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joe magazin Winterausgabe

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ANZEIGE

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EDITORIAL

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Engagement ist wichtig. Zu viel Engagement kann aber auch stören. In dieser Ausgabe von joe wollen wir uns dem Begriff nähern, der auf so unterschiedliche Weise gelebt werden kann. Es gibt soziales oder eigen-nütziges Engagement und natürlich sehr viele Wege dazwischen. Aus diesem Grund ist der Aufbau des Titelthemas in dieser Ausgabe etwas unkonventioneller als die Vorhergehenden. Auf die kurze Einleitung folgen drei Geschichten, die, jede für sich auf ihre Weise, eine andere Art von Engagement beschreiben. So geben wir keiner Interpretation den Vorzug vor den Anderen und jeder Leser mag für sich entscheiden, welche ihn am meisten anspricht.

Werkbericht. Auch joe startet in morbid/freudiger Erwartung der Apo-kalypse in das neue Jahr. Die Maya mögen ja gute Rechner gewesen sein, aber wir konnten es uns dennoch nicht verkneifen, die allgemeine Auf regung um das Thema etwas aufs Korn zu nehmen. Und deshalb wünschen wir euch auch jetzt noch (nachträglich) ein gutes und vor allem vollständiges Jahr 2012. Abgesehen davon ist diese Winterausgabe geprägt von weniger verschiedenen Themen als in den vorhergegangenen Ausgaben. Dafür bleiben nun aber für die einzelnen Artikel mehr Platz und Gestaltungsspielraum. Sowohl rhetorisch, wie auch optisch.

Einladung zum Mitmachen. joe lebt von Menschen, die dieses Magazin tragen. Menschen, die sich für das Magazin engagieren, die sich damit auseinandersetzen. Das kann auf ganz verschiedenen Wegen stattfinden. Ob du gerne schreibst, fotografierst, Reportagen und Beiträge gestaltest oder auch einfach deine Ideen einbringen möchtest. Wie auch immer deine Interessen aussehen: MACH MIT! Schick uns deinen Text, ruf an, schreib ‘ne Mail oder such joe auf Facebook. Neue Autoren und Redak-teure sind immer willkommen. Kontakt: [email protected]

Hubertus J. Schwarz,Chefredakteur

Editorial.

MO 9-14 Uhr | MI 14-18 Uhr | FR 12-16 Uhr

Urban Box, 8020 Graz

mail: [email protected]: join.fh-joanneum.at

skype: join-oeh

www.facebook.com/join.oeh

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

die Weihnachtsferien sind vorüber und die letzten Wochen des Winter-semesters sind angebrochen. Eine Zeit in der wir gefordert sind unzäh-lige Projekte, Prüfungen und natür-lich auch unsere Freizeit unter einen Hut zu bekommen.

Damit unsere Freizeitaktivitäten nicht zu kurz kommen werden wir uns einsetzen. Die interessanten Aktivitäten, die unsere Freizeit bereit hält, sprechen uns an, und was uns anspricht und einen Nutzen zeigt, für das engagieren wir uns.

Aber auch, dass die Bedingungen zum erfolgreichen Studieren auf der FH stimmen, dass wir eine ent sprechende Infrastruktur bereitgestellt bekom-men und unsere Projekte von der FH entsprechend unterstützt und ge fördert werden und nicht nur für Werbezwecke benutzt werden, sind Themen für welche wir uns enga-gieren.

In diesem Sinne wünschen wir euch einen guten Start ins Jahr 2012, euer Vorsitzteam

Christoph, Theresia, Christian, Max und Christina

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INHALT

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INHALT

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Medieninhaber:

Österreichische HochschülerInnenschaft,

Taubstummengasse 7-9, 1040 Wien

Chefredakteur:

Hubertus J. Schwarz

Art Director:

Christopher Eder

Impressum: joe Nr. 5

JOIN - deine ÖH an der FH JOANNEUM

Eggenberger Allee 11, 8020 [email protected]:+43 (0) 316/5453 8503

03 Editorial

05 Was ihr denkt Eure Meinung zum Thema Identität

06 Eine Welt ohne Engagement JOIN

08 So sind wir ARC - Architektur

10 Apokalypse Now Eine Vorschau auf den 21.12.2012

14 Führende Experten haben bestätigt, dass... Was ist dran an den Maya-Berechnungen

16 Tikis in Wien IND10 bei der Roböxotica

18 Coverstory: Engagement Eine Notwendigkeit.

20 073D872352 Die eine große Chance.

22 Tage wie dieser Grenzerfahrung in den Bergen

24 Das andere Gesicht Wenn der Wille allein nicht mehr trägt

27 Kultwert! Rebecca Black

28 Grenzgänger Dunkles Leben

31 Campus Mythen Ich spreche Ljubljana

32 Study Abroad Schweiz

34 Standortkolumnen aus Bad Gleichenberg und Kapfenberg

Autorinnen und Autoren:

Bianca Radl, Mathias Wörndl

Doris Müllner, Phillip Flandorfer

Hubertus J. Schwarz, Matthias Alber

Nadine Rössner, Markus Krauss

Christopher Eder, Christoph Huber,

Sophie-Kristin Hausberger, Laura Wirth

Georg Knaus, Christina Wiedmaier

Natanja C. Reitner

Fotografen und Illustratoren:

Wolfgang Schnuderl, Hans von Schröder,

George Kaulfersch, Gerulf Dösinger,

Hubertus J. Schwarz, Asmodeus,

Ralf Paufen, Natanja C. Reitner

Druck:

Offsetdruck Dorrong OG,

www.dorrong.at

Hinweis:

Sämtliche personenbezogene Beschreibungen

gelten sinngemäß für beiderlei Geschlecht. Amtlich

gegengezeichnete Beiträge müssen inhaltlich nicht

mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.

Herausgeber / V.i.S.d.P:

Hubertus J. Schwarz

Lektorat:

Susanna Finker

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WAS IHR DENKT

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Was ihr denktDer Countdown zum letzten Jahr unseres Planeten ist eingeleitet Die beste Zeit also, um Vorsätze für die verbleibenden Monate aufzustel-len. Vielleicht gar, um sich 2012 in vielen Bereichen zu engagieren. Drei Studierende der FH JOANNEUM haben sich Gedanken zu der Frage gemacht: Was bedeutet Engagement für euch?

Für mich ist Engagement der Einsatz für eine Sache. Ganz egal welche. Es spielt keine Rolle, welche Motivation man hat, wie alt man ist oder woher man kommt. Es spielt auch keine Rolle, ob es ein „soziales“ En-gagement ist oder nicht. Es gibt ein Ziel und das gilt es zu erreichen, dafür strengt man sich an. Kein Mensch kann dem entfliehen. Manche werden dafür mit Preisen ausgezeichnet, andere werden auf Grund ihres Engagements getötet. Die große Masse allerdings zeigt es einfach: es ist ein Baustein der eigenen Identität.

„Baustein der eigenen Identität.“

Mathias Wörndl studiert PTH in Graz

Engagement bedeutet für mich persönlich Pfadfinder zu sein. Das mag im ersten Augenblick sehr lustig klingen, kann aber doch sehr schnell erklärt werden. Gerade als Pfadfinder kann man sich in sehr vielen Be-reichen engagieren. Sei es für die Umwelt, für die Mitmenschen oder die Pfadfinder an sich und deren Gemeinschaft. Ich selbst bin Leiter einer Stufe bei den Pfadfindern und finde es ganz wichtig, dass Kinder auch so früh wie möglich lernen, was es bedeutet sich zu engagieren. Meiner Meinung nach sollte Engagement nicht beim Studium oder der Karriere aufhören, sondern danach erst beginnen.

„Engagement bedeutet Pfadfinder zu sein“

Phillip Flandorfer studiert BMI in Graz

Mit französischen Fremdwörtern klingt man vielleicht nicht ganz so schlau wie mit lateinischen, dafür umso sinnlicher. Doch was sich hinter Engagement verbirgt, interessiert vermutlich weniger als der Kussmund, der bei der Aussprache dieses Begriffes geformt wird. Auch wenn das Wort Gage in Engagement enthalten ist, sollten diese beiden Dinge vorab nichts miteinander zu tun haben. Wer engagiert ist, muss mit Begeisterungund Einsatz bei der Sache sein - und zwar ohne Dollarzeichen auf den Augen zu haben. Aber machen wir uns doch nichts vor, in unserer Gesell-schaft geht’s doch nie ums Geld.

„Engagement hat nichts mit Gage zu tun.“

Doris Müllnerstudiert DIO in Bad Gleichenberg

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JOIN

Kennt ihr das? Ihr geht gemütlich durch die Stadt

und plötzlich ist er da! Der engagierte

Aktivist mit dem drohend erhobenen

Zeigefinger und seinen Flugblättern.

Jetzt gibt es kein Entkommen mehr!

Text: Christoph Huber

Eine Welt

Spende für die Armen! Für mehr Bäume im Wald! Heißt es. Oder für Tierfelle, die in der Gesellschaft

tragbar sind! Für weniger Ozon und mehr Klima! Für die Rettung der Busch-waldnacktschnecke aus Neuguinea! Für das Gegen und gegen das Für... Kurzum, ihr werdet von Überzeugten derartig ins argumentative Kreuzfeuer genommen, dass ihr nicht einmal mehr wisst, was eine eigene Meinung ist – alles für eine Unterschrift. Entweder mit Säcken vol-ler Einkäufen beladen oder gemütlich und nichts Böses ahnend angesprochen zu werden, kennen wir alle – es gibt kein Entkommen...Dabei sind viele der vermeintlich Enga-gierten alles andere als selbstlos und un-eigennützig. Besonders in den Ferien ein beliebter Job: Die Pirsch nach Spendern. Organisationen wie zum Beispiel der WWF werben Jugendliche an, die dann für ein bestimmtes Pensum an gesam-melten Unterschriften eine entsprechende Provision bekommen. Ist das wirklich das Engagement, an das ihr denkt, wenn man euch nach diesem Begriff fragen würde?Besonders appetitlich auch die Videos in den Fußgängerzonen. Bluttriefende

Tierkadaver, schreiende Kälber und Säue. Im Kino müssen wir mittlerweile unseren Ausweis zeigen um Winnie Puuh ansehen zu dürfen. Aber am Hauptplatz in Graz, da werden wir nicht gefragt ob wir das ganze Blut und Gedärm sehen wollen. Ist das wirklich Engagement, uns ungefragt solche Bilder aufzuzwingen, oder einfach nur dreist und unfair?Oder der Gipfel engagierter Barbarei: die ÖH. Die fragen erst gar nicht ob man sie unterstützen will. Man muss! Steht so im Gesetz! Jedes Semester das Gleiche und jedes mal wird es mehr. Mal unter uns, wäre die Welt wirklich so viel schlechter, wenn die Menschen sich nicht engagieren würden? Nein! Gäbe es kein freiwilliges Engagement, dann wäre unsere Gesellschaft geprägt von Eigennützigkeit. Eigennutz, dieses Wort hat einen negativen Beigeschmack,

ohne Engagement

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Also eine Organisation, die nur dafür da ist Informationen zu sammeln und der Regierung zur Verfügung zu stellen. Gäbe es diese Organisation nicht, so könnten Entscheidungen von Politikern dem Land schaden.

