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Johann Knieps Geburtsdaten sind nicht genau überliefert, aber da er 1793 in den Aufnahmeprotokollen der Wiener Akademie der bildenden Künste als „14 jährig“ verzeichnet wurde, lässt sich sein Geburtsjahr mit 1779 festsetzen. Der Künstler stammte aus einfachen Verhältnissen, die wirtschaftliche Situation der Familie muss sehr schlecht gewesen sein, da Kniep ab 1798 bis 1802 in der Liste der Stipendiaten geführt wurde und einen jährlichen Zuschuss von 25 Gulden erhielt. An der Akademie gehörte er der Schule der Kupferstecher an, durch diese „Hintertür“ kam er zur Landschaftsmalerei, die damals noch keine eigene Disziplin war. Sein Lehrer Laurenz Janscha dürfte ihn auch in den Kreis der Wiener Veduten-Maler rund um Carl Schütz eingeführt haben und im Umkreis des sehr erfolgreichen Carl Schütz konnte er schon während seiner Studienzeit kleinere Kupferstichar- beiten ausgeführt haben. Mit dieser Ausbildung und Erfahrung war er bestens vorbereitet für die Aufgaben, die ihn im Dienste Erzherzog Johanns ab August 1802 erwarteten. Er war dabei der erste einer Reihe von Malern, die der Prinz als ständige Begleiter seiner Reisen ausgewählt hat. Da die verschiedenen Dienststellen eines Erzherzogs als „Kammern“ tituliert wurden, hat sich die Bezeichnung „Kammermaler“ ergeben. Es war eine Position, die nicht nur wegen der Nähe zur kaiserlichen Familie eine Karriere bedeutete, sondern die im Allgemeinen auch gut bezahlt war. So erhielt Kniep 100 Gulden monatlich, seine späteren Nachfolger dann 200 Gulden. Insgesamt unternahm der Maler zwischen 1802 und 1808 mit seinem Auftraggeber sechs ausgedehnte Reisen, die, bis auf die Route nach Oberitalien 1804 und nach Kroatien 1807, die Gebiete Inneröster- reichs, also Steiermark, Kärnten und Salzburg umfassten. Im Frühjahr 1809 war Kniep wieder in Wien, wo er am 30. Juli verstarb. Die in seinem Nachlass befindlichen Blätter erhielt Erzherzog Johann, der dem alten Vater Kniep dafür weiterhin einen monatlichen Unterhalt zukommen ließ und die Blätter noch zusätzlich bezahlte. Betroffen über den frühen Tod des Malers zeigte sich der Erzherzog in einem Brief an Gebhard Kesthely am 2. November 1809, worin er dessen Kupferstiche lobte und anführte, dass es sein Plan gewesen wäre, „nach und nach sie (die Aquarelle) stechen zu lassen, sie sollten zu meinem Hauptwerk über Innerösterreich dienen.“ Dieses Vorhaben wurde nie realisiert, weshalb die Aquarelle von Kniep und seinen Nachfolgern Karl Russ, Jakob Gauermann, Matthäus Loder und Thomas Ender, die einzigen Zeugnisse der Reisen Erzherzog Johanns und von heute längst vergessenen Kulturlandschaften geblieben sind. Die Auswahl seiner Maler traf der Erzherzog nach zwei Kriterien. Er verlangte eine solide Ausbildung, weshalb er sich an die Akade- Johann Kniep, der erste Kammermaler Erzherzog Johanns und seine Reise durch Oberitalien 1804

Johann Kniep, der erste Kammermaler Erzherzog Johanns …€¦ · seinen Nachfolgern Karl Russ, Jakob Gauermann, Matthäus Loder und Thomas Ender, die einzigen Zeugnisse der Reisen

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Johann Knieps Geburtsdaten sind nicht genau überliefert, aber da er 1793 in den Aufnahmeprotokollen der Wiener Akademie der bildenden Künste als „14 jährig“ verzeichnet wurde, lässt sich sein Geburtsjahr mit 1779 festsetzen. Der Künstler stammte aus einfachen Verhältnissen, die wirtschaftliche Situation der Familie muss sehr schlecht gewesen sein, da Kniep ab 1798 bis 1802 in der Liste der Stipendiaten geführt wurde und einen jährlichen Zuschuss von 25 Gulden erhielt.

