ab Mit-te der 2020er-Jahre zu Engpässen kommen könnte, weil die geburtenstarken Jahrgänge langsam aus dem Arbeits-markt ausscheiden – obwohl bis dahin mit einer erhöhten Zuwanderung aus dem Ausland zu rechnen ist. Der Fach-kräftemangel auf dem Arbeitsmarkt, der sich jetzt schon in einigen Bereichen abzeichnet, wird sich bis dahin also noch verschärfen. Daher wird voraussichtlich jede helfende Hand gebraucht, die sich gut in ihrem Fach auskennt. Doch noch übersteigt die Zahl der Arbeitslosen die der offenen Stellen um das Dreifache. Allerdings vergeht einige Zeit, bis Sie einen Schul- beziehungsweise Berufsabschluss nachgeholt haben. Wenn Sie sich jetzt darum kümmern, die Weichen für Ihre berufliche Zukunft zu stellen, werden Sie bereit sein, wenn der Fachkräftemangel voll durchgreift. Dann können Sie direkt durchstarten. <

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Praktische Erfahrungen können Sie sich anrechnen lassen, um eine spätere Ausbildung zu verkürzen.

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Um nicht in der Masse unterzugehen, sollten Sie Besonde-res bieten — beispielsweise eine spezielle Qualifizierung.

praxistippSoft Skills – auch Schlüsselqualifikationen oder Sozi-alkompetenzen genannt – sind Fähigkeiten, die nicht mit dem fachlichen und beruflichen Wissen zusam-menhängen. Es handelt sich dabei um persönliche Eigenschaften wie Sorgfalt, Kreativität, Kommunika-tionsfähigkeit und Einfühlungsvermögen.

Sozialkompetenz ist beispielsweise bei der Arbeit im Hochbau vonnöten. Baustelle absperren, Gerüste auf-bauen und Betonbohrmaschine bedienen: Hier muss sich einer auf den anderen verlassen können, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Soft Skills sind im Berufsleben gefragt. Achten Sie darauf, dass sie im nächsten Arbeitszeugnis berück-sichtigt werden!

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BERUFLICHE MÖGLICHKEITEN PORTRÄTThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

D I E N S T L E I S T U N G

VOM MINIJOB ZUR HALBTAGSSTELLE

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Angelika Otto, Pflegehelferin,

ReinbekAngelika Otto suchte nach einer Tätigkeit, die sie in Kontakt mit anderen Menschen bringt. In einer Seniorenresidenz ist sie nun halbtags als Pflegehelferin beschäftigt.die 36-Jährige unterstützt die examinierten Kräf-

te bei der Versorgung und Pflege der älteren Menschen. Die Bewohnerinnen und Bewohner

der Kursana Villa Reinbek leben in Appartements, wo sie bei Bedarf Tag und Nacht betreut werden. „Ich bin für etwa 14 Bewohner zuständig“, erzählt Angelika Otto. „Der Kon-takt mit ihnen ist sehr intensiv. Inzwischen kenne ich ihre Vorlieben.“ Sich um die leiblichen Bedürfnisse zu kümmern, ist ebenso wichtig, wie sich ihnen menschlich zuzuwenden. Wenn die Pflegehelferin die Appartements betritt und bei-spielsweise das Frühstück serviert, ist meist Zeit für ein Gespräch: „Sich zu unterhalten, ist für die alten Menschen sehr wichtig. Die Bewohner wünschen sich, dass ich ihnen zuhöre, und fragen auch, wie es mir selbst geht“, sagt sie. Ist einer von ihnen erkrankt, sind oft besonderer Trost und Zuspruch notwendig. Und wenn jemand Hilfe beim Anziehen der Strümpfe braucht oder die Jacke nicht allein zuknöpfen kann, ist Angelika Otto ebenfalls zur Stelle. Umsichtigkeit, Einfühlungsvermögen und Geduld: Diese Eigenschaften sieht Angelika Otto als ihre persönlichen Stärken an – und die kann sie in ihrem Beruf gut einsetzen. Damit gelingt es ihr, gelassen zu bleiben und beispielsweise berechtigte Kritik positiv für sich zu nutzen und dazuzulernen.

Auf eine Stellenanzeige beworbenZuvor hat Angelika Otto bei einem Reinigungsunternehmen gearbeitet. Mit den körperlichen Anforderungen der Arbeit kam sie gut zurecht. Dennoch entsprach sie nicht dem, was sie sich wünschte: „Immer wenn ich die Treppenhäuser ge-reinigt habe, merkte ich, wie sehr mir der Kontakt zu den Menschen fehlt.“ Als sie in der Lokalzeitung das Stellenan-gebot der Seniorenresidenz las, bewarb sie sich spontan. „Ich habe gedacht, ich kann es ja einfach mal versuchen“, erinnert sie sich. Angelika Otto griff zum Telefonhörer und fragte nach einem Vorstellungsgespräch. „Nachdem ich eine Einladung bekommen hatte, bin ich mit meiner

Bewerbungsmappe zu dem Termin gegangen“, berichtet sie. Das Gespräch mit der Leiterin der Einrichtung verlief positiv. Bevor Angelika Otto, die die Schule mit einem Realschulab-schluss beendet hat, als Minijobberin startete, wurde sie intensiv eingearbeitet. „Die Pflegekräfte haben mir genau gezeigt, worauf es im Umgang mit den älteren Menschen ankommt. Auch jetzt kann ich mich bei Fragen jederzeit an sie wenden“, stellt sie fest.

Die Situation ändert sichNachdem die Pflegehelferin vierzehn Monate gearbeitet und sich durch ihr Engagement bewährt hatte, konnte sie im vergangenen Jahr einen Arbeitsvertrag für eine Halbtags-stelle unterschreiben. Manchmal ist sie auch am Wochen-ende in der Residenz: „Das ist kein Problem für mich. Die Dienstpläne werden lange im Voraus gemacht und ich kann mich darauf einstellen“, sagt sie. Außerdem hat sie nun die Möglichkeit, gelegentlich an der Rezeption zu arbeiten: Sie nimmt Telefonate an und kümmert sich um den Versand von Informationsmaterial, das von Interessierten angefordert wird. Zudem vereinbart sie Termine für die Bewohnerinnen und Bewohner, wenn diese zum Friseur oder zur Fußpflege möchten.

Angelika Otto ist mit ihrer derzeitigen Arbeitssituation zu-frieden. „Später kann ich mir vorstellen, Vollzeit zu arbeiten, im Moment geht das noch nicht“, erklärt die Mutter eines behinderten Sohnes. Aus ihrer Sicht lohnt es sich, auch ohne formalen Berufsabschluss aktiv auf Arbeitgeber zuzu-gehen. „Man darf die Hoffnung nicht aufgeben. Um einen Einstieg zu finden, kann man zum Beispiel auch ein Prak-tikum machen oder seine Arbeitskraft für einen Probetag anbieten.“ Sofern jemand Arbeitslosengeld bezieht, muss das jedoch mit der Agentur für Arbeit abgestimmt werden. <

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Frühstück servieren, Zeit für ein Gespräch haben, telefonisch Termine vereinbaren: Die Arbeitsaufgaben sind vielfältig.

praxistippArbeitgeber interessieren sich nicht nur für Ihre sozialen Stärken, sondern auch für Ihre fachlichen Kompe tenzen. Diese haben Sie entweder bereits durch praktische Erfahrungen erworben oder sie gehören zu Ihren ganz persönlichen Interessen. Hier finden Sie einige Beispiele mit passenden Tätigkeitsbereichen.

• Ich kann gut mit Tieren umgehen. Helfer/innen in der Landwirtschaft oder im Be-reich Tierpflege füttern und pflegen Nutztiere, beschäftigen sie und beobachten ihren Gesund-heitszustand.

• Ich bin gerne im Freien tätig, auch bei weniger gutem Wetter. Helfer/innen im Gartenbau, in der Fisch- oder

• Forstwirtschaft halten sich viel draußen auf und verrichten hier einen Teil ihrer Arbeit.

• Ich arbeite gerne mit Menschen. Helfer/innen in der Altenpflege unterstützen pflegebedürftige Menschen im Alltag und begleiten sie in der Freizeit.

• Ich interessiere mich für Elektronik. Helfer/innen in der Elektrogerätemontage verbinden vorgefertigte Bauelemente zu fertigen Einheiten wie Elektroherden. Sie helfen auch im Kundenservice vor Ort.

• Ich bin körperlich fit und packe gern mit an. Helfer/innen im Ausbau schleifen Wände ab und helfen, Gerüste aufzubauen und Gebäude zu dämmen.

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BERUFLICHE MÖGLICHKEITEN PORTRÄTThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

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Man lernt nie aus, egal, wie alt man ist. Auch dank dieser Einstellung hat Christe-Maria Rombach eine unbefristete Stelle.