Aber das würde dann ja auch heißen, dass, wenn es niemanden gibt der Infor-mationen sammelt, Studierende das alles alleine machen müssten. Sie müssten also selber in den Urwald fliegen und die Natur und unsere Zukunft retten, aber davor müssten sie mal in Erfahrung bringen, dass der Urwald überhaupt gefährdet ist. Und auf der FH müssten sie sich selber darum kümmern wo sie sich wann und wofür versichern müssen, jetzt sind sie ja über die ÖH versichert und die bieten ja auch eine Versicher-ungsberatung an. Sie müssten selber alle

möglichen Leute anrufen und fragen, welche Beihilfen sie bekommen können wenn es finanziell mal dünn ist, jetzt ge-hen sie einfach ins ÖH-Servicecenter und fragen nach: die wissen echt fast alles. Und wer würde ihnen dann sagen, dass die Prüfung, so wie sie von ihrem Profes-sor abgehalten wird, nicht zulässig ist? Bis jetzt hat sich die Jahrgangssprecherin immer darum gekümmert!Aber, wenn diese engagierten Menschen so viel für uns tun, wieso nerven die ein-en dann so? Ist es vielleicht einfach nur diese Flut an Informationen, die täglich auf uns zuströmt? Und wie schafft man es, dass uns diese “Flut” Nützliches bringt anstatt nur zu nerven?Ein Anfang wäre es, für sich selber herauszufinden, ob Engagement nun der Einsatz oder der freiwillige Einsatz für eine (gute) Sache ist?

den es vielleicht nicht verdient. Für sich selber sorgen, das passt besser. Wenn sich also jeder zuerst um sich kümmern würde. Wenn jeder für sein eigenes Wohl ganz allein verantwortlich wäre. Wäre das so falsch?

Na gut, es wäre dann eine Gesellschaft der “Starken”, der Einflussreichen und Mächtigen. Also eine Gesellschaft jener, die gut informiert sind. Denn Informa-tionen bedeuten Macht. Und Informa-tionen zu beschaffen, kostet Zeit und Geld. Ressourcen, welche gerade in der heutigen Gesellschaft sehr begrenzt sind. Und Informationen sind das Fundament jeder Diskussion. Je mehr Informationen ich habe, desto besser kann ich mein-en Standpunkt vertreten. Deshalb beschäftigt sogar der kleinste Staat der Welt einen eigenen “Geheimdienst”.

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SO SIND WIR

3.800 Zeichen reichen nicht aus um einen so

vielschichtigen und kompakten Studien-

gang wie Architektur zu beschreiben. Doch

vielleicht ist es anhand von drei

charakteristischen Überbegriffen möglich, einen kleinen Einblick

zu erzeugen.

Text: Bianca RadlIllustration: Gerulf Dösinger

ARC - ArchitekturArrangement. Zusammentragen

und Verschmelzen. Diese zwei Worte tauchen in unserem Studi-

um in den verschiedensten Formen im-mer wieder auf. Sei es das Zusammen-tragen von Informationen, Daten und Analysen für die verschiedenen Stadien der Projektentwicklung, das Zusam-menfügen dieser theoretischen Daten mit praktischen Beispielen, das interne Verschmelzen von Entwurfsideen zweier Teamkollegen, oder gar das Überein-stimmen von Visionen der Teamkolle-gen mit den Visionen der Professoren. Fakt ist, dass es in jedem Teilabschnitt der Bauwerksentwicklung viele einzelne Komponenten gibt, die es gilt mitein-ander zu verbinden. Diese Komponenten haben ihre Wurzeln in den verschieden-sten Gebieten, wie der Tragfähigkeit des Gebäudes, der Gebäudetechnik mit ihrer

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SO SIND WIR

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Remodeling. Ist ein erster, grober, po-tenzieller Vorentwurf erarbeitet, heißt das nur, dass ein Konzept gefunden wurde, das zu bearbeiten und optimieren sich lohnt und irgendwann tatsächlich auf diesen Schnittstellen funktionieren könnte. Getrost kann gesagt werden, dass die größte Aufgabe der Studieren-den darin besteht, ihre Entwurfsideen zu überarbeiten. Stundenlanges Zeichnen in CAD-Programmen, zahlreiche Versuche von ‚was wäre wenn‘-Möglichkeiten hinsichtlich städtebaulicher Einbindung mit funktionierender Infrastruktur, meh-rmalige Anläufe eine nützliche und intel-ligente Gebäudeform zu entwickeln und Anhäufungen von leeren Kaffeebechern sind die Folge. Oft wird einfach nur eine Zeitlang auf die Entwurfsskizzen gestarrt und überlegt. Aber wesentlich effektiver ist das ständige und offene

Diskutieren mit einem guten und gedul-digen Teamkollegen. Durch Gedanke-naustausch und Kombination können sehr oft sehr ausgefallene und funktion-stüchtige Ideen entstehen, die schließlich zu einer kreativen Intelligenz in Form eines Bauwerks führen.

Creativity. Der Entwurf eines Bauwerks entsteht nicht an einem Tag, sondern ist das Ergebnis beharrlicher, harter und langer Arbeit. Demnach sind Durch-haltevermögen, Disziplin und Ehrgeiz die wahrscheinlich erfolgversprechend-sten Eigenschaften, die man für diesen Studiengang mitbringen kann. Aber ohne Kreativität entsteht in den selten-sten Fällen beeindruckende Architektur. Aus der Kreativität entspringen nämlich Möglichkeiten und diese Möglichkeiten können mit dem richtigen technischen Verständnis durchaus funktionieren. Mehrere funktionierende Möglichkeit-en bilden weiters die oben erwähnten Schnittstellen und diese ergeben wiede-rum unser Netzwerk – das Bauwerk.

Wir Studierenden vom ARC 11 beschre-iten unseren gemeinsamen Bildungsweg nun schon seit dem Bachelorstudiengang Bauplanung & Bauwirtschaft 2008. Für einige war der Einstieg leichter, für andere schwieriger. Doch trotz unter-schiedlichster Herkunft, Vorbildung und Wissen sitzen wir heute im selben Boot – im Masterstudiengang Architektur. Und wenn wir eines gelernt haben, dann dass Erfolg nicht selbstverständlich, sondern wie ein Gebäude aufgebaut werden muss: Baustein für Baustein.

Infrastruktur, dem Design und Raum-konzept oder gar der Nachhaltigkeit mit ihrem ausgeklügelten Energiekonzept, um das Kyoto-Ziel doch nicht ganz aus den Augen zu verlieren. Ein Bauwerk funktioniert nur so gut, wie die genannt-en Gebiete auf ihren Schnittstellen mit-einander kommunizieren. Man könnte sich ein Gebäude auch als ein riesiges Netzwerk vorstellen, das nur dann opti-mal funktioniert, wenn jede Schnittstelle am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, im richtigen Ausmaß Daten empfängt und weitergibt . Theoretisch und praktisch wird im Studiengang Architektur auf jede dieser Verbindungen, ihre Herlei-tung und Bedeutung eingegangen. Da-raus ergibt sich auch die Kompaktheit und Vielschichtigkeit, die sich schon in der ersten Phase der Projektentwicklung bemerkbar macht.

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SPECIAL: 21.12.2012

Graz steht in Flammen. Die Erde bebt. Der Himmel ist von Wolkenmassen bedeckt. Blitze zucken, ab und zu sieht man einen Engel mit verkohlten Flügeln auf die Häuser hinab stürzen. In den Gassen rennen panische Gestalten. Im Grunde also ein Tag wie jeder Andere, wäre da nicht dieses Datum: Es ist der 21.12.2012.

Text: Hubertus J. SchwarzIllustration: Christopher Eder

Apokalypse now.

Dort wo die Stadt nicht in Flammen steht, ist sie ein einziges Trümmer-feld aus Schmutz, Abfall, Leichen,

leeren Coca-Cola Dosen und ausgebrannten Autowracks. Der von den Maya prophe-zeite Untergang ist da. Die Mur ist zu einem dampfenden Pfuhl aus Schlick und Säure geworden. Einzig ein paar vernich-tungsresistente Enten dümpeln noch in der radioaktiv schimmernden Masse. Auf der Murinsel steht ein Fischerchor aus Engeln, schunkelt und singt zu den apokalyptischen

Trompeten das Halleluja. Die ganze Welt ist vernichtet und als letztes Bollwerk gegen den Weltuntergang steht nun auch Graz vor dem Abgrund. Mayagottheiten manifestieren sich nun in der Steiermark und sammeln sich zum infernalischen Höhepunkt ihres Vernichtungszuges durch die Welt.

