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Johann Sebastian Bach JOHANNESPASSION Sonntag, 13. März 2016 Peterskirche Heidelberg Heike Heilmann – Sopran Seda Amir-Karayan – Alt Johannes Gaubitz – Tenor, Evangelist Ekkehard Abele – Bass, Jesus Christos Pelekanos – Bass, Arien Camerata Vocale Heidelberg Lukas Barockorchester Stuttgart Leitung: Kantorin Beate Rux-Voss Das Konzert wird gefördert vom Kulturamt der Stadt Heidelberg und von der Evangelischen Kirche in Heidelberg

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Johann Sebastian Bach

JOHANNESPASSION

Sonntag, 13. März 2016

Peterskirche Heidelberg

Heike Heilmann – Sopran

Seda Amir-Karayan – Alt

Johannes Gaubitz – Tenor, Evangelist

Ekkehard Abele – Bass, Jesus

Christos Pelekanos – Bass, Arien

Camerata Vocale Heidelberg

Lukas Barockorchester Stuttgart

Leitung: Kantorin Beate Rux-Voss

Das Konzert wird gefördert vom Kulturamt der Stadt Heidelberg

und von der Evangelischen Kirche in Heidelberg

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Musik von Leid und Leidenschaft – eine kleine Einführung in J. S. Bachs Johannespassion Die musizierte Passion steht in der Geschichte der Kirchenmusik und der geistlichen Musik an zentraler Stelle. Mit der biblisch bezeugten Leidensgeschichte verbindet sie „ökumenisch“ die Konfessionen, und mit ihrer Vielfalt von Stilrichtungen umfasst sie den immensen Zeitraum von der Spätantike bis zu unserer unmittelbaren Gegenwart: von der einstimmigen Gregorianik über die Mehrstimmigkeit und das vokal-instrumentale Zusammenspiel bis hin zu zeitgenössischen Werken, bisweilen auch rein instrumentalen, etwa über die „Sieben Letzten Worte“ Jesu am Kreuz. Die Passionswerke Johann Sebastian Bachs, die in der Geschichte der Passionsmusik einen unbestrittenen Höhepunkt bilden, folgen in ihrem Typus der textlich gemischten „Oratorischen Passion“ mit Bibel-wort, Choralstrophen und Barock-dichtung. Von seinen vermutlich insgesamt fünf Passionsmusiken sind jedoch nur die beiden nach Johannes und Matthäus erhalten geblieben. Die 1724 komponierte Johannespassion ist die frühere der beiden erhaltenen Passionen aus der Feder des Thomaskantors Bach. Im Unterschied zur Matthäuspassion liegt sie jedoch nicht in einer „Ausgabe letzter Hand“ vor, sondern als „work in progress“ in fünf divergierenden und

teilweise nur unvollständig über-lieferten Fassungen. Wenn wir danach fragen, worin Bedeutung und Wirkung dieses Werkes letztlich gründen, treffen wir an vielen Punkten auf „Integrati-onen“, auf Bachs Kunst also, Divergierendes miteinander in eine Balance zu bringen; und von einigen Aspekten dieser musikalisch-theologischen Kunst der Integration soll hier nun einführend die Rede sein. 1. Biblische und musikalische Inspiration. Das Werk hat zur Grundlage die Passionsgeschichte nach dem Johannesevangelium (Kapitel 18 und 19), welches bereits für den Reformator Martin Luther „das rechte Haupt-Evangelium“ war. Im Unterschied zu den meisten Werken seiner Zeitgenossen folgt Bach dem liturgischeren und älteren Typus der Oratorischen Passion, für den die Beibehaltung des wörtlichen Bibel-textes nach der die protestantische Welt damals noch tief prägenden Luther-Übersetzung charakteristisch ist. Dass Bach selbst nicht nur mit der Bibel, sondern auch mit den Grundzügen ihrer erbaulich-predigthaften Auslegung bestens vertraut war, dokumentiert neben seiner Musik der große Bestand an theologisch-geistlichen Büchern in seiner Bibliothek, darunter vor allem die dreibändige kommentierte „Calov-Bibel“ mit zahlreichen Anstreichungen und Randbemerk-ungen Bachs. Schließlich wird das biblisch- johanneische „Rückgrat“ des Werkes noch durch zwei Einschübe aus dem Matthäusevangelium ergänzt, auf die

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Bach wohl um der musikalischen Affekt-Darstellung willen nicht verzichten wollte: zum einen das Weinen des Petrus (Mt 26,75 – „Lacrimae Petri“), das er durch den Übergang vom rezitativisch-berichtenden Evangelistenton ins breite Arioso (mit „Adagio“-Vorschrift) musikalisch-klagend her-vorhebt, um dann die aufgewühlt-zerklüftete Tenor-Arie „Ach, mein Sinn“ anzuschließen – und zum anderen das Zerreißen des Vorhangs im Tempel mitsamt dem kosmischen Ereignis des Erdbebens (Mt 27,51f. – „Passio mundi“), in das die Sopran-Arie „Zerfließe, mein Herze, in Fluten der Zähren“ individuell-mitleidend („Compassio“) einstimmt. Beide Male geht es um das biblisch fundierte und zugleich musikalisch überaus inspirierende „Weinen“ im Sinne des emotional-bewegenden Beteiligtseins (barock: „movere“) an der Passion. Die biblisch inspirierten Arien-dichtungen der Johannespassion entstammen, wohl mangels eines geeigneten Textdichters, recht verschiedenen Quellen, deren Verfasser uns nur noch teilweise namentlich bekannt sind. Einige Sätze, die der berühmten Passionsdichtung des Hamburger Ratsherrn Barthold Hinrich Brockes (1680-1747) entnommen sind, wurden zudem für Bachs Johannespassion von unbe-kannter Hand bearbeitet, und das heißt näher an die Bibel gerückt. Zwei Beispiele hierfür: Der Text des Eingangschores aus der Brockes-Passion „Mich vom Stricke meiner Sünden zu entbinden …“ erklingt in

Bachs Werk nicht zu Beginn als „Exordium“ (Einleitung einer Rede oder Klangrede), sondern als Alt-Arie im Anschluss an eben jener Stelle im Bibeltext, an der vom Binden („und banden ihn“) die Rede war; auch die Bass-Arie „Mein teurer Heiland, lass dich fragen“, der bei Bach zudem die Choralstrophe „Jesu, der du warest tot“ unterflochten ist, gewinnt durch die von dem unbekannten Textredaktor zusätzlich eingefügte Erinnerung an Jesu letztes Wort („… und selbst gesagt, ‚es ist vollbracht’“) stärkere Bibelnähe; und zugleich ist sie jetzt mit der Arie „Es ist vollbracht“ verknüpft, so dass diese beiden nur durch ein kurzes Rezitativ vonein-ander getrennten Arien sowohl das letzte Wort Jesu (im johanneisch-hoheitlichen Sinne: „Es ist vollbracht“) bedenken als auch das Neigen des Hauptes als seine letzte Geste. Auf Jesu Wort und Geste antwortet dieses Arienpaar in Bachs musikalischer Sprache des komponierten Gebets. 2. Die Passion drängt nach vorn, und sie weist nach innen. Die Oratorische Passion kennt zwei einander ergänzende „Richtungen“, die durch den Text und schließlich durch Bachs musikalisch-zeitliche Gestaltung in eine kaum überbietbare Balance gebracht werden: Die Richtung nach vorn als bisweilen leidenschaftliche „Dramatik“ – musikalisch vor allem repräsentiert durch den Evangelisten und die energisch-packenden Turba-Chöre (von „Turba“: die Menge) der „Widersacher“ Jesu – sowie die Richtung nach innen in Sinne der

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Aneignung im Glauben, die dem Hörer als Angebot der Identifikation in den Arien („Ich“ – für die Hörer musikalisch neu und höchst ambitioniert) und den Choralstrophen („Wir“ – den Hörern musikalisch vertraut, katechetisch zusammen-fassend) angeboten wird. Die Distanz zwischen damals und heute soll so immer wieder überbrückt werden. In diesem Sinne ist die zur Bachzeit wie in unserer eigenen Gegenwart aktuelle Frage zu hören: „Was willst du deines Ortes tun?“ 3. Musikalische Tradition und Bachs Innovation. Mit seiner Musik steht Bach in einer Tradition, die er aber zugleich immer wieder höchst einfallsreich überbietet. Die Formen und Satz-techniken, deren er sich bedient, liegen bereit, doch die Kreativität seines Umgangs damit, seine Ambitionen, scheinbar Un-mögliches, wie er selbst sagte, „intricat“ (komplex, vertrackt) miteinander zu verbinden, dies gründet im Individuellen und ist deshalb letztlich nur bedingt erklärbar. An einem Beispiel: Die vierstimmigen Choralstrophen repräsentieren einen Satztypus, der die Ausgeglichenheit von akkordischer „Vertikale“ (Harmonik) und sanglicher „Horizontale“ (Melodik) anstrebt. Aber welcher Komponist hat diese Integration auf solch hohem Niveau erreicht? Und wer könnte sie zugleich noch mit der subtilen Textausdeutung so überzeugend verbinden wie Bach und etwa gleich bei der ersten Choralstrophe „O große Lieb, o Lieb ohn alle Maße“ die „Marterstraße“

musikalisch so eindrücklich nach-zeichnen: durch die abwärts gerichtete Chromatik des Basses („harter Gang“), den „pathopoietischen“ (leiden-machenden) Vorhaltston des Soprans (ein seltener Eingriff sogar in die Melodie) und durch einen emphatischen Sprung des Tenors, der auf der schwachen Zeit gezielt-falsch die unbetonte Silbe trifft? Oder noch im selben Choral die biblisch-johanneisch inspirierten Worte „ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden“, die in der Altstimme zwar tänzerisch-verziert daher kommen, sich aber zugleich dem Cantus firmus dissonant entgegen stellen, um so musikalisch die Falschheit dieser „Lust und Freude“ zu charakterisieren. Bachs Johannespassion erinnert an das Leiden und Sterben Jesu, indem sie ihre Hörer in deren jeweiliger Gegenwart mit dieser Geschichte konfrontiert. Nicht zuletzt gründet die Qualität des Werkes in den musikalischen Brücken, die Bach zwischen Karfreitag und Ostern schlägt. Bereits der Eingangs-chor akzentuiert die Verherrlichung Jesu zu aller Zeit, „auch in der größten Niedrigkeit“ seines Leidens. Die Arie „Es ist vollbracht“ entdeckt in diesem letzten Wort Jesu den Keim des österlichen Sieges, was Bach im Mittelteil „Der Held aus Juda siegt mit Macht“ unnachahmlich in eine Fanfarenmusik „übersetzt“. Der Schlusschoral „Ach, Herr, lass dein lieb Engelein“ endlich, der das Werk als eine Art Epilog beschließt, schlägt zudem die Brücke von Jesu Tod zum Sterben jedes Menschen „am letzten End“. Die Passion ist das vorletzte

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Wort, das letzte ist die Hoffnung auf Auferstehung, die – ebenso wie die Passion – ohne Musik gar nicht denkbar ist: „… ich will dich preisen ewiglich“.

