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Kasperls Kriegsdienst von Fritz Oberndorfer

Kasperls Kriegsdienst von Fritz Oberndorferlithes.uni-graz.at/downloads/oberndorfer_kasperls... · 2011-10-11 · [2] Vorwort Kasperls Ankündigung 7 von Fritz Oberndorfer Der leichtsinnige

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Kasperls Kriegsdienst von Fritz Oberndorfer

Fritz Oberndorfer: Kasperls Kriegsdienst http://lithes.uni-graz.at/texte.html

[1]

KASPERLS KRIEGSDIENST∗

Ein Spielheft

von Oberlt. a. D. Fritz Oberndorfer

Samt vier Stücken von Dr. Johannes Wurst

& dreizehn Zeichnungen von Leutnant Fritz Silberbauer

Herausgegeben von Hauptmann Robert Michel

∗ Fritz Oberndorfer: Kasperls Kriegsdienst. Ein Spielheft. Samt vier Stücken von Johannes Wurst & dreizehn

Zeichnungen von Fritz Silberbauer. Hrsg. von Robert Michel. Graz und Leipzig: Leuschner & Lubensky’s Universitäts-Buchhandlung 1917. Für die freundliche Genehmigung der Neuedition dieser Puppenspiele danke ich dem Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich, Linz, sowie der Familie Schrotta-Kukuvec, Grat-korn. Weiters bedanke ich mich für die Zustimmung zum Abdruck der Zeichnungen von Fritz Silberbauer herzlich beim Sohn des Künstlers, Herrn Götz Silberbauer, Les Sautarels/Murs (Frankreich).

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Vorwort

Kasperls Ankündigung 7

von Fritz Oberndorfer

Der leichtsinnige Kasperl Kasperl und seine Hendeln 13Kasperl und die Metallsammlung 20Kasperls Friedensschluß 27

Diese drei Stücke von Fritz Oberndorfer

Der Kasperl und der Doktor 33Der Kasperl und der Storch 37Der Kasperl und der Hahn 40

Diese drei Stücke von Dr. Johannes Wurst

Der wackere Kasperl Die Kasperln und ihre Geheimnisse 47Kasperl, Tod und Teufel 49Kasperl und die große Glocke 55Kasperl als Geburtstagsdiener 60Kasperl im Etappenraum 71Kasperl, Gespenst und Ungeheuer 84

Diese sechs Stücke von Fritz Oberndorfer

Kasperl als Zauberer Kasperls Nachspiel zum „Doktor Faust“ 93

Von Fritz Oberndorfer

Kasperl nach, von, über, unter, an und in England 101

Von Dr. Johannes Wurst

Kasperls Abkündigung 121

Von Fritz Oberndorfer

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VORWORT.

Wie alles, ist auch der Kasperl in den Kriegsdienst eingerückt. Es war ihm in den letzten Jahrzehnten nicht besonders gut gegangen, dem bunten Kerl, dem eine lustige Menschenhand den Leib abgibt. Seine kunst- und ziervolleren Vettern an Schnüren und Drähten, die Ma-rionetten-Kasperln, haben ihren Münchner Stammsitz in fröhlicher Würde behauptet und sich noch da und dort ein feines neues Haus aufgetan; aber der Jahrmärkte und Kinderstuben, in denen der Handpup-pen-Kasperl sein rechtes herzhaftes Wesen treiben durfte, sind immer weniger geworden, erwachsene Leute kümmerten sich nur selten mehr um sein Spiel. Und wo er noch auftrat, war er fast nie mehr der lustige Spaßmacher, in dem ein frisches Naturleben hell und rein aufsprudelte; er hatte den immer ver-söhnenden Glanz seiner Augen verloren, er vergaß Sprache und Handeln und es war Gefahr, daß er ver-blöde, daß er bald nur mehr voll und fett ohne Behagen und Lebenslust, faul und träge ohne Gemütlich-keit und Herzenslaune sein werde und immer besoffen, ohne je heitertrunken zu sein. Fraß und Suff in sich mehr oder minder zu verarbeiten, Prügel und ein paar gelallte Schimpfworte sinn- und ziellos hinzu-hauen, schien seines Wesens Ende zu werden. Es war höchste Zeit, daß der fröhliche Taugenichts, unseres Volkes geliebtes ungezogenes Kind, sich auf-raffte. Da und dort fand er eine treue haltende Hand, in die der Pulsschlag eines starken, lebensfrischen Herzens wirkte. An der Nordsee in Hamburg hielt ihn ein guter Onkel bei seiner alten Art fest; in Dres-den bekam er den Kopf neugeschnitzt zurechtgesetzt, so daß er wieder zu allem Lachen und allem Wei-nen, Stolzsein und Ducken, Pfiffig- und Dummsein fähig war; in der Innsbrucker Gegend trug der Höt-tinger „Peterl“ wohl noch manchen Fasching sein aus altem Spielgut köstlich gemengtes Weltabbild von Stube zu Stube herum; und im Hause Böcklin im Süden durfte

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fein ausstaffiert an manchem Abend „der tapfere Kasper nach Hause gehen“. Zu mir hat er sich in meinem Leben auch gerne gehalten und, von einer lieben Hand geführt, als sinnen-froher lustiger Kumpan gebärdet. Als Krieg wurde, hat er auch bald angeklopft. Doch mein eigener Kriegsdienst ließ mir für ihn keine Zeit. Als mich aber Erkrankung ins Haus zurückbannte, da konnte ich den Kerl mir vornehmen und ihn daraufhin anschauen, ob er als ein Rekrut abgerichtet werden könne. War doch der Hamburger Kasper Putschenelle inzwischen schon ins Feld in den Schützengraben gezo-gen. Sollte es mein Kasperl, der österreichische, nicht auch können, er, der einst in den Zauberkreis des Doktor Faust getreten war und dessen Wunderluftfahrt nach seiner Weise mitgemacht hatte? Er konnte es. Ich sah seinem gesunden Lebenskern die Tauglichkeit fürs Feld und fürs Hinterland, das auch seine ernsten Forderungen stellt, an. Soldatenkameraden von der Front sagten mir, daß er in einem Nachschube gern begrüßt würde. Er kann ja ein Stück Frohsinn herbeischaffen, das gerade so wertvoll ist als eine gefüllte Pfeife oder ein paar Zigaretten oder zwei Pulswärmer oder eine Taschenlampe. Ein Leut-nant zeichnete gleich auf, wie ihm ein Unterstand gebaut werden kann; ein Hauptmann stellt ihm eine of-fene Order zur Fahrt in Aussicht; schon nickte ein Soldat, oder gar ein Zugsführer, ihm als Kameraden zu. So wurde der Kasperl ernstlich mein Rekrut. Rasch mußte ich für diese neue Truppe eine Dienstvorschrift, eine Pritschen-Instruktion für diese neue Waffe aufstellen, Annahmen für seine taktischen Übungen im Spielgelände vorzeichnen. Auf einige, in Fröhlichkeit bedeutsame Wege hat ihn dann ein Feldkaplan mitgenommen, der es weiß, daß der Kasperl Feierlichkeiten in ihrer Länge nicht aushalten, aber gar wohl ihren Kern wundergläubig fassen kann. Die zwei spielenden Freundinnen übernahmen es neben ihrem Schwesterndienst noch, Kasperls Abrichtungs-Gefreite zu sein und ihn exerzieren und Gelenkübungen machen zu lassen, damit er für die

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neuen Zeiten geschmeidig werde, allerhand Gewandtheit und Haltung bekomme. Bei seiner Rekruten-Ins-pizierung und Parade hat er dann vor dem wohl- und strenggesinnten Stabe gut abgeschnitten. So hat er seine Ausbildung durchgemacht und ist marschbereit. Ein schlimmer Bub blieb er ja und ein leichtsinniger Kerl. Er ist’s mit Fug, um der Mitwelt den Spaß zu bringen, den sie will und den sie haben soll. Aber er ist mit seiner Kriegsdienstbestimmung herzenskräftiger und weitsinniger geworden. Er denkt an die besten Gestalten seines fröhlichen Geschlechtes als an seine Vorbilder; Papageno, Valentin und Le-on leuchten ihm da von der Menschenbühne herüber. Er will nicht bloß ein Lieferer des unentbehrlichen Spaßes und Frohsinnes, nicht ein Koch und Träger nur sein, er will als der über Tod und Teufel trium-phierende fröhlich-gute Kasperlschelm in die Reihe der Kämpfer und Sieger treten. Gebt ihm Gelegenheit, zu zeigen, was er kann. Mein Spielheft aber, wie es hier gedruckt vor euch liegt, soll nicht so gelesen werden, daß nur die Augen über die vielen schwarzen Buchstaben hinlaufen. Die Zunge muß sie in Laut und Mundart der Heimat fassen, die Hand muß jucken und zucken, als ob auf dem Zeigefinger der Zipfelmützenkopf säße und der Daumen und der Mittelfinger als buntbeärmelte Arme den Prügel hielten. Dann wird der lebendige Kasperl bei euch sein. Dieses Büchlein bringt er mit, nicht wie eine Schauspielerrolle, die er immer genau wiederholen sollte, sondern gewissermaßen als das Exer-zierregelement und die Schießinstruktion, danach er ausgebildet worden ist, und das Schießheft, darin ein-getragen steht, was er bisher beim Übungsschießen getroffen hat, damit seine neuen Befehlshaber ersehen, wie sie ihn nach seiner Wesensart verwenden können, zu neuen Aufgaben, neuen Zielen, neuen Treffern. Er soll immer wieder neue Stückeln verüben, und Frontsoldaten müssen ihn führen, wenn er in seinem Spiel etwa auch aus dem Leben des Feldes so schöpfen darf, wie er es hier aus dem Leben des Hinter-landes mit einem kleinen Vorstoß in den Etappenraum tat.

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In seiner neuen Kraft will er auch in den Kriegshilfsdienst der Heimat treten; er will auch in den Friedens-zeiten auf seinem Posten bleiben und im stehenden Heere des kräftigen Volkstums wirken. Für ihn soll es keine Demobilisierung geben. So grüßen er, der im Kriege wiedererstandene Kasperl, und ich, sein eiliger Abrichter, und meine fünf Ka-meraden bei diesem Werke die Feldsoldaten – meine alten lieben Kaiserjäger voran – und die Menschen der Heimat und die Tage des zu erringenden und auszubauenden Friedens. Nußdorf an der Donau, im Jänner 1917 Fritz Oberndorfer

Die Bezeichnungen „rechts“ und „links“ gelten vom Spieler aus, wobei bedacht ist, daß dieser die Kasperlpuppe ja meist mit der rechten Hand führen wird.

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KASPERLS ANKÜNDIGUNG.

Da bin ich und grüße ringsherum Mein hochverehrtes Publikum. Euch wundert: „Gibt’s denn heut ein Spiel? Ist denn der Kasperl im Zivil? Der Kasperl, dieser große Held, Ist der nicht als Soldat im Feld? Der stets frisch drauf bei jeder Hatz, Der wär’ beim Sturm doch recht am Platz, Und könnte seine Pritsche schwingen. Soll wo mit Dreinhaun was gelingen. O glaubt nur nicht, ich hätt mich druckt Und schön vorm Krieg vorbeigeduckt. Der Kasperl hat sich gleich gestellt

[8] Sofort zum Mitziehn in das Feld, Fürs Vaterland, – und ganz enorm Hätt ihn gefreut die Uniform. Doch immer heißt’s, ich wär zu klein! Es müssen doch auch Kleine sein! Dann hat mir wer gesagt ganz ehrlich, Ich wär als Kasperl unentbehrlich. Denn, wenn es jetzt auch scheint von vielen, Daß sie trotz allem Kasperl spielen, Soll überall doch für groß und klein Der echte, brave Kasperl sein, Der herzlich mitgeht mit der Zeit, Der da nicht raunzt, der frisch sich freut,

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Und der auch wird im Lande hinten Sich was für seine Prügel finden. Da geh ich halt einmal zu Haus Ein bissel auf Patrulle aus Und fang von da und dorten viel Herein mir in mein lustig Spiel. Wenn einer immer jammern tut, Beschwert den andern ihren Mut, Dem geh ich nach, bin gar nicht faul, Und will er reden, schwups, hat er eins am Maul. Und hab ich wo im Haus entdeckt, Daß einen Mehlsack wer versteckt, Klaps, klopf ich drauf, Daß ’s nur so staubt hellauf, Bis der ihn macht für andre auf. Und geht wo einer stolz dahin, Die Geldkatz voll von Kriegsgewinn, Klopf ich auf Taschen ihm und Ranzen, Daß die Banknoten fliegen und tanzen Fürs Rote Kreuz und billige Nahrung, Statt in die Geldfachaufbewahrung. Das gibt ein buntgemischtes Stück, Macht lachen, läßt noch mehr zurück.

[9] Doch muß man mir auch Freiheit lassen, Wenn so in Leichtsinn und in Prassen Der Kasperl einmal selber fallt, Dann denkt: das ist der Kasperl halt! Und lacht dazu! Und damit dann Hab ich für’n Krieg auch was getan. Denn Lachen ist Anisöl gegen alles Jucken Von Seelenläusen und anderen Mucken. Und lacht auch, wenn ich wein! Und wenn ich lach, Lacht mit und denkt doch ernst drauf nach! Und so mit allen meinen Stücken Vermag ich doch ins Feld zu rücken. Ich hab gehört, Soldaten haben In langer Weil im Schützengraben Schon auf ein Kasperlspiel gedacht; Da war der Kasperlkopf gemacht Aus einem Erdapfel! – Ich bin noch froh: Erdapfel ist besser noch als Stroh. Doch wird, gibt es nichts besseres zum Essen, Der Kopf gekocht und aufgefressen! –

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Doch auch aus echtem Holz geschnitzt Der Kasperl lang an der Front schon sitzt, Mit hartem Kopf und Händen, festen: In Nord und Süd, und Ost und Westen. So seht ihr also, kurz und gut, Der Kasperl im Krieg seine Pflicht auch tut. Ich selbst hab auch schon oft geträumt, Daß mir ein Platzl würd eingeräumt In einem Unterstand wo bei Verschlägen, Darüber sie Bretter und Zeltblätter legen. Dann für die Ruhestunden wird Der Kasperl dorthin zum Dienst kommandiert. Und mein Dienst ist: Poltern und Reden und Singen, Prügeln und Laufen, Heulen und Springen. Und dienstfrei laß ich mich nicht in der Ecken Etwa in eine Kisten stecken! Um mich zu zeigen wie die rechten Soldaten,

[10] Leg ich mich auf die Handgranaten, Weil ich mich schon immer für die intressier. Ich find, sie sind soviel ähnlich mit mir. Seht ihr das nicht? Da ist fürs erste Bei mir und ihnen der Kopf das Schwerste, Und zweitens: ganz von Blitzzeug voll, Und beide treiben wir’s recht toll. Werden drittens von einer Hand regiert Und wenn unser Werkl so richtig schwirrt, Kommt’s, viertens, rings zum Platzen immer, Bei mir vor Lachen, bei ihnen schlimmer. Doch des Abends leg ich mich zur Ruh Bequem in einem festen Schuh; Denn so auf einer Handgranaten Tät mir der Schlaf vielleicht doch nicht gut g’raten. Schön ist’s im Feld juchheirassa! Für heute bin ich bei euch da. Kriegsdienst soll jedes Stückel sein. Gleich kommt nun eins. Ich rück jetzt dazu ein.

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DER LEICHTSINNIGE KASPERL

[12] Der Kasperl

begrüßt

mit dem Stückl von den Hendeln des Hamburger Kasperonkels teilnehmende Nichte L. B.;

mit dem Stückl von der Metallsammlung

den Förderer von Kunst und Werk Hofrat Dr. A. B. und sein liebes Haus

in der Erinnerung an den 21. Jänner 1917, da er dort in die hohe Welt hineinkugeln durfte;

und mit dem Stückl von seinem Friedensschluß

die tätige Tante S. G. im hundertsechzehnjährigen Hause,

welche die uralte Fleckerllade aufgesperrt und ihm die schöne Krause und dem Zimmermann den rechten Kittel gemacht hat.

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KASPERL UND SEINE HENDELN.

KASPERL streut Getreidekörner aus. Pipi pipipi – pipi – Körnderln – freßts Körnderln, meine Hendeln! Freßts und werd’ts fett, damit der Kasperl einen guten Festtagsbraten hat!

FRAU KASPERL kommt. Aber Kasperl, du dummer Kasperl, was machst du denn! Auf offner Straßen füt-tert er die Hendeln mit dem verbotenen Korn, als ob Frieden wär und nicht Krieg, wo auf dem Korn-verfüttern so große Strafen stehen, wo wir überhaupt außer meinem Kochmehl alles hätten abliefern sollen! – – Eingesperrt werden wir, wenn’s der Schandarm sieht. Und g’sagt haben wir, daß wir über-haupt kein Getreide mehr hätten. Doppelt werden wir eingesperrt.

KASPERL. So? Doppelt? Da müssen wir aber geschwind ausmachen, für was ein jedes eingesperrt wird. Fürs Füttern oder fürs Verheimlichen.

FRAU KASPERL. Du gewiß fürs Füttern, du Tepp.

KASPERL beiseite. Wenn ich nur wüßt, wo die Straf kleiner ist! Zur Frau: Also gut, ich fürs Füttern! Aber nicht beide zu gleicher Zeit. Es muß ja wer da sein zum Hendelfüttern. Beiseite: Da bin ich wenigstens mein’ Frau eine Zeit los, sogar eine doppelte Zeit: zuerst kann sie sich allein in der Wirtschaft plagen und ich schlaf mich im Gefängnis fein aus und dann bin ich allein z’ Haus und sie kann mir nicht auf die Finger schauen. Juchhe!

FRAU KASPERL. Was schreist du denn?

KASPERL. Ich freu mich, – daß wir eingesperrt werden.

FRAU KASPERL. Die Freud werd ich dir bald verschaffen. Die kannst in unserm finstern Bodenkammerl haben. Ab.

KASPERL. Pipipi – pipipi –

SCHANDARM kommt. Guten Tag, Herr Kasperl.

KASPERL. Jessas, wer ist denn da? Ah – der – Herr – Schandarm – der Herr Schandarm! Ja – was macht denn der Herr Schandarm da? – Diebe und Räuber suchen? Ist was gestohlen worden, weggeschafft, weggetragen?

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SCHANDARM. Nein. Es ist etwas nicht weggeschafft und nicht weggetragen worden. Darum bin ich hier.

KASPERL. So? Und darum ist der Herr Schandarm hier. – Ja – aber dann ist es doch da –

SCHANDARM. Es sollte aber nicht da sein.

KASPERL. Was ist denn das?

SCHANDARM. Getreide. Korn ist in der Gegend verheimlicht und nicht abgeliefert worden und wird da im geheimen verkauft oder verfressen oder gar verfüttert.

KASPERL. Ja – was sollte man denn anderes damit machen, Herr Schandarm?

SCHANDARM. Es öffentlich verkaufen oder mit staatlicher Bewilligung und nach gesetzlichem Maße auf-essen oder verfüttern.

KASPERL. Ja – der Krieg ist halt so viel schwer. Früher hat der Herr Schandarm schauen müssen, daß nichts wegkommt, jetzt muß der Herr Schandarm auch schauen, daß nichts da bleibt.

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SCHANDARM. Sind das schöne Hendeln, fette …

KASPERL. Dort drüben, ist dort nicht ein Flieger, Herr Schandarm?

SCHANDARM. Ich höre keinen.

KASPERL. Aber vielleicht sehen! Wenn sich der Herr Schandarm umdrehen täte.

SCHANDARM. Einen Flieger hört man zuerst. – Wem gehören denn diese fetten Hendeln?

KASPERL. Diese Hendeln? Ja, das sind – das sind – meine Hendeln, das heißt, das sind meiner Frau ihre Hendeln. – Oder auch meine Hendeln. Ja, wir leben so gut zusammen, meine Frau und ich, daß es ganz gleich ist, ob es meine Hendeln sind oder ihre. Hat der Herr Schandarm auch eine Frau?

SCHANDARM. Nein. – Also das sind Ihre Hendeln, Herr Kasperl. Schöne Hendeln! Womit füttert ihr diese Hendeln?

KASPERL. Diese Hendeln?

SCHANDARM. Ja.

KASPERL. Gott, mit allerhand! –

SCHANDARM. Nun –?

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KASPERL. Ja, so mit dem und mit jenem. – Beiseite: Wenn ich nur wüßt’, womit man jetzt erlaubterweise die Hendeln füttern darf!

SCHANDARM. Also, wenn der Herr Kasperl es nicht weiß, werde ich halt die Frau Kasperl fragen.

KASPERL. Nein, Herr Schandarm. Natürlich weiß ich’s. Wenn der Herr Schandarm es wissen will.

SCHANDARM. Ja, der Herr Schandarm will es wissen.

KASPERL. Dann soll er es auch erfahren. Pipipi – pipipi – kommt, meine Hendeln, kommt, sagt es dem Herrn Schandarm, was er wissen will.

SCHANDARM. Herr Kasperl, machen Sie keine Späße!

KASPERL. O nein! Beiseite: Was sag ich denn nur?

SCHANDARM. Herr Kasperl, ich frage Sie im Namen des Gesetzes, womit Sie Ihre Hendeln füttern.

KASPERL. Ja – Herr Schandarm, es sind halt so schwere Zeiten, man weiß nicht, was man den Hendeln geben sollt’, daß sie’s wirklich mögen. Wissen Sie, Herr Schandarm – und da – und da – – und da geb ich halt den Hendeln jeden Tag das Geld, das Menaschegeld, und sie können sich davon kaufen, was sie wollen. Sehen Sie, dann schmeckt’s ihnen und da werden sie so fett.

SCHANDARM. Das hat der Herr Kasperl ja schön eingerichtet. Da muß ich wirklich einmal die Hendeln selber fragen, was sie sich kaufen. Ich habe jetzt beim Wirt und auf dem Gemeindeamt zu tun. Ich kom-me dann wieder. Schaut im Abgehen auf den Boden und dreht sich wieder um: Was ist denn da auf dem Boden? Das sind ja Getreidekörner! Wie kommen die vor Ihr Haus, Herr Kasperl?

KASPERL. Getreidekörner? Sind das Getreidekörner? Ja – wirklich, es sind Getreidekörner. Tut es denn Getreide regnen! Der Herr Pfarrer sagt, es hat in der Wüste für die Juden Mana geregnet. Vielleicht reg-net es jetzt in der Kriegsnot Getreide, Getreide für dem braven Kasperl seine Wirtschaft.

SCHANDARM. Herr Kasperl, diese Körner müssen aus Ihrer Wirtschaft gekommen sein. Hier fährt kein Wagen und geht niemand mit Getreide.

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KASPERL. Ja, dann ist es der Marder gewesen. Ja, gewiß, der Marder. Der schleicht oft um meinen Hen-delstall, und da wird er halt wo – wo anders Getreide gestohlen gehabt haben, und der Sack hat ein Loch gehabt und da hat er’s verloren.

SCHANDARM. So? Ein Marder, meint der Herr Kasperl? Ich meine, daß es ein Hamster verstreut hat, ein großer, schlimmer Hamster. Jetzt kenn’ ich Ihre Wirtschaft, Herr Kasperl! Auf Wiedersehen! Ich kom-me gleich wieder vorbei. Geht ab.

KASPERL. Uije, Uije! Mir scheint, der Kasperl sitzt in der Tinten. – Kunigundl, Kunigundl! Frau Kasperl kommt. Klaub die Körndeln z’samm, hilf mir die Hendeln in den Stall sperren. Pipipi – pipipi – psch – psch, marsch in die Steigen, der Herr Schandarm erlaubt nicht, daß Ansammlungen auf dem Wege statt-finden.

FRAU KASPERL. So? War der Schandarm da? Na, was hat er denn gesagt?

KASPERL. O, der hat feine Wörterln gsagt. Die sind mir wie Fischangeln in die Ohrwascheln gefahren und ich spür’s, wie er mich langsam rauszuckt. Das hast du mir eingebrockt, du Malefizweibsbild!

FRAU KASPERL. Was? Du mit deinem Füttern auf offner Straßen bist schuld.

KASPERL. Aber daran bist du schuld.

FRAU KASPERL. So? Gibt ihm eine Ohrfeige. Warum bin ich schuld?

KASPERL gibt ihr eine Ohrfeige. Wenn ich dich nicht geheiratet hätte, hätt’ ich kein Haus nicht, hätt’ ich keine Wirtschaft nicht, hätt’ ich keine Hendeln nicht, kein Getreide nicht, also könnt ich auch an keine Hen-deln kein Getreide nicht verfüttern.

FRAU KASPERL. Aber du hast mich geheiratet und fütterst Hendeln und kriegst diese Tachtel. Gibt ihm noch eine Ohrfeige und lauft ab.

KASPERL. Ja, das ist das Zeugnis dafür, daß sie meine Frau ist. Ich brauch keinen Trauschein mehr – Pipi – psch – psch – guckt an der Seite hinab. Seids alle da, meine Hendeln? Ja, was ist das? Die große schwarz-grün-

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kropfate und die schöne weißgelb-schopfate sind ja nicht da. Pi, pipi, pi, pi! – O, meine zwei schönsten, fettesten Hendeln! – Pi – pi!

SCHANDARM kommt. Was schreit der Herr Kasperl denn?

KASPERL. Mir gehen zwei Hendeln ab. Pi – pi!

SCHANDARM. Die werden sich halt was kaufen gegangen sein und haben sich anstellen müssen. Sie wer-den schon später kommen.

KASPERL. Kaufen? Kaufen gegangen? Anstellen? – Meine Hendeln? – Hendeln?

SCHANDARM. Ihre Hendeln. Freilich, die müssen sich doch die Menaschi kaufen! Was für Hendeln fehlen Ihnen denn?

KASPERL. Die schöne weißgelb-schopfate und die große schwarzgrün-kropfate.

SCHANDARM. Oh, das sind böse Zeichen. Ja, das stimmt, ein schöner weißgelber Schopf und ein großer schwarzgrüner Kropf. Herr Kasperl, da muß ich Ihnen eine böse Nachricht sagen. Ihre zwei Hendeln sind mit dem Geld ins Wirtshaus gegangen, haben es in Schnaps vertrunken, sind besoffen worden und haben Krawall gemacht.

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KASPERL. Was? Hendeln werden ins Wirthaus gehen?

SCHANDARM. Andre Hendeln nicht, aber so gescheite Hendeln, wie dem Herrn Kasperl seine Hendeln, die selber für sich einkaufen, die können auch ins Wirshaus [!] finden. Die heutige Zeit ist halt so schlecht.

KASPERL. Oje! Oje! Meine Hendeln! Gleich geh ich sie holen!

SCHANDARM. Das braucht es nicht, Herr Kasperl. Die sind schon aufgehoben. Sie haben so argen Kra-wall geschlagen, daß sie selbständige Hendeln sind, weil sie das Menaschegeld haben und sich kaufen dürfen, was sie wollen, und haben so arg geschimpft über die Obrigkeit und den Herrn Kasperl voran, weil er sie gar so knapp ganz genau nach dem Gesetz haltet!

KASPERL. O die Ludern, so zu lügen!

SCHANDARM. Aber, Herr Kasperl. Ihr haltet sie doch –

KASPERL. Ja. Ja – Freilich. – Aber –

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SCHANDARM. Schon gut. Also, sie haben sich gegen den Herrn Kasperl als ihre vorgesetzte Obrigkeit em-pört, und ich habe sie verhaften müssen. Dabei haben sie nach mir gehackt, hier auf dem Finger habe ich eine blutige Verwundung. Das ist Auflehnung gegen die Staatsgewalt, jetzt ist Standrecht. Die Hen-deln werden hingerichtet. Bis dahin sind sie im Gemeindekotter.

KASPERL. Was? Hingerichtet? Meine zwei schönsten Hendeln hingerichtet?

SCHANDARM. Ja, sie sind der Strafe verfallen.

KASPERL. O weh! Uije! O weh! Uije! So ein Unglück! So ein Unglück! Beiseite: Na, wenn’s sein muß! Sie sind ja so schon ganz gut fett und übermorgen ist Himmelfahrt und in vier Tagen Sonntag. Da eß ich halt jeden Festtag eines. Und wenn’s sein müßt’, ich freß auch an einem Wochentag alle zwei. Und ab-stechen brauch ich sie jetzt auch nicht selber! – Zum Schandarm, weinend: Und wann werden sie denn hin-gerichtet? Und wo kann ich sie dann zum Begräbnis abholen?

SCHANDARM. Sie werden noch seziert!

KASPERL. Was? Sekkiert? Die Folter ist doch abgeschafft.

SCHANDARM. Nach dem Tode werden sie aufgeschnitten.

KASPERL. Ah so! Ja, ausgenommen müssen sie werden. Aber die Leber fein dabei lassen! Die eß ich be-sonders gern.

SCHANDARM. Der Herr Kasperl will also die Hendeln in seinem Bauch begraben!

KASPERL. Ich wüßt keinen besseren Ort für sie, ich hab’ sie ja weinend so gern gehabt. – Aber warum schneiden Sie sie denn auf? Ich tät’ das schon selber.

SCHANDARM. Um etwa die Spur eines Verbrechens zu finden.

KASPERL. Was? Verbrechen? Wo?

SCHANDARM. Nun, zum Beispiel im Kropf, Körner.

