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Jonas Ridderstråle | Kjell A. Nordström Funky Business forever Mehr Spaß am Kapitalismus Übersetzung aus dem Englischen von Susanne Reimer ' des Titels »Funky Business forever« (ISBN 978-3-636-03160-0) 2008 by Redline Wirtschaft, FinanzBuch Verlag GmbH, München Nhere Informationen unter: http://www.redline-wirtschaft.de

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Jonas Ridderstråle | Kjell A. Nordström

Funky Business forever

Mehr Spaß am Kapitalismus

Übersetzung aus dem Englischen von Susanne Reimer

© des Titels »Funky Business forever« (ISBN 978-3-636-03160-0)2008 by Redline Wirtschaft, FinanzBuch Verlag GmbH, MünchenNähere Informationen unter: http://www.redline-wirtschaft.de

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Funky Times

»A working class hero is something to be«John Lennon

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Wir haben gewonnen. Das Zeitalter des kapitalistischen Triumphs ist ange-brochen. Die Welt ist erobert – von Peking bis Baltimore und von St. Peters-burg bis Singapur. Die politischen Führer des Westens können ihr Lächeln kaum verbergen, während sie die neuen Börsenplätze in jenen Ländern be-reisen, die einst Vorposten der kommunistischen Macht waren. Die Augen der Geschäftsleute glänzen vor Stolz, wenn sie chinesischen Unternehmern vorgestellt werden, die über Nacht ein Vermögen gemacht haben, oder rus-sischen Oligarchen, denen eine britische Fußballmannschaft gehört. Sie sabbern beim Auftauchen indischer Multis. Selbst Nordkoreas Kim Jong Il nähert sich der großen Idee des Kapitalismus. Seit dem Fall der Berliner Mauer liegt Triumphalismus in der Luft. Kapitalismus über alles.

Die Planwirtschaft ist – dem Funk sei Dank – eine aussterbende Spezi-es. Denken Sie nur an das Bild des Eisbären, gefangen auf einer Eisscholle, die im sich erwärmenden Wasser langsam abschmilzt. Der Klimawandel in unseren Gesellschaften ist für Gentlemen wie Kim Jong eine unbequeme Wahrheit (um Al Gore frei zu übersetzen).

Doch es gibt ein kleines Problem. Karl Marx hatte recht.>1<

Wir alle sollten das erste Flugzeug nach Heathrow nehmen und in ein Taxi zum Highgate Cemetery steigen. Auf diesem Friedhof liegen unter einem von Efeu umrank-ten Denkmal die sterblichen Überreste des Verfassers des Kommunistischen Manifests – des kommunistischen Theo-retikers Karl Marx. Der Strom der Besucher auf dem Fried-hof, die den letzten Ruheplatz des großen Mannes sehen möchten, reißt nicht ab. Anderswo in der Welt versam-meln sich Menschenmengen, um die sterblichen Über-reste von Marx’ Schülern zu sehen. Auch ihnen sollten wir die letzte Ehre erweisen.

Wir sollten Ho Chi Minh die Ehre erweisen. Er mag bei einer kontrollierten Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent und einer Temperatur von 22 Grad Celsius in einem Kristallsarg in Hanoi liegen, aber er kann sich damit trösten, dass er recht gehabt hat. Dasselbe gilt für Wladimir Iljitsch Lenin. Er nimmt alle 18 Monate ein Bad in einer Mischung aus Wasser, Alkohol, Glyzerin und Kaliumacetat. Zwei Wochen später ist seine Haut wieder weich wie ein Babypopo. Gut 80 Jahre nach seinem Tod ist Lenins Mausoleum nur noch eine Touristenattraktion für kapitalistische Genossen aus dem Westen. Doch aller Entwürdigung und

1 Diese eine Zeile hat uns mehr Probleme gemacht als jede andere, und erklärt auch, warum sich Funky Business – obwohl es den Rest der Welt eroberte – in den Vereinigten Staaten beschämend schlecht verkauft hat. Der amerika-nischen Leserschaft fiel es schwer, über diesen Punkt des Buches hinauszugehen. Wenn Sie Amerikaner sind, möchten wir Sie inständig bitten, dies zu tun.

