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Diagnose, Prävention und Therapie des postoperativen Psychosyndroms und des Delirs im Alter 04.05.2011, 3. Medizinisch-Psychiatrisches Colloquium, Hildesheim K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH

K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

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Diagnose, Prävention und Therapie des postoperativen Psychosyndroms und des Delirs im Alter 04.05.2011, 3. Medizinisch-Psychiatrisches Colloquium, Hildesheim. K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH. Objectives. Allgemeines - PowerPoint PPT Presentation

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Page 1: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Diagnose, Prävention und Therapie des postoperativen

Psychosyndromsund des Delirs im Alter

04.05.2011, 3. Medizinisch-Psychiatrisches

Colloquium, Hildesheim

K. Hager

Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH

Page 2: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Objectives• Allgemeines• Häufigkeit, Verlauf• Klinik (Symptome, Diagnose, Screening)• Ursachen• Prävention• Therapie• weitere Aspekte• Literaturstellen:

– Zahlen in Klammern: Literaturstellen aus: Hager, K.: Was gibt es Neues bei postoperativen Vigilanzsstörungen / bei der Prophylaxe des postoperativen Delirs?

– oder aufgeführt– Frau S.K. Inouye hat zum Delir allgemein viel publiziert, z.B.

2009 unter: http://focus.psychiatryonline.org/cgi/reprint/7/1/53

Page 3: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Postoperatives Delir (POD, PD)• „postoperative delirium“ (POD) ICD 10, DSM IV

„postoperative cognitive dysfunction“ (POCD) kogn. Testung

andere Ausdrücke für das Delir• Durchgangssyndrom• Psychosyndrom (siehe Titel)

• akutes hirnorganisches Psychosyndrom (HOPS)• akuter Verwirrtheitszustand• acute brain failure, acute brain syndrome• akuter exogener Reaktionstyp (Bonhoeffer, 1908) • körperlich begründbare Psychose (Schneider, 1948)• …

Allgemeines

Page 4: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Delir? - schon lange bekannt

De-lira (lat.) „aus der Furche sein“: Irresein

Hippocrates zum Thema:„…Bei akutem Fieber, Lungenentzündung,Meningitis („Phrenitis“) und akutenKopfschmerzen beobachte ich, dass diePatienten mit den Händen in der Luftumherfuchteln, auf der Bettdecke Flusenzupfen und Spreu von der Wandpflücken. Alle diese Zeichen sindungünstig, im Grunde tödlich“

(aus einem Vortrag von Gutzmann)

Allgemeines

Page 5: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Postoperatives Delir (POD)• 118 Patienten 75 Jahre oder älter• ohne schwere kognitive Einschränkungen präoperativ• größerer elektiver abdomineller Eingriff• postoperatives Delir bei 28 Patienten (24%). • Multivariante Analyse:

– ASA-Status 3-4 (P = 0,02), eingeschränkte Mobilität (timed get up and go-Test score >20 Sekunden) (P = 0,009) und postoperative Tramal Gabe (P = 0,0009) waren Risikofaktoren für das PD.

• Sterblichkeit: 14% bei den 28 Patienten mit PD und 3.3% bei 90 Patienten ohne PD (P = 0,051).

• 62.5% überlebenden Patienten mit PD und 32% überlebenden Patienten ohne PD wurden in eine Geriatrische Rehabilitationseinheit (P = 0,007) verlegt.

Brouquet et al., Ann. Surgery, 10.03.2010

Page 6: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Delir in der Geriatrie

Die gemeinsame Endstrecke vieler Erkrankungen („I“-Syndrom, „geriatric giants“) ist z.B.:

• Instabilität „Sturzkrankheit“

• Immobilität• Intellektuelle Veränderung Demenz, Delir

• Inkontinenz

ein „Notfall“ in der Geriatrie• potentiell lebensbedrohliche Ursache• potentiell lebensbedrohliche Folgen (z.B. Stürze)

Allgemeines

Page 7: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Delir in der Geriatrie

• Keine plötzliche Veränderung des Bewusstseins ist normal – auch nicht in hohem Alter!

• “Ein bißchen verwirrt” ist auch im Alter ein bißchen zu viel - besonders, wenn es neu/akut aufgetreten ist (zit. n. Gutzmann).