KASPERL. Was geschieht denn dann, zum Beispiel, wenn man zum Beispiel im Kropf zum Beispiel Kör-ner findet?

SCHANDARM. Dann wird der Schuldige streng und lang bei Wasser und Bohnenhülsen eingesperrt und die Hendelleichen verfallen dem Staate.

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KASPERL. Was? Eingesperrt soll ich werden und keinen Hendelbraten kriegen? Darum hab’ ich meine Müh und Not gehabt?

SCHANDARM. Ja, sind Sie denn der Schuldige, Herr Kasperl?

FRAU KASPERLS STIMME. Kasperl, komm zum Fenster! Kasperl tritt an die Seite. Der Gemeindediener hat den Buben hergeschickt, er sollt’ dem Herrn Schandarm sagen, der Marder hätt’ seine Gefangenen ge-holt.

KASPERL prallt zurück. Was?

SCHANDARM im Abgehen. Herr Kasperl, diesmal wird es wohl der echte Marder gewesen sein.

KASPERL ihm nachrufend. Verfolgen Sie ihn, verhaften Sie ihn, Herr Schandarm! – Nein, lassen Sie es, es möcht’ doch nichts mehr nutzen. Zu den Zuschauern: Soll der Marder den Kropf visitieren, der verrät nichts. O weh! O weh! Du schöne weißgelb-schopfate! Du große schwarzgrün-kropfate! Lebt wohl, lebt wohl beim Marder alsa toter! – Aber der Kasperl ist frei und kann im nächsten Stück wieder spielen. Kunigundl, jetzt komm ich essen. Lauft ab.

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KASPERL UND DIE METALLSAMMLUNG.

KASPERL kommt aus seinem Haus heraus. Bums! Die Haustür ist zu, ich bin auf der Straßen und mein eigener Herr! – Da drin im Haus kann meine Frau noch so schimpfen, ich geh jetzt auf einen Frühschoppen zu meinen Freunderln beim „Ewigen Faßl“. Wir müssen doch die neuesten Kriegsnachrichten bereden. Er fällt nieder: Oha! Was steht denn da im Weg? Ah, der Mistkübel, heute kommen die Misträumer. Aber wenn du dich da hinterhältig herstellst und mich zu Fall bringst, dann bist du kein Mistkübel, sondern ein Mistvieh und verdienst Prügel. Er haut auf ihn los. Denn wenn du ein Vieh bist, kannst du laufen und mir Platz machen. Verstanden? – Ach Gott, man hat seine Müh’ und Arbeit, bis man zu seinem Früh-schoppen kommt. Dreht sich plötzlich wieder um. Jetzt hab ich die Brotkarte vergessen und müßt mein Gu-lasch ohne Brot essen. Und so ein Gulaschsaft ist ohne Brot grad wie der Kasperl, der ohne Zuhörer seine Witz hinausschreien müßt. Das ist nicht das rechte. Ja, ihr seid mein Brot [das krieg ich aber ohne Brotkarten] und ich bin der Gulaschsaft dazu [auch an fleischlosen Tagen, da grad ganz besonders]. Nicht wahr? Drauf tät halt ein Glasl Bier ghören! Ruft ins Haus: Frau, Frau! Urschel, gib mir meine Brot-karte!

FRAU KASPERL von innen. Die brauch ich selber.

KASPERL. Gehst du ins Wirtshaus oder ich? Meine Brotkarte verlang ich!

FRAU KASPERL von innen. Die gehört ins Haus.

KASPERL. Aber wenn ich im Wirtshaus bin?

FRAU KASPERL kommt mit einem Kochlöffel heraus. Du gehörst auch ins Haus, du brauchst nicht ins Wirts-haus zu gehen.

KASPERL. Aber ich geh, und meine Brotkarte soll auch gehen.

FRAU KASPERL. Deine Brotkarte brauche ich.

KASPERL. Zu was denn?

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FRAU KASPERL. Zum Kochen.

KASPERL. Dazu brauchst du einen Löffel, aber keine Brotkarten.

FRAU KASPERL. Dann kannst du mit den Schweindeln essen, die haben auch keine Brotkarten.

KASPERL. Frau! Gib mir meine Brotkarte. Ich gehe sonst auf die Polizei. Du enthältst mir die Brotkarte vor. Die ist mir persönlichst vom Staate verliehen worden. Für meine Verdienste für das Vaterland.

FRAU KASPERL. Deine Verdienste? Die möcht ich kennen!

KASPERL. Ich lebe fürs Vaterland. Das ist genug. Also her mit der Karte.

FRAU KASPERL. Dann kriegst du aber die ganze Woche bei mir nichts mit Mehl gekocht. Das darf ich nur, wenn ich deine Brotkarten hab. Ich halte mich nach dem Gesetz. Das ist mir vom Staate aufgetragen. Im Hinausgehen beiseite: So, jetzt muß der Lump zu Hause bleiben, der Wirtshausrenner.

KASPERL schreit ihr nach. Was? Du gibst mir keine Brotkarte?

FRAU KASPERL von innen. Neieieiein!

KASPERL. So geh ich ohne! – Aber da kann ich mir kein Brot kaufen und meine Freunderln werden mich auslachen und sagen, meine Frau hat die Hosen an. Das ist aber nicht wahr. Die Hosen hab ich, aber meine Frau hat die Brotkarten. Ich muß mir eine Abhaltung vom Frühschoppen finden! O du verflixtes Weibsbild, wenn ich dir nur was antun könnt! „Sie haltet sich nach dem Gesetz!“ Oh, oh, oh! Rennt gegen ein Straßeneck an. Was steht denn da wieder angeschlagen? Liest: „Ablieferung von Metallgeräten für Kriegszwecke.“ Geht mich nichts an, ich könnt nur Versatzzetteln abliefern. Zu Haus hab ich nichts. Oder –? Da fallt mir was ein! Wart, du spitzige Kratzbürsten, du Brummkreisel, du alte Schebbern, jetzt bring ich dich an, jetzt bin ich dich los. Auf den Altar des Vaterlandes, zur Metallsammlung gebe ich dich, zur Metallsammlung für Kriegszwecke, du altes Eisen! Kriegszwecke, ja, das ist deine Stärke, das hast du eingeübt während unserer ganzen Ehe. Du wirst

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eine Trompete abgeben oder eine Kanon. Daß es kein Feind vor dir aushalt! Ruft ins Haus: Urschel!

FRAU KASPERL von innen. Laß mich, du kriegst keine Brotkarte!

KASPERL. Ich brauch keine Brotkarte, Urschel, liebe Urschel, ich gehe nicht ins Wirtshaus. Wir müssen geschwind aufs Gemeindeamt.

FRAU KASPERL von innen. So? Warum?

KASPERL. Es ist unsere gesetzliche Verpflichtung, auf dem Gemeindeamt zu erscheinen.

FRAU KASPERL von innen. Zu was?

KASPERL. Das wirst du erfahren.

FRAU KASPERL kommt heraus. Wer hat es denn gesagt?

KASPERL. Eben hab ich es erfahren. Amtlich erfahren. Also komm.

FRAU KASPERL ins Haus gehend. Da muß ich mich erst schön machen.

KASPERL. So, jetzt will sie sich schön machen! Ich hab sie als schieche haben können. Jetzt will sie sich putzen und ich hab das ungeputzte Häfen ausfressen dürfen. Zieht sie heraus. Komm, wir dürfen keine Zeit verlieren. Vorwärts. Geht Arm in Arm mit ihr dahin. Ach, Urschel, wie wir so gehen, werd ich so leb-

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haft an unsere Hochzeit erinnert. Beiseite: Damals hab ich dich gekriegt, heute bring ich dich an. – Ur-schel, tanzen wir, – tanzen wir aufs Gemeindeamt! Sie tanzen ab.

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DER GEMEINDESEKRETÄR kommt von links und sagt zurückschauend. Oh, ist diese Metallablieferung eine Ar-beit! Das ganze Zimmer nebenan ist schon voll von Sachen: Kupfer, Messing, Zinn. Man kann sich da-rin fast gar nicht mehr rühren. Schließlich wird diese Kanzlei hier auch noch ganz voll sein. Jetzt muß ich endlich auf dieser Tafel hier zusammenrechnen, wieviele Kilo schon abgeliefert worden sind. 3, 5, 6, 9, 15 … Rechnet an der Wand der linken Seite.

KASPERL kommt dienernd von rechts. Guten Tag, Herr Sekretär!

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SEKRETÄR. Nun, Herr Kasperl, was bringen denn Sie?

KASPERL sehr rasch. Ein altes Bügeleisen oder Reibeisen, mit einer kupfernen Nasenspitz, sehr schwer, mehr als 50 Kilo, gut erhalten. Für das Vaterland! In die Rumpelkammer!

SEKRETÄR. Also bringen Sie das Zeug! Mir nach in dieses Zimmer hinein! Geht links hinein.

KASPERL1 ist rechts hinausgegangen und schiebt seine Frau herein und will sie in die linke Seite hineinstoßen. Da! Da, meine Alte! Nehmen Sie sie zur Metallsammlung! Das Vaterland soll sie haben! Ich hab sie lang genug gehabt!

FRAU KASPERL sich wehrend. O du Haderlump, du Nichtsnutz, was willst du?

KASPERL. Hören Sie, wie sie rasselt? Das gibt eine Trompete! Nehmen Sie sie. Nur kurz den Abschied machen. Und zahlen Sie mich aus!

SEKRETÄR von innen. Herr Kasperl, das geht doch nicht, das ist doch kein Bügel- und kein Reibeisen!

FRAU KASPERL ihn schlagend und kratzend. Ich werde dich bügeln und reibeisenen! Hollah!

KASPERL. Sehen Sie, Herr Sekretär, sie sagt es selbst! Auweh! Frau Kasperl läuft hinaus. Auweh!

SEKRETÄR kommt heraus. Herr Kasperl, so ein Zeug, das da so herumrennt und herumpoltert, können wir nicht brauchen. Wo käme da die Magazinsordnung hin! Hier gehören nur feste Sachen, die stille liegen, her.

KASPERL abgehend. Jessa, jessas, ich kann sie doch nicht totschlagen!

SEKRETÄR. So eine Gesellschaft, diese Kasperlleute! Jetzt muss ich wieder von neuem zählen: 3, 5, 6, 9 …

KASPERL kommt wieder von rechts mit einem Schlüssel. Ich hab sie wieder fest. Die Ablieferung kann vor sich gehen. Ich habe sie in das dunkle Kammerl draußen gesperrt. Da ist der Schlüssel. Behalten Sie sie, ich gebe sie ohne Bezahlung, als Spende. Nur in die Zeitung sollen Sie’s geben, das möcht ich gern.

SEKRETÄR. Herr Kasperl, ich habe Ihnen doch gesagt …

KASPERL. Herr Sekretär, ich hab die Verordnung neu durchstudiert. Und wirklich ist darinnen auch für den

1 Editor. Anm.: Im Original wurden Regieanweisung und Figurenrede irrtümlich in direktem Anschluss an die

Rede des Sekretärs abgedruckt – dies wurde in der Edition berichtigt.

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armen, braven Kasperl vorgesorgt. Ja. Ich bin daraufgekommen, wie wir die Sache anschauen müssen. Und unter welchen Parakrapfen meine Frau gehört. Ich laß mich von der Ablieferung nicht abhalten, das wäre ja ein Vergehen. Nein, nur alles ordentlich und gesetzlich. Glutbecken sind abzuliefern. Sie ist ein Glutbecken, ja, ein rotkupfernes Glutbecken. Wie ich sie geheiratet hab, war sie ein Glutpfandl; dann war sie noch alleweil eine gute Wärmflaschen; und jetzt ist sie ein Gluthäferl, ja, das immer glüht.

SEKRETÄR. Das glaube ich, Herr Kasperl. Ihre Wangen schauen wirklich sehr angeglüht aus, die hat Ihnen wohl Ihre Frau so gut eingeheizt?

KASPERL. Na also, da sehen Sie’s ja! Also nehmen Sie sie, für den Schützengraben!

SEKRETÄR. So, Herr Kasperl? Das wollen Sie unseren Feldsoldaten schicken? Das soll wohl eine Liebes-gabe sein! Herr Kasperl, machen Sie keine Witze mit der Behörde, marsch, hinaus. Es ist die Urschel, Ihre Frau, damit basta!

KASPERL nach rechts abgehend. Ja freilich, damit ist es basta.

SEKRETÄR. Jetzt will ich endlich fertigzählen. 3, 5, 6, 9, 15, 17, 23, …

KASPERL von rechts, sehr bescheiden. Herr Sekretär, ich sehe alles ein, was Sie gesagt haben. Es soll von all dem Kupfer- und Weiberzeug keine Rede sein. Ich möchte nur ganz bescheiden halt auch was für den Krieg hergeben. Ein altes Eisen, eine alte Schebbern. Ganz umsonst. Ohne Zeitungnennen sogar. Darf ich?

SEKRETÄR. Das dürfen Sie. Also hinein damit.

KASPERL lauft rechts hinaus, kommt dann rasch hereingesprungen, seine Frau fest in den Armen haltend, und schmeißt sie geschwinde nach links hinein. Dort entsteht großer Lärm der getroffenen Metallsachen: So, da ist es. – Hören Sie, wie’s schebbert? – Ich habe die Ehre! Rennt nach rechts ab.

SEKRETÄR zieht die Frau Kasperl von links heraus. Kommen Sie, Frau Kasperl! Ist das ein böser Mann! Ich habe gar nicht gewußt, daß er so ist.

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FRAU KASPERL. So war er auch nie, das hat er sich nicht getraut. Da hat schon mein Löffel oder Besen-stiel dafür gesorgt. Nur jetzt ist er so geworden. O der Krieg, der Krieg, der macht alle so rabiat! Aber ich werd ihm jetzt helfen! Lauft ab.

SEKRETÄR. Und ich muß da drinnen Ordnung machen. Geht nach links ab.

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KASPERL. Sonst heißt es immer: Gold gab ich für Eisen. Beim Kasperl heißt’s: ein altes Eisen hab ich ge-geben und die goldene Freiheit hab ich dafür gekriegt. Jetzt lauf ich hier geschwind da in mein weibloses Haus hinein, da such ich meine Brotkarte und geh zum Gabelfrühstück. Geht ins Haus.

FRAU KASPERL. Wo ist denn der Lotter? Nirgends hab ich ihn gefunden. Ah, er ist einmal wirklich zu Haus. Was macht er denn da? Jetzt steht der Kerl bei meiner Schublade und kramt drin herum! O du verflixter Spitzbub! Mich zum alten Eisen zu werfen. Was könnt’ ich dir dafür nur antun?

STIMME DES HADERNSAMMLERS in singendem Tonfall rufend. Fetzen – Beiner – alte Hadern – alte Lumpen!

FRAU KASPERL. Jetzt weiß ich’s! Jetzt liefere ich dich ab, wohin du gehörst, zu der Sammlung, du Hader-lump, du alter! Stürzt ins Haus und bringt den zappelnden Kasperl, von hinten um die Mitte gefaßt, heraus.

KASPERL. Was ist denn das? Auslassen! Auslassen! Ausla – – –

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FRAU KASPERL wirft ihn in den Mistkübel und klappt den Deckel zu. Klapp, ist er im Kübel! Setzt sich selber drauf. So!

HADERNSAMMLER kommt rufend. Fetzen – Beiner alte Hadern – alte Lumpen –

FRAU KASPERL. Hier! Der Kübel ist voll! Ist ein großmächtiger Haderlump drin und bissel Beiner und Fetzen auch. Nehmen S’ ihn mit! Springt herab.

HADERNSAMMLER faßt an. O, ist der schwer!

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FRAU KASPERL. Ja, ich hab einmal ordentlich ausgemustert.

KASPERL im Kübel, dumpf. Au, oh, au, oh, oh!

HADERNSAMMLER. Was schreit dann da so?

FRAU KASPERL. Das werden im Haus drinn meine kleinen Schweindln sein, die sind noch nicht gefüttert. – Also mein Geld!

HADERNSAMMLER. Da! Fünfzehn Heller!

FRAU KASPERL. Das ist zu wenig. Das Gelump ist mindestens zwanzig Heller wert.

HADERNSAMMLER. Also, sagen wir sechzehn. Gibt ihr noch einen Heller.

FRAU KASPERL. Na, gut! Beiseite: Das ist das erstemal, daß durch den Kerl Geld ins Haus kommt. Jetzt koch ich mir einen Eierschmarrn und leg mich ruhig nieder. Sie geht ins Haus und hängt nach einer Weile ei-nen großen beschriebenen Zettel an die Tür heraus.

HADERNSAMMLER rückt den Kübel. Oh, der ist verdammt schwer!

KASPERL dumpf. Au, au, ooh, oh!

HADERNSAMMLER. Das schreit ja wie im Kübel! Um diesen herumgehend: Was hängt denn da heraus? Das ist ja ein Stiefel! Zieht daran. Der Kasperl kommt ganz überstaubt heraus.

KASPERL. Brrr! Puh! Puh! Überall Mist, brrr!

HADERNSAMMLER. Was! Ich werd dich abstauben und ausklopfen! Schlägt dem Kasperl ein paar hinauf. Aber das staubt mir zu arg. Abgehend: Aber warte nur, Pack, die sechzehn Heller hole ich mir noch.

KASPERL hat sich fertiggeschüttelt. Jetzt werd ich zu Hause Ordnung schaffen. Er findet die Tür verschlossen und liest den Zettel buchstabierend: „Wegen Ablieferung des alten Eisens und der Haderlumpen bleibt das Haus einstweilen geschlossen.“ So, dann geh ich zum Frühschoppen und bleib ganz im Wirtshaus. Meine Brotkarten hab ich.

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KASPERLS FRIEDENSSCHLUß.

KASPERL schleppt einen langen Balken von links herein. So, da hab ich die hohe Stangen. Die hab ich vom Nachbar seinem Zimmerplatz entliehen. Ja, wirklich entliehen. Er weiß zwar nichts davon, aber wenn ich sie nicht mehr brauch, kriegt er sie wieder. Er legt die Stange an der rechten Seite nieder, lauft hinaus und bringt das Eisengestell eines alten, großen Regenschirms herein. Und das ist das Gestell von meiner Großmutter ihrem grünen Regenschirm. Das hab ich auch nur entliehen. Den Stock und den Stoffüberzug hab ich ihr sogar dort lassen. Das Gestell kriegt sie nachher auch einmal wieder. Sie soll dann schauen, wie alles wieder fest zusammkommt, das Gestell, der Stock und der Stoff, daß es ein Schirm wird. Ich werd nichts dagegen haben. Er stellt das Gestell auch rechts hinaus. So, jetzt ist alles bereit. Jetzt kann’s losgehen. Sehen tut mich niemand. Meine Großmutter schlaft und meine Frau ist einkaufen gegangen. Da bleibt sie gewiß drei Stunden aus. Dann schimpft sie auf das lange Warten. Früher ist sie grad so lang ausblie-ben beim Einkaufen, da hab aber ich dann geschimpft. Das ist halt der Unterschied zwischen Krieg und Frieden. Da auf meinem Hof ist auch nirgends niemand. Und ihr werdet mich nicht verraten. Ihr habt ja alle eu-ern Kasperl gern. Also: ich habe mich entschlossen, ich mach Frieden. Ha, da schauts! Ja, ich mach Frieden. Mir ist der Krieg schon zu dumm. Er geht mir gegen die Bequemlichkeit. Ja, wenn er wenigstens die Sonntäg auf-höret und die Feiertäg. Aber immerfort, das paßt mir nicht. Da hab ich vorgestern gesagt: „Wenn die andern nicht Frieden bis übermorgen machen, ich mach Frieden.“ Natürlich nur für mich. Ja, das dürfts nicht glauben, daß ich mich für die andern anstreng. Ich für mich allein, ich mach Frieden, einmal für vier Wochen ganz gewiß und fest, dann mit vierzehntägiger Kündigung. Das muß ich aber meinen Herren Feinden doch mit-

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teilen. Gesandte habe ich keine. Ich werde also selbst verhandeln und darum baue ich mir eine Teleflun-ker-Station, damit ich überallhin teleflunkern kann. Da steck ich also das spießige Regenschirmgestell umgekehrt auf die Stange er geht zur rechten Seite und trägt dann die so hergerichtete Stange herein und die setz ich da auf den höchsten Punkt von meinem Grund und Reich, das ist auf diesen Misthaufen. Und jetzt kann die Flunkerei beginnen. Also du, Stangerl, du mußt nach Rußland flunkern! Hast d’ es gehört, Stangerl? Paß schön auf, du bist jetzt kein so gwöhnliches Regenschirmstangerl mehr, das mit den andern zusam-men einfach klappauf und klappzu macht. Du mußt jetzt schön fein weiter reden, was ich sage. Denn wir sind eine Teleflunker-Station. Also, du redst nach Rußland, und du, Stangerl daneben, nach Rumänien. Tust einfach dem russischen Stangerl alles nachmachen. Und du nach Italien, also schön maroni-polenta, daß s’ dich verstehn. Du sagst es den Franzosen, so papple-wuh, und du den Engländern. Jetzt hab ich noch zwei Stangerln. Ja, zwei Stangerln, es stimmt. Also du – was ist denn mit dir? Du bist ja, scheint’s mir, gebrochen. Wirklich abgebrochen. Da kann ich dich nicht brauchen. Du tätest mir ja nur stottern. Also sei ganz still, nicht klappern, schön kuschen. – Aber wem soll denn das andere Stan-gerl flunkern? Das belgische Heer erfahrt’s schon von den Franzosen und Engländern; und die Serben und Montenegriner, oh mein, wo sollt denn das arme Stangerl da die Herrn Könige finden! Ja, mit wem bin ich denn noch im Krieg? Mit meiner Frau freilich, aber das gehört nicht hieher. Heute bin ich eine weltgeschichtliche Person. Mit Portugal? Ja. Aber wir haben noch gar nicht das Vergnügen gehabt, uns als Feinde zu begrüßen; da brauch ich mich auch gar nicht zu empfehlen. Also wo ist noch ein meiniger Feind? Ich hätt es mir doch in ein Merkbüchl schreiben sollen, ja, ja. – Ja –! da hab ich’s – Japan. Mit Japan werd ich teleflunkern. Man kann nie wissen, ob man nicht auf ei-nem Jahrmarkt

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so einen ausgestopften Chineser trifft, da müßt dann die Sach doch offiziell richtig sein. Also, Stangl, du redst nach Japan. Weißt, das ist das End von Asien. Aber welches End, willst wissen. Ist es nun der Schopf oder die Nasen oder der ganze Kopf? Oder das Umgekehrte? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, der Russ’ weiß das selber auch nicht und der Engländer. Also red halt, Stangerl, daß dich überall hören. Kannst nicht Japanisch, gelt? Du redst Deutsch, das ver-stehn s’, das verstehen sie recht gut. So, hab acht! Es geht los. Ich teleflunkere. Er spricht in die Stange hi-nein: Ich habe mich entschlossen, ich, der Kasperl, mit Ihnen Frieden zu schließen. Ich lasse Ihnen, was Sie haben, und ich behalte das Meine. Und so schäbig werden Sie ja nicht sein, daß Sie mir nicht ein schö-nes Präsent machen. Und bei Gelegenheit ein fettes Friedensfestmahl. Also Frieden. Auf vier Wochen. Dann vierzehntägige Kündigung meinerseits. Gegeben in meinem Quartiere. Heute, der Kasperl. Ver-standen? Das war eine Arbeit. Aber fein ist’s ausgefallen. Das wird einmal in der Weltgeschichte stehen: der erste Friedensschluß des großen Krieges! Na, kommt keine Antwort? Die müssen aber wohl noch beraten. Wer weiß, ob auch die Kaiser und Könige grad bei ihrer Teleflunker-Station gewesen sind. Ich werd mich niederlegen. Stangerl, merkts euch gut, was ihr hörts. Und redts dann nicht alle zsamm, sonst verwechsl ich’s. Ich werd euch schon aufrufen und ausfragen. Jetzt wird der Kasperl seinen Frieden schlafend genießen. Er setzt sich und lehnt den Kopf an die Stange. Kaum ist er eingeschlafen, schlägt er mit der Hand nach seiner Nase. Gleich darauf wieder. Na, was ist denn das? Was fallt denn da immer auf meine Nasen? Sollten das die Antworten sein? Aber die müßten doch auf die Ohrwascheln zielen. – Platsch, das ist ja naß. O mein, regnen tut’s! – Jessas, und da braucht meine Großmutter ihren Regenschirm, da muß ich ihn ihr geschwind zurückbringen. Er hebt die ganze Stange heraus und lauft damit ab.

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KASPERL kommt traurig geschlichen. O je, den Frieden hab ich mir ganz anders vorgestellt. Er hat schon mit einer schlechten Vorbedeutung angefangen. Meine Großmutter hat das Stockröhrl, das ich aus dem Ge-stell herauszogen ghabt hab, recht kriegerisch auf meinem Buckel tanzen lassen. Da haben mir alle mei-ne europäischen und asiatischen Friedensschlüsse nichts genützt. – Sonst ist der erste Tag noch ange-gangen, ich hab das Brot von drei Tag aufgegessen und den ganzen Zucker aufgeschleckt. Aber wie ich dann gestern Brot und Zucker haben will, krieg ich nichts. Ich hab aufbegehrt und gesagt: „Ich hab ja Frieden“, da haben s’ mir gesagt, ich sollt Frieden geben, und wegen dem Frieden-haben und dem Frie-den-geben sind wir raufend worden. So hab ich einen fetten und zwei magere Friedenstage gehabt, und alle mit Prügel. – Im Krieg hab ich doch wenigstens meine gleichmäßige Ordnung gehabt. Jessas, da kommt der Nachbar Zimmermann, und ich hab vergessen, ihm die Stange zurückzutragen.

ZIMMERMANN tritt auf. Herr Kasperl, mir ist ein langer Baum gestohlen worden, weiß er nichts davon?

KASPERL. Von einem baumlangen Kerl? Nein, nichts.

ZIMMERMANN. Von einem langen Baum rede ich. Aber da liegt er ja.

KASPERL. Wo? Da? Ach ja, da liegt er. Ja, wie kommt er denn da her? Aber ich weiß schon, heut Nacht ist ein starker Wind gegangen, der wird ihn halt herübergeweht haben. – Wozu brauchen Sie ihn denn?

ZIMMERMANN. Ich muß daraus einen Galgen machen.

KASPERL. So? Einen Galgen? Für wen denn?

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ZIMMERMANN. Für die Hochverräter. Es sollen hier im Ort Hochverräter sein, man ist ihnen auf der Spur.

KASPERL. Ah, das gibt eine Hetz. Was haben sie denn verraten?

ZIMMERMANN. Sie haben ein Einvernehmen mit dem Feinde gepflogen.

KASPERL. Ein Einvernehmen? Was heißt denn das?

ZIMMERMANN. Das heißt: wenn zwei sich verständigen.

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KASPERL. Sonderbar! Wenn zwei sich verständigen, soll das ein Einvernehmen sein! Das ist ja dann ein Zweivernehmen.

ZIMMERMANN. Aber sie sind eines Sinnes. Es gibt Leute hier, die es eben mit dem Feinde halten, ihm Meldungen zukommen lassen.

KASPERL. Meldungen? Ja, wie denn?

ZIMMERMANN. Vielleicht durch Zeichen, oder gar durch eine Telefunken-Station.

KASPERL. Was? Teleflunkern wird doch nicht strafbar sein?

ZIMMERMANN. Aber natürlich, wenn man mit dem Feinde ein Einvernehmen hat!

KASPERL. Ja – – ja – – ja – und was geschieht einem denn dann?

ZIMMERMANN. Auf den Galgen kommt man, auf jenen Galgen, den ich aus diesem Baume jetzt machen werde. Er nimmt den Balken und geht ab.

KASPERL weinend. O je! O je! Jetzt hab ich mich auf den Galgen hinaufteleflunkert. Ja, da müssen mir mei-ne Friedensbrüder herunterhelfen. Ich werd ihnen Nachricht geben, geschwind, mit meiner Station. – Aber meine Teleflunker-Station wird ja mein Galgen! – O, dieses Einvernehmen, dieses Einvernehmen! Was kann ich dagegen einnehmen, daß dieses Einvernehmen nicht mein Tod wird? Ich armer Kasperl, ich hab bloß in Frieden leben wollen, und jetzt soll’s heißen: „Er ruhe in Frieden!“ Ich mag net ruhn. Wer hilft mir denn? O, da kommt er schon!

ZIMMERMANN stellt den Galgen auf. So. Ich seh schon den armen Sünder darunter stehen.

KASPERL. Was? Was sehen Sie, Herr Nachbar? Wissen Sie denn, wer es ist?

ZIMMERMANN. Das wird sich bald zeigen. Die Polizei findet ihn gewiß. Heute baumelt er sicher noch. Vielleicht richtet er sich lieber selber. Guten Abend!

KASPERL schleicht um den Galgen herum. O je! Au weh – auweh – Ist euch nicht auch leid um den Kasperl? Zwei Tag hab ich nichts zu essen gehabt und morgen hätt

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ich wieder was gekriegt, und da soll es heut aus sein. Er schlägt mit den Fäusten den Galgen. Du, du hast mich hineingeritten, du Baum, in das Ding, das schiache, in das Ding, das schiache, in das – das … Herr Nachbar, Herr Nachbar!