An der Akademie gehörte er der Schule der Kupferstecher an, durch diese „Hintertür“ kam er zur Landschaftsmalerei, die damals noch keine eigene Disziplin war. Sein Lehrer Laurenz Janscha dürfte ihn auch in den Kreis der Wiener Veduten-Maler rund um Carl Schütz eingeführt haben und im Umkreis des sehr erfolgreichen Carl Schütz konnte er schon während seiner Studienzeit kleinere Kupferstichar-beiten ausgeführt haben.

Mit dieser Ausbildung und Erfahrung war er bestens vorbereitet für die Aufgaben, die ihn im Dienste Erzherzog Johanns ab August 1802 erwarteten. Er war dabei der erste einer Reihe von Malern, die der Prinz als ständige Begleiter seiner Reisen ausgewählt hat. Da die verschiedenen Dienststellen eines Erzherzogs als „Kammern“ tituliert wurden, hat sich die Bezeichnung „Kammermaler“ ergeben. Es war eine Position, die nicht nur wegen der Nähe zur kaiserlichen Familie eine Karriere bedeutete, sondern die im Allgemeinen auch

gut bezahlt war. So erhielt Kniep 100 Gulden monatlich, seine späteren Nachfolger dann 200 Gulden.

Insgesamt unternahm der Maler zwischen 1802 und 1808 mit seinem Auftraggeber sechs ausgedehnte Reisen, die, bis auf die Route nach Oberitalien 1804 und nach Kroatien 1807, die Gebiete Inneröster-reichs, also Steiermark, Kärnten und Salzburg umfassten. Im Frühjahr 1809 war Kniep wieder in Wien, wo er am 30. Juli verstarb. Die in seinem Nachlass befindlichen Blätter erhielt Erzherzog Johann, der dem alten Vater Kniep dafür weiterhin einen monatlichen Unterhalt zukommen ließ und die Blätter noch zusätzlich bezahlte.

Betroffen über den frühen Tod des Malers zeigte sich der Erzherzog in einem Brief an Gebhard Kesthely am 2. November 1809, worin er dessen Kupferstiche lobte und anführte, dass es sein Plan gewesen wäre, „nach und nach sie (die Aquarelle) stechen zu lassen, sie sollten zu meinem Hauptwerk über Innerösterreich dienen.“ Dieses Vorhaben wurde nie realisiert, weshalb die Aquarelle von Kniep und seinen Nachfolgern Karl Russ, Jakob Gauermann, Matthäus Loder und Thomas Ender, die einzigen Zeugnisse der Reisen Erzherzog Johanns und von heute längst vergessenen Kulturlandschaften geblieben sind.

Die Auswahl seiner Maler traf der Erzherzog nach zwei Kriterien. Er verlangte eine solide Ausbildung, weshalb er sich an die Akade-

Johann Kniep, der erste Kammermaler Erzherzog Johanns und seine Reise durch Oberitalien 1804

mie in Wien wandte, außerdem sollten die Künstler materiell schwächer gestellt sein, damit er auf diesem Weg auch als Förderer auftreten konnte. Künstlerische Aspekte waren weniger wichtig, Johann wollte keine Kunstwerke im eigentlichen Sinn geschaffen haben, sondern Dokumente, die der wissenschaftlichen Forschung dienlich waren.

Die Reise nach Oberitalien 1804Die vorliegende Aquarellserie erfolgte vorrangig aus militärisch-strategischen Zielen. In seiner Funktion als Generaldirektor des Genie- und Fortifikationswesens seit 1801 war Erzherzog Johann für die Verteidigungsanlagen der Alpenregionen zuständig und plante die Reise entlang der südlichen Gebirgsgrenze, um sich mit den „Proble-men der Fortifikation dieses Gebietes“ vertraut zu machen.

Der Verlauf der Gesamtreise ist dank genauen Aufzeichnungen des Erzherzogs bekannt, wobei aber nur einzelne Stationen mit einem Datum versehen wurden. Sie begann im April 1804 in Wien, Verona wurde im Juni erreicht und am 15. Juli vermerkte Johann seine Ankunft in St. Martin im Passeiertal, wo ihm das erste Mal Andreas Hofer begegnete. Wenige Tage später hielt er sich zur Beratung über den Aufbau einer Landmiliz für Tirol in Innsbruck auf. Es ist daher anzunehmen, dass er in Wien erst wieder im Frühherbst angekom-men ist.