M E T A L L , M A S C H I N E N B A U

MUT ZUM NEUANFANGChrista-Maria

Rombach, Montagehelferin,

Furtwangen

Nach vielen Jahren in der Gastro-nomie hat Christa-Maria Rombach noch einmal etwas ganz anderes angefangen: Heute arbeitet die 55-Jährige in einem Metallbetrieb, der Getriebe herstellt.nach dem Hauptschulabschluss besuchte

Christa-Maria Rombach die kaufmännische Berufsfachschule, wo sie ihren Realschulab-

schluss machte. Aus der geplanten Ausbildung wurde dann leider nichts, „denn ich wurde schwanger und habe geheira-tet“, erinnert sie sich. Ihr Mann hatte einen Gastronomiebe-trieb, und somit war es für sie selbstverständlich, im eigenen Familienbetrieb zu arbeiten und die verschiedensten Tätig-keiten in Service und Küche zu verrichten. Mit mittlerweile zwei Kindern war sie mit diesem Teilzeitjob gut ausgelastet. Zusätzlich hat sie mehrere IHK-Seminare besucht, etwa zu den Themen Wirtschaftsführung, Servicetechniken und Um-gang mit Gästen, und sich so kontinuierlich weitergebildet.

Interne Stelle ausgeschriebenAls ihr Mann den Gastronomiebetrieb aufgeben musste, fand Christa-Maria Rombach schnell eine Stelle in einem Hotel-Café mit Konditorei, wo sie zwölf Jahre tätig war. „Der Hauptgrund für die Kündigung war mein Wunsch nach einer beruflichen Veränderung“, erklärt sie. Daraufhin begann sie eine Umschulung über die Agentur für Arbeit, die sie jedoch wieder abbrechen musste, „da der ausbildende Betrieb die Lerninhalte nicht ausreichend vermitteln konnte“. Was also tun? Die damals 50-Jährige gab nicht auf und bewarb sich

bei einer Zeitarbeitsfirma. So kam sie zur Firma B. Ketterer Söhne in Furtwangen, einem Spezialisten für mechanische und elektromechanische Antriebe für höhenverstellbare Arbeitsplätze in Büros und Werkstätten. „Hier hat es mir von Anfang an gut gefallen, sodass ich mich direkt auf eine Stelle, die intern ausgeschrieben wurde, beworben habe und angenommen wurde.“ Besonders hilfreich fand sie, dass zu Beginn ihrer Arbeit bei dem Getriebehersteller immer jemand da war, der ihre Fragen beantwortet hat – zum Bei-spiel ein Meister, ein Vorarbeiter oder auch die Kolleginnen und Kollegen. „So verlief die Einarbeitung hervorragend.“ Seit mittlerweile drei Jahren ist sie unbefristet in dem Me-tallbauunternehmen beschäftigt.

Abwechslungsreiche Tätigkeit„Hätte man mir zehn Jahre vorher gesagt, dass ich mal in einer Fabrik arbeiten würde, hätte ich abgewunken“, erin-nert sich die Montagehelferin lachend. „Heute wundere ich mich, warum ich das nicht viel früher gemacht habe.“ In der Werkshalle montiert Christa-Maria Rombach zusammen mit Kollegen an Montage-Inseln die Motoren und stellt die Brem-sen korrekt ein. „Das ist keine Fließbandarbeit, bei der man den ganzen Tag nur einen Handgriff macht“, betont sie. „Da ich immer wieder an anderen Motoren eingesetzt werde, ist die Arbeit sehr abwechslungsreich.“ Dabei steht sie nicht an der Maschine, sondern montiert alles in Handarbeit. Für ihre Arbeit musste sie unter anderem lernen, mit den passenden Werkzeugen umzugehen.

Altersgemischtes TeamIn ihrer Gruppe arbeiten sechs Leute, sie gehört zu den älteren Kollegen. „Wir verstehen uns alle sehr gut, der Al-tersunterschied hat nie eine Rolle gespielt.“ Dass sie mit 50 Jahren noch einmal etwas komplett anderes angefangen hat, war für Christa-Maria Rombach auch kein Problem: „Ich wollte es mir noch mal beweisen und habe tatsächlich fest-gestellt: Man lernt nie aus, egal, wie alt man ist“, lautet ihre Überzeugung. „Vielleicht dauert es mit dem Lernen etwas länger als bei jüngeren Leuten – aber man muss einfach den Mut haben, noch mal etwas Neues auszuprobieren, egal, wie alt man ist.“ Im Nachhinein bedauere sie es natürlich, nach der Schule keine Ausbildung gemacht zu haben. Und als sie die Branche wechselte, wunderte sie sich ein biss-chen über sich selbst und ihre Zielstrebigkeit. „Aber heute bin ich schon stolz darauf, es noch mal versucht und auch ohne Ausbildung geschafft zu haben.“

Zwölf Jahre bleiben Christa-Maria Rombach noch bis zur Rente – und wenn es nach ihr ginge, würde sie gern bis da-hin bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber bleiben. Vielleicht er-gibt sich in der Zwischenzeit die Gelegenheit, die eine oder andere kleine Weiterbildung zu machen, zum Beispiel im Bereich Qualitätsmanagement. Aber auch auf ihrem aktuel-len Arbeitsplatz in der Montage zu bleiben, würde ihr schon genügen, „denn das Wichtigste ist doch, dass man sich bei der Arbeit wohlfühlt“. <

Checkliste SchlüsselqualifikationenDer Einstieg ins Arbeitsleben kann auch ohne Berufsab-schluss gelingen. Abgesehen von fachlichen Qualifika-tionen und Berufserfahrung zählen für viele Arbeitgeber auch die sozialen Kompetenzen ihrer Mitarbeiter – wie Teamfähigkeit, Selbstdisziplin oder Einfühlungsvermö-gen. Kennen Sie Ihre Schlüsselqualifikationen? Wenn Sie sich dieser bewusst sind, können Sie selbstbewusst auftreten und so Ihre zukünftigen Vorgesetzten von sich und Ihren Fähigkeiten überzeugen. Kreuzen Sie an, was auf Sie zutrifft:

□ Ich kann gut rechnen und habe ein Gefühl für Preise. > Zahlenverständnis

□ In Gesprächen kann ich mich klar und verständ-lich ausdrücken und meine Argumente überzeu-gend vorbringen. > Kommunikationsvermögen

□Anderen Menschen gegenüber verhalte ich mich freundlich und zuvorkommend. Mir ist wichtig, meinen Mitmenschen ein gutes Gefühl zu vermitteln. > Höflichkeit

□ Ich höre richtig zu, um die Wünsche von Kunden und Patienten zu ergründen. > Konzentrationsfähigkeit

□ Ich halte Vereinbarungen und Termine ein. Mit persönlichen Informationen gehe ich vertraulich um. > Verantwortungsbewusstsein

□ Ich kann mich schnell auf neue Arbeitsbedingun-gen und Anforderungen einstellen. > Flexibilität

□ Es ist wichtig für mich, nicht stehen zu bleiben und mir stets neues Wissen anzueignen. > Lernbereitschaft

□Auch unter Zeitdruck oder schwierigen Arbeits-bedingungen kann ich gut arbeiten. > Belastbarkeit

□ Ich lerne schnell und kann Neues schon nach kurzer Einarbeitungszeit umsetzen. > Lernfähigkeit

□ Ich bin motiviert und in der Lage, mich voll einzusetzen. > Leistungsbereitschaft

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Auch wenn die Zeit manchmal knapp ist, bleibt der Kurierfahrer gelassen und setzt auf gute Organisation.

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FRÜH AUFSTEHEN LOHNT SICH

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Nasser Qamari, Helfer für Kurier-, Zustell- und Post-dienstleistungen,

Hamburg

Der gebürtige Afghane Nasser Qamari arbeitet bei einem Kurier- und Expressdienst. Dass der 31-Jährige auch ohne abgeschlossene Ausbildung beruflich Fuß gefasst hat, verdankt er seiner hohen Motivation und einer engagierten Chefin.von seinem Geburtsort Herat bis in die Hansestadt

Hamburg ist es ein langer Weg. Nasser Qamari verließ mit seinen Eltern Afghanistan, als er zwei

Jahre alt war. Zunächst fand die Familie eine neue Heimat im Iran, wo der junge Afghane Abitur machen konnte. Als er vor mehr als zehn Jahren in die Bundesrepublik kam, sah

er sich mit ungeahnten Hindernissen konfrontiert: „Es war schwer für mich, dass ich nicht arbeiten durfte. Denn des-halb war ich nach Deutschland gekommen.“ Da er lediglich eine Duldung besaß, die alle drei Monate verlängert wurde, war ihm die Arbeitsaufnahme untersagt.

„WENN MAN EINE ARBEIT FINDEN MÖCHTE, SOLLTE MAN

FLEXIBEL SEIN.“

Nasser Qamari bemühte sich intensiv, die deutsche Spra-che zu lernen. „Zunächst besuchte ich eine Hauptschule. Da meine Leistungen gut waren, durfte ich auf eine Realschule wechseln. Dann habe ich eine Ausbildung zum Technischen Zeichner begonnen, ohne sie abzuschließen.“ Um eine Auf-gabe zu haben und seine Sprachkenntnisse zu verbessern, trat er damals gleich in mehrere Sportvereine ein. „Ich habe mich viel umgehört, welche beruflichen Möglichkeiten es gibt“, sagt der talentierte Tischtennisspieler.