Am Hauptplatz führt Ek Chuah – der Kriegs- und Kakaopflanzengott, nebenbei eine unschlagbare Kombination – seine provisorische „Ballspielmannschaft des

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Schicksals“ aus Mönchen des Franzis-kanerklosters an. Gegner der schon sehr lädierten Kleriker ist eine Rotte Camazotz. Ihr Kapitän – der heilige Bernhard. Er hat sich vor ein paar Minuten spontan vor den Überresten des Blue Tomato Stores reinkar-niert. Die Camazotz sind Götter in der Ge-stalt von Fledermäusen. Ihre Angewohnheit, Feinden die Köpfe abzureißen, stößt ins-besondere bei den zwangsrekrutierten Mönchen auf dezente Skepsis. Wohingegen das Erscheinen dieses Bernhards nur auf allseits hochgezogene Brauen trifft. Man-gels einer passenden Kugel für das traditio-nelle, mesoamerikanische Ballspiel, mutiert die Begegnung zum theologischen Disput. Ek Chuah und der Zisterzienser aus dem Mittelalter prallen mit der ganzen Wucht jahrhundertelanger Religionsdifferenzen aufeinander. Unter diesem thematischen Druck sackt auch das bis dahin noch stehende Rathaus hinter den beiden zusam-men und verschwindet in einer empört aufwallenden Staubwolke. Indessen ver-steift sich Bernhard darauf, dass, wenn überhaupt, so nur Gott, der Allmächtige, und sein fleischgewordener Wille, also Jesu, eine Apokalypse vom Stapel lassen dürfe. Der Mayagott wiederum erwidert trocken, dass Menschenopfer noch immer ihren Zweck erfüllt hätten. Gegen Blut

oder Wein aus Blut oder was auch immer, sei doch nichts einzuwenden. Darauf ist nichts zu erwidern und als sich die beiden, zum Zwecke religiöser Verbrüderung, in das lodernde Flann O’Brien zurückziehen, ist die Franziskanerbande schon um einige Köpfe kürzer und drei der Camazotz liegen zufrieden aufstoßend zu Füßen der Erzher-zog Johann Statue.

Derweil lässt Ah Puch, der skelettierte Dämon mit dem Krokodilrücken, seine Höllenhunde im Stadtpark herum blutende, menschliche Extremitäten apportieren. Während einige hundert Meter weiter die Seele von Georg Kreisler versucht, die letzten Tauben zu vergiften. Über ihm kreist der Moan-Vogel – ein mythischer Wolkengeist – und sucht in den verwüsteten Gassen der Altstadt nach lohnenden, möglichst schreienden Snacks.

Auf der Baustelle des Hauptbahnhofes fliehen zur gleichen Zeit Überlebende der ersten apokalyptischen Vernichtungswelle vor Huracan, dem Gott des Feuers und des Sturms. Die ÖBB hat Verspätung und so bleibt den schon leicht verzweifelten Menschen nichts anderes übrig als sich vor dem Feuerbrodem der Mayagottheit hinter die Fensterscheiben von McFit zu retten.

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SPECIAL: 21.12.2012

In der Hoffnung, Huracan möge auf einen Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg treten. Er wäre ja nicht der erste.

Parallel sprühen sich im Kastner die heilige Bernadette und Jeanne d’Arc zusammen mit den Fruchtbarkeitsgöttinnen Hunabku, Ix Chebel Yaks und Ixchel durch die Parfümabteilung, während der gefie-derte Schlangengott Kukulcan an den Übergrößen der letzten Boss Kollektion in der Herrenabteilung verzweifelt und neidisch zum Erzengel Michael schielt, dem natürlich alles perfekt passt – Unterhosen-model, elendes…

Auf dem noch unberührten Uhrturm steht Ixtab, Schutzgöttin der Selbstmörder, und hält vor einigen interessierten Heiligen und dem Grazer Bürgermeister einen Vortrag über die Erfüllung von daseinsverkürzen-den Maßnahmen. Die Aufmerksamkeit der Zuhörer, abgesehen vom Bürgermeister, wird allerdings von riesigen Gestalten in Geidorf beansprucht. Denn an den Rändern des Himmels haben diese vier Bacars ihre Posten verlassen. Zwei der Himmelshalter, Cauac und Kan, trampeln jetzt unter irrem Gegröle auf den Ständen am Geidorfplatz herum. Ix, der Riese des Ostens, hat sich am Beginn der Heinrichstraße vor den verwüsteten BIPA gekauert und wühlt mit seiner mannsgroßen Pranke zwischen den Regalreihen nach etwas, das kein über-teuertes Waschmittel ist oder garantiert 89% schuppenfreies Haar verspricht. Der Himmelshalter aus dem Westen, Mulac, hockt im Schneidersitz am Beginn der Humboldtstraße und lässt unter Brumm-geräuschen und mit todernster Miene eine Mercedes E-Klasse auf einen schon recht mitgenommenen Ford Fiesta knallen. Der vormalige Besitzer des Benz, ein feister

Mittsechziger, hat noch den Wackeldackel aus der Limousine retten können. Zusam-men mit dem Fahrer des Ford steht er nun in sicherem Abstand zu dem Riesen und verfolgt unter Tränen das unrühmliche Ende seiner Karosse.

Am Himmelstor, das sich in der Herren-gasse zwischen Zara und Tchibo aufgetan hat, streiten sich unterdessen Petrus und sein mesoamerikanisches Pendant Chilan um den Pförtnerjob. Sie werden dabei von einem Mob aus Seelen angefeuert, der sich sensationsgeil um die beiden Kontrahenten schart. Als Petrus unerwartete Verstärkung in Form des Erzengels Gabriel und einiger Cherubim bekommt, zieht Chilan beleidigt und nach Seelen tretend ab. Später sieht man ihn im ausgebrannten M1 einen God-father – ein Teil Bourbon, ein Teil Amaretto – mixen und auf die letzten Minuten der Menschheit trinken. Neben ihm sitzt die Seele von Ludwig Hirsch und singt ein Lied über Osterhasen.

Während Petrus und Co. eine provisorische Notfallbehörde für die Katalogisierung der Seelen einrichten, gähnt dort, wo noch we-nige Stunden zuvor der Jakominiplatz lag, ein enormer Krater. Tief am Grund des Loches glimmt es Unheil verheißend. Ab und an spritzt eine Magmafontäne aus den Untiefen des Schlunds. Am Rand des Kraters steht der Erdbebendämon Cabracá und sein Vater. Der Sohn schmollt. Er hat die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und scharrt missmutig mit dem Fuß. Sein Vater ragt drohend vor dem kleinen Dämon auf und schimpft mit erhobener Zeigeklaue. In der anderen hält er einen noch nicht ganz abgekauten Oberschenkel und weist damit anklagend auf das Loch im Boden. Keine Erdbeben ohne Papi!

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SPECIAL: 21.12.2012

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Über den beiden und über der Stadt kre-ist derweil, fast unbeachtet, ein seltsames Gebilde. Das Herz von Graz hat sich selbst aus dem geschundenen Torso der Stadt ger-issen. Der freundliche Alien aus der Nach-barschaft entschwebt als Arche Kunsthaus dieser brennenden Welt. Aus den fünfzehn Zitzen des biomorphen Raumschiffes puffen kleine Dampfwolken, während es langsam in den Himmel über der apokalyp-tischen Welt hinein tuckert. An Bord, eine kleine Schar von Wagemutigen, die hofft dieser Hölle zu entkommen. Im Gepäck,

eine Wagenladung Axe – Final Edition und mehrere Jahresrationen Dosenravioli, mindestens haltbar bis 2014.

In den zersprengten Überresten einer Fach-hochschule steht indes Hunahau, Gott des Todes. Neben ihm steckt sich Jesus lässig eine Black Devil an. Nachdem er genüsslich an dem Sargnagel gezogen hat, meint er süffisant zu Hunahau: „Wenn sie es wirklich bis zum Mond schaffen, dann bekommst du sie.“ Der Todesgott grinst nur und nickt.

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SPECIAL: 21.12.2012

Warum plärren wir Menschen den Untergang unserer Art so unermüdlich herbei? Auch 2012 ist wieder ein Jahr in dem die Menschheit kollektiv den Löffel abzu geben hat. So zumindest prophezeien es uns viele, „hochdekorierte“ Hyde-Park Prediger in Berufung auf einen Mayakalender.

Führende Experten haben bestätigt, dass...

Wie sang schon Stumpen von Knorkator: „Wir werden alle sterben, haltet euch be-

reit. Die Zeichen sind eindeutig, bald ist es soweit…“ Inzwischen haben es sicher alle schon mitbekommen: Die Welt wird dieses Jahr untergehen. Genauer am 21.12.2012. So zumindest wird eine rund 800 Jahre alte Mayahandschrift, die für dieses Datum den Beginn einer neuen Ära voraus-sagt, gedeutet. Dieser Haufen vergilbten Pergaments wird Codex Dresdensis genannt. Aus dem einfachen Grund, da sich der Text im Besitz der Dresdner Nationalbibliothek befindet. Über die Herkunft ist nicht mehr bekannt, als dass ihn ein Wiener im 18. Jahrhun-dert an den sächsischen Bibliothekar Christoph Götze verkaufte. Angeblich für nicht viel mehr als die Versandkosten.

In dieser Schrift heißt es, der 13. „Bak-tun“, also der 13. Kalenderzyklus der Mayazeitrechnung, wird an diesem Tag enden. Die Maya sagen damit aller-dings nicht das Ende der Welt, sondern lediglich das Ende einer Kalenderperiode voraus. Daher gehen selbst die meisten der heute noch lebenden Maya davon aus, dass auf den 21.12. nichts anderes als der 22.12. folgen wird.