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Respektlosigkeit zum Trotz hatte auch Lenin recht. Ebenso wie der Vorsit-zende Mao Tse-tung. Mao wird heute hemmungslos vermarktet – für knapp 50.000 Hongkong-Dollar können Sie bei Sing Kwong Jewelry & Gold Co. eine goldene Statue des großen Vorsitzenden aus 24 Karat erwerben. Ih-re Bestellungen für das Teeservice von Erich Honecker und Memorabilien von Enver Hoxha sollten Sie möglichst bald aufgeben. Sie waren alle miese, kommunistische Diktatoren – aber auch sie hatten recht.

Sie hatten recht, weil sie die marxistische Weltsicht teilten, dass die Ar-beiter den größten gesellschaftlichen Reichtum, die wich-tigsten Produktionsmittel, besitzen sollten. Heute tun wir das wirklich, wenn auch eher individuell als kollektiv. Vielleicht haben wir das bereits die ganze Zeit getan, oh-ne uns dessen bewusst zu sein.

Die Arbeitnehmer kontrollieren die wichtigsten Pro-duktionsmittel. Teil eins der Revolution ist vorbei. Heute benutzen Arbeitnehmer – ob sie Angestellte in Software-häusern in Frankfurt, Werftarbeiter in Stavanger, Künst-ler in chinesischen Werbeagenturen, Beamte in den Be-hörden von Sydney, Fabrikarbeiter in Los Angeles oder Derivatenhändler in Singapur sind – ihren Kopf und ge-legentlich auch ihre Muskeln, um neuen Wohlstand zu erzeugen.>2< In einem modernen Unternehmen werden 70

2 Wie sich die Welt geän-dert hat. Als wir die Wor-te »Künstler in chinesischen Werbeagenturen« schrie-ben, bewegten wir uns ei-gentlich im Bereich des Imaginären und, wir geben es zu, fühlten uns dabei ein bisschen exzentrisch. Und jetzt ist es schon so weit: Es gibt große chinesische Werbeagenturen und funky chinesische Künstler. Das nennen wir Fortschritt.

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bis 80 Prozent der gesamten Arbeitsleistung vom Intellekt der Angestellten erbracht. Das wesentliche Produktionsmittel ist klein, grau und wiegt etwa 1,3 Kilogramm. Es ist das menschliche Gehirn.

Das menschliche Gehirn ist unglaublich komplex und kompliziert. Es funktioniert nach holografischen Organisationsprinzipien, das heißt die einzelnen Teile reflektieren immer auch das Ganze. Laboruntersuchungen haben ergeben, dass man neun Zehntel eines Gehirns entfernen kann und es trotzdem noch funktioniert. Versuchen Sie das mal mit Ihrem Wagen, Ih-rem iPod oder Statellitennavigationsgerät.

Bagdad Bob erzählt Ihnen, dass schwarz in Wirklichkeit weiß ist.

Unser Gehirn ist dazu in der Lage, den leistungsstärksten Computer der Welt zu schlagen. Vielleicht möchten Sie als Gegenargument auf das große Schachfinale zwischen dem IBM-Computer Deep Blue und Gary Kasparow hinweisen. Hat nicht der Computer im Februar 1996 den menschlichen Großmeister besiegt? Ja, er hat. Aber dieser Sieg war nur möglich, weil beide Spieler an Regeln gebunden waren, an eine beschränkte Anzahl möglicher Strategien. Das Problem der Schachspieler in den Unternehmen dieser Welt ist, dass für ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit nicht das Befolgen von Regeln entscheidend sein wird. Entscheidend wird vielmehr sein, ob sie fä-

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hig sind, alte Regeln zu durchbrechen und neue aufzustellen. Für den Erfolg in der Zukunft wird maßgeblich sein, dass gängige Weisheiten angefochten und der Bauer in einem Zug von A2 auf E7 gesetzt wird.