ZIMMERMANN steckt den Kopf herein. Was will der Herr Kasperl?

KASPERL. Herr Nachbar, sagen Sie mir noch einmal genau, wie so ein Einvernehmen ist!

ZIMMERMANN. Wenn die zwei, der Halunk hier und der Feind dort, miteinander über etwas einig sind. Gute Nacht!

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KASPERL. Der Halunke hier, das ist der Kasperl, der friedliebende Kasperl. Also – wenn der und der Feind – wenn die zwei – zwei – oooh! – ooh! – o hahaha! Springt. Wo sind da zwei? Hat wer anderer ge-redet als ich und meine Stangeln für mich? Hat wer geantwortet? Nein. Es ist also kein Einvernehmen, weil wir nicht zwei sind. Da bin ich ja unschuldig. Freilich, Frieden hab ich dann nicht geschlossen. Aber juchhu, ich komm nicht an den Galgen. Tanzt herum. Aber ich fürcht mich doch noch. Die Schlinge schaut so geschnappig her. Wart, du sollst was zum Fressen haben. Er lauft fort, kommt mit dem geschlossenen großen grünen Regenschirm zurück und hängt ihn mit dem gebogenen Griff in die Schlinge und zieht diese hoch. Hängts, meine Stangerln, hängts. Geredet habts ja ihr. So, jetzt ist die ganze Station wieder beisammen. Aber sie geht den Kasperl nichts an. Der hat ein gutes Gewissen, das ist ein gutes Ruhekissen. Darauf leg ich mich jetzt, denn zum Essen krieg ich heute so nichts mehr. Er lehnt sich, auf dem Boden sitzend, an den Galgen und singt einschlafend:

Der Kasperl ist wie neugeboren, Der Kasperl liegt ganz still im Schlaf, Die Mütze über beiden Ohren. – O ja, der Kasperl, der ist brav.

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DER KASPERL UND DER DOKTOR.

DER DOKTOR steht eine Zeitlang da und schweigt, dann spricht er. Ich bin der Doktor Schnaucius Rapuncius und denke schon 3 Stunden 35 Minuten und 15 Sekunden darüber nach, was ich eigentlich anfangen will.

KASPERL hinter der Szene. Auwedl! Auwedl! Auwedl!

DOKTOR. Was hören meine Ohren? Das ist ja dem Kasperl seine Stimme. Warum, wozu, weswegen diese Klagetöne? Greift sich an den Kopf. Oje, jetzt fallt mir was ein! Der Kasperl liegt ja im Sterben und hat mir sagen lassen, ich soll nur ja recht schnell zu ihm kommen!

KASPERL wie oben. Auwedl! Auwedl! Auwedl!

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DOKTOR. Gott sei Dank, er schreit noch immer. Solang er noch so schreien kann, solang ist er noch im-mer nicht gestorben. So will ich mich also auf meinen Weg machen. Zieht eine Spritze aus der Tasche.

KASPERL springt auf die Bühne. Auwedl! Auwedl! Stutzt, sieht den Doktor. Jessas, Doktor, da bist ja. Gott sei Dank, daß d’ da bist. Ich hab schon glaubt, ich geh auseinander wie a zerlexente Bottich. Greift auf den Bauch. Auwedl! Auwedl!

DOKTOR. Ei, ei! Sieh, sieh! Magenschmerzen? Laß hören! Bückt sich und horcht am Bauch Kasperls.

KASPERL gibt ihm ein Kopfstückel.

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DOKTOR fährt in die Höhe. Wer ist das gewesen?

KASPERL. A Dachziegel ist vom Dach aufs Dach abergfallen.

DOKTOR. Ei sieh! Laß noch einmal hören!

KASPERL schlägt ihm wieder auf den Kopf.

DOKTOR. Wer ist das jetzt gewesen?

KASPERL. A Katz ist mit an Satz auf die Glatzen aberplatzt.

DOKTOR. Laß noch einmal medizinisch hören! Setzt die Spritze an und horcht.

KASPERL. Aber bitt schön, nit schneiden! Nur nit schneiden, das kann ich am allerwenigsten vertragen.

DOKTOR. Schon gut. Horcht lange.

KASPERL. No?

DOKTOR sehr ernst. Kasperl, was hast du zu dir genommen?

KASPERL. A Zipfelhauben.

DOKTOR. Die hast du aufgesetzt. Aber was war dein Essen?

KASPERL. Mei Nässen? O mein Gott! Gschwitzt hab ich halt, wie ich hergrennt bin und wie’s in mein Ma-gen gar so ummapumpert hat.

DOKTOR. Das frag ich nicht. Was ist auf deinen Tisch gekommen?

KASPERL. A gschmierts Tischtuch.

DOKTOR. Ein schönes Fressen!

KASPERL. Ah na, gfressen hab i drei Kapauner.

DOKTOR. Also endlich, das will ich wissen. Was noch?

KASPERL. A Schüssel Erdäpfelsalat.

DOKTOR. Was noch?

KASPERL. A Schüssel Fisolensalat. A Schüssel Zwetschken. A Schüssel Milli. A Rostbratl. A Stuck a zwölf Kaisersemmeln. A Nockerlsuppen.

DOKTOR. Sonst nichts?

KASPERL. An Schnittlauch drauf.

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DOKTOR. Und getrunken?

KASPERL. Bier, Wein, Schnaps, a Krügel Most –

DOKTOR. Schon gut.

KASPERL. Und wegn dem bissel Essen! Auwedl! Auwedl! Auwedl!

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DOKTOR. Dir kann geholfen werden. Schreibt.

KASPERL. Was ist denn das?

DOKTOR. Ein Rezept.

KASPERL. Hm! Das schaut aber komisch quadratelt aus wie a karrierter Engländer.

DOKTOR. Das ist eine Brotkarte. Du wirst keine Rundsemmel mehr zu sehen bekommen.

KASPERL. So, so! Hm, hm! Na, wann ich nur noch meine Bratln hab. – Schreibst noch was auf?

DOKTOR. Das ist eine Fleischkarte.

KASPERL. Ah? Ja, was ist denn das? Da sind ja drei Löcher drin?

DOKTOR. Das sind die fleischlosen Tag.

KASPERL. Ha?

DOKTOR. Da mußt du einen Stockfisch essen.

KASPERL. Auwedl! Auwedl! Auwedl!

DOKTOR. Was hast denn?

KASPERL. Der Stockfisch! Beiß mi nit, i beiß di a nit. – Schon wieder schreiben?

DOKTOR. Nur noch ein kleines Milchkarterl, ein Kaffeekarterl, ein Zuckerkarterl, ein Fettkarterl –

KASPERL. Mir is schon ganz leicht, mir is schon ganz gsund. Ich brauch ka Rezipisi mehr.

DOKTOR. Eine Spinatkarte, eine Zwetschkenkarte, eine Hendelkarte, eine Trinkkarte, eine Schlafkarte, ei-ne Luftkarte.

KASPERL. Auwedl! Auwedl! Ich dastick schon! Fehlt nur noch a Lederkarten, daß ich mir nit amal mehr an Riemen kaufen kann zum Engermachen für mein Bauch.

DOKTOR. Kommt alles noch! Die Lederkarte, die Hosenkarte, die Hemdkarte, Strumpfkarte, Krawatten-karte, Schneuztüchelkarte, Schneuzkarte –

KASPERL. Ich sieh schon, ich sieh schon, ich kann nimmer aus. Aber deswegen kriegst mich noch lang nit dran dazu. Ha, ha, ha, ha!

DOKTOR. Ja, was hast denn, Kasperl, du bist ja kreuzfidel?

KASPERL. Ha, ha, ha, ha!

DOKTOR. Mir scheint, du bist übergschnappt?

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KASPERL. Warum nit gar! Na, so was! Jetzt haben s’ auf das vergessen!

DOKTOR. Auf was vergessen? Kriegt man noch was ohne Karte? Was könnt denn das sein?

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KASPERL. Ha, ha, ha, ha! Lachkarten ist doch noch keine eingführt. Was soll ich denn nit lachen? Ha, ha, ha, ha!

DOKTOR. Das Lachen wird dir schon vergehn, du naseweiser Bursch, du!

KASPERL. O je, o je! Bangmachen gilt nit! Solang die Soldaten schießen ohne Pulverkarten, dreinhaun oh-ne Sabelkarten und im Schützengraben umsteign ohne Umsteigkarten, solang macht a der Kasperl sein Gspaß ohne Pritschenkarten! Schwingt die Pritsche und hupft davon.

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DER KASPERL UND DER STORCH.

KASPERL spaziert daher und trällert ein Liedchen.

Kommt ein Vogerl geflogen, Setzt sich nieder auf mein Fuß –

Fahrt zusammen. Uhu! Uhu! Was kommt denn da für a schiecher Vogel daher! Wann der nur nit ghört hat, was ich gsungen hab, und sich auf mein Fuß setzt! Uhu! Uhu!

DER STORCH mit einem kleinen Kind um den Hals. Kasperle!

KASPERL. Uhu! Uhu! Nit umbringen! Nit umbringen!

STORCH. Aber was fällt dir denn ein? Ich bin ja der Storch. Ich tu ja die Kinder aus dem Wasser heraus-ziehn.

KASPERL. Ah, richtig! Aber natürlich! Du bist ja der Storch! Jetzt bin ich schon aus dem Wasser. Alsdann, was gibt’s denn Neues?

STORCH. Ich hab was umghängt um den Hals.

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KASPERL. Hm? A klans Hascherl! Jessas, wie’s außerblitzt mit die runden Guckerln! – Mitzi, Mutzi! Wie’s lacht!

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Gelt, ich gfallert dir halt? – Aber sag amal, wo hast denn das außergfischt?

STORCH. Wo werd ich’s denn herausgefischt habn? Aus dem Wasserl dort drüben halt.

KASPERL. Nit möglich! Seit wann schwimmen denn die klan Kinder mit solchenen Tellermützen in unse-rem Fluß umeinander? – Is etwa gar a klaner Zuckerbacker?

STORCH. Das weniger. Wird wohl a klaner Ruß sein.

KASPERL. Was, a klaner Ruß? Ja, wie kommt denn der daher? Warum bleibt der nit in seine polnischen Froschlacken und sibirischen Antenteich?

STORCH. Ja, mein lieber Kasperl, da bin ich überfragt. Mir schwant halt, das macht der Krieg.

KASPERL. Jetzt, da legst di nieder! Glei tragst ihn zruck, glei tragst ihn retrograd nach Petrograd, den rotz-nasigen Saggera!

STORCH. Du hast leicht reden. Glaubst vielleicht, das Fliegen is a Passion mit aner solchen Halsketten?

KASPERL. Mach dich nit patzert! Was soll denn da erst der Zeppalin sagen! Der fahrt gar übers Meer mit seine endstrummschweren Bum, Bum, Bum!

STORCH. Aber nit mit solchene klane Kinder. Da muß man alle Viertelstund die Windeln wechseln. – Du, Kasperl, halt ihn a bissel.

KASPERL. Ich ihn halten, den ausgschamten Wechselbalg! Nit um was!

STORCH. Geh, sei so gut! Ich hab alleweil ghört, daß du a guts Herz hast. Geh, mach kane Gschichten!

KASPERL. Na also, weilst gar so schön bitten kannst. Aber du mußt versprechen, daß du kan solchen mehr aus unserm Fluß außerfangst.

STORCH. Alles, was nur der Kasperl von mir haben will.

KASPERL. Na, so gib ihn halt her, den nixnutzigen Zigeuner. Nimmt das kleine Kind.

STORCH. Ah, jetzt kann ich wieder lustig fliegen. Fliegt auf.

KASPERL. He, he! Du vergißt ja ’s kleine Kind!

STORCH. Ghört schon dein, Kasperl! Nimmt dir’n niemand weg.

[39]

KASPERL. Na, jetzt – was ist das? Gleich nimmst ihn wieder!

STORCH. Aber warum denn? Ich hab dir’n ja gschenkt. An schönen Gruß von der Frau Kasperlin! Fliegt davon.

KASPERL. Auwedl, er fliegt wirklich davon! Storch! Storch! Gleich nimmst ihn wieder! – Verfluchtes Mist-vieh! – Das Kind fängt zu schreien an. Jetzt schreit er gar! Da hab ich mir was Schönes einbrockt! Zum Kind: Psch! Psch! Schwingt es. Lalala! Trallala! Das Kind schreit stärker. Auwedl! Auwedl! Auwedl! Da bin ich schön dazukommen! Mein Lebtag halt ich dem Storch kein kleines Kind mehr. Zum Kind: Lalala! Tralla-la! Hopsvallera! Pumpstatra! – Auwedl! Auwedl! Auwedl! Jetzt ist der Kasperl gar ein Russenvater. Wie wern ma’s denn nennen? Nikolaus? Nikolajewitsch? Ah was, ich nenn’s nach sein armen, unschuldigen Vater Kaspikow Kaspikajowitsch!

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[40]

DER KASPERL UND DER HAHN.

KASPERL tritt ein und spricht. Heut red ich gar in schönen Verschen, Die ich vorzüglich tu beherrschen. Paßts auf, jetzt fang ich also an: Mein Nachbar, der hat einen Hahn, Der immer brav und akkurat Um vier Uhr morgens hat gekraht, Und mit dem Krahen aufgeweckt Den Kasperl, in sein Nest versteckt. Auf einmal, seit dem 1. Mai Des Jahres 16 kräht er frei Um eine ganze Stund zu spat. Ich bin darüber desparat. Im Juni gar und Juli jetzt Hab ich mich schön hineingesetzt! Zwar nit, daß ich nit gern tät heidln Und daß das ewige Außerbeidln Mich gfreut hätt vor dem Aveläuten. Nein, das hätt wenig zu bedeuten.

[41] Doch kommt gar manches herentgegen Dabei dem Kasperl ungelegen. Zum Beispiel gleich das Frühstückessen. Hat nit die Kasperlin vergessen, Mir den Kaffee schön warm zu halten? Ich mag halt einmal keinen kalten.

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Zwar wird man wunderschön davon. Bin sowieso ein schöner Mann. Hernach, der Kasperl lauft zum Zug. Kirchtäg gibt’s überall genug, Und er wär’ eben gern dabei. Zu spät, Herr Kasper, ruft ihm glei Ein Wachter zu mit blauem Kappel. Was spät? Ich denk mir: so ein Tschappel! Da kommt ein Herr mit rote Hosen: Pardon, der Schalter ist geschlossen. Na alsdann, da ist nix zu reden, An Extrazug fahrt nit für jeden. So gehn ma halt a Pilsner trinken, Eß ma dazu an halben Schinken. Ich geh hinein ins Extrazimmer. Pilsner? Das gibt es heute nimmer. So sagt die Kati – nit zu glauben! – Und strickt an aner Kinderhauben. Na, alsdann, denk ich, gehn ma z’Haus. Die Kasperlin tragt grad hinaus In ihre Kuchel eine Rein. Ja, liebe Frau, was soll das sein? Ich glaub, es geht zum Mittagessen! Uje, ist alles aufgefressen. Und ausgerechnet waren’s Knödel! Ich greif um einen Fliegenwedel, Sie greift zum Abwaschwasser-Schaffel, Und das verfluchte Kuchelgraffel Fliegt grad auf meine Ritternasen. Aß, aß! Jetzt bin ich ganz voll Blasen! Aß, aß! Da schauts nur, meine Händ Sind grausam umundum verbrennt. Und, frag ich, wer ist schuld daran?

[42] Der Nixnutz von an Nachbarhahn, Der auf das Wecken hat vergessen. Na wart, du kriegst a Kerndl z’fressen, An dem du tüchtig schlucken kannst, Vermaledeiter Federwanst! Ah schau, da kommt er ja gewackelt! Na wart, bald hast du ausgegockelt!

HAHN. Gick, gack! Ich bin der Gockelhahn, Bekannt als guter Ehemann. Ich hab bei zwanzig Weiberleut Und trotzdem gibt es keinen Streit Und eifersüchtig sind sie nie! Gick, gack! Kerikerikiki!

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KASPERL. Gick, gack! Das gickelt was drauf los! Mein lieber Hahn, tu nicht so groß! In Wirklichkeit bist du ein Gauner Und ungebildeter Kapauner!

HAHN. Herr Kasper, warum tut er stänken? Was fallt ihm ein, mich so zu kränken?

KASPERL. Ein Hahn, der nicht am Morgen kräht, Verdient, daß man ihm ’s Gnack umdreht.

HAHN. Was fällt ihm ein? Mein schöner Hals! Nein, das erlaub ich keinesfalls! Auch hab ich brav und akkurat An jedem Morgen laut gekraht. So wie das erste Licht aufspringt, Der Hahn sein Weckauf-Liedel singt.

KASPERL. Nein, seit dem Mai, verflixter Hahn, Bist eine Stunde später dran.

HAHN. Ja, kennst du nicht die Neuigkeit? Die sogenannte Sommerzeit? Die, freilich, geht mich gar nichts an. Ich bin ein ehrlich alter Hahn, Der sich nach seiner Sonnen richt’. Die neue Zeit, die gfallt mir nicht. Mir imponiert halt nur der Himmel. Kein Hahn kräht nach dem neuen Schimmel.

KASPERL. Was ist denn das, die Sommerzeit?

HAHN. Mir scheint, der Kasperl ist von heut.

[43] Das weiß ja doch ein jedes Kind.

KASPERL. Nein, lieber Hahn, erzähl geschwind!

HAHN. ’s ist leicht und einfach einzusehn, Nur mußt du alles recht verstehn. Statt eins ist’s zwei. Statt zwei ist’s drei. Statt drei ist’s vier. Statt vier ist’s fünf. Statt fünf ist’s sechs.

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Statt sechs ist’s sieben. Statt sieben – –

KASPERL. Halt, nicht so schnell! Ich kann’s nicht fassen, Du mußt mich ruhig denken lassen.

HAHN. Statt eins ist’s zwei.

KASPERL. Statt eins ist’s zwei. So, so! Warum?

HAHN. Weil’s zwei ist. Frag doch nicht so dumm!

KASPERL. So, also zwei! Statt zwei ist’s eins.

HAHN. Nein, zwei statt eins.

KASPERL. Das ist was Feins!

HAHN. Statt zwei ist’s drei.

KASPERL. Statt zwei ist’s drei? Warum?

HAHN. Da ist doch nichts dabei.

KASPERL. Dabei is nix.

HAHN. Statt drei ist’s vier.

KASPERL. Wart, wart! Ich bin schon wieder irr. Statt drei ist’s eins, statt vier ist’s zwei.

HAHN. Nein, Kasperl, denk doch was dabei! Statt zwei ist’s drei.

KASPERL. Das ist mir z’viel.

HAHN. Das ist doch nur ein Kinderspiel.

KASPERL. Das müssen gscheite Kinder sein. Dem Kasperl geht das gar nit ein.

HAHN. So hör nur zu! Statt eins ist’s zwei.

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KASPERL. Meintwegen. Mir wird schlecht dabei.

HAHN. Statt zwei – –

KASPERL. Nix! Nix! Mir is es grad, Ich hätt im Kopf a Wagenrad. Die neue Zeit versteh ich nicht.

HAHN. Geh, mach doch keine solche Gschicht.

[44]

KASPERL. Nein, nein! Ich seh schon! Lieber Hahn, Ich denk, wir fangen gar nicht an Mit den verflixten neuen Sachen. Ich werd’s ja schließlich auch dermachen, Wenn ich mich richt’ nach deiner Zeit.

HAHN. Na, siehst es, Kasperl, das is gscheit. Nur darfst du nimmer mit mir greinen.

KASPERL. Gwiß nit. Mir is es mehr zum Weinen. Jetzt muß ich immer hinten schnaufen, Wenn alle andern weiterlaufen. Zum Zug komm ich zu spat, zum Essen, Bald ist der Kasperl ganz vergessen. Weint. Hu, hu! Mir is schon ganz zum Sterben.

HAHN. Geh Kasperl, sei kein Tränenscherben! Zum Sterben ist’s für dich noch weit. Die alte und die neue Zeit, Sie mögen alle zwei dein’ Gspaß. Und schließlich, Kasperl, noch etwas: Ist der September erst vorbei, Dann wird die alte Maßerei Auf einmal wieder furchtbar wichtig Und jeder Hahn kräht wieder richtig.

KASPERL. Juchhe, dann will ich alls vergessen! Um zwölfe kann ich Mittag essen.

HAHN. Und ich, als großes Zeitgenie, Mach um Punkt Sechse Kikriki! Ich bin halt doch ein gscheites Vieh! Gick, gack! Kerikerikiki!

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[45]

DER WACKERE KASPERL

[46] Der Kasperl

und der ihm zu Wort hilft, grüßen

mit dem Stückl von dem Bruder und von den Geheimnissen

den Dichter der Braunauer Reichsbrücke F. K. G.;

mit dem Stück von dem Tod und dem Teufel den Kameraden vom Winter 1914/15 Feldkuraten Dr. L. M. und seine liebe Frau;

mit dem Stückl von der großen Glocke

die Schöpferin froher Soldatengrußlieder M. G.;

mit dem Stückl von der Geburtstagsdienerschaft die aufmunternde Spielerin im Grinzinger Kriegsspital M. O.;

mit dem Stückl vom Etappenraum

in herzlicher Treue Frau Lola und ihre Kinder;

und mit dem Stück vom Gespenst und Ungeheuer den Freund und Kameraden im Wirtschaftskrieg Zivillandeskommissär Statthaltereisekretär A. K.

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[47]

DIE KASPERLN UND IHRE GEHEIMNISSE.

Der ÖSTREICHER KASPERL und der DEUTSCHREICHER KASPERL begegnen sich.

D. Guten Morgen, Bruder Kasperl von Österreich!

Ö. Grüß Gott, Kasperlbruder vom Deutschen Reich!

D. Was schaust mich denn so pfiffig an?

Ö. I hab was.

D. I hab auch was.

Ö. Was Feins und Großes.

D. Ich auch.

Ö. Ja, was is es denn?

D. Du, ob du das derratst!

Ö. Muß mir halt was zum Rätseln geben.

D. Also: – Bum –! –?

Ö. So? Bum. Ja, bei mir heißt’s a: Bum!

D. Da sind wir ja wieder auf gleich.

Ö. Aber groß! Brrrh!

D. So? Groß? Wieviel?

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[48]

Ö. Rat du!

D. 25.

Ö. O je!

D. Was o jeh! Bei mir is 25 auch o jeh!

Ö. Jetzt lizitier du weiter!

D. 30.

Ö. O jeh! Gfehlt!

D. 30½.

Ö. Kunnt recht sein.

D. Wohl?

Ö. Ja: 30½! Was sagst du dazua?

D. Was ich dazua sag? Nix als: 42!

Ö. Was? 42! Is das wahr? Ja, wie krabbelt denn das weiter? Wieviel Füß hat denn das Ungetüm?

D. Gar keine. Das sitzt fest.

Ö. Ah so! Na ja! Mein 30½, das fahrt hoplohop-trara!

D. Was, das fahrt von selber!

Ö. Ja, ganz von selber, autototo-mototorto-huh!

D. Na, dann werden wohl beide gleich viel wert sein.

Ö. I denk a. Ja, Brüderl, es ist wie alleweil. Du hast halt das große Maul, ja, und i hab das Herumrennate.

D. Was?

Ö. Aber net streiten. Das wär’ net recht. ’s war gut gmeint: Ihr seid schwerer und sitzts besser fest. Wir san leichter und kommen leichter überall hin, wir san beweglicher.

D. Und was folgt da draus?

Ö. Daß ma zsammpassen, daß ma zsammhalten müssen, daß ma miteinander alles dermachen.

D. Also, gehn ma miteinander los! Und jetzt komm, i zeig dir das meine.

Ö. Ja, dann kriegst meines z’ sehen.

Sie gehen Arm in Arm weiter.

Ö. Du, woher hat denn dein Ungetüm sei Größen?

D. Von Essen.

Ö. So? Vom Essen? Schau, und das meine – von ei’m Pilsner!

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[49]

KASPERL, TOD UND TEUFEL.

TEUFEL taucht auf. Brrr Rrr Rrrr! – So, da wär ich heroben. Ich muß mich erst an die langweilige Luft hier gewöhnen. Kein Feuer, kein Gstank, kein Rauch, da könnt einem Teufel fast schwindlig werdn. Aber ich muß meinen Kopf beisammen haben, denn ich habe eine große Aufgabe. Ich bin gekommen, um je-mand mit mir zu holen. – Glaubts ihr vielleicht, ich nehm von euch wen? O nein. Ihr werdts schon zum Teufel gehn, wenn ihr wollt. Euch schickt die Hölle nicht erst einen besonderen Gesandten. Brrrr! – Ich bin geschickt, um eine wichtige Persönlichkeit zu holen. Aber ich weiß nicht, wie ich ihn kriegen kann. Es ist der Kasperl. Und habt ihr schon jemals gesehen, daß wer den Kasperl untergekriegt hat? Nein. Und ich armer Teufel soll ihn nun meinem Herrn und Meister einliefern. Aber ich will ihn mit allen Künsten der Hölle versuchen. Hier wohnt er in seinem Haus. Ich höre ihn schon.

KASPERL singt zuerst im Haus, dann herauskommend.

I bin auf der Welt, Und die Welt ist für mi, Und i bin der Kasperl, Und der Kasperl bin i.

So, hiemit begebe ich mich aus meiner Häuslichkeit in das öffentliche Leben. Was wird da heute auf mich warten? Jetzt im Krieg gibts doch viel mehr Neues als im Frieden. Umherschauend: Keine neue Kundmachung angeschlagen. Keine Extraausgaben. Ja, womit soll ich mich denn da beschäftigen? Ein anderer Mensch könnt, wenn’s gar nichts besseres gäb, wenigstens ins Kasperltheater gehn. Aber ich kann net einmal das, weil ich ja selber der Kasperl bin. O, ist das eine öde Welt!

TEUFEL. Ja, eine öde Welt, das sage ich auch.

KASPERL. Holla, wer red’t da?

TEUFEL. Ich. Ich bin der Teufel.

KASPERL. Ja, das seh ich. Wanns d’ ein Mensch wärst, hättst keine Hörndeln. Und wanns d’ ein Gaisbock wärst,

[50]

laufest net wie ein zweibeiniger Neger daher. Ja, was machst denn da in der öden Welt? Hat dich viel-leicht deine Großmutter zur Strafe hergeschickt? Oder – willst du etwa bei uns Zigarettentabak zsamm-kaufen? Du, dann sag ich dir: halt dich an die Sprengeleinteilung und an das Kontingent der Hölle, daß du uns nichts weggrapst!

TEUFEL. Kasperl, ich brauche euren Tabak nicht. Wir haben selbst genug. So viel, daß wir guten Freunden immer was abgeben können. Wir haben in der Hölle Sträucher, schauen wie die Ribiselsträucher aus, da wachsen die Zigaretten darauf. Und Bäume, so wie Zwetschkenbäume, wenn du schüttelst, fallen Zigar-ren herab. Und von diesen Sträuchern und Bäumen sind bei uns alle öffentlichen Anlagen voll. Du kannst dir nehmen, so viel du willst, und überall fliegen Höllenfunken herum und zünden sie dir gleich an. Kasperl, komm mit!

KASPERL. Ja, da komm ich freilich mit. Aber du, um Siebene zum Essen muß ich wieder da sein.

TEUFEL. Du kriegst auch unten was zu essen.

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KASPERL. Nein, ich will hier essen. Wir haben uns schon ein paar Tage lang das Mehl zu der heutigen Fleckerlspeis zsammgespart, da muß ich dabei sein. Also jetzt geschwind zu den Zigazwetschkenbäu-men und den Zigaribiseln.

TEUFEL. Kasperl, dieser Tabak wächst nur für einheimische Staatsbürger der Hölle. Du mußt also vorher einer werden. Für andere fallen nur Stinkadores und Stinkarettes herab, mit unseren ausgegangenen Schwanzhaaren und Krallenabschnitzeln gefüllt.

KASPERL. Und wegen einem solchen geschwänzelten und kralligen Rauchzeug sollt ich meine Fleckerl-speis versäumen. Da schau dich an! Schlägt los, der Teufel weicht aus.

TEUFEL. Aber das ist ja für die Fremden. Werde ein Staatsbürger der Hölle und du sollst alles Gute ge-nießen.

KASPERL. Nein, nein. Das tut der Kasperl nicht. Jetzt bin ich so eine alte Kundschaft von unserer k. k. Tabakreschie, ich werd ihr nicht untreu. Aber könntest du mir nicht so eine Schachtel bosnische Ribisel heraufschaffen?

[51]

TEUFEL. Nein, die können nur in unserer Luft geraucht werden.

KASPERL. Ah! Stinken s’ so? –

TEUFEL. Kasperl, komm morgen mit mir! Iß heut deine Fleckerlspeis und morgen kommst du: ein Gselchtes zum Frühstück, ein Bratwürstl vormittags, Braten und Hendeln mittags und abends ein Beu-schel mit Knödeln. Alle Tag, wenn du willst. Kasperl, komm zu uns!

KASPERL. Na, die Einladung laßt sich hören. Und was kostet’s?

TEUFEL. Nichts. Das sollst du immer frei bei uns kriegen.

KASPERL. Ist nicht nötig. Zweimal in der Wochen komm ich. Und ein Trinkgeld geb ich dir dann schon auch.

