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Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung Gegen den Strich – Karikaturen zu zehn Themen 3/4-2005 E 4542 Politik & Unterricht

karikaturen

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  • Zeitschrift fr die Praxis der politischen Bildung

    Gegen den Strich Karikaturen zu zehn Themen

    3/4-2005

    E 4542

    Politik & Unterricht

  • Politik & UnterrichtZeitschrift fr die Praxis der politischen Bildung

    Politik & Unterricht wird von der Landeszentrale fr po litische Bildung Baden-Wrttemberg herausgegeben.

    Herausgeber und ChefredakteurLothar Frick, Direktor der LpB Baden-Wrttemberg

    Geschftsfhrender RedakteurDr. Reinhold Weber, LpB [email protected]

    RedaktionJudith Ernst-Schmidt, Studienrtin, Werner-Siemens-Schule(Gewerbliche Schule fr Elektrotechnik), Stuttgart Ulrich Manz, Rektor der Schillerschule (Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule), EsslingenHorst Neumann, Ministerialrat, Umweltministerium Baden-Wrttemberg, StuttgartAngelika Schober-Penz, Erich-Bracher-Schule (Kaufmnnische Schule), Kornwestheim Karin Schrer, Reallehrerin i. R., Reutlingen

    Anschrift der RedaktionStaf enbergstrae 38, 70184 StuttgartTelefon: 0711/164099-45; Fax: 0711/164099-77Redaktionsassistenz: [email protected]

    GestaltungMedienstudio Christoph Lang, Rottenburg a. N., www.8421medien.de

    VerlagNeckar-Verlag GmbH, Klosterring 1, 78050 Villingen-SchwenningenAnzeigen: Neckar-Verlag GmbH, Anzeigenleitung: Peter WalterTelefon: 07721/8987-0; Fax: 07721/8987-50; [email protected] gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 2 vom 01.05.2005.

    DruckPFITZER DRUCK GMBH, Benzstrae 39, 71272 Renningen

    Politik & Unterricht erscheint vierteljhrlichPreis dieser Nummer: Euro 5,60Jahresbezugspreis: Euro 11,20Unregelmige Sonderhefte werden zustzlich mit je Euro 2,80 in Rechnung gestellt.

    Namentlich gezeichnete Beitrge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion wieder.Nachdruck oder Vervielfltigung auf elektronischen Datentrgern sowie Einspeisung in Datennetze nur mit Genehmigung der Redaktion.

    Titelblatt-Karikatur: Gerhard Mester

    Au age dieses Heftes: 23.000 ExemplareRedaktionsschluss: 15. September 2005ISSN 0344-3531

    Editorial 1Geleitwort des Ministeriums fr Kultus, Jugend und Sport 2Die Autoren dieses Heftes 2

    Einleitung 36

    Unterrichtsvorschlge und Materialien 763Thema A: Alltag in modernen Zeiten 8Thema B: Elternhaus und Schule 14Thema C: Massenmedien 20Thema D: Mobilitt 25Thema E: Unser Planet: Umwelt und Nachhaltigkeit 30Thema F: Leben in der demokratischen Gesellschaft 36Thema G: Parlamentarische Demokratie 41Thema H: Soziale Marktwirtschaft 46Thema I: Die Zukunft Europas 52Thema J: Frieden fr die eine Welt 58

    Literaturhinweise @

    Einleitung: Horst Neumann (federfhrend) Themen A, B, D, E und H: Horst NeumannThemen C, F, G, I und J: Wolfgang Schtze

    www.lpb-bw.de/puu/3_4_05/karikaturen.htm Unter dieser Adresse sind die Literaturhinweise im Internet abrufbar.

    Hinweis der Redaktion: Trotz intensiver Recherche konnte nicht zu jeder Karikatur der Urheberrechteinhaber ermittelt werden. Bitte wenden Sie sich bei nachtrglichen Forde-rungen an die Redaktion.

    Inhalt

    www.lpb-bw.de/puu

    Heft 3/420053./4. Quartal31. Jahrgang

  • 1EditorialKarikaturen sind stumme Impulse. Sie mssen zum Spre-chen gebracht werden und geben Redeanlass. Schon allein deshalb sind sie fr den Einstieg in ein Thema oder in eine Unterrichtseinheit besonders geeignet. Von Lehrerinnen und Lehrern aller Schularten, aber auch im auerschulischen Bildungsbereich, werden sie so auch als eines der hu gsten Mittel politischen Lernens genutzt, weil sich an ihnen die drei klassischen Stufen der Hermeneutik geradezu paradear-tig nachvollziehen lassen: Verstehen, Auslegen, Anwenden.Im aktualittsbezogenen und handlungsorientierten Unter-richt werden Karikaturen fast selbstverstndlich verwendet. In der Didaktik sind sie seit geraumer Zeit etabliert, und in Zukunft kann je nach Schulart die selbststndige Analyse einer Karikatur in den Fchern Gemeinschaftskunde und Geschichte wohl auch prfungsrelevant werden. Wenn dabei noch auf dem Gesicht des einen oder anderen Lernenden ein Schmunzeln erscheint, so kann politische Bildung durchaus auch Spa machen.

    Karikaturen spitzen zu, bertreiben, verfremden und po-larisieren auch. Sie widersprechen damit im Grunde dem berparteilichkeitsgebot der politischen Bildung. Dennoch sind sie ein geradezu perfektes Medium mit auergewhnli-cher Motivationskraft, weil sie auf sinnlich-konkret erfass-bare Weise Anlass zu kontroversen Diskussionen schaffen. Zum zweiten Mal nach 1978 legt Politik & Unterricht nun ein Themenheft zum Unterrichtsmedium Karikatur vor. Es

    Lothar Frick Direktor der LpB

    Dr. Reinhold WeberGeschftsfhrender Redakteur

    prsentiert ausgewhlte Karikaturen zu zehn politischen Themen, die bildungsplanrelevant, aber auch im auerschu-lischen Bildungsbereich von hoher Bedeutung sind. Dabei werden nicht vorzugsweise stringente Unterrichtseinhei-ten angeboten auch wenn Teile des Heftes so zu nutzen sind , sondern vielfltige Zugnge zu bestimmten Lernfel-dern, die in allen Schularten und in jedem Lernalter ange-wendet werden knnen.

    Namhafte Politiker aus dem deutschenSdwesten haben zwischen der Reichs-grndung 1870/71 und der Grndungder Bundesrepublik die GeschickeDeutschlands beeinflusst. AusgewieseneExperten portrtieren in diesem 316Seiten starken Buch 30 Zeitzeugen undAkteure zweier Jahrhunderte, die aufReichs- bzw. Bundesebene nachhaltigeSpuren hinterlassen haben als Abge-ordnete, Minister, Kanzler, Prsidentenund als Protagonisten des Widerstandsgegen das NS-Regime.

    Die Beitrge belegen das Verdienstpolitischer Kpfe aus Sdwestdeutsch-land bei der Parlamentarisierung desDeutschen Reiches, bei der Begrndungund Verteidigung der ersten deutschenDemokratie von Weimar, im Widerstandgegen die Hitler-Diktatur sowie beimWiederaufbau der deutschen Demokratienach 1945 und in der BundesrepublikDeutschland.

    Das Buch ist gegen eine Schutzgebhrvon 5.- EUR (zzgl. Versandkosten) beider Landeszentrale fr politische Bildungoder [email protected] zubestellen.

    Reinhold Weber/Ines Mayer (Hrsg.):Politische Kpfe aus Sdwestdeutschland.Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Wrttembergs Bd. 33, Stuttgart 2005.

    Politik & Unterricht 3/4-2005

  • 2Geleitwort des Ministeriums fr Kultus, Jugend und SportIm schwarzen Anzug und mit trauriger Miene legt ein Herr ein Buch mit der Aufschrift EU-Verfassung in ein Drei-sternegefrierfach, das die Form eines Sarges hat. Die Ver-fassung wird auf Eis gelegt, vielleicht wird sie sogar fr immer beerdigt: Wenige Tage nach dem Scheitern der Referenden ber die EU-Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden erschien diese Karikatur in der Stuttgarter Zeitung. Sparsame Striche scheinen in schnellem Zug auf das Papier geworfen, mit leichter Hand skizziert. Vieles ist nur angedeutet, und dennoch trifft die Zeichnung zielsicher ins Schwarze.

    Es braucht mehr Worte als Pinselstriche, um diese Karika-tur zu beschreiben. Die unmittelbare, simultane Sprache des Bildes erreicht uns schneller als das Nacheinander der Wortsprache. Was das Auge innerhalb weniger Sekunden erfasst, verlangt dem Gehirn bei einem Text vergleichbaren Inhaltes hochkomplexe Leistungen ab. Was die Karikatur mit bildlichen Mitteln direkt und scheinbar einfach vermittelt, bedarf, in Worte gesetzt, der Erklrung.

    Genau dies sei ihre Schwche: Plakativ, zugespitzt und ver-einfacht sei der dargestellte Sachverhalt, knnte man der Karikatur vorwerfen. Das aber ist gerade das typische Merk-mal einer Karikatur. Sie will nicht umfassend informieren oder gar errtern. Sie will einen Sachverhalt aufdecken, sie will hinterfragen und kritisieren, sie will eine Meinung uern. Die spitze Feder wird zum spitzen Finger, der auf Missstnde hinweist fragend, anklagend, mahnend. Und doch ist die Karikatur auch mit dem Witz verwandt und will belustigen und erheitern. Im berraschten Schmunzeln oder Lachen ber eine Karikatur liegt oft ein Moment der Entspannung und Befreiung, auch wenn einem bei manchen Karikaturen in schreckenvollem Erkennen das Lachen im Halse stecken bleibt.

    Die Landeszentrale fr politische Bildung Baden-Wrttem-berg legt nun ein Heft vor, in dem zahlreiche Karikaturen zu mehreren Themenbereichen vorgestellt werden, die mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen in verschiedenen Fchern eingesetzt werden knnen. Die bertriebene Darstellung in der Karikatur fordert zur Stellungnahme heraus und eignet sich daher besonders als Einfhrung in ein Thema oder als Einstieg in eine Diskussion. Aber auch ganze Unterrichtsein-heiten knnen, wie die Vorschlge zeigen, mit Karikaturen geplant werden. Das bringt methodische Abwechslung in den Unterricht und frdert die Motivation der Schlerinnen und Schler. Und wer gelernt hat, Karikaturen zu entschls-seln, sieht nicht nur die dargestellten Probleme, sondern auch den Witz. So wird auch die Fhigkeit geschult, den Unzulnglichkeiten der Menschen und den Schwierigkeiten des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.

    Johanna SeebacherMinisterium fr Kultus, Jugend und Sport

    DIE AUTOREN DIESES HEFTESHorst Neumann leitet im Umweltministerium den Bereich Kommunikation und ffentlichkeitsarbeit. Praktische Tipps gibt er in einem Lehrauftrag an der Hochschule fr Verwal-tung und Finanzen in Ludwigsburg an Studenten weiter. Als langjhriges Redaktionsmitglied von P&U bernahm er besonders gern die Federfhrung bei Gegen den Strich.Wolfgang Schtze ist Diplompolitologe und Leiter des Inter-nationalen Forums Burg Liebenzell/Akademie fr politische Bildung und internationale Jugendbegegnung. Er arbeitet vor allem im Bereich politische Willensbildung (Parteien, Ver-bnde, Medien, Kommunalpolitik und politische Rhetorik).