Meinrad Walter

Der Weg zur Freiheit – zum aktuellen Verständnis der Johannespassion von Bach. (Abbildung: Kreuzwegstation, Tonmodell von Heinrich Kirchner, 1931)

Die Johannespassion von Bach wird zumeist wegen ihrer besonderen Wirkung auf Gefühl und Empfindung der Hörer geliebt und immer wieder mit Hingebung gehört. Woran liegt das eigentlich? Einige knappe Antworten seien versucht: Die Johannespassion ist, anders als die spätere und wesentlich mächtigere Matthäuspassion, nicht ‚in einem Guss‘ komponiert, vielmehr hat Bach ab etwa 1723 bis zu seinem Lebensende an dieser Passion gearbeitet, und hat dabei sowohl die Musik als auch den Text und die einzelnen Partien

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wiederholt umgestellt und geändert. Im Ergebnis liegt bis heute keine wirkliche Gesamtpartitur dieses Werkes vor. Heutige Aufführungen gründen auf miteinander verwobenen Fragmenten unterschiedlicher Her-kunft. Dieser spürbare und hörbare ‚gebrochene‘ Charakter dieser Passion, der so ganz zum historischen Gehalt der Passionsgeschichte Jesu zu passen scheint, mag der erste Grund für die von dieser Passion ausgehende intensive Empathie und Gefühls-anregung sein. Die Art der Komposition – ihre kompositorische Gestalt, ihre Melodik, ihre Harmonik, ihre Rhythmik – ist, vielleicht gerade deshalb, weil sie nicht in einem einzigen Wurf entstanden ist, von einer derartigen Vielfalt und Variabilität, wie dies für andere Kompositionen Bachs nur selten vorliegt. Dies bedeutet nicht nur für die Aufführenden sondern auch für die Hörer, sich mit einer ungewöhnlichen im täglichen Leben so nicht erforderlichen Konzentration an der Aufführung der Passion gewissermaßen direkt zu beteiligen. Das beginnt schon mit den ersten Takten mit einem mächtigen Klanggebäude, wenn in den Bass-Stimmen eine das körperliche Empfinden erregende Ton-Welle an den Hörer heranwogt: Denkbar einfach in der Tonfolge, aber ebenso umwerfend in der Wirkung. Das außergewöhnliche Klangbild aus dem Beginn der Passion findet seine Entsprechung in ihrem Ende: Scheinbar ruhig, dennoch in gleicher mahnender Intensität wie zu Beginn endet die Passion in der Todesgruft,

die ein ‚wohliges Ruhen‘ verspricht und zugleich Erschauern macht. Der Schlusschoral erst führt zurück ins freundliche Tageslicht, in welchem die Augen vom Tod erweckt Welt und Gott sehen „in aller Freud.“ Zum Dritten könnte man fragen, ob es gegen diese musikalische Dramatik der Passionsmusik nicht einen Ausgleich gibt? Es gibt ihn, und dieser ist ein möglicher Grund für die große Hingabe eines jeden Publikums an diese Passionsmusik, nämlich die Arien. Auch die Matthäuspassion kann solche Arien an Schönheit nicht überbieten: Die Arie „Eilt ihr angefochtnen Seelen“ (Nr.24) oder „Zerfließe mein Herze“ (Nr.35) sind von inniger Eindringlichkeit beseelt, und zugleich wird der Kern und die Mitte der Passionsbotschaft erzählt: Jesus auf dem Weg nach Golgatha, der, was das Gefängnis Jesu offenbart, für die in der Welt bleibenden Menschen der Weg zu Freiheit ist: „Durch dein Gefängnis Gottes Sohn, muss uns die Freiheit kommen“ (Nr. 22). Das vierte Argument bei Gesprächen zur Passionsmusik ist die Frömmig-keit, das zumeist als das erste verstanden wird. Bach ‚erzählt‘ diese Geschichte durchaus so, dass er seine eigene Frömmigkeit durchblicken lässt, wenn auch nicht so anschaulich wie in der Matthäuspassion. So aber, wie hier über den Glauben an die Erfüllung der biblischen Prophezeiung berichtet wird, kann selbst der ‚nur‘ historisch interessierte Hörer sich einbinden lassen in den Blick auf eine ‚andere Welt‘, nämlich den Ausblick auf eine ganz andere Lebensweise, als

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jener, welche die Passionsgeschichte erzählt: „Als denn vom Tod erwecke mich, dass meine Augen sehen Dich …“ (Nr. 39). Das fünfte Argument schließlich ist dem Libretto entnommen. Was wird hier wirklich gesagt, und inwiefern kann uns heute das dort Gesagte noch bewegen? Bach verwendet den biblischen Text des Johannes-Evangeliums. Dieser ist unter den vier Evangelien der historisch strenge und reflektierte Bericht der Leidens-geschichte Jesu, zugleich aber weniger ausgemalt und weniger anschaulich. Bach umgibt dieses durch den Evangelisten rezitierte Zeugnis mit poetischen Texten in den Arien und mit Chorus-Versen – so besonders in den dramatischen Szenen während der gerichtlichen Verhandlung vor Pontius Pilatus -, die weniger an eine kirchliche Passionsmusik, vielmehr an dramatische Opern oder sogar an moderne Schauspiele der Gegenwart verweisen, und entsprechende emotionale Erregung hervorrufen. Wie auf einem stetigen Zeitpfeil in progressiver Beschleunigung eilt diese Dramatik dem Ende zu, das in der Johannespassion mit den letzten Worten Jesu aufscheint: „Es ist vollbracht“ (Nr. 30), während es in der Matthäuspassion gemächlicher aber scheinbar ergebnislos heißt: „Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ In der symmetrischen Mitte der Passion singt der Chor im überraschenden E-Dur, der Tonart im Wanken zwischen Entschiedenheit, Verzweiflung und Erhabenheit den schon genannten Choral „Durch dein

Gefängnis Gottes Sohn, muss uns die Freiheit kommen“. (Nr. 22) Und im Nachvers noch zur Verstärkung: Jesu muss die Knechtschaft eingehen, damit wir, die Frommen, die Freiheit überhaupt erlangen können. Bach hat sich zu solchen Fragen nicht weiter geäußert, und hat dies wahrscheinlich auch wohlweislich unterlassen. Stand er doch in Leipzig gewissermaßen unter ‚polizeilicher‘ Beobachtung ob seiner für seine Zeit durchaus wahrnehmbaren Unzeitgemäßheit. Christoph Wolff berichtet von einer Anweisung des Hochweisen Rates der Stadt Leipzig an Bach im Jahr 1739, jenem Jahr, in welchem er zwar angefangen hatte, die ganze Johannespassion in einem Stück nochmals niederzuschreiben, was er aber nach wenigen Seiten unerklärlich abgebrochen hat. Bach wurde untersagt, in diesem Jahr seine Passion überhaupt in der Stadt Leipzig aufzuführen. Was war geschehen? Niemand weiß es wirklich, jedoch lässt sich ein wenig spekulieren: Nicht erst Schiller und dann Beethoven mussten den Ruf nach der Freiheit austauschen gegen die Botschaft von der Freude (in Beethovens 9ter Symphonie), nein, auch Bach teilt uns hier die Botschaft von der Freiheit mit, nämlich schon seit 1724. Das war dem obrigkeits-untertänigen Rat der Stadt Leipzig zu ‚gefährlich‘ geworden, weil der Kurfürst von Sachsen dem keinen Gefallen abringen konnte. Bach lässt Pilatus während der Verhandlung gegen Jesus fragen, indem er aus Vers 38 des Johannesevangeliums zitiert: „Was ist Wahrheit?“ Eine Antwort

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erhielt Pilatus nicht mehr, sie könnte aber lauten: „So ist es wahr, dass ohne Freiheit alles tot ist.“ (Hölderlin – Hyperion).

Eckehard J. Häberle Literatur: Alfred Duerr: Joh. Seb. Bach: Die Johannes-passion. Bärenreiter Werkeinführungen, Kassel, 6. Aufl. 1999. Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach. Frankfurt M. 2. Aufl., 2005. (Zitat S. 318). Meinrad Walter: Johann Sebastian Bach. Johannespassion. Eine musikalisch-theologische Einführung. Stuttgart 2011.

Die drei Säulen der Passionsgeschichte bei Joh. Seb. Bach. Bachs Passionen sind vom biblisch-liturgischem Traditionsverständnis Luthers geprägt. Das legt es nahe, in den Texten der Lutherischen Bibel nachzulesen, nicht nur in den Textvorlagen für diese Passionsmusik, nämlich des Johannesevangeliums, aber auch in den anderen Passions-legenden, besonders im Matthäus-evangelium. Darüber hinaus aber sind auch die Texte der Paulus-Briefe von einer gewissen Bedeutung. Letzteres wird sich zu Ende dieses Textes zeigen. Folgende formgebende Elemente sind für die oratorische Passion von besonderer Bedeutung:

- Rezitative, die durch ihre Expressivität und Sprachbezogenheit der Oper nahe stehen,

- Turba-Chöre, die in höchst differenzierter Polyphonie gesetzt sind,

- Gemeindechoräle, - Arien mit neu gedichteten, nicht

der Passionsgeschichte entnommenen lyrischen Texten,

- Eingangs- und Schlusschor als architektonische Pfeiler.