TEUFEL. Kasperl, du sollst ganz zu uns kommen.

KASPERL. Ah so! Da tät ich freilich Bratln kriegen, müßt aber selber ein Höllenbraten werden. Nein, das tu ich nicht. Wer tät denn dann das verehrte Publikum unterhalten? Wer täte denn meine Frau ärgern, wenn ich in der Hölle wäre? Nein, das geht nicht.

TEUFEL. Kasperl, du sollst aber kommen!

KASPERL. Ja warum denn? Was ist denn das auf einmal für ein Geriß um mich, als ob ich eine neutrale Regierung wär.

TEUFEL. Du sollst eben neutral werden.

KASPERL. Was? Ich soll neutral werden? Du, da werd ich dir gleich das Gegenteil beweisen. Schlägt ihn mit der Pritsche. Jetzt siehst du, daß ich eine kriegführende Macht bin und daß die Schlagkraft meiner Arme – e – e schlägt wieder noch ganz ungeschwächt ist.

TEUFEL. Gut, Kasperl! Dann sei Krieg zwischen uns. Aber ich wasche meine Hände in Unschuld.

KASPERL. Da werden s’ weiß werden! In deiner Unschuld!

TEUFEL. Also, Kasperl: nachdem du freventlich deine Pritsche mobilisiert hast, in das neutrale Gebiet meines armen Buckels eingebrochen bist, werde ich dich vernichten. Die kleinen Völker sollen gerächt werden. …

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KASPERL. Was für kleine Völker? Ah, hast Läus und Flöh in deinem Pelz? Da kannst ja froh sein, wenn ich dir ein Schock erschlagen hab.

[52]

TEUFEL. Das war nur so gesagt, wie es jetzt Mode ist. Aber ich bin wirklich dein Feind und werde gegen dich meine Mitteufel loslassen. Da wird einer kommen und dir dein Bäuchlein zuschnüren, ein andrer wird dir in den Tabakbeutel ein Loch schneiden, ein dritter wird dir das Biermaß vorschreiben …

KASPERL. Dummes Luder, da kannst du leicht hundert Teufel dazu schicken. Die finden nichts zu tun. Das haben wir uns schon selber getan. Aus eigenem Willen. Weil wir nicht anstehen drauf. Und da sollt ich mich dem Teufel ergeben!

TEUFEL. Dann Krieg bis aufs Messer!

KASPERL. Auf dem Messer? Ja, du kannst auf dem Messer tanzen. Ich tu’s nicht, meine genagelten Schuh könnten eine Scharte ’neinmachen.

TEUFEL. Kasperl, ich hole dich. Er senkt den Kopf wie ein Stier und fährt auf den Kasperl los. Dieser springt hoch auf, so daß der Teufel ins Leere schießt und der Länge nach auf die Nase fällt.

KASPERL. Ja, da legst dich nieder! Hol mich nur! So prügelt auf ihn los – und so – und so! – Lebst du noch? Lebst du nicht? Den Kasperl sollst du holen! – Er rührt sich nicht. Der Teufel ist tot. Wirklich tot. Ist eigentlich schad. Ist oft ein spaßiger Kerl gewesen. Und es ist so viel lustig, ihn zu erschlagen. Jetzt ist er aber erschlagen, jetzt kann ich ihn nicht mehr erschlagen. So ist’s halt auf der Welt. Es ist lustig, eine Jungfrau zu heiraten, aber wenn man sie geheiratet hat, dann ist sie keine Jungfrau mehr und wird keine mehr, und dann ist es oft gar nicht lustig. – Aber jetzt werd ich mich wenigstens des Sieges freuen und ihn ausnutzen. Ich werde dem Teufel das Fell abziehen, das gibt eine schöne Pudelhauben. Ich muß mir nur meinen Taschenfeitel dazu holen. Geht in sein Haus. Juchhu, der Teufel ist tot!

Der TOD taucht auf.

TOD. Wer ist tot? Was? Wirklich? Der Teufel ist tot! Und ich weiß nichts davon. Das ist aber nicht in der Ordnung. Denn ich bin der Tod, ich mache die Leute tot. Da hat mir wer ins Handwerk gepfuscht, das dulde ich nicht.

[53]

TEUFEL der sich vorsichtig gerührt und herumgeguckt hat. Pst! Pst! Wer bist du?

TOD. Ich bin der Tod.

TEUFEL. Ist der Kasperl fort? – Also, wenn nur der Tod bei mir ist, dann bin ich steht auf wieder lebendig. Ich bin nur tot, wenn der Kasperl mich prügelt. Das ist mir zu arg. – Du, Tod, der Kasperl muß in die Hölle gebracht werden. Versuch du es einmal. Du hast nicht Fleisch und nicht Blut, dir kann er keine Wunden schlagen.

KASPERL im Hause. Juchhu!

TEUFEL. O jeh! Da kommt er wieder! Rennt fort.

KASPERL kommt. So, jetzt zieh ich dem Teufel das Fell ab. Ja, wo ist er denn? zum Tod: Du, hast du keinen Teufel gesehen?

TOD schüttelt den Kopf: U u u hi!

KASPERL. Wer bist denn du?

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TOD. Uuuuhi! Ich bin der Tod. Kennst du mich?

KASPERL. Ja freilich, bei Licht betrachtet. Es hat ja niemand sonst so ein schieches, dürres Gfrieß und schreit immer Uuuuhi. Ja, was willst du denn?

TOD. Kasperl, dich will ich.

KASPERL. Mich? O, viel zu viel Ehre. Ich bin eine viel zu minderwertige Person, als daß sich der Herr Tod mit mir bemühen sollt.

TOD. Kasperl, komm mit mir!

KASPERL. Nein.

TOD. Kasperl, du mußt mit mir kommen. Ich befehle es dir.

KASPERL. Und ich befehle mir, hier zu bleiben.

TOD. Kasperl, sei doch gescheit. Komm, dann siehst du von dieser schlechten Welt nichts mehr.

KASPERL. Ja, aber von der guten auch nichts.

TOD. Kasperl, Kasperl, es nimmt doch alles einen schlechten Ausgang.

KASPERL. Dann will wenigstens ich kein’n schlechten nehmen.

TOD. Komm, entflieh dem Elend. Denk an die fleischlosen Tage.

[54]

KASPERL. Und da sollt ich mit dir gehen, bei dir ist immer fleischloser Tag, du fleischgewordene Fleisch-losigkeit!

TOD. Kasperl, geh, komm mit mir! Machen wir uns einen vergnügten Abend!

KASPERL. Zahlst ein Bier? Beim „hupfaten Maibaum“?

TOD. Kasperl, ich würde gern mit dir ins Gasthaus gehen, aber mich läßt die Polizei nicht hinein, weil ich ja nur im Hemde bin. Aber komm, gehen wir miteinander!

KASPERL. Ja, gehen wir miteinander! Komm, ich häng mich in dich ein. So, und jetzt gehen wir, gehen wir miteinander – in den Krieg! Wir gehen miteinander auf den Feind los!

TOD. Da brauche ich dich nicht dazu.

KASPERL. Und ich dich auch nicht. Ich kann auch so losschlagen, siehst du’s? Schlägt den Tod, der sich krei-selnd dreht, und prügelt ihn hinaus. So, jetzt geht’s zu meiner Fleckerlspeis! Das war einmal ein belebter Abend! Singt:

Der Kasperl weiß wohl gar nicht viel, Doch hat er auch kein’n Zweifel, Und mag da kommen, wer da will, Er fürcht nicht Tod und Teufel!

Und ihr wohl auch nicht? Gute Nacht!

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[55]

KASPERL UND DIE GROßE GLOCKE.

KASPERL geht spazieren, guckt nach allen Seiten in die Höhe. Ach, das ist eine Unbequemlichkeit mit den vier-stockhohen Häusern. Nirgends sieht man auf einen Kirchturm. Und jetzt hab ich so Angst, es könnte schon zwölf Uhr sein und ich tät mein Essen versäumen. Aber zu früh mag ich noch weniger nach Haus kommen, da ist meine Frau immer mordsgrantig: ich müßt da gar selbst den Tisch aufdecken oder am Herd die Einbrenn umrühren. Nein, das mag ich nicht: ich will mich überraschen lassen. Hier muß man doch den Josefsturm sehen. Nein, nichts da! Wann der Kasperl ein Kirchturm wär streckt sich, die Zipfelmütze steil in die Höhe, der tät sich nicht so zubauen lassen. Schlägt mit der Pritsche im Kreise he-rum. Oh, ein Kirchenlicht bin ich wohl, das darf niemand nicht sagen, daß der Kasperl kein Kirchenlicht ist. Aber Kirchturm bin ich wirklich keiner, denn sonst hätt ich eine Uhr. Und Uhr hab ich wirklich kei-ne. Meine schöne, ganz neue, von meinem Urgroßvater ererbte, tombackgoldene Taschenuhr hab ich im Wirtshaus der Kellnerin geben müssen. Sie hat gesagt, ich wüßt es eh, wie viel’s in meinem Sack geschla-gen hätt, da sollt ich ihr den Brater überlassen. Wenn da wieder die Krönln bei mir Tiktak machen, dann könnten wir von einem Tiktaktausch reden. – Ja, im Frieden, da hat man wenigstens die Uhr alle Viertel-stunden schlagen gehört. Aber jetzt im Krieg haben die Viertelglocken einrücken müssen. Und beim Mi-litär, da dürfen s’ das Maul nicht aufmachen. Und um Zwölfe hat immer die große Glocke auf dem Landhausturm geläutet. Aber die Glockenwächter sind eingerückt und da ist sie still. Nur wenn ein ganz großer Sieg ist, da soll sie ausnahmsweise läuten. Es ist sonderbar: da müssen die Glockenwächter weit oben in Polen oder in Serbien unten recht drauf losschlagen, und dann läutet die Glocke bei uns da. Und wir hätten die bequemen Strick da und bringen ’s nicht zustand. – Ah, da kommt der Herr Schnei-der Wieselziesel vor seine Werkstatt

[56]

herausgewieselzieselt! Wieselziesel tritt auf. Herr Wieselziesel, guten Tag! Wieviel hat’s denn geschlagen?

WIESELZIESEL. Schlecht geht’s, ich sag Ihnen, Herr Kasperl, schlecht. Alles ist aus.

KASPERL. So?

WIESELZIESEL. O, meiner Frau hat es eine Greislerin gesagt, die hat schon einmal für einen Feldwebel zwei Speckwürste verkauft, die weiß es. Schlecht geht es. Wie wird das enden?

KASPERL. Es ist doch nicht schon zwölfe, Herr Wieselziesel?

WIESELZIESEL. O mein! Es wird bald aus sein. Meiner Großmutter hat schon vor vier Jahren geträumt, zu Walpurgi, um Mitternacht –

KASPERL. Ist es noch nicht Mittag?

WIESELZIESEL. Um Mitternacht hat ihr geträumt – ah, dort drüben kommt der Herr Schauderguck, der weiß immer so viel gruseliges Neues und hat so ein mitfühlendes Herz. Leben Sie wohl, Herr Kasperl! Geht ab.

KASPERL. Herrgott, man könnte zum Straßenräuber werden, nur um zu erfahren, wieviel Uhr es ist! Aber jetzt will ich aufpassen, was die zwei Furchthasen und Zungenklapperer miteinander reden. Passen zu-sammen, der zaundürre Schneider und der feistwampete Herr Rentner, der von seinen einst versilberten Bierfasseln lebt! Zieht sich in die Seite zurück.

WIESELZIESEL und SCHAUDERGUCK treten auf.

WIESELZIESEL. Also, Herr Schauderguck, was gibt es denn Neues?

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SCHAUDERGUCK. Ach, man kann ja gar nicht reden davon! Es ist wieder alles schlecht gemacht worden. Ich hab’ es immer gesagt.

WIESELZIESEL. Ja, der Herr Schauderguck hat es immer gesagt und der Herr Schauderguck muß ja recht haben.

SCHAUDERGUCK. Es liegt etwas in der Luft, ich spür’s. Eine große Glocke beginnt zu läuten. Jessas, was ist das?

WIESELZIESEL. Gewiß das, was in der Luft gelegen ist.

SCHAUDERGUCK. Oh, oh! Die große Glocke auf dem Landhausturm ist das. Die läutet Sturm, die Feinde sind da!

[57]

WIESELZIESEL. Kommen Sie! Laufen wir! Retten wir uns in mein Haus! Laufen fort.

KASPERL kommt hereingesprungen. Mittag läutet’s! Knödelbim – Knödelbam! Juchhu! Ich lauf essen. Lauft fort. Es läutet weiter. An der Seite wird ein Anschlag herausgehängt mit der großgedruckten Überschrift: „Si eg“. Kasperl kommt zurückgerannt. Es ist noch lang nicht zwölf und ich hätt die Einbrenn rühren sollen. Da bin ich aber fort. Aber warum läutet’s denn?

SCHAUDERGUCK vorsichtig hervorschauend. Herr Kasperl, sind sie schon da?

KASPERL. Wer denn?

SCHAUDERGUCK. Die Feinde.

KASPERL hat den Anschlag entdeckt. Juchhu!

SCHAUDERGUCK. Um Gotteswillen, aus ist’s! Sie sind schon da!!

KASPERL liest. „60.000 Feinde, 300 Geschütze.“

SCHAUDERGUCK. O weh, o weh, was mache ich! Krümmt sich zusammen. Herr Kasperl, wie rettet man sich am besten?

KASPERL. Aber Herr Schauderguck, zittern S’ nicht so. Sie zittern sich ja die Vernunft aus dem Leib. Wenn wenigstens Krönln herausfallen täten, aber die zittern bei dem immer nach innen, in seinen Bauch. – Dem sag ich nichts von dem großen Sieg unsrer Truppen; der verdient ihn noch nicht. Viel-leicht zittern seine Augen endlich doch auf den Anschlag hin. Das Läuten hört auf. Also, Herr Schauder-guck, warum soll es denn schlecht stehen?

SCHAUDERGUCK. Man muß immer das Schlechteste denken.

KASPERL. So –?

SCHAUDERGUCK Ja –!

KASPERL. Ja – so! Dank schön für die Lehre, der Herr Schauderguck ist gescheit, da will ich lernen. Er geht ganz an die Seite und stelzt langsam wieder zurück, den Zeigefinger an der hochgehobenen Nasenspitze. Dabei spricht er langsam und ruhig. Ich denke: der Schauderguck, das ist ein gemeiner Schweinehund, ein Dreckfink, ein Halunke, ein Gauner.

[58]

SCHAUDERGUCK. Aber Herr Kasperl, was fällt Ihnen ein?

KASPERL. Nur das Schlechteste, hoff ich. Ja, – ich denke, Sie sind ein viermal vernagelter Hornochs.

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SCHAUDERGUCK. Herr Kasperl, wie kommen Sie dazu, mich zu beleidigen?

KASPERL. Es wird schon ein Grund sein. – Ich tue nur, was Sie mich gelehrt haben; man muß immer das Schlechteste denken. Jetzt beweisen Sie mir auf der Stelle, daß sie kein feiger, hinterfetziger Gauner sind? Können Sie das? Nein. Na also! Dann sind Sie’s.

Die Glocke fängt wieder zu läuten an.

SCHAUDERGUCK krümmt sich nieder und legt sich später platt auf den Boden. Jetzt sind sie da, schießen tun sie schon, Granaten.

KASPERL haut ihm mit der Hand eine auf den Hintern.

SCHAUDERGUCK. Was war das?

KASPERL. Wenn’s eine Granaten war, war’s eine Handgranaten. Gibt ihm ein Kopfstück und springt zum An-schlag hinüber.

SCHAUDERGUCK. Oh, oh! Was ist das?

KASPERL laut lesend. „Flieger haben Bomben abgeworfen. Das Läuten hört auf. Die Stadt wurde im Sturm genommen.“

SCHAUDERGUCK. Jetzt ist’s aus! Laufen nicht schon da die Feinde?

KASPERL gibt ihm einen Fußtritt in die Seite.

SCHAUDERGUCK. O weh, was war das?

KASPERL. Ein Stiefelabsatz, ein feindlicher.

SCHAUDERGUCK springt auf. Da müssen wir von der Straße weg. Kommen Sie, Herr Kasperl! Wie er mit dem Kasperl zur Seite hingerannt ist, wird dort gerade von einem Hausfenster eine noch zusammengerollte Fahne ausge-steckt. Herr Kasperl, da stecken sie schon ein Gewehr aus dem Fenster, lassen Sie mich los, das trifft uns alle zwei. Rennt herum. Die Glocke tönt wieder, die Fahne wird entrollt. Ja, was ist denn das? Fahnen, überall Fahnen; lauter vergnügte Leute! Herr Kasperl, Sie haben mich angelogen!

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KASPERL. Ich habe immer die Wahrheit gesagt, Sie haben aber immer das Schlechteste gedacht. Jetzt werd ich’s Ihnen deutlich sagen, Herr Schauderguck! Brüllt ihm in die Ohren. Sieg! – Sieg!

SCHAUDERGUCK. Wirklich? Sieg? Aber dann, Herr Kasperl, keine Feindschaft!

KASPERL. Freilich, da gibt’s keine Feindschaft.

SCHAUDERGUCK. Also, Herr Kasperl, ich lade Sie zur Siegesfeier auf ein Glas Bier ein.

Das Läuten hört auf.

KASPERL. Nein, so weit geht es nicht. Mit Ihnen ins Wirtshaus? Nein. Das trinken Sie allein. Sie können mir nur noch sagen, wieviel Uhr es ist.

SCHAUDERGUCK. Ein Viertel nach elf.

KASPERL. Erst? Ja, dann wär’ ein Frühschoppen freilich schön. Aber nein! Mit Ihnen nicht. Habe die Eh-re, Herr Schauderguck, gehen Sie nur allein!

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SCHAUDERGUCK geht ab.

KASPERL. Ja, der Kasperl hat Grundsätze, mit so einem Kerl trinkt er nicht. Die Glocke macht noch ein paar Schläge. Aber, wenn mir wer von den Herrschaften ein Bier zahlen möchte, wär ich sehr verbunden. Ich wart drüben im Wirtshaus zur „Eschenlaube“.

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KASPERL ALS GEBURTSTAGSDIENER.

KASPERL kommt von hinten herein. So, da bin ich im Vorzimmer vom Herrn Kronenbrüter! In der Zeitung ist gestanden – meine Frau hat mir’s vorgelesen, ich bin noch im Bett gelegen und sie hat mich gleich herausgeschmissen, damit ich herlaufen sollt –: „Aufgenommen wird beim Herrn Kronenbrüter heute für ein Geburtstagsfest ein gewandter, geschickter, feiner Diener.“ Da müßt ich mich melden, hat meine Frau gesagt. Jetzt bei den teueren Kriegszeiten muß man wirklich schauen, daß man sich noch einen Ex-tragroschen verdient, wo ein Seidl Bier dreimal teurer ist, aber nicht einmal zweimal größer darum. Und ein Geburtstagsfest, das paßt mir, da gibt’s was zum Schlecken. Ich hab meine Frau dann unters Fenster bestellt. Da werf ich ihr ein bissel Zuckerbäckerei hinunter fürs Kind und für sie. Das heißt, fürs Kind wird’s der Vater behalten. Das arme Kleine hat ja keine Zähne noch, und ich hab recht feste, ich kann’s leichter bewältigen. Da muß der Vater schon die Arbeit auf sich nehmen. – Also jetzt meld ich mich, nehmen wird mich der Herr Kronenbrüter gewiß; denn ich entspreche den Bedingungen: gewandt kann ich sein, so viel sie wollen, ich wend und dreh mich in einem fort umeinand; geschickt bin ich auch, mei-ne Frau hat mich hergeschickt; und fein – ja, fein bin ich, das ist keine Frage; erst gestern hat mir mein alter Schulmeister auf der Straße gesagt: „Du bist ein feiner Lotter!“ – Also, klopfen wir an! Klopft links vorne an. Frau Buttersack kommt heraus. Habe die Ehre, Frau Kronenbrüter!

FRAU BUTTERSACK. Ich bin die Frau Buttersack, die Wirtschafterin vom Herrn Kronenbrüter. Was will Er?

KASPERL. Ich bin der Kasperl und bin der geschickte, feine Diener, den Sie brauchen, Frau Schnutter-pack.

FRAU BUTTERSACK. Frau Buttersack heiß ich.

KASPERL. Ja, ja, Frau Buttersack! Oh, den Namen werd ich mir schon merken, der geht wie geschmiert über die Zunge und schmeckt gut.

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FRAU BUTTERSACK. Kann Er herrichten und auftragen?

KASPERL. O gewiß! Was hab ich nicht alles schon hergerichtet, daß die Leute nur so sprachlos waren. Und auftragen kann ich auch. Und erst abtragen!

FRAU BUTTERSACK. Wie heißt Er?

KASPERL. Kasperl.

FRAU BUTTERSACK. Und mit dem zweiten Namen?

KASPERL. Kasperl. Kasperl Kaspar oder Kaspar Kasperl. – Aber nicht Kaspar Krapserl – nein.

FRAU BUTTERSACK. Ist er ledig? Ohne Familie?

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KASPERL. Ja, ich bin jetzt ledig. Beiseite. Denn meine Frau ist jetzt nicht hier und Ein Kind zählt nicht: Einmal ist keinmal. Nämlich bei einem Mannsbild.

FRAU BUTTERSACK. Also, Er tritt jetzt gleich an. Hat bis zwölf Uhr nachts zu bedienen. Es kommen sechs Gäste. Und morgen früh hat Er alles fertig zu waschen und zusammenzuräumen. Er bekommt das Essen und dann vier Kronen.

KASPERL. Ja, gut! Was mir bei den vier Kronen zu wenig ist, werd ich schon beim Essen hereinbringen.

FRAU BUTTERSACK. Also richte Er jetzt das ganze Haus her! Um elf Uhr kommen die Gratulanten. Von zwölf Uhr an wird gegessen. Daß Er alles fein macht! Denn das ist ein feines Haus, hier geht es nicht notig zu: wir werden zeigen, was wir haben. Und alles auf den Glanz hergerichtet! Das hat Er zu ma-chen. Und warte Er hier, Er soll sich noch dem Herrn Kronenbrüter vorstellen. Geht links vorne hinein.

KASPERL. Alles soll ich auf den Glanz herrichten. Da soll ich also hier so ein „Stiefelputzer für alles“ sein. – Ah, schön warm ist’s da. Gegen rechts hin gewendet. Ein großer, gutgeheizter Ofen! Mit dem werd ich mich gewiß anfreunden.

HERR KRONENBRÜTER kommt von links vorne heraus. Er ist also der Diener für heute.

KASPERL. Jawohl, Ihr gehorsamster Diener.

HERR KRONENBRÜTER. Mach Er alles, was ihm die Frau Buttersack befiehlt. Wenn Er es gut macht, wer-de ich mich nicht lumpen lassen und werde Ihm noch einen

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Gulden zulegen, einen ordentlichen Silbergulden, nicht so einen Zettel. Ich zahle fest und hart und gut, nicht in so Papierfetzen.

KASPERL. Ja, da muß ich mir gleich in meinem Westentaschl das Loch zunähen; wegen der Zettel hab ich’s gar nicht mehr getan, die rutschen nicht durch. Aber wenn ich ein Silberstück krieg –! Haben Sie viel so Silberstücke?

HERR KRONENBRÜTER. Na, ich will ihm zeigen, was ich hab. Damit Er weiß, in was für einem Haus Er ist. Holt von links einen vollen Strumpf. Da sind fünfhundert Silberkronen drin. Und diesen Strumpf habe ich in einem Stiefel stecken. Die Stiefel kann Er übrigens zu Ehren des Tages heute auch schön rein put-zen. Geht wieder hinein.

KASPERL. Jawohl, Herr Bohnenkrüter – nein, Herr Kronenhüter – nein, -brüter, ja Kronenbrüter: Brüten geht über Hüten.

HERR KRONENBRÜTER kommt mit einer Tabakdose wieder. Und da in dieser Tabakdose habe ich einen Beutel mit hundert Goldstücken. Ja, das klingt! Ich habe nicht bloß das, was die Leute so glauben. Ich habe auch noch in der Bank, in der Umundumbank, fünftausend Kronen liegen, von denen die verschiedenen Spürnasen nichts wissen. Ja, wir ham’s! – Wir haben auch zum Essen gute Vorräte. – Wir haben auch ein Telephon er weist auf dieses, das links ganz vorne sichtbar ist, eine ganze Nummer für uns allein, nicht so Stückelwerk mit einer anderen Gesellschaft. – Und meine Gäste, die heut eingeladen sind, die kriegen was: die werden nicht merken, daß es Kriegszeit ist. Geht ab.

KASPERL. Na, da kann ich in Ruhe für mich was abfallen lassen. – Also gehen wir’s an, das Auf-den-Glanz-herrichten! Holt einen Staubwedel und fährt damit herum.

FRAU BUTTERSACK kommt. So! Sei Er nur fleißig!

KASPERL. Hier ist schon alles auf den Glanz!

FRAU BUTTERSACK. Was? Hier ist ja noch Staub, und da ist ja noch Staub.

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KASPERL. Ja, der ist von selber liegen geblieben, ich hab ihm schon das Fortgehen gewunken.

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FRAU BUTTERSACK. Kasperl Kaspar, Er muß ordentlicher sein, sonst bin ich mit Ihm nicht zufrieden. Je-des Stäubchen, das wo liegt, muß weg.

KASPERL. So? – Fährt mit dem Wedel fest über die Wangen der Frau Buttersack. So!

FRAU BUTTERSACK abwehrend. Was macht Er da?

KASPERL. Auf Ihren Wangen liegen ja auch so viele Stäubchen – –

FRAU BUTTERSACK kopfschüttelnd abgehend. Nein, ist Er ein dummer Kerl!

KASPERL. Abstauben ist vollendet; jetzt folgt Bodenwischen! Holt eine besenstielige Bodenbürste und fährt damit herum. Aber jetzt kommt die verdiente Ruhepause. Setzt sich nieder.

FRAU BUTTERSACK kommt. Was sitzt Er denn da herum?

KASPERL sich über den Fußboden beugend. Ich probiere die Glätte des Bodens aus, ich spiegle mich darin.

FRAU BUTTERSACK. Da sind ja noch eine Menge Streifen!

KASPERL. Was, strenge Reifen?

FRAU BUTTERSACK. Der Boden ist nicht gut geputzt. Da ist noch allerlei Dreck darauf.

KASPERL. Werden wir gleich weg haben. Nimmt die Bürste und fährt der Frau Buttersack unter die Füße, so daß sie umfällt.

FRAU BUTTERSACK auffahrend. Er Esel, Schafskopf! Gibt ihm eine Ohrfeige.

KASPERL. Oho!

FRAU BUTTERSACK. Putz Er mich ab! Kasperl fährt mit dem Bürstenbesen über sie. Oh, oh, weg, weg von mir! Mach Er seine Arbeit!

KASPERL. Frau Schnutterpack – nein, Buttersack, Sie müssen mir halt alles genau sagen, wie es in Ihrem Hause gemacht werden soll. Sie haben so besondere Sitten.

FRAU BUTTERSACK. Mach Er alles so, wie es sich gehört.

KASPERL. Und wie gehört es sich denn?

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FRAU BUTTERSACK. Wie es recht ist. Das wird Er doch wissen. Er scheint übrigens entweder ein ganz dummer oder ein ganz frecher Mensch zu sein. Mach Er jetzt Ordnung oder Er wird seine Unordent-lichkeit zu büßen haben. Geht ab.

KASPERL. So? „Wie es recht ist?“ „Wie es sich gehört?“ „Ordnung“ machen? Gut! Der Kasperl kann auch auf Recht und Ordnung halten. Aber hier im Haus ist kein Recht und keine Ordnung. Gold verstecken, Geld und Vorräte verheimlichen, fressen und schlampampen: wo es in der Ordnung wäre, mit allen an-deren schön geteilt zu haben und redlich zu sein! Na, so werd ich halt Recht und Ordnung hereinbrin-gen. Ist für den Kasperl ein ganz neuer Beruf. Aber es muß sein: Erstens hat mir die Frau Buttersack Recht und Ordnung befohlen; zweitens ist das meine Kriegspflicht; drittens erspart es der Frau Butter-sack die Wahl, ob ich ein frecher oder ein dummer Kerl bin; das braucht sie bei mir nicht herumzuraten, der Kasperl ist ein ganzer Kerl und ist alles. Und überhaupt – ich werd mein Vergnügen haben, und da brauch ich nichts weiter. Kein Trinkgeld nehm ich von der Bagaschi, kein freiwilliges und kein unfrei-williges, was ich mir selber hätte zukommen lassen. Aber wenn ich so viel brav bin, lieber Gott, ich bitte

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dich, belohne mich und erhöre mein Flehen. Ich bin gewiß kein Revoluzzer. Ich purzle zwar selber im-mer umeinand und stoße überall herum, aber ich bin kein Umstürzler. Ich achte alle von Gott gesetzte Ordnung, aber, lieber Gott, dieses Mal – dieses Mal laß es geschehen: Dieser Frau Buttersack laß mich eine Ohrfeige geben, eine Ohrfeige, daß sie es solang hinterher spürt, als sie vorher sich angemästet hat. Amen. – Jetzt gehen wir weiter an die Arbeit! Links vorne hineinschauend. Da steht ein Sofa ganz im dunklen Eck. Heraus damit, ich bin gerade in der Laune zum Klopfen! Er hat es herausgeholt und schlägt mit einem Stock tüchtig darauf. Es staubt weiß auf.