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  • 3Gegen den Strich Karikaturen zu zehn Themen

    EINLEITUNG

    Was ist eine Karikatur?Karikaturen knnen gewinnbringend in allen Phasen des Un-terrichts eingesetzt werden. Von ihrem Wesen her eignen sie sich besonders dazu, einen Gesprchsanlass zu schaffen und einen Prozess in Gang zu bringen. Karikaturen erfllen damit wie kaum ein anderes Medium die didaktischen Forderungen an einen gelungenen Einstieg in ein Gesamtthema oder in einen Teilbereich. Hermann Giesecke, einer der groen Didaktiker der politischen Bildung, hat das zeitlos in seiner Didaktik der politischen Bildung (Mnchen 1972, S. 199 ff.) formuliert und damit indirekt ein Pldoyer fr den Einsatz von Karikaturen im interaktiven Unterricht gehalten:

    Ein guter Einstieg sollte immer vom Gehalt und von der sprachlichen und sthetischen Form her so gut sein, dass es sich von der Sache her lohnt, sich mit ihm zu beschftigen. Der Einstieg muss spontan interessieren, sonst wird auch meistens fr seine Ausdeutung kein Interesse zu gewinnen sein; er darf nicht so umfangreich sein, dass er nicht mehr als Ganzes bzw. in der Vorstellung behalten werden kann. Er muss unvollstndig, imperfekt sein, nur dann bietet er genug Anreiz, ihn so vollstndig wie mglich zu machen. Der Einstieg muss verfremden; wenn er im Vergleich zu dem, was man sowieso schon denkt, meint und fhlt, nichts Un-gewhnliches und Neues enthlt, kann er schwerlich auch zu neuen Erfahrungen fhren und kaum zum Lernen motivieren. Der Einstieg, der verfremdet, ruft immer auch vorgefasste Meinungen und Urteile, vielleicht sogar regelrechte Vorur-teile hervor. Einstieg ist also niemals nur die Sache, sondern auch das Bndel an Vorurteilen und Affekten, das er hervor-lockt, das aufzuarbeiten ist.

    Jedoch drfen Karikaturen in ihrer Funktion und Bedeutung fr das Unterrichtsgeschehen nicht berschtzt werden. Sie sind kein methodisches Zauber- und Allheilmittel. Von daher muss auch vor didaktischer Euphorie nach dem Motto Die Karikatur ist die Wundertte fr den Unterricht, provozie-rend und lustig wie der ideale Lehrer gewarnt werden (vgl.: Julia Voss: Mit spieiger Feder angespitzt. Mssen Schler Karikaturen in Schulbchern lieben?, in: Frankfurter Allge-meine Sonntagszeitung vom 23. Juni 2002).

    Eine Karikatur ist die bewusst bertriebene und auch ver-zerrende Darstellung von Personen, Tatsachen und Handlun-

    gen. Die eingesetzten Mitteilungsformen sind Humor, Ironie, Satire, eine kritische Aussage und deren Bezogenheit auf bestimmte Adressaten. Die Karikatur ... sowie deren prak-tisches Gegenstck: die Entlarvung, richten sich gegen Per-sonen und Objekte, die Autoritt und Respekt beanspruchen, in irgendeinem Sinn erhaben sind. ... Wenn nun Verfahren zur Herabsetzung des Erhabenen mich dieses wie ein Ge-whnliches vorstellen lassen, bei dem ich mich nicht zusam-mennehmen muss, ersparen sie mir den Mehraufwand des feierlichen Zwanges. (Sigmund Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, Frankfurt 1958, S. 163).

    Karikaturen brsten gegen den Strich, spitzen ein Problem zu, kommentieren wohlwollend oder bsartig, verkrzen, unter- oder bertreiben. Stilmittel sind dabei in der Regel bertreibung, Paradoxie, Ironie, Komik, Parodie, Witz und Sarkasmus. In jedem Fall sind sie anregend, da sie offen Meinung machen, Stellung nehmen und damit auch individu-elle Stellungnahmen provozieren. Karikaturisten zerbrechen sich, wie ein Groer dieser Zunft, Jupp Wolter, schreibt, den Kopf, wie sie die letzte politische Meldung in eine verkaufbare Karikatur umwandeln knnen. Umwandeln in eine politische Stellungnahme, von denen wohlgesonnene Redakteure behaupten, dass die manchmal einen Leitartikel ersetzen knnen (vgl. Politik & Unterricht, Heft 2/1978, Karikaturen, S. 2).

    Eine demokratisch verfasste Gesellschaft lebt von Trans-parenz und Sichtbarmachung politischer Zusammenhnge. Karikaturen sind geeignet, Fehlentwicklungen direkter als andere Meinungsuerungen auszusprechen, weil ihnen eine dem frheren Hofnarren hnliche Rolle zukommt. Sie halten der Gesellschaft den Spiegel vor, sind sanktionierte Kritik und drfen die Wahrheit ungeschminkt und ungestraft beim Namen nennen. Karikaturen drfen sich der Schattenseiten der Gesellschaft und ihrer Schmuddelkinder annehmen. Die Brgerinnen und Brger einer demokratischen Gesell-schaft wollen keine sich gegen sie abschirmende Verwal-tung, keine im Verborgenen handelnde und sie (lediglich) mit den Ergebnissen konfrontierende Obrigkeit, sondern sie verlangen nach einer politischen Fhrung, die sich kritisch hinterfragen lsst und ihre Handlungsmotive nachvollzieh-bar darzulegen vermag.

    Karikaturen nutzen eine breite Palette bildsprachlicher Ele-mente, die aus Geschichte, Literatur und Alltag zur Ver-fgung stehen. Den Reiz einer guten Karikatur macht das Spannungsverhltnis aus den bekannten Zeichen und der berraschenden, zunchst irritierenden Montage aus, die

    Politik & Unterricht 3/4-2005

  • 4fragen lsst: Was steckt dahinter?. Karikaturen geben An-ste, die weitergedacht werden mssen, sie spitzen Sach-verhalte zu und erhhen damit das kontroverse Potenzial eines Themas. Die Verfremdung (ital. caricare = berladen) kann sogar Tabus in Frage stellen und fordert in besonderem Mae eine persnliche Stellungnahme.

    Karikatur will wie die Satire zunchst informieren, wenngleich der Sachverhalt immer auch geistreich-gewalt-sam vereinfacht wird. Damit regt die Karikatur zu selbst-bestimmter Meinungs- und Urteilsbildung an. Sie weitet den Freiheitsraum der Meinungsuerung aus oder hlt ihn zumindest. Karikaturen sind ein demokratisches Regulativ und damit feine Messinstrumente, an denen sich der Grad der Freiheit einer Gesellschaft ablesen lsst. berall hat die Karikatur zwar ihren Platz in den Gazetten, aber es ist ein Unterschied, ob sie den Gromchtigen als Alibi dient, oder ob sie Hand auch an die Gromchtigen legt. Karikaturen sind untrgliche Marken auf der Wetterkarte eines Landes. (Otto. E. I and, in: Manfred Oesterle: Zwischen Scherz und Schock, Hannover 1971, S. 7).

    an einem Beispiel erarbeitet wird. Die ersten Fragen werden immer sein: Was sehe ich? Was fllt mir an der Darstellung besonders auf? Wer oder was wird angesprochen? Wie rea-giere ich spontan auf die Karikatur? Welche Absicht verfolgt wohl der Zeichner?

    Zur Intention dieses HeftesFr dieses Heft wurden zehn zum Teil sich wechselseitig ergnzende Themen ausgewhlt, die zu wichtigen Fragestel-lungen schulischer und auerschulischer Bildung gehren. Entscheidend war dabei, die neuen Bildungsplne zu berck-sichtigen und Bereiche anzubieten, die dort zur Behandlung empfohlen werden. Innerhalb der ausgewhlten Themen mussten wiederum Schwerpunkte gesetzt werden, fr die dann mosaikartig bis zu 13 Karikaturen vorgestellt werden. Bei der Auswahl wurden folgende Kriterien bercksichtigt: ber das Tagesgeschehen hinausgehend, mglichst zeit-

    lose Problemstellung, keine starke Bindung an bestimmte Personen oder Tages-

    ereignisse, da sonst zu schnell veraltet, Betonung des bildnerischen, nicht des sprachlichen Mo-

    ments, Redlichkeit! der Zeichnung, also keine Demagogie oder

    Agitation, Realittsnhe und Verstndlichkeit trotz reduzierter Kom-

    plexitt.

    Jedem Themenbereich wird in einem einleitenden Teil eine kurze inhaltliche Abgrenzung vorangestellt. Diese Hinweise sind zwangslu g nur eine erste Hinfhrung zum Thema und mssen intensiv ergnzt und aufgearbeitet werden. Den inhaltlichen Vorbemerkungen folgt jeweils eine kurze thematische Au istung der ausgewhlten Karikaturen mit methodischen Vorschlgen fr deren Einsatz im Unterricht. Die Karikaturen knnen entweder einzeln zur Thematisierung einzelner Aspekte eingesetzt werden oder gleichsam als in-haltlich zusammenhngende Bildergeschichte, deren Inter-pretation verschiedene Facetten eines Themas ausleuchtet, wie z. B. beim Thema Alltag in modernen Zeiten.

    Nach dem bereits 1978 erschienen Heft Karikaturen von Politik & Unterricht wird jetzt mit Gegen den Strich erneut ein attraktives Begleitmaterial fr verschiedene Themen vor-gelegt. Wenn es dabei auch gelingt, alle am Unterrichts-geschehen Beteiligten fr das Medium Karikatur und da-mit auch fr verwandte Bereiche wie den politischen Witz, das politische Lied, das politische Kabarett, die Satire usw. zu sensibilisieren, wre der Wunsch der Autoren erfllt, den Lehrerinnen und Lehrern Beispiele anzubieten, um den Unterricht mit Karikaturen attraktiv gestalten zu knnen. Dieser Intention trgt auch die Hinzunahme ein-zelner ergnzender Textbeitrge (Aphorismus, Fabel, Glosse usw.) zum jeweiligen Thema Rechnung, die gleichermaen als Anregung verstanden werden wollen. Darber hinaus knnen die Schlerinnen und Schler durch den Gebrauch dieses Heftes dazu angeregt werden, selbst Karikaturen bzw. glossierende oder satirische Texte zu sammeln und in den Unterricht einzubringen.

    Einleitung

    (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu uern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugnglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewhrleistet. Eine Zensur ndet nicht statt.

    (2) Diese Rechte nden ihre Schranken in den Vor-schriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persnlichen Ehre.

    (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

    Art. 5 des Grundgesetzes: Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft

    Karikaturen im UnterrichtEine Karikatur betont meist einen Aspekt eines Zusammen-hangs, lsst dafr andere aus, verkrzt einseitig, ist hu g sogar Kampfmittel im politischen Alltag. Der Zeichner will Partei nehmen, nicht abstinenter Beobachter sein. Karika-turen knnen damit also bei einseitiger Betrachtung beste-hende Vorurteile bestrken. Der Betrachter muss wissen, dass eine Karikatur keine umfassende Information liefert, sondern immer nur eine pointierte Meinung des Zeichners oder des Auftraggebers.

    Methodische HinweiseBei der Analyse einzelner Karikaturen emp ehlt sich die Anwendung eines Fragenkatalogs, der entweder vorgelegt oder aber was natrlich der gnstigere Fall ist gemeinsam

    Politik & Unterricht 3/4-2005

  • 5Einleitung

    MERKMALE

    Verdichtung in den bildlichen und sprach-lichen Mitteln.

    Damit werden die realen Verhlt-nisse bersteigert.

    Tendenz: Karikaturen sind einseitig und nehmen Partei.

    Lustquelle: Das durch die Karikatur ausgelste Lachen ist ein Akt der Befreiung wenn auch nur fr einen Augen-blick!

    Sozialer Charakter: Auf ein Publikum gerichtet. Karikaturen sind in hchstem Mae zustimmungsbedrftig und suchen einen Sympathisantenkreis.

    CHARAKTERISTIK EINER KARIKATUR

    QUELLENWERT

    Schnelle Reaktion auf Ereignisse und Prozesse

    Teil der (politischen) ffentlichkeit: Karikaturen verweisen auf

    streitende und strittige Interessen.

    Karikaturen bringen Ereignisse auf den Punkt und auf den Begriff: Sie sind Vorstellungshilfe fr

    schwierige Zusammenhnge.

