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 JUNG UND ERFAHREN. DAS NEUE LUX US- VE RS T ÄNDNIS DER CHINESEN AM 6. AUGUST STUFTE EINE CHINESISCHE RATING-AGENTUR DIE US-BONITÄT HERAB UND ZEIGTE, WIE AUCH WENIG SPÄTER STANDARD & POORS, DER WELT, WO DAS GELD INZWISCHEN ERWIRTSCHAFTET WIRD. CHINA ALS GRÖSSTER GLÄUBIGER AMERIKAS ERMAHNTE DIE USA ERSTMALS ÖFFENTLICH ZUM SPAREN UND STELLTE DROHEND DEN DOLLAR ALS LEITWÄHRUNG INFRAGE. DAMIT WURDE SCHLAGARTIG KLAR, DASS DIE FINANZPOLITISCHE VORMACHTSTELLUNG DES WESTENS BEENDET IST. «To be rich is glorious,» lautete bereits die Losung von Staatschef Deng Xiaoping, der Ende der 1970er-Jahre die wirtschaftliche Öffnung gen Westen einläutete. Der Westen nutzte die billigen Arbeitskräfte und verlagerte seine Produkti onsstätten in das Reich der Mitte. Das Fertigungs-Know-how stieg und mit der Nachfrage der Wohlstand. Heute suchen westliche Firmen chinesisches Know-how und schliessen Joint Ventures wie etwa im Bereich der Elektrochemie. So ist es der chinesischen Regierung gelungen, ihr Volk in zu- nehmendem Masse an den Konsumgütern, die es für die aus- ländischen Westmächte produziert, teilhaben zu lassen. Nicht nur jede Fertigungs-Blaupause bleibt im Land. Längst sind die expor- tierten Güter in Flagship Stores in die Millionenstädte zurück- gekehrt. Die Kaufkraft des chinesischen Marktes steht für die Emanzipation Chinas. Der Konsum von Mode, Medien und Technologie führte in den städtischen Ballungsräumen zu einem neuen Lebensgefühl des Aufbruchs und Wohlstands. Paradoxerweise sind heute genau die «sites of bourgeois consumption» eingetreten, die Mao so ver- schrien hatte. Und diese dehnen sich aus: 75 Prozent der neu entstehenden reichen Haushalte werden laut Beijing Today jenseits der Mega- Metropolen in für chinesische Verhältnisse kleineren Millionen- städten entstehen und Kaufkraft und Wohlstand weiter über das Land verteilen. Ganze Stadtviertel tragen westliche Muster – nicht um ein blühendes Europa zu imitieren, wie es noch die europäischen Architekten von Argentinien bis St. Petersburg taten – sondern um eine neue Klasse weit gereister und gebildeter Chinesen zu reprä- sentieren. Und von der scheint es 2020 weltweit die meisten in China zu geben, denn der weltgrösste Markt für Luxusgüter wird laut dem jüngsten Bericht der Investment Research Group CLSA China sein. Und das überrascht heute keinen mehr. Jonathan De Mello, Handelsanalyst bei der CB Richard Ellis Consultancy, schreibt im BIRGIT GEBHARDT Birgit Gebhardt ist Geschäftsführerin von Trendbüro in Hamburg. Das «Bera- tungsunternehmen für gesellschaftlichen Wandel» berät Konsumgüterher- steller, Medien- und Markenunternehmen. Trendbüros Muttergesellschaft Avantgarde ist ein Unternehmen für Live-Kommunikation mit Sitz an 13 Stand- orten weltweit, darunter auch in Beijing und Shanghai. www.trendbuero.de 4 4 TRE NDS KONSUM IN CHINA

Jung und Erfahren. Das Neue Luxusverständnis der Chinesen - Jahrbuch Marketing 2012

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Jung und erfahren.

das neue Luxus-verständnis der Chinesen

AM 6. AUGUST STUFTE EInE CHInESISCHE RATInG-AGEnTUR DIE US-BOnITäT HERAB UnD ZEIGTE,

WIE AUCH WEnIG SPäTER STAnDARD & POORS, DER WELT, WO DAS GELD InZWISCHEn

ERWIRTSCHAFTET WIRD. CHInA ALS GRöSSTER GLäUBIGER AMERIKAS ERMAHnTE DIE USA

ERSTMALS öFFEnTLICH ZUM SPAREn UnD STELLTE DROHEnD DEn DOLLAR ALS

LEITWäHRUnG InFRAGE. DAMIT WURDE SCHLAGARTIG KLAR, DASS DIE FInAnZPOLITISCHE

VORMACHTSTELLUnG DES WESTEnS BEEnDET IST.