Trotz aller seiner Zeit verpflichteten, Einschiebungen bleibt in Bachs Passionen der Bibeltext Zentrum der Aussage. Im Johannesevangelium ist Jesus stets als Gottessohn, zugleich aber auch als gedemütigter Schmerzensmann dargestellt. Das Johannesevangelium verdichtet sich ganz auf die Gestalt Christi. Im Vergleich zu anderen Passionen gibt es deshalb auch keine Neben-handlungen. Trotz der Leidens-geschichte ist die Herrlichkeit Christi durch die ganze Passion hindurch präsent. In der Johannespassion lässt sich kein gänzlich schlüssiges formales Konzept wie beispielsweise ein genauer Tonartenplan nachweisen. Durch die Anordnung der musikalischen Stücke um das Kernstück - der Choral „Durch Dein Gefängnis, Gottes Sohn" - wird die Absicht des Komponisten deutlich, auf die zentrale Aussage des Werkes hinzuweisen. Dies geschieht durch die spiegelbildliche Umrahmung des Chorals mit anderen Stücken, die jeweils gleiches musikalisches Material enthalten. Diese ganze Szenerie mutet eher wie das Regie-Konzept eines modernen Theaterstückes, denn wie die Vorlage für eine musikalisch- kirchliche Passions- Liturgie an. Die in

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der Wut zunehmenden Angriffe der ‚Volksmasse‘ werden jeweils unter-brochen durch die empfindsam komponierten Ariosi und Arien, in der Mitte durch den in E-Dur kompo-nierten Choral mit der Botschaft von der Freiheit, die durch die Gefangen-nahme des Jesus für alle anderen erreicht wird. Tatsächlich und historisch wird hier die konkrete Freiheit von der Gefangennahme für die Jünger Jesu durch dessen freiwillige Hinnahme der Gefangen-schaft in die gesamte christliche Geschichte übertragen, was sowohl gedanklich als auch mythologisch natürlich eine gewagte intellektuelle Konstruktion ist. Tatsächlich jedoch sind die Jünger Jesu durch diese Tat des Jesu von der Gefangennahme frei

geblieben und waren so überhaupt nur in der Lage, dann auch die Evangelien-berichte der Welt geben zu können. Oben war schon gesagt, dass die ganze Passion von zwei sich entsprechenden großen Chorussen eröffnet und beendet wird, die wie zwei mächtige Säulen das ganze Werk umrahmen: Herr, unser Herrscher, und: Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine, beide in einer trauernden zugleich entschiedenen Tonart gesetzt, was Bach ganz zuletzt auf den Schlusschoral hinwendet. Dieser findet eine überraschende neue Klangfarbe, nämlich das helle und gewissermaßen optimistische und ausblickende Es-Dur, wie dies später die Komponisten der Wiener Klassik häufig verwendet haben. Der freudige Aufschwung dieses Schlusschorales

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„Ach Herr, lass dein lieb Engelein ...“ verspricht Zuversicht, aber nicht ohne eigenes Zutun für die Menschen: Aufwachen, die Augen erwecken zum Sehen wird hier zugleich mit Freude auch allen Menschen als Botschaft mitgeteilt. Ein kleiner kunsthistorischer Hinweis soll angesprochen sein: Der barocke Baumeister Fischer von Erlach hat etwa zurzeit von Bach in Wien die jedermann bekannte Karlskirche

erbaut. Die Grundsteinlegung dieser Kirche war 1716, die ersten Skizzen auch der hier angesprochenen Schauseite der Kirche datieren von 1722 und 1724, also genau gleichzeitig

mit der Entstehung der Johannes-passion von Bach. Der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr hat sich ausführlich mit Fischer von Erlach beschäftigt und umfassend dieses herausragende Bauwerk gedeutet. Auf diesen gegründet kann hier gesagt werden, dass die Bachsche Konstruktion der Johannespassion als eines drama-tischen Theaterkonzeptes formal genau der architektonischen Figur der Karlskirsche in Wien entspricht. Ich

habe eine eigene Skizze hier eingefügt, welche die Thesen Sedlmayrs und meine eigene These der Analogie zwischen diesen beiden Kunstwerken

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Bachs und Fischer von Erlachs vielleicht deutlich machen kann. Das Schema beider Kunstwerke ist gebaut auf der Trinität von Mittel-Kuppel – Pavillons – und Riesensäulen (Sedlmayr, S. 174), bei Bach in der Johannespassion: Choral: „Durch Dein Gefängnis, Gottes Sohn,“ umgeben und eingeklammert von je zwei Chorussen (= große Mittel-Kuppel), die Randchorusse, welche je eine Arie – einmal mit Arioso – umklammern (= die Pavillons, die bei der Karlskirche zwischen den Säulen und der Mittelkuppel stehen, insofern ist die Zeichnung verkehrt), und die beiden Außen-Choräle (= die beiden Riesen-säulen). Die Frage ist jetzt natürlich: Was bedeutet das alles? Sedlmayr gibt hierauf eine schlüssige zudem aufgrund der historischen Quellen begründete Antwort: Auf den Pavillons (in der Zeichnung als die Eckpavillons angedeutet) steht je geschrieben: Glaube auf der linken, Hoffnung auf der rechten Seite. Im Giebel des Portals stehen die ‚virtutes minores‘ geschrieben, nämlich religio, precandi studium, misericordia in pauperes und poenitentia, also Religion, Sorgfältigkeit des Redens, Mitsorge für die Armen, und Bußfertigkeit, mit welcher gemeint ist, angerichteten Schaden heilen zu wollen. In der Mitte aber, nämlich im höchsten Kuppelring der Hauptkuppel der ganzen Kirche ist die höchste aller Tugenden angeschrieben: die Liebe der Christen oder der Menschen schlecht-hin gegeneinander. Der Apostel Paulus hat das in seinen Briefen an die

Gemeinden im Römischen Reich zumeist auf die drei Säulen Glaube, Liebe, Hoffnung konzentriert (z.B. im 1. Korintherbrief 13, 13: „Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, .. die Liebe aber ist die größte unter ihnen“). Jetzt erst wird auch verständlich, was Bach meint, wenn er im Schlusschorus erklingen lässt: Macht mir den Himmel auf und schließt die Hölle zu: Der Himmel – eine Welt, in welcher die von Gott kommende Liebe den Menschen untereinander gegeben ist im Gegensatz zur Hölle, wo der Hass und die Rache über die Menschen herrschen. Die immer bleibende Aktualität der Johannespassion von Bach auch für unsere gegenwärtige Welt kann dem entgegenstehen.

Eckehard J. Häberle Literatur: Hans Sedlmayr: Johann Bernhard Fischer von Erlach: Die Schauseite der Karlskirche in Wien, in: Derselbe: Kunst und Wahrheit. Zur Theorie und Methode der Kunstgeschichte, Reinbek, 1958 folgende, S. 173 – 201.

Wer hat dich so geschlagen? Gedanken zur Johannespassion im Horizont der christlich-jüdischen Beziehungen. „Wer hat dich so geschlagen?“, lässt Johann Sebastian Bach im Choral fragen und für die Kirche stand über Jahrhunderte die Antwort fest: die Juden. Eine lange christliche Aus- legungstradition hat Jesu Leidensweg als Sprungbrett zu unverhohlener tod-

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bringender Judenfeindschaft miss-braucht. Die Passions-Erzählungen der Evangelien konnten zur Pauschal-verurteilung des jüdischen Volkes und des jüdischen Glaubens verhelfen. Wenn Johannes „die“ Juden rufen lässt: „Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn!“, schien damit ein kollektiver Schuldvorwurf gegen das Volk Israel legitimiert. Seitens der Christenheit meinte man, sich – mit Pilatus – von jeder Schuld am Tod Jesu freisprechen zu können. Auch die grandiosen Passions-musiken haben ihren Anteil an der christlichen Grundhaltung einer Selbstüberhebung gegenüber den Juden gehabt. Dies ist Gott sei Dank Vergangenheit. Vielmehr hat sich die Bereitschaft der Christinnen und Christen heute mehr und mehr durchgesetzt, sich aus den letzten Resten überkommener Negativurteile gegenüber dem Judentum zu befreien. Wie lässt sich jedoch aus der alten Musik das Neue heraushören? Zweifelsohne ist auch Johann Sebastian Bach – wie wir alle – Kind seiner Zeit, einer Zeit voller Vorbehalte gegen alles Jüdische. In einer langen Tradition war man – zumal in den Karfreitagspredigten - gewohnt, dem christlichen Glauben die „jüdische Verstocktheit“ entgegen zustellen. Bach hat daran Anteil – das lässt sich nicht überhören: auch in der Tonsprache Bachs figuriert die perfidia

iudaica als Gegenpol zur fides christiana. Im Vergleich zur (4 Jahre jüngeren) Matthäus-Passion ist die Johannes-Passion ungleich dramatischer, und diese Dramatik verdankt sie den im Johannes-Evangelium pointiert

aggressiv formulierten Judenworten, eben den Turbae-Chören. Die Wiederholungen der Chöre sind dergestalt angelegt, dass Bach auf unterschiedliche Texte eine mehr oder weniger gleiche Musik komponiert hat, so dass sich drei musikalisch im großen Ganzen reiche, textlich demgegenüber verschiedene Chorpaare ergeben. Es gibt da kaum etwas zu beschönigen: Bach komponiert die Judenchöre in der Klangrede der musikalischen Hart-näckigkeit. Der Choral „Durch dein