Allgemein belächelt unsere Gesellschaft alles, was mit Prophetie zusammen-hängt. Würde man die gleiche Aussage aber Analyse nennen und ihr ein „Füh-rende Experten haben bestätigt, dass…“ voransetzen, dann würde wohl ein Großteil der Menschen panisch begin-

nen, die Supermärkte zu plündern, das letzte Geld verjubeln und alle guten Vor-sätze über Bord des sinkenden Schiffes werfen. Stellt sich hingegen ein schmud-delig gekleideter Opa mit Rauschebart und dezent irrem Blick vor die führenden Köpfe der Welt und behauptet, die Erde sei rund, so hallt das Gelächter bis hin-auf an die hohen Decken des Vatikans. Auch heute zweifeln viele namhafte Experten der Mayakultur an der apo-kalyptischen Auslegung des Datums. So betont etwa der Archäologe Guillermo Bernal, dass es viele weitere Ankündi-gungen der Maya gebe, die weit über das Jahr 2012 hinaus gehen. Etwa eine astronomische Vorhersage, die sich auf das Jahr 4772 bezieht. Da alle Kalender-daten der Mayaschriften aufeinander abgestimmt sind und keine den anderen widerspricht, kann sich die Erwähnung des 21.12. kaum auf einen Weltunter-gang beziehen. Zumindest nicht, wenn es danach noch andere, weiterführende Vorhersagen gibt. So argumentiert Guillermo Bernal.Letztendlich spricht auch keiner der vier bekannten Maya-Codices davon, dass die Welt 2012 untergeht. Die Texte prophezeien nicht einmal ein schlimmes Ereignis. Alle Notizen zu diesem Thema weisen lediglich darauf hin, dass der 21.12. ein wichtiges Datum ist. Worauf sich dies bezieht, bleibt unklar. Es könnte also a lá Nostradamus auf ein zyklisch wiederkehrendes Naturereignis hinweisen, die Entstehung einer neuen Kunstepoche vorhersagen – oder eben den Beginn des 14. Baktun. Vielleicht ist es aber auch nur ein Vermerk für das

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SPECIAL: 21.12.2012

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besonders illustre Paarungsverhalten von Amazonas Faultieren bei leichtem Nieselregen.Ein Indiz für viele der Untergangsbefür-worter ist das sogenannte Monument 6. In den 60er Jahren wurde dieser behauene Stein beim Bau einer Autobahn in Südmexiko gefunden. Die Inschrift beschreibt ein Ereignis am 21.12., in dem Bolon Yokte eine Rolle spielt. Diese Mayagottheit wird sowohl mit Krieg als auch mit Schöpfung in Verbindung ge-bracht. Der Rest der eingravierten Schrift-zeichen ist – wie praktisch – durch Ero-sion und Absplitterungen nicht mehr zu entziffern. Auch hier sind Interpretation und Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Wie über jeden Termin für den Welt-untergang kann man auch für den 21.12.2012 genauso viele positive wie negative Deutungen aus den Hinterlas-senschaften der alten Maya herauslesen. Und nachdem wir zumindest hier in Eu-ropa in einer relativ freien Gesellschaft leben können, bleibt es jedem selbst überlassen, ob er sich auf das nahende Ende vorbereitet oder doch schon Geschenke für den 24. kauft. Verhindern können wir das angebliche Spektakel ohnehin nicht. Wobei, erst neulich haben führende Experten bestätigt, dass...

Codex Dresdensis

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FH LIVE

Roböxotica. Die weltweit größte, prestige trächtigste und auch traditions reichste (weil einzige)

Messe für Cocktailrobotik ist kein reines Studiengangsevent, sondern lockt jedes Jahr aufs Neue Roboterbauer aus meh-reren Ländern an. So sind einige Exponate wie zum Beispiel Alan oder Melmacc bereits seit Jahren fixer Bestandteil der Messe. Letzterer bietet etwa die Möglich-keit, bequem über Touchscreen oder per Handy aus dutzenden Cocktailsorten zu wählen und anschließend seinem Becher zuzusehen, wie er auf einem Förderband nach und nach mit den pas-senden Zutaten befüllt wird – Umrühren per Roboterhand inklusive.

Do it yourself. Sich ohne Vorwissen in sechs Wochen technisch mit diesen Geräten zu messen, erschien nicht nur auf den ersten Blick etwas unrealist-isch. Das Zauberwort hieß neben Im-provisieren also – wie könnte es für Informations designer auch anders sein – Kreativität. So funktionierte man das Studiengangsatelier kurzerhand zur Werkstätte um. Dort wurde in diversen Nightsessions gebastelt, gesägt und gelötet, bis am Ende nicht nur das Sekretariat und der Reinigungsdienst verzweifelt, sondern vor allem sechs Roboter fertiggestellt waren.

„The Voodoo Doll“, ein in Jutesäcke eingehülltes Monstrum, musste mit einer

Tikigötter, Voodoo-Puppen, hunderte roboter-begeisterte Technikfreaks und jede Menge Cocktails in genießbaren und ungenießbaren Variationen. Mittendrin: Knapp 60 Studierende des Bachelorstudiengangs Informations design. Ein Rückblick auf eine FH-Exkursion der etwas anderen Art.

Text: Christopher EderFotos: George Kaulfersch

Tikis in Wien

überdimensionalen Stecknadel in meh-rere Punkte gestochen werden, um einen Likör preiszugeben. Wem das noch nicht genug körperliche Anstrengung war, der konnte sein Glück bei den beiden Tanz-robotern „Otis-the-Grog-Puker“ und „Bow before me“ versuchen. Otis, ein er-schreckend realistischer Pirat, spendete, wie der Name schon vermuten lässt, auf eine etwas unkonventionelle Art eine warme Rummischung, wenn die Besucher vor ihm tanzten. In der Höhle von „Bow before me“ konnte man sich sogar zu Discohits bewegen, um einen Tikigott und die vor der Höhle befindliche Jury wohlwollend zu stimmen. Einfacher ging es dann doch bei den „Juicy Balls“ zu,

wo ein unfreundlicher Zeitgenosse förm-lich darum bat, in seine elektronischen Weichteile getreten zu werden. Tat man es, wartete eine hochprozentige Zufalls-mischung auf den oder die Glückliche(n). Weniger Glück hatten die Schützen bei „Shoot the Tiki God“, wenn sie das mit überdimensionalen Blasrohren auf einen noch überdimensionaleren Tikigott er-schossene Getränk auch tatsächlich tranken. Um Österreichs Fußballhaupt-stadt Graz standesgemäß zu repräsen-tieren, wurde zudem mit dem „World Soccer Cup“ der Traum vieler Männer reali siert: Ein „Wuzzler“-Tisch, der bei jedem erzielten Tor per Schlauch direkt Bier in die Münder des Teams leitet.

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FH LIVE

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Cocktails are a serious business.

Johannes Grenzfurthner, Veranstalter

Nachdem die bereits mehr oder minder funktionstüchtigen Roboter teilweise unter Zuhilfenahme von Werkzeug und Gewalt zerlegt und in bester Tetris-Manier im Bus verstaut waren, erreichte die Studierenden die erste positive Nachricht. So gab es Gerüchte, dass die Location im heurigen Jahr sogar beheizt wäre. Eine ziemlich optimistische Aus-sage, wie sich später herausstellen sollte.

Cocktails are a serious business. Johannes Grenzfurthner, seines Zeichens Veranstalter, Gründer der Künstlergruppe monochrom und Lehrender für Kunst an der FH JOANNEUM, eröffnete die 13. Roböxotica feierlich. Er betreute das Pro-

jekt gemeinsam mit Programmiergenie Thomas Radeke, der wie schon in den vergangenen Jahren mehr als einmal Roboter (wieder)belebte. Als Location diente der auf den ersten Blick eher alte als ehrwürdige Ragnarhof, welcher der Veranstaltung nichts desto trotz einen gewissen künstlerischen Charme ver-lieh. Wie im Vorfeld versprochen funk-tionierte sogar die Heizung, auch wenn die etwas undichten Fenster diesen Luxus neutralisierten. Trotzdem sollte die Messe auch in diesem Jahr wieder unzählige Technik- oder Alkoholbe-geisterte anziehen – und tat es auch. Durch den unerwartet großen Ansturm wurden die nächtlichen Öffnungszeiten

an allen Tagen relativ weit nach hinten korrigiert, was bis zum Ende der fünf-tägigen Exkursion auch beim letzten Studierenden deutliche Spuren hinter-ließ. Schließlich mussten Spenden für die Baukosten aufgetrieben, spontane Fehler beseitigt und nicht zuletzt Konkurrenz-produkte getestet werden. So blieben nach fast fünf Tagen Roböxotica vor al-lem zwei Dinge: Kopfschmerzen und der Wunsch nach Schlaf.

roboexotica.org

FH LIVE

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Titelthema

Sich zu engagieren heißt, sich anzustrengen. Ob nun politisches oder soziales Engagement. Das Engagement an einem Theater oder einfach die motivierte Handlung für einen bestimmten Zweck, es bleibt Anstrengung. Engagement bleibt aber auch notwendig um unsere Gesellschaft in Bewegung zu halten und Zwischenmenschlichkeit nicht völlig verkümmern zu lassen. Besonders in diesem Jahr, in dem uns der Mayakalender nicht mehr viel Zeit lässt.

Text: Hubertus J. Schwarz

EngagementEine Notwendigkeit.

Engagement...Wie weit würdest du gehen?

Eine Notwendigkeit

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Tage wie dieser

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Das andere Gesicht24

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Ein Politiker, der seine Argumente vor dem Parlament vertritt, um Fürsprecher für eine neue Reform

zu gewinnen, engagiert sich. Eine Hyäne, die schubsend und kreischend ihren Anspruch auf das fetteste Stück Gnu rechtfertigt, engagiert sich und wenn eine Krankenschwester versucht, verwundeten Soldaten Linderung zu verschaffen, so ist auch das Engagement.Das Prinzip der Anstrengung bleibt immer dasselbe. Man nimmt Strapa-zen auf sich, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Nur die Methoden und Ziele variieren. Wobei gerade zwischen Politiker und Hyäne oft kein allzu großer Unterschied auszumachen ist, was die Methoden angeht. Engagement muss also nicht zwingend ehrenamtlich oder selbstlos sein. Auch wenn beides oft im Kontext des Begriffes verstanden wird.

Engagement. Der Begriff selbst ist erst vor rund 50 Jahren in unseren Sprach-gebrauch vorgedrungen. Stark gefördert durch die christliche Soziallehre im ver-gangenen Jahrhundert. Diese Lehre ist es auch, die Nächstenliebe als treibende Kraft für engagiertes Handeln sieht. Also die selbstlose Tat als hehrem Anspruch vor persönlichem Nutzen. Aus dieser Überzeugung profilierten sich Hilfswerke wie beispielsweise die Caritas. Aber

auch nicht-religiöse Organisationen wie UNICEF oder Amnesty International. Diese karitativen Gruppen sind es, die durch ihren weltweiten Einsatz synonym stehen für eine in der Gesellschaft ver-ankerte Wortdeutung von Engagement als selbstlosem und sozialem Einsatz.

Andere Stimmen, wie der Sozialwis-senschaftler Norbert Elias, dagegen sprechen von Engagement als motivi-erter Handlung, die sowohl eigennützig, als auch selbstlos sein kann. Entschei-dend sei, dass man von sich aus und aus freiem Willen aktiv wird.

Besonders in politischen Grabenkämpfen der Parteien wird oft von Engagement in diesem Sinn gesprochen: man handelt, natürlich in erster Linie für die jeweilige Partei. Aber auch für sein eigenes Vor-wärtskommen in dieser und den Politik-arenen.