• Im Alter ist das Delir oft „multifaktoriell“.• Mitunter geht die akute Verwirrtheit der

klinischen Manifestation der Ursache voraus!

Allgemeines

Page 8: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Inzidenz des POD• Delirinzidenz bei verschiedenen Operationen

– insgesamt: 10 – 60% (5)20 – 80% (9)

– abdominalchirurgische Eingriffe 24% (6, 31)

– hüftchirurgische Eingriffe 45% (7)

– alte Patienten -73% (48)

– nach Op. eines grauen Stars <5%

• Vergleich mit anderen postoperativen Komplikationen– 0.1% tödliche Lungenembolien innerhalb von 3 Monaten nach einer

Hüftoperation– 1% signifikante Wundinfektionen nach elektiven Hüft- und

Knieoperationen

(und: Marcantonio 2000, Gustafson 1988, Geerts 2004, Nicolaides 2001, Gillespie 2000, Schneider 2002, NICE 2010, Gaine 2000 Douketis 2002)

Häufigkeit

Page 9: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Delir - die häufigste postoperative Komplikation

Häufigkeit

Das postoperative Delir ist die häufigste Komplikation nach chirurgischen Eingriffen.

Das Delir ist die häufigste psychiatrische Diagnose auf Intensivstationen.

Page 10: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

POD - zeitlicher Verlauf• Auftreten bis zum dritten Tag nach der Operation• am häufigsten am zweiten postoperativen Tag• Dauer im Mittel sieben Tage• kürzere und längere Verläufe• zirka 10 % der Patienten benötigen bis zu einem Monat

zur Überwindung des Delirs• alle Verwirrtheitsphasen länger als vier Wochen

hinterfragen (chronische Ursachen, z.B. Demenz, abgelaufene zerebrale Hypoxie?).

• Beginn des POD erst nach mehreren Tagen? andere Ursache als die Operation, z.B. postoperativer Infekt? Exsikkose?

Verlauf

Page 11: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Delir – Definition• Das Delir ist eine Veränderung des

Zentralnervensystems, charakterisiert durch einen akuten Beginn und Fluktuieren der Störungen der geistigen Fähigkeiten, der Psychomotorik, der Affektivität und der Bewusstseinslage.

• Die Störung der Bewusstseinslage weist auf eine hirnorganische Störung hin.

• Das Delir ist ein ätiologisch unspezifisches hirnorganisches Syndrom.

Klinik

Page 12: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Delir-Subtypen (1: O‘Keeffe und Lavan, 1999

2: Vortrag Gutzmann)

• hypoaktives Delir (29% / 25%)– Müdigkeit, Antriebslosigkeit, pflegeabhängiger, funktionell schlechter, im

Alter schlechtere Prognose (Robinson et. al. 2011)?

– eher übersehen

• hyperaktives Delir (21% / 15%)– Halluzinationen, Wehrigkeit, Agitiertheit, Aktivität

– selten übersehen

• Mischtypen (43% / 50%)

• keine psychomotorischen Veränderungen (7% / )

• subsyndromales Delir

Klinik

Page 13: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Diagnostische Kriterien für ein Delir nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) 10 (deutsche Version) bzw. dem

Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) IV

ICD-10 (15) DSM-IV (4)

Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit

Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit

Störung der Wahrnehmung, des Denkens und des Gedächtnisses

Störung der Kognition

psychomotorische Störungen

Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus

Störung der Emotionalität

Beginn gewöhnlich akut, Verlauf fluktuierend, Gesamtdauer <6 Monate

akuter Beginn (Std. bis Tage) und fluktuierender Verlauf

eine zugrunde liegende medizinische Ursache ist nachweisbar

ein medizinischer Krankheitsfaktor liegt vor

Klinik

Page 14: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Einige Screening Tests für das POD

Abkürzung Test

DSM-IV Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

CAM Confusion Assessment Method (34)

CAM-ICU CAM für Intensivstationen (18)

DDS Delirium Detection Score (51)

DOS Delirium Observation Scale (41)

DRS Delirium rating scale (1)

ICDSC Intensive Care Delirium Screening Checklist (7)

NEECHAM NEECHAM Confusion Scale (24;49)