Kontakte in der Freizeit geknüpftWährend des Sports lernte er schließlich Valeska Breyer-Singh kennen, die Hamburger Stationsleiterin von GO! Express & Logistics. Nasser Qamari wurde ihr Trainer. Schnell war sie von seiner hohen Motivation und Einsatz-bereitschaft überzeugt. Die Geschäftsleiterin machte sich stark dafür, dass er eine Ausbildung zum Bürokaufmann in ihrem Unternehmen beginnen konnte. „Dass ich sie nicht abgeschlossen habe, liegt daran, dass die Anforderungen in Deutsch sehr hoch waren“, stellt Nasser Qamari rückbli-ckend fest. „Um die Ausbildung zu Ende zu bringen, hätte ich sie um ein halbes Jahr verlängern müssen. Weil ich eine Familie gründen wollte, war es mir wichtiger, ausreichend Geld zu verdienen.“

Mit dem Unternehmen vertrautNasser Qamari war eingearbeitet, kannte die Strukturen der Firma und kam gut mit den Kolleginnen und Kollegen aus. Mittlerweile besaß er außerdem eine unbefristete Aufent-haltserlaubnis. Seine Chefin bot ihm daher eine Stelle als

Springer an. Seitdem arbeitet der 31-Jährige in der Früh-schicht des Kurierdienstes. Sein Arbeitstag beginnt um 5 Uhr 45 und endet um 14 Uhr 15. „Frühmorgens werden fünf bis zehn Tonnen Sendungen angeliefert, die abgefertigt werden müssen“, erzählt er. Und das bedeutet: Alle Liefe-rungen werden auf ein Band gelegt, die Adressen und Ab-sender eingescannt. Anschließend werden alle Sendungen gefilmt, sodass später nachvollziehbar ist, welche Form und Größe sie haben. Im letzten Schritt werden die Lieferungen auf Touren verteilt. „Inzwischen sehe ich anhand der Ham-burger Postleitzahlen, wohin die Lieferungen gehen und wie sie am besten eingeteilt werden können“, sagt Nasser Qamari. Er übernimmt Sendungen, die besonders dringend sind und aus unterschiedlichen Gründen nicht auf andere Fahrerinnen und Fahrer verteilt werden können. Er liefert beispielsweise Medikamente an Arztpraxen oder Prothesen an Kliniken, die schnell gebraucht werden – vom Kniegelenk bis hin zur Herzklappe.

Flexibel und gut organisiertDer Familienvater mag den Kontakt mit den Menschen. „Viele gehören bereits seit Jahren zu den Kunden. Daher weiß ich, in welchem Büro bereits um 7 Uhr morgens je-mand anzutreffen ist, um die Sendung in Empfang zu nehmen, und welcher Kunde erst ab 9 Uhr in seine Ge-schäftsräume kommt.“ Auch wenn es in seinem Job auf eine pünktliche Lieferung ankommt, bleibt der Kurierfahrer gelassen und vertraut stattdessen auf sein gutes Organisa-tionstalent. „Wenn man eine Arbeit finden möchte, sollte man flexibel sein. Man sollte irgendwo beginnen und auch bereit sein, früh aufzustehen, ohne große Bedingungen zu stellen“, findet Nasser Qamari, der seit 2013 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. <

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Wer berufsbedingt viel im Auto unterwegs ist, kennt zwar seine Strecke ganz genau, sollte aber während der Fahrten dennoch aufmerksam bleiben.

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BERUFLICHE MÖGLICHKEITEN PORTRÄTThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

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MÖGLICHST VIEL SPEZIAL-WISSEN SAMMELN

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Vor Produktionsbeginn gibt Wajdi Saadaoui wichtige Daten am Maschinenleitstand ein.

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Wajdi Saadaoui, Produktionshelfer,

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In der industriellen Glasherstellung kennt sich Wajdi Saadaoui mittler-weile recht gut aus. Er sammelt in diesem Bereich so viel Erfahrung wie möglich, um sich langfristig den Traum einer beruflichen Selbstständigkeit in seinem Heimatland zu erfüllen.als Wajdi Saadaoui seinen Realschulabschluss in

Tunesien ablegte, hatte er eine ganz konkrete Vorstellung von seiner beruflichen Zukunft. Er

machte eine Ausbildung als Buchhalter und wollte zugleich Profifußballer werden. Die sportliche Karriere verlief erfolg-reich und warf zugleich Probleme auf. „Leider ließ sich die Arbeit nicht mit den Trainingseinheiten vereinbaren, sodass ich mich nach circa sechs Monaten dafür entschieden habe, meinen Beruf aufzugeben, um mich voll auf die

Karriere als Fußballer konzentrieren zu können“, berichtet der heute 37-Jährige. Insgesamt arbeitete er sieben Jahre als Profisportler.

Im Alter von 25 Jahren emigrierte der junge Mann nach Deutschland und belegte zunächst für ein halbes Jahr einen Sprachkurs. Da Wajdi Saadaoui in seinem erlernten Beruf als Buchhalter keine Stelle fand, musste er sich in anderen

Branchen nach einer Aufgabe umsehen. Zu seinem jet-zigen Arbeitgeber kam er durch den Tipp eines Bekannten, der ihm von Hero-Glas berichtet hatte. Das im niedersächsi-schen Dersum ansässige Unternehmen stellt unter anderem gebogenes, beheizbares oder chemisch gehärtetes Glas her.

Im Arbeitsbereich eingewiesen Die Stelle erwies sich als Glücksgriff. Nach einer wenige Monate dauernden Startphase wurde Wajdi Saadaoui unbe-fristet eingestellt. „2010 bin ich aus persönlichen Gründen umgezogen und musste das Arbeitsverhältnis beenden.“ Als er ungefähr drei Jahre später ins Emsland zurückkehrte , konnte er wieder beim gleichen Arbeitgeber anfangen. Jetzt ist er in Vollzeit in der Produktionsabteilung tätig, wo er für die Bearbeitung von Gläsern zuständig ist. „Ich wurde natürlich in meinem Arbeitsbereich eingewiesen“, erzählt er. „Aber durch die regelmäßigen Abläufe gehen viele Tätig-keiten schnell in Routine über. Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit dem Werkstoff Glas haben wir durch einen Kollegen erworben, der an der Berufsbildenden Schule Papenburg Kurse für uns gegeben hat.“

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Wenn Fassaden aus Glas gestaltet werden, muss der Werk-stoff besonderen Anforderungen genügen und sorgfältig verarbeitet sein.

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HOHEN TERMINDRUCKS SEHR STRESSIG UND MAN MUSS

MEHR ALS 100 PROZENT GEBEN.“

Wajdi Saadaoui bedient eine Maschine, mit der er Modell-gläser und großformatige Gläser bearbeitet. Wenn seine Schicht beginnt, bespricht er mit dem Vorarbeiter während einer Übergabe die anfallenden Aufträge. Er bereitet die Glä-ser vor, steuert die Maschine und überwacht den Bearbei-tungsprozess. Der 37-Jährige ist mit der Situation zufrieden, denn er sagt über sich selbst: „Ich trage gern Verantwor-tung. Außerdem gefällt mir die Abwechslung in Bezug auf die Liefertermine und die verschiedenen Arbeitsschritte.“

Eingespieltes TeamIn all den Jahren hat sich Wajdi Saadaoui umfangreiches Wis-sen zum Thema Glas angeeignet, zu den unterschied lichen Produkten und Produktionsschritten. „Manchmal ist es auf-grund des hohen Termindrucks sehr stressig und man muss mehr als 100 Prozent geben“, stellt er fest. „Das Schöne ist, dass wir ein tolles Team sind, dass wir durch unsere Vorge-setzten motiviert werden und immer Zeit für ein kurzes Ge-spräch da ist. Das gibt mir das Gefühl der Wertschätzung.“

Dennoch plant Wajdi Saadaoui langfristig, in sein Heimat-land zurückzukehren. Dort will er sich selbstständig machen und zwar „auf jeden Fall im Bereich Glas. Daher möchte ich natürlich alle Produkte und Verfahren, die es im Bereich Flachglas gibt, genauestens kennen.“ <

infoMöchten auch Sie an einem Kurs teilnehmen, der Sie fachlich weiterbringt? In der Aus- und Weiter-bildungsdatenbank KURSNET finden Sie eine Vielzahl von Angeboten. Probieren Sie unter www.kursnet.arbeitsagentur.de die Suche mit Stichworten aus oder lassen Sie sich Schulungen anzeigen, die für einen Bildungsgutschein zugelassen sind. Ob Sie für eine Förderung in Frage kommen, müssen Sie vor Beginn der Weiterbildung mit Ihrer Agentur für Arbeit klären.

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BEWERBUNG INTERVIEWThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

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FRIEDERIKE HESSE

AUF ZUVERLÄSSIGKEIT KOMMT ES ANFriederike Hesse leitet die Personal­abteilung der Dussmann Group in Berlin. Das Dienstleistungs­unternehmen ist vor allem in der Gebäudereinigung, in der Schulver­pflegung sowie im Sicherheitsdienst tätig. Im Interview spricht sie über die Chancen von Menschen ohne Berufsabschluss.