Folgt man diesen Auffassungen, so gibt es sowohl selbstloses, wie auch eigen-nütziges Engagement und dazwischen hybride Mischformen, die beides in sich vereinen. Jeweils einer dieser drei Arten haben sich die folgenden Artikel ver-schrieben. Welcher Text zu welchem Typ von Engagement passt, das zu erkennen soll jeder für sich versuchen.

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Titelthema

So wie Jenny. Jenny ist eine tolle Frau. So engagiert. Sie ist 24 und hat schon ein bewegtes Leben hinter sich. Guter Realschulabschluss und erstklassige Leh-

rstelle in einem städtischen Amtsgericht. Dass sie diese Ausbildung abbrach, war ihr Anfang vom Ende. Sie ver-suchte es erneut mit einer anderen Ausbildung, brach aber wieder ab. Sie zog um und kämpfte erfolglos darum, ihr Abitur nachzuholen. Sie kam zurück in die Heimat und baute sich etwas Neues auf. Eine Familie – oder besser gesagt zwei Kinder, die sie mit ihrer Mutter großzieht. Irgendwann wurde ihr klar, dass man mehr als Geld benötigt, um Kinder großzuziehen. Um ihren Kleinen ein gutes Leben bereiten zu können, beschloss sie, noch ein drittes Mal eine Ausbildung zu beginnen. Doch wer würde sie nehmen, mit diesem Lebenslauf, der von Abbrüchen nur so wimmelte? Um es trotzdem zu schaffen, bat sie eine Berufsberatung um Hilfe.

Ich. Ich bin 20. Studiere im zweiten Jahr und werde bald Berufsberaterin sein. Ich finde es toll an meiner Hoch-schule. Wir lernen den gezielten Einsatz von Sprache zu nutzen, das Denken unserer Kunden zu verstehen und werden dann, nach einem Trimester kurzzeitig auf reale Menschen losgelassen – Praxiszeit. Wir dürfen natürlich nicht sofort mit den Kunden arbeiten, wir müssen erst ein-mal zuschauen. Bis wir dann in der zweiten Hälfte des Studiums unseren ersten eigenen Fall übernehmen dürfen. Irgendwann hieß es auch für mich: „Die Nächste ist für Sie!“. Und die Nächste Zahl war 073D872352.

Erwähnte ich, dass man bei uns nur in Zahlen denkt? Es ist kompliziert – schützt aber auch vor zu engen Bindungen. Ein Jugendlicher ist bei uns kein Jugendlicher. Er ist eine Zahl. Genauer gesagt, eine zehnstellige Zahl. Daran muss man sich gewöhnen. Daran musste ich mich gewöhnen. Ich, die ich ein miserables Namensgedächtnis habe. Ich kann mir nur Gesichter merken. Aber jetzt zählte weder

Man wartet ja bekanntlich auf die große Chance im Leben. Auf die eine große Chance. Doch da diese erfahrungsgemäß nicht von selbst kommt, erfreut man sich der kleinen Chancen, die sich einem mehr oder weniger freiwillig den Weg stellen. Text: Nadine RössnerFoto: Wolfgang Schnuderl

073D872352

das Eine, noch das Andere - jetzt sollte ich mir zehnstellige Zahlen merken!

Also zurück zu meiner Zahl – zu 073D872352. Ich lud die Zahl zu einer „Erstberatung“ ein und bereitete mich vor, als wäre sie einer der Lehrbuchfälle, die wir im Studium bis zum Erbrechen durchgepaukt hatten. Doch das war sie nicht – denn zur Tür herein kam keine Zahl. Es kam eine junge Frau, älter als ich. Sehr ordentlich und chic gekleidet. In ihrem Gesicht konnte man einen starken und selbstbewussten Charakter erkennen. Ab diesem ersten Eindruck hieß sie für mich nicht mehr 073D872352. Sie hieß Jenny.

Jenny und ich, wir verstanden uns gut. Dabei war es mir irgendwann egal, welche Vorschriften mir meine Vorge-setzten machten oder welche Aufgaben wegen Jenny liegen blieben. Sie zeigte mir so viel Wille und Motivation, einen neuen Ausbildungsplatz zu finden, dass es regelrecht an-steckte. Ich suchte während meiner gesamten Arbeitszeit nach freien Stellen für sie. Telefonierte sogar mit Arbeitge-

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Titelthema

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bern, um schon im Vorfeld ein gutes Wort für sie einlegen zu können. Jenny arbeitete ebenfalls fleißig: sie schrieb Bewerbungen und legte sich ihre Bewerbungsunterlagen noch einmal vollkommen neu an. Alle Termine hielt sie ein und erschien überpünktlich zu Vorstellungsgesprächen. Da diese erfolglos blieben, übten wir gemeinsam die möglichen Situationen bei Bewerbungen. Von Gespräch zu Gespräch wurde sie sicherer. Aber es blieb dabei – kein Arbeitgeber wollte Jenny einstellen. Ich grübelte, wie ich Jenny trotzdem noch helfen könnte. Doch ich hatte keine Idee. Meine Motivation war trotzdem ungebrochen, ich wollte Jenny einfach nicht enttäuschen. Aber wir beide ka-men nicht dahinter, wie wir Jenny trotz ihres Lebenslaufs vermitteln konnten. Irgendwann holte mich dann mein Teamleiter in sein Büro.

Jetzt, nach dem Gespräch, stehe ich am Fenster meines Arbeitszimmers. Meine vier Monate sind vorüber. Zu-mindest fast. Jenny wird einem neuen Berater zugeteilt. Und sie hat immer noch keine Ausbildungsstelle. Und ich – ich habe noch jede Menge Arbeit auf meinem Sch-

reibtisch liegen. Ich könnte schwören, dass dieser Berg gestern noch nicht hier lag. Doch da es die Aufgaben meiner Hochschule sind, muss dieser Berg schon seit vier Monaten existieren. Ich habe es nicht gemerkt. Ich war zu fixiert auf Jenny. Das sagte auch mein Teamleiter. Ich sollte mich im Studium jetzt erst einmal von 073D872352 erholen, gab er mir als Ratschlag. Wenn ich dann wieder zum Arbeiten kommen würde, könnte ich mich an einer neuen Chance beweisen. Dann würde ich professioneller und erfolgreicher arbeiten, versprach er mir. Zwar wäre mein Engagement lobenswert, aber es müsste sich noch von „emotional“ zu „professionell“ entwickeln.Ich habe ihm da nicht widersprochen. Er ist mein Chef, er muss es wissen. Nur was er nicht weiß, ist, wie wütend ich auf mich selbst bin. Wie kann ich zu engagiert gewesen sein? Ist es nicht das, was meine Arbeit ausmachen sollte? Dass ich dafür kämpfe, dass Jugendliche, die meine Hilfe brauchen auch Hilfe bekommen und glücklich werden? Ich fand mich toll. Bis jetzt. Jenny war meine große Chance und sie brauchte meine Hilfe für ihre Chance. Ich hoffe so sehr für sie, dass sie sie bekommt.

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Auf der Suche nach ein bisschen Glück und Zufrieden-heit muss der Mensch oft Risiken eingehen und scheinbar unüberbrückbare Grenzen überschreiten. Meistens geht alles gut, manchmal aber nicht.

Text: Markus KraussIllustration: Hans von Schröder

Tage wie dieser...

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Der frühe Morgen ist nicht mein Freund. Ganz und gar nicht. Als notorischer Langschläfer führe ich Tag für Tag Krieg gegen das morgend liche Auf-

stehen. Doch gibt es Tage, da stehe ich gerne früher auf. Vor allem, wenn ich weiß, dass es ein großartiger Tag wird – zum Beispiel, wenn es die letzten 48 Stunden geschneit hat und ich es fast nicht mehr erwarten kann, Schi fahren zu gehen.

Ich wache frühmorgens auf, schiebe die Vorhänge zur Seite und sehe das Dachsteinmassiv. Ein atemberaubendes Panorama. Die schneebedeckten Stellen glitzern kristall-weiß, das Gestein der Südwand erscheint in der aufgehen-den Sonne hellrot. Keine Wolke ist zu sehen. Der Anblick strahlt so viel Ruhe aus und eröffnet mir wieder einmal die Schönheit der Natur. Die Schönheit meiner Heimat. Ich bin froh und irgendwie stolz, hier aufgewachsen zu sein. Es war eine wunderbare Zeit, auch wenn ich jetzt nur noch selten zu Hause bin. Aber wie sagte schon der italienische Filmemacher Federico Fellini: „Niemand darf seine Wurzeln vergessen. Sie sind Ursprung unseres Lebens.“

Wir erwischen knapp die erste Gondel. Zwei Freunde und ich – vollgepackt mit Schizeugs, Motivation und einer gewissen Anspannung. Wir sind die Ersten. Nach diesen schneereichen Tagen gibt es sicherlich viel Tiefschnee, der in der Fachsprache auch „Powder“ genannt wird. Jeder spürt die innere Nervosität in sich aufsteigen. Es ist der erste Tag dieser Saison, wo wir wirklich „powdern“ (sprich: Tiefschneefahren) gehen können. Das erste Mal ist immer etwas Besonderes, nicht nur beim Sex…Am Gipfel angekommen, erkennen wir erst die Aus-maße des Schneefalls der letzten Tage. Schnee, wohin das Auge reicht. Das Schifahrerherz pocht gewaltig, die erste Abfahrt ist großartig. Der Schnee spritzt mir ins Gesicht, ich sehe fast gar nichts, versinke immer mehr im weichen Schnee, nur meine Schispitzen ragen aus den Schneemassen und bahnen sich den Weg nach unten.