FRAU BUTTERSACK kommt. Um Himmelswillen, Kasperl, was macht Er? Hör Er auf!

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KASPERL weiterklopfend. Es staubt ja noch immer. Schön weiß staubt’s!

FRAU BUTTERSACK. Das ist ja das feine Mehl, das feinste Nullermehl. Unter der leichten Decke sind ja die Säcke. Drum stand’s ja ganz in der Ecke.

KASPERL. Ja, zu welchem Zwecke? Daß jeder sich strecke – nach der Decke?

FRAU BUTTERSACK. Kasperl, stell Er das Sofa zurück und tu Er seine Arbeit weiter! Geht ab.

KASPERL. Sonst heißt’s: Den Sack schlagt man und den Esel meint man. Und ich hab das Sofa gemeint oder höchstens im Geiste die Frau Buttersack, und ich hab den Sack geschlagen, den Mehlsack. Schiebt das Sofa links vorne hinein und bringt zwei Polstersitze heraus. So, jetzt nehmen wir halt die Polsterstockerln her! Das stell ich mir zum Ofen, da werd ich mich dann ein bißl draufsetzen; und das klopfen wir jetzt! Er schlägt drauf. Es klappert.

FRAU BUTTERSACK kommt. Um Himmelswillen, Kasperl, hör Er auf! Da sind ja die eingelegten Eier darin. Drei Gläser voll Eiern. Kasperl, wenn Er die zerschlagen hat! Sie klappt den Sitz auf und guckt hinein.

KASPERL. Wenn ich das gewußt hätte, dann hätt ich statt dem andern dieses Stockerl zum Ofen gestellt. Der hätt vielleicht geschwind ein paar junge Henderln ausgebrütet, als Festtagsbraten!

FRAU BUTTERSACK. Was? Zum Ofen? O Kasperl, da ist ja der Speck darin. Ach, der schöne, teure Stoff hat schon einen Fettflecken. Es rinnt ja schon. – Er ist einem ja rein zur Strafe hergeschickt!

KASPERL beiseite. Ha, sie erkennt meine höhere Sendung! Oh, ihr Hamster, ihr Hamster!

FRAU BUTTERSACK. Was sagt Er da?

KASPERL. Nichts.

FRAU BUTTERSACK. O, ich hab es wohl gehört. Er hat gesagt: Hamster –!

KASPERL. Jawohl – Ham S’ der – lei Sachen viel, hab ich untertänigst fragen wollen?

FRAU BUTTERSACK. Wir haben sie aufgespart, damit sie

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nicht von den anderen zu früh gegessen werden. Es ist für die Allgemeinheit. Wenn die einmal in Not ist, dann werden wir es den Leuten verkaufen.

KASPERL. Ah, zu dem billigen Preis?

FRAU BUTTERSACK. Wie es recht ist. Geht ab.

KASPERL. Wenn einmal Not ist! Na, ich weiß, daß jetzt Not ist. Also machen wir, wie es recht ist! Geht zum Telephon und läutet auf. Bitte, Gemeindeamt. – – Hier der Diener vom Herrn Kronenbrüter. Ich habe

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mitzuteilen, daß hier in seinem Haus Mehl, Speck und Eier sind. Die gibt er jetzt um den ganz billigen Preis, wie er vor der knappen Zeit war, her. Um elf Uhr kann die Gemeinde jemand herschicken, der es übernimmt und zum öffentlichen Verkauf bringt – wie es recht ist. Schluß. Er klappt abwechselnd die Stühle auf und zieht immer je ein Eierglas oder eine Speckseite heraus und trägt sie hinten hinaus. Die Sachen leg ich gleich beim Haustor in der braunen Truhe bereit. Ja, das wär aus der Weis, wenn die da drinnen bleiben. Heut an dem Festtag! Da laßt man doch die Eßsachen den Leuten vorsetzen und nicht die Leut auf die Eß-sachen sitzen. Das hieße ja den Kreislauf der Ernährung umkehren.

HERR KRONENBRÜTER kommt heraus. Nun, macht Er jetzt schön Ordnung? – Er hat sich früher sehr dumm angestellt, hab ich gehört. Aber Er war wohl nie in einem so feinen Haus. Er ist halt ein ganz ge-wöhnlicher Mensch. Aber bedenke Er, wer ich bin und was ich habe. Kann er telephonieren?

KASPERL. Jawohl! Und wie!

HERR KRONENBRÜTER. Ruf Er das Bürgermeisteramt, ich lasse den Herrn Bürgermeister bitten, er soll nicht vegessen, daß das Essen um zwölf beginnt. Und sag Er, wie schon alles aufs schönste hergerichtet wird, auf den Glanz! Wir ham’s ja! Geht ab.

KASPERL. Ihr Hams–ter! – Den Glanz werd ich gleich leuchten lassen, bis zum Bürgermeister. Läutet beim Telephon auf. Bitte, Bürgermeisteramt. – Hier der Diener vom Herrn Kronenbrüter. – Ja. – Der Herr Kronenbrüter hat heute Geburtstag und will, daß alles

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auf den Glanz hergeht. Er hat’s ja. Und da ist es nur recht, daß er seine fünftausend Kronen in der Um-undumbank für Kriegsanleihe zeichnet und für Kriegsinvalide stiftet; und daß er die hundert Goldstücke und fünfhundert Silberkronen, die er noch hat, der Gemeinde übermittelt. Den Wert soll sie für Krie-gerheimstätten verwenden. Wenn der Herr Bürgermeister das verlautbaren ließe, das wäre für den Herrn Kronenbrüter die rechte Geburtstagsfeier. – Und um zwölf möchte der Herr Bürgermeister zum Essen kommen. Ganz einfach, ganz kriegsmäßig. – Ja. – Schluß. – So! Der Kasperl hat aufgeräumt!

FRAU BUTTERSACK kommt mit einem großen Schlüssel. Nun, ist Er fertig? Alles in Ordnung?

KASPERL. Wie es recht ist. Wie es sich gehört.

FRAU BUTTERSACK. Das ist der Schlüssel von der Speisekammer. Hier nach links zurück zeigend ist die Tür, darin stehen die Speisen, trag Er alles auf seinen Platz. Das Eßzimmer ist gegenüber nach rechts hinweisend. Verteil Er alles gehörig, die Blumen hab ich schon hineingestellt. Holt links vorne einen Pack rotbunter Schneuztücher.

KASPERL hat aufgesperrt. Oh! Gugelhupf, Torten, Milchbrot und Krapfen! Gänse und Fische! Und Schin-ken und Würste! Das riecht!

FRAU BUTTERSACK. Kasperl! Diese schönroten Schneuztüchln geb Er zu den Festtagskuchen dazu, recht fein zusammengerichtet. Das ist mein Geschenk für den Herrn Kronenbrüter. Da kann er dann zweimal im Tag seine Nase in ein frisches Tüchl stecken. Geht ab, nachdem Kasperl die Tüchln übernommen hat.

KASPERL. Oh, oh, oh! So was hab ich lang nicht gesehen! – Mir scheint, jetzt beginnt die Versuchung des braven Kasperls! Es wird verdammt schwer werden. Aber was bringt der Krieg nicht alles mit sich! – Nichts haben und nichts sehen und nichts essen, das geht an; aber sehen, da haben und nicht essen, das ist schwer. Doch es geht. Das Tischtuch mit diesen Leuten ist zerschnitten und bleibt zerschnitten, und wenn der Magen noch so knurrt. Wenn

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ich nur die Ohrfeige erleb, so eine plötzliche Gerechtigkeit. Ich will darauf hinarbeiten. Er lauft zum Fen-ster. Dieses kann entweder im Hintergrund angenommen werden oder auch im Schaurahmen zu den Zuschauern heraus,

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welche dann die empfangende Volksmenge für die vom Kasperl herausgelieferten Sachen abgeben würden. Kunigundl, Kunigundl, paß auf; was ich dir hinuntergeb, das tragst du daneben in die Kriegshilfsstube und sagst, der Herr Kronenbrüter und die Frau Buttersack schicken das für die Spitäler, weil heute vom Herrn Kro-nenbrüter der Geburtstag ist. – Ja, wie soll ich das alles bequem einpacken, daß nichts daran geschieht? – Ah! Wozu sind denn die zwei Dutzend Sacktücher da, die geben grade recht schöne Pinkerln. Aus dem Sacktüchl wird ein Tüchlsack, und bevor die Gäste noch im Haus sind, lauft das Bescheidessen schon hinaus. Er lauft in die Speisekammer und kommt immer wieder mit einem rotbunten Pinkerl heraus und wirft es durchs Fenster. So, jetzt sind noch zwei Laib Brot und ein Strudel da, jetzt werden wir genau den Teil aus-messen, der ins Haus gehört, wie es recht ist. Er bringt eine Wage und wiegt ein paar Stücke Brot und Mehlspeise ab. Also wir sind drei Personen, Gäste sind sechs, macht neun Leute. Das macht nach der Brotkarte zweihundertfünfzig Deka Brot und Mehlspeise. So! Gut gewogen! Das übrige gehört der Allgemeinheit. Räumt die Wage weg nach rechts und holt in der Speisekammer links noch ein Pinkerl und wirft es durchs Fenster. Letz-tes Pinkerl, lebe wohl! Fröhliche Wanderschaft! Und auf den Tisch kommt, was hingehört! – Jetzt be-sorg ich noch die Mehlsäck. Lauft mit weißen Mehlsäcken einige Male von links vorne nach hinten hinaus. Und so ist alles in Ordnung! Das Fest kann beginnen. Er tanzt ab.

FRAU BUTTERSACK kommt mit Herrn Kronenbrüter in großem Feststaat von links vorne heraus. Unter steten tiefen Knixen. Lieber Herr Kronenbrüter, empfangen Sie zum Feste von mir die herzlichsten Glückwünsche für Ihr Wohlergehen und Gedeihen, für Ihre Gesundheit, Geschäfte und Bequemlichkeit und außerdem noch zwei

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Dutzend selbstgesäumte Taschentücher für Ihre geschätzte Nase, sehen Sie hier – – Führt ihn rechts hinein und kommt bald allein zurück. Ja, was ist denn das? Kasperl! Kasperl kommt. Wo sind die Sacktücher?

KASPERL. Als Überraschung hergerichtet, wo sie ganz besondere Wirkung machen. Gleich wird sie sich offenbaren. Alles zur rechten Zeit! Oh, ich verstehe mich aufs Festeanordnen!

FRAU BUTTERSACK. Wenn es nur klappt! Dreht sich wieder nach rechts hinein um.

KASPERL. Klapps wird’s klappen!

FRAU BUTTERSACK. Aber die Tafel schaut ja noch ganz leer her und die Anrichten. Wo hat Er denn alle die Sachen hingegeben?

KASPERL. Wo sie ganz von Rechts wegen hingehören. Sie werden sofort an der richtigen Stelle sein. Das Telephon läutet.

KASPERL spricht hinein. Ja, hier Haus Kronenbrüter – – – – ja – ja – so – –, das geht die Frau Buttersack an, die so schön kochen kann. Gleich ruf ich sie selber. Sich umwendend: Frau Buttersack, das Kriegsspital will Sie sprechen.

FRAU BUTTERSACK am Telephon. Hier Frau Buttersack – – was? – was! – – bitte – – oh – oh? Von mir? Gu – Gugelhupf – – Torten? – Sechs Torten! – – Kuchen – Mi – Mi – Milchbrot – wie? – Wann? – In vier-undzwanzig roten Tücheln übermittelt – von dem Kasperl – – oooh! Fällt steil und steif nach hinten um.

KASPERL. Die Ohrfeige ist da. – Telephonisch! – Gut getroffen hat sie! – Mein Gebet ist erhört. So packt sie auf und wirft sie nach links hinein, jetzt liege du auf dem Sofa statt der Mehlsäcke. Die sind schon marschbereit beim Haustor. Du kannst liegen bleiben, du wirst der Allgemeinheit nicht abgehen. – Und der Herr Kronenbrüter soll dir Gesellschaft leisten. Öffnen wir dem zweiten Arm der Gerechtigkeit die Pforte; der eine kam durchs Telephon, der andre harrt am Fenster schon. Also, Fenster auf! Und jetzt los! Herr Kronenbrüter!

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HERR KRONENBRÜTER kommt von rechts heraus. Nun, was gibt’s? Kasperl weist dienernd beim Fenster hinaus. Ja, was ist denn da für ein Auflauf vor dem Haus? Und alle Leute tragen Mehl und Eier und Speck. Da sieht man, wie es den Leuten noch gut geht.

KASPERL durchs Fenster rufend. Hollah, Leute, hier ist der Herr Kronenbrüter, der alle diese guten Sachen so schön aufbewahrt hat. Herr Bürgermeister – zum Herrn Kronenbrüter: Dort hinten, Herr Kronenbrüter, se-hen Sie, dort kommt er – wieder durchs Fenster: Herr Bürgermeister, ist alles in Ordnung? Ja? – Gut. Herr Kronenbrüter, bleiben Sie nur am Fenster, nehmen Sie den Dank entgegen für Ihren Gemeinsinn – oder gemeinen Sinn – lauft weg und kommt mit dem vollen Strumpf und dem vollen Beutel wieder hier ist der Strumpf mit dem Silber, hier ist der Beutel mit dem Gold, die der Herr Kronenbrüter für die Krieger stiftet, nebst dem ganzen Geld in der Umundumbank. Der Herr Kronenbrüter schüttelt und rüttelt sich in ei-nemfort, Kasperl bringt ihn immer wieder mit einem Stoß zur Ruhe und ans Fenster. Sehen Sie, wie die Leute und der Herr Bürgermeister winken! Herr Bürgermeister, da ist das Silber und Gold! Wirft Strumpf und Beutel durchs Fenster. Der Herr Kronenbrüter lebe hoch!

STIMMEN von draußen. Hoch! Hoch!

Der HERR KRONENBRÜTER fällt auch steil und steif um.

KASPERL. So! Wenn ihn die Leute hoch leben lassen, legt er sich nieder. Durchs Fenster: Der Herr Kronen-brüter kann nicht erscheinen und kann niemand empfangen, er ist so gerührt. Nach innen: Aber vom Schlag. – Hopla, auf und aufs Sofa! Er packt ihn und wirft die Puppe links hinein. Jetzt ist Ordnung. Aber Geburtstag ist auch. Zu dem bin ich ja aufgenommen, da muß ich auftragen. Holt links hinten eine Flasche und eine Wurst. So, da ist eine Flasche Wein und eine Wurst. Etwas hab ich mir doch auch verdient. Ich wünsche dem Kasperl eine gesegnete Mahlzeit. Trinkt und tanzt in die Wurst bei-ßend ab.

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KASPERL IM ETAPPENRAUM.

Man hört das Heranrollen, Pfeifen und Halten eines Eisenbahnzuges. Eine große hohle Holzspule voll Stacheldraht wird rechts hereingestellt, als ob sie abgeladen worden wäre. Wieder Pfeifen und Weiterrollen des

Zuges. Aus der Spule erscheint die Zipfelmütze des KASPERL, zuckt wieder zurück, kommt immer wieder und höher, endlich guckt er mit Augen und Nase heraus.

KASPERL. Ist niemand da? Verschwindet und erscheint wieder. Seid’s alle nicht da? – Sonst frag ich immer: Seid’s alle da?, aber diesmal kann das Stückl nur losgehen, wenn niemand da ist. Diesmal will der Kas-perl selber was sehn, nämlich das engere Kriegsgebiet, und da kann er nur hineinrutschen, wenn gerade niemand herschaut. Der Krieg dauert jetzt schon das dritte Jahr und da kann mir das Hinterland aufn Buckel steigen, ich nähere mich der Front. Steckt einen Arm heraus. Aber gerade wie mich dieses Verlan-gen erfüllt, haben sie mir keinen Paß gegeben, nämlich keinen Reisepaß fürs Kriegsgebiet, denn sonst hat’s freilich immer, wenn ich aufs Paßamt gekommen bin, geheißen: „Paß auf, Kasperl, gleich kriegst den Laufpaß.“ Da hab ich mir selber den Fahrpaß gegeben, hab mich zu Haus auf den Frachtenbahnhof und in diese Stacheldrahtrolle geschlichen, weil ich drauf gelesen hab: „An das Kommando in Allesgrad. Eiliges Kriegsgut.“ Und so bin ich mit der Bestätigung, daß ich ein besonderes Kriegsgut bin, hieherge-kommen. Reckt den ganzen Oberkörper heraus. Wie schaut’s denn jetzt da aus? Ein großer Bahnhof – viele Geleise – viele Schupfen – und – jessas, da kommt wer! Verschwindet.

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WACHSOLDAT kommt von links. Jetzt muß ich einmal diese Seite abgehen, ob niemand Unberufener in diesen wichtigen Platz gekommen ist. Er ist zwar gut abgesperrt, und es müßt einer rein wie eine reife Kästen Kastanie von oben herabfallen.

KASPERL kurz auftauchend. Stimmt! Stachlige Schale und feiner Kern!

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WACHSOLDAT. Ein Wachposten kann nie genug aufpassen. Ah, da ist wieder ein neuer Stacheldraht ge-kommen, können ihn gut brauchen. Nicht nur vor den Schützengräben gegen den Feind klopft auf die Spule, sondern auch im Land gegen allerhand inneres Gesindel. Kehrt um.

KASPERL kurz herausfahrend. So, so? Also sein S’ froh!

WACHSOLDAT dreht sich um. Hat da wer gesprochen? Aber es ist ja niemand hier! Nur der schöne Stachel-draht. Eine großmächtige Rolle. Und wie sie s’ fein aufgeputzt haben streicht des Kasperls herausstehenden Mützenzipfel hin und her, wie einen Rekruten oder Pfingstochsen, mit einem schönen rotgrün-bunten Fah-nerl und Quasterl! Er geht langsam ab.

KASPERL taucht auf. Na, Rekrut, meinetwegen! Aber Pfingstochse, nein! O, ich hab gspitzt, ob er mich nicht an dem schönen rotgrün-bunten Fahnerl herauszuckt und zwingt, auf meiner Festung die weiße Fahne der Übergabe aufzustecken. Ich muß jetzt schleunig heraus, sonst werd ich am End noch ganz eingeschlossen, und ich hab schon so viel Hunger und Durst. Er gibt ein Bein herüber. O weh, o weh, jetzt hab ich mir die Hosen zerrissen. Da geht’s dem Kästenkern besser, der kommt feiner aus seiner Stachel-schale heraus. Und der braucht’s nicht einmal, denn der hat keine Hosen an. Aber der Kasperl muß schließlich aus dem eigenen Drahthindernis auch glatt heraushupfen können. Das hat er noch immer zuwege gebracht. Also, hopla! Springt heraus. So! Der Kasperl bewegt sich auf dem Boden des Kriegsge-bietes!

WACHSOLDAT kommt wieder. Halt! Wer da?

KASPERL. Ich.

WACHSOLDAT. Was machst du da?

KASPERL. Da sein.

WACHSOLDAT. Hier darf aber kein Zivilist da sein.

KASPERL. Ich bin kein Zivilist.

WACHSOLDAT. So? Willst du etwa ein Militarist sein?

KASPERL. Nein, das bin ich auch nicht.

WACHSOLDAT. Ja, was bist du denn dann, wenn du kein Zivilist und kein Militarist bist?

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KASPERL. Ich bin eben kein Zivilist und ich bin eben kein Militarist, ich bin eben der Kasperl.

WACHSOLDAT. So, so? Du bist der Kasperl? Wirklich? Der echte?

KASPERL. Freilich! Der ganz echte!

WACHSOLDAT. Du, fopp mich nicht! Ich kenn mich bei der Kasperlsippschaft genau aus.

KASPERL. Mein Großvater war ein Salzburger, mein Vater war ein Wiener, ich bin ein Linzer, frag umei-nand im Donauland, ob s’ mich kennen.

WACHSOLDAT. Du, ich hab einen Vetter, den Höttinger Peterl.

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KASPERL. Ja, mit dem bin ich auch verwandt, und nicht bloß aus dem tausendsten Suppenschnittl, son-dern schon im dreiundsiebzigsten.

WACHSOLDAT. Dann sag mir, wie sagt denn der Peterl immer?

KASPERL. Der sagt: „Es ischt die höchschte Zeit, / daß ich mich sehen laß / Euch – die Ihr hier versam-melt seid / und wolltet sehen was. / Doch verlanget nicht zu viel, / denn es bleibt immer nur das alte Peterlgspiel,“ und ich sag: „Da bin ich, und wer mich mag, wird mich gern haben, und wer mich nicht mag, kann mich gern haben.“

WACHSOLDAT. Ja, ich seh, du bist der Kasperl. Also kann ich dich hier dulden. Ich muß nur schauen, daß kein unberufener Zivilist da ist und daß jeder Militarist bei seiner Arbeit ist. Aber du bist kein Zivilist, denn du steckst in zweierlei Tuch, und du bist kein Militarist, denn du steckst in keiner Disziplin, du bist der Kasperl.

KASPERL. Du, ich bin aber nicht ein solcher Staatsbürger, der im Krieg nur fürs Kranzwinden und Fah-nentragen bei den Siegesfeiern da ist. Oder einer, der nur mit den Weiberleuten in Reih und Glied lauft. Die hab ich viel lieber mir gegenüber, als neben mir, und lieber bei der Nacht als bei Tag. Nämlich – da schlafen sie und sind so zahm und sehen nicht, was ich tu, und können mir nicht auf die Finger klopfen.

WACHSOLDAT. Na ja, du bist der Kasperl!

KASPERL. Und wie heißt denn du?

[74]

WACHSOLDAT. Friedrich.

KASPERL. Was Friederich? Das wohl früher. Aber jetzt mußt du dann doch Kriegerich heißen. Denn aller Friede hat sich in Krieg verwandelt.

WACHSOLDAT. Nein, der Krieg ist nur da, um den Frieden umzuwandeln und umzuwenden, wie ’s Heu auf der Wiesen. Wir sind alle Friedriche und keine Kriegriche.

KASPERL. Du, ich hab Durst.

WACHSOLDAT. Dort drüben ist eine Feldflasche zur Labung, ich werde sie dir holen. Dann muß ich mei-nen Wachgang weitergehen. Geht ab.

KASPERL. Jetzt kennt der meinen Spezi, den Höttinger Peterl. Wo der nur ist? Der ist am End ein echter Soldat. Schaut ihm schon gleich: So a Tiroler wird mit dem Kugelstutzen geboren, und wann er auch a Kasperl ist. Mir aber ist das Schießen nicht an der Wiege gesungen. Nur das Zuhauen. O ja! Aber das Gewehr ist mir zu kompliziert; mit dem Kügerl, da kann man nicht mitrennen, und ich möcht überall dabei sein, ich vertrag’s nicht, daß was geschieht, wo ich nicht mein Nasen daneben hab.

WACHSOLDAT kommt mit einer richtigen Feldflasche und hängt sie dem Kasperl um. So, Kasperl, da hast du einen Wein, wie wir ihn in der Etappe haben.

KASPERL. Dank schön, Brüderl! – Du sag mir noch, wo ist denn da die Front?

WACHSOLDAT. Dort über den Wald siehst du einen Kogel und dahinter einen langen Berg mit einer Scharte, dort sind unsere Stellungen.

KASPERL. Was? Die Stellungen sind ja bei uns zu Haus, im Wirtshaus oder in der Turnhalle.

WACHSOLDAT. Das sind die für die Rekruten. Für die Soldaten heißen die Schützengräben und Befesti-gungen dort vorne Stellungen.

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KASPERL. Aha! Das ist ja gut, da kann’s also beim Militär keine Stellungslosen geben. – Und was ist denn jetzt an der Front los?

WACHSOLDAT. Heut früh ist stark geschossen worden. Grad dort, wo die Türken stehen.

KASPERL. Was? Türken? Türken sind auch da?

[75]

WACHSOLDAT. Jawohl, unsere guten Bundesgenossen.

KASPERL. Türken! Lebendige Türken! Die muß ich sehen.

WACHSOLDAT. Wart halt auf eine gute Gelegenheit! Ich gehe jetzt meinen Wachgang weiter. Geht ab.

KASPERL. Ich setz mich nieder. Trinkt und gluckst und schnalzt. Das belebt meinen Geist. Und der muß jetzt überlegen, was ich weiter unternehme. Also, was möcht ich? – Einen Sieg möcht ich hier erleben, an der Front, ganz in der Nähe, nicht bloß telegraphisch; einen lebendigen Türken will ich sehen; und ein recht gutes Essen will ich haben. Das Trankl war die Einleitung zu meinem neuen Leben. Ich weiß zwar nicht, ist es weiß oder rot, ist es Wein oder Essig, aber Durst löschen tut’s, schmecken tut’s, mir ist wohl. Jetzt bin ich wieder bei meinen Kräften, so daß ich mich zuerst einmal – ausrasten kann. Dann kommt das große Tagewerk: ein Sieg, ein Türk und das gute Essen. Nickt ein.

HOLZHANDLER kommt von links. Sakra, was man da durchsucht wird und anghalten und ausgfragt und be-lehrt, bis man in den Bahnhof herein darf. Ich hab doch ein paar Wagen Holzladung hier stehen und muß schauen, ob alles in der Ordnung ist. Sie machen gerad so, als wär das Geschäft für den Krieg da, und nicht der Krieg fürs Geschäft. Und die Handelschaft, damit sie leben und sich spreizen, und nicht umgekehrt. Da liegt wieder so ein Kerl. He! Du wirst umfallen, auf die Schienen, kannst den Kopf ver-lieren. Wär zwar nicht schad! Aber meine Holzsendung könnt dann am End nicht rechtzeitig fortkom-men und das gute Geschäft klappt nicht. He!

KASPERL aufwachend. Guten Morgen!

HOLZHANDLER. Jetzt ist Mittag.

KASPERL. Na ja, und morgen ist wieder ein Morgen. Ich darf Euer Gnaden wohl etwas voraus wünschen. Man kann’s immer brauchen.

HOLZHANDLER. Ein übermütiges Pack sind die Soldaten.

KASPERL. Besser noch ein bißl über den gewöhnlichen Mut, als unter ihm zurückgeblieben. Ich gehör und halt zu den Soldaten. Was bist denn du? Bist ein Enthobener? Was machst denn dahier?

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HOLZHANDLER. Ich muß mich hier unter diesen Ladungen um Holz, um Stämme, Pfosten und Prügel, umschauen. Dabei verdiene ich.

KASPERL. So? – Beiseite. Mir scheint, du verdienst nicht bloß bei den Prügeln, sondern auch die Prügel sel-ber. Ich werde dir dazu verhelfen, Herr Handler, in mir ist auch eine Ladung für dich: ich bin geladen! Geht ab.

HOLZHANDLER herumschauend. Also, wo stehen denn die Wagen? – Aber wer kommt denn da gestolpert? Über jede Schiene dreht’s ihn nach einer andern Seite und schmeißt ihn fast hin. Der kommt zum Schluß noch auf allen Vieren oder radschlagend daher.

HANDELSMANN kommt wackelnd herein. Gott, ist das ein Weg, ist das ein Weg! Hab ich überhaupt noch meine Händ und meine Füß, ich weiß es nicht!

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HOLZHANDLER. Freilich. Auf den Füßen stehen S’ und mit den Händen reden S’.

HANDELSMANN. Machen Sie hier Geschäfte? Gott sei gedankt, endlich einmal ein Mann von Geschäften. Hier sind sie alle jetzt so befehlerisch, wie soll man da handeln? Aber ich habe gemacht meine Geschäf-te. Schuhe mit Papiersohlen – von allerbestem Papier – hab ich untergebracht in den Lieferungen fürs Militär. Und Konserven, die sonst niemand hat wollen haben, weil sie vielleicht sind nicht so frisch und so gut, daß sie nicht etwa noch frischer sein könnten und besser, hab ich auch angebracht. Solang die Blechdose zu ist, sind sie so gut als andere. Brauchen sie ja doch nicht aufzumachen und zu essen! Sind sie gescheit, werden sie sie weitergeben und dabei machen einen Profit. Die Sachen sind doch nicht zum Verzehren und Verbrauchen da, sondern zum Handeln. – Geb ich das Geld doch auch weiter. Sogar auf Kriegsanleihe. Schaut gut aus. Ist ein gutes Aushängschild fürs Geschäft. Was haben Sie gezeichnet auf Kriegsanleihe?

HOLZHANDLER. Ich? Nix. Ich weiß mir was besseres. – Und jetzt hol ich mir zuerst einen Wein. Geht ab.

HANDELSMANN. Und ich werde gehen hier zwischen den zwei Schienen gerade in der Mitte hin und her und werde überdenken meine Geschäfte. Geht fort.

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KASPERL kommt von rechts herein mit der Pritsche. Schöne Sachen hab ich da erfahren. Dort auf dem Wagen im Bremserhäusl bin ich gesessen, da hab ich alles gehört, was die zwei geredet haben. Edle Männer! Trotz allen Wachen kommt das Gesindel immer noch herein! Aber jetzt wird der Kasperl handeln! Springt hinter die Drahtrolle.