NU-DESC Nursing Delirium Screening Scale (22;46;58)

RASS Richmond Agitation and Sedation Scale (59)

Klinik

Page 15: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

CAM (Confusion Assessment Method)

Inouye SK et al. Ann Intern Med 1990;113:941-948;

zit. aus: Radtke et al., World J Surg 210/34 (2010) 487-94

Page 16: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

NEECHAM Confusion

ScaleGemert and

Schuurman, BMC Nursing 2007, 6:3

9 Items

Sensitivität: 1

Spezifität: 0,87

Page 17: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Delirium Observation Screening

Scale (DOS) Gemert and

Schuurman, BMC Nursing 2007, 6:3

leicht zu handhaben

Sensitivität: 0,89

Spezifität: 0,88

≥3 Punkte: Delir

Page 18: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Nu-DESC (22;46;58) als Screening-Instrument für das postoperative Delir (zit. n. (58))

Symptome Bewertung

1 DesorientierungManifestierung einer Desorientierung zu Zeit oder Ort durch Worte oder Verhalten oder Nicht-Erkennen der umgebenden Personen.

0 1

2

2 Unangemessenes VerhaltenUnangemessenes Verhalten zu Ort und/oder Person: z.B. Ziehen an Kathetern oder Verbänden, Versuch aus dem Bett zu steigen, wenn es kontraindiziert ist und so weiter.

0 1

2

3 Unangemessene KommunikationUnpassende Kommunikation zu Ort und/oder Person, z.B. zusammenhanglose- oder gar keine Kommunikation; unsinnige oder unverständliche sprachliche Äußerungen.

0 1

2

4 Illusionen / HalluzinationenSehen oder Hören nicht vorhandener Dinge, Verzerrung optischer Eindrücke

0 1

2

5 Psychomotorische RetardierungVerlangsamte Ansprechbarkeit, wenige oder keine spontane Aktivität / Äußerung, z.B. wenn der Patient angestupst wird, ist die Reaktion verzögert und/oder der Patient ist nicht richtig erweckbar.

0 1

2

Summe: ≥2: ja<2: nein0: nicht vorhanden; 1: vorhanden; 2: vorhanden, starke Ausprägung

Page 19: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin - Langfassung -

Page 20: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Multifaktorielles ModellUrsachen

Page 21: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Multifaktorielles ModellUrsachen

POD: Volumenschwankungen, Blutverlust/Anämie, Blutdruckabfall, Anaesthetika, Oxygenierung, Elektrolytveränderungen, Tachykardie....

Page 22: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Faktoren, die ein Delir auslösen können Inouye (1998)

Faktor relatives RisikoZwangsmassnahmen 4.4 (2.5-7.9)Unterernährung 4.0 (2.2-7.4)>3 neue Medikamente 2.9 (1.6-5.4)neuer Blasenkatheter 2.4 (1.2-4.7)

Sehbehinderung 3.5 (1.2-10.7)schwere Erkrankung 3.5 (1.5-8.2)kognitive Einschränkung 2.8 (1.2-6.7)

Ursachen

Page 23: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Einige das postoperative Delir begünstigende Faktoren Einflüsse von Seiten der Operation

• lange andauernde chirurgische Eingriffe• extrakorporaler Kreislauf bei Herz-Lungen-Maschine• Notfall- vs. elektive Operation (38)

• Medikamente (vor allem mit zentraler oder anticholinerger Wirkung)• postoperative Tramadolgabe (8)

• postoperative Aufnahme auf eine Intensivstation• hypotone Werte intraoperativ (65)• hoher APACHE II-Score bei Aufnahme in die Chirurgische ICU (61)• hoher Cortisolspiegel am ersten postoperativen Tag (61)• schweres Trauma bei Unfallpatienten (3)

• unzureichend therapierte Schmerzzustände• Fixierungsmaßnahmen (33)• iatrogene Maßnahmen (z.B. Blasenkatheter) (33)

• ….