    Lehrstcke fr den Umgang mit Werturteilen: Karikaturen werten und emotiona-

    lisieren. Deshalb muss der Umgang mit karikierenden Wertungen gebt werden.

    Aus: Hans-Jrgen Pandel / Gerhard Schneider (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts., 2. Au . 2001, S. 259 f.

    MGLICHE FRAGEN ZUR ANALYSE VON KARIKATUREN

    Was? Was ist zu sehen? Welches Thema/Problem ist dar-

    gestellt? Welche handelnden Personen

    sind dargestellt?

    Wie? Welche Aufflligkeiten gibt es? Wie werden Personen dargestellt? Welche Stilmittel verwendet die

    Karikatur?

    Wer? Wer hat die Karikatur gezeich-net?

    In wessen Auftrag? Was ist ber Zeichner und Auf-

    traggeber bekannt?

    Wann? Wann ist die Karikatur ent-standen?

    Was wissen wir ber diese Zeit?

    Warum? Was will der Zeichner erreichen? Wer oder was wird thematisiert? Warum?

    Wirkung? Welche Emotionen lst die Karikatur aus?

    Wie wirkt sie auf Betroffene? Wie auf den Betrachter? Wie auf andere?

    Verbreitung? Wie wird die Karikatur ver breitet? Gibt es Rckmeldungen?

    Nach: Herbert Uppendahl: Die Karikatur im historisch-politischen Unterricht, Freiburg/Wrzburg 1978, S. 47.

    Politik & Unterricht 3/4-2005

  • 6P&U: Herr Mester, wie kommen Sie auf die Themen Ihrer Karikaturen? Gibt es thematische Vorlieben und ein Spe-zialistentum, oder werden Sie immer fter von tagesak-tuellen Vorgngen inspiriert?

    Die Themen ergeben sich durch das aktuelle politische Geschehen. Bedeutsame Ereignisse und wichtige Perso-nalentscheidungen sind ein Muss fr einen politischen Karikaturisten, wenn er will, dass seine Arbeiten auch ge-druckt in der Zeitung erscheinen. Es gibt aber auch Spiel-rume fr eigene Vorlieben, persnliche Themen, sofern sie eine gewisse allgemeine Relevanz haben. Grundstz-lich gilt: Je aktueller und je mehr an bekannten Kpfen orientiert eine Karikatur daherkommt, umso grer ist die Chance auf Nachdruck.

    P&U: Sie arbeiten ja immer wieder mit bestimmten Topoi, mit wiederkehrenden Bildern und Metaphern. Die werden immer wieder variiert: Irgendetwas wird gemolken oder ausgesaugt, irgendjemand steht dumm da, ein ande-rer ist (scheinbar) berlegen. Wie kommen Sie zu diesen menschlichen Urphnomenen? Mssen Sie sich diese erar-beiten oder entstehen sie spontan? Oder kurz formuliert: Wie kommt der Witz, die Pointe in die Karikatur, ohne dass Sie ein zuviel an Text bentigen?

    Wir Karikaturisten haben einen mehr oder weniger groen Koffer voller Metaphern, die wir in immer neuen Kombina-tionen benutzen und variieren, um einen sonst recht tro-ckenen Sachverhalt mglichst zutreffend zu beschreiben und zumindest auf den ersten Blick leicht verdaulich zu machen. Der Perspektivenwechsel, dieses das-ist-so-als-ob ..., lsst eine Sache meist leichter und heiter erscheinen. Das ist humorvoll, nicht unbedingt witzig. Der Umfang des erwhnten Koffers hngt zusammen mit Erfahrung und Fantasie. Nicht zu unterschtzen ist auch die rein zeichnerische Qualitt einer Karikatur. Eine gute Idee lsst sich auch totzeichnen. Ein guter Witz muss schlielich auch gut erzhlt werden.

    P&U: Die Zeiten sind schlecht: Politikverdrossenheit, Ar-beitslosigkeit, leere Staatskassen, kurz: Die Probleme sind gro. Frei nach Erich Kstner: Herr Mester, wo bleibt das Positive?

    Ich bin nicht zustndig fr das Positive. Satire und Ka-rikatur befassen sich naturgem mit dem Unperfekten, mit Missstnden, mit den Abweichungen vom Ideal. Grob gesagt: Je grer die Diskrepanz zwischen (propagier-tem) Ideal und (kaschierter) Realitt, umso leichteres Spiel hat der Karikaturist. Wre die Wirklichkeit ideal, gbe es keine Satire.

    P&U: Kurt Tucholsky hat geschrieben: Der Satiriker ist ein gekrnkter Idealist: Er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an. Mit

    einer Karikatur kann man glossieren, didaktisieren, mo-ralisieren oder eine politische Botschaft vermitteln. Herr Mester: Inwieweit ieen Ihre persnlichen berzeugun-gen und Einstellungen in Ihre Arbeit ein? Was wollen Sie mit Ihren Karikaturen erreichen?

    Natrlich wrde ich gerne die Welt verbessern, sonst wre ich wohl nicht in diesem Beruf gelandet. Da geht es mir hnlich wie Sozialarbeitern, Pfarrern und vielen Lehrern. Gleichzeitig bin ich realistisch und egoistisch genug, um nicht wegen mangelnden Erfolges depressiv zu werden. Natrlich iet meine berzeugung in meine Arbeit ein. Wenn ich die Wirklichkeit mit dem Ideal konfrontiere, ist das auch immer eine Bewertung; wenn die Abweichung vom Ideal ein Gesicht hat (Merkel, Westerwelle oder Schrder), dann ist das automatisch Parteinahme. Ich habe allerdings nicht das Gefhl, dass ich die Geschicke Deutschlands mitbestimmen knnte, selbst wenn meine Bilder tglich hunderttausendfach gedruckt werden. Mein Ehrgeiz liegt daher eher darin, so weit wie mglich ehr-lich zu bleiben. Ich wre zufrieden, wenn ich mich an meinem Lebensende fr keine meiner Zeichnungen sch-men msste.

    P&U: Und nochmals Tucholsky; der sagte, Satire drfe alles. Was darf Karikatur, Herr Mester? Wo sind die morali-schen Grenzen Ihres Schaffens?

    Tucholskys berhmter Satz war gut und richtig fr seine Zeit, in der es gefhrlich sein konnte, die eigene Mei-nung offen zu sagen. Auf die heutige Zeit bezogen ist er billig. Heute darf Satire ja wirklich fast alles, jedenfalls muss niemand frchten, rger mit der Justiz zu kriegen; hchstens mit dem Intendanten oder dem Chefredakteur. Ich sehe ein anderes Problem. Das, was heute unter Satire oder auch Comedy luft, hat oft kein moralisches Rck-grat. Fr mich werden moralische Grenzen berschrit-ten, wenn Satire so verstanden wird, dass sie nicht auf eine Sache oder auf den Reprsentanten einer Sache zielt, sondern sich an der Demtigung eines Menschen als Menschen delektiert. Ich nenne hier nur das Beispiel Maschendrahtzaun.

    P&U: Wer mit einer Karikatur positiv berhrt, motiviert oder wachgerttelt wird, wird sich vielleicht seltener bei Ihnen rckmelden. Wer sich rgert, schon eher. Wie gehen Sie mit solchen Rckmeldungen um, wenn sich zum Beispiel ein Politiker bei Ihnen beklagt?

    Politiker beklagen sich nicht. Die sind vermutlich eher geschmeichelt, wenn sich ein Zeichner wie auch immer mit ihnen befasst. Gut die Hlfte der Rckmeldungen kommt von Neurotikern und Eiferern jeglicher Herkunft. Darauf antworte ich nicht. Wenn ich das Gefhl habe, jemand ist ehrlich betroffen oder persnlich verletzt, dann erklre ich, was mich zu der Zeichnung bewogen hat.

    EIN INTERVIEW MIT DEM KARIKATURISTEN GERHARD MESTER

    Einleitung

    Politik & Unterricht 3/4-2005

  • 7Gegen den Strich Karikaturen zu zehn Themen

    Thema A Alltag in modernen Zeiten (A 1 A 10) 8

    Thema B Elternhaus und Schule (B 1 B 13) 14

    Thema C Massenmedien (C 1 C 10) 20

    Thema D Mobilitt (D 1 D 10) 25

    Thema E Unser Planet: Umwelt und Nachhaltigkeit (E 1 E 12) 30

    Thema F Leben in der demokratischen Gesellschaft (F 1 F 10) 36

    Thema G Parlamentarische Demokratie (G 1 G 10) 41

    Thema H Soziale Marktwirtschaft (H 1 H 11) 46

    Thema I Die Zukunft Europas (I 1 I 13) 52

    Thema J Frieden fr die eine Welt (J 1 J 10) 58

    Texte und Materialien fr Schlerinnen und Schler

    3/4-2005

    Politik & Unterricht 3/4-2005

  • 8A Alltag in modernen ZeitenKarikaturen A 1 A 10

    Eine verantwortungsvolle Beschftigung mit der Zukunft wird verschiedene Szenarien bercksichtigen und nicht nur Antworten geben, wie wir aller Voraussicht nach morgen leben werden, sondern auch die Frage stellen, wie wir morgen leben wollen. Nicht alles, was machbar ist, ist auch wnschenswert. Und nicht alles, was mglich wre, ist auch realistisch.

    In diesem thematischen Teil des Heftes soll es nicht um wirt-schaftliche oder technologische Entwicklungen und Optio-nen gehen, auch nicht um groe, gar revolutionre Vernde-rungen oder um die Welt in Atem haltende Krisen. Vielmehr geht es hier um zehn verdichtete Bestimmungsfaktoren, die schon heute auf unser Alltagsleben einwirken und unsere Zukunft in den kommenden Jahren stetig, aber eben nicht spektakulr, beein ussen werden. Diese Trends, der Umgang und die Reaktion auf diese Merkmale des Alltags entscheiden letztlich, ob wir uns zurecht nden, uns wohl fhlen oder aber am Alltag leiden und letztlich sogar scheitern.

    Wenn es auch kaum mglich ist, sich dem Ein uss der bei zunehmender Internationalisierung und Globalisierung weltweit wirkenden Krfte der modernen Zeit zu entziehen, so ist es doch wichtig, die Rahmenbedingungen zu kennen, um unseren ganz normalen Alltag, wo immer es geht, bewusst zu gestalten. Ob es sich um den privaten Wohn-bereich, die persnlichen Beziehungen, den tglichen oder den besonderen Konsum handelt, ob es um das Klima und die Erfolge an unserem Arbeitsplatz, um unsere Vorlieben und Aktivitten in unserer Freizeit geht oder um unsere Ge-sundheit: Noch nie zuvor waren wir Menschen einem solchen Angebot ausgesetzt wie heute. Permanent mssen wir uns entscheiden, ob wir etwas machen, haben, selektiv nutzen oder ganz darauf verzichten wollen.

    Die Schlerinnen und Schler knnen mit den ausgewhlten Karikaturen ernsthaft ber ihre persnliche Lebensagenda nachdenken und die Karikaturen als motivierende Einstiege in die Behandlung spannender Fragen nutzen (vgl. hier und im Folgenden bei der Au istung der Charakteristika unserer Zeit: Horst Opaschowski: Wir werden es erleben. Zehn Zu-kunftstrends fr das Leben von morgen, Darmstadt 2002). Opaschowskis Anliegen ist auch der didaktische rote Faden dieses Thementeils: Wir mssen uns heute berlegen, wie wir in zehn oder zwanzig Jahren leben, wohnen, konsumie-ren und mobil sein wollen.