Der HANDELSMANN kommt mit lebhaften Geberden [!] überlegend herein und bleibt in der Mitte stehen. KASPERL hat die Feldflasche weggegeben, schleicht heran, kitzelt mit dem Mützenzipf dem Handelsmann die

Nase und springt zurück. Dieser schlägt darnach wie nach einer Fliege. So mehrere Male.

KASPERL beiseite. So jetzt ist er gewarnt. Jetzt geht’s los. Gibt ihm ein paar Ohrfeigen.

HANDELSMANN. Was ist das? Wer ist hier so gemein, Ohrfeigen auszugeben?

KASPERL. Ich bin nicht gemein. Und was die Ohrfeigen betrifft: Dort von den Bergen her, grad über der Scharte herüber, da hat ein mordslanger Arm herübergelangt, der hat hier herumgefuchtelt. Von dem werden Sie wohl die Ohrfeigen abgekriegt haben. War wohl ein Feind, der halt weiß, wo’s hier hapert.

HANDELSMANN. Was? Langer Arm? Feind? Und überhaupt: Dort stehen unsere Soldaten vorn, die lassen keinen Feind hieherkommen.

KASPERL. Dort ist aber grad ein Loch. Dort fehlen in den Stellungen ein paar Soldaten. Die haben noch nicht hinaufgehen können, weil sie kein Leder unter den Sohlen haben. Jetzt müssen sie unten warten, bis Teppiche gelegt sind, damit sie auf ihren Papierlatschern hinaufgehen können. Dann langt dort auch kein Feind mehr herein. Schauen S’ sich um, vielleicht ist noch wo so ein Loch! Wie der Handelsmann sich umdreht, gibt ihm Kasperl wieder eine Ohrfeige.

HANDELSMANN. Ai, wai! Hier ist mir zu unsicher. Lauft fort.

KASPERL stellt sich an der Seite auf. So, jetzt kommt der andre dran!

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HOLZHANDLER kommt mit einem großen, metallenen Trinkbecher und trinkt eifrig. Der Wein ist gut. Kasperl reißt ihm den Becher von hinten her fort, trinkt ihn aus und stellt ihn weg. Was ist das?!

KASPERL. Das ist das. Ein feindlicher Flieger hat heruntergelangt.

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HOLZHANDLER. Was? Ja, wozu sind denn die Wachposten da?

KASPERL. Zum Schauen. Gesehen werden sie ihn schon haben.

HOLZHANDLER. Aber schießen sollten sie!

KASPERL. Tun sie auch. Tun sie auch, alle, die ein Gewehr haben. Aber grad der Posten hat kein Gewehr gehabt. Für den ist keines angeschafft worden, weil bei der Kriegsanleihe was gefehlt hat, so ein Trumm Holzkriegsgewinn. Drum hat man grad da sparen müssen.

HOLZHANDLER. Was –?

KASPERL stülpt ihm den Becher über den Kopf und klopft darauf. So, der Flieger ist wieder da, aber der Herr Holzhandler hat einen Stahlhelm auf.

HOLZHANDLER fortlaufend. Puh, Prrr – Puh!

KASPERL. Oder einen Scherben auf, tät mein Vetter sagen.

HANDELSMANN guckt vorsichtig herein. Ist es jetzt sicher?

KASPERL. Ich werd gleich das Erdtelephon fragen. Horcht an der Erde. So und jetzt werd ich Ihnen das ins Ohr sagen, weil es ein militärisches Geheimnis ist. Hält seinen Hund zu des andern Ohr, spricht aber nichts.

HANDELSMANN. Ich höre ja nichts. Kasperl macht es wieder so. Ich höre nichts.

KASPERL. Da muß ich Ihnen halt die Leitung selber hinters Ohr führen. Legt seine herbeigeholte Pritsche dort an.

HANDELSMANN. Aber das ist ja ein Stück Holz und keine Telephonverbindung.

KASPERL. Muß eine Verbindung sein. Ist Ersatz. Kupfer fehlt gerade, das haben ja Sie zu Hause in Ihrem Lager wo aufgestapelt. Nicht wahr? Ich denk mir’s so. Da muß

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dann Holz herhalten, und passen Sie auf, es gibt den rechten Ton. Sie werden dann gleich wissen, wo es sicher ist. Also aufgehorcht, ich verbinde. Er holt kräftig aus und haut dem Handelsmann ein paarmal hinter das Ohr.

HANDELSMANN. Ach wai, ich bin tot. Lauft ab.

KASPERL. So, das war das rechte Morsealphabet, wir haben uns verstanden!

KASPERL spaziert hin und her. Ein Pfiff ertönt. Er verkriecht sich in seine Drahtspule. Rollen eines Zuges, Pfeifen, Halten. Eine gleiche Stacheldrahtspule wird links hereingestellt. Pfeifen und Weiterrollen. Aus beiden

Spulen erscheinen zuerst abwechselnd, dann gleichzeitig Zipfelmütze und Fez und dann die Köpfe des KASPERL und des TÜRKENKASPERL. Sie drehen sich einander zu.

KASPERL. Wer bist du?

TÜRKENKASPERL. Wer bist du?

KASPERL. Kasperl bin ich.

TÜRKENKASPERL. Kasperl bin ich.

KASPERL. Bist ein Türke?

TÜRKENKASPERL. Bin ein Türke.

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KASPERL. Servus, Bruder!

TÜRKENKASPERL. Ich begrüß dich.

KASPERL. Wo kommst du her?

TÜRKENKASPERL. Ich bin gewandert, vom Schwarzen Meer, hab mich verborgen dann in die Rolle, ließ her mich fahren, hier unsere Krieger und unsere Bundesgenossen zu sehn.

KASPERL. Ha! Mein Wunsch wird erfüllt. Ein echter Türk! Ein lebendiger Türk! Und noch dazu der Kas-perlbruder selber! – Du, das ist schön, daß wir zwei da grad zsammkommen. Das hätten die feinsten Ordnungsmacher nicht besser einfädeln können, als daß du grad mich zum Empfang treffen mußt. Also verlassen wir unsere Salonwagen, eins, zwei, drei, hopla! Sie springen beide aus den Rollen. Gib mir die Hand und einen Kuß! – Fehlt nur ein Kinematograph, der unsre Herzlichkeit und Rührung für die Ewigkeit aufwickelt. Aber der ist für uns zu wenig fein und genau; wir lassen uns nicht mit so

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ein paar schwarzen Schattenpatzen und Blitzerpunkterln über die Leinwand hudeln. Unsere Begrüßung muß voll Farb und voll Kern sein, schön greifbar und hörbar. Er klopft mit der Hand und dem Kopf auf die Holzkante. Die sollen die Leute nicht im Kinotheater sehn, sondern viel besser, – im Kasperltheater! – Du, hast du auch ein Kasperltheater?

TÜRKENKASPERL. Ja, wohl. Aber ich zeige mich nicht immer so rundher freisichtig, sondern die Leute sehen meist einen bunten Schattenschein von mir, aber darinnen genau Farb für Farbe und Glied für Glied.

KASPERL. Ja, warum denn das? Ich zeig mich immer in meiner ganzen Um- und -umigkeit.

TÜRKENKASPERL. Man sieht nicht immer mehr, wenn man alles sieht.

KASPERL. Da hast recht. Ein Jahrmarkt von oben alsa ganzer ist ein wüstes Gekrempel, aber so Eine Gas-sen durch, so eine lange Zeile mit Lebzelt, Affen, Krapfen, Schießbuden, Watschenmann, Bratwürstel und zuletzt und zuhöchst dem Kasperltheater, das ist was feines. – Also, du wirfst einen färbigen Schat-ten. Jetzt ist mir klar, warum die orientalischen Nächte so schön sein sollen. Weil bei euch die Schatten farbig und prächtig sind. Du! Kannst du mich nicht das lehren, daß ich auch so einen farbigen Schatten wirf? Dann spiel ich vielleicht auch nur mehr hinter der Leinwand. Aber was sagte da mein hochverehr-tes Publikum dazu? Mir scheint, das möcht mich doch leibhaftig haben. Und ich tät ja dann die Leut nicht mehr sehen; da wär’s Spielen nur eine halbe Freud. Aber ich weiß was. Solang ich da draußen freundlich-lachende Gesichter hab, solang bleib ich ohne Leinwand ihr undurchsichtiger bumfester Kas-perl. Wenn sie mich aber mit hohen Augenbrauen, spitzen Nasen, schnöden Nasenflügeln und zusam-mengezogenen Lippen ärgern, dann werd ich auch nur mehr als Farbenschatten erscheinen. Aber sonst nicht! Ich bin ein Wirklichkeitskerl, und gar nicht, was sie rumpantschig oder romantisch nennen, da hätt ich im Hinterland bleiben können und als der gelbe Schatten von einem Mannsbild herumlaufen und

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nur einen blauen Dunstschatten vom Krieg sehen. Nein, ich bin da und du bist ja auch da. – Wie heißt du denn eigentlich, denn Kasperl ist ja deutsch und nicht türkisch?

TÜRKENKASPERL. Karagös.

KASPERL. Ka – ra – gös; werd ich mir merken. Schöner Nam’. Paßt gut mit mir zusamm. Fangt mit den gleichen zwei Buchstaben an.

TÜRKENKASPERL. Also, du bist mein wahrhafter Bruder und Freund, verlaßt mich nicht?

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KASPERL. Da müßt ich mich ja in den Grund und Boden hinein schämen.

TÜRKENKASPERL. Da wärst du aber gleich wieder oben. Denn du hupfst ja in einemfort in die Höh.

KASPERL. Ich hupf aber immer wieder auf den gleichen Fleck zurück.

TÜRKENKASPERL. Also, da hast du meine Hand. Großes Händeschütteln.

KASPERL. Du, ich will dir ein Freundschaftsgeschenk machen.

TÜRKENKASPERL. Nun?

KASPERL. Ich schenke dir meine Frau.

TÜRKENKASPERL. Oho?

KASPERL. Ja, du bist ja ein Frauensammler, hast ja einen Harem, also sollst du meine auch dazu haben.

TÜRKENKASPERL. Hm, hm.

KASPERL. Schau, du hast ja sicher ein Dutzend, da kommt’s auf Eine nicht an.

TÜRKENKASPERL. Hm, hm.

KASPERL. Geh, dir schadet das gar nicht, bei dir hat sich damit fast nichts geändert – aber bei mir viel.

TÜRKENKASPERL. Hm, hm.

KASPERL. Du! Du brauchst mir gar kein besonderes Gegengeschenk z’geben. Ich will dir dafür meine bloße Freiheit verdanken.

TÜRKENKASPERL. Hm.

KASPERL. Sei ein guter Kamerad! Wir sind doch verbündet, wir wollen Freud und Leid teilen.

TÜRKENKASPERL. Ja, aber so, daß jeder gleich viel Leid und gleich viel Freude hat. Nicht, daß der eine das

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Leid und der andere die Freud hat. Wir machen es also so: Du schenkst mir heute deine Frau und mor-gen schenke ich sie dir wieder. Und nächste Woche leihe ich sie mir wieder von dir.

KASPERL. So –? – Nein. – Ganz oder gar nicht, ist mein Grundsatz. – Also, so lassen wir das Weiber-zeugs. Es führt zu nix. – Du, wie gefallt es dir hier bei uns?

TÜRKENKASPERL. Ich habe ja erst dich gesehen.

KASPERL. Na, und was geht denn da noch ab? Sollst mich übrigens gleich bei der Arbeit und im Schwung sehen! Stell dich dort hinter den Wagen und schau da her. Weist ihn hinaus, dann rufend: Herr Holzhandler, Herr Holzhandler!

HOLZHANDLER kommt. Was gibt’s?

KASPERL. Prügel. Ihre Prügel sind im Anrollen.

HOLZHANDLER. Wo? Wo?

KASPERL mit einem Prügel auf ihn einhauend. Da. Bum – to, bum – to, bum – to: Ha!

HOLZHANDLER fortlaufend. Oh, oh, Teixel, Teixel! –

KASPERL. So! – Nun, Karagös?

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TÜRKENKASPERL kommt wieder hervor. Das hast du gut gemacht.

RUF von außen. Hallo, hallo!

KASPERL. O, da kommen Leute! Beide Kasperl springen in ihre Rollen und gucken, kurz auftauchend, heraus. Aber es kommt ja niemand her. – Alle laufen zum Telegraphenamt. Da gibt’s was neues. Das muß ich auch wissen. Hopla – ’raus! Beide springen heraus, bleiben aber mit der Hose am Stacheldraht hängen. Oh, oh, ich bin mit meiner Hose an dem Stacheldraht hängen geblieben!

TÜRKENKASPERL. Ich auch.

KASPERL. Ja, ich kann dich nicht losmachen, ich bin zu weit weg.

TÜRKENKASPERL. Ich dich auch nicht.

KASPERL. Also, befreien wir uns jeder selber, und dann sind wir beisammen. So! Beide reißen sich los und fliegen sich in die Arme. Und jetzt muß ich wissen, was dort los ist. Lauft ab.

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TÜRKENKASPERL. Lustiger Kerl! Mit dem kann man ganz wohl gemütlich ausgehen und sich unterhalten. Und auch was tüchtiges unternehmen und darin aushalten.

KASPERL springt herein. Eine Meldung ist da! Von einem schönen Sieg der Türken und unserer Soldaten dort oben, hinterm Kogel, überm Berg, bei der Scharte! Komm, Brüderl, tanzen wir eins! Den Sieg hab ich und den Türken! Dann rennen wir dort hinauf. Dort wird es wohl das Festmahl geben!

BEIDE tanzen und singen.

Ging die Hose auch in Fransen, Laßt uns singen, laßt uns tanzen, Unser Feind ist ’nausgehaut! Unsre Krieger sollen leben, Und wir selbst und ihr daneben, Die ihr heut uns zugeschaut!

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KASPERL, GESPENST UND UNGEHEUER.

KASPERL kommt exerzierend herein. Marsch – eins, Marsch – zwei, Marsch – eins, Marsch zwei! Halt! Links-um! Ruht! – Heut muß ich ganz militärisch kommen, heut hat mich der Herr Leutnant, der hier in der Stadt kommandiert, militärisch rufen lassen. – Was er wohl vom Kasperl will? Wir haben jetzt das dritte Jahr Krieg. Komm ich jetzt dran?

LEUTNANT kommt von links. Kasperl!

KASPERL. Oha! Habtacht, Rechts schaut! Nimmt diese Stellungen an.

LEUTNANT. Kasperl, was treibst du denn? Dreh dich doch zu mir und schau mich an!

KASPERL. O nein, Herr Leutnant, ich weiß, was Ihnen für eine Ehrenbezeigung gebührt. O, ich bin ganz militärisch. Da heißt’s Rechts schaut! Bleibt weiter starr nach rechts vom Leutnant wegschauend stehen.

LEUTNANT. Das kannst du so kommandieren, wenn du einmal Zugsführer wirst, Kasperl, und einen Zug hast.

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KASPERL springt herum. Was, ich werd Zugsführer? Dank schön, dank schön. Werd mir gleich die Sterndln kaufen, gleich. Will fortlaufen.

LEUTNANT. Halt! Ich habe gesagt: Wenn – du einmal Zugsführer wirst. Da mußt du aber zuerst Rekrut, Soldat, Gefreiter und Korporal und dann noch besonders brav und tüchtig gewesen sein. – Aber jetzt paß auf!

KASPERL. Ich passe auf.

LEUTNANT. Ich brauche einen ganz besonderen, scharfen Wachposten, Kasperl, und dazu habe ich dich ausersehen. Es gilt einen großen Dienst fürs Vaterland, für die Front und die Heimat. Wirst du das ma-chen?

KASPERL. Ja, gewiß, selbstverständlich. Wachposten ja, ja. Freilich so allein – weit draußen – so ganz allein – und ein scharfer auch noch, – am End gar mit einem geladenen Gewehr!

LEUTNANT. Nicht draußen. Du wirst hier auf dem Marktplatz vor dem Kirchturm stehen.

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KASPERL. Was? Da hier? Da gehen ja hundert Leute herum und reden und machen Geschäfte. Da kann ja nichts Böses ausgeführt werden.

LEUTNANT. Doch, Kasperl. Gerade hier ist der Ort, hier ist es gar nicht geheuer, es gehen da böse Ge-spenster und Ungeheuer um.

KASPERL. Ah so! Das ist also um Mitternacht? Und da soll ich ganz allein dastehen in der Stockfinsternis?

LEUTNANT. Nein, nicht um Mitternacht, am hellen Tage, gerade zu Mittag. Da ist die rechte Zeit.

KASPERL. Zu Mittag bin ich schon oft da vorbeigesprungen, hab aber nie was bemerkt.

LEUTNANT. So mußt du jetzt die Augen und die Ohren aufmachen.

KASPERL. Um die Mittagszeit tät ich lieber meinen Mund aufmachen.

LEUTNANT. Paß auf, jetzt kriegst du deine Wachverhaltungen!

KASPERL. Was muß ich denn noch alles verhalten? Aber lang kann ich’s nicht. Ich hab ein sehr kindliches Gemüt.

LEUTNANT. Wie du dich auf der Wache verhalten sollst, werd ich dir jetzt sagen. Du nimmst die Pritsche, – schön geschultert, – das ist deine blanke Waffe, die darf niemand anrühren oder verschimpfen.

KASPERL. Das paßt mir.

LEUTNANT. Du darfst nur drei Schritte links und drei Schritte rechts gehen, darfst nicht sitzen und nicht springen.

KASPERL. Das paßt mir nicht.

LEUTNANT. Kasperl –?

KASPERL. Herr Leutnant, ich glaube, ich eigne mich doch nicht dazu. Ein anderer könnt’s sicher besser machen. Ich will ihm den Platz nicht wegnehmen.

LEUTNANT. Gerade du, Kasperl, passest ganz besonders.

KASPERL. Ja, was hab ich denn für so ganz besondere Eigenschaften?

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LEUTNANT. Das sind Eigenschaften, die du sonst nichtsnutzig verwendest und die man sonst frech nen-nen muß. Heute hast du Gelegenheit, sie zum Guten anzuwenden. Du bist vorwitzig und steckst deine Nase überall hinein.

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KASPERL. Das ist klar.

LEUTNANT. Du scherst dich um gar nichts und gehst immer gleich darauf los.

KASPERL. Das ist wahr.

LEUTNANT. Du denkst nie daran, was irgendwo darunter, darüber und dahinter steckt.

KASPERL. Das ist richtig.

LEUTNANT. Du hast eine Pritsche und prügelst gern.

KASPERL. Das ist wichtig.

LEUTNANT. Alles das darfst du hier und sollst du hier!

KASPERL. So eine Wachverhaltung laß ich mir gefallen, wo ich nichts verhalten brauch, meine Nasen nicht und meinen Prügel nicht. Ich bleibe.

LEUTNANT. Also, Kasperl: wenn du etwas siehst, was geheim tut und nicht recht geheuer ausschaut, das stellst du!

KASPERL. Wohin?

LEUTNANT. Stellen heißt: mit Halt anrufen und um die Losung fragen.

KASPERL. Die Losung weiß aber der Kramer immer erst am Abend, da kann er mir s’ mittags doch noch nicht sagen.

LEUTNANT. Losung heißt unser Merk- und Kennwort, das alle Guten und Freunde haben, die passieren dürfen. Du fragst also um die Losung, und wer sie nicht weiß, der darf nicht hier sein und nicht weiter-gehen.

KASPERL. Ja, was soll er denn dann?

LEUTNANT. Weg soll er von hier und überall. Gegen den machst du von deiner Waffe Gebrauch.

KASPERL. Das heißt, ich schlag zu.

LEUTNANT. Ja, nun paß auf, ich sag dir die Losung ins Ohr; sie heißt jetzt: „Wir alle stehen“.

KASPERL. Bitt schön, ins andere Ohr auch sagen, damit ich es dort auch hab, falls von dieser Seiten so was heimliches Unheimliches kommt.

LEUTNANT. „Wir alle stehen.“ – Wirst du es dir merken?

KASPERL. Ja, gewiß merk ich es mir. – Wenigstens einen Teil sicher: „Ich stehe“, solang ich Posten stehe.

LEUTNANT. Wenn etwas Besonderes vorfällt, rufst du laut: „Wachkommandant!“

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KASPERL. Wenn aber das Besondere zurückfällt, was ruf ich dann?

LEUTNANT. Immer, wenn etwas Besonderes geschehen ist, rufst du: „Wachkommandant!“

KASPERL. Werd ich. Werd ich, Euer Gnaden. – Das heißt, ich wollt sagen: Zu Befehl, Herr Leutnant.

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LEUTNANT. Und keine Furcht! Stramm halten! Den Platz nicht verlassen. Ich binde dich in Eid und Pflicht.

KASPERL. Tun Sie’s doch an ein drei Schritt langes Spagatschnürl. Ist sicherer.

LEUTNANT. Kasperl! Wir glauben doch, du bist neugeboren, neuerstanden und wieder ein braver Kerl geworden. Das ist jetzt die Probe. Neue Reiche entstehen, neu schauen die Völker ins Leben, neu stre-ben die Menschen: Kasperl, solltest du ausgenommen und verworfen sein?

KASPERL. Sapperment, der Herr Leutnant redet wie ein Pfarrer. Kommandiert und bepredigt wird man, das ist fast zu viel.

LEUTNANT. So sorge, daß das nicht nötig ist. Also, wirst du Wache stehen?

KASPERL. Ja, zu Befehl, Herr Leutnant! – Schultert! – Rechts um! Führt dies aus. – Leutnant geht ab.

KASPERL was er sagt, tuend. Also: drei Schritte rechts: Eins, zwei – drei. – Kehrt euch! – Eins – zwei – drei. Drei Schritte links: Eins – zwei – drei. Hollah! Was liegt dort? Das Ungeheuer, krokodilähnlich, hat sich von der Seite hereingeschoben. Das ist ja ganz heimlich dahergekommen und rührt sich nicht. Geheuer ist das ge-wiß nicht. Nein, das ist nicht geheuer, das ist ein Ungeheuer. Also!

Halt! Sag die Losung, Ungeheuer!

DAS UNGEHEUER schnappt zweimal, dann sagt es dumpf unter wiederholtem Schnappen.

Ich mache – mache – alles – teuer.

KASPERL. „Ich“ sagt es und „alles“ sagt es. Das stimmt nicht ganz. Es heißt anders.

Paß auf! Die Losung, Krokodil!

DAS UNGEHEUER immer dazwischen schnappend.

Ich fresse – fresse – fresse – viel!

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KASPERL. „Ich“ und „viel“ sagt es jetzt. Das stimmt noch weniger.

Zum dritten und letzten, sprich, du Drach!

DAS UNGEHEUER wieder schnappend.

Ich lieg – auf aller – aller Sach.

KASPERL. Wieder „ich“, und bloß nur „Sach“, und gar „liegen“: das stimmt gar nicht zu: „Wir alle ste-hen“. Also los! Haut dem Ungeheuer in den Nacken.

Willst alle Sach du unterkriegen, Mein Prügel soll doch auf dir liegen. Haut ihm auf den Kopf. Und willst du alles teuer sehn, Das kommt dir teuer auch zu stehn. Und weil du fressen willst so viel, So friß auch diesen Prügelstiel. Stoßt ihm die Pritsche in den Rachen; es dreht sich mit einem letzten Pfaucher um und liegt auf dem Rücken.

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KASPERL. Bist du tot? Ja. Zieht sich die Pritsche wieder heraus. Das war fein. Jetzt wieder: Eins – zwei – drei. Hollah! An der Seite ist das Gespenst erschienen und fährt, sich reckend und duckend, auf und nieder. Da ist wieder etwas, das winkt und deutet so heimlich herum, das schaut auch gar nicht geheuer aus. Da spukt’s. Das ist ein Geist, aber kein heiliger. Also ich tue meine Pflicht nach der Wachverhaltung.

Halt, Geist! Die Losung klar und recht!

DAS GESPENST immer heiser, beginnt jeden Satz schrill in die Höhe fahrend, und endigt ihn dumpf, sich duckend.

Die andern machen alles schlecht.

KASPERL. So, du möchtest die andern schlecht machen. Das stimmt gar nicht zu: „Wir alle.“ –

Hörst du, Gespenst, nicht, was ich rief?

DAS GESPENST.

Es geht doch alles, alles schief.

KASPERL. So? „Wir alle stehen“ heißt’s und „stehen“ ist nicht „schief gehen“. Stimmt also auch nicht.

Halt, Spuk! Gib Laut zum drittenmal!

DAS GESPENST.

Man ist am besten hochneutral.

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KASPERL. Das stimmt auch nicht mit der Losung. Und ein Fremdwort ist auch dabei. Also weg damit!

Jetzt prügle ich dich halt einmal Bleib du dabei nur hochneutral! Haut dem Gespenst auf die Beine. Es reckt sich hoch. Und wenn schon alles schief soll gehn, So mach ich dich gleich schief jetzt stehn. Haut ihm eines in den Rücken. Es neigt sich starr schief nach der Seite. Und findst du’s schlecht, ich find es gut, Was jetzt der Kasperl mit dir tut. Haut ihm auf den Kopf. Es fällt, zusammenzuckend, nach rückwärts nieder.

So! Hin! – Das ist gut gegangen. Mir ist’s auch gut gegangen. Meine Nasen hab ich überall drin gehabt. Grad drauf losgegangen bin ich auch. Herumdenkt hab’ ich wenig. Aber hineingehaut hab ich viel – Juchhu! Fängt zu springen an. Aber springen darf ich nicht. Das ist bös. Mich juckt’s so in den Füßen. Und auch im Maul. Ich muß es doch wem erzählen. Wenn nur der Leutnant käm! Ich werd ihn rufen. Darf ich ihn rufen? Das Gespenst ist ja leider zurückgefallen, und daher ist nichts vorgefallen. Aber das laßt sich ändern. Er packt das Gespenst, richtet es auf und wirft es nach vorn aufs Gesicht. Ui, das mufferlt. So, jetzt ist was vorgefallen. Und geschehen ist auch was, das will ich meinen! Also ruf ich. – Wachkommandant! – Wachkommandant!

LEUTNANT kommt. Geht’s dir an den Kragen?

KASPERL. Nein, aber in die Füß. Ich kann das Stehen nicht mehr aushalten. Ich muß springen. In die Höh und nach der Seiten!

LEUTNANT. Was? Du willst deinen Posten verlassen?

KASPERL. Ich hab hier wirklich nichts zu suchen.

LEUTNANT. Kasperl, du bist hier auf Wache und sagst, du hast hier nichts zu suchen?

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KASPERL. Hab ich auch nicht mehr. Herr Leutnant, ich melde gehorsamst, ich habe gesucht, ich habe ge-funden, ich habe tot gemacht. Da liegt es. Rechts und links. Und das linke ist das, was vorgefallen ist.

[90]

LEUTNANT. Das hast du gemacht? Kasperl, du hast dich wacker gehalten. Du bist ein echter Kamerad von uns Soldaten. Gibt ihm die Hand.

KASPERL. Oh – oh – oh!

LEUTNANT. Du wirst eine große Belohnung bekommen.

KASPERL. Juchhu! Aber zuerst einmal die Ablösung, bitt schön.

LEUTNANT. Also, du bist abgelöst.

KASPERL springt herum. Juh – Juchhei! Aber der ganze Marktplatz schaut jetzt viel freundlicher aus. Nicht, Herr Leutnant?

LEUTNANT. Du hast einen großen Stadt- und Landschreck erschlagen. Kasperl, du wirst hochkommen, sie werden dich zum Minister machen.

KASPERL. Was? Herr Leutnant haben doch gesagt, ich krieg eine Belohnung. Und jetzt sollt ich Minister werden. Ich hab gehofft, am End gar Zugsführer oder doch Gefreiter, Gefreiter mit einem Sterndl, ei-nem schönen Sterndl. Aber Minister! Das ist ja anstrengend. Das soll ein Oberst oder General machen. Ich will auch mein Ruh. Aber wenn Sie wieder wo so ein Einzelungeheuer oder -gespenst zu erschlagen haben, da haltet sich der Kasperl bestens empfohlen.

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[91]

KASPERL ALS ZAUBERER.

[92]

Die philologische Beschwörung beschreite den Weg des Druckes

den treuen Freunden in Hochschule und Leben, Krieg und Frieden, den beiden Oberleutnanten, Professoren und Doktoren

P. R. und L. Sch. und dem Kenner alles Faust-Druckwesens

Oberst K. G. v. H. zum Gruße.

Der Kasperl

ist für die nächste Viertelstunde so frei, die Aufmerksamkeit seiner hochverehrten neugewonnenen Gön-ner, die er sonst mit nur ganz neuzeitigen Sachen zu unterhalten bestrebt ist, dieses einemal auf die Ver-gangenheit zu lenken und sie zu bitten, diesen alten ruhmwürdigen Tatsachen seines langen Erdendaseins ein geneigtes Ohr zu schenken, wie es vor sieben Jahren ein verehrungswürdiges Publikum in der Stadt Graz getan hat, allwo er in dem alten weltbekannten Schauspiel „Von dem wunderlichen Leben und er-schröcklichen Ende des Erzzauberers Doktor Johannes Faust“ sich als Bedienter, Teufelsbeschwörer, Luftfahrer, Hexenmeister und Nachtwächter verdienstlich hervorgetan und hernach noch diese ganz neu erfundene philologische Beschwörung exekutiert hat.