Ursachen

Page 24: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Einige das postoperative Delir begünstigende Faktoren Einflüsse von Seiten des Patienten

• hohes Alter (40;61;65)

• höhere ASA-Klasse 3-4 (8;40;63)

• eingeschränkte Mobilität vor der Operation (8)

• arterieller Hypertonus (56)• kognitive Einschränkungen (26;65), z.B. ein erniedrigter MMSE (26;56;66)

• ein erhöhter präoperativer Hilfebedarf im Alltag (65)

• ein früheres postoperatives Delir (65)

• ein früherer Schlaganfall (61)

• mangelnde Ernährung (33;63)

• eine hohe Zahl an diagnostisch-therapeutischen Prozeduren (33)

• schwere Erkrankungen (Sepsis, Schock)• Infektionskrankheiten• Elektrolytstörungen (z.B. Hyponatriämie)• Atemstörung (z.B. Hypoxämie)• Anämie• ….

Ursachen

Page 25: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Ursachen des Delirs –Neurotransmitter-Modell

nach Mantz et al., Anaesthesiology, 2010, 112:189-195

Ursache

Page 26: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Wirkungsweise der Neuroleptika• Neuroleptika Blockade von Dopamin- und 5-HT-

Rezeptoren• 5 Subtypen an Dopaminrezeptoren

– D1 Familie: D1 und D5 Rezeptor– D2 Familie: D2, D3, D4 Rezeptor– Subtypen unterscheiden sich durch unterschiedliche

Bindungseigenschaften, anatomische Verteilung usw.

• Differentielle Wirkungsprofile unterschiedlicher Klassen von Neuroleptika entstehen wahrscheinlich durch unterschiedliche Bindungseffektivität an Dopamin-Rezeptor-Subtypen.

Therapie

Page 27: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Diagnostik bei Delir -1• Delirsyndrom klinisch• Ursachenfindung auch apparativ

– körperliche, neurologische und psychiatrische Untersuchung (!)

– Eigen- und Fremdanamnese, Medikamentenanamnese... (!)

– cerebrale Vorschädigung (z.B. Demenz)?– Die Diagnose eines Delirs erfordert immer eine

rasche somatische Ursachenforschung!– Beim POD z.B. Herzfrequenz, Blutdruck,

Flüssigkeitshaushalt, Elektrolyte, Blutgasanalyse

Diagnostik

Page 28: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Apparative Diagnostik bei Delir

• Zusätzliche Untersuchungen:– EKG, Rö-Thoraxaufnahme – Blutwerte

• (z.B. Blutbild, Natrium, Kalium, Mg, Calcium, Harnstoff, Kreatinin, CRP, Blutzucker, GOT, AP, LDH, GT, Bilirubin, CK, Blutfette, Gesamteiweiß und Eiweißelektrophorese, TSHbasal , Blutgasanalyse, ggf. Toxikologie, Digitalisspiegel)

• weiterführende Untersuchungen je nach Fall– cCT, cMRT, EEG, Lumbalpunktion....

Diagnostik

Page 29: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Einige Pharmaka, die ein Delir auslösen oder verstärken können

Neuroleptika z.B. Chlorpromazin, Promethazin

Trizyklische Antidepressiva

z.B. Amitryptilin, Doxepin

Spasmolytika z.B. Butylscopolamin

Antihistaminika z.B. Diphenhydramin

H2-Blocker z.B. Cimetidin, Ranitidin

Ophtalmologica z.B. Atropin-haltige Augentropfen

Antiparkinsonmittel z.B: Anticholinergika, Dopaminagonisten, L-Dopa

Analgetika z.B. generell Opioide und Opiate, Azetylsalizylsäure in höherer Dosierung, NSAR

Antikonvulsiva z.B. Phenytoin, Valproinsäure, Carbamazepin

Antibiotika z.B. Gyrasehemmer, Sulfonamide, Tuberkulostatika

Benzodiazepine z.B. der Entzug von Benzodiazepinen

andere z.B. Kortikosteroide, Lithium, Digitalisglykoside, Propanolol, Clonidin, Chinidin, Ciclosporin, Theophyllin, Lidocain, Mexiletin

Diagnostik

Page 30: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Frau vJ, April/Mai 2011• zuhause zunehmend durcheinander, Einweisung ins

Krankenhaus• nachts verwirrt, verteidigt Nachbarin gegen Ärzte und

Pflegepersonal• Ursachen?