Gefängnis, Gottes Sohn“ drückt das christliche Mysterium aus und steht als das Herzstück des Passions-geschehens. Die Botschaft dieses Herzstückes ist es, dass Christus sich hat kreuzigen lassen, damit die Gläubigen von der Sünde frei und der Gnade Gottes würdig seien. Die symmetrisch um den Choral herum angeordneten Judenchöre verleihen der Passion künstlerische Geschlossenheit – auf Kosten der schreienden Juden, die in ihrer Hartnäckigkeit auf den Tod Jesu hinarbeiten. Dieses Denken ist nicht neu bei Johann Sebastian Bach - es ist in langer Tradition ererbte Überzeugung. Doch wie mit ihr umgehen? Was sind unsere Empfindungen heute, wenn wir diese ungeheuren Chöre hören: „Wäre dieser nicht ein Übeltäter ...“; „Sei gegrüßet, lieber Jüdenkönig“; „Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz muss er sterben“; oder auch nur die Schreie: „Jesum von Nazareth“ oder „Nicht diesen, diesen nicht, nicht diesen, sondern Barrabam“? Die Bewusstmachung der dunklen Kehrseite des Werkes bereitet

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Schmerzen. Denn diese grandiosen Zeugnisse protestantischer Kirchen-musik entstanden auf einem Boden, aus dem sich letztlich auch die Kräfte nährten, die zur bisher größten Menschheitskatastrophe geführt haben. Es ist schwer und schmerzlich, die wohl größte Musik, die wir besitzen, auch nur im Entferntesten verbunden zu wissen mit diesem Grauen. Wir können nicht anders als solche Fragen zuzulassen: Kann man nach Auschwitz unbefangen die Bachschen Passionen so weiter singen und klingen lassen? Vielerorts lautet die Antwort: „Ungedeutet geht das nicht mehr.“ Nach alledem kommt es entscheidend auf das heutige Hören an. Es wird stets die Möglichkeit judenfeindlichen Hörens bleiben. Muss es aber nicht! Zu ihrer Überwindung dient einmal ein kritisches Verstehen der Bibeltexte und der darin enthaltenen judenfeindlichen Töne. Sie spiegeln zeitgenössische Konflikte innerhalb der Ablösungs-prozesse der jungen Christusgemeinde vom Judentum wider – sie taugen nicht zur Begründung einer zeitlosen pauschalen Diffamierung alles Jüdischen. Dazu dient zum anderen aufmerksames Hören der Choräle und freien Stücke – dem Narrativ der Bibel kann Bach schwerlich ausweichen, doch in den freien Stücken kann er seine besonderen Akzente setzen. Und gerade hier lohnt es sich auf die Zwischentöne zu achten. In der Version von 1725 hebt Bach den Blick aus der Enge konkreter Anklagen hinaus aufs Menschliche: „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ – hier bleibt

kein Raum für eng gestrickte Schuld-vorwürfe. Bachs Musik lenkt inmitten aller Erzähldramatik den Blick immer wieder auf das „Wir“ und das „Ich“ im Passionsgeschehen. Jedenfalls besteht aller Anlass, Bachs oft genug antijudaistisch verein-nahmte Passionsmusik neu zu hören und zu würdigen. „Wer hat dich so geschlagen”, lässt Johann Sebastian Bach im Choral fragen und weist auf die sozusagen innermenschliche Antwort: „Ich, ich und meine Sünden, die sich wie Körnlein finden des Sandes an dem Meer” – so kann gerade Bachs Passionsmusik dazu verhelfen, dass wir unser „Ich” in all seiner Fehlbarkeit und Verletzbarkeit ent-decken lernen als Teil des Passionswegs Jesu, der nirgendwo anders sein Ziel findet als im Leben aus den Toten.

Pfarrer Dr. Klaus Müller, Beauftragter der Ev. Landeskirche in Baden

für das christlich-jüdische Gespräch

Libretto der Johannespassion: BWV 245

ERSTER TEIL:

1. CHOR:

Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm in

allen Landen herrlich ist.

Zeig uns durch deine Passion, daß du, der

wahre Gottessohn, zu aller Zeit, auch in der

größten Niedrigkeit, verherrlicht worden

bist.

2a. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST:

Jesus ging mit seinen Jüngern über den Bach

Kidron, da war ein Garte, darein ging

Jesus und seine Jünger. Judas aber, der ihn

verriet, wußte den Ort auch; denn

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Jesus versammelte sich oft daselbst mit

seinen Jüngern. Da nun Judas zu sich hatte

genommen die Schar und der Hohenpriester

und Pharisäer Diener, kommt er dahin mit

Fackeln, Lampen und mit Waffen. Als nun

Jesus wußte alles, was ihm begegnen sollte,

ging er hinaus und sprach zu ihnen:

JESUS: Wen suchet ihr?

EVANGELIST: Sie antworteten ihm:

2b. CHOR: Jesum von Nazareth.

2c. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST: Jesus spricht zu ihnen:

JESUS: Ich bin's.

EVANGELIST:

Judas aber, der ihn verriet, stund auch bei

ihnen. Als nun Jesus zu ihnen sprach: Ich

bin's, wichen sie zurücke und fielen zu

Boden. Da fragete er sie abermal:

JESUS: Wen suchet ihr?

EVANGELIST: Sie aber sprachen:

2d. CHOR: Jesum von Nazareth.

2e. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST: Jesus antwortete:

JESUS: Ich hab's euch gesagt, daß ich's sei,

suchet ihr denn mich, so lasset diese gehen.

3. CHORAL:

O große Lieb, o Lieb ohn alle Maße,

die dich gebracht auf diese Marterstraße, ich

lebte mit der Welt in Lust und Freuden, und

du mußt leiden.

4. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST:

Auf daß das Wort erfüllet würde, welches er

sagte: Ich habe der keine verloren, die du mir

gegeben hast. Da hatte Simon Petrus ein

Schwert und zog es aus und schlug nach des

Hohenpriesters Knecht und hieb ihm sein

recht Ohr ab, und der Knecht hieß Malchus.

Da sprach Jesus zu Petro:

JESUS: Stecke dein Schwert in die Scheide,

soll ich den Kelch nicht trinken, den mir

mein Vater gegeben hat?

5. CHORAL:

Dein Will gescheh, Herr Gott, zugleich auf

Erden wie im Himmelreich, gib uns Geduld

in Leidenszeit,

gehorsam sein in Lieb und Leid,

Wehr und steuer allem Fleisch und Blut,

das wider deinen Willen tut.

6. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Die Schar aber und der Oberhauptmann

und die Diener der Jüden nahmen Jesum

und bunden ihn und führeten ihn aufs erste

zu Hannas, der war Kaiphas Schwäher,

welcher des Jahres Hoherpriester war. Es

war aber Kaiphas,

der den Jüden riet, es wäre gut, daß ein

Mensch würde umbracht für das Volk.

7. ALT ARIEt: Von den Stricken meiner

Sünden mich zu entbinden, wird mein Heil

gebunden. Mich von allen Lasterbeulen völlig

zu heilen, läßt er sich verwunden.

8. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST: Simon Petrus aber folgete

Jesu nach und ein ander Jünger.

9. SOPRAN ARIE:

Ich folge dir gleichfalls mit freudigen

Schritten und lasse dich nicht,

mein Leben, mein Licht. Befördre den Lauf

und höre nicht auf, selbst an mir zu ziehen,

zu schieben, zu bitten.

10. REZITATIV: Sopran - Tenor I, II –

Baß I, II

EVANGELIST:

Derselbige Jünger war dem Hohenpriester

bekannt und ging mit Jesu hinein in des

Hohenpriesters Palast. Petrus aber stund

draußen für der Tür. Da ging der andere

Jünger, der dem Hohenpriester bekannt

war, hinaus und redete mit der Türhüterin

und führete Petrum hinein. Da sprach die

Magd, die Türhüterin, zu Petro:

MAGD: Bist du nicht dieses Menschen

Jünger einer?

EVANGELIST: Er sprach:

PETRUS: Ich bin's nicht.

EVANGELIST:

Es stunden aber die Knechte und Diener und

hatten ein Kohlfeuer gemacht (denn es war

kalt) und wärmeten sich. Petrus aber stund

bei ihnen und wärmete sich. Aber

der Hohepriester fragte Jesum um seine

Jünger und um seine Lehre. Jesus antwortete

ihm:

JESUS:

Ich habe frei, öffentlich geredet vor der Welt.

Ich habe allezeit gelehret in der Schule und

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in dem Tempel, da alle Juden

zusammenkommen, und habe nichts im

Verborgnen geredt. Was fragest du mich

darum? Frage die darum, die gehöret haben,

was ich zu ihnen geredet habe. Siehe,

dieselbigen wissen, was ich gesaget habe.

EVANGELIST:

Als er aber solches redete, gab der Diener

einer, die dabei stunden, Jesu einen

Backenstreich und sprach:

DIENER: Solltest du dem Hohenpriester also

antworten?

EVANGELIST: Jesus aber antwortete:

JESUS:

Hab ich übel geredt, so beweise es, daß es

böse sei, hab ich aber recht geredt, was

schlägest du mich?

11. CHORAL :

Wer hat dich so geschlagen,

mein Heil, und dich mit Plagen

so übel zugericht',

du bist ja nicht ein Sünder

wie wir und unsre Kinder,

von Missetaten weißt du nicht.

Ich, ich und meine Sünden,

die sich wie Körnlein finden

des Sandes an dem Meer,

die haben dir erreget

das Elend, das dich schläget,

und das betrübte Marterheer.

12a. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Und Hannas sandte ihn gebunden zu dem

Hohenpriester Kaiphas. Simon Petrus stund

und wärmete sich, da sprachen sie zu ihm:

12b. CHOR: Bist du nicht seiner Jünger

einer?

12c. REZITATIV: Tenor I, II -Baß

EVANGELIST:

Er leugnete aber und sprach:

PETRUS: Ich bin's nicht.

EVANGELIST:

Spricht des Hohenpriesters Knecht einer, ein

Gefreundter des, dem Petrus das Ohr

abgehauen hatte:

DIENER:

Sahe ich dich nicht im Garten bei ihm?

Bild: Trinity, Geraki, Peloponnisos, Greece

EVANGELIST:

Da verleugnete Petrus abermal, und alsobald

krähete der Hahn. Da gedachte Petrus an die

Worte Jesu und ging hinaus und weinete

bitterlich.

13. TENOR ARIE:

Ach, mein Sinn, wo willt du endlich hin, wo

soll ich mich erquicken, bleib ich hier, oder

wünsch ich mir

Berg und Hügel auf den Rücken?