Es scheint, als hätte auch John F. Kennedy recht gehabt – selbst wenn man heute schätzt, dass die Leistungsstärke von Computern die der gesam-

ten Menschheit übertrifft –, als er sagte: »Der Mensch ist immer noch der außergewöhnlichste Computer von al-len.« Menschen können kreativ sein, neue Ideen haben, neue Regeln erfinden und Emotionen empfinden. Das können Computer nicht – noch nicht!>3<

Das menschliche Gehirn ist in seiner Struktur einma-lig und enthält unglaublich komplizierte Mechanismen. Doch Gott sei Dank gibt es auf die Frage, wer Eigentümer

des Gehirns ist, eine einfache Antwort. Das Gehirn wird nicht von Aktio-nären, Investmentfonds oder anderen Körperschaften kontrolliert. George Soros mag zwar Währungen und Märkte destabilisieren können, über das menschliche Gehirn jedoch hat er keine Kontrolle. Bagdad Bob kann Ihnen erzählen, dass schwarz in Wirklichkeit weiß ist, aber Sie müssen ihm nicht glauben. Regierungen können die gesamte Welt mit Propaganda überzie-hen, aber das Gehirn gehört jedem und jeder Einzelnen selbst. Es wird – zum Guten oder Schlechten – vom Individuum kontrolliert.

Die Schlacht der GehirnePerfekt ausgestattet und in individuellem Besitz übertrifft das menschliche Gehirn die traditionellen Produktionsmittel wie Rohstoffe, harte Arbeit und Kapital. Versuchen Sie einmal, ein modernes Unternehmen zu nennen, des-sen Erfolg auf körperlicher Arbeit beruht. Selbst die Mafia und die Hells Angels sind mittlerweile eher von Geisteskraft gesteuert als von Brutalität und Pferdestärken.

Ein Autohersteller? Nein. Im neuen Jahrtausend wird eine Autofirma dann konkurrenzfähig produzieren können, wenn sie geeignete Technolo-gien für das logistische Management einsetzt, überzeugende Produkte ent-wickelt und herstellt, einen zuverlässigen Kundendienst anbietet und in-tern ebenso kommunizieren kann wie mit den Netzwerken der Zulieferer und Händler. Die Wertschöpfung liegt nicht mehr im Metall oder im Motor,

3 Auch zehn Jahre später ist der coolste Apple Com-puter mit allen Gigabytes, die sich ein Mensch nur wünschen kann, immer noch dumm.

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sondern in immateriellen Dingen. Das Immaterielle macht etwa 70 Prozent vom Wert eines neuen Autos aus. Das bedeutet, wer auf Muskelkraft setzt, ist schon morgen ein bankrotter Autohersteller. Die Auto-produktion besteht nicht mehr aus stumpfsinnigen Ar-beitsschritten am Fließband. Henry Ford ist schon lange tot und seine Methoden auch. Ford beklagte einst: »Ich will nur ein Paar Hände, aber jedes Mal bekomme ich auch einen Menschen dazu«.>4< Heute lautet die Frage in den Unternehmen eher: Wer benötigt schon ein paar Hände?

Jack Welch, ehemaliger Vorstand von General Elec-tric, schätzte, dass der Anteil von GE Capital 50 Prozent des Unternehmens ausmachen könnte – nicht in Bezug auf die Zahl der Angestellten, der Bürogebäude oder Park-plätze, sondern in puncto Gewinn. Warum ist der unum-strittene König der Schwerindustrie weich geworden?>5< Weil heutzutage der wirklich harte Stoff ausgesprochen soft ist.