Worauf kommt es bei einer Bewerbung an? Friederike Hesse: In allen Bereichen ist Vertrauen ein wichtiges Thema. Wir benötigen Menschen, die zu­verlässig sind. Unsere Recruiter [Anm.d.Red: Personal­beschaffer] achten darauf, dass dies in der Bewerbung deutlich wird.

Jemand hat keine formale Berufsaus­bildung. Worauf achten Personalverantwort­liche hier besonders?

Friederike Hesse: Wenn jemand keine fachliche Qualifikation mitbringt, sollte aus der Bewerbung her­vorgehen, wo er sich stattdessen engagiert hat. Das kann zum Beispiel die Familie sein. Uns interessiert nicht, aus welchen Gründen jemand die Schule abge­brochen oder die Ausbildung nicht zu Ende gemacht hat. Eine Bewerbung sollte das Gefühl entstehen las­sen, dass es sich um eine ehrliche Darstellung handelt.

Auch Sorgfalt spielt eine Rolle. An der Bewerbung kann man erkennen, ob sich eine Person Mühe gegeben hat und den Job wirklich haben möchte. Ob die Kommaset­zung im Bewerbungsanschreiben tatsächlich immer kor­rekt ist, ist uns dabei weniger wichtig.

Müssen Bewerberinnen und Bewerber mit einem komplizierten Auswahlverfahren rechnen?

Friederike Hesse: In der Regel nicht. Meist laden wir mehrere Bewerber ein und besprechen mit ihnen in der Gruppe die Art der Tätigkeit, den Einsatzort und die Ar­beitszeiten. Die Interessenten entscheiden dann, ob das für sie machbar ist.

Wie lassen sich die Chancen auf eine Stelle erhöhen?

Friederike Hesse: Oftmals müssen schnell neue Mitar­beiter gefunden werden, weil unser Unternehmen einen neuen Auftrag bekommen hat, etwa für die Gebäuderei­nigung. Die Bewerber können ihre Chancen verbessern, wenn sie flexibel und schnell verfügbar sind. Dennoch sollte die Arbeitsstelle natürlich für sie passen und mit den persönlichen Lebensumständen in Übereinstimmung zu bringen sein. Auch zwischenmenschliche Dinge spielen eine Rolle. Beispielsweise wirkt es sich für eine Reini­gungskraft positiv aus, wenn sie dem Kunden gegenüber eine gewisse Freundlichkeit ausstrahlt. Wenn jemand be­reits Vorerfahrungen hat und eine längere Zeit in einem anderen Unternehmen gearbeitet hat, ist das ebenfalls ein Pluspunkt.

Was ist besser: eine telefonische oder eine schriftliche Bewerbung?

Friederike Hesse: In jedem Fall ist eine schriftliche Bewerbung empfehlenswert. Sie kann auch per E­Mail ge­schickt werden. Interessante Bewerbungen werden von

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Trauen Sie sich, Neues auszuprobieren. Auf Vielfalt, gute Einfälle und Eigeninitiative kommt es an.

unseren Bereichsleitern gesammelt. Besteht aktuell kein Bedarf, greifen wir oft zu einem späteren Zeitpunkt auf diese Bewerbungen zurück und setzen uns telefonisch mit den Bewerbern in Verbindung.

Ist es ratsam, sich initiativ zu bewerben?Friederike Hesse: Neben Bewerbungen auf unsere Ausschreibungen können Initiativbewerbungen zum Erfolg führen. Wir möchten Menschen ohne Berufsausbildung ausdrücklich ermutigen, sich zu bewerben. Denn Arbeits­kräfte mit geringer oder keiner Qualifikation sind uns ebenso wertvoll wie qualifizierte Bewerber. In Regionen, in denen Vollbeschäftigung herrscht und viele Dienst­leister auf dem Markt sind, mangelt es bereits jetzt an geeigneten Mitarbeitern. Wir geben die Möglichkeit zur Weiterentwicklung in jeder beruflichen Phase – ob bei Berufsanfängern, Fachkräften oder Quereinsteigern. Auch ohne Schulabschluss kann man etwa in das Reinigungs­gewerbe einsteigen und sich zum Vorarbeiter und dann Objektleiter weiterentwickeln. <

praxistippBetonen Sie Ihre Stärken, indem Sie …

• … in Ihrer Bewerbung hervorheben, was Sie beson­ders macht und von anderen unterscheidet. Unter­nehmen achten auch auf die Persönlichkeit.

• … durch Engagement, Motivation und Begeisterung überzeugen. Bieten Sie genau das in der Stellenan zeige Gewünschte. Gehen Sie auf die dort beschriebenen Anforderungen ein.

Bleiben Sie im Gespräch mit anderen und beziehen Sie bei der Suche Ihren Bekanntenkreis mit ein, indem Sie …

• … gute Freunde fragen, was Sie als Mensch aus­zeichnet. Oft kommen hier wertvolle Tipps zu Eigen­schaften, die Ihnen vielleicht gar nicht einfallen und Sie dennoch im Beruf voranbringen können.

• … sich im Freundeskreis umhören, welches Unter­nehmen gerade freie Stellen zu besetzen hat oder für eine Initiativbewerbung infrage kommt.

Gehen Sie strategisch vor, indem Sie … • … sich beim jeweiligen Unternehmen erkundigen,

ob es ausführliche oder kurze Bewerbungen bevor­zugt. Eine vollständige Bewerbung besteht aus einem einseitigen Anschreiben, einem tabellarischen Lebenslauf und Nachweisen über berufliche Tätig­keiten, Zeugnisse und Praktika.

• … auf eine Mischung setzen aus gezielten Bewer­bungen und Schreiben, die Sie ohne konkrete Stellen­anzeige verschicken. Versenden Sie wöchentlich eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen.

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Die Arbeitsstelle und der persönliche Gesundheitszustand müssen zusammenpassen. Nur dann kann man sich seinen Aufgaben stellen und den Anforderungen gerecht werden.

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BEWERBUNG HINTERGRUNDThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

RICHTIG BEWERBENDie Chancen auf dem Arbeitsmarkt hängen wesentlich davon ab, wie gut Sie sich selbst vermarkten. Wenn Sie keinen formalen Berufs­abschluss haben, sollten Sie Ihre besonderen Fähigkeiten deutlich machen. An einem Bewerbungs­training teilzunehmen, kann hilfreich sein.

wenn Sie keinen Berufsabschluss nachweisen können, kommt es umso mehr darauf an, einen Arbeitgeber von Ihrer Einsatzbereit­

schaft und Ihrem Interesse an der Tätigkeit zu überzeugen. In der Regel empfiehlt sich eine schriftliche Bewerbung. Sie besteht aus einem einseitigen Anschreiben und einem Lebenslauf mit Foto. Falls vorhanden, fügen Sie das Ab­schlusszeugnis aus der Schulzeit sowie Nachweise über berufliche Tätigkeiten der Bewerbungsmappe bei. Ihre Un­terlagen können Sie per Post an das Unternehmen schicken oder persönlich abgeben. Häufig ist inzwischen eine Bewer­bung per E­Mail möglich. Achten Sie darauf, dass Sie dabei genauso sorgfältig vorgehen wie bei einer herkömmlichen Bewerbung, verschicken Sie Ihre Unterlagen nur über eine seriös klingende E­Mail­Adresse.

Selbst aktiv werden Im Anschreiben sollten Sie auf alle Anforderungen einge­hen, die in der Stellenanzeige beschrieben sind. Machen Sie deutlich, warum Sie diese erfüllen können, was Sie an der Aufgabe reizt und welche persönlichen Stärken Sie einbrin­gen. Auch wenn Sie keine Ausbildung abschließen konnten, hat es sicher in Ihrem Leben einige Stationen gegeben, an denen Sie Ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt haben: Wer zum Beispiel seit vielen Jahren eine Sportmannschaft trai­niert, kann mit anderen Menschen umgehen, ist kommuni­kativ und zuverlässig. Wer sich dagegen als Pflegehilfskraft bewirbt und bereits einen Erste­Hilfe­Kurs besucht hat, un­terstreicht die eigene Lernbereitschaft. Vielleicht üben Sie auch ein Hobby aus, bei dem Sie handwerkliche Fähigkeiten entwickelt haben.

Werden Sie aktiv: Wenn Sie eine Firma oder Branche be­sonders interessiert, brauchen Sie nicht zu warten, bis Sie eine Stellenanzeige im Internet oder in der Zeitung finden. Sie können sich jederzeit initiativ bewerben. Informieren Sie sich vorab über das Unternehmen und die Tätigkeiten, bevor Sie das Anschreiben formulieren. Sie können dazu das Internet nutzen und sich zum Beispiel bei Menschen erkundigen, die die Branche gut kennen oder dort sogar ar­beiten. Wenn Sie unsicher sind, wie Sie bei Ihrer Bewerbung am besten vorgehen, kann ein Bewerbungstraining hilfreich sein. Angebote hierzu finden Sie auch bei Ihrer zuständigen Agentur für Arbeit.