Bei der Welt ist gar kein Rat, und im Herzen

stehn die Schmerzen meiner Missetat, weil

der Knecht den Herrn verleugnet hat.

14. CHORAL:

Petrus, der nicht denkt zurück,

seinen Gott verneinet,

der doch auf ein ernsten Blick

bitterlichen weinet,

Jesu, blicke mich auch an,

wenn ich nicht will büßen,

wenn ich Böses hab getan,

rühre mein Gewissen.

ZWEITER TEIL:

15. CHORAL:

Christus, der uns selig macht,

kein Bös' hat begangen,

der ward für uns in der Nacht

als ein Dieb gefangen,

geführt für gottlose Leut

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und fälschlich verklaget,

verlacht, verhöhnt und verspeit,

wie denn die Schrift saget.

16a. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST:

Da führeten sie Jesum von Kaipha vor das

Richthaus, und es war frühe. Und sie gingen

nicht in das Richthaus, auf daß sie nicht

unrein würden, sondern Ostern essen

Möchten. Da ging Pilatus zu ihnen heraus

und sprach:

PILATUS:

Was bringet ihr für Klage wider diesen

Menschen?

EVANGELIST:

Sie antworteten und sprachen zu ihm:

16b. CHOR:

Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten

dir ihn nicht überantwortet.

16c. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST:

Da sprach Pilatus zu ihnen:

PILATUS:

So nehmet ihr ihn hin und richtet ihn nach

eurem Gesetze.

EVANGELIST:

Da sprachen die Jüden zu ihm:

16d. CHOR:

Wir dürfen niemand töten.

16e. REZITATIV: Tenor - Baß I, II

EVANGELIST:

Auf daß erfüllet würde das Wort Jesu,

welches er sagte, da er deutete, welches

Todes er sterben würde. Da ging Pilatus

wieder hinein in das Richthaus und rief Jesu

und sprach zu ihm:

PILATUS: Bist du der Jüden König?

EVANGELIST: Jesus antwortete:

JESUS:

Redest du das von dir selbst, oder haben's dir

andere von mir gesagt?

EVANGELIST: Pilatus antwortete:

PILATUS:

Bin ich ein Jüde? Dein Volk und die

Hohenpriester haben dich mir

überantwortet, was hast du getan?

EVANGELIST: Jesus antwortete:

JESUS:

Mein Reich ist nicht von dieser Welt, wäre

mein Reich von dieser Welt, meine Diener

würden darob kämpfen, daß ich den Jüden

nicht überantwortet würde, aber nun ist

mein Reich nicht von dannen.

17. CHORAL:

Ach, großer König, groß zu allen Zeiten, wie

kann ich gnugsam diese Treu ausbreiten,

keins Menschen Herze mag indes ausdenken,

was dir zu schenken. Ich kann's mit meinen

Sinnen nicht erreichen, womit doch dein

Erbarmen zu vergleichen, wie kann ich dir

denn deine Liebestaten

im Werk erstatten?

18a. REZITATIV: Tenor - Baß I, II

EVANGELIST:

Da sprach Pilatus zu ihm:

PILATUS:

So bist du dennoch ein König?

EVANGELIST: Jesus antwortete:

JESUS:

Du sagst's, ich bin ein König. Ich bin dazu

geboren und in die Welt kommen, daß ich die

Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit

ist, der höret meine Stimme.

EVANGELIST:

Spricht Pilatus zu ihm:

PILATUS: Was ist Wahrheit?

EVANGELIST:

Und da er das gesaget, ging er wieder hinaus

zu den Jüden und spricht zu ihnen:

PILATUS:

Ich finde keine Schuld an ihm. Ihr habt aber

eine Gewohnheit, daß ich euch einen

losgebe, wollt ihr nun, daß ich euch der

Jüden König losgebe?

EVANGELIST:

Da schrieen sie wieder allesamt und

sprachen:

18b. CHOR:

Nicht diesen, sondern Barrabam!

18c. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Barrabas aber war ein Mörder. Da nahm

Pilatus Jesum und geißelte ihn.

19. BASS ARIOSO:

Betrachte, meine Seel, mit ängstlichem

Vergnügen, mit bittrer Lust und halb

beklemmtem Herzen, dein höchstes Gut in

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Jesu Schmerzen, wie dir aus Dornen, so ihn

stechen, die Himmelsschlüsselblumen blühn,

du kannst viel süße Frucht von seiner

Wermut brechen; drum sieh ohn Unterlaß

auf ihn.

20. TENOR ARIE:

Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken in

allen Stücken dem Himmel gleiche geht.

Daran, nachdem die Wasserwogen von

unsrer Sündflut sich verzogen, der

allerschönste Regenbogen als Gottes

Gnadenzeichen steht.

21a. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Und die Kriegsknechte flochten eine Krone

von Dornen und satzten sie auf sein Haupt

und legten ihm ein Purpurkleid an und

sprachen:

21b. CHOR:

Sei gegrüßet, lieber Jüdenkönig!

21c. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST:

Und gaben ihm Backenstreiche. Da ging

Pilatus wieder heraus und sprach zu ihnen:

PILATUS:

Sehet, ich führe ihn heraus zu euch, daß ihr

erkennet, daß ich keine Schuld an ihm finde.

EVANGELIST:Also ging Jesus heraus und

trug eine Dornenkrone und Purpurkleid. Und

er sprach zu ihnen:

PILATUS: Sehet, welch ein Mensch!

EVANGELIST:

Da ihn die Hohenpriester und die Diener

sahen, schrieen sie und sprachen:

21d. CHOR: Kreuzige, kreuzige!

21e. REZITATIV: Tenor – Baß

EVANGELIST:

Pilatus sprach zu ihnen:

PILATUS:

Nehmet ihr ihn hin und kreuziget

ihn; denn ich finde keine Schuld an ihm.

EVANGELIST:

Die Jüden antworteten ihm:

21f. CHOR:

Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz

soll er sterben; denn er hat sich selbst zu

Gottes Sohn gemacht.

21g. REZITATIV: Tenor - Baß I, II

EVANGELIST:

Da Pilatus das Wort hörete, fürchtet er sich

noch mehr und ging wieder hinein in das

Richthaus und spricht zu Jesu:

PILATUS: Von wannen bist du?

EVANGELIST:

Aber Jesus gab ihm keine Antwort. Da

sprach Pilatus zu ihm:

PILATUS:

Redest du nicht mit mir? Weißest du nicht,

daß ich Macht habe, dich zu kreuzigen, und

Macht habe, dich loszugeben?

EVANGELIST: Jesus antwortete:

JESUS:

Du hättest keine Macht über mich, wenn sie

dir nicht wäre von oben herab gegeben;

darum, der mich dir überant-wortet hat, der

hat's größre Sünde.

EVANGELIST:

Von dem an trachtete Pilatus, wie er ihn

losließe.

22. CHORAL:

Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn,

muß uns die Freiheit kommen,

dein Kerker ist der Gnadenthron,

die Freistatt aller Frommen;

denn gingst du nicht die Knechtschaft ein,

müßt unsre Knechtschaft ewig sein.

23a. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Die Jüden aber schrieen und sprachen:

23b. CHOR:

Lässest du diesen los, so bist du des Kaisers

Freund nicht; denn wer sich zum Könige

machet, der ist wider den Kaiser.

23c. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST:

Da Pilatus das Wort hörete, führete er Jesum

heraus, und satzte sich auf den Richtstuhl, an

der Stätte, die da heißet: Hochpflaster, auf

hebräisch aber: Gabbatha. Es war aber der

Rüsttag in Ostern um die sechste Stunde,

und er spricht zu den Jüden:

PILATUS: Sehet, das ist euer König!

EVANGELIST: Sie schrieen aber:

23d. CHOR:

Weg, weg mit dem, kreuzige ihn!

23e. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST:

Spricht Pilatus zu ihnen:

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PILATUS:

Soll ich euren König kreuzigen?

EVANGELIST:

Die Hohenpriester antworteten:

23f. CHOR:

Wir haben keinen König denn den Kaiser.

23g. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Da überantwortete er ihn, daß er gekreuziget

würde. Sie nahmen aber Jesum und führeten

ihn hin. Und er trug sein Kreuz und ging

hinaus zur Stätte, die da heißet Schädelstätt,

welche heißet auf hebräisch: Golgatha.

24. CHOR und ARIE: Baß

Eilt, ihr angefochtnen Seelen,

geht aus euren Marterhöhlen,

eilt - Wohin? - nach Golgatha.

Nehmet an des Glaubens Flügel,

flieht - Wohin? - zum Kreuzeshügel,

eure Wohlfahrt blüht allda.

25a. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Allda kreuzigten sie ihn, und mit ihm zween

andere zu beiden Seiten, Jesum aber mitten

inne. Pilatus aber schrieb eine Überschrift

und setzte sie auf das Kreuz, und war

geschrieben: "Jesus von Nazareth, der Jüden

König". Diese Überschrift lasen viele Jüden;

denn die Stätte war nahe bei

der Stadt, da Jesus gekreuziget ist. Und es

war geschrieben auf hebräische, griechi-

sche und lateinische Sprache. Da sprachen

die Hohenpriester der Jüden zu Pilato:

25b. CHOR:

Schreibe nicht: der Jüden König, sondern

daß er gesaget habe: Ich bin der Jüden

König.

25c. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST: Pilatus antwortet:

PILATUS: Was ich geschrieben habe, das

habe ich geschrieben.

26. CHORAL:

In meines Herzens Grunde

dein Nam und Kreuz allein

funkelt all Zeit und Stunde;

drauf kann ich fröhlich sein.

Erschein mir in dem Bilde

zu Trost in meiner Not,

wie du, Herr Christ, so milde

dich hast geblut' zu Tod.

27a. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Die Kriegsknechte aber, da sie Jesum

gekreuziget hatten, nahmen seine Kleider

und machten vier Teile, einem jeglichen

Kriegsknechte sein Teil, dazu auch den Rock.

Der Rock aber war ungenähet, von oben an

gewürket durch und durch.