– geb. 1922, 89 Jahre alt, bislang alleine zuhause– biologisch jünger wirkend– im CCT Hirnvolumenminderung, SAE, V.a.

Hippocampusatrophie – bei Aufnahme Hyponatriämie 125 mmol/l– Hypokaliämie 2,8 mmol/l– CRP, Harnstoff, Crea opB– zuhause viele Jahre 2x10 mg Diazepam pro Tag

(zirka)– suchte in der Klinik in den ersten Tagen nach

Rotwein– Ortswechsel

Beispiel

Page 31: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Frau vJ, April/Mai 2011• anfänglich im Krankenhaus Seroquel • reichte nicht, deshalb Haldol, nachts 1x sogar i.m., dann

mit Haldoltropfen führbar• 1x1 Oxazepam 10 mg zur Nacht weiter• z.N. Mirtazapin 15 mg zusätzlich• im Verlauf Umsetzen von Haldol auf Seroquel 25 ½ - 0 -

½ - ½• Ausgleich der Hyponatriämie• bei Bedarf i.v.-Flüssigkeit• vorübergehender CRP-Anstieg• Mirtazapin auch wieder abgesetzt• insgesamt protrahierter Verlauf über drei Wochen, nun

aber wieder relativ orientiert, Entlassungsvorbereitung

Delir

multifaktoriell?

initial stärker wirksames Neuroleptikum

alles „optimieren“

relativ lange Zeitdauer bei voll ausgebildetem Delir

Beispiel

Page 32: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

subsyndromales Delir (SSD), Prädelir (Cole et al., 2003)

• wenn nicht alle Kriterien eines Delirs vorhanden

• Ist ein Delir aufgetreten, dauert es Tage / Wochen bis zur Besserung, besser schon ein SSD erkennen und rasch behandeln!

• In der Geriatrie ist das gesamte therapeutische Team gefordert, bereits das SSD zu erkennen.

Prävention

Page 33: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

YALE DELIRIUM PREVENTION PROGRAM

• Versuch der Verhinderung eines Delirs durch vermeidbare Probleme• Multifaktorielle Intervention anhand von 6 Risikofaktoren für eine Delir

Risikofaktor Interventionkognitive Einschränkung Orientierungstraining

therapeutische AktivitätenSchlafentzug SchlafverbesserungImmobilisierung FrühmobilisierungSehbehinderungen SehhilfenHörbehinderung Hörgeräte u.ä. Exsikkose Früherkennung und

Flüssigkeitszufuhr

Inouye SK. N Engl J Med 1999;340:669-76

Prävention

Page 34: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

YALE DELIRIUM PREVENTION TRIAL

Ergebnis Interventions-gruppe(n=426)

normaleBehandlung

(n=426)

OR(CI)

oder p

Delirinzidenz, n (%) 42 (9,9%) 64 (15,0 %) 0,60 (0,39-0,92)

p= 0,02

Delirtage

Delirepisoden

105

62

161

90

p=0,02

p=0,03

Delirschwere 3.9 3.5 p=0,25

Wiederauftreten 13 (31,0%) 17 (26,6%) p=0,62

Prävention

Das Auftreten eines postoperativen Delirs ist beeinflussbar.

„Delirschwester“?

„Delirteam“?

Inouye SK. N Engl J Med 1999;340:669-76

Page 35: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Prävention des Delirs?• YALE DELIRIUM PREVENTION PROGRAM (Inouye SK. N Engl J Med

1999;340:669-76)• THE HOSPITAL ELDER LIFE PROGRAM (HELP)

(http://www.hospitalelderlifeprogram.org) (Inouye et al., J Am Geriatr Soc 2000 Dec;48 (12):1697-706)

und andere• Proactive geriatric consultation post hip fracture (Marcantonio, JAGS 2001):

significant 36% risk reduction for delirium • Nursing education and consultation post hip fracture (Milisen, JAGS 2001):

significant reduction in delirium duration and severity• Multifactorial interventions in medical patients:

– 1. significant reduction in delirium duration and LOS (Lundstrom, JAGS 2005; – 2. significant reduction in delirium rate and hospital costs Naughton, JAGS 2005

• Educational intervention for medical staff (Tabet, Age Aging 2005): significant reduction in delirium prevalence