    DIE KARIKATUREN UND IHRE THEMEN

    Die ausgewhlten Karikaturen ergeben ein Mosaik von zehn miteinander korrespondierenden Trends und Bestimmungs-faktoren der Zukunft. Ein Foto aus Charlie Chaplins Film Modern Times (USA, 1936) und ein Zitat von Antoine de Saint-Exupry stehen als Zusatzmedien am Anfang und erffnen eine Diskussion ber Mglichkeiten, den Alltag und sein Leben zu bauen: auf der einen Seite eingebunden in das Rderwerk der tglichen Ablufe, auf der anderen Seite steht die Chance zur verantwortungsvollen Gestaltung der Zukunft.

    Im Zeitalter der Globalisierung wird die Arbeit fr den Ein-zelnen immer intensiver, zeitlich und physisch belastender, dafr aber auch hu g produktiver und effektiver, als sie es frher war. Der neue Selbststndige ist gefragt, der diesen Spagat aushlt am Arbeitsplatz und im privaten Bereich. Jeder ist gleichsam als Unternehmer gefordert, der seine private Individualitt vor dem Hintergrund der globalen Zusammenhnge erhalten und austarieren muss. A 1 fhrt in dieses Spannungsverhltnis ein.

    Leistung und Lebensgenuss sind heute keine Gegenstze mehr. Vor allem die jngere Generation erkennt, dass es ohne vorherige Leistung im Leben nicht geht und dass anderer-seits Genuss nicht mehr automatisch von Leistung ablenkt. A 2 kann deutlich machen, dass der Mensch darauf angelegt ist, um sein berleben zu kmpfen. Lust ohne Anstrengung fhrt zu Langeweile oder gar zu Apathie.

    Prognosen gehen davon aus, dass wir im Jahr 2030 so wie bisher auch eher in einer Leistungs- und Konsumgesell-schaft als in einer Informations- und Wissensgemeinschaft leben werden. Das Internet wird das private Leben nicht revolutionieren, sondern nur optimieren helfen. A 3 macht deutlich, dass die mediale Entwicklung zwar unaufhaltsam voranschreitet, dass aber unser menschliches Kommunikati-onsbedrfnis und das Interesse an Bchern und Zeitschrif-ten nicht nachlassen. Auch in Zukunft werden die meisten abends mde nach Hause kommen, sich vor den Fernseher setzen und (eventuell) mit der Partnerin oder dem Partner kommunizieren.

    A Alltag in modernen Zeiten

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  • 9Statistiken zeigen es: Heute ist jede Kindergeneration zah-lenmig um ein Drittel kleiner als die Elterngeneration. Wenn sich alle in der Welt so verhielten wie heute schon jeder dritte, zeitlebens kinderlos bleibende Deutsche, dann wre die Erde in 120 Jahren menschenleer. In einer Zeit, in der Flexibilitt als hchste Tugend gilt, fallen individuelle Festlegungen offensichtlich schwer. Andererseits: Wer keine feste private Beziehung wagt, der wird in Zukunft wohl auch keine soziale Geborgenheit mehr erwarten knnen. A 4 regt dazu an, ber Grnde der Kinderlosigkeit zu disku-tieren. Dabei sollte auch die Idee des Generationenvertrags eine Rolle spielen, der soziale Gerechtigkeit und Sicherung verspricht.

    Der Anteil der zugewanderten Bevlkerung wird bis zum Jahr 2050 in Deutschland im Durchschnitt rund ein Drittel und in den Grostdten ber fnfzig Prozent erreichen. In Zukunft werden Regionen und Stdte um junge, quali zierte und mo-tivierte Nachwuchskrfte aus dem Ausland wetteifern. Dazu mssen sie mehr bieten als harte Faktoren wie Einkommen und Karriere. A 5 motiviert dazu, ber Mglichkeiten und Schwierigkeiten der notwendigen Integration nachzuden-ken: Heimat ist fr Einwanderer dort, wo sie sich nicht mehr abgrenzen, erklren und legitimieren mssen.

    Die Lebenserwartung steigt weiter an. Bis zum Jahr 2040 wird sich der Anteil der ber 60-Jhrigen in Deutschland ver-doppeln. Die weitergehende Alterung unserer Gesellschaft ist vorprogrammiert. A 6 lsst in vielen Politikbereichen nach den Grnden und Konsequenzen der alternden Ge-sellschaft fragen. Wie wird der Alltag der heutigen Sch-lerinnen und Schler bei gleich bleibender demogra scher Entwicklung aussehen, wenn sie fnfzig oder siebzig Jahre alt sind?

    In einem Mosaik des modernen Lebens spielt die Mobilitt eine groe Rolle (vgl. das gesonderte Thema Mobilitt).

    Weder der Drang ins Grne noch der Wunsch nach Orts- und Tapetenwechsel motivieren die Menschen am meisten zu massenhafter und permanenter Mobilitt, sondern wie Untersuchungen immer wieder besttigen die Angst, etwas zu verpassen. A 7 regt dazu an, nach Grnden fr die steigende Mobilitt zu fragen. Was erhoffen wir uns? Was erleben wir, wenn wir outdoor, weit weg und fern der Heimat sind?

    Der Konsument unserer Zeit lebt nach dem Motto: Ich will. Ich will es haben. Ich habe es mir verdient. Die entschei-dende Motivation scheint nicht der Bedarf, sondern der Wunsch nach Etwas-erleben-und-sich-verwhnen-wollen zu sein. Die heutige Erlebnisgeneration ist durch ein aus-geprgtes Anspruchsdenken geprgt. Westliche Gesellschaf-ten mssen zunehmend mit dem Armut-Wohlstand-Paradox leben: Im gleichen Ma, wie sich Armut und Arbeitslosigkeit ausbreiten, entstehen neue Konsumwelten und expandieren ganze Erlebnisindustrien (A 8).

    A 9 und A 10 illustrieren zwei wenn auch unzureichen-de Antworten auf die Frage nach Sinn: Resignation, Lethar-gie und Depression auf der einen, Ablenkung durch bunte Bilder, Brot und Spiele auf der anderen Seite. Die Frage nach Alternativen fhrt zu einer aktuellen Feststellung: Die Suche nach Halt und inhaltlicher Heimat nimmt zu. Im Vergleich zu frheren Jahrzehnten interessieren sich die Menschen wieder mehr fr eine bessere Gesellschaft und wollen mithelfen, diese zu schaffen. Wie kann ein Gleich-gewicht zwischen Wohlstand und Wohlbe nden gefunden werden? Konsequenzen und Ratschlge fr ein persnliches Wohlbe nden schlieen das Zukunftsmosaik ab.

    A Alltag in modernen Zeitenpi

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    Eine Szene aus dem Film Modern Times mit Charlie Chaplin (USA, 1936).

    Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund fr etwas Zuknftiges legen denn Zukunft kann man bauen.Antoine de Saint-Exupry

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    Die Welt, die bin ich.

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    Moderne Zeiten?

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    Die Zukunft gestalten

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    B Elternhaus und SchuleKarikaturen B 1 B 13

    Bildung ist ein sozialer Vorgang, der fr die Entwicklung jedes Einzelnen, aber auch fr die gesamte Gesellschaft von groer Bedeutung ist. Von daher ist es angebracht, diesem Thema im Unterricht verschiedener Fcher die notwendige Beachtung zu geben. In einer frhkindlichen Sozialisations-phase lernen wir die Sprache, die Sitten, Werte und Regeln einer gewachsenen Gesellschaft. Dabei bernehmen und entwickeln wir auch grundlegende Muster fr unser (spte-res) soziales Verhalten. Dieser Prozess wird in der Regel von den Eltern und anderen (wenigen) Personen begleitet, die als Erziehungsberechtigte, aber auch als personale Vor-bilder Ein uss ausben. In der nchsten Phase erfolgen die Weiterentwicklung und die Variation von Verhaltensmustern, wobei zunehmend auch Personen auerhalb der Familie an Bedeutung gewinnen. In der Schule und im Freundeskreis werden Kenntnisse, Interpretationen und Fertigkeiten ver-mittelt, die im Leben und am Arbeitsplatz notwendig und hilfreich sind, die die eigene Persnlichkeit formen und quali zieren. Dabei bereiten unterschiedliche Schulformen und Ausbildungsgnge auf unterschiedliche Aufgaben und sptere Karrieren vor.

    Bildung ist fr jeden Einzelnen unerlsslich, um frei ent-scheiden, selbststndig leben und erfolgreich arbeiten zu knnen. Eine demokratisch verfasste Gesellschaft ist auf informierte, gut ausgebildete und urteilsfhige Brgerinnen und Brger angewiesen. Bildung und Ausbildung sind daher verstndlicherweise zentrale Themen der politischen Aus-einandersetzung. In der Diskussion stehen dabei besonders die anzustrebende Chancengleichheit, die Bereitstellung von Ausbildungs- und Studienpltzen und die generelle Zer-splitterung staatlicher Zustndigkeiten. Daneben geht es immer wieder darum, fr alle Schulformen neue Strukturen, Inhalte und Methoden zu erarbeiten, die Jugendliche und auch Erwachsene optimal auf das moderne Wirtschafts- und Arbeitsleben vorbereiten.

    Bildung und Ausbildung auf internationaler Ebene kon-kurrenzfhig zu halten, ist ein aktuelles Anliegen der bil-dungspolitischen Diskussion. Im Zeitalter der Globalisie-rung erhlt der in Deutschland hu g zitierte Satz seine grundlegende Bedeutung und seine motivierende Brisanz: Unsere Rohstoffe sind in den Kpfen der Menschen. Wer die Vorbereitung auf das Leben ernst nimmt, wird in diesem Zusammenhang auch an die Herzen denken und neben fach-licher auch soziale und emotionale Kompetenzen erwarten.

    DIE KARIKATUREN UND IHRE THEMEN

    Um die Zukunft kann man nicht betteln. Die Zukunft be-kommt niemand geschenkt. B 1 soll als Einstieg in ein Thema dienen, das die Schlerinnen und Schler direkt betrifft. Welche persnlichen Voraussetzungen sind fr eine lebens-werte Zukunft wnschenswert, von Vorteil, von Nachteil? Dabei werden neben Gesundheit, persnlicher Sicherheit und Freundeskreis schnell auch Bildung und Ausbildung im Elternhaus und in der Schule genannt werden.

    Im Elternhaus erfahren wir die ersten Spielregeln des menschlichen Zusammenlebens. Hier lernen wir u. a. Mg-lichkeiten zu Rcksicht, Toleranz, Interessenausgleich und Kon iktlsung kennen und ben diese Sozialtugenden ein. B 2 zeigt die Bedeutung des persnlichen Vorbilds durch die Eltern und das Elternhaus. Wenn das Klima so ist, wie es der Zeichner karikiert und kritisiert, muss man sich nicht wundern, wenn sich am Ende sogar die Fische aggressiv im Wasser gegenberstehen.

    B 3 weist auf eine weit verbreitete Verhaltensweise hin. Man entlastet sich durch Schuldzuweisung an andere. Die Verant-wortung fr Bildung und Ausbildung wird hier in Richtung Schule oder Bildungspolitik geschoben. Das dargestellte husliche Szenario zeigt allerdings, dass vor der eigenen Haustr und in den eigenen vier Wnden auch nicht alles in Ordnung und vorbildlich ist: Eine rauchende, frustriert in der Tasse rhrende Mutter, ein unkommunikativ dabeisit-zender und Zeitung lesender Vater, der auf das Schulsystem ucht, ein Kind, das sich allein eine Sex- und Revolverge-schichte im Fernseher ansieht.

    B 4 thematisiert ein anderes Extrem. Mit der Zielsetzung Unser Kind soll es einmal besser haben als wir setzen viele Eltern ihre Kinder regelrecht unter Leistungsstress. Frderkurse, Zusatzangebote, sportliche, musische und kul-turelle Aktivitten fhren bereits im frhen Jugendalter zu vollgestopften Terminkalendern und zu regelrechten ber-forderungssyndromen, die dann wieder mit autogenem Trai-ning, mit Tranquilizern und mit anderen Pharmaka behandelt werden mssen.