Da sprachen sie untereinander:

27b. CHOR:

Lasset uns den nicht zerteilen, sondern

darum losen, wes er sein soll.

27c. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST:

Auf daß erfüllet würde die Schrift, die da

saget: "Sie haben meine Kleider

unter sich geteilet und haben über meinen

Rock das Los geworfen". Solches taten die

Kriegesknechte. Es stund aber bei dem

Kreuze Jesu seine Mutter und seiner Mutter

Schwester, Maria, Kleophas Weib, und Maria

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Magdalena. Da nun Jesus seine Mutter sahe

und den Jünger dabei stehen, den er lieb

hatte, spricht er zu seiner Mutter:

JESUS:

Weib, siehe, das ist dein Sohn.

EVANGELIST:

Darnach spricht er zu dem Jünger:

JESUS:

Siehe, das ist deine Mutter.

28. CHORAL:

Er nahm alles wohl in acht

in der letzten Stunde,

seine Mutter noch bedacht,

setzt ihr ein Vormunde.

o Mensch mache Richtigkeit,

Gott und Menschen liebe,

stirb darauf ohn alles Leid,

und dich nicht betrübe.

29. REZITATIV: Tenor - Baß

EVANGELIST:

Und von Stund an nahm sie der Jünger zu

sich. Darnach, als Jesus wußte, daß schon

alles vollbracht war, daß die Schrift erfüllet

würde, spricht er:

JESUS Mich dürstet.

EVANGELIST:

Da stund ein Gefäße voll Essigs. Sie fül-leten

aber einen Schwamm mit Essig und legten

ihn um einen Isopen und hielten es ihm dar

zum Munde. Da nun Jesus den Essig

genommen hatte, sprach er:

JESUS: Es ist vollbracht.

30. ALT-ARIE: Es ist vollbracht,

O Trost vor die gekränkten Seelen,

die Trauernacht läßt nun die letzte Stunde

zählen, der Held aus Juda siegt mit Macht

und schließt den Kampf.

es ist vollbracht.

31. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Und neiget das Haupt und verschied.

32. CHOR und ARIE: Baß

Mein teurer Heiland, laß dich fragen, da du

nunmehr ans Kreuz geschlagen und

selbst gesagt, es ist vollbracht, bin ich vom

Sterben frei gemacht, kann ich durch deine

Pein und Sterben das Himmelreich ererben,

ist aller Welt Erlösung da?

Du kannst vor Schmerzen zwar nichts sagen;

doch neigest du das Haupt und sprichst

stillschweigend Ja. Jesu, der du warest tot,

lebest nun ohn Ende, in der letzten Todesnot,

nirgend mich hinwende als zu dir, der mich

versühnt, o du lieber

Herre, gib mir nur, was du verdient, mehr ich

nicht begehre.

33. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriß

in zwei Stück von oben an bis unten aus. Und

die Erde erbebete, und die Felsen zerrissen,

und die Gräber täten sich auf, und stunden

auf viel Leiber der Heiligen.

34. ARIOSO: Tenor

Mein Herz, in dem die ganze Welt

bei Jesu Leiden gleichfalls leidet,

die Sonne sich in Trauer kleidet,

der Vorhang reißt, der Fels zerfällt,

die Erde bebt, die Gräber spalten,

weil sie den Schöpfer sehn erkalten,

was willst du deines Ortes tun?

35. SOPRAN ARIE: Zerfließe, mein Herze, in

Fluten der Zähren dem Höchsten zu Ehren.

Erzähle der Welt und dem Himmel die Not,

dein Jesus ist tot.

36. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Die Jüden aber, dieweil es der Rüsttag war,

daß nicht die Leichname am Kreuze blieben

den Sabbat über (denn desselbigen Sabbats

Tag war sehr groß), baten sie Pilatum, daß

ihre Beine gebrochen und sie

abgenommen würden. Da kamen die Kriegs-

knechte und brachen dem ersten die Beine

und dem andern, der mit ihm gekreuziget

war. Als sie aber zu Jesu kamen, da sie

sahen, daß er schon gestorben war, brachen

sie ihm die Beine nicht; sondern der Kriegs-

knechte einer eröffnete seine Seite mit einem

Speer, und alsobald ging Blut und Wasser

heraus. Und der das gesehen hat, der hat es

bezeuget, und sein Zeugnis ist wahr, und

derselbige weiß, daß er die Wahrheit saget,

auf daß ihr

gläubet; denn solches ist geschehen, auf daß

die Schrift erfüllet würde: "Ihr sollet ihm

kein Bein zerbrechen." Und abermal spricht

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eine andere Schrift: "Sie werden sehen, in

welchen sie gestochen haben."

37. CHORAL:

O hilf, Christe, Gottes Sohn,

durch dein bitter Leiden,

daß wir dir stets untertan

all Untugend meiden,

deinen Tod und sein Ursach

fruchtbarlich bedenken,

dafür, wiewohl arm und schwach,

dir Dankopfer schenken.

38. REZITATIV: Tenor

EVANGELIST:

Darnach bat Pilatum Joseph von

Arimathia, der ein Jünger Jesu war

(doch heimlich, aus Furcht vor den Jüden),

daß er möchte abnehmen den

Leichnam Jesu. Und Pilatus erlaubete es.

Derowegen kam er und nahm den Leichnam

Jesu herab. Es kam aber auch Nikodemus,

der vormals bei der Nacht zu Jesu kommen

war, und brachte Myrrhen

und Aloen untereinander bei hundert

Pfunden. Da nahmen sie den Leichnam Jesu,

und bunden ihn in leinene Tücher mit

Spezereien, wie die Jüden pflegen zu

begraben. Es war aber an der Stätte, da er

gekreuziget ward, ein Garte, und im Garten

ein neu Grab, in welches niemand je

geleget war. Daselbst hin legten sie Jesum,

um des Rüsttags willen der Jüden, dieweil

das Grab nahe war.

39. CHOR:

Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine,

die ich nun weiter nicht beweine,

ruht wohl und bringt auch mich zur Ruh.

Das Grab, so euch bestimmet ist, und ferner

keine Not umschließt,

macht mir den Himmel auf und schließt die

Hölle zu.

40. CHORAL:

Ach Herr, laß dein lieb Engelein

am letzten End die Seele mein

in Abrahams Schoß tragen, den Leib in

sein'm Schlafkämmerlein gar sanft, ohn

einge Qual und Pein,

ruhn bis am jüngsten Tage.

Alsdenn vom Tod erwecke mich,

daß meine Augen sehen dich

in aller Freud, o Gottes Sohn,

mein Heiland und Genadenthron,

Herr Jesu Christ, erhöre mich,

ich will dich preisen ewiglich.

Die Ausführenden: Heike Heilmann Sopran, aus Wangen im Allgäu, erhielt an der Jugend-musikschule württembergisches Allgäu und der Musikschule Ravensburg ihre erste musikalische Ausbildung. Sie erhielt mehrfach den Ersten und Zweiten Bundespreis beim Wettbewerb Jugend musiziert. Nach dem Abitur studierte sie Gesang an der Staatlichen Hochschule für Musik Freiburg i. Br. bei Prof. Markus Goritzki. Anschließend begann sie ein Aufbaustudium mit Schwerpunkt Lied/ Oratorium bei Prof. Heidrun Kordes an der Hochschule für Darstellende Kunst und Musik in Frankfurt/Main. Sie wurde dort auch Mitglied der Opernklasse und wirkte als Blondchen in Mozarts Entführung und als Sophie Scholl in Die weiße Rose von U. Zimmermann mit. Seit Herbst 2008 wird die Sopranistin von Carol Meyer-Bruetting betreut.

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Heike Heilmann war als Gast an der Oper Frankfurt und im Opernstudio des Theater Basel, wofür sie in der Fachzeitschrift Opernwelt als Nach-wuchssängerin des Jahres nominiert wurde. Sie sang in Inszenierungen von Richard Jones und Peter Konvitschny. Zahlreiche Konzerte und CD-Einspielungen mit namhaften Dirigenten wie Thomas Hengelbrock, Ton Koopman, Ivor Bolton, Konrad Junghänel und Winfried Toll führten sie nach China, Brasilien, Österreich, Belgien, Italien, Tschechien, Frank-reich, in die Niederlande und in die Schweiz. Die CD 'Bach, Lotti, Zelenka' (Thomas Hengelbrock), bei der sie als Solistin mitwirkt, erhielt den Gramophone Award 2010. Seda Amir-Karayan /Alt wurde in Eriwan/Armenien geboren. Sie studierte zunächst Jazzgesang an der Staatlichen Musikhochschule Eriwan bei Robert Amirkhanyan, dem bedeutendsten Komponisten armenischer Lieder, und trat mit ihm in vielen Ländern der Erde auf. (CD: "Die Stimme Armeniens"). Seit Oktober 2011 studiert sie Gesang in Stuttgart bei Prof. Ulrike Sonntag mit Schwerpunkt Oratorium und Lied, derzeit im Master Konzertgesang. Im Mai 2013 gewann sie beim Podium junger Gesangs-solisten in Zwickau den 1. Preis. 2014 erhielt sie ein Deutschlandstipendium. Sie nahm an Meisterkursen von Helen Donath, Malcolm Walker, Margreet Honig und Brigitte Fassbaender teil. Seda Amir-Karayan ist bereits eine gefragte Konzertaltistin. Sie sang unter Helmuth Rilling im „Paulus“ beim

Musikfest Stuttgart und beim Rheingau-Musikfestival, trat in der "Misa Tango" in Argentinien unter der Begleitung von Martin Palmeri auf und übernahm in der Uraufführung des Oratoriums "Sieben Lieder über Liebe und Frieden" von Robert Amirkhanyan in Heidenheim die große Solopartie. Im November 2013 war sie in der Alt-Rhapsodie von Brahms mit dem Philharmonischen Chor Köln in der Kölner Philharmonie zu hören und gab ihr Debut in der Philharmonie Berlin mit Beethovens C-Dur Messe unter der Leitung von Etta Hilsberg. Im Jahr 2014 sang sie in der Bachwoche der Bachakademie Stuttgart, Matthäus-passion von C. Ph. E. Bach in der Philharmonie Berlin, Bachs "h-Moll Messe“ und in der Kölner Philhar-monie in den Requien von Reger und