• Haloperidol prophylaxis (Kalisvaart, JAGS 2005): significant decreased severity and duration of postoperative delirium

Prävention

Page 36: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Maßnahmen zur Prophylaxe des POD

• kurze, schonende Anästhesie und Operation• Behandlung der zugrundeliegenden Ursachen des Delirs• Weglassen/Reduktion delirträchtiger (vor allem zerebral

wirksamer) Medikamente• ausreichende Flüssigkeits- und Kalorienzufuhr• Blutdruck- und Herzfrequenz einstellen• Ausgleich von Elektrolyt- und Stoffwechselstörungen

(z.B. Hyperglykämie, Hyponatriämie)• …

Prävention

Page 37: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

supportive Therapie bei POD• postoperative Mobilisierung und Aktivierung tagsüber• Schulung der Mitarbeiter zur Früherkennung und im

Umgang mit dem Delirpatienten• Information der Angehörigen• Orientierungshilfen (z.B. Uhr, Kalender, „rooming in“ für

Angehörige)• biographiegestützte Interventionen (z.B. Photos,

persönliche Gegenstände)• ruhige, klar strukturierte Umgebung, konstante

Bezugspersonen• engere Überwachung (um eine Selbstgefährdung

auszuschließen)

Therapie

Page 38: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

• Neuroleptika• herkömmliche Neuroleptika: z.B. Haloperidol, Melperon,

Promethazin, Dipiperon• „neuere“ Neuroleptika: z.B. Quetiapin, Clozapin,

Risperidon, Olanzapin

• andere Medikamente– Benzodiazepine (Oxazepam, Lorazepam)– „mood stabilizer“ (Carbamazepin, Valproinsäure, Gabapentin)– SSRI (Citalopram, Sertralin)– Cholinesteraseinhibitoren (z.B. Rivastigmin, Donezepil)– andere

Medikamentöse Maßnahmen beim Delir

Therapie

Page 39: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Cochrane Review 2009• medikamentöse Prophylaxe des

postoperativen DelirsLonergan et al., 2009

• Fazit:– drei Studien ausgewertet– kein Unterschied zwischen Haldol niedrig

dosiert (< 3,0 mg/Tag) und neueren Neuroleptika (Risperidon, Olanzapin)

– Haldol in höherer Dosierung (> 4,5 mg/Tag) hat mehr NW, vor allem Parkinson-Syndrom

– eine Studie Haldol gegen Placebo: Haldol verhindert nicht das Auftreten jedoch die Schwere des POD

– da nur eine Studie vorhanden, keine generelle Empfehlung

Therapie

Page 40: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Medikamentöse Prophylaxe des POD bei chirurgischen Patienten

Indikation Wirkstoff Dosierung Beispiel Literatur

Prophylaxe Haloperidol 1,5 mg/Tag, drei Tage prä- bis zu 3 Tagen postoperativ

3x0,5 mg,3x5 gtt Haldol®

(37)

Kalisvaart KJ, de Jonghe JF, Bogaards MJ, Vreeswijk R, Egberts TC, Burger BJ, et al. Haloperidol prophylaxis for elderly hip-surgery patients at risk for delirium: a randomized placebo-controlled study. J Am Geriatr Soc 2005 Oct;53 (10):1658-66

Therapie

Page 41: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Cochrane ReviewRisperidon und Olanzapin vs. Haldol

Therapie

Page 42: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Einige medikamentöse Maßnahmen bei POD

hypoaktives Delir Psychopharmaka reduzieren/absetzen

hyperaktives Delir

oder Mischform

geringe Unruhe zulassen, supportive Maßnahmen wie Mobilisierung und Aktivierung

bei starker Ausprägung oder Selbstgefährdung Neuroleptika

Quetiapin 12,5-50 mg z.B. Seroquel® 12,5-0-25 mg

empirisch

Risperidon 1-1,5 mg/Tag z.B. 0,5–0-1 mg Risperdal®

(25)

Haloperidol 1-2 mg/Tag z.B. 3x0,5 mg Haldol®

(25)

Olanzapin 1,25-2,0 mg/Tag Zyprexa® 2,5 mg (27)

Therapie

Page 43: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Delir im Alter, einige Therapievorschläge