Ich spüre ein gewisses Gefühl von Gelassenheit. Der Alltag scheint so weit weg. Die Probleme. Die Schwierig keiten. Ich fühle die aufkommende Freiheit von Körper und Geist. Ein einzigartiges Gefühl.Nach einiger Zeit und unzähligen „Runs“ (sprich: Ab-fahrten) kommen wir zu einem noch unberührten Hang, der ziemlich kritisch ist – Lawinengefahr. Der Schrecken jeden Schifahrers. Dieser Ort ist uns gut bekannt, kennen wir doch als Einheimische den Berg in- und auswendig. Natürlich haben wir auch eine gewisse Erfahrung und nachdem wir uns heute früh nach der Lawinenwarnstufe erkundigt haben, wissen wir, dass es verdammt gefährlich ist das Gefälle zu befahren. Und doch sieht es unwahrscheinlich „geil“ aus. Alles glitzert im Schein der Sonne. Jeder noch so kleine Schneekristall lächelt uns an. Unberührte Natur, dennoch Zweifel. Wie hoch ist das Risiko? Und wie weit können wir wirklich gehen…

Wir entscheiden uns dazu, das Wagnis einzugehen. Die ersten Schwünge wecken in mir ein ganz neues Gefühl von Unabhängigkeit und innerer Zufriedenheit. Der Himmel auf Erden, heute schon. Unbeschreibliches Gefühl. An mehr kann ich mich nicht mehr erinnern. Nur noch an diese komisch-skurrile Ruhe, bevor alle Lichter erlöschen. Blackout.

Eine Lawine - schnell, massiv, tödlich. Wir sind zu weit gegangen, mit fatalem Ausgang: einmal Intensiv-station, einmal Rollstuhl und einmal Glück gehabt. Wir haben überlebt. Andere Freunde nicht. Sie haben es nicht geschafft. Die Melancholie steigt auf und ich bin den Tränen nahe. Wie leichtsinnig wir doch alle sind. Welche verdammten Idioten. Verfluchte Adrenalin-junkies, auf der Suche nach ein wenig Freiheit und Glück. Und so debil es auch klingt, wir werden es wieder machen. Wieder zu weit gehen. Es ist unser Weg. Unsere Einstellung zum Leben. Unsere Philosophie…

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Wenn der Wille allein nicht mehr trägt. Bei den Occupys ringt Engagement mit para-sitärem Zerfall. Ein Einblick in den schleichenden Tod einer Protestbewegung.

Text und Fotos: Hubertus J. Schwarz

Das andere Gesicht

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Heute ist Arni für die Feldküche zuständig, er verteilt Suppe. Ist überall zugleich, scherzt und dis-

kutiert mit den Leuten. Das krause Haar ist mit einem Federschmuck zurückgebunden. Seine olivgrüne Hose steht im Kontrast zu den orangefarbenen Sandalen. Der Mann ist vielleicht sechzig Jahre alt und er ist empört.

Die Empörten, so nennt sich die Gruppe von gesellschaftskritischen Bürgern, die auf dem Platz vor der St. Jakobs Kirche in Zürich kampiert. Der Name soll ihre Wut über die soziale Ungerechtigkeit des Staates und der Banken ausdrücken. Die Empörten sind “Occupys”. Aktivisten, die öffent liches Gelände wie Parks oder Plätze besetzen, um so Aufmerksamkeit zu erregen. Die Männer und Frauen von „Occupy Zürich“ zählen zu einem losen Netzwerk von Pro-testierenden, die über den gesamten Globus verteilt auf Probleme hinweisen wollen. Sowohl an der Wall Street in New York, als auch in vielen europäischen Städten, gibt es Occupy Zellen. Insgesamt finden über 1.000 Aktionen dieser Art in 87 Ländern statt.

In der Schweiz besetzten die Empörten zu Anfang den Zürcher Paradeplatz, erst wurden sie von diesem, Ende November auch aus dem nahegelegenen Lindenhof vertrieben. Der Kirchenvorstand von St. Jakob hatte daraufhin Asyl angeboten. Seitdem campen die Aktivisten auf dem Vorplatz. Die meisten Leute auf dem Ge-lände lungern herum und scheinen keiner bestimmten Aufgabe nachzugehen. Einige reden miteinander. Ein Obdachloser spielt auf seiner Gitarre. Jeder kann ohne Vor-behalte dazustoßen oder gehen. Offenheit, und vor allem Freiheit, wird von der Be-wegung propagiert. Seitdem die Polizei den Lindenhof geräumt hat, ist die Menge der

Protestler auf ein paar Dutzend zusammen-geschrumpft. Vor drei Monaten waren es noch um die hundert. Begonnen hatte die Aktion am 15. Oktober. Weltweit gingen an diesem Tag Menschen auf die Straße um zu protestieren. „Seit über 40 Tagen besetzen wir schon!“, erzählt Kapi. Er ist einer der jüngsten Occupys. Ein Hüne, gewachsen wie eine Nordmanntanne, steht er in seinem verdreckten Kapuzenpullover und mit blauem Halstuch neben der Feldküche. Er redet wie ein Sturzbach. Von seinen Erfah-rungen mit der Polizei. Spricht von Drogen und Abhängigkeit. Wie tief er abgestürzt sei. Und davon, was Occupy für ihn be-deutet. „Diskutieren, aktiv sein, informie-ren. Das macht uns aus. Wir wollen den Menschen sagen, was abläuft“. Er ist einer aus dem harten Kern der Protestbewegung. Sein Zelt steht geschützt vor dem Wind in einer Mauernische der Kirche. Tag und Nacht ist Kapi hier. Er erzählt auch über unsichtbare Mitglieder. 200 Leute, die alle für die Aktion arbeiten – angeblich. Beim Suppe verteilen berichtet Arni von drei Kollegen, die noch immer in U-Haft sind. Sie wurden während der Lindenhof-räumung festgenommen. „Manchmal eska-liert es halt.“ Sie sprechen mit Überzeugung über diese Bewegung der Empörten. Aber Arni und Kapi haben auch schon ein Leben abseits dieser friedlichen Art von Protest geführt. Keiner macht einen Hehl aus den Gewalt- und Drogenerfahrungen. In einem Moment sprechen beide enthusiastisch von ihrem Engagement für die Bewegung, im nächsten dann wieder resignativ über sich selber als Junkies. Dann unterbricht ein Schrei die beiden.

Die Protestaktion zeigt ihr anderes Gesicht. Keiner weiß wer es war. Nicht einmal woher der Schrei kam. Bis einer der Occupys aus der Kirche stürzt und hektisch

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occupyzuerich.ch

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nach einem Arzt ruft. Im Damenklo ist ein älterer Mann zusammengebrochen. Ein Asiate. Er liegt beinahe regungslos am Boden. Leicht zuckt noch der linke Fuß. Neben ihm sein Gebiss. In seinen Taschen finden die anderen ein starkesBeruhigungsmittel und eine Flasche Wodka – eine gefährliche Kombination.Der Mann ist bewusstlos, hat kaum Puls. Seine Arme sind von Narben und Einstichwunden bedeckt. Am Körper hat er Schwielen und blaue Verfärbungen. Er gehört nicht wirklich zur Bewegung, hat aber, wie jeder der darum bittet, ei-nen Schlafplatz im Zeltlager bekommen. Und er ist nicht der Einzige. Die Bewe-gung scheint zu einem Auffangbecken geworden zu sein. Von Bedürftigen wird die große Offenheit ausgenutzt. Die vie-len persönlichen Probleme, die jeder in das Occupy Lager bringt, summieren sich zu einem großen Ganzen und sind im Begriff die eigentlichen Ziele der Aktion zu erdrücken.

Der Notarzt wird gerufen. Das miss-fällt. Die Occupys wollen keine fremde Hilfe. Mittlerweile hat sich der ältere

Asiate wieder gefangen und kann, ge-stützt von zwei Aktivisten, aus der Kirchegebracht werden. Draußen treffen die Sanitäter ein. Sie wollen die Situation unter Kontrolle bringen. Die Empörten empören sich über diese Bevormun-dung. Als Worte nicht mehr helfen, folgt Gewalt. Arni geht laut schreiend auf einen der Sanitäter los. Erst als man ihn das zweite Mal von dem völlig überrum-pelten Mann gezerrt hat, beruhigt er sich allmählich. Dieses Verhalten zeugt von einem Berg aufgestauter Emotionen. Den Protest zu leben ist nicht so einfach, wie es viel-leicht scheinen mag. Romantische Vor-stellungen vom gewaltlosen Aufstand bleiben leider genau das – Vorstellungen.

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KULTWERT!

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Bleibt nur zu hoffen, dass Blacks „Fri-day“ eine Eintagsfliege bleibt und unsere Ohren mit einem weiteren Lied über einen Wochentag verschont.

Man nehme einen einfältigen Text über die Vorfreude aufs kommende Wochenende, mische ihn mit einem kommerziellen House-Beat und rühre ein mageres Teenager-Stimmchen unter. Make-up und Haarspray vorsichtig in Schichten aufpinseln/-sprayen, einmal kräftig schütteln, et voilà - perfekt ist der nächste Pophit.

Kultwert!

I m Grunde verdankt das neue Pop-sternchen, Rebecca Black, ihren

fragwürdigen Ruhm Daniel Tosh. Der Comedian verspottete auf seinem Blog ihre Single „Friday“ mit dem Titel

„songwriting isn´t for everyone“. Darin karikiert er die Sinnhaftigkeit ihresLiedertextes, der für ihn im Grunde nur aus aufgezählten Wochennamen be-steht. Binnen weniger Stunden stiegendie Zugriffszahlen des YouTube-Videosauf über 100.000 Klicks und Blacks Plattenfirma erhielt Anfragen vonFernsehsendern nach dem Lied. Neben einer Live-Performance mit Katy Perry, schaffte es die inzwischen 14-Jäh-rige sogar in ihr Musikvideo und gewann den „Teen-Choice-Award“. Doch ein Blick auf das YouTube-Video zeigt, dass das Lied nicht den Geschmack der User trifft. So steht „Friday“ zwar auf Platz 1der meistgesehenen YouTube- Videos im Jahr 2011, allerdings mit 3,3 Millionen negativen und lediglich 451.000 positivenBewertungen. Das Video musste zwischenzeitlich sogar, wegen harter Kritik und wüsten Beschimpfungen, von der Plattform genommen werden.