Duruflé und in Szymanowski "Stabat Mater“, Mozart-Requiem im Konzert-haus Berlin und Bachs Weihnachts-oratorium in der Berliner Philhar-monie. Im März 2015 war sie wieder in der Kölner Philharmonie mit Bachs Johannespassion zu hören, im August

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2015 im Konzerthaus Berlin mit Beethovens 9. Symphonie unter Enoch von Guttenberg. 2015 sang sie die Altpartie im „Elias“ in Ulmer Münster. Seit WS 2015 ist sie Tutorin für Gesangsunterricht an der Staatlichen Musikhochschule Stuttgart. Der Tenor Johannes Gaubitz begann seine musikalische Ausbildung beim Windsbacher Knabenchor. Es folgte ein Gesangsstudium an der Hoch-schule für Musik Freiburg i. Br. bei Prof. Dorothea Wirtz, das er an der Musikhochschule Lübeck, als Privat-student bei Prof. Matthias Goerne, mit Auszeichnung abschloss. Sein Konzert-Repertoire umfasst nahezu alle Bach-Partien, Händels Messias, die Schöpfung von Joseph Haydn, Elias und Paulus von Felix Mendelssohn-Bartholdy, sämtliche Messen von Mozart, sowie dessen Requiem, Bruckners Te Deum, sowie Beethovens 9. Sinfonie und Missa Solemnis. Neben seiner Konzert-Tätigkeit gilt sein besonderes Interesse dem Kunstlied. Daher absolvierte er einen Masterstudiengang für Liedge-staltung an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg bei Prof. Burkhard Kehring. Er gestaltete zahlreiche programmatische Lieder-abende zu den Komponisten Beethoven, Schubert, Schumann, Strauss, Mendelssohn und Britten. Hierbei wurde er von Pianisten wie Ana Miceva, Daniel Lorenzo, Burkhard Kehring und Eduard Stan begleitet. Darüber hinaus erhielt er in diesem Bereich wichtige musikalische Impulse

von Robert Holl, Hartmut Höll, Mitsuko Shirai, Axel Bauni, Alexander Schmalcz, Eric Schneider, sowie Matthias Goerne. Verschiedene Konzertengagements im In- und Ausland führten ihn unter anderem in den Berliner Dom, die Laeiszhalle Hamburg, die Münchner Philhar-monie, den Gustav Mahler Saal in Toblach, zur Schubertiade Schwarzen-berg, in das Teatro Comunale Città di Vicenza, die Cathédrale d'Antibes, das

Muziekgebouw Amsterdam, sowie die Tokio Opera City Concert Hall. Dabei arbeitete er unter anderem mit Dirigenten wie Rolf Beck, Hans-Michael Beuerle, Alexander Joel, Carlos Dominguez-Nieto, Christoph Hagel, Thomas Henegelbrock, Rene Jacobs, Frieder Bernius und Philippe Herreweghe. Johannes Gaubitz debütierte 2008 am Staatstheater Braunschweig als 2. Edler in Wagners Lohengrin. Dort war er im Folgejahr als Spatz in Richard Ayres´ Oper The cricket

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recovers zu erleben. Er ist Preisträger des internationalen Gesangswett- bewerbs der Kammeroper Schloss Rheinsberg 2010. Hier wirkte er als Zar in der deutschen Erstaufführung von Wassili Alexejewitsch Paschkewitschs Oper Fewej mit. Anfang 2014 war er unter Christoph Hagel und den Berliner Symphonikern, in szenischen Aufführungen von Bachs Johannes-passion u.a. im Berliner Dom, der Frauenkirche Dresden und dem Leipziger Gewandhaus zu erleben. Weihnachten 2014 folgte ebenfalls unter Christoph Hagel, den Berliner Symphonikern und dem deutschen Fernsehballett, eine große szenische Produktion von Bachs Weihnachts-oratorium im Berliner Dom, die überregionale Beachtung fand. Ekkehard Abele wurde in Stuttgart geboren und erhielt bereits früh Unterricht in Klavier und Orgel. Er studierte Kirchenmusik in Freiburg und begann währenddessen auch sein Gesangsstudium. Er setzte dieses in Saarbrücken bei Hanna Eittinger und Prof. Renate Stoll fort und beendete sein Aufbaustudium bei Kurt Widmer in Basel mit dem Solistendiplom. 1996 wurde er Preisträger des Inter-nationalen Bachwettbewerbes Leipzig. Er wird seit einigen Jahren von Gudrun Bär in Weimar/Saarbrücken stimmlich betreut. Er war lange Jahre Mitglied der Neuen Vocalsolisten Stuttgart, mit denen er ein großes Repertoire-spektrum im Bereich der Avantgarde erarbeitete. Er gastiert seitdem an den Opernhäusern in Saarbrücken, Mainz, Passau, Wuppertal, Basel, Mannheim

und Venedig, sowie bei Theaterfestivals in München, Graz, Paris, Amsterdam, New York, Bogotà und Buenos Aires. Im Konzertbereich, und hier im Besonderen im Bereich der Alten Musik, kam es früh zu einer intensiven Zusammenarbeit mit Dirigenten wie Thomas Hengelbrock und Hermann

Max, die später ihre Fortsetzung mit Persönlichkeiten wie Ton Koopman, Yannick Nézet-Séguin, Hans Zender, Philippe Herreweghe, Harry Christophers oder Masaaki Suzuki fand. Ekkehard Abele gastiert bei Orchestern wie dem Orchestre Philharmonique de Luxembourg, dem Nederlands Kamerorkest oder den Rotterdamer Philharmonikern und gerne auch bei Vocalensembles wie La Chapelle Rhénane oder Cantus Coelln. Er ist Gründungsmitglied des Deutschen Kammerchors. Sein besonderes Interesse gilt dem Lied, das er vor allem zusammen mit

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dem Hammerklavierspieler Enno Kastrens regelmäßig pflegt. Der griechische Bassbariton Christos

Pelekanos studierte Gesang mit Schwerpunkt Oratorium und Lied bei Prof. Hedwig Fassbender an der HfMdK Frankfurt. Die Zusammen-arbeit mit Dirigenten wie Paavo Järvi, Thomas Hengelbrock, Louis Langré, Hermann Max, Michael Graf Münster, Helmuth Rilling, Morten Schuldt-Jensen, Prof. Michael Schneider, Frieder Bernius, Gabriel Garrido und Martin Lutz haben ihn sehr geprägt. Weitere musikalisch-sängerische An-

regungen holte er sich in Meister-kursen bei Ingeborg Danz, Prof. Klaus Häger, Eva Marton, Johannes Martin Kränzle und Prof. Helmut Deutsch. Er tritt regelmäßig auf mit dem Deutschen Kammerchor, der Rheinischen Kantorei, dem Immortal- Bach- Ensemble, dem Kammerchor Stuttgart und dem Balthasar-Neumann-Chor. Dem Ensemblegesang gilt neben Lied und Oratorium seine weitere Leidenschaft. Dieser geht er mit dem von ihm mitbegründeten

Vokalquintett 'Teatro del Mondo' nach. Sie haben sich auf Vokalwerke der Spätrenaissance und des Frühbarock-spezialisiert. 2015 wurde die erste CD-Aufnahme veröffentlicht. Beate Rux-Voss lernte früh verschie-dene Instrumente. Von 1987 bis 1991 studierte sie Kirchenmusik an der Musikhochschule Lübeck bei Prof. Martin Haselböck. Anschließend studierte sie an der Musikhochschule Saarbrücken Orgel bei Prof. Daniel Roth sowie Cembalo bei Gerald Hambitzer und legte 1993 die Konzertreifeprüfung (Orgel) mit Auszeichnung ab. Daran schlossen sich der Studiengang „Historische Tasteninstrumente“ an der Musik-hochschule Stuttgart (Prof. Jon Laukvik) sowie die Fortsetzung des Kirchenmusik-Studiums in Esslingen an, das sie 1996 mit dem A-Examen abschloss. Beim internationalen Orgel-wettbewerb in Lahti/Finnland war sie 1989 vierte Preisträgerin, beim internationalen Georg-Böhm-Wettbe-werb in Lüneburg 1990 erste Preisträgerin. Konzertreisen führten sie u. a. durch ganz Deutschland und mehrere osteuropäische Länder sowie nach Wien, Paris und Kopenhagen. Sie spielte schon 1991 Orgelwerke von Jehan Alain auf CD ein, sowie Orgelmusik an Bad Kreuznacher Orgeln, ebenso eine CD mit Werken zeitgenössischer Komponisten für Orgel und Marimbaphon ein. Meisterkurse im Fach Orgel und Chorleitung (z.B. bei Eric Ericson, Georg Grün), sowie Korrepetitionen bei Frieder Bernius und den

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Ludwigsburger Schloss Festspielen (Wolfgang Gönnenwein), ergänzten Ihr Studium. Seit 1999 wirkte sie als

Organistin bei Konzerten der Göttinger Stadtkantorei mit. Nach dreijähriger Tätigkeit als Organistin an der Friedenskirche in Ludwigsburg hatte sie seit September 1996 die A-Stelle an der Ev. Pauluskirche in Bad Kreuznach inne. Sie leitet die Kantorei an der Pauluskirche, das Vokalensemble und die Amadeus-Singschule. Im Jahr 2000 wurde ihr für ihr vielseitiges Wirken der Kulturpreis der Stadt Bad Kreuznach verliehen. Im Jahr 2011 führte sie an drei Tagen auf vier Orgeln das gesamte Orgelwerk von J. S. Bach auf. In den Jahren 2013/2014 wiederholte sie die Aufführung des gesamten Orgelwerks von J. S. Bach als Zyklus.2012 konnte sie nach jahrelangem Engagement im Orgelbauverein e.V. die neue Eule-

Orgel in der Pauluskirche Bad Kreuznach ein-weihen. von 2013 bis Januar 2015 wirkte sie als

Kreiskantorin. Im Februar 2015 übernahm sie die A-Stelle an der Johanneskirche in Heidelberg- Neuenheim und leitet neben der Camerata Vocale Heidelberg, dem Figuralchor Heidelberg und der Kantorei auch verschiedene Kinder- und Jugendchorgruppen. Die historisch informierte Auf-führungspraxis, gute Intonation, Artikulation und das affektvolle Musizieren sind ein Merkmal ihrer Arbeit. Sie hat Aufführungen mit renom-mierten Solisten und Orchestern wie z.B. dem Neumeyer-Ensemble oder auch dem Göttinger Sinfonieorchester geleitet und etliche Uraufführungen mit dem Marimbaspieler Nils Gramerstorf gespielt.