    B 5 lenkt den Blick auf verschiedene Erwartungen an die Schule. Soll die Schulausbildung eine umfassende Bildung und Erziehung anstreben, oder soll Schule auf den spteren

    B Elternhaus und Schule

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    Arbeitsplatz und die Interessen der Wirtschaft und des Mark-tes vorbereiten? Bei dieser Diskussion emp ehlt es sich, zu-nchst Begriffe wie Bildung, Erziehung, Markt und Ef zienz mit konkreten Beispielen zu fllen und damit in ihrer Bedeu-tung und Tragweite erfahrbar zu machen. Die Karikatur zeigt eine spielerische bungssituation, einen Sandkasten, der auf das drauen vorbereiten soll. Zu fragen ist, wie die Schlerinnen und Schler eine solche Vorbereitung auf das Leben beurteilen, was sie sich darber hinaus wnschen und welche Vorschlge sie machen, um den Mitschler, der nicht mitmachen kann oder will, zu integrieren.

    B 6 macht auf eine Entwicklung aufmerksam, ber die immer hu ger und immer spektakulrer berichtet wird. In den Schulen nehmen Kon ikte, Disziplinmangel, Gewalt gegen Sachen und Personen zu. Die Schler knnen sicher von eigenen Erlebnissen berichten und dabei auch Mglichkeiten und Strategien der Befriedung vorschlagen. Klar ist aber auch hier, dass die Schule nicht zurechtrcken kann, was andernorts schiefgelaufen ist.

    B 7 leitet eine Diskussion ber den allgemeinen und den the-menspezi schen Leistungsstand in Schule und Gesellschaft ein. Die PISA-Studien haben die Gesellschaft aufgeschreckt. Berichte aus anderen Lndern, aber auch Klagen der heimi-schen Wirtschaft, der Hochschulen usw. zeigen, dass bei Ausbildung und Leistungsstand der deutschen Schlerin-nen und Schler offensichtlich De zite vorhanden sind. In Zusammenhang mit B 8 kann ber eigene Erfahrungen mit neuen Rezepten, Methoden und Standards berichtet werden, wobei das Wort Elite sicherlich fr weiteren Diskussions-bedarf sorgt.

    Wer die Schule verlsst, hat eine Menge an Fachkenntnissen, an kommunikativen und sozialen Kompetenzen erworben. Neben dem Elternhaus war es vornehmlich die Schule, die auf das weitere Leben vorbereiten sollte. B 9 lsst ahnen, dass

    es aber auerhalb des Schonraums Schule auf zustzliche Quali kationen ankommt. Nach dem Praxis-Schock geht es darum, eigene Lebenserfahrungen Siege und Niederla-gen, Gewohnheiten und Alltagserfahrungen zu sammeln, diese in das bisher erworbene Koordinatensystem einzuord-nen und dann die eigene Zukunft bewusster zu gestalten.

    B 10 und B 11 sprechen mit dem Freundeskreis eine weitere Sozialisationsagentur an. Untersuchungen zeigen, dass der Ein uss der Peergroups sehr bedeutend ist und nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Besonders bestimmte mo-dische Verhaltens- und Konsumweisen (Kleidung, Rauchen, Freizeit, Ausgehen usw.) sind stark von den Ansichten und dem Druck des Freundeskreises bestimmt.

    B 12 rundet diesen Thementeil ab und zeigt den Wandel der Berufs- und Karrierewnsche im Laufe des letzten Jahrhun-derts. Dabei wird deutlich, dass sich mancher Wunsch schon durch die Weiterentwicklung der Technik, manch jugendli-cher Traum aber auch durch den Druck der Verhltnisse in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt verndert haben. Eine anschlieende Umfrage in der Klasse ergibt sicherlich eine interessante Momentaufnahme der eigenen Wnsche.

    Zusammen mit der Zeichnung B13 und dem Zitat von Sokra-tes aus dem Jahr 399 v. Chr. (!) kann eine Abschlussdiskus-sion gefhrt werden, die auch darauf eingehen sollte, was zu einem guten Start in das Leben und in den Beruf gehrt, wie man dafr sorgen kann, dass die grundlegenden Spros-sen der eigenen Lebensleiter nicht fehlen, und dass die Elterngeneration offensichtlich zu allen Zeiten Probleme mit der Jugend gehabt hat. Offensichtlich hat die Jugend schon immer die ltere Generation aufgeregt, in Sorge ge-bracht und dann doch letztendlich mit einem erfolgreichen und in der Regel auch glcklichen Leben berrascht und zufriedengestellt.

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    Ein Skandal, die Versumnisse in unserem Schulsystem!

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    PISA-Studie

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    Endlich! Deutschland holt auf!

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    Die Schule konnte euch nur vorbereiten; den Schritt ins Leben msst ihr jetzt selbst tun.

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    Jugendtrume

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    Unsere Jugend liebt den Luxus; sie hat schlechte Manieren, missachtet die Autoritt und hat keinen Respekt vor dem Alter. Die heutigen Kinder sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, schlrfen beim Essen und tyrannisieren ihre Lehrer.Sokrates, 399 v. Chr.

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    C MassenmedienKarikaturen C 1 C 10

    Massenmedien sind Vermittler von Informationen und Mei-nungen sowie Anbieter von Unterhaltung an ein groes Publikum, eine Masse. Sie sind grundstzlich fr jeden zugnglich. In Deutschland erscheinen tglich rund 27 Mil-lionen Zeitungsexemplare und 1,9 Millionen Wochenzeitun-gen, 122 Millionen Publikumszeitschriften und 17 Millio-nen Fachzeitschriften. Zur Normalausstattung deutscher Haushalte gehren mehr als 30 deutschsprachige Fernseh- und ber 250 Rundfunkprogramme. Knapp ein Fnftel der Bevlkerung informiert sich darber hinaus ber den PC im Internet.

    Unser demokratisches System wre ohne die Medien nicht funktionsfhig. Sie verbreiten Informationen, tragen zur Meinungsbildung der Brger bei und kontrollieren politische Institutionen und politisch Handelnde. Darum werden die Medien gerne auch als vierte Gewalt bezeichnet. Aller-dings besteht immer mehr die Gefahr, in der Informations ut zu versinken: Tglich knnen wir uns entscheiden zwischen mehr als tausend Stunden Radio- und Fernsehprogramm sowie hunderten von Zeitungen und Zeitschriften. Das Inter-net umfasst derzeit mehr als eine Milliarde Seiten.

    Das Fernsehen ist und bleibt das Leitmedium fr Jugendliche und Erwachsene. Sie sehen tglich im Durchschnitt rund drei Stunden fern. Kaum ein anderes Medium begleitet die Menschen so intensiv vom Kindes- bis ins Seniorenalter. Inwieweit Print- oder Fernsehbotschaften Rezipienten in ihrem Denken und Handeln beein ussen, ist immer noch nicht abschlieend geklrt, weil zu viele verschiedene Fak-toren hineinspielen. Ziemlich sicher ist, dass whrend der Sozialisation geprgte Meinungen und Einstellungen wenig durch neue Informationen verndert werden. Nach wie vor ist das Fernsehen die beliebteste Freizeitbeschftigung fr Jugendliche und Erwachsene. Die Flle der unterschiedli-chen Programmangebote hat diese Entwicklung mageblich verstrkt. Allerdings hat sich nicht bewahrheitet, was von vielen Medienforschern prophezeit wurde, dass das Lesen von Bchern, Zeitungen und Zeitschriften schon bald der Vergangenheit angehren wrde.

    Je strker und hrter die Konkurrenzsituation auf dem Me-dienmarkt wird, umso mehr neigen Verlage, Fernsehanstalten, Journalisten und Redakteure dazu, spektakulre Ereignisse gro aufgemacht in den Vordergrund ihrer Berichterstattung zu stellen. Nicht selten werden dabei Personen oder Gruppen

    infolge dieser Art von Sensationsjournalismus in ihren Persnlichkeitsrechten verletzt und diffamiert.

    Whrend 1995 noch 60 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren angaben, gern oder besonders gern zu lesen, waren es 2003 nur noch 47 Prozent. Die Neuen Medien, insbesondere das Internet, rcken in den Vordergrund des Interesses. Damit gehen Vernderungen von Verhaltenswei-sen und der Kommunikationsfhigkeit einher. Die Medien-landschaft hat sich rasant verndert. Noch vor nur etwas mehr als zehn Jahren gab es weder Internet noch digitales Fernsehen. Heute sind Millionen von Menschen ber ihre Computer weltweit vernetzt. Dabei darf nicht bersehen werden, dass sich diesbezglich eine Kluft zwischen den rei-chen Industrielndern und denen der Dritten Welt auftut.

    DIE KARIKATUREN UND IHRE THEMEN

    C 1 weist auf die Informations ut hin, die nach Einfhrung von privaten Rundfunk- und Fernsehanbietern sowie des In-ternets dramatisch zugenommen hat. Mit den Schlerinnen und Schlern lsst sich errtern, nach welchen Kriterien sie ihre Auswahl aus dem riesigen Angebot treffen. Dabei ist zu fragen, ob wir nicht alle aufgrund der notwendigen Selektion immer nur teilinformiert sind.

    Das Fernsehen versorgt uns mit Informations- und Unter-haltungsbeitrgen. Dass diese immer Angebote aus zweiter Hand darstellen, kann mit C 2 erarbeitet und problema-tisiert werden. Anhand des zugehrigen Zitats kann dis-kutiert werden, welche Bedeutung und mglichen Auswir-kungen die Nutzung von Informations- beziehungsweise Unterhaltungsangeboten hat. Medien- und insbesondere die Fernsehnutzung ndet vielfach im kleinen Kreis der Familie oder auch allein statt. Dies kann der angenehmen Ablenkung dienen, kann aber auch wie in C 3 berspitzt dargestellt zu sozialer Isolation fhren. Die Aussage von C 4 ist gut geeignet, eigene Erfahrungen mit der Wirkung von Medienbotschaften zu diskutieren. Dabei muss der Aspekt Werbung nicht ausschlielich im Fokus der Betrachtung stehen. So knnen zustzlich Beein ussungen hinsichtlich Out t, Sprache, Gep ogenheiten und Einstellungen err-tert werden, die von Sendungen (z. B. daily soaps) oder einzelnen Akteuren ausgehen. Die Zunahme der Fernseh-anstalten und Programmangebote hat dazu beigetragen,

    C Massenmedien

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    dass Fernsehkonsum rund um die Uhr statt nden kann. C 5 dient als Impuls fr die Re exion der eigenen und fr den Vergleich mit anderen Nutzungsgewohnheiten.

    Dass vor allem Presse und Fernsehen aufgrund der Konkur-renz zwischen vielen verschiedenen Anbietern dazu neigen, mit Sensationsjournalismus Au agenhhen und Einschalt-quoten zu steigern, ist bekannt und nachvollziehbar. Mit C 6werden Erwartungen, Neugier und Interesse der Mediennut-zer hinsichtlich dieser Art der Berichterstattung hinterfragt. Fallbeispiele dafr werden nahezu tglich geliefert.

    Jugendliche wachsen mit den Neuen Medien auf. Gleichzeitig lsst die Bereitschaft zum Lesen immer mehr nach. Beides zusammen kann, wie in C 7 karikiert, zu Vernderungen des Sprachschatzes und der Sprachkompetenz fhren. Die Kari-katur bietet den Anlass, im Unterrichtsgesprch mgliche weitere Entwicklungen und Konsequenzen zu errtern.

    Die Zeit des Briefeschreibens ist besonders bei Jugendlichen lngst pass. Heute erfolgt die Kommunikation entweder per Handy oder mit SMS-Botschaften. Zudem nutzen immer mehr Internetuser das World Wide Web zur privaten Kommuni-kation. Welche weiteren Entwicklungen zuknftig mglich und vorstellbar sind, lsst sich mit C 8 diskutieren.