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WELCHE FÄHIGKEITEN BESITZEN SIE? WIE GEHEN SIE

MIT IHREN SCHWÄCHEN UM?

Oft entscheidet die Vielfalt. Das gilt auch bei der Wahl qualifizierter Bewerber.

Vorbereitet ins BewerbungsgesprächWenn Sie eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten haben, sollten Sie einige Regeln beachten. Wichtig sind ein pünktliches Erscheinen zum Termin, ordentliche Be­kleidung sowie ein höfliches Verhalten. In der Regel erfolgt ein Vorstellungsgespräch nach einem bestimmten Schema: Zunächst werden Sie freundlich begrüßt und erfahren et­was über die Firma und den Aufgabenbereich. Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie aufgefordert werden, sich selbst darzustellen. Warum haben Sie sich gerade bei diesem Be­trieb beworben? Welche Fähigkeiten bringen Sie mit? Was sind Ihre Stärken? Auf diese und ähnliche Fragen sollten Sie gut vorbereitet sein – auch auf kritische. Wie gehen Sie mit Ihren Schwächen um? Warum gab es beim letzten Arbeit­geber keinen Anschlussvertrag? Wieso haben Sie keinen nachweisbaren Abschluss?

Auf Zu- und Absagen reagierenZugegeben: Nicht jede Bewerbung führt zum Erfolg. Auch wenn Sie sich viel Mühe gegeben haben, dürfen Sie es nicht persönlich nehmen, wenn Sie eine Absage erhalten. Manchmal ist es ratsam, zum Telefonhörer zu greifen und freundlich nachzufragen, woran es gelegen hat. War Ihre Bewerbung nicht optimal, können Sie es beim nächsten Mal besser machen. Je mehr Bewerbungen Sie schreiben, desto

routinierter werden Sie darin, auf die jeweiligen Arbeitsplatz­anforderungen in Ihrem Anschreiben einzugehen.

Wenn Ihre Bewerbung erfolgreich war und Sie eine Zu sage bekommen haben, sollten Sie Ihren künftigen Arbeitgeber anrufen, um sich kurz zu bedanken. Oft lassen sich bei die­ser Gelegenheit schon die nächsten Schritte besprechen.

Alternativen abwägenGeben Sie nicht auf. Manchmal braucht es einen langen Atem, bis der Einstieg gelingt. Wenn Sie trotz mehrerer Be­werbungen keine Stelle gefunden haben, bietet vielleicht ein Praktikum die Chance, berufliche Erfahrungen zu sammeln und dazuzulernen. Viele Arbeitgeber lernen neue Mitarbei­terinnen und Mitarbeiter zudem gern über ein Praktikum kennen. Auch Minijobs bieten oft die Chance, den Einstieg in eine Branche zu finden. Bei einer geringfügigen Beschäf­tigung liegt Ihre Verdienstgrenze bei 450 Euro.

Eine weitere Möglichkeit, neue Branchen kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln, bietet ein Ehrenamt. Solche Tätigkeiten gibt es häufig im sozialen Bereich. Auch der Bundesfreiwilligendienst bietet Gelegenheit, Erfahrungen zu machen und zu überprüfen, welche Tätigkeiten zu einem passen. Abgesehen vom sozialen Bereich können Sie sich zum Beispiel im Sport, in der Kultur und Denkmalpflege oder im Zivil­ und Katastrophenschutz einbringen. Denken Sie daran, sich über alle Aktivitäten einen Tätigkeitsnachweis oder ein Zeugnis ausstellen zu lassen, um es der nächsten Bewerbung beizufügen. <

Zeigen Sie, was Sie können und dass Sie Engagement besitzen.

infoIn der erweiterten Suche der JOBBÖRSE können Sie gezielt nach „Stellen für Helfer“ recherchieren oder konkrete Berufe angeben. Beginnen Sie noch heute mit der Suche unter www.jobboerse.arbeitsagentur.de.

Sie wissen nicht genau, wie ein Anschreiben oder Ihr Lebenslauf aussehen muss? Dann werden Sie die E­Learning­Angebote zum Thema Bewerbung hilfreich finden. www.arbeitsagentur.de/Bewerbungstraining.

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WEITERBILDUNG NACHQUALIFIZIERUNGThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

STÜCKCHENWEISE ODER GANZSie arbeiten schon lange in einem Unternehmen oder in einer Branche und kennen sich deshalb bereits gut aus? Dann können Sie einen Berufsabschluss auf verschiedenen Wegen nachholen. Fo

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Christoph Eckhardt,

Geschäftsführer Qualinetz, Duisburg die Unternehmen beklagen zunehmend einen

Fachkräftemangel und sind daran interessiert, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

zu bekommen und zu halten. Was liegt also näher, als gering qualifizierte und erfahrene Beschäftigte weiterzu-bilden und sie zu Fachkräften zu machen? Das ist die Idee, die hinter der Initiative „Abschlussorientierte modu-lare Nachqualifizierung“ steckt. Einer der Teilnehmer der

Nachqualifizierungsinitiative ist die Duisburger „Qualinetz – Beratung und Forschung GmbH“, die sich in den vergange-nen Jahren als Weiterbildungsberatung etabliert hat. „Wir sind die Schnittstelle zwischen den Unternehmen, den Wei-terbildungsträgern und den Menschen, die sich weiterbilden wollen“, erklärt Geschäftsführer Christoph Eckhardt.

Voraussetzungen prüfenDie Zielgruppe für die abschlussorientierte modulare Nach-qualifizierung sind Menschen ab 25 Jahren, die keine Aus-bildung haben oder lange Jahre nicht mehr in ihrem Aus-bildungsberuf tätig waren. Christoph Eckhardt nennt als Beispiel einen ausgebildeten Erzieher, der wegen des bes-seren Verdienstes in die Logistikbranche gewechselt ist und dort zehn Jahre lang als Helfer gearbeitet hat. Weil er in der Logistik weiterkommen wollte, entschied sich der ehemalige Erzieher, eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik zu machen, die ihm einen Aufstieg im Unternehmen und damit auch eine bessere Bezahlung ermöglicht.

Wenn Helfer und Helferinnen ohne passende Ausbildung mehrere Jahre in einem Bereich gearbeitet haben, können sie sich zu Nachqualifizierungsangeboten beraten lassen – zum Beispiel bei Einrichtungen wie dem Qualinetz. „Zu-nächst prüfen wir, in welchen Bereichen sie Berufserfahrung gesammelt haben“, erläutert Christoph Eckhardt. Anhand von Arbeitszeugnissen oder anderen Nachweisen werden die Qualifikationen ermittelt. In Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer beziehungsweise der Industrie- und Handelskammer wird dann ein Qualifizierungsplan erstellt: Welche Kenntnisse sind schon vorhanden, welche müssen noch erworben werden? In einem sogenannten Kompetenz-feststellungsverfahren wird durch Selbst- und Fremdein-schätzung, Arbeitsproben und schriftliche Tests ermittelt, inwieweit die Arbeitszeugnisse mit den tatsächlichen Kennt-nissen übereinstimmen. Denn wer sich zur Externenprüfung anmelden will, soll die Sicherheit haben, die Prüfung auch bestehen zu können.

Bausteine erhöhen ChancenUm den Kenntnisstand zu analysieren, wurden für rund 20 Ausbildungsberufe Module auf der Grundlage von Ausbil-dungsbausteinen erarbeitet, die die einzelnen Ausbildungs-bestandteile abbilden. „Meist haben Helfer und Helferinnen die Inhalte mancher Module schon erlernt, während sie sich das Wissen aus anderen Bausteinen noch aneignen müs-sen“, sagt Christoph Eckhardt. Die Inhalte der fehlenden

Module lernen sie entweder in Zusammenarbeit mit einem Betrieb und/oder über einen Weiterbildungsträger. Am Ende steht die Abschlussprüfung vor einer der Kammern.

Je nach Ergebnis der Kompetenzfeststellung haben die Teilnehmenden der modularen Nachqualifizierung die Wahl, ob sie nur einzelne Module nachholen wollen oder alle – in Form einer verkürzten Ausbildung, oft Umschulung genannt. Christoph Eckhardt gibt zu bedenken, dass die meisten Un-ternehmen auf einen vollwertigen Berufsabschluss Wert legen. Auch für die Teilnehmenden sei es besser, alle Bau-steine abzuschließen, so Christoph Eckhardt, denn dadurch erhöhen sie ihre Chancen auf eine feste Stelle und einen beruflichen Aufstieg.

Mehr Theorie oder mehr Praxis?Bei der Auswahl geeigneter Weiterbildungsanbieter sollten die Teilnehmenden darauf achten, auf welche Weise das Wissen vermittelt wird, rät Christoph Eckhardt: „Manche Anbieter setzen auf theorielastige Lerninhalte, andere ver-knüpfen die Theorie mit den Aufgaben aus der Praxis, wie-derum andere bieten auch weitergehende Seminare an, zum Beispiel integrierte Sprachkurse.“ Im Grunde müsse jeder selbst entscheiden, welche Art des Lernens ihm am besten liegt.