Die vorliegenden 29 Blätter umfassen nur den Abschnitt zwischen Venedig und Trient, wobei der Nummerierung folgend auch diese

nicht ganz vollzählig sind. Das erste Blatt beginnt mit Venedig, hat aber bereits die Nummer neun und das letzte endet mit der Num-mer 46. Alle Aquarelle sind auf der Rückseite vom Künstler selbst nummeriert und betitelt worden, wobei sich die Orthographie des Malers manchmal stark der Sprechweise angepasst hat. Der nicht immer logische Wegverlauf bei Kniep sollte durch spätere Anord-nung korrigiert werden. Bei genauerer Überprüfung lassen sich die Umwege aber durchaus erklären, auch ist denkbar, dass manches Ziel erst vor Ort entschieden wurde.

Die Wegstrecke, welche die Reisegruppe in knapp 3 ½ Monaten zurücklegte, ist beeindruckend und führte durch eine kulturell wie landschaftlich vielfältige Kulturregion Europas. Die Gebiete Oberitaliens zwischen Udine und Trient gehörten bis zum Ein-marsch der Franzosen zur Dogenrepublik Venedig, aber nach dem Frieden von Campo Formio 1797, der den ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich beendete, fielen Venetien und die Lombardei an die Habsburger Monarchie – im Austausch für die Kernlande des Reiches entlang der Rheingrenze. Im Jahr 1804 durchwanderte der Erzherzog also durchgehend noch österreichisches Hoheitsgebiet, während es ein Jahr später, nach der Niederlage in der Schlacht von Austerlitz, gemeinsam mit Tirol an den französischen Sieger fallen sollte. Die Aquarelle entstanden historisch gesehen also am Vor-abend einer epochalen Wende der europäischen Politik und zum Teil sind in den Bildern, wie in jenen von Venedig, noch Zustände festgehalten, die nach dem Einfall Napoleons, den Umbauten im 19. Jahrhundert und den Zerstörungen in den beiden Weltkriegen entweder vernichtet oder verändert worden sind.

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Der ungewöhnliche Wegverlauf, den der Erzherzog trotz umständli-cher Umwege gewählt hat, zeigt sein Interesse für die kulturelle und landschaftliche Eigenart einer Gegend. Dieses Interesse dürfte ihn, neben der militärischen Bedeutung, zu den deutschen Sprachmin-derheiten entlang der Grenzlinie der südlichen Dolomiten geführt haben: nach Sappada bei Cadore, und am Gardasee zu den Orten der 13 Gemeinden von Cero sowie zu den sieben Gemeinden mit ihrem Hauptort Asiago. Das Gemeinsame dieser Orte ist ihre Zugehörigkeit zur deutschen Sprachminderheit der Zimbern, eine im 11./12. Jahrhundert eingewanderte Bevölkerungsgruppe aus dem bayerischen und tirolischen Raum. Geographisch sind diese Niederlassungen durch die Wahl einer abgelegenen, vom Gebirge abgeschirmten Hochebene gekennzeichnet, was die Entwicklung einer eigenständigen Sprache und Politik begünstigt hat. Am äußersten Rand des Machtbereichs der Republik von Venedig gelegen und als deren wichtigster Holzlieferant standen die Gemein-den seit jeher unter dem besonderen Schutz der Dogen, die sie erst mit der Machtübernahme Napoleons und dann der Habsburger verlieren sollten.

Landschaft als malerische HerausforderungIm Gegensatz zu Johann Kniep war es für Erzherzog Johann nicht die erste Reise in ein alpines Gebiet. Bereits im September 1800 erkundete er mit dem bereits bekannten Landschaftsmaler Ferdin-and Runk die Gebirgspässe und Täler Tirols, was seine Begeisterung und Liebe für die Alpen begründete. Runk zeichnete Straßen, Pässe, Befestigungen sowie reizvolle Ansichten. Da der Maler jedoch schon

im Dienste des Fürsten Schwarzenbergs stand, mag er vielleicht den Erzherzog an die Akademie verwiesen haben, wo ihm Kniep empfohlen wurde.