    Die in C 9 gezeigte Ausstattung eines Kinderzimmers ist sicherlich nicht reprsentativ. Aber die Mglichkeit zum Internetzugang und zur Internetnutzung nimmt gerade bei Jugendlichen stndig zu. Vor dem Hintergrund dieser Ent-wicklung ist die Frage zu diskutieren, inwieweit die Neuen Medien das Informationsverhalten und die Mediennutzung verndert haben und in Zukunft weiter verndern werden. Die Karikatur C 10 kann ein abschlieendes Gesprch ber die Vor- und Nachteile der sich verndernden Kommunikati-onsgewohnheiten einleiten.

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    Hallo, mein kleines Fenster zur Welt. Was gibts Neues an Schrecken und Katastrophen?

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    Man verkauft uns schne Trume nur damit wir nicht erwachen, denn mit aufgeweckten Leuten wre manches nicht zu machen.Liselotte Rauner

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    Bldsinnig, diese Werbung.

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    Gier nach Sensationen

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    Eines Tages war dann auch die Klasse 1 B nur noch ber E-Mail zu erreichen ...

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    Das Problem der Zeitungsbericht-erstattung liegt darin, dass das Normale uninteressant ist.Saul Bellow

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    D MobilittKarikaturen D 1 D 10

    Unsere moderne Gesellschaft, das ist Begegnung von Men-schen, Austausch von Informationen und Waren, Reisen und Transportieren, kurzum: beweglich sein. Alle wollen frei, mhelos und sicher von einem Ort an den anderen gelangen: geschftlich, aber auch privat, selbstverstndlich zu jeder Zeit und auch noch mglichst schnell. Der Verkehr stt aber auch Schadstoffe und Lrm aus, er verbraucht endliche Rohstoffe und natrliche Flchen, er zerschneidet Biotope und er verschrft das Klimaproblem durch die Erzeugung von Treibhausgasen. Die Probleme des Verkehrs drohen uns inzwischen ber den Kopf zu wachsen. Angesichts unbe-streitbarer kologischer Belastungen, die insbesondere vom motorisierten Individualverkehr und vom Gterverkehr aus-gehen, stellt sich die existenzielle Aufgabe, die Verkehrs-entwicklung in Bahnen zu lenken, die kologisch tragfhig sind und auch in Zukunft ein qualitatives Wachstum ermg-lichen.

    Dabei geht es um verschiedene Ziele, die oft nicht leicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Wir mssen die wirtschaftliche Leistungskraft als Grundlage fr andere an-stehende Aufgaben erhalten. Vllig unbestritten ist aber, dass dies nicht auf Kosten der Umwelt gehen darf, da wir andernfalls die Lebensgrundlagen fr uns selbst, besonders aber fr die kommenden Generationen zerstren oder zu-mindest gefhrden. Eine realistische Politik wird bei diesem Zielkon ikt auch das groe Bedrfnis unserer Gesellschaft nach Individualitt und Mobilitt nicht aus dem Auge verlie-ren. Schlielich muss dafr gesorgt werden, dass Menschen und Waren pnktlich und sicher an ihr Ziel kommen. Mobil bleiben in einer lebenswerten Umwelt: Diesen hohen An-spruch werden wir nur dann erreichen, wenn mglichst viele Brgerinnen und Brger ber die vernetzten Zusammenhnge informiert sind und sich verantwortungsvoll verhalten.

    DIE KARIKATUREN UND IHRE THEMEN

    Industrie und Verkehr die privaten Haushalte als einer der Hauptverursacher sind hier nicht dargestellt greifen das in D 1 thematisierte noch erkennbare Paradies zwischen groem und kleinem Uhrzeiger an. Es ist fnf vor zwlf. Die CO2-Belastung beeintrchtigt das globale Klima mit allen Konsequenzen. Wichtig ist hier der Hinweis auf die inter-nationale Verantwortung und auf die drohende Gefahr bei

    fortschreitender Automobilisierung in Lndern, die bisher noch keine hohe Automobildichte haben, wie z. B. China.

    D 2 zeigt die globale Rohstoffproblematik. Lebensstile, Wirt-schaftsweise und Energiehunger der Industrielnder gehen mit einem hohen Verbrauch an Rohstoffen fr die Aufrecht-erhaltung und Steigerung der Mobilitt besonders von Erdl einher. 20 Prozent der Menschheit verbrauchen 60 Prozent aller Energie, emittieren 60 Prozent aller CO2-Emissionen und besitzen 80 Prozent aller Automobile.

    D 3 macht auf das Spannungsverhltnis zwischen konomie und kologie aufmerksam. Zwischen notwendiger und zum modernen Leben gehrender Mobilitt und einem hohen Lebensstandard in einer intakten Umwelt darf kein un-berbrckbarer Gegensatz entstehen. Die Schlerinnen und Schler nden in der tagespolitischen Berichterstattung leicht eigene Beispiele fr die in der Zeichnung dargestellte Argumentation.

    D 4 und D 5 thematisieren Bedrfnisse und Verhaltensweisen der modernen Gesellschaft, die neben anderen Aspekten (Individualisierung, Zunahme von Single-Haushalten, Mobi-litt bis in das hohe Alter usw.) zu einer stndigen Zunahme des Verkehrs gefhrt haben und weiter fhren werden. An-spruchsvolle Konsumgewohnheiten fhren inzwischen dazu, dass just in time durch ganz Europa Lastkraftwagen fahren, um uns mit Waren zu versorgen, von denen uns die Werbung offensichtlich erfolgreich einen Mehrwert verspricht.

    D 6 bis D 9 nehmen Antworten auf Probleme der berborden-den (Auto-)Mobilitt aufs Korn. Die Antwort des Vaters auf die Frage, was man denn gegen die Klimaerwrmung machen kann (D 6), karikiert das weit verbreitete, (ausschlielich) an Technik orientierte Denken: Wenn wir ein Problem haben, werden wir schon eine technische Lsung zu dessen Behe-bung nden.

    Wir mssen es uns klar machen: Viele Wege im Alltag sind unter drei Kilometer lang die ideale Strecke zu Fu oder mit dem Fahrrad. In D 7 wird einem solchen Verhalten Lob gezollt allerdings von einem Autofahrer, der wie viele Zeitgenossen zwar von den anderen eine nderung des Mobilittsverhaltens erwartet, sich selbst aber wie schon immer verhlt und weiterhin Auto fhrt. Das eigene Verhal-ten zu ndern ist eine andere Mglichkeit, die aber oft nicht

    D Mobilitt

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    leichtfllt und gerade bei unseren Mobilittsgewohnheiten manchmal auch etwas unrealistisch wirkt. fter mal Bus und Bahn fahren ist ein notwendiger und verantwortungs-voller Vorsatz, der aber oft auch nicht so leicht umzusetzen ist wie D 8 zeigt.

    In der verkehrspolitischen Diskussion der letzten Jahre wurde immer wieder auch zwischen notwendigen und unn-tigen Autofahrten unterschieden. D 9 kann eine Diskussion ber folgende Fragen anregen: Wer soll denn festlegen, was notwendig ist und was nicht? Warum fhlen sich denn viele Menschen eingeschrnkt, wenn es an die (Auto-)Mobilitt geht?

    Eingeleitet durch einen Aphorismus von Blaise Pascal fhrt die Zuspitzung Zahnersatz oder Mobilitt in D 10 gerade in Zeiten knapper Kassen zu brisanten und aktuellen

    Fragestellungen: Wie teuer darf Mobilitt denn sein? Und wie kann bei steigenden Preisen der soziale Aspekt neben konomie und kologie nachhaltig bercksichtigt werden, so dass am Schluss nicht nur diejenigen mobil sind, die es sich leisten knnen?

    D Mobilitt

    Lieb

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    D 1

    D 2

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    Osterspaziergang

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    Hr auf, hier rumzulabern, und fahr endlich los, du verdammter Miesmacher!

    D 8

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    Alles Elend der Welt kommt daher, dass die Menschen nicht fhig sind, eine Stunde allein in einem Zimmer zu sitzen.Blaise Pascal (16231662)

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    E Unser Planet: Umwelt und NachhaltigkeitKarikaturen E 1 E 12

    Der wachsende Ressourcenverbrauch endlicher Rohstoffe und die zunehmende Belastung des Klimas durch weltweit expandierende Volkswirtschaften zwingen zu international abgestimmtem Handeln. Die Konferenz fr Umwelt und Ent-wicklung hat im Jahr 1992 in Rio de Janeiro die Agenda 21 formuliert: Eine Zielvereinbarung fr eine nachhaltige Entwicklung, die weit ber das bisherige Selbstverstndnis des Umwelt- und Naturschutzes hinausging. Das Zieldreieck kologie, konomie und sozialer Frieden soll verantwor-tungsbewusst und ausgewogen gestaltet und Ressourcen sollen so sparsam und ef zient genutzt werden, dass die natrlichen Lebensgrundlagen auch knftig erhalten blei-ben. Die kommenden Generationen sollen in Frieden und Freiheit die gleichen Entwicklungschancen wie die heutige Generation haben.

    Grundstzlich geht es um drei Politikbereiche, die teilweise in Konkurrenz zueinander stehen, die aber mit Blick auf eine lebenswerte Zukunft zusammen gesehen werden sollten: konomie: Neue Technologien und ef ziente Produktions-verfahren mssen in Zeiten der Globalisierung und unter zu-nehmendem Konkurrenzdruck innovative Lsungen nden, die sozial und kologisch vertrglich sind. kologie: Umweltbelastungen und Ressourcenverbrauch mssen weiter reduziert werden, damit weder die Stabilitt der Wirtschaft gefhrdet ist noch soziale Diskrepanzen ent-stehen, etwa durch steigende Arbeitslosigkeit. Soziales: Trotz steigender Bevlkerungszahlen und zuneh-mender Verstdterung muss globale Gerechtigkeit geschaf-fen und zugleich kologische Belastung gesenkt werden und das bei steigenden konomischen Ansprchen.

    Eine kologisch und sozial orientierte Marktwirtschaft soll qualitatives Wachstum frdern. Mehr fr weniger heit die Idee: den wirtschaftlichen Erfolg verdoppeln und gleichzei-tig den Naturverbrauch halbieren. Eine ganz entscheidende Rolle kommt dabei den Technologien von morgen zu. Einfach ist es nicht: Die kologischen Herausforderungen und Be-drfnisse sind weltweit sehr unterschiedlich und werden in den einzelnen Lndern oft unterschiedlich wahrgenommen. Bei allem Engagement: Ein Land allein kann die Probleme, die ja oft vor den Grenzen nicht Halt machen, nicht lsen. Aber es kann einen Anfang machen und eine zukunftswei-sende Botschaft formulieren: Umwelt ist Zukunft! Inhaltlich sollte deutlich werden, dass jeder Einzelne eine Menge dafr tun kann, dass zwischen Lebensqualitt und Erhalt unserer

    Umwelt kein unberbrckbarer Gegensatz entsteht. Unsere Erde ist ein faszinierender Planet eine tragfhige Lebens-grundlage fr viele Menschen, die aber auch leicht strbar und aus dem Gleichgewicht zu bringen ist. Wir mssen behutsam und vorsichtig mit unserem Planeten umgehen. Dabei wird es darauf ankommen, dass die Menschen bereit sind, selbst etwas zu tun, ihr eigenes Verhalten zu berden-ken und wenn es ntig ist auch zu ndern. Das kann aber in einer pluralistischen Demokratie nicht per Befehl verordnet werden; dafr muss man werben und stndig ber-zeugungsarbeit leisten.

    DIE KARIKATUREN UND IHRE THEMEN

    E 1 macht drastisch darauf aufmerksam, dass die Menschheit nur mit der Natur leben und berleben kann nicht aber gegen sie. Die Karikatur wirft erste Fragen einer nachhal-tigen Entwicklung auf: Wie viel Natur darf genutzt und verbraucht werden? Gibt es nur die beiden dargestellten Alternativen? Wie wollen wir in 20 oder 30 Jahren leben, wohnen, wirtschaften?