«To be rich is glorious,» lautete bereits die Losug vo StaatscheDeg Xiaopig, der Ede der 1970er-Jahre die wirtschatliche

öug ge Weste eilutete. Der Weste utzte die billige

Arbeitskrte ud verlagerte seie Produktiossttte i das Reich

der Mitte. Das Fertigugs-Kow-how stieg ud mit der nachrage

der Wohlstad. Heute suche westliche Firme chiesisches

Kow-how ud schliesse Joit Vetures wie etwa im Bereich derElektrochemie.

So ist es der chiesische Regierug geluge, ihr Volk i zu-

ehmedem Masse a de Kosumgüter, die es ür die aus-

ldische Westmchte produziert, teilhabe zu lasse. nicht ur

jede Fertigugs-Blaupause bleibt im Lad. Lgst sid die expor-

tierte Güter i Flagship Stores i die Millioestdte zurück-

gekehrt. Die Kaukrat des chiesische Marktes steht ür die

Emazipatio Chias.

Der Kosum vo Mode, Medie ud Techologie ührte i de

stdtische Ballugsrume zu eiem eue Lebesgeühl des

Aubruchs ud Wohlstads. Paradoxerweise sid heute geau die«sites o bourgeois cosumptio» eigetrete, die Mao so ver-

schrie hatte.

Ud diese dehe sich aus: 75 Prozet der eu etstehede

reiche Haushalte werde laut Beijig Today jeseits der Mega-

Metropole i ür chiesische Verhltisse kleiere Millioe-

stdte etstehe ud Kaukrat ud Wohlstad weiter über das

Lad verteile.

Gaze Stadtviertel trage westliche Muster – icht um ei

blühedes Europa zu imitiere, wie es och die europische

Architekte vo Argetiie bis St. Petersburg tate – soder um

eie eue Klasse weit gereister ud gebildeter Chiese zu repr-

setiere. Ud vo der scheit es 2020 weltweit die meiste i

Chia zu gebe, de der weltgrsste Markt ür Luxusgüter wird

laut dem jügste Bericht der Ivestmet Research Group CLSA

Chia sei.

Ud das überrascht heute keie mehr. Joatha De Mello,

Hadelsaalyst bei der CB Richard Ellis Cosultacy, schreibt im

BiRgiT gEBhaRDT

Birgit Gebhardt ist Geschtsühreri vo Tredbüro i Hamburg. Das «Bera-

tugsuterehme ür gesellschatliche Wadel» bert Kosumgüterher-

steller, Medie- ud Markeuterehme. Tredbüros Muttergesellschat

Avatgarde ist ei Uterehme ür Live-Kommuikatio mit Sitz a 13 Stad-

orte weltweit, daruter auch i Beijig ud Shaghai. www.trendbuero.de

44 TRENDS KOnSUM In CHInA

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Guardia: «Kosumete vo Chias Festlad ud Hogkog ma-

che heute bereits 30 Prozet des britische Luxusmarktes aus.»

Bai & Compay progostiziert i der Luxury Goods Worldwide

Market Study 2010 Chias Luxuskosum bereits ierhalb der

chste ü Jahre au eie Summe vo 14,6 Milliarde US-Dollar – ud damit de grsste Markt ür Luxusartikel.

Luxusgüter aus verschuldeten Ländern?

Der Luxusmarkt verschiebt sich vo Europa ud Japa ach Chia

ud lst damit eie Sikrise aus. De die Verlagerug brigt die

klassische Kausalitt zwische Produktveredelug ud Wirt-

schatserolg is Wake. Die überwieged i Europa agesie-

delte Luxusidustrie ka ihre Vorsprug hisichtlich der eige-

e kulturelle Fertigkeite i ihre Produktzykle ur so lage

glaubwürdig zelebriere, wie Europa selbst wirtschatlich souve-

r ud gesellschatlich als Vorbild gelte ka.