Die ersten zwei Unternehmungen vom Schneeberg über den Semmering nach Wien und von Mariazell über den Hochschwab nach Wien 1802 und 1803, meisterte Kniep zur Zufriedenheit seines Auftraggebers, sodass wohl an eine größere Reise mit ihm gedacht werden konnte. Dabei sollte nicht nur an die künstlerische, sondern auch an die beeindruckend konditionelle Leistung gedacht werden. Die Strapazen der Fahrt durch Oberitalien waren jedenfalls nicht gering, mehrmals wurden Grenzpässe überschritten, steile Schluch-ten auf schmalen Pfaden durchquert und auch der Wechsel des Klimas von den alpinen Regionen bis hin zu den tief gelegenen Ebenen des venezianischen Hinterlandes stellten ungewohnte Anforderungen an den ungeübten Reisenden Kniep.

Die Tatsache jedenfalls, dass der Erzherzog einen Studenten für dieses vollkommen neue Projekt gewählt hat, der zwar als begabt empfohlen, aber noch keine besondere künstlerische Leistung oder Auszeichnungen vorweisen konnte, zeigt, wie sehr ihm eine Dokumentation und weniger eine künstlerische Interpretation der Landschaft wichtig war. Er wünschte sich ein korrektes handwerkli-ches Vorgehen, gleichzeitig forderte der Prinz mit seinem Wunsch nach einer wahrhaften und objektiven Landschaftswiedergabe eine neue Art des Sehens, die an der Akademie erst in Ansätzen verstan-den wurde und noch die Malerei des 19. Jahrhunderts in Bann halten sollte. Dieser Vorstellung des Erzherzogs Folge zu leisten war also

keine einfache Aufgabe für einen jungen Absolventen der Akademie, dessen Begabung sich noch im strengen Gerüst einer vom barock-klassizistischen Geist geprägten Ausbildung entwickelt hat.

Kniep beschränkte sich auf der Reise nur auf das Skizzieren. Er zeichnete rasch mit einer Feder oder spitzem Pinsel auf einem monochromen, leicht gelblichen Papier die Strukturen des gewähl-ten Prospektes, sehr genau und richtig bei der Architektur und den Stadtansichten, umrisshaft bei den Bergsilhouetten und Talformen. Zurück im Wiener Atelier dürfte der Künstler diese Skizzen dann, wie es üblich war, ausgemalt haben und im vertrauten Ambiente verfiel er wohl in die gewohnte Art spätbarocker Bildkomposition: Statt einem direkten, unverstellten Eintritt in einen Landschaftsaus-blick bevorzugte er eine bühnenmäßige Gestaltung mit rahmenden Bäumen, kleinen Hügelketten mit Figurengruppen als Staffage. Das Studium der Natur über einen so langen Zeitraum hinweg, hat den Maler mit dem Effekt des von der Sonne kommenden Lichtes vertraut gemacht. Morgen- und Abendstimmungen, schattige Kühle und die Wärme der Sonne sind durchaus erkennbar und bilden stimmungsvolle Momente. Charakteristisch für die Bilder sind einheitliche Farben von Blau und Grau, verschiedene Grün- und Rottöne für die typische Architektur der Gegend. Farbe ist bei Kniep aber noch nicht eine von Licht bestimmte Materie, sie wirkt oft hart und mehr kolorierend. Trotzdem gelang es dem jungen Künstler immer wieder aus den akademisch barocken Richtlinien auszubrechen, es wird der Eindruck spürbar, den diese auch heute noch vielfältige Kulturlandschaft auf ihn, den Stadtmenschen, gemacht haben muss. Besonders malerisch und in der Feinheit der

Zeichnung ausgezeichnet sind die Stadt- und Architekturansichten, beginnend mit Venedig bis hin zu den Panoramen von Vicenza und Schio, Bassano und dem Schloss von Marostica.

Johann Kniep lernte plötzlich eine andere Welt, andere Architektur, Täler und Berge kennen und musste sie gleichzeitig in Bildern festhalten. In der feinen Federführung der Skizze ist die Unmittel-barkeit der Eindrücke und die Faszination über die Schönheit der Natur zu spüren, in der Vollendung und malerischen Ausführung wiederum das Ringen mit den überlieferten künstlerischen Werten. Mit jugendlicher Naivität stellte er sich der Aufgabe, unbeschwert vernachlässigt er Details, komponierte frei, wo ihm die Natur zu wenig erschien und erwies sich doch als gelehriger Schüler der Natur. Die Aquarelle der Reise von 1804 sind Zeugnisse erster Versuche auf dem Gebiet der reinen Landschaftsdarstellung und wertvolle Dokumente von Landschaften, wie sie noch nie zuvor gesehen worden sind. (MHH)

13. 5., 17 Uhr

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