Haloperidol • oral: 0.5–1.0 mg 2xtäglich, zusätzliche Dosen alle 4 Stunden nach Bedarf• i.m.: 0.5–1.0 mg, nach 30–60 min ggf. wiederholen

atypische Neuroleptika• Risperidone 0.5 mg 2xtäglich• Quetiapine 25 mg 2xtäglich

Benzodiazepine• Lorazepam 0.5–1.0 mg oral, zusätzliche Dosen alle 4 Stunden

Inouye SK: “Current Concepts: Delirium in Older Persons.” New England Journal of Medicine 354:1157–1165, 2006

Therapie

Page 44: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Prognose bei POD• Mortalität auf etwa das 2-3fache erhöht (8;19;40)

– z.B. bei abdominalchirurgischen Patienten 3,3% vs. 14% (8)

• Häufigkeit postoperativer Komplikationen ist bei POD größer (61)

• höheren Ressourcenverbrauch – längeren Verweildauer auf einer Intensivstation (18) oder im

Krankenhaus (18;61;64)

– längeren Aufenthalt auf der Intensivstation auf (8 vs. 5 Tage) – längere Beatmungsdauer (9 vs. 4 Tage)– längeren Krankenhausaufenthalt (21 vs. 11Tage)– höhere Kosten (22.000 vs. 13.000 $)– höheres Sterblichkeitsrisiko (3x erhöht) auf (19).

Prognose

Vulnerabilität Noxe: je größere die Vulnerabilität desto schwieriger die Prognose???

Page 45: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Outcomes of delirium

78 patients with femoral neck fractures

Lundström et al., J Am Geriatr Soc 2003;51/7:1002-1006

Postoperative delirium

WithoutPostoperative delirium

Dementia

69% 20%5 years

Prognose

Page 46: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Demenz und Delirauch Patienten ohne Demenz können ein

Delir bekommenDelir höheres Risiko für Demenz und Tod

5.6% der Patienten ohne Delir wurden dement18.1% pro Jahr in der Delir-Gruppe

Age aging 1999;28:551-556

Prognose

Page 47: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Reha bei POD• Sind nach einem Delir funktionelle

Einschränkungen zurückgeblieben, so ist bei alten Patienten eine geriatrische Rehabilitationsmaßnahmen in der Lage, die langfristigen Folgen eines Delirs zu vermindern (32;45).

• In einer Studie wurden 62,5% der Patienten nach einem POD, jedoch nur 32% der Patienten ohne POD in eine geriatrische Rehabilitation geschickt (8).

Prognose

Page 48: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Kodierung des Delirs nach ICD 10

Delir ohne Demenz F05.0

Delir bei Demenz F05.1

Delir mit gemischter Ätiologie F05.8 z.B. postoperatives Delir

Delir nicht näher bezeichnet F05.9

Kodierung

Page 49: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Zusammenfassung• Das postoperative Delir (POD) ist die häufigste

postoperative Komplikation (im Alter).• Auftreten in den ersten drei postoperativen Tagen• Alter und Op-Dauer wichtige Risikofaktoren• Goldstandard ICD 10/DSM IV • Screening mit verschiedenen Instrumenten• Ursachen: Neurotransmitterungleichgewicht• Interventionsprogramm denkbar• Risikoreduktion möglich• Therapie mit Neuroleptika

– Haloperidol– neuere Neuroleptika (z.B. Risperdal, Seroquel)

Page 50: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. K. HagerKlinik für medizinische Rehabilitation und Geriatrie am Diakoniekrankenhaus Henriettenstiftung gGmbH, Schwemannstr. 19, 30559 Hannover; Tel: 0511/289-3222; Fax: 0511/289-3004; eMail: [email protected]

Page 51: K. Hager Klinik für Medizinische Rehabilitation und Geriatrie

Aspekte bei der Auswahl von Skalen

• CAM oder CAM-ICU häufig verwendet• Diagnose trotz der Operationalisierung durch Kriterien

nicht immer unproblematisch. • Zeitdauer für die Skalen gering• Viele Skalen können vom Pflegepersonal ausgeführt

werden. • Einige Skalen erlauben die Quantifizierung. • unterschiedliche „Anschaulichkeit“• etwas unterschiedliche Sensitivität und Spezifität