Rebecca Black und der Krebs. Die Kali fornierin polarisiert, soviel ist klar, und vermutlich reicht ein einziges Abspielen von „Friday“ um die Ohren-krebswahrscheinlichkeit um ein Viel-faches zu steigern, aber muss man ihr

Text: Sophie-Kristin HausbergerIllustraton: Lukas Nöckler

deswegen gleich den Tod wünschen oder eine Essstörung, damit sie etwas

„hübscher“ wird? Talent hin oder her - wie viele der aktuellen Charthits zeugenvon einer gelungenen Mischung aus Hingabe, einer ausdrucksvollen Stimmeund wahrem Können? Schabt man erst das Kilo Make-up herun-ter, steckt auch in Black ein junger Teenager, der auch ohne niveaulosen Tadel mit sich und der Welt erst ins Reine kom-men muss.

occupyzuerich.ch

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GRENZGÄNGER

Dunkles Leben (DL). Eine Community für Goths von Goths. Im Vergleich zu Network Giganten wie Facebook oder Skype ein kleines Forum. Den-noch wächst Dunkles Leben seit Jahren im Schatten anderer Netzwerke und hat sich im deutschsprachigen Raum zu einer festen Größe gemausert. Schöpfer Asmodeus spricht über „sein“ DL und darüber, was es bedeutet, für solch ein Projekt zu leben.

Interview: Hubertus J. Schwarz

Dunkles Leben. Fotos: Asmodeus, Ralf Paufen

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Was macht DL für dich aus? DL bedeutet für mich im Alltag

vor allem erst einmal eine Menge Arbeit, Verantwortung und wesentlich weniger Freizeit. Die Community bedeutet mir sehr viel, da sie seit Jahren in dem von mir gewünschten Modus “freundlich-schwarz” bestens funktioniert. Darüber hinaus verbindet mich DL auch mit den Menschen, die mir in meinem Leben am wichtigsten sind.

Wie nahm das Projekt seinen Anfang? DL entstand im Jahr 2006 eigentlich als eine Trotzreaktion auf die teilweise unmögliche Forenkultur. Das konkret auslösende Ereignis war, dass mir als neuem User dort etwas verboten wurde, was bei anderen Usern aber in Ordnung war. Die Begründung des Admin laute-te sinngemäß, dass die Anderen schon länger Mitglieder wären. Das ging mir so gewaltig gegen den Strich, dass ich mein bis dahin privates Mini-Forum als öffentliches Forum neu startete, mit der festen Absicht, einen Kodex zu haben, der für alle gleichermaßen gilt und wo kein Stammuser sich mehr herausneh-men darf, als es neue User dürfen.

Welche Hürden galt es dabei zu über-winden? Wie bei allen Foren und Projekten ist es zu Beginn natürlich sehr schwer erst ein-mal attraktiven Content zu produzieren, der es dann anderen Usern schmackhaft macht, sich zu beteiligen. Ein weiteres Problem bestand zu Anfang auch noch in der Servertechnik, diversen Perfor-mance- und Sicherheitsaspekten und na-türlich vor allem auch darin eine gewisse Marktdurchdringung im Internet zu er-arbeiten ohne dabei zu spammen.

In welche Richtung hat sich DL seit sei-ner Begründung entwickelt? Wir sind größer geworden. Die Zeiten, in denen ich alle User noch kannte, sind seit Jahren vorbei. Die Wahrscheinlich-

keit, Goths in der Nähe zu finden, ist für die User mittlerweile sehr groß. So betreiben wir inzwischen regelmäßige Usertreffen und auch Festivals werden zum Anlass genommen, Usertreffen mit größeren Teilnehmerzahlen zu veran-stalten. Die “virtuelle“ Community hat sich längst auch zu einer ganz realen Ge-meinschaft entwickelt, bei der sich feste Freundschaften und Liebespaare gefun-den haben – diese Entwicklung freut mich persönlich am meisten.

Gab es jemals Gründe, die dich vor die Entscheidung gestellt haben, das Forum zu schließen? Solche Überlegungen existieren nicht. Im Gegenteil: für den Fall meines Able-bens sind sogar Anweisungen hinterlegt, die eine Nachfolge regeln. DL war zwar eigentlich schon immer das gemeinsame Projekt meiner Ex-Partnerin und mir, doch selbst als wir uns im August 2011 getrennt haben, war für beide völlig klar, das DL auf jeden Fall weiterbesteht.

Was nimmt dich bei der Arbeit mit DL am meisten in Anspruch? Die Prüfung neuer User hinsichtlich ei-ner Freischaltung benötigt mit Abstand

Dunkles Leben :: Die freundlich-schwarze Community

Online ist die Seite seit dem 11. Oktober 2006 17:04 Uhr.Zur Zeit sind etwa 4400 Mitglie-der registriert.

Es gibt zusätzlich zu den Foren-themen einen Chatroom, einen Stream zu radio.XES, Fotogalerien sowie eigene Blog- und Nickpages.

Dunkles Leben versteht sich nicht nur als Szeneforum, sondern als Plattform die alle Lebensbereiche abdeckt, denen sich auch Gothics widmen.

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GRENZGÄNGER

die meiste Zeit. Der Rest verteilt sich gleichmäßig auf die Bearbeitung von Anfragen und die allgemeine Pflege des Forums (Beiträge verschieben, Themen splitten usw.). Jedoch wird mir Dank un-seres hervorragenden Teams sehr viel Ar-beit abgenommen. Im Durchschnitt gehe ich von ca. 2 Stunden pro Tag für DL aus.

Wie sieht dein Surfverhalten aus? „Zuviel“ wäre wohl das passende Wort.

Wie stehst du social networks wie Face-book oder Google+ gegenüber? Privat nutze ich solche Netzwerke, bin jedoch extrem skeptisch gegenüber Ap-plikationen und offenbare nur Informati-onen, die entweder unbedingt nötig sind oder die sowieso jeder wissen darf. Aller-dings bin ich kein Freund davon, Projek-te wie DL in solche Netzwerke zu integ-rieren, weil es Paralleldiskussionen und

-gesellschaften eröffnet, denen dann nur die dort angemeldeten Teilnehmer fol-gen können, was somit andere DL-User ausschließt. DL selbst hat auch keinerlei Verknüpfungen (z.B. über “Gefallen”-Schaltflächen) zu solchen Netzwerken.

Bist du mehr Administrator und stehst so in gewisser Weise über dem User oder siehst du dich als Mitglied einer Gruppe? Es wäre gelogen zu leugnen, dass man als Admin nicht in gewisser Weise über der Community steht. Das ist leider ein not-wendiges Übel, denn eine so große Com-munity kann nicht als reine Demokratie existieren, vor allem dann nicht, wenn einer die letztendliche Verantwortung zu

tragen hat. Wenn man einen User zu ent-fernen hat oder aus Gründen des Rechts bestimmte Dinge löschen oder verbieten muss, existieren in der Regel immer an-dere User, die das nicht nachvollziehen können oder wollen.

Wie sieht dein Auftritt als Admin aus?Da das Auftreten eines Admins immer mit einem gewissen Maß an Autorität verbunden ist und das „Gemeinschaft-liche“ in einer Community beeinträch-tigt, versuche ich dies zu kompensieren, in dem ich nur noch an sehr wenigen Diskussionen selbst aktiv teilnehme, mich selbst als den “bösen Asmodeus” gerne etwas auf die Schippe nehme, Ent-scheidungen wie die Aussperrung von Usern öffentlich begründe und kaum noch persönlichen Kontakt zu einzelnen Usern pflege (um den Anschein einer Bevorzugung zu vermeiden).

Das heißt, du nutzt DL gar nicht mehr persönlich?Unter dieser Betrachtung habe ich von DL wirklich wesentlich weniger, als noch zu der Zeit, als die Community nur aus Freunden bestand. Doch ich beklage mich nicht, denn es ist ein sehr befriedigendes Gefühl zu wissen, dass man mit seiner Arbeit so vielen Menschen ein belieb-tes „virtuelles“ Zuhause geschaffen hat. Wie ist deine Beziehung zur Gothic Szene? Ich pflege einige persönliche Kontakte zur Künstlerszene der Gothic Szene, so dass mir bei diversen gemeinsamen Pro-

jekten auch mal Menschen wie „The Violet Tribes“ oder die Jungs von „The House of Usher“ über den Weg laufen. Dennoch würde ich mich selbst nicht als DER Szenegänger bezeichnen, da ich mich nie gerne auf eine „Schublade“ festlegen lasse. In einem guten House – Club kann man mich ebenso finden, wie in einem Grufti – Schuppen oder auf einem Folk – Konzert. Vielleicht wäre ich ohne DL inzwischen auch schon gar nicht mehr so wirklich Goth... aber, wann ist man schon „wirklich“ Goth?

Wie lange willst du das Projekt noch weiter führen? Ich antworte meist lapidar darauf: „DL stirbt mit mir“, aber lieber wäre es mir eigentlich, wenn DL mich überleben würde. Ist doch ein schöner Gedanke, wenn etwas so kommunikations- und kontaktförderndes wie DL weiterlebt. Sicher, die Technik ändert sich und so wird auch DL in 10 Jahren nicht mehr auf der gleichen Plattform betrieben werden (können), aber die Dinge, die wirklich wichtig sind (unser Motto

„freundlich-schwarz“, die Gleichbehand-lung aller User usw.), werden immer das Wesen unseres Projektes ausmachen.

Dunkles Leben Zur Community.

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KOMMENTAR

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Fachbegriff. Es klingt gut, wenn man sagt „Ich neige zur Prokrastination, ich kann nichts dafür.“ Dinge aufzuschieben, das funktioniert auch in Prüfungsmonaten sehr gut. Vor allem seitdem es das Internet gibt. Und ich spreche nun nicht von Facebook, das sich alle paar Wochen verändert und uns immer mehr Informationen zugleich zuwirft. Ich spreche von einer Website, die den Netznerds aus aller Welt eine Plattform zur Verbreitung ihres eigenen Humors gibt. Ein Nähr-boden für Internet-Memes und Insider-scherze, die nur diejenigen verstehen, die die Seite täglich ansteuern. Und mittlerweile ließen sich schon viele davon infizieren. Die Seuche nennt sich 9Gag. Und gerade feiert sie hierzulande ihren Durchbruch. Alle Ablenkungsaf-finen möchte ich warnen, niemals diese Seite aufzurufen. Schön, dass das Scroll-rädchen der Maus sich nicht so schnell abnutzt wie der Tatendrang.