Finanziell unterstützt werden die Teilnehmenden unter Umständen über Bildungsgutscheine der Agenturen für Ar-beit. Arbeitgeber können Arbeitsentgeltzuschüsse für die Freistellung zur Teilnahme an der Weiterbildung beantragen. So erhalten Beschäftigte weiterhin ihren Lohn. Bei Arbeitslo-sen läuft das Arbeitslosengeld weiter. Zu den Details der För-dermöglichkeiten beraten gern die Agenturen für Arbeit. <

20AUSBILDUNGSBERUFE LASSEN SICH IN EINZELNEN MODULEN

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Fremdsprachen helfen bei vielen Tätigkeiten weiter. Kennt-nisse aus der Schulzeit lassen sich schnell auffrischen.

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Lernen Sie lieber theoretisch oder liegt Ihnen die Praxis mehr? Meist empfiehlt sich eine Mischung aus beidem.

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WEITERBILDUNG INTERVIEWThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

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STEFAN KASTNER

UNBEDINGT EINEN BAUSTEIN BEENDEN Stefan Kastner leitet bei der IHK Nürnberg das Referat Ausbildungs-betreuung und Bildungsberatung. Im Interview berichtet er von einem Pilotprojekt: Arbeitslose Erwachsene ohne Berufsabschluss und Gering-qualifizierte, die älter als 25 Jahre sind, können hier einzelne Teil - quali fikationen absolvieren und idealerweise schließlich die Externenprüfung ablegen.

Herr Kastner, was genau sind Teilqualifikationen?

Stefan Kastner: Es handelt sich dabei um abge-grenzte Lerneinheiten, die aus einer aktuellen Berufs-ausbildung abgeleitet sind. Zwar gehören sie zu einer Gesamtstruktur, lassen sich jedoch einzeln absolvieren. Auf diese Weise sollen sie helfen, den Einstieg auf den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Ein Baustein bezie-hungsweise eine Einheit besteht aus einigen Wochen Theorie, einem Praktikum in einem Betrieb und zusätz-lichen praktischen Anteilen in den Lehrwerkstätten. Im Idealfall legen Absolventen nach zwei Jahren die Ex-ternenprüfung ab und haben damit einen vollwertigen Berufsabschluss.

Für welche Berufe beziehungsweise in welchen Tätigkeitsfeldern werden Teil­qualifikationen angeboten?

Stefan Kastner: Derzeit gibt es für circa 20 IHK-Berufe im kaufmännischen und technischen Bereich Ausbildungsbausteine, beispielsweise für den Indus-triemechaniker. Davon abgesehen gibt es großen

Bedarf im Bereich Hotel und Gaststätten. Hier gehen die Ausbildungszahlen seit Jahren zurück und es ar-beiten viele Angelernte in dem Umfeld. Deswegen gibt es in diesem Jahr erstmals eine Teilqualifikation in der Systemgastronomie.

Es handelt sich um ein zeitlich begrenztes Pilotprojekt einzelner Industrie­ und Handels­kammern und der Bundesagentur für Arbeit. Welche IHKs sind daran beteiligt?

Stefan Kastner: Das Verfahren wird vorerst bis Ende August 2015 erprobt. Abgesehen von der IHK Nürnberg und der IHK München, die seit 2011 daran arbeiten, sind mittlerweile auch Berlin und Hannover dabei. Beteili-gen können sich bundesweit alle Kammern. Es gibt beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag einen steu-ernden Kreis, der sich im vergangenen Jahr erstmals mit Kammervertretern aller Bundesländer getroffen hat. Aller-dings ist es in kleinen Kammerbezirken nicht ganz leicht, weil genügend Interessierte zusammenkommen müssen.

Muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wenn man sich für eine Teilqualifi­kation interessiert? Wie geht man die Sache konkret an?

Stefan Kastner: Am besten wendet man sich an seine zuständige Agentur für Arbeit, die alle Details klärt und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorschlägt. Die Vermitt-ler wiederum gehen auf die jeweilige IHK zu, sobald eine ausreichend große Gruppe beisammen ist. In der Regel sind es ungefähr 15 Anwärter. Letzten Endes entscheidet der jeweilige Bildungsträger, ob er eine Maßnahme auch mit weniger Teilnehmern durchführt.

Wir führen zunächst mit der Agentur für Arbeit eine In-formationsveranstaltung beim Bildungsträger durch, also zum Beispiel dem bfz oder dem Euro-Bildungswerk. Daran anschließend absolvieren Interessierte den IHK-Kompe-tenzcheck. Aufgrund der Ergebnisse wählen wir mit dem Bildungsträger die Teilnehmer aus. Nach dem ersten Aus-bildungsbaustein, also nach sechs Monaten, steht dann eine sogenannte Kompetenzfeststellung an.

Wie läuft so etwas ab?Stefan Kastner: Eine Kompetenzfeststellung wird von der IHK abgenommen und dient dem Abschluss einer Qualifizierungsmaßnahme. Dazu wird ein Team gebildet, das aus mindestens drei Personen besteht. Sie sind Mit-glieder des Prüfungsausschusses im zuständigen Ausbil-dungsberuf. Zur Kompetenzfeststellung vor diesem Team werden nur Teilnehmer zugelassen, die einen bestimmten Praxisanteil ohne Fehlzeiten durchlaufen haben. Es gibt ei-nen schriftlichen und einen mündlichen beziehungsweise praktischen Teil. Wer diese Kompetenzfeststellung erfolg-reich bestanden hat, erhält ein Zertifikat. Es weist das Ergebnis genau aus und wird von der IHK Nürnberg für Mittelfranken unterzeichnet.

Gibt es schon Menschen, die eine Kompetenz­feststellung erfolgreich absolviert oder sogar die Externenprüfung abgelegt haben?

Stefan Kastner: Ja, hier in Nürnberg haben wir zum Bei-spiel schon fünf Industriemechaniker sowie fünf Maschi-nen- und Anlagenführer, die die Externenprüfung bestan-den haben.

Der bisherigen Erfahrung nach zu urteilen, läuft es oft folgendermaßen: Jemand macht erst einmal sechs Monate lang eine Einheit, besteht die Kompetenzfeststellung und wird dadurch zum Fortsetzen mit dem nächsten Bau-stein motiviert. Es kam auch schon vor, dass Teilnehmer geradewegs in eine Gruppenumschulung wechselten, die auf zwei Jahre ausgelegt ist und direkt auf die Abschluss-prüfung vorbereitet. In anderen Fällen haben Teilnehmer zwischen einzelnen Bausteinen einige Zeit gearbeitet und dann ihre Qualifizierung mit dem nächsten Modul fortge-setzt. Auch das ist machbar.

Mit welchen Kosten müssen die Teilnehmerin­nen und Teilnehmer rechnen?

Stefan Kastner: Um die Finanzen kümmert sich die Agentur für Arbeit. Sie stellt unter gewissen Vorausset-zungen einen Bildungsgutschein aus und übernimmt sogar die entstehenden Fahrtkosten.

Sind die Teilqualifikationen schon allgemein bekannt?

Stefan Kastner: Im vergangenen Jahr gab es eine große Veranstaltung bei der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit, um das Projekt zuerst bei den Agenturen für Arbeit vorzustellen. Diese stehen in engem Kontakt mit Arbeitgebern, denen die Teilqualifikationen vor allem durch Praktika bekannt sind.

Uns von der IHK ist es wichtig, dass Projektteilnehmer einen Baustein beenden und nicht nach einem Praktikum vor lauter Begeisterung über die praktischen Tätigkeiten gleich im Betrieb bleiben. Schließlich erhöht ein Zertifikat oder sogar der Berufsabschluss die Chancen am Arbeits-markt um ein Vielfaches. <

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Zur Kompetenz-feststellung wird zugelassen, wer

einen Praxisanteil ohne Fehlzeiten durchlaufen hat.

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WEITERBILDUNG ANDERE WEGEThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

GUTE CHANCEN FÜR SPÄTSTARTER

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Dietmar Allenstein, Teamleiter Arbeitsver-

mittlung, Berlin

Die meisten machen direkt nach der Schule eine Berufsausbildung. Aber auch wenn Sie älter sind als 25 Jahre, können Sie einen beruf-lichen Abschluss erlangen – über die Initiative „Erstausbildung junger Erwachsener“.

warum jemand nach der Schule keine Aus-bildung absolviert hat, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass er nun eine hohe Motiva-

tion hat und bereit ist, eine Ausbildung nachzuholen. Dann können wir gemeinsam einen Weg finden“, erklärt Dietmar Allenstein, Teamleiter Arbeitsvermittlung bei der Arbeits-agentur Berlin-Mitte. Als Erstes schaut er sich zusammen mit dem Ausbildungswilligen dessen Schulabschluss an. „Mit einem Mittleren Abschluss ist die Auswahl an Beru-fen größer als mit einem Hauptschulabschluss“, sagt der Berater. Anschließend ermittelt er mit dem Ratsuchenden dessen Interessen und schaut, in welchen passenden Tä-tigkeitsfeldern Fachkräfte gesucht werden. Denn die Agen-turen für Arbeit können nur Berufe fördern, die später auf dem Arbeitsmarkt auch eine Chance haben. Haben Sie sich für einen Beruf entschieden, gibt es drei Wege, zu einem Abschluss zu gelangen:

1. Einzelumschulung in einem Ausbildungsbetrieb

Während einer dualen Ausbildung in einem Unternehmen er-lernen Sie den erwünschten Beruf. Die Ausbildungszeit wird um ein Drittel verkürzt – daher müssen Sie sehr motiviert sein, um das Lernpensum zu schaffen. Bei der Vermittlung eines Ausbildungsbetriebes hilft die Agentur für Arbeit.