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Seit über fünfzehn Jahren hat sie generationenübergreifende Familien-konzerte von Oratorien (Schöpfung; Israel in Ägypten, Weihnachts-oratorium, Sängerwettstreit, Zauber-flöte), veranstaltet. Die Vermittlung klassischer Musik gerade an die jüngere Generation ist ihr ein großes Anliegen. Die Camerata Vocale Heidelberg wurde 1978 von Wolfgang Neumann als Kammerchor an der Kreuzkirche in Wieblingen gegründet. Seit 2001 wirkt sie als Chor des evangelischen Bezirkskantors, und widmet sich vorzugsweise der Aufführung großer Kirchenmusik-Werke, wie der Passionen von Johann Sebastian Bach, der Oratorien von Händel sowie von Mendelssohn, sowie der kirchlichen Chorwerke von Mozart, Salieri, Verdi, Dvorak. Die Camerata erarbeitete wiederholt Werke von Komponisten des 20ten Jahr-hunderts, so von Saint-Saëns, Max Reger, Carl Orff, Hans Werne Henze, Paul Dessau, Boris Blacher u.a. Die Camerata Vocale hat für Heidelberg einige Erstauf-führungen gebracht, darunter Werke von Harald Heilmann und Arthur Honegger, sowie Werke von Salieri

und von César Franck. Sie wirkt mit an Kirchenveranstaltungen der Heidel-berger evangelischen Kirchen und singt regelmäßig Kantaten in Gottesdiensten, darunter solche von Bach, Telemann, Mendelssohn und von zeitgenössischen Komponisten. Regelmäßig singt sie Teile des Bachschen Weihnachtsoratoriums zur Weihnachtszeit und an den Weihnachtsfeiertagen in Heidelberg. Die Camerata Vocale wird seit Februar 2015 von Kantorin Beate Rux-Voss geleitet. Sie ist seither an der Johanneskirche in Heidelberg- Neuen-heim beheimatet.

Das Lukas-Barockorchester Stuttgart ist ein vitaler Klangkörper von professionellen Musikern, die sich intensiv mit der historischen Spielweise auf Barockinstrumenten auseinandersetzen. Nach mehreren aufführungspraktischen Seminaren wurde es 1988 von Hans-Eugen Ekert gegründet, seinen Namen hat es von der Lukaskirche in Stuttgart, in der Ekert als Kantor wirkt. Es arbeitet projektbezogen und wird gerne von Chören und Dirigenten in Süddeutschland und der Schweiz engagiert. Sein Schwerpunkt liegt naturgemäß auf der Musik der Barockzeit, aber auch Mozart, Schubert und Mendelssohn werden auf historischen Instrumenten gespielt und damit wieder ganz neu erschlossen. KMD Hans-Eugen Ekert studierte in Wien Kirchenmusik und Musik-therapie, in etlichen Meisterkursen konnte er seine Studien vervoll-

Die Chorsolisten:

Ancilla: Caroline Huppert

Servus: Ekkehard Winckler

Petrus: Jonatan Voss

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ständigen. Schon vor seiner Wiener Zeit beschäftigte er sich mit der Historischen Aufführungspraxis – ein lebenslanges Lernen hatte begonnen! In Baden–Württemberg war er einer der allerersten Kirchenmusiker, die konsequent Erkenntnisse der historisch informierten Aufführungs-praxis umgesetzt hatten. Nach einem Aufbaustudium an der Musikhoch-schule Trossingen (Kirchenmusik A und Cembalo) trat er 1983 die A-Kirchenmusikerstelle an der Lukas-kirche in Stuttgart an, die 1995 noch durch die Friedenskirche erweitert wurde. 1986 war er Stipendiat der Kunststiftung Baden-Württemberg, von 1989 bis zur Verlegung des Instituts nach Tübingen 1998 hatte er einen Lehrauftrag an der Hochschule für Kirchenmusik Esslingen. 2010 wurde ihm von Landesbischof July der Titel des Kirchenmusik-direktors verliehen. Zahlreiche Konzerte als Dirigent, Organist, Cembalist und gefragter Continuo-spieler, aber auch Rundfunk- und CD-Aufnahmen und Museumsführungen kennzeichnen seine vielseitige Tätigkeit. Besonders beliebt sind seine Orgel-Entdeckungsreisen, die er bis jetzt in Thüringen, Hessen, Ostfriesland, Siebenbürgen und in seiner schwäbischen Heimat durch-geführt hat. Mit seinem Wissen um die historischen Gegebenheiten möchte er die Musik der Vergangenheit wieder aktuell „zum Sprechen bringen“ und ihre innewohnende Spiritualität erfahrbar machen.

Die Mitglieder des Lukas – Barock- Orchesters Stuttgart: Traversflöte: Hans-Joachim Fuss und Cassio Caponi Oboe und Oboe d’amore und Oboe da caccia: Stefan Bartsch Fagott: Mechthild Alpers Kontrafagott: N.N. Violinen: Friedemann Kienzle (Konzertmeister und Solo), Eva Maria Scheytt (Solo), Karl Mittelbach, Gunhild Cremer, Gundila Kleinert, Michaela Trucksäß Viola: Julia Hanke, Uta Mittelbach Violoncello: Henning Vollmer Viola da Gamba: Michael Spengler Violino: Ulrike Klamp Laute: Rudolf Merkel Orgel und Orchestereinstudierung: Hans-Eugen Ekert

Impressum:

Camerata Vocale Heidelberg e.V.,

Dr. Martin Treiber,

Neckarhamm 31, 69123 Heidelberg.

Text und Gestaltung E. J. Häberle.

Druck: diedruckerei, Neustadt/ Aisch,

Fotos: Südfenster Peterskirche Heidelberg,

Geraki Greece, Karlskirche, Solisten.

Alle Fotos und Repros: privat.

Fotos Heinrich Kirchner: Kreuzwegstation

1931 und Grabplatte von 1933: mit frdl.

Genehmigung durch Dr. F. Maier-Metz,

Heidelberg

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Die nächsten Konzerte des Figural Chores Heidelberg und der Camerata Vocale Heidelberg unter der Leitung und mit Orgelspiel von Kantorin Beate Rux-Voss werden sein: Samstag, 19.03.2016: Geburtstagskonzert für Max Reger, mit Beate Rux-Voss Orgel, Johanneskirche Neuenheim, 20.30 Uhr (Eintritt frei). Karfreitag, 25.03.2016, Johanneskirche Heidelberg, 10.00 Uhr, Max Reger: Chorkantate „O Haupt voll Blut und Wunden“ im Rahmen des Gottesdienstes am Karfreitag. Ostersonntag, 27.03.2016, Johanneskirche, 10.00 Uhr, J.S. Bach: Kantate „Ein Herz, das Jesum lebend weiß“. Ostermontag, 28.03.2016, Johannes-Kirche, 10.00 Uhr: Festgottesdienst mit Werken für Orgel und Trompete, Almut Rux, Trompete, Beate Rux-Voss, Orgel. Sonntag, 17. April 2016, Johanneskirche Neuenheim, 10.00 Uhr: Bob Chilcott: A little Jazz Mass, mit dem Figural Chor Heidelberg und Instrumentalisten. Mittwoch, 4. Mai 2016: Johanneskirche, 20.00 Uhr. Chor- und Orgelkonzert am Vorabend zu Christi Himmelfahrt, Figuralchor Heidelberg, Klaus Evers, Orgel, Leitung B. Rux-Voss. Samstag, 14. Mai 2016, 19.00 Uhr: Orgelkonzert in St. Raphael. Im Rahmen der Einweihung der neuen Orgel in der Kirche St. Raphael, Neuenheim. Orgel: Kantorin Beate Rux-Voss. Freitag, 24. Juni 2016, 20.00 Uhr, Johannistag: Wild-Goose-Lieder aus der Iona Community Glasgow & Iona, Schottland. Ein ökumenisches Konzert auch zum Mitsingen in der Johanneskirche Neuenheim. Samstag, 23. Juli 2016, 20.30 Uhr, im Gemeindehaus der Johannesgemeinde, Lutherstraße 67. Nachtschwärmerkonzert: Bach zum Träumen, Partiten von J.S. Bach. B. Rux-Voss, Klavier. Sonntag, 09. Oktober 2016, Peterskirche Heidelberg, 17.00 Uhr: J. S. Bach: Messe h-Moll. Figuralchor Heidelberg, Neumeyer Consort, mit R. Dahlen, Chr. Rohrbach, S. Hübner, M. Lemke, Leitung: B. Rux-Voss. Sonntag, 20. November 2016, in der Peterskirche in Heidelberg, 17.00 Uhr. Camerata Vocale Heidelberg. Requiem des Schweizer Gegenwarts- Komponisten Carl Ruetti. Der Komponist wird selbst anwesend sein, und sein Werk vorstellen, außerdem wird er selbst an der Orgel mitwirken. Die Camerata Vocale Heidelberg und die Aufführenden danken dem Kulturamt der Stadt Heidelberg sowie der Evangelischen Kirche Heidelberg und privaten Sponsoren für die Unterstützung dieses Konzertes. Darüber hinaus ist einer Vielzahl freier ehrenamtlicher Helfer für das Zustandekommen der Aufführung zu danken. Wir freuen uns über jedes Engagement für die Chormusik mit der Camerata Vocale. Alle Informationen und die Kontaktadressen sind auf der home page der Camerata Vocale zu finden: www.camerata-vocale-heidelberg.de oder in: www.ekihd.de