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[93]

KASPERLS NACHSPIEL ZUM „DOKTOR FAUST“.

KASPERL tritt zum Doktor WAGNER.

KASPERL. Herr Doktor Wagner Magnifizenz, Der Kasperl macht seine Reverenz. Ich möcht’ so gern jetzt etwas wissen.

WAGNER. Sonst hast um Wissen du dich nicht gerissen. Sprich, was du willst. Ich werd’ es dir dann sagen.

KASPERL. Ja schaut! Da möcht’ ich das jetzt fragen: Was sind wir denn? Was ist denn nun Im Grund das eigentlich, was wir hier tun?

WAGNER beiseite. Der dumme Tropf tritt, ohne daß er’s weiß, Da wirklich in der tiefsten Lebensfragen Kreis: Was sind wir und warum? Manch Weiser ward an diesen Fragen dumm. Was sagt man aber drüber solchen Kerlen? Vor sie wirft man nicht seine Geistesperlen. – Zu Kasperl. Ja, einfach, Freund, ich hier die Lösung find’. Du fragst mich also, was wir sind. Nun: ich bin der Doktor Wagner und du der Hanswurst. Und das genügt.

KASPERL. Nicht meinem Wissensdurst. O nein, da steckt dahinter mehr. Wir spielen hier und sagen Worte her Und stellen Leute dar: Warum gerade die? Wozu? Ihr wißt es also nicht. – Weiß es hier wer im Nu? – Wer hexen könnt! Doch’s Hexen hab ich jetzt ja los Seit’m zweiten Akt. Sonst ist mein Gwinn nicht groß. Für mich ist ja das Stück nicht ganz vergnügt, Ich hab zum Schluß a schlimme Frau gekriegt. Doch Geister zaubern kann ich und ich tu’s! Herr Doktor! Sehen Sie meinen Spiritus!

WAGNER schüttelt hochmütig ablehnend den Kopf.

[94]

KASPERL mit feierlichen Gebärden. Hokus, pokus, Urgeist alt, Dieses Spieles Urgestalt,

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Wie du warst auf Erden einst, Hopla, mach, daß du erscheinst. Sonst kriegst du eins ins Genicke, Achtung: Per – Per – Per –: Perlike!

Der große, schwarze HÖLLENVOGEL erscheint, ein aufgeschlagenes rotes Buch haltend.

Ui je, die Geister wollen mich vexieren. Da ist ein Buch. Ich kann’s nicht buchstabieren. Herr Doktor Wagner, das ist was für Euch!

WAGNER. Wohl kaum. Das Buch sieht wenig gleich. Ein Volksbuch bloß. Gemein. Für Jahrmarktsleute. Kein Kodex voll uralter Wissensbeute. So recht für dich.

KASPERL. O, bitt schön, lesen, lesen! Den Titel nur! Ich – hab mein Brilln vergessen.

WAGNER liest. Historia von Doktor Johann Fausten,

Dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler. Gedruckt zu Frankfurt am Main

Durch Johann Spieß 1587.

KASPERL. So, und dann weiter noch so hundert Seiten! Was soll denn das auf meine Frag bedeuten? Du Höllenvogel, red, solang ich dein Perlike-Meister bin, Wo hast das Buch denn her, und wo gehört es hin?

HÖLLENVOGEL. Von eurer Sage, viel erzählt und alt, Ist hier die erste Buchdruck-Urgestalt.

KASPERL. Das Buch, das könnt ihr unten euch behalten. Macht mir daraus lebendige Gestalten!

HÖLLENVOGEL. Das tut der Dichter. Christoph Marlowe heißt er,

[95] Wie Shakespeare der dramatischen Kunst gewaltiger Meister. Nach England kam das Buch. Er macht draus das Gedicht: Von Doktor Faust die tragische Geschicht. Das ward gespielt noch oft, wenn auch schon jung an Jahren Der Dichter zu den Toten mußte fahren, Von England kam manch Komödiantenhauf Nach Deutschland her und führt das Stück hier auf.

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KASPERL. Was gehn uns englische Geschichten an?

HÖLLENVOGEL. In deutscher Sprache spielten sie es dann.

KASPERL. Perlike! Du, red mir nicht bloß so viel, Gib mir ein’n greifbaren Zipfel von dem Spiel.

Der HÖLLENVOGEL scharrt auf dem Boden und wirft dem KASPERL Erde ins Gesicht.

Was kratzt am Boden du? Was soll das heißen? Was, mir noch Erde auf die Nase schmeißen! Ich werd dir rupfen noch dein Federröckl!

HÖLLENVOGEL. Und war’s kein Zipfel, war es doch ein Bröckl Von jenes deutschen Landes Grund, Auf dem das erste Faustspiel uns ist kund. Englische Spieler in einer Faschingsnacht, Sie spielten es im Jahre 1608 In der erzherzoglichen Burg zu Graz.

KASPERL. Was? Hier? An unserm Ort und Platz? In dieser Stadt, wo wir auch spielen heut? Jetzt kriegt das Ding a gwisse Hiesigkeit! Herr Doktor Wagner, recken wir uns in dem stolzen Gefühl: Wir sind ein historisches Jubiläumsspiel.

WAGNER. Historisch und 300 Jahre alt: Ja, das ist etwas, was mir gfallt.

[96]

KASPERL. Und weiter, wie ist’s da geraten? Jetzt red, du schwarzer Rabenbraten!

HÖLLENVOGEL. Schauspieler und Puppen auf Draht und Hand, Sie spielten überall im deutschen Land Das Stück, bei dem das Volk sich freut und graust, Das Leben und das End des Doktor Faust.

KASPERL. Schon gut, wenn bloß vom Doktor Faust du knurrst? Jetzt will ich meinen Stammbaum, ich Hanswurst!

HÖLLENVOGEL. Es trieben sich Vettern so frech und so dumm Wie du schon im englischen Stücke herum, Auch durch die deutschen, schlicht und recht, Lief immer mit dein Narrengeschlecht.

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KASPERL. So bin ich von übrall und ghör übrall hin.

HÖLLENVOGEL. Du, Kasperl, bist beheimatet in Wien. Da ward dein jetziges Stück zurechtgeprägt, Manch Sinn getauscht, manch Ort verlegt, Der Teufel ward ein roter spanischer Kavalier, Und jede zweite Szene ghörte dir. Da schau!

Eine rote Glut schlägt auf.

Der HÖLLENVOGEL zieht mit dem Schnabel daraus einen alten Theaterzettel herauf.

KASPERL. Der Doktor, ja, da guckt er! Bei dem fangt d’ Welt erst an alsa gedruckter. Herr Doktor, steh ich wirklich drin?

WAGNER. Ja, hier!

KASPERL. Na, Gott sei Dank, daß ich gedruckt nur bin!

HÖLLENVOGEL läßt den Zettel fallen, die Glut bleibt. Du, Kasperl, schließen wir einen Vertrag: Entlasse mich, Perlake sag! Ich laß dich den schönsten Blitz dann sehn, Dann wird dir das rechte Licht selber aufgehn.

[97]

KASPERL. Gut, ich will dich zum Teufel schicken. Doch foppst du mich, werd ich dich wieder herperliken. Perlake, geh!

Der HÖLLENVOGEL packt mit den Krallen eine Leuchtkugel aus der Glut und wirft sie dem KASPERL an den Kopf und fliegt hinunter. Die Glut verlischt. Kasperl ist umgefallen.

Auweh! Auweh!

WAGNER. Du solltest die Stirne dir befeuchten.

KASPERL springt auf. Was, willst du mir löschen mein Erleuchten? Jetzt muß ich aber rasch zuglangen, An den Kopf greifend. Was für ein Licht dem Kasperl aufgegangen. Mir ist auf einmal wirklich hell und licht, Ich schau umher in aller Weltgeschicht. Ich fühle mich an angestammtem Platz, Da hab ich meine Hetz – und auch mein Hatz.

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Da war in Leipzig ein Professor, Der wollte alles machen besser, Herr Doktor Wagner, ich denke mir, Zu diesem Menschen paßtet Ihr. Gottsched hat er geheißen. Tut Ihr ihn nicht kennen?

WAGNER nickt hoheitsvoll.

Der wollte mich verjagen und verbrennen.

WAGNER. O, wär’s geschehn zu aller Menschheit Nutzen!

KASPERL. Was? Wer tät Euch denn dann die Stiefel putzen?

WAGNER. Um Gotteswillen, werd Er nicht noch böser! Beiseite: Sonst kommt er mir mit Lessing noch und Justus Möser.

KASPERL hat es erhorcht. Aha, kennt Ihr die frischen Männer doch! Sie waren meine Gönner, vivant hoch! Ich blieb lebendig und ich schaute noch Beim Gottsched einmal durch das Schlüsselloch.

[98] Da stand der Professor alt und kahl, Ein junger Student vom Main trat in den Saal. Der gefiel mir anders. Und ich kann sagen, Der hat mich auch im Herzen getragen. Der hielt’s mit mir und ließ mich reden, Einst gab er zwei Säcke mir und in jeden Stopft er so allerhand komischen Tand, Den er am Professor Clodius fand, Und ließ damit unter seinen Gesellen Mich ein gar lustiges Stücklein anstellen. Er hatt im Faustspiel auch gesehn Uns Puppen über die Bühne gehn. Und macht in seinem Leben ein neues Stück Und führt den Faust zum himmlischen Glück. Das Stück zaubr’ ich nicht aus dem Höllenpfuhl her. Perlike im Lichte, im strahlenden Meer!

In blauem Himmel erscheint eine Strahlensonne um ein goldenes Buch mit der Aufschrift: Goethes Faust.

Das ist ein Buch, ja, Herr Professor, Mit diesem beschäftigen Sie sich wohl besser. In dieses werden Hunderte von Doktoren Jahrhundertelang sich noch verbohren. Schlagt es nur auf und gleich zu Anfang seht, Was da auf der zweiten Seite steht! Wer kommt da her’ – Da tret ich auf

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Und sage die schönen Worte auf: „Wer machte denn der Mitwelt Spaß? Den will sie doch und soll ihn haben. Die Gegenwart von einem braven Knaben Ist, dächt’ ich, immer auch schon was.“ Und was ich weiter hab zu sagen, Das sprechen Tausende mir nach, Und tausend Bücher – Herr Doktor, Bücher! – werden tragen Die Worte weiter, die ich sprach: „Greift nur hinein ins volle Menschenleben! Ein jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt, Und wo ihr’s packt, da ist’s interessant.“

WAGNER hat sich abgewendet.

[99] Nur nicht beim Doktor Wagner grad, Dort ist es, wo ich’s packe, fad. Der ist nur dann nach meinem Geschmack, Wenn ich ihn einmal also pack.

Er zieht ihn beim Kopf in die Höhe und wirft die Puppe über den Bühnenrand.

Jetzt geht nach Haus! Und nah und fern, Bei Tag und Nacht, habt euern Kasperl gern.

[100: Hinweis auf weiterführende Literatur zum Faustpuppenspiel]

[101]

KASPERL NACH, VON, ÜBER, UNTER, AN UND IN ENGLAND.

Aus dem Transkaspischen übertragen von Doktor Johannes Wurst.

Einzige autorisierte Ausgabe.

Mehrere dumpfe Explosionen hinter der Szene.

KASPERL von oben. Auwedl! Auwedl! Auwedl! Fliegt durch die Luft herunter und bleibt besinnungslos liegen.

WACHMANN mit hohem, blauem Helm. Verdammter Granat! Ist er nicht geplatzt. Kann er platzen sogleich. O yes! Redet hinter die Szene: Zurück, ihr Leut, zurück! Ist er nicht geplatzt. Wann er platzt, sind eure Na-sen kaput, eure langen Zähne kaput, karierter Zylinder auch kaput. O yes!

KASPERL richtet sich auf. Jetzt – was war das? Ich bin ganz kribbel-krabbel in mein Hirnkasten. Zwei weitere Explosionen hinter der Szene. Jessas, der Zeppalin! Auwedl, auwedl! Jetzt fallt’s ma ein, was ma passiert is! Hat mich da der Hafer gstochen, amal mit an Zeppalin mitz’fahren und mir die ausgschamten Angli-schen mit ’n Vogelperspektivi näher z’ betrochten. Und grad wie ma jetzt über die Londoner Häfen hin

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und herrasseln und a paar Bumbumkletzen auf die Häferln abischmeißen, daß das Purzillan nur so um-einander purzelt und scheppert, alsdann, sag ich, siech ich grad an anglischen Bischof, wie er beim Fuß-ballspielen an Fußball an Fußtritt gibt – kick, kick, kick –, na, das is ma alsdann seltsam gwesen und ich schau halt und schau mit mein Vogelperspektivi, und auf amal – hörst nit, siechst nit – krieg ich ’s Über-gwicht und: „Zeppalin, halt mih!“ schrei ich noch, aber er hat mich nimmer dahalten mögen, denn schon sturzelpurzel ich durch die Luft wie a bsoffene Wildanten. Na alsdann, und jetzt sitz ich richtig mitten unter

[102]

die Londoner Häferln und Scherberln. Hab ma wohl nit etwa gar was brochen? Greift sich an den Kopf. Aha, da is mei Adlernasen, die hab ich noch. Ohrwascheln – auch nit z’ wenig. Zipfelhauben – hallo, ziert noch meine Denkerstirn! Schaun ma weiter! Hals, Hand, Hosen – Hinterhaus – Strümpf, Schuh, Schuhbandeln – alles wie aus dem Schachterl! Na alsdann, dann müßt ich ja eigentlich aufstehn a noch können. Probier ma’s amal! Krappelt auf.

WACHMANN. Achtung! Achtung! Wird er platzen sogleich!

KASPERL. Platzen? Platzen? Wer wird platzen? Schaut sich um. Ja, was will denn der Endstrummlackel da mit sein großmächtigen Feuerwehrhelm?

WACHMANN. Achtung! Geht er schon los! Platzt sofort. O yes!

KASPERL. Wer geht los? Ich geh los? Hab ich vielleicht an Bohnensalat ’gessen? – Merkwürdige Art, an Ortsfremden zu begrüßen in dera Landeshauptstadt. Hab scho viel ghört von de verruckten Anglischen, aber so was is doch gar aus der Weis. Wie haßt das gschwind? Span? Spän? Splön? Sagspän? Herr Feuer-wehrhauptmann, Se san wohl a so a spaßiger Schneidergsell, der sei Nasen ausputzt mit aner Feuerzan-gen?

WACHMANN. O yes! O yes! Geht er schon los. Ist er ein neuer Art von Granat. Ist ein Schimpfgranat. Ist er abgespitzt von unsrige Zeitungsschreiber.

KASPERL. Was hat er gsagt? Tut er mich verschimpfieren? Ah, da möcht ich bitten! Noch ein solchenes ungrechts Wort, so wird er glei sehn, was für ein Mann der Herr Kasperl sein tut und für was er a scharf gladene Pritschen umghängt hat um sein Hals!

WACHMANN. Achtung! Ist er ein Prügelgranat. O yes!

KASPERL. Da kannst recht haben, alte Feuerwehrspritzen! Bombengranaten-Prügel kannst noch derleben, daß der heilige Florian drei Tag lang z’ löschen hat an dem Feuer, das ich außerschlag aus deiner Nasen-spitzen! Spottet ihn: O yes! O yes! O yes!

WACHMANN. Was tu ich hören? Tut er Inglisch spiken? Ist der Granat ein Inglischmann?

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KASPERL. Das gingert ma grad noch ab! Ich bin der deutsche Kasperl, wannst es grad wissen willst!

WACHMANN. O nein! Ist er nicht Deutscher! Sagt o yes! Ist ein Inglischmann. Ist ein inglischer Drücke-berger. Muß er werden eingereiht in inglische Armee sogleich! O yes!

KASPERL. Nein, nein, nein! Nix o yes! Das könnt ma gstohlen werden!

WACHMANN. Werde ich ihn führen zum Doktor sogleich. Wird ihn untersuchen Doktor auf tauglich. Wird er eingereiht in inglische Armee. Wird er tragen inglisch Khaki.

KASPERL. Jetzt – das ist schon kein Witz mehr.

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WACHMANN. Wird er singen inglisch Liedel. Wird er gut haben. Wird er tragen inglisches Badewandl ins Schützengraben.

KASPERL. Aha, da könnt ich’s nachher ausbaden, was ihr angricht habts, verfluchte anglische Stanizlkra-mer.

WACHMANN. Was tut er sagen über größtes Volk in der Welt? Muß er mir folgen sogleich. Wird er lernen beten in der inglischen Armee. Nimmt ihn deutscher Michel ins Gebet.

KASPERL. Aber der Michel is ja mein lieber Herr! Ich bin ja dem Michel sein alter, treuer Hausknecht und Bedienter. Und jetzt sollt ich ihm auf einmal den Dienst aufsagen? Nit zum denken!

WACHMANN. Ist er inglisch Drückeberger. Faßt ihn an. Marsch! Marsch!

KASPERL. Jetzt, da legst di nieder! Auslassen! Auslassen, sag i, sonst gschicht a Unglück!

WACHMANN pfeift. Zu Hilfe, zu Hilfe! Drückeberger macht Faxen! Will er nicht freiwillig gezwungen wer-den zum Militär!

KASPERL. Auwedl! Auwedl! Was ist denn das? Was kommen denn da für schiache Weibsbilder daher-gschossen?!

WACHMANN. Sind Suffragetten. Reißen Drückeberger in tausend Stück.

KASPERL. Uje, uje! Bsuffene Raketen! Feuerwehrhauptmann, da gehn ma! Laufen davon.

══════

[104]

DER DOKTOR mit der Spritze, tritt ein. Schon lange hab ich keinen englischen Freiwilligen mehr gemustert. Auch recht, so mustert man eben die Unfreiwilligen. Aber schlau muß man sein. Sie haben ja alle mög-lichen Krankheiten. Auch recht. Ich schau sie vorn an, und sie sind vorn gsund. Ich schau sie hinten an, und sie sind hinten gsund. Ich laß sie umundum drehn, und sie sind umundum gsund.

KASPERL hinter der Szene. Auwedl! Auwedl! Auwedl!

DOKTOR. Was seh ich, da kommt schon wieder so ein unfreiwilliger Freiwilliger!

WACHMANN führt den Kasperl am Krawatl herein. Herr Doktor, bring ich Bataillon freiwilliges.

KASPERL. Na, na, nix freiwillig. Nur aus Angst vor die bsuffnen Raketen –

DOKTOR. Schon recht. Was fehlt ihm?

KASPERL. Was zum Essen.

DOKTOR. Wird er bekommen im Schützengraben. Da wird er was ausfressen. Ist er krank?

KASPERL. Krank? Freilich, aber freilich! Auwedl, auwedl, auwedl!

DOKTOR. Wo steckt seine Krankheit?

KASPERL deutet auf Kopf, Brust, Bauch, Fuß u. s. w. Da und da, und da, und da, und da!

DOKTOR. Da hat er eine ausgebreitete Krankheit.

KASPERL. Uje! Und wie! Meine Frau, die Kasperlin, sagt immer: Kasperl, sagt sie, deine Krankheit is wie a Butten voll Flöh. Bald juckt’s da und bald beißt’s dort und dann hupft’s und krabbelt’s wieder da umei-nand, daß ich schier aus der Haut fahren möcht. Auwedl! Uhu! Uhu! Auwedl! Auwedl!

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DOKTOR. Schon recht. Gegen solche Flöh ist das Wasser gut. Besonders der Regen. Am besten der Ku-gelregen.

KASPERL. Na, na, Flöh sind’s nit. Das hab i nur so quasi vergleichsweise gsagt. Es zwickt halt und beißt, und reißt und brennt –

DOKTOR. Schon recht. Brennt es, so muß es wieder gebrannt werden. Am besten durch Trommelfeuer.

KASPERL. Na, na. Brennen tut’s eigentlich nit. Aber der Husten. Der schiache Husten. Ka, ka, ka!

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DOKTOR. Schon recht. Auch dafür haben wir ein Mittel. Einatmen von Dämpfen, am besten bei Gasan-griffen.

KASPERL. Na, na. Nit Husten! Aber an Ausschlag! Ich bin ja noch das reinste Kind. Ich hab die Vierzger.

DOKTOR. Können geheilt werden. Gegen die Vierzger helfen die Zweiundvierzger. – Tauglich! Sofort zum Kaufmann John Bull, dort wird er seine Ausrüstung empfangen.

WACHMANN packt Kasperl. Marsch! Marsch!

KASPERL. Herr Doktor! Herr Doktor! Ich hab was vergessen! Ich bin ja aus Holz!

DOKTOR. Schon recht. Vor dem Ausrücken wird ihm noch ein Nagel eingeschlagen, daß er nicht aus dem Leim geht.

WACHMANN. Marsch! Marsch!

KASPERL sperrt sich. Auwedl! Auwedl! Nit so gschwind! Nit so gschwind!

WACHMANN. Zu John Bull! Kasperl wird fortgeschleppt.

══════

JOHN BULL am Telephon. Halloh! Hier John Bull! – Waas? Schon wieder zwei Schinakeln versenkt? Diese verdammten Germans! – – So, so, 500 Mann ertrunken? Ja, warum sind s’ denn nit ans Ufer geschwom-men? Und überhaupt, ich bin der John Bull und das Meer gehört mir und ich hab’s niemand erlaubt, in meinem Meer zu ersaufen, außer den verflixten Germans, die können schon ersaufen, aber die wollen wieder nit. Ich sag’s ja, was man heutzutags für ein Gfrett hat! – – Wa–wa–waas? 300 Hammeln sind auch ersoffen? Na, das ist mir eine Bescherung! Und ich hab mich schon so gfreut auf die 600 Hammel-schlegeln! Das is mei Leibspeis! – Halloh! Ein Dreadnaught soll meine Hammeln herausfischen! Gschwind! Gschwind! Bevor noch ein Haifisch den Braten grochen hat! – – Was, mein Dreadnaughterl hat ein Locherl? – So, so, am Baucherl? – Was, schon wieder die U-Boot-Seuche? Wenn das so fortgeht, muß ich meine ganze Flotte ins Spital schicken. Ah, ein Lichtblitz der Gedanken! – Man male das rote Kreuz auf meine armen, kranken, verfolgten Schifferln! Aber

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recht groß! – Was man mit dem Loch machen soll? Goddam! Man picke ein englisches Pflaster drauf! Klingelt ab.

KATZENGESCHREI hinter der Szene. Miau! Miau!

JOHN BULL. Jetzt, was ist denn das wieder für ein Spektakel? Gewiß tut mein neuer Ladenschwengel und Lehrbub, der Arlekino Katzeldrucker, wieder so ein armes Katzel malträtieren!

KATZE. Miau! Miau!

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JOHN BULL. Da soll doch der Kuckuck! – Arlekino! Arlekino! – Er hört nit, der Lausbub! – Haßi, haßi Maroni!

ARLEKINO eilt herein. Wo? Wo?

JOHN BULL. Wo? Angschmiert! Warum kommt er denn nit gleich, wenn ihn sein Herr ruft?

ARLEKINO. Geine Zeit.

JOHN BULL. So? Was hast denn du so gnädig z’tun ghabt?

ARLEKINO. Offensive gemacht.

JOHN BULL. Offensive? Für was denn?

ARLEKINO. Für die Gatz.

JOHN BULL. Aha, drum hab ich s’ schreien ghört, das arme Vieherl! Daß du mir nie wieder solche Dumm-heiten anfangst! Du mußt dir immer vor Augen halten, daß du bei einem Herrn angestellt bist, dem du dankbar sein mußt für seine Guttaten.

ARLEKINO blast in die Hände. Hu, hu, huhu!

JOHN BULL. Na, ist der Kerl übergschnappt? Was hustet er denn in seine Bratzen hinein?

ARLEKINO. Galt! Galt!

JOHN BULL. Was, kalt? Soll ich ihm vielleicht eines übern Buckel zünden, dem erfrornen Hascherl?

ARLEKINO. John Bull – geine Gohlen geben!

JOHN BULL. Was, ich geb ihm keine Kohlen? Ich heiz ihm warm genug ein, verstanden!

ARLEKINO. Fang ich schon an zu schwitzen vor lauter Gälte.

JOHN BULL. So zieh er den Rock aus. Dann vergeht ihm der Schweiß.

ARLEKINO. Fangen die Zähne an zu scheppern. Rrrrr!

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JOHN BULL. Laß er sich seine Zähne reißen. So hört das Scheppern auf.

ARLEKINO. Tut es in den Zehen gribbeln! Gribbel, gribbel, gribbel!

JOHN BULL. Dem ist leicht abzuhelfen. Tritt ihm auf den Fuß.

ARLEKINO sehr schnell. Owe, owe. owei, owe!

JOHN BULL. Na, tut’s noch kribbeln? Will ihn abermals treten.

ARLEKINO. Nein, nein! Nix gribbeln! Tut es bloß grabbeln.

JOHN BULL drohend. Was, krabbeln?

ARLEKINO. Nein, nein! Nix grabbeln! John Bull ist ein lieber Herr, ein guter Herr, ein freundlicher Herr –

JOHN BULL. Und wie steht’s mit den Kohlen, die ich ihm schenke?

ARLEKINO. Oh, heiße, sehr warme, glühende Gohlen. Arlekino ist gebraten.

JOHN BULL. Was? Gebraten?

ARLEKINO. Nein, nix gebraten. Arlekino ist erfreut, ist leicht erwärmt.

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JOHN BULL grimmig. Nur leicht?

ARLEKINO. Stark erwärmt, sehr stark.

JOHN BULL. Grad wie’s recht ist.

ARLEKINO. Ja, grad wie’s recht is. Arlegino sitzt auf Gohlen, grad wie’s recht is. Für sich: Das ist ein ge-strenger Herr, der Mästro John Bull. Inglese maledetto!

JOHN BULL. Was hat er zu murmeln?

ARLEKINO. Nix, Mästro John. Hab ich gemurmelt ein gleines Stoßgebet.

JOHN BULL. Was soll das heißen? Das Beten ist meine Sach und den Stoß kriegt er auch von mir. Wart er jetzt hier in meinem Geschäft, und wenn ein Käufer eintritt, so hat er sein Kompliment zu machen und zu fragen: Bitte, womit kann ich dienen?

ARLEKINO. Schun recht.

JOHN BULL. Nur immer höflich!

ARLEKINO. Jawohl, Mästro John. Sag ich: Bitte, wurmit gann ik dienen?

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JOHN BULL nickt, ab.

ARLEKINO. John Bull geht frühstücken, Arlekino muß hinter der Budel stehen. Nit lustig, Lehrbub sein bei Mästro Bull. Wär ich lieber geblieben in Italia. Wie schön könnt ich sitzen auf einem Feigenbaum und dem Mästro Bull die Feigen zeigen. Statt dessen bin ich gelaufen nach England. Jetzt wachst mir die Feigen auf der Wangen. Heißt Ohrfeigen! Owe, owe, owe!

Es klopft.

ARLEKINO. Erein, erein!

WACHMANN und KASPERL treten ein.

ARLEKINO. Ah, Signore Wachman, wurmit gann ik dienen?

WACHMANN. Dieses Rekrut ist zu rüsten aus.

KASPERL. Auwedl, auwedl! Kommts ma nur nit mit an gladnen Gwehr! So a Gwehr geht oft hinten los, wann ma’s verkehrt halt!

WACHMANN. Wird er schon lernen zu schultern das Gewehr, Gewehr zu nehmen in die Balanze, Gewehr zu halten: Fertig! O yes!

KASPERL. Auwedl, auwedl! Ich bin eh schon fertig, auch ohne Gwehr.

ARLEKINO. Wurmit gann ik dienen?

WACHMANN. Er hört’s ja, dieser Mann ist zu bewaffnen.

KASPERL. Aber nur nit mit an Repulver! So a Repulver is a Maschierpulver für die Ewigkeit. Uh, uh, uh, uh! Zittert mit den Knien.

ARLEKINO. Wurmit gann ik dienen, schöner Herr Signore Wachmann?

WACHMANN. Soll ich’s sagen zwanzigmal? Brauch ich Waffen und Munition für diesen Mann!

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KASPERL. Nix Munition. Ich ziel am ruhigsten, wenn mei Gwehr gar nit gladen is. Aber wie ich weiß, daß es losgehen könnt, dann geht mich’s Grausen an und dann wickel-wackel ich so umeinander mit der Mucken. Zeigt es mit Gebärden.

WACHMANN. Solche Mucken werden ihm ausgetrieben in inglischer Armee. Oh yes!

KASPERL. Vor lauter Aufregung schieß ich ums Eck!

[109]

WACHMANN. So nimmt er Münken aufs Korn, dann trifft er Berlin. – Ja, aber was lost das Ladenschwen-gel herum. Verfluchtes Lausbub! Hat er nicht gehört, was ich will haben? Gleich schmiert er seine Stie-fel, oder – dringt auf ihn ein.

ARLEKINO weicht ihm aus. Wurmit, wurmit, wurmit – bring ik schon! Bring ik schon! Eilt davon.

WACHMANN. Mit diesem Lehrbuben italianisches wird John Bull aufstecken sehr wenig. Wenn der noch im Geschäft bleiben tut lange Zeit, laufen davon alle Kundschaften. Goddam! Was tut bringen der Eselskopf?