    E 2E 5 bilden exemplarisch umweltpolitische Herausforde-rungen ab, mit denen sich die Menschheit konfrontiert sieht. rtliche und regionale Probleme konnten in der Vergangen-heit vielerorts gelst oder zumindest minimiert werden. Die Schlerinnen und Schler werden im Anschluss an E 2 aus den Medien einige Beispiele ihrer Umgebung zusammentra-gen und deren aktuelle Aufarbeitung diskutieren knnen.

    Die Umwelt darf nicht unter den Hammer kommen und ausverkauft oder versteigert werden. E 3 zeigt stell-vertretend einen derzeitigen umweltpolitischen Schwer-punkt in Deutschland. Neben Luftreinhaltung und Lrm-bekmpfung geht es verstrkt auch um ein verbessertes Flchenmanagement, denn tglich wird die Flche mehrerer Fuballfelder versiegelt mit allen Folgen fr das kologi-sche Gleichgewicht. Welche Grnde gibt es fr den hohen Flchenverbrauch und welche Vorschlge knnen zur Abhilfe gemacht werden?

    Mit E 4 ndert sich die Dimension. Viele Umweltprobleme sprengen den bisher bekannten Rahmen und machen vor der Haustr oder den Landesgrenzen nicht Halt. Weltweit haben z. B. Wetterextreme immer hu ger Katastrophen zur Folge.

    E Unser Planet: Umwelt und Nachhaltigkeit

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    Wasser, Boden, Luft unsere natrlichen Lebensgrundlagen sind in Gefahr. Nur durch abgestimmtes Handeln kann einer problematischen Entwicklung begegnet werden. Eine gute Gelegenheit, die (noch nicht berzeugende) Geschichte der Umwelt- und insbesondere der Klimakonferenzen zu thema-tisieren.

    E 5 deutet auf ein anderes Problem hin: Fast ein Sechstel der Weltbevlkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trink-wasser. Die Zahl der Lnder mit dramatischem Wassermangel wird sich in den nchsten 50 Jahren auf 38 verdoppeln. In diesem Zusammenhang knnte ein Zitat von Klaus Tpfer, Direktor der UN-Umweltorganisation, diskutiert werden: Ich verstehe globale Umweltpolitik insbesondere die Po-litik einer nachhaltigen Entwicklung als den Kernpunkt einer vorsorgenden Friedenspolitik.

    E 6 macht auf einen die internationale Dimension noch ver-schrfenden Aspekt aufmerksam: Die Lnder der Dritten und Vierten Welt, die Schwellenlnder und die Gromchte der Zukunft, wie z. B. China und Indien, haben einen groen Nachholbedarf an industrieller und individueller Entwick-lung. Hier werden Umweltprobleme oft nur sekundr oder noch gar nicht wahrgenommen. Wie kann ein Ausgleich zwischen dem berechtigten Streben nach Teilhabe und Le-bensstandard auf der einen und dem Schutz der globalen Umwelt auf der anderen Seite erreicht werden?

    E 7 darf als inzwischen klassische Karikatur nicht fehlen, wenn es um das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung geht: Wir drfen den Ast, auf dem wir bequem sitzen, nicht absgen. Wir mssen von den Zinsen leben, nicht von der Substanz. Wie knnten Wege aus der Gefahr aussehen?

    E 8 setzt beim individuellen Verhalten an. Jede und jeder Einzelne nicht nur die Politik, die Wirtschaft oder die Verwaltung kann eine Menge dazu beitragen, dass zwi-schen hohem Lebensstandard und Umweltschutz kein un-berbrckbarer Gegensatz entsteht. Allerdings sollte das Verhalten nach Mglichkeit konsequenter und nachhaltiger sein, als es der Zeichner karikiert.

    E 9 nimmt stereotype Verhaltensweisen der Brger, aber auch der Politiker aufs Korn. In vielen Sitzungen wird dis-kutiert, werden Appelle meist an die anderen formuliert und Resolutionen verfasst. Die konkrete Umsetzung lsst dann allerdings oft auf sich warten oder unterschreitet die gesteckten Ziele. Das wiederum drckt auf die notwendige Motivation, Gedanken der Nachhaltigkeit in das moderne Leben zu integrieren.

    E 10 bildet die radikale Auffassung mancher Kritiker der in-dustriellen Wirtschafts- und Lebensweise ab. Hier kann eine grundstzliche Diskussion ber die Ziele einer nachhalti-gen Entwicklung und einer kologisch orientierten sozialen Marktwirtschaft begonnen werden.

    Die Zeichnung Macht euch die Erde untertan und das mo-tivierende Zitat aus der Rede des Indianerhuptlings Seattle (1855) in E 12 sollen abschlieend noch einmal den Blick fr unsere Zukunftsfhigkeit schrfen. Dabei knnen andere Betrachtungsweisen und Feststellungen, wie z. B. der den Amish People zugerechnete Spruch in E 11, sehr hilfreich sein: Eine nachhaltige Entwicklung ist im Interesse der nachfolgenden Generationen ohne Alternative.

    E Unser Planet: Umwelt und NachhaltigkeitSt

    aube

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    E 1

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    E Unser Planet: Umwelt und Nachhaltigkeit

    Thom

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    Bodenversiegelung

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    so leben wir alle Tage ...

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    E Unser Planet: Umwelt und Nachhaltigkeit

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    Klimawandel: Die Menschen denken um!

    Burk

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    ... aber wer will das schon!?

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    E 10

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    E Unser Planet: Umwelt und Nachhaltigkeit

    Was die Erde befllt, befllt auch die Shne der Erde. Ihr msst eure Kinder lehren, dass der Boden unter ihren Fen die Asche unserer Grovter ist. Damit sie das Land achten, erzhlt ihnen, dass die Erde erfllt ist von den Seelen unserer Vorfahren. Lehrt eure Kinder, was wir unsere Kinder lehren: Die Erde ist unsere Mutter. Was die Erde be-fllt, befllt auch die Shne der Erde. Wenn Menschen auf

    die Erde spucken, bespeien sie sich selbst. Denn das wissen wir, die Erde gehrt nicht den Menschen, der Mensch gehrt zur Erde das wissen wir.

    Aus der Rede des Huptlings Seattle vor dem Prsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1855: Wir sind ein Teil der Erde.

    Rein

    hold

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    er

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    itzi

    nger

    Ich jedenfalls verleih nie wieder etwas.

    E 11

    E 12

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    F Leben in der demokratischen GesellschaftKarikaturen F 1 F 10

    Auch wenn es vielen Menschen nicht bewusst ist: Nicht alles ist Politik, aber Politik ist in allem (Alfred Grosser). Viele sind mit staatlichem Handeln, mit den Parteien und mit den Politikern unzufrieden und uern Kritik, die in der Demokratie nicht nur legitim, sondern auch wichtig ist. Aber nur wenige sind zu irgendeiner Form von politischer Beteili-gung und Engagement bereit. Dabei ist es wichtig, dass sich mglichst viele Brgerinnen und Brger an der Gestaltung der demokratischen Gesellschaft beteiligen.

    Eine der wichtigsten Spielregeln in der Demokratie ist das Mehrheitsprinzip. Danach entscheidet bei Abstimmungen und Wahlen die Mehrheit, die Minderheit anerkennt die Mehrheitsentscheidung. Sie kann danach darauf hinarbeiten, dass sie zu einem spteren Zeitpunkt bei neuen Abstimmun-gen die Mehrheit erringt. Um das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft fr alle mglichst ertrglich und kon iktfrei zu gestalten, gilt es, sich auf gemeinsame grundlegende Werte zu verstndigen und diese auch einzu-halten. In Deutschland basiert ein groer Teil dieser Werte auf dem Grundrechtekatalog.

    In jngster Zeit mehren sich Berichte ber eine zunehmende Politikverdrossenheit bei weiten Teilen der Bevlkerung. Verschiedene Untersuchungen weisen jedoch nach, dass es eine allgemeine Politikverdrossenheit nicht gibt. Die Kritik richtet sich eher gegen einzelne Politiker und Einrichtun-gen der politischen Willensbildung wie zum Beispiel die Parteien.

    Kommunalpolitik wird gerne auch als Politik vor der Haus-tr bezeichnet. Bei Wahlen zu den Kommunalparlamenten knnen die Brgerinnen und Brger Ein uss darauf nehmen, wer in der folgenden Legislaturperiode die Angelegenheiten der Gemeinde mitgestaltet. Damit entscheiden sie darber, wie die Kommunalpolitik in der nchsten Wahlperiode ge-staltet wird.

    Die zu lsenden Aufgaben und Probleme fr die politisch Handelnden nehmen eher zu, als dass sie weniger wrden. Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, rechtzei-tig auch junge Menschen fr Politik zu interessieren, denn sie werden die Aufgaben der Zukunft bewltigen mssen. Die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre ist eine von vielen Manahmen, die dazu beitragen knnten, Interesse und Engagement besonders bei Jugendlichen zu frdern.

    Das Hineinwachsen in die demokratische Gesellschaft ist fr viele Jugendliche nicht einfach. Erleichtert werden kann es durch ein mglichst frhzeitig entwickeltes Interesse, sich an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen, etwa durch Mitgestalten des Schullebens oder durch die Mitwirkung in Jugendorganisationen, Jugendforen und -parlamenten.

    Schon der ehemalige Bundesprsident Theodor Heuss war davon berzeugt: Demokratie lebt vom Ehrenamt. Die eh-renamtliche Mitarbeit der Brgerinnen und Brger in vielen gesellschaftlichen Bereichen trgt mageblich zur Gestal-tung der gesellschaftlichen Entwicklung bei und macht unsere Demokratie zukunftsfhig.

    DIE KARIKATUREN UND IHRE THEMEN

    F 1 zeigt, dass Demokratie als Herrschaft des Volkes nur dann gewhrleistet ist, wenn sich mglichst viele Menschen am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess beteili-gen. Dabei wird gar nicht erwartet, dass dies ausschlielich in politischen Parteien geschieht, denn fr die Brgerbe-teiligung gibt es in der demokratischen Gesellschaft viele weitere Mglichkeiten und Handlungsfelder.

    Wer sich in demokratischen Prozessen engagiert, muss wissen und gegebenenfalls auch ertragen , dass als tra-gendes Element der Demokratie das Mehrheitsprinzip gilt. Die in F 2 etwas bedrohlich dargestellte Situation kann unter zwei Gesichtspunkten differenzierend errtert werden: Zum einen kann und sollte man rechtzeitig lernen, mit Sieg oder Niederlage als etwas Normalem umzugehen, zum anderen besteht immer auch die Mglichkeit, nach einer Niederlage zu einem spteren Zeitpunkt die Mehrheit zu erringen. Mit der Karikatur kann aber auch das Thema Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz diskutiert werden.

    Anhand von F 3 lsst sich ein Wertekatalog zusammen-stellen und ergnzen. Zudem stellt sich die Frage nach der Bedeutung und Gewichtung der Tugenden und Werte fr das Zusammenleben in der demokratischen Gesellschaft. Schlielich wre zu hinterfragen, warum Anspruch und Wirk-lichkeit nicht selten auseinanderklaffen.

    F Leben in der demokratischen Gesellschaft

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    Folgt man der Aussage von F 4, dann scheint es um die ge-genseitige Einschtzung von Volk und Politikern nicht gut zu stehen. Dem mgen sowohl negative Erfahrungen wie auch unzureichende Kenntnisse oder Vorurteile zugrunde liegen. Vor diesem Hintergrund bietet sich um die Proble-matik nicht nur theoretisch anzugehen ein Gesprch mit einer Politikerin oder einem Politiker an.

    F 5 karikiert die auf der einen Seite oftmals schwerver-stndliche Fachsprache der Politikerinnen und Politiker, auf der anderen Seite aber auch das mangelnde Verstndnis insbesondere von Jugendlichen fr das, was in der Politik abgeht. Whrend sich in der Konsequenz die politisch Han-delnden brgernher und verstndlicher prsentieren soll-ten, hngt ein fruchtbarer Dialog zwischen Politik und Volk aber natrlich auch von der informierten Brgerschaft ab.