2. Externenprüfung Wenn Sie in den vergangenen Jahren in einem Bereich ge-arbeitet haben, können Sie sich Ihre Berufserfahrung an-rechnen lassen und die sogenannte Externenprüfung vor der Handwerks- bzw. der Industrie- und Handelskammer

ablegen. Sie sollten dazu die eineinhalbfache Dauer der re-gulären Ausbildungszeit nachweisen können.

3. Überbetriebliche abschlussorientierte Weiterbildungen

Bei einem schulischen Weiterbildungsträger können Sie Qualifizierungen erlangen, die zu beruflichen Abschlüssen führen.

Für alle drei Wege können Sie Unterstützung von den Agenturen für Arbeit erhalten, zum Beispiel Zuschüsse für Lehrgänge, Fahrten, auswärtige Unterbringung und Ver-pflegung, Kinderbetreuung und umschulungsbegleitende Hilfen wie Nachhilfeunterricht. Bei einer betrieblichen Um-schulung erhalten Sie in der Regel vom Unternehmen eine Ausbildungsvergütung. <

infoSie haben Interesse daran, sich beruflich per E-Lear-ning weiterzubilden? Dann ist die die LERNBÖRSE exklusiv für Sie genau das richtige Angebot. Erweitern Sie so Ihre Sprachkenntnisse oder vertiefen Sie Ihr Wissen in Office 2010. www.arbeitsagentur.de/lernboerse.

Konkrete Angebote finden Sie in KURSNET unter www.kursnet.arbeitsagentur.de. Hier können Sie in der erweiterten Suche nach Umschulungen suchen.

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Alle Schulabschlüsse der allgemeinbildenden Schulen lassen sich auf dem zweiten Bildungsweg nachholen.

ES IST NIE ZU SPÄTWenn Sie es im ersten Anlauf nicht geschafft haben, die Grundlagen für einen soliden Beruf zu legen, gibt es Möglichkeiten, um wieder aufzuholen – zum Beispiel indem Sie einen Schul-abschluss oder eine Umschulung machen. ohne einen Schulabschluss ist es heutzutage

schwer, eine Arbeit zu finden. Je nach Ihrem be-ruflichen Ziel brauchen Sie einen Hauptschulab-

schluss oder einen mittleren Schulabschluss. Andere Berufe erfordern die Fachhochschulreife oder fachgebundene Hochschulreife oder sogar das Abitur, also die allgemeine Hochschulreife. Die gute Nachricht ist: Alle Schulabschlüs-se der allgemeinbildenden Schulen lassen sich auf dem so-genannten zweiten Bildungsweg nachholen. Für die Schul-fremdenprüfung können Sie entweder allein zu Hause lernen oder Vorbereitungskurse an Abend- oder Volkshochschulen belegen. Die schriftliche und mündliche Prüfung, die einmal im Jahr stattfindet, legen Sie vor den zuständigen Schulbe-hörden ab. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass Sie eine Abendschule oder eine Tageseinrichtung besuchen. Allerdings können Sie dann jeweils nur zu den Zeiten einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, in denen kein Unterricht ist und Sie nicht lernen müssen. Für welchen Weg Sie sich auch entscheiden: Zur Unterstützung dürfen Sie Schüler-BAföG oder einen Bildungskredit beantragen. Es kann sich ebenfalls lohnen, den Arbeitgeber nach einem Zuschuss zu

fragen. In jedem Fall lassen sich die entstehenden Ausga-ben als Werbungskosten oder Sonderausgaben steuerlich absetzen.

Auf Bestehendes aufbauenSie können nur auf einen anderen Beruf umschulen, wenn Sie über ausreichend berufliche Erfahrungen verfügen (ent-weder in Form einer bereits abgeschlossenen Ausbildung oder Berufserfahrung). Da eine Umschulung auf beruflichen Vorkenntnissen aufbaut, dauert sie nicht so lange wie eine Ausbildung. Als Abschluss bekommen Sie je nach Beruf einen Gesellenbrief oder einen IHK-Abschluss. Sie können für die Umschulung eine finanzielle Unterstützung von der Agentur für Arbeit erhalten. Die Entscheidung darüber fällt Ihr Berater, der Sie ausführlich informieren kann – zum Beispiel darüber, ob eine betriebliche oder eine schulische Umschulung sinnvoller ist. <

infoIm Themenheft „Weiter durch Bildung“ können Sie sich über Bildungswege, Abschlüsse und Finanzie-rungsmöglichkeiten informieren. Sie finden es unter www.arbeitsagentur.de/durchstarten > Weiter durch Bildung.

Auf der Unterseite Bildungswege > Nachholen von Schulabschlüssen > Wege zum Zweiten Bildungsweg gibt es wissenswerte Details zu den Regelungen der einzelnen Bundesländer.

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WEITERBILDUNG TEILZEITAUSBILDUNGThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

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Ilona Kiesen-bauer, Indus-triekauffrau, Ergersheim

Manche Mütter konnten wegen ihrer familiären Pflichten

nicht auf dem üblichen Weg ins Berufsleben

einsteigen. Verantwor-tungsbewusste Frauen wie Ilona Kiesenbauer

holen Versäumtes dank Teilzeitausbildung nach.

was sind drei Jahre, bezogen auf ein ganzes Leben? Im Rückblick verging die Zeit so schnell, dass Ilona Kiesenbauer sagt: „Alle

Anstrengung war der Mühe wert.“ Was sie so glücklich macht, ist – abgesehen von ihren Zwillingen – der Abschluss als Industriekauffrau. Diesen hat sie in Teilzeit beim Auto-motive-Zulieferer Mekra Lang im fränkischen Ergersheim absolviert. Als sie schwanger wurde erschien es ihr sinnlos, in Anbetracht von Blockschulunterricht und Nachtschichten ihre damalige Ausbildung als Krankenschwester fortzuset-zen. Sie arbeitete deshalb erst einmal als angelernte Mit-arbeiterin bei ihrem heutigen Arbeitgeber und überzeugte währenddessen Geschäftsführerin Susanne Lang mit ihrer ehrgeizigen Art.

„Ich wollte eine anspruchsvolle Arbeit in einem Büro fin-den, eine Tätigkeit, auf die ich später aufbauen kann“, erin-nert sich Ilona Kiesenbauer an ihre Motivation, doch noch eine Ausbildung zu machen.

Sie hatte Glück: Die Firma bietet den Beschäftigten zahlreiche familienbewusste Arbeitszeitmodelle und wurde auch deswegen in die Datenbank der Guten Beispiele von „Erfolgsfaktor Familie“ aufgenommen, dem Unternehmens-programm des Bundesfamilienministeriums. Außerdem geht das Unternehmen bisweilen ungewöhnliche Wege und stellt zum Beispiel auch Menschen ein, die schon zweimal eine Ausbildung abgebrochen haben. Susanne Lang erzählt, dass sie „gute Erfahrungen mit Menschen gemacht hat, die Chancen bekommen, die sie vorher nicht gehabt haben. Sie sind oft besonders motiviert.“ Bei der örtlichen Indus-trie- und Handelskammer klärte die Geschäftsführerin die Rahmenbedingungen für eine Teilzeitausbildung zur Indus-triekauffrau. Diese dauert ganz regulär drei Jahre; lediglich die Praxisanteile waren verkürzt.

Für die Alleinerziehende hat sich die Mühe gelohnt. Sie hat nun einen Berufsabschluss und eine anspruchsvolle Stelle.

praxistippWer sich eine Zeit lang der Familie gewidmet hat und in die Arbeitswelt zurückkehren möchte, muss keine komplette Ausbildung absolvieren. Alternativ kön-nen interessierte Frauen mögliche Arbeitgeber nach einem betrieblichen oder betriebsnahen Qualifizie-rungsangebot fragen. Ob sie sich neue Arbeitstech-niken aneignen, Kenntnisse auffrischen oder Wissen auf eine weit zurückliegende Ausbildung aufsatteln: Es lohnt sich, selbstständig aktiv zu werden und selbst-bewusst auf vorhandenes Wissen hinzuweisen.

Eine andere Möglichkeit besteht in einer meist Umschulung (siehe Seite 23) genannten, verkürzten Ausbildung. Mütter sind in der Regel stresserprobt, lebenserfahren und engagiert. Jedes Unternehmen freut sich, wenn eine Mitarbeiterin über diese Eigen-schaften verfügt.