Wie stark die Herkut ud Verortug au das Produkt ab-

strahlt, weiss keier besser als die Luxusidustrie selbst. Doch

wie solle die koomisch potete Chiese etwas bewuder,

das aus Lder stammt, die bei ihe hoch verschuldet sid?

Wie muss Ehrurcht vor Schheit bei jee verstade werde,

die sich aschicke, de Weste als Weltmacht abzulse? Kau-

e sie icht lgst i eiem Museum ei? So muss es ihe

vorkomme, de geau das zelebriere die meiste Luxus-

huser, die im Grude ihre Passio bei der Produktveredelug

bereits als uzeitgemsse Verarrtheit i mauelle Kustertigkeitprsetiere. Aus Sicht der Chiese ist der westliche Luxus-

markt lgst ei grosser Museumsshop.

Für eie Grossteil der klassische Luxusidustrie liegt geau da-

ri ihre Strategie: a de alte Werte esthalte ud sie gege

alle widrige, ud das heisst wahrscheilich modere Umstde

zu verteidige. Der Mehrauwad maiestiert sich im Preis ud

we die Heritage lagristig geüged Sto ür Geschichte lie-

ert, mag das gut gehe.

«Alles, was zu verschwide droht, gewit a Wert», ormu-

lierte Tredbüro-Grüder Peter Wipperma. Aber wie ka sich

eie Brache, die sich im Glaz des Vergagee sot, ür kü-

tige Herausorderuge rüste? Wie muss de Verschiebuge

zwische Produktveredelug hier ud Wirtschatskrat dort be-

geget werde?

Zum Beispiel, idem die eue Klietel her i Augeschei

geomme wird. Bekat ist der geschichtlich-kulturelle Hiter-

Beertes Objekt n der auto Cn 2010 n Pekn: der Porsche 911 Turbo S. Die Chiese fde Geschmack am Luxus.

   ©

   t  e  s   t   i  n  g   /   S   h  u   t   t  e  r  s   t  o  c   k .  c  o  m

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grud, bekat ist die demostrative Auholjagd der chiesische

Selmade-Milliore. Aber der Wadel hat lgst die chste

Stue erreicht. Heute ist der durchschittliche Festlad-Millior i

Chia 39 Jahre alt, laut The Stadard mlich ud im Besitz vo

drei Autos ud 4,4 Luxusuhre. Dieser juge Zugag zu Luxus ist

ei eues Phome. I de USA sid ur 30 Prozet der Luxus-kosumete uter 45, i Japa sogar ur 19 Prozet. I Chia

dagege – schtzt Europea Busiess Review – alle 80 Prozet

der chiesische Luxuskosumete uter die Altersgreze vo

45 Jahre.

Versiert im Netz

Eie eue Herausorderug liegt damit i der techische Medie-

kompetez, die die juge Chiese wie selbstverstdlich prak-

tiziere. I eiem Lad mit 384 Millioe Iteretutzer (mehr

als i USA ud Japa zusamme) hat sich laut Europea Busiess

Review der E-Commerce-Markt vo 2006 au 2009 vervieracht.

Das bedeutet, dass die chiesische Digital natives sich versier-ter im netz bewege als die ltere, westliche Luxuskosu-

mete ud durch die globale Veretzug auch iormierter sid,

als es so macher Luxusfrma bewusst ist.

Schtzuge gehe davo aus, dass die Digital natives oder

Geeratio Y i Chia 50 Prozet der arbeitede Bevlkerug

ausmache ud damit eie gaze Geeratio der High Potetials

reprsetiere.

Immerhi ist die Brache mittlerweile aus ihrem digitale

Dorrscheschla erwacht ud hat erkat, dass das netz icht

ur ür de Plebs taugt, soder durchaus Exklusivitt biete

ka. Techisch habe izwische viele Marke augeholt, ud

avatgardistische Erlebiswelte kreiert, die vo mobil bis statio-r mit alle Kale verzaht sid. Hieri liegt allerdigs och

icht die Lsug, soder lediglich die techische Voraussetzug,

um im mediale Strukturwadel eie zeitgemsse Kudekom-

muikatio ühre zu ke.