Ganze Länder liegen in wachsendem Maße in einem Wettstreit des Wissen miteinander. Wenn Sie zurückden-ken, sind die meisten Länder durch eine Kombination von natürlichen Ressourcen, Arbeit und Kapital reich gewor-den. In die Zukunft gedacht spielen diese Faktoren keine Rolle mehr. Heute kann man mit natürlichen Ressourcen allein kein Geld mehr verdienen. Selbst Papst Johannes Paul II. stimmte dem zu. 1991 kam er in seinen Schriften zum Jahrhundert zu dem Schluss: »Früher war der ent-scheidende Produktionsfaktor das Land, später das Ka-pital … Heute sind der Mensch und sein Wissen der we-sentliche Faktor«. Geschäftlicher Erfolg stellt sich folglich dann ein, wenn es gelingt, eine Truppe kluger Gehirne um sich zu scharen.

Es spielt keine Rolle, ob wir über Thailand, Deutsch-land, die Türkei, die Vereinigten Staaten oder Chile spre-chen. Wissen ist zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Natür-liche Ressourcen, Arbeit und Kapital verlieren rapide an Bedeutung. Werfen Sie einen Blick auf Dubai: Kein Öl, aber viele Talente.>6< Aus diesem Grund sprachen Bill Clinton und Tony Blair auch von einem »Kalten Krieg des Wissens«. Ihr vorrangiges Ziel war es, Bedingungen zu schaffen, die eine

4 Henry Ford wird oft we-gen seiner Einführung des Fünf-Dollar-Tages geprie-sen. Meist heißt es, dies sei ein Akt kapitalistischer Wohltätigkeit gewesen. Doch das scheint eher un-wahrscheinlich. Henry Fords Denken war ungebrochen kapitalistisch: Besitzgier war gut und höhere Löhne bedeuteten vor allem, dass die Arbeiter auch die Autos kaufen würden.

5 Jack Welchs Rückzugs-bemühungen – Heirat mit der ehemaligen Journalistin der Harvard Business Review, die er bei einem In-terview wohl etwas zu gut kennenlernte, sowie eini-gen seichten Selbsthilfe-Beststellern – sollten nicht davon ablenken, wofür er stand: deutliche Worte, Ergebnisorientiertheit und harte Arbeit. Ein Arbeiter im ultimativen Managerjob. Welch ist der Springsteen der Unternehmerschaft.

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Zuwanderung kluger Köpfe fördern und ihre Abwanderung verhindern. Im Kalten Krieg der Nachkriegsjahre ging es um militärische Stärke, wie die

Panzeraufmärsche vor dem Kreml sie symbolisierten. Der neue kalte Krieg findet auf einer subtileren Ebene statt (er wird auch noch nicht groß geschrieben), ist aber von eben-so weitreichender Bedeutung. Jetzt heißt es: Gehirne ge-gen Gehirne.

Die dritte Revolution des WissensWissen ist Macht ist ein hübscher Aphorismus. Jahrzehntelang wurde er ge-dankenlos zitiert, und egal wie oft oder laut wir ihn wiederholt haben, wirk-lich daran geglaubt haben wir nicht. In der Realität war schließlich Macht gleich Stärke oder Macht definierte, was als Wissen galt. Heute ist Wissen wirklich Macht. Wir sagen es laut und glauben es auch. Selbst wenn Sie all Ihre Kraft aufwenden, jemanden tyrannisieren, bedrohen oder ihn um-schmeicheln: Es wird Ihnen nicht das Geringste nützen, wenn Sie es mit jemandem zu tun haben, der smarter, schneller und gieriger ist. Ein wen-diges Leichtgewicht wird ein plumpes Schwergewicht immer schlagen, aus-genommen im Boxring. Den Neandertaler gibt es schon lange nicht mehr – nun müssen wir uns auch von seinen Verhaltens- und Denkweisen ver-abschieden.

6 Seltsamerweise haben wir vom Harvard-Absolven-ten George W. Bush nur wenig über Wissen gehört.

Schlachtder Gehirne.

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