Kinderbetreuung organisierenBevor Ilona Kiesenbauer in die Ausbildung starten konnte, musste sie zuerst einiges organisieren, unter anderem die Kinderbetreuung: „Ideal ist es, familiäre Hilfe und einen festen Platz in einer Betreuungseinrichtung zu haben“, ist die Erfahrung der Alleinerziehenden. Genauso wohl über-legt hat sie finanzielle Aspekte. „Das Jugendamt hat die Betreuungskosten für den betriebseigenen Kindergarten übernommen. Zusammen mit der Ausbildungsvergütung und dem Unterhaltsvorschuss bin ich ganz gut über die Runden gekommen.“ Aber auch als diese wichtigen Dinge geregelt waren und Ilona Kiesenbauer ihre Ausbildung begonnen hat-te, war es nicht leicht: „Es gibt Phasen, in denen man in ein Loch fällt.“ Wenn die Kinder wieder einmal krank sind und man keinen Partner hat, könne das ziemlich demoralisieren.

An der Berufsschule gab es einige verständnisvolle Lehr-kräfte, von anderen dagegen sei sie enttäuscht, berichtet die heute 25-jährige Mutter. „Selbst im Gespräch mit einzelnen Lehrern konnte ich nicht mehr Entgegenkommen bewirken, doch gerade anfangs habe ich oft gefehlt, weil kleine Kinder, sobald sie in die Krippe kommen, einfach oft krank sind.“ Am Abend die Zwillinge zu Bett zu bringen und sich danach an den Schreibtisch zu setzen, sei ebenfalls anstrengend gewesen. Sie habe in der Zeit unmittelbar vor der Prüfung manchmal „den Haushalt ein bisschen vernachlässigen müssen“. Ähnlich ergeht es Frauen, die sich noch während der Elternzeit per E-Learning weiterbilden. In diesen Fällen empfiehlt es sich, regelmäßig feste Zeiten für die persönli-che Fortbildung einzuplanen.

Beidseitige ZufriedenheitJetzt, ein halbes Jahr, nachdem sie die Prüfung erfolg-reich abgelegt hat und übernommen wurde, arbeitet Ilona Kiesenbauer 25 Stunden in der Woche und denkt bereits über einen „höheren Abschluss und eine neue

Herausforderung nach. Obwohl ich nach der Prüfung ge-dacht habe: nie wieder Schule.“ Zwar sei die Mühsal biswei-len auch für die Kinder belastend gewesen, trotzdem emp-fiehlt die zweifache Mutter das Modell Teilzeitausbildung anderen Eltern in einer ähnlichen Situation – vorausgesetzt, die Kinder sind gut betreut.

Susanne Lang hat durch die Teilzeitausbildung nicht nur eine begeisterte Mitarbeiterin gewonnen, sondern zugleich ein Stück weit dem Fachkräftemangel vorgebeugt. „Bislang entscheiden sich noch zu wenige Menschen ohne regulären Abschluss für diese Variante“, findet die Geschäftsführerin. In ihrem Unternehmen läuft dennoch gerade eine Anfrage für eine zweite Teilzeitausbildung. <

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Wer Kinder erzieht und arbeitet, muss sich sorgfältig orga-nisieren und braucht ein ausgefeiltes Betreuungskonzept.

infoUm Werbung in eigener Sache geht es in den „Praxis-nahen Bewerbungstipps für Frauen“. Die Broschüre behandelt Bewerbung, Telefoninterview oder Vor-stellungsgespräch. Sie finden sie unter www.arbeitsagentur.de > Bürgerinnen & Bürger > Chancengleichheit > Wiedereinstieg in den Beruf.

Wenn Sie nach einer Familien- oder Pflegezeit in den Beruf zurückkehren, könnte Sie das Magazin „Familie und Beruf“ interessieren. Lesen Sie Details zu familienbewussten Arbeitszeitmodellen oder finan-ziellen Hilfen unter www.arbeitsagentur.de/ durchstarten > Familie und Beruf.

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SERVICE HIER FINDEN SIE HILFEThemenheft 2014/2015 Jobchancen ohne Ausbildung

HIER FINDEN SIE HILFE

JOBBÖRSENutzen Sie die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit, um nach Arbeits-, Ausbildungs-, Praktikumsplätzen und Mini-jobs zu suchen. Sie können außerdem ein Bewerberprofil anlegen, damit Firmen Sie bei Bedarf finden. Auch eine Stichwortsuche ist möglich, beispielsweise mit den Stich-wörtern „Helfer/in“ oder „Bürohilfskraft“. www.jobboerse.arbeitsagentur.de

BERUFENETWelche Berufe und Helfertätigkeiten gibt es? Wie sehen Ausbildung und Alltag in diesen Berufen aus? Antworten auf diese und weitere Fragen zu circa 3.200 Berufen gibt das Internetportal BERUFENET. www.berufenet.arbeitsagentur.de

KURSNETKURSNET ist die führende Datenbank für berufliche Aus- und Weiterbildung, die einen tagesaktuellen Überblick über zahlreiche Bildungsangebote wie beispielsweise Umschulun-gen oder Nachqualifizierungen gibt.www.kursnet.arbeitsagentur.de

Berufsinformationszentren (BiZ)Sie bieten Informationsmöglichkeiten zu Ausbildung, Beruf und Bewerbung. Bei Ihrer Agentur für Arbeit finden Sie auch das BiZ. Eine Adressliste aller BiZ gibt es unter www.arbeitsagentur.de > Bürgerinnen und Bürger > Ausbildung > Berufsinformationszentren.

Veranstaltungsdatenbank der ArbeitsagenturWelche Vorträge, Seminare oder Workshops finden dem-nächst im BiZ statt? Die Veranstaltungsdatenbank gibt Auskunft und ist zu finden unter www.arbeitsagentur.de > Schnellzugriff > Veranstaltungsdatenbank.

Nachholen von SchulabschlüssenMöchten Sie in Ihre berufliche Zukunft investieren und ei-nen Schulabschluss nachholen, informieren Sie sich unter www.arbeitsagentur.de/durchstarten > Weiter durch Bildung > Bildungswege > Nachholen von Schulabschlüssen.

LERNBÖRSEWeiterbilden am heimischen Schreibtisch: Auf der Web-site der Bundesagentur für Arbeit findet sich unter www.arbeitsagentur.de/lernboerse ein kostenloses E-Lear-ning-Angebot: Programme zu einer Reihe von Themen, die sowohl bei der Bewerbung als auch im Berufsalltag eine Rol-le spielen können wie Zehnfingerschreiben, Präsentationen auf Englisch oder die Geschäftsetikette. Die Benutzerdaten für den Zugang zur Lernbörse erhalten Kunden einer Agentur für Arbeit, die zur Arbeitsvermittlung oder Berufsberatung angemeldet sind. Die Anmeldung erfolgt über www.jobboerse.arbeitsagentur.de.

infoDas Beratungsangebot der Bundesagentur für ArbeitSie wollen sich beruflich neu orientieren? Dann sind Sie in den Agenturen für Arbeit richtig. Im Gespräch gehen die Vermittlungsfachkräfte gezielt auf Ihre per-sönlichen Fragen ein, erarbeiten gemeinsam mit Ihnen passende Wege und machen Sie auf Chancen und Ri-siken aufmerksam. Deshalb vereinbaren Sie möglichst frühzeitig einen Termin mit Ihrer Agentur für Arbeit, wenn Sie

• einen für Sie passenden Arbeitsplatz suchen • Fragen zum Arbeitsmarkt haben • Fragen zu Weiterbildungsmöglichkeiten haben • in Ihrem Wunschbereich keine Stelle finden und nach Alternativen suchen

• gesundheitliche Schwierigkeiten haben und deshalb besonderen Rat und Hilfen benötigen

• sich beruflich qualifizieren oder einen Berufsabschluss machen wollen.

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Wenn Sie sich einen Termin für die Arbeitsvermittlung geholt haben, bereiten Sie sich gründlich auf das Gespräch vor. Individuelle Fragen lassen sich dann ebenso klären wie das aktuelle Stellenangebot und die Lage am Arbeitsmarkt.

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WEITERE ANGEBOTE IM Zu folgenden Themen gibt es Hefte zum Mitnehmen. Diese Hefte (PDF) und dazugehörige Online-Module finden Sie im Internetportal der Bundesagentur für Arbeit.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Berufsinformations-zentrum (BiZ) können Ihnen bei der Suche nach geeigneten Informationen weiterhelfen.

zum Mitnehmen!

�� 50plus�–�Ihre�Erfahrung�zählt�� Berufliche�Reha��� Existenzgründung�� Familie�und�Beruf�� Jobchancen�ohne�Ausbildung�� Soldaten�auf�Zeit�� Weiter�durch�Bildung��� Zeitarbeit

www.arbeitsagentur.de/durchstarten

außerdem im BiZ:

Die durchstarten Infomappen bieten Informationen zu Berufs- und Quer einstieg, beruflichen Alternativen und Weiterbildungsmöglichkeiten (28 Mappen).