Campus Mythen Nr. 4

Text: Matthias Alber

© Felicia Sonberger

Zweitausendzwölf. Ein neues Jahr. Und sogleich nähert sich flinken Fußes eine erbarmungslose Zeit: das Finale des Semesters. Der Terminkalender quillt über, die Augen werden kleiner und jedes Fünkchen Motivation muss man sich für Prüfungen, Abgaben und Referate aufsparen. Man liebt es, im Selbstmitleid zu versinken. „Ach, ich

bin so arm, ich habe mir eine Pause verdient“, denkt man sich dann. Man denkt es sich umso öfter, je größer der sogenannte (ja, ich muss dieses Wort im FH-Kontext strapazieren) Work load ist. Prokrastination – das Aufschieben von Verpflichtungen - ist ein Wörtchen, das in letzter Zeit inflationäre Verwendung genießt. Ist ja auch ein wunderbarer

Dunkles Leben Zur Community.

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STUDY ABROADSTUDY ABROAD

Willkommen im neutralsten Land der Welt...neutraler ist nur Niemandsland. Hier sagen sich Fuchs und Gans gute Nacht, oder zumindest Heidi und der Großvater. In den Seen und Flüssen fließt – regions abhängig – Käse oder Schokolade. Und abends setzt man sich zum Feuer und liest sich Geschichten über Wälder und Berge vor. Oder nicht.

Text: Natanja C. ReitnerFotos: Natanja C. Reitner, Hubertus J. Schwarz

Er so: „Grüezi“, ich so: „WTF“

Ich träumte von fremden Kulturen, fremden Sprachen, fremden Menschen. Ich landete in der Schweiz. Wie so oft, bekommt man bei Erasmus nicht immer die erste

Priorität. Die Enttäuschung war —das gebe ich offen zu— sehr groß. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass die Zeit meines Lebens auf mich wartete.

Fremde Kulturen. Ein deutschsprachiges Nachbarland ist nicht fremd? Ich möchte an diesem Punkt vehement mit der Zunge schnalzen und meinen Kopf schütteln. Ich fand mich im September in einem Land wieder, das so gar nichts mit meinen Vorstellungen der Schweiz zu tun hatte.Die Stadt, Winterthur, war verglichen mit Graz relativ klein, hatte aber nichts mit einem rückständigen Bergdorf zu tun.

Das lag einerseits daran, dass die Zivilisation hier schon angekommen ist, andererseits an den fehlenden Bergen.

Die Zeit scheint hier etwas langsamer zu vergehen, die Schweizer machen alles sehr präzise und gemächlich. Als resche Österreicherin musste ich mich an diese „jetzt-mal-ganz-ruhig Mentalität“ erst gewöhnen. Bei Behörden-gängen ging´s zu wie bei Asterix und Obelix im Haus, das Verrückte macht. Trotzdem stellte sich meine innere Uhr langsam auf „Schweiz-Zeit“ ein und ich kam endlich mal zur Ruhe. Ich lernte, mir Zeit zum Genießen zu neh-men. Und zu genießen gibt es hier viel: die wunderschöne Stadt Zürich (Starbucks: endlich!), die fremde Architektur (Fachwerkhäuser treffen Backsteine) und meine persön-

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liche große Liebe: die Luxenburgerli. Die haben ihren Ur-sprung zwar nicht in der Schweiz, aber meiner Meinung nach können nur die Hiesigen etwas so Schönes, Perfektes aus Butter und Zucker und noch mal Butter zaubern.

Fremde Sprachen. Winterthur liegt in der deutsch-sprachigen Schweiz. Aber ob das Deutsch ist, was meine Zeitgenossen hier sprechen, ist mir bis heute noch nicht ganz klar. Ich bin immer noch erstaunt, dass „Grüezi“eine tatsächliche Begrüßungsformel zu sein scheint. Die Schweizer sind ganz eigen mit ihrem Dialekt, der eigentlich schon eine andere Sprache ist. Artikel, Gram-matik, Wörter...alles anders als im Hochdeutsch. Sechs Wochen habe ich gebraucht, um einer Unterhaltung auf Schwizerdütsch folgen zu können. Es erfordert heute noch Konzentration. Aber auch mich versteht man schwer, mein steirischer Bauerndiphthong musste einem holprigen Hochdeutsch weichen. Mein Sprachzentrum hat es hier generell nicht leicht. Alle meine Fremdsprachkenntnisse feiern eine große Party. Ich wohne in einem Studentenheim (Regeln, überall Regeln) mit vielen Austauschstudenten aus aller Welt. Standard-sprache der ersten Wochen war Zeichensprache, insbeson-dere mit den Italienern, den Franzosen und den Spaniern. Mittlerweile etablierte sich Englisch. Wenn das nicht mehr ausreicht, wühle ich tief in meiner Vokabelkiste um ein paar französische oder italienische Wortfetzen zu finden. Ich ertappe mich immer wieder dabei, englische Satz-konstruktionen ins Deutsche zu übernehmen. Gut, dass für mich als Jungjournalistin Sprache so gar nicht im Mit-telpunkt meines Lebens steht.

Fremde Menschen. Müsste ich die Schweizer mit einem einzigen Wort beschreiben, wäre das: schrullig. Aber im besten Sinn. Sie sind eigen, haben ihre Mittel und Wege an Dinge heran zu gehen und möchten auch, dass das so bleibt. Das kann manchmal ganz schön anstrengend sein, aber es hat auch etwas Beständiges. Man gewöhnt sich an alles.Ich liebe es, in einem Studentenheim zu wohnen. So vielefremde Nationen auf einem Platz. Die Wohngruppen hier bestehen aus zwölf Leuten. Wir teilen uns Küche, Bad und Wohnzimmer. Gemeinsam kochen, fort gehen, Sport machen (ja, wirklich!) und einfach mal ein paar Monate das Leben mit neuen Menschen teilen: auch das ist Eras-mus. Die großen und kleinen Probleme des Alltags bewäl-tigt man gemeinsam. Und wenn das Heimweh doch zu groß wird, gibt es immer noch Skype. Aber die Menschen sind das, was die Auslandsaufenthalte —egal ob in der Schweiz oder in Paraguay— zu so einer besonderen Zeit machen. Ohne es zu merken, entwickelteich mich weiter, lernte neue Dinge und rückte andere in eine mir bisher unbekannte Perspektive. Ich nutzte die Zeit hier, um mir über meine Zukunft klar zu werden und die Vergangenheit endlich hinter mir zu lassen. Die Schweiz wurde zu einer Erfahrung, von der ich noch mei-nen Enkelkindern erzählen werde.

STUDY ABROAD

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STANDORTKOLUMNEN

Nur Nebel, leben an der Autobahn, Gestank durch Böhler Edelstahl, ist das Leben hier eigentlich nur eine Qual? Nein, höret her, man glaubt es fast nicht, Kapfenberg er-lebt man auch aus einer ganz anderen Sicht!Jeder Neuankömmling an unserer Fachhochschule er-fährt sofort das ausgeprägte Gemeinschaftsgefühl und wird schnell in unsere große „Familie“ eingegliedert. Im Herbst werden sowohl die Studienanfänger als auch die ERASMUS – Studierenden mit einer „Welcome Party“ willkommen geheißen. Unter dem Motto „Fête des couleurs“ wurde unsere Empfangsaula, mit Hilfe viel-er engagierter Studierender, Mitte November zu einer bunten Partylocation umfunktioniert. Hochmotivierte Partygäste machten in der Fachhochschule richtig Stim-mung. Nicht lange muss man warten, so stehen schon die ersten Glühweinpartys an, gefolgt von der ein oder an-deren Weihnachtsfeier. Die Erlöse der Glühweinstände unserer Internet techniker, sowohl vor der FH als auf dem Adventmarkt in Kapfenberg, gingen an die österreichische Kinderkrebshilfe. Doch auch der sportliche Aspekt kommt bei uns nicht zu kurz, schließlich brauchen wir zum stressi-gen Studienalltag einen gesunden Ausgleich. Der Verein FH – Sport bietet genügend Möglichkeiten sich aktiv aus-zutoben. Nach den Weihnachtsferien heißt es: „Ab auf die Piste!“ Zu moderatem Preis wurde von JOIN ein Schitag für alle Studierenden organisiert. Ein weiteres Winterhighlight stellt die Fahrt zum legendären Nightrace in Schladming dar. Die nächsten Events in unserem Partykalender finden am 26. und 27. Jänner statt, wenn es heißt „We want it louder – Snowstyle“.

Streicht man das erste G unseres idyllisch angehauchten, etwas verstaubten Kurortes, so schwindet jegliche

bisherige positiv-friedliche Assoziation mit BG-Town. Wer die nähere Umgebung unseres Studienstandortes schon mal erkundet hat, ist möglicherweise an Plätzen vorbeigekommen wie der alten Ruine in der Nähe des Golfplatzes. Nur wer sich durch das Unterholz schlägt und den steilen „Berg“ erklimmt, erreicht diese ziemlich zerfallene Burg. Dieser Platz erinnert an Psychofilme wie The blair witch project, trotz Helligkeit liegt hier etwas Bedrohliches in der Luft. Oftmals sieht etwas oberflächlich betrachtet ganz anders aus als es wirklich ist. Keine Angst, ich erzähle jetzt keine Horrorgeschichte über Bad Gleichenberg, aber ich möchte einen kleinen Denkanstoß geben. In den vergangenen Monaten gab es den einen oder anderen Vorfall, der unseren paradiesähnlichen Standort und unser positives Image in Frage gestellt hat. Entsetzen in Graz, „ist das Paradies in Gefahr?“. Keine Sorge, alles under control hier. Jedoch würde ich es begrüßen wenn nicht immer alles als Selbst-verständlichkeit gesehen wird, manche Spielregeln sind ein bisschen anders als in Graz und ich finde, das soll auch so bleiben. Ein kleiner Studienstandort erlaubt manches, was woanders nicht möglich ist. Es sollte sich jeder selber überlegen wie weit man die Spielregeln ausreizen kann/darf. Ich finde nur, wir sollten die positive Kultur und so-mit auch das positive Image weiterhin aufrecht erhalten, denn sollte Bad Gleichenberg die Studierenden verlieren, sinkt das Durchschnittsalter rapide. Böse Zungen würden dann wahrscheinlich von Bad Leichenberg sprechen.

Bad (G)leichenberg

Kapfenberg - The place to be

Bad Gleichenberg

Kapfenberg

Text: Georg Knaus, Christina Wiedemaier

Text: Laura Wirth

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Kapfenberg - The place to be

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