Die Motive der juge chiesische Luxuskosumete sid da-

mit och icht erasst ud ma sollte sie augrud ihres juge

Alters icht uterschtze. Überwieged ausgebildet i de USA,

UK oder der Schweiz sid die juge Chiese qualifzierter,

gebildeter, ud kosmopolitisch erahreer als ihre Vorgger, be-

sttigt Rupert Hoogewer, Chairma ad Chie Researcher des

Huru Report.

Die juge Hougstrger aus reichem Hause gelte als

sehr markeaf ud weiger preissesibel. Aber sie verhalte

sich laut Aderso ad Sharp 2010 weiger loyal ud sid eue

Marke gegeüber augeschlosse. Schell eret sich ihe

die globale Luxuspalette.

nebe der Erweiterug ihrer Ketis iteratioaler Marke

sid es die lokale Ausprguge ud nuace, die ihre Um-

gag mit Luxus schule. Ispiriert durch iteratioale Verbi-

duge ud Empehluge diereziere sich Badbreite ud

Agebote immer weiter aus ud lasse die juge Chiese

immer whlerischer werde.Auch ür de Luxuskosum gilt, dass ma ie auslert. Ud

hier wirke die zahlreiche globale Kotakte ud virtuelle Ior-

matioskale mit de eigee Erahruge zusamme. Ihre Co-

aisseur-Führerschat werde die jug verwhte Luxuskosu-

mete auch im Heimatmarkt abbilde. Die vo zu Hause geler-

te Luxusmarke müsse pltzlich der iteratioale Erahrug

stadhalte. De zur eigee Selbststdigkeit ud Idividuali-

sierug gehrt am Ede auch die Emazipatio vo de Luxus-

marke der Elter. Lgst etscheide die Juge modebewusster,

stilsicherer ud ischiger als ihre reiche Eltergeeratio.

Das heisst icht, dass kategorisch gege die Vorliebe der

Elter rebelliert wird. Harmoie ud Familie stehe weiterhi

hoch im Kurs. So demostriert umgekehrt die bewusste Etschei-dug ür eie Luxusmarke, die scho die Elter utze, eie

geeratiosübergreiede Wertekoses. Aber die Etschei-

dug, mit welcher Marke ma sich idetifziere ka, wird vo

de juge Chiese selbststdiger ud souverer getroe,

als es de Elter mglich war – ud de Luxuskozere lieb ist.

Laut dem P1.Cn Report ud Regierugsagabe aus dem Zoll

wird der chiesische Luxusmarkt vo ausldische Marke

domiiert. 2010 wurde mehr als 500 Marke i das Lad impor-

tiert, die isgesamt 90 Prozet der Luxusmarke darstellte. 50

Prozet kame aus Europa, 30 Prozet aus Japa. Doch seit Chia

icht mehr ur das Lad ür Rohstoe ud Billigprodukte ist, dari Zukut auch mit chiesische Luxusmarke – ebe Alkohol

ud Geussmittel – gerechet werde.

Vielleicht imitiere die juge Uterehmer dabei die Strate-

gie der erolgreiche Europer ud wisse eie Kustertigkeit

mit eier gute Geschichte auzulade. Das zumidest lere sie

a de westliche Hochschule. Sie werde us zeige, wie gut

sie gelert habe.

Vielleicht geligt es ihe aber auch augrud der eigee iter-

atioale Veretzug ud des gestiegee Fertigugs-Kow-

hows, eie eue Art vo Luxus zu etwickel. Ei Luxus, der icht

ur als Produkt, soder auch als Diestleistug verstade wird.

Ei Luxus, der Schheit mit Fuktio utermalt; der mit eiem

zeitgemsse nutzwert überzeugt ud seie Kustertigkeit i

der Perektio beweist. Ei Luxus, der begehreswert ist, weil

er eie Vorsprug bedeutet. Kei Museumsstück, soder eie

Herzesagelegeheit.

« Heute ist der durchschittliche Festlad-Milliori Chia 39 Jahre alt, mlich ud im Besitz vo

drei Autos ud 4,4 Luxusuhre.»

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