    Das Wahlsystem bei Kommunalwahlen in Baden-Wrttem-berg ist fr viele Whlerinnen und Whler nicht ganz einfach nachzuvollziehen, wie F 6 zuspitzend zum Ausdruck bringt. Andererseits gibt es bei keiner anderen Wahl derart viel eigenstndigen Gestaltungsspielraum fr die Whler. Dieser wird insbesondere durch die Mglichkeit zum Kumulieren und Panaschieren gewhrleistet.

    F 7 macht auf die Mglichkeiten brgerschaftlichen Engage-ments auerhalb der politischen Parteien oder geschlossener Interessengruppen aufmerksam. So knnen sich Brgerinnen und Brger in Initiativen zusammenschlieen, um beispiels-weise Planungen zu beein ussen oder zu verhindern, die ihre Interessen tangieren oder ihnen zuwiderlaufen. Ebenso

    gut knnen Brgerinitiativen aber auch die Realisierung von Projekten vorantreiben und realisieren, denen die Politik zu wenig oder gar keine Aufmerksamkeit schenkt.

    F 8 bietet die Mglichkeit, die dargestellten Problemfelder in ihrer jeweiligen Bedeutung fr die Gesellschaft zu errtern. Sie sind gegebenenfalls leicht um weitere aktuelle Beispiele zu ergnzen. Sicherlich ist es reizvoll, Lsungsvorschlge aus der Sicht von Jugendlichen zu erarbeiten und diese auf ihre Realisierungsbedingungen und -chancen hin zu berprfen.

    F 9 macht deutlich, dass das Hineinwachsen in die Gesell-schaft nicht immer ganz einfach ist. Bei der Beschftigung mit dieser Aussage knnen die Schlerinnen und Sch-ler ihre eigenen Erfahrungen einbringen und diskutieren, warum dieses Hineinwachsen oftmals mit Schwierigkeiten verbunden ist: Ist man selber noch zu klein oder strengt man sich zu wenig an, hngt die Klinke zu hoch oder fehlt die Untersttzung von lteren und Erfahrenen?

    Fr viele Brgerinnen und Brger ist das ehrenamtliche En-gagement ganz selbstverstndlich. Sie leisten damit einen wichtigen Dienst fr das Gemeinwohl und erfahren gleichzei-tig eine persnliche Befriedigung. F 10 macht deutlich, dass viele allerdings eher die Passivitt bevorzugen. In einem Unterrichtsgesprch, in das auch eigene Einschtzungen und Erfahrungen ein ieen werden, knnen diese unterschiedli-chen Sichtweisen und Einstellungen gegenbergestellt und bewertet werden. Die zustzlichen Zitate in F 10 knnen in dieses Gesprch einbezogen werden.

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    Wir tragen die Demokratie

    F 1

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    Der Staat ist fr die Menschen und nicht die Menschen fr den Staat da.Albert Einstein

    Fragt nicht, was euer Land fr euch tun kann, sondern fragt, was ihr fr euer Land tun knnt.John F. Kennedy

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    G Parlamentarische DemokratieKarikaturen G 1 G 10

    Demokratie heit wrtlich bersetzt Volksherrschaft. Dieser Anspruch ist in Artikel 20 des Grundgesetzes aufgenommen, in dem es heit: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Die Ausbung der Herrschaft durch das Volk kann in unterschied-lichen Formen geschehen. Da in modernen Grostaaten die Form direkter Demokratie kaum praktikabel ist, bertrgt das Volk die Herrschaftsausbung auf gewhlte Vertreter, seine Reprsentanten. In Deutschland sind dies die gewhl-ten Abgeordneten des Bundestages, der Landtage und der kommunalen Parlamente.

    Um die Vielfalt demokratischer Prozesse zu strken, haben die Vter und Mtter des Grundgesetzes die staatlichen Aufgaben und Befugnisse auf Bund und Lnder verteilt. Die Lnder wirken im Bundesrat bei der Gesetzgebung mit. Auch das Prinzip der Gewaltenteilung will eine zentrale und schwer kontrollierbare Machtausbung verhindern. Deshalb legt das Grundgesetz in Artikel 20 fest, dass die Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung (Legislative), der vollziehenden Gewalt (Exekutive) und der Rechtspre-chung (Judikative) ausgebt wird.

    In der modernen Massendemokratie spielen die politischen Parteien die zentrale Rolle im politischen Willensbildungs-prozess. Parteien fungieren als Mittler zwischen Brgern und Verfassungsorganen. Sie erarbeiten Programme und Problemlsungen, bieten Plattformen fr politische Betei-ligung und prsentieren Kandidatinnen und Kandidaten fr die Volksvertretungen in Bund, Lndern und Kommunen. Auch im Rahmen der parlamentarischen Arbeit spielen Par-teien eine wichtige Rolle: Die einen organisieren die Regie-rungsmehrheit, die anderen eine mglichst schlagkrftige Opposition. Fr alle gewhlten Abgeordneten gilt, dass sie sich nicht ausschlielich auf parlamentarische Arbeit fo-kussieren knnen. Die jeweilige Partei, fr die sie in das Parlament eingezogen sind, fordert von ihnen Einsatz und Engagement auf verschiedenen anderen Ebenen. Zudem wird ihr ffentliches Auftreten sowohl von den Medien als auch von den Whlerinnen und Whlern kritisch begleitet.

    Wahlen sind ein wesentliches Merkmal und ein zentraler Bestandteil der reprsentativen Demokratie. Durch sie ent-scheidet das Volk ber die Machtverteilung im Staat. Die Whlerinnen und Whler schaffen mit ihrem Votum die Le-gitimitt fr die Regierungsparteien. Sorgen bereitet den Parteien jedoch die immer grer werdende Gruppe von

    Nichtwhlern. Ihr Anteil betrgt inzwischen bei Bundes-tagswahlen ber 20 Prozent, bei Kommunal-, Landtags- und Europawahlen rund 50 Prozent.

    Die Verfassungsgeber haben sich aufgrund der negativen Erfahrungen in der Weimarer Republik fr ein reines Repr-sentativsystem entschieden. In den letzten Jahren mehren sich jedoch die Forderungen nach mehr direkter Beteiligung der Brgerinnen und Brger an politischen Entscheidungen. Neben den politischen Parteien gibt es in der pluralistisch verfassten Demokratie eine Vielzahl von Interessengruppen, auch Verbnde genannt. Die rechtliche Grundlage fr die Bildung und das Wirken von Verbnden ist der Artikel 9 des Grundgesetzes.

    Die ffentliche politische Kommunikation wre ohne die Medien nicht denkbar. Sie wird geprgt durch eine Art ge-genseitiger Abhngigkeit: Die Medien sind daran interes-siert, so viel wie mglich von und ber Politikerinnen und Politiker zu erfahren; diese wiederum bentigen die Medien fr ihre Selbstdarstellung und als Informationsquelle.

    DIE KARIKATUREN UND IHRE THEMEN

    G 1 dient als Impuls fr die Errterung der Idee, der Grund-lagen und der Prinzipien der parlamentarischen Demokratie. Gegebenenfalls sind andere Verfassungsmodelle zum Ver-gleich heranzuziehen, wie etwa das der Weimarer Republik. Anhand von G 2 lsst sich die Kontrollfunktion des Bundes-rates gegenber Bundestag und Bundesregierung errtern. Dabei kann auch darauf verwiesen werden, dass diese ebenso zusammenwirken und sich gleichzeitig gegenseitig kontrol-lieren (vertikale Gewaltenteilung).

    G 3 weist auf das wichtige Prinzip der Gewaltenteilung hin, mit dem eine zentrale Machtballung verhindert werden soll (checks and balances). In diesem Zusammenhang kann darauf verwiesen werden, dass die Trennlinie zwischen Le-gislative und Exekutive nicht mehr wie in der klassischen Parlamentarismustheorie zwischen Parlament und Regie-rung verluft, sondern zwischen Parlamentsmehrheit und Regierung auf der einen und der Opposition auf der anderen Seite.

    G Parlamentarische Demokratie

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    So bedeutend die Rolle der Parteien fr den politischen Willensbildungsprozess auch ist ihr Ansehen bei den Brgerinnen und Brgern hat in den vergangenen Jahren immer mehr abgenommen. Dies hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass lediglich knapp zwei Prozent der Brger Mitglied in einer politischen Partei sind. G 4 thematisiert das Glaubwrdigkeitsde zit der politischen Parteien. In diesem Zusammenhang knnen aktuelle Umfrageergebnisse herangezogen werden, die immer wieder von Meinungsfor-schungsinstituten verffentlicht werden.

    Abgeordnete sind gem Art. 38, Abs. 1 des Grundgesetzes Vertreter des ganzen Volkes und an Auftrge und Weisungen nicht gebunden. Sie haben ein freies Mandat und sind nur ihrem Gewissen unterworfen. G 5 weist darauf hin, dass es zu Kon iktsituationen kommen kann, wenn dem eigenen Ge-wissen Fraktionsbeschlsse gegenberstehen. In den Frak-tionen werden Parlamentsbeschlsse so vorberaten, dass es zu einem geschlossenen Abstimmungsverhalten kommen kann. Dies ist grundstzlich wichtig, um stabile Regierungs-mehrheiten zu sichern. Nur in besonderen Situationen wird das Abstimmungsverhalten den Abgeordneten und ihrem eigenen Gewissen berlassen.

    G 6 verweist auf den in der ffentlichkeit immer wieder kritisierten Umstand, wenn Politiker in enger Verbindung zu Wirtschaftsunternehmen stehen, in manchen Fllen sogar ohne erkennbare Gegenleistungen Gehalt von Firmen be-

    ziehen. Die Karikatur gibt den Ansto zur Diskussion ber eventuell daraus entstehende Abhngigkeiten und Interes-senver echtungen.

    Whrend fast alle Landesverfassungen Bestimmungen ber Volksbegehren und Volksentscheide enthalten, wurde auf der Bundesebene auf die Aufnahme von Elementen direkter Demokratie in das Grundgesetz aufgrund der Erfahrungen in der Weimarer Republik verzichtet. G 7 gibt Anlass zur kontro-versen Diskussion ber Volksabstimmungen.

    Die Karikatur und das Zitat in G 8 machen deutlich, dass die Parteien in ihren Wahlkmpfen alles Mgliche unternehmen, um die Brgerinnen und Brger zum Whlen zu animieren. Ergnzend kann errtert werden, dass Nichtwhler auf ihr ureigenes demokratisches Recht verzichten, sich durch ihre Stimmabgabe an einer berprfung und Bewertung der bis-herigen Arbeit von Regierung und Opposition zu beteiligen und gegebenenfalls an dem Zustandekommen anderer, von ihnen gewollter Mehrheitsverhltnisse mitzuwirken.

    Mit G 9 knnen die Bedeutung der Interessengruppen, ihre Arbeitsweisen und ihre Ein ussnahme auf die politische Willensbildung in der Demokratie untersucht werden. Die gegenseitige Abhngigkeit von Politik und Medien wird in G 10 thematisiert. In diesem Zusammenhang wre auch die zunehmende Bedeutung der Personalisierung von Politik darzustellen und zu errtern.

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    Wer in der Demokratie schlft, erwacht in der Diktatur.Hermann Glaser

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    H Soziale MarktwirtschaftKarikaturen H 1 H 11

    Im Gesetz zur Frderung der Stabilitt und des Wachs-tums der Wirtschaft, dem sogenannten Stabilittsgesetz von 1967, ist der Politik aufgetragen worden, sich um die entscheidenden Ziele einer Sozialen Marktwirtschaft zu be-mhen: Bund und Lnder haben bei ihren wirtschafts- und nanzpolitischen Manahmen die Erfordernisse des gesamtwirt