ARLEKINO kommt mit einer Kinderkanone. Da is fur Bewaffnung! Viel schießen, gut schießen, laut schießen: Grich, grach, bumm, bumm, bumm!

KASPERL. O mei, o mei! Jetzt machen s’ mich gar zu an Kanonier. Wann’s wenigstens a Gulaschkanonen wär! Da erzielert ich leicht an Volltreffer in mein Magen eini!

ARLEKINO. Nix Gulasch! Gulasch gut! Gatzelgulasch Arlekino selber fressen!

WACHMANN. Was soll das heißen? Was soll mein Rekrut anfangen mit diesem schweren Mörser?

KASPERL. Uje, uje, was fang ich an mit an Mörser, wann ich kan Stößel hab?

ARLEKINO. Macht bumm, bumm!

WACHMANN. All right. Aber mein Rekrut kann nit auffahren mit dem groben Geschütz.

ARLEKINO. Is gute Marke. 55 Sentimeter. Schießt von London nach Petrograd.

WACHMANN. Dann ist nit zu brauchen. Darf es nur schießen bis Berlin. Marsch, marsch, schau, daß du fahrst ab. Mein Rekrut braucht eine andre Waffe. Mein Rekrut muß sich können bewegen leicht und schnell. Muß einmarschieren in Germany expreß. O yes!

ARLEKINO. Expreß! Arlekino verstehn! Mit Kanone ab.

WACHMANN. Wenn wir haben eine solche Schererei bei Ausrüstung von die ganze fünf Millionen, werden wir brauchen zehn Jahre, bis Ingland kommt an die Front!

ARLEKINO führt eine Lokomotive an einer Schnur herein. Expreß! Expreß! Sehr schnell! Sch–sch–sch–sch!

[110]

WACHMANN. Goddam, was tut das bedeuten? Was soll mein Rekrut anfangen mit der Eisenbahn?

ARLEKINO. Gann er einmarschieren sehr snell! Sch–sch–sch–sch!

KASPERL. Mir scheint, der Kerl halt mich für ein Bahnwachter. Weil halt gar so viel Wachter im Angli-schen umeinanderlaufen.

WACHMANN. Mit dieses Lokomotiv ist meinem Rekruten nicht gedient, Schaf, dummer! Wenn ich mit meiner Ausrüsterei nur schon wär aus dem Wasser!

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ARLEKINO. Wasser? Wasser? Arlekino versteht! Ab, erscheint gleich darauf mit einem Dampfschiff: Swimmt gut! Swimmt sehr gut! Swimmt auf Wasser wie Fisch.

WACHMANN. Jetzt ist zu Ende mit meine Geduld. So was hab ich erlebt noch nie! Schreit: John Bull! John Bull!

JOHN BULL erscheint. Ah, Mister Policeman, was steht zu Diensten?

WACHMANN. Will ich rüsten aus dieses Rekrut. Bringt mir Lehrbub dahier Kanon, bringt es Eisenbahn, bringt es Dampfschiff!

JOHN BULL. Waaas? So ein Nixnutz, so ein Schlingel, so ein Galgenvogel! Schlägt Arlekino.

ARLEKINO. Owe, owe, owe, owei, owe!

JOHN BULL. Und ausgesucht mein nagelneues Dreadnaught, das erst gestern fertig worn is, schleift er he-rum wie ein Holzscheitel! Richtig, die Schiffsschrauben hat der Lausbub schon verbogen! Nix wie Repa-raturen! Man könnt aus der Haut fahren! Und das alles, bevor wir noch die verflixten Germans hinaus-kitzelt haben aus ihrem Ratzenloch! Arlekino, du bist der Ruin von meinem Geschäft! Schlägt ihn wieder. Hinaus! Hinaus!

ARLEKINO. Owei, owei, owei! Will davonlaufen.

JOHN BULL. Halt! Nit so rennen mit meinem schönen Schiff! Sonst bricht noch ein Rauchfang ab. Schön langsam, schön behutsam! Vom Zorn übermannt: Du leibhaftiger Schaden! Du Galgenstrick! Schlägt ihn.

ARLEKINO. Owe, owe, owei! Mit dem Schiff davon.

WACHMANN. Hat er kein besseres Lehrbub für sein Geschäft?

[111]

JOHN BULL. O mein, o mein! Nix als Ärger und Schaden! Mein belgischer Lehrbub hat sich an Haxen brochen. Mein serbischer hat sich ’s Gnack brochen. Und mein rumänischer hat sich an Haxen und ’s Gnack brochen!

KASPERL. Da hat’s halt der Michel, mein Herr, besser troffen. Der hat zwar kane Lehrbuben. Braucht auch kane. Aber a paar handfeste Nachbarn, die ihm helfen beim Gschäft. Aner von ihnen sitzt gar im Halbmond droben.

JOHN BULL. Waaas? Der Michel is sein Herr?

KASPERL. Wer denn sonst?

JOHN BULL. Der deusche Michel?

KASPERL. Kannst lang suchen, bis d’ an andern findst.

JOHN BULL. Hm, wie bist du denn zu uns herübergekommen?

KASPERL. Auf an Zep–

JOHN BULL. Schweig!

KASPERL. –pall–

JOHN BULL hält sich die Ohren zu. Halt!

KASPERL. –llin!

JOHN BULL fällt in Ohnmacht.

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WACHMANN. Schweinerei ist fertig. Ist der Lehrbub gefallen auf der Kopf, fallt der Herr auf den Buckel. Sucht John Bull zu beleben: John Bull! Wach auf! Deine Insel wackelt! Lloyd George fackelt! Der Gray hat sich vergackelt! – Nichts. Tut er sich nicht rühren. Ist er tot. O yes!

KASPERL. John Bull, wach auf! Deinem Löwen stutzt man die Krallen. Deine silbernen Kugeln verknal-len. Deine Soldaten und deine Papiere fallen.

JOHN BULL springt auf. Meine Papiere! Was machen meine lieben Papierln? Wie geht’s meinem Herzens-freund, dem Schilling?

KASPERL. Der Michel schlagt einen Schilling, der gibt doppelt so viel aus wie der deinige.

JOHN BULL. Was macht mein Halbgott, das Pfund?

KASPERL. Der Michel gießt Pfünder, die sprengen deine Pfünder in die Luft.

JOHN BULL. Owe, owe! Aber – ein Wink von oben! Mister Wachmann, verkauf mir diesen Rekruten.

[112]

WACHMANN. Wieviel geben?

JOHN BULL. Da hast du einen Scheck!

WACHMANN. Zwanzig Pfund? Macht sich. Ist mir lieber so ein Scheck als ein Schock von solchen Rekru-ten. Hat man von ihnen nichts als Ärger und Schererei. Danke ich bestens. O yes! Gutes Tag! Diener! Kompliment! Ab.

JOHN BULL. So. der wär glücklich draußen! Jetzt sag mir, junger Mann, wie heißt du denn eigentlich?

KASPERL. Mein Name ist Kasperl Larifari. Abwechselnd Großknecht, Bedienter und Sauerkrautschneider auf dem Herrn Michel seinen Besitzungen in Deutschland und Österreich.

JOHN BULL. So, so, hm, hm! Also Bedienter beim Michel?

KASPERL. Das is gwiß.

JOHN BULL. Schön. Nun hör mich einmal an. Sein Herr und ich, wir liegen uns in den Haaren seit Jahr und Tag.

KASPERL. Mich ziemt, er hat Euer Gnaden schon ziemlich viel Haar ausgrissen?

JOHN BULL. Ich will nit wörteln. Jedenfalls ist der Michel ein sakrischer Kerl.

KASPERL. Das will ich glauben.

JOHN BULL. Wir können’s uns gar nit denken, wie er’s so lang aushalten kann.

KASPERL lacht pfiffig. Aha!

JOHN BULL. Er muß irgend was haben, was ihn so stark macht.

KASPERL führt einen Lufthieb mit der Pritsche. Könnt schon sein.

JOHN BULL. Jetzt, was is das? Was gibt ihm eine solche Kraft? Das will ich von dir erfahren.

KASPERL denkt nach. Eigentlich sollt ich’s nit sagen. – Aber warum nit?

JOHN BULL. Also, was ist’s?

KASPERL. Der Michel hat bei sein Haus an großen Hendlstall.

JOHN BULL. Aha! Hab ich mir’s doch denkt, daß was Besonders is. Nur heraus mit der Wahrheit!

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KASPERL. In dem Hendlstall hat er an großen Vogel.

JOHN BULL. So, so? Und was is mit dem Vogel?

[113]

KASPERL. Was mit dem Vogel is? Ja, mein Gott, da mußt an Gscheitern fragen, als den Kasperl. Weißt was, schau da den Vogel selber an.

JOHN BULL. Du hast leicht reden. Wie komm ich hinein in Michel sein Haus? Hat’s umundum einzäunt mit Stacheldraht.

KASPERL. Da laß nur mich machen! Ich versteh a bissel was von der Zauberei. Ich hab nämli amal an Herrn ghabt, der war a großer Zauberer. Von dem hab ich a bissel was profitiert. Wann i mein Sprücherl hersag, glei kommt a großer Hahn, der tragt uns – hörst nit, siechst nit – durch die Luft davon.

JOHN BULL. Ich seh, der Kasperl kann mehr als Kletzen sieden. Aber ich trau ihm nit ganz. Wer sagt mir, daß er mich nit an sein Herrn verrat, wan er mich einmal drüben hat im Michel seiner Hühnersteigen?

KASPERL. Oje, oje! Dich könnt der Michel grad brauchen! Der zahlt da selber an Anspanner und laßt di per Extrapost zruckkutschieren zu deine anglischen Wollsäck und Heringfasseln.

JOHN BULL. Ich will dir glauben, Kasperl. Aber noch eine Bedingung stell ich. Du mußt auch mein Lehr-buben mitnehmen. Denn wenn ich den allein laß beim Gschäft, so stellt er mir’s Haus aufn Kopf, bis ich zrückkomm.

KASPERL. Wird gemacht. Er hat Platz genug auf dem Hahn, wann wir a bissel z’sammrucken.

JOHN BULL. Arlekino!

ARLEKINO erscheint. Wurmit gann ik dienen?

JOHN BULL. Wir werden eine Reise antreten.

ARLEKINO. Eine Speise! Ja, ja.

JOHN BULL. Dummer Kerl! Wir werden eine Fahrt unternehmen mit diesem Gentleman.

ARLEKINO. Bart herunternehmen diesem Schentellmen? Hat aber geinen Bart.

JOHN BULL. Schafskopf! Wir werden uns ins Ausland begeben. Hole die Reisetasche!

ARLEKINO. Ah! Verstehen! Hol ik die Whiskyflasche.

JOHN BULL. Du sitzt auf den Ohren.

ARLEKINO. Sitz ik nit vorn, sitz ik hinten setzt sich.

[114]

JOHN BULL. Wirst du aufstehen, träger Schlingel! Ich habe es eilig! Hole meine Bagage!

KASPERL. Na, na, nix Bagaschi! Soviel Bagaschi kann mei Hahn nit dertragen.

JOHN BULL. So bringe mir wenigstens meinen Tropenhelm mit Reiseschleier, meinen Regenschirm und meinen Bädeker! Hoffentlich ist der Hendlstall vom Michl darin mit einem Stern gekennzeichnet.

KASPERL. Uje, uje! A Sterndl steht nit dabei, aber a Lichtl wird dir vielleicht schon aufgehen! Laß dein Graffel zu Haus, John Bull, an Regenschirm kannst in England eher brauchen, wo’s nix wie Schimpf-wörter regnet gegen mein guten Herrn. Pfeif ma lieber unserm Reitpferd!

KASPERL mit feierlichen Gebärden. Perluke! Perleke! Perluke! Perleke! Perlike!

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HAHN hinter der Szene. Gick! Gack! Kikeriki!

KASPERL. Aha, da is scho mein Reitpferd!

HAHN schwebt herein und läßt sich nieder. Kikeriki! Gick! Gack! Gock!

KASPERL. Brav, mein Gockel! Also heut wirst du den Mister John Bull und seinen gscheiten Lehrbuben tragen.

HAHN. Gack! Guck!

KASPERL. Paßt da das nit?

HAHN mit den Flügeln schlagend. Gack, Gock, Guck!

KASPERL. Laß nur gut sein. Das is schon amal so, daß das Roß oft mehr wert is als wie sei Reiter. – Also, aufsitzen, wenn’s gfällig is!

JOHN BULL steigt auf.

ARLEKINO. Owe, owe, owei, owe! Hab ich Angst! Hab ich Angst so großes!

JOHN BULL. Aufsitzen, Mistbub! John Bull weiß, wo deine Ohrwascheln angwachsen sind.

ARLEKINO steigt ängstlich auf. Wenn ich falle herunter!

JOHN BULL. Es ist eine Ehre, herunter zu fallen, wenn man mit John Bull durch die Luft reitet.

KASPERL steigt als letzter auf. Hopsa! Jetzt kanns losgehn! Hoffentlich treffen wir ka Hendl in der Luft, sonst gibt’s a Verkehrsstockung! Perloke, Perlake! Ho! Ho!

HAHN. Gick! Gack! Kikeriki! Fliegt davon.

══════

[115]

Sie kommen wieder hereingeflogen.

JOHN BULL.

Was ist denn da unten? Rauscht so sehr.

STIMME.

Ho he! Ich bin das deutsche Meer.

JOHN BULL.

Geht um eine Flagge schwarz-weiß-rot.

STIMME.

Patrouillenboot, Kreuzer, Unterseeboot, Von Bank zu Bänken, von Riff zu Riff, Zerschlagen dir Panzer- und Handelsschiff.

JOHN BULL.

Vorbei, vorbei! Wollen weitergehn! Genug gehört und genug gesehn!

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Schweben hin und her.

JOHN BULL.

Was ist da unten für ein Wall? Geht um mit Trompeten und Trommelschall.

STIMME.

Nach Frankreich hinein, über Belgiens Rand, Die deutsche Front lehnt am Meeresstrand.

JOHN BULL.

Wirrt hin und her. Speit Feuer und Tod.

STIMME.

In stolzer Wehr, in harter Not, Dem Drängen der Feinde – halt ich stand.

JOHN BULL.

Vorbei, vorbei! Über Meer und Land!

Schweben hin und her.

JOHN BULL.

Was ist da unten für eine Stadt? Viel hundert Türme und Tore hat.

STIMME.

Bin das deutsche Antwerpen. Durchs Tor herein Brach Sturm mit Schwert und Feuer ein. Auf die Türme der erste im kühnen Lauf Die Fahne pflanzte er hinauf.

JOHN BULL.

Nichts Gutes zu hören. Schlimmes zu sehn Laß Wort und Bild vorübergehn!

Fliegen davon.

Sie kommen zur anderen Seite wieder herein.

HAHN lässt sich nieder. Gick! Gack! Kikeriki!

KASPERL springt ab. Alsdann! Jetzt san ma da!

JOHN BULL krappelt herunter. Uh, uh! War das a langweilige Fahrerei!

HAHN. Gack! Gack!

KASPERL. Ich bitt dich, John, sag nix über mei Rennpferd. So a Hahn is imstand und zwickt dich in die Wadeln.

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[116]

JOHN BULL. Aber i sag ja nix. I mein nur, daß i ma die Unterhaltung schöner vorgstellt hätt. Und finster is auch worden derweil. Gar nix sieht ma mehr vom Michel sein Haus. Rein gar nix. – Arlekino, steig he-runter! Daß man dir alles erst schaffen muß!

ARLEKINO steigt ab. Owe, owe, owei! Nach Haus!

JOHN BULL. Du wirst es schon noch derwarten. Z’erst schaun ma uns da die Gschicht a bissel an.

HAHN. Gick! Gack! Kikeriki! Fliegt davon.

JOHN BULL. Jetzt, was is das, Kasperl! Dein Reitpferd brennt ja durch!

KASPERL. Nur keine Ängsten! Er kommt scho wieder z’ruck. Er is glei an Regenwurm – was sag i, heut is ja a fleischlose Nacht! – er is glei a Körndl Körndl-Ersatz fressen gangen.

JOHN BULL. Also, Kasperl, wo is jetzt dem Michel sein Hendlstall?

KASPERL. Hendlstall? A Hendlstall is eigentli nit.

JOHN BULL. Du hast aber selber gesagt –

KASPERL. Na ja! Na ja! ’s is a Hendlstall und is ka Hendlstall. Sitzt halt a bissel a großes Hendl drin.

ARLEKINO. Hendl essen! Hendl gut! Großes Hendl Arlekino fressen!

KASPERL. Essen, essen! Ja, das tät dir halt gfallen. Mein liebes Freunderl, der Vogel, den i euch jetzt zeigen werd, is a bissel a schwerer Sonntagsbraten.

JOHN BULL. Na, so laß sehn!

KASPERL. Also kommts! Kommts nur mit! Mir san nit weit von seiner Steigen. Sie schleichen sich an.

KASPERL. Da is schon die Tür. Jessas, jetzt hab i kann Schlüssel zum Aufsperrn. Ah was, probier ma’s mit der Pritschen! Schlägt an die Tür; fernes Donnergrollen.

JOHN BULL. Oho! Was is denn das? Kommt leicht a Wetter? Und ich hab nit amal mein Regenschirm!

KASPERL.

Dem Michel sein Vogel im Wetter wohnt. Auf Blitz und Donner oben thront.

JOHN BULL. Aber, Kasperl! Du wirst ja ganz feierlich! Bei solche Reden könnt an ganz enterisch werden. I bitt dich, mach kane Spombanaden!

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KASPERL schlägt zum zweitenmal an die Tür, stärkerer Donner.

ARLEKINO fängt zu weinen an. Owe, owe, owei!

JOHN BULL. Aber was treibst denn, Kasperl?

KASPERL.

Über Jammer und Tränen, über Wehgeschrei Dem Michel sein Vogel sitzt hoch und frei.

JOHN BULL. Jetzt wird’s ma aber z’viel. Ich bitt dich, red doch nit immer in Versen. Das kann ich nit brauchen, wo alles ungreimt is bei mir z’ Haus.

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KASPERL. Ich red ja nur in Knüttelversen. Die müssen euch Anglischen ja schon längst bekannt sein!

Tür und Pfosten, Schloß und Riegel, Springt alles auf – vor dem Kasperl sein’ Prügel! Schlägt zum drittenmal an die Tür.

Heftiger Donner.

Die Tür springt auf.

Im Halbdunkel sieht man den Schatten des Adlers.

JOHN BULL. Uhu! Uhu!

ARLEKINO. Owe! Owei! Owe!

Der Donner verrollt in der Ferne.

KASPERL.

Was dem Michel die Kraft gibt, wollt ihr sehn. Ich laß es flugs vor euch erstehn. Da sitzt es stumm in seinem Haus Und dreht den Hals und horcht hinaus.

Leises Waffenklirren.

JOHN BULL leise. Kasperl, Kasperl! Mir is so angst! Es rasselt wie von Eisen.

KASPERL.

Nur keine Angst! Jetzt tut er nichts. Er schlaft. Und in den Federn spricht’s Von Waffen, wenn die Brust sich regt, Der Atem sanft sich hinbewegt. Doch wacht er auf – bei meinem Wort - Dann stiefelt euch und macht euch fort! Denn wenn ins Aug die Sonne fällt, Dann packt die Kralle, greift und hält, Die breiten Flügel schwingen aus Weit schützend übers Land hinaus, Der scharfe Schnabel niederhackt Und würgt und fällt und wütend packt

[118]

Hierhin und dort, wo nur ein Feind Herandroht und es übel meint Dem guten Michel, meinem Herrn. Sieht John Bull an. Potz Blitz! Wirst bleich und wärst schon gern Im Anglischen und weit von hier! Was? Pfeif ich meinem Gockeltier, Daß es dich aufpackt – Gick, gock, gack –, Dich und den ganzen Schabernack,

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Und durch die Luft euch trägt geschwind, Bevor dem da der Morgenwind Die Eisenfedern stärker schüttelt, Ihn aus dem Nachtschlaf reißt und rüttelt?

Stärkeres Waffengeklirr.

JOHN BULL. Uhu, Uhu! Kasperl, mach zu die Tür! Ruf dem Gickel-Gockelhahn, lieber Kasperl!

KASPERL. Ja, ja, jetzt bittest und tust ma schön! Ja siehst, mein lieber John Bull, warum hat dich auch der Fürwitz gstochen! Also, meinetwegen, laß ma’s gut sein für heut! Mach ma’s Türl zu und schaun ma, daß er nit aufwacht! Will die Tür zumachen, schreit auf: Jessas! Jessas!

JOHN BULL. Still, Kasperl, um Gotteswillen, still! Schrei nit so!

KASPERL. Jessas, Jessas! Das is ja –

Die Tür schlägt donnernd zu.

KASPERL. Nit! Nit!

JOHN BULL. Gott sei Dank, daß das Türl zu is! Jetzt kann ich do a bissel verschnaufen. Aber was hast denn du jetzt, Kasperl? Mir scheint, jetzt is an dich die Reih kommen zum Fürchten.

KASPERL. Zum Fürchten? Fürchten tut sich der Kasperl nit. Aber was i gsehn hab!

JOHN BULL. Na, was denn?

KASPERL geheimnisvoll. Denk nur: mein alten Herrn hab i gsehn, wie er im Schatten von dem großen Vogel gsessen is.

[119]

JOHN BULL. Deinen alten Herrn? Ja, wer ist denn das?

KASPERL. Der Doktor –

JOHN BULL. Der Doktor?

KASPERL macht eine Faust. Der Doktor Fff–

JOHN BULL. Finger?

KASPERL. Ach was! Ihr Anglandler seids schön ungebildet! Der Doktor – Faust!

JOHN BULL. Was?

KASPERL. Der große Zauberer!

JOHN BULL. So? Der große Zauberer? Kasperl, jetzt geht ma a Licht auf! Der is es, der dem Michel sein Haus so kugelsicher macht, aber nit der Vogel da drinnen in seiner Steigen!

HAHN in der Ferne.

Gick! Gack! Kikeriki! Der Tag steigt auf in lichter Blüh! Kikriki!

Vogelschrei und Waffentosen.

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JOHN BULL. Uhu! Uhu! Der Vogel wacht auf!

ARLEKINO. Außi! Außi! Owe, owei!

KASPERL lacht. Ha, ha! Mir scheint, du hast doch an damischen Respekt vor dem Vogel da drinnen! Weißt was, mir schwant, daß alle zwei auf mein Michel Obacht geben, der Zauberer und der Vogel. Der eine wacht bei Nacht, der andere wacht bei Tag.

JOHN BULL. Ich bitt dich, Kasperl, halt mich jetzt nit länger auf! Gschwind! Ruf dein Reitpferd!

KASPERL. I seh schon, es gfallt da nit recht auf dem Michel sein Anwesen. Na, meinetwegen, pfeif ma der Extrapost! Mit Gebärden: Peleke! Perluke! Perlike!

HAHN schwebt heran. Gick! Gack! Kikriki!

JOHN BULL sitzt auf. Nur gschwind! Nur gschwind! Streng: Arlekino, aufsitzen!

KASPERL. Diesmal fahr i nit mit! Halts euch nur gut an! Der Hahn wird euch schon zruckbringen ins ang-lische Reich. Perloke, Perlake! Ho! Ho!

HAHN erhebt sich. Kikriki!

KASPERL. Ich laß den Polizeiwachter schön grüßen! O yes, o yes, o yes! Springt in die Höhe und reibt sich die Hände. Ha, ha, ha, jetzt bin ich wieder daheim bei

[120]

mein Michel! Viel hab ich grad nit aufgsteckt mit meiner Reis’! Aber ausgstanden hätt i grad gnug. – Zum Publikum: Wißts was? Wißts nix? Weiß niemand was? Weiß niemand nix? Ha, ha, aber ich weiß was. Soll ich’s sagen? Na, meinetwegen: ich – fall nit so bald wieder nach Angland abi von an Zeppalin! Schwingt die Pritsche und springt davon.

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KASPERLS ABKÜNDIGUNG.

Jetzt habt ihr meine Stückeln gesehn, Ich wünsch euch gutes Wohlergehn. Nun gebt ihr wohl dem Kasperl zu, Daß er auch seinen Kriegsdienst tu Und daß er jetzt sein’ Ruh verdient. So gehn wir alle schlafen gschwind, Weil ich nicht gern den Schlaf versäum: Ich hab jetzt gar so schöne Träum. Und irgend was ist immer dran. – Seht ihr mir eigentlich nichts an? So einen Glanz von Himmel und Generälen? – Ich will euch noch rasch einen Traum erzählen: Ich steh auf einer grünen Wiesen Und muß da fünfmal kräftig niesen. Da schreit mir wer ins rechte Ohr: „Ein großer Sieg!“ Ich hupf empor Und spring, und hupf, und spring so hoch,

[122] Daß meine Mütze stoßt ein Loch Grad nebn der Sonn durchs Himmelsdach. Da schupf ich mich ein bissel nach, Und so bin ich mit Haut und Haaren Aus lauter Freud in ’n Himmel gfahren.

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Und steh auf einer goldnen Wiesen Und muß zum sechstenmal dort niesen. Das Hatschi! hat dort ghabt ein’n Ton! Da stellt mich auch der Petrus schon Und schimpft: „He, hier wird nicht geniest. Was macht hier dieses Niese-Biest? Das weiß nicht, daß im seligen Leben Es keinen Schnupfen doch darf geben!“ Fein schneuz ich in die Hand mich noch Und sag: „Ich bin der Kasperl doch. Vor Freud bin ich im sieb’nten Himmel.“ Pah – lacht der Petrus – blamel-blimel, So weit käm ich gar nicht hinein, Für mich wär schon der erste z’fein. Ich sag: „O lieber Petrus mein, Laß mich halt halb im ersten sein.“ Er brummt: „Willst du hier also bleiben, Mußt du dich einem Herrn verschreiben. Nur als Begleiter und als Knecht Bei rechtem Herrn, da lebst du recht.“ „Ja,“ sag ich, „in den Erdenlanden Bin ich wohl oft in Dienst gestanden. Und meine schönsten Referenzen Sind Doktor Faust und Michel – kennst ’n? Nur möcht ich einen Herrn, der grad Auf Erden noch was z’reden hat, Damit ich öfters ’nunterkomm’ – Für ’n Himmel bin ich nicht ganz fromm: Mir steckt noch allweil was im Blut, Das tut nur auf der Erden gut – So, daß ich dort halt dann und wann Ein kleines Gschäftel kriegen kann. Und weiter – bitt schön, sagen S’ nicht nein! – Ich möcht gern militärisch sein,

[123] Und möcht drum gern halt einem Herrn – Herrn Offizier sein Diener wer’n.“ Da sagt der Petrus: „Also komm Mit in den Himmelsheldendom!“ Wir gehn. Um mich fangt’s an zu glitzern, Zu strahlen, funkeln und zu blitzern, Mir hat’s die Augen fast verbrannt, Mir tanzt’s ganz wirblig umeinand. Um mich da fest in d’ Höh zu zwingen, Fang ich mein Liedl an zu singen:

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Die Schelde und der Rhein Gehn in die Nordsee ’nein, Die Donau breit daher, Fließt in das Schwarze Meer.

Meiner Mutter ihr Haus auf dem Berg hat ein Dach, Da tröpfelt’s nach allen zwei Seiten hinab.

Mei’ Mutter hat sieben Söhn, Zwei tun mit’m Wasser gehn. Vier stehn an jedem Eck Und prügeln alles weg.

Und ich sitz auf’m Dach oder drinn in der Stubn Oder renn bei den Brüdern draußen herum. So bin ich singend durch den Himmel gangen Und hab von meinem Schwindel mich erfangen. Auf einmal klopft mich auf die Schulter wer: “Erzähl er mir von seinen Brüdern mehr!“ Ich sag: „Euer Gnaden gehorsamster Diener!“ Er sagt: „Mir scheint, Er ist ein Wiener. Was sucht Er denn im Himmel hier?“ Ich sag: „Ein’n Herren Offizier, Der mich als Diener nehmen tut.“ Er sagt: „Da trifft sichs ja gleich gut. Will Er bei mir als Diener bleiben?“ Ich tu mir erst die Augen reiben Und schau mir endlich diesen Mann

[124] In all dem Licht erst gnauer an. Klein war er von Gestalt Und seine Uniform uralt. Da frag ich ihn – sonst ging’s mir schief –: “Sie sind doch hoffentlich aktiv?“ “Ich bin aktiv,“ sagt er voll Majestät, “Aktiv, so lang ein Österreich besteht.“ Und schreitet weiter. Und der Petrus zupft: “Ist denn dein Hirn dir ganz herausgehupft? Hast du den Herrn denn nie gesehn? Das ist ja doch der Prinz Eugen!“ “Ja freilich,“ sag ich, „aber bloß Stets auf dem furchtbar wilden Roß Vor unserm Kaiser seinem Haus1 (Ich hielt’s drauf keinen Augenblick aus). Wie soll ich jetzt ihn da erkennen, wenn er auf seine Füß’ tut rennen?“

1 Anm. v. Fritz Oberndorfer: Für den Nichtwiener sei bemerkt, daß das Standbild Fernkorns vor der Hofburg

den Prinzen auf einem sich bäumenden Pferde zeigt und sein Stadtpalast in der Himmelpfortgasse steht.

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“Herr Prinz,“ schrei ich und lauf ihm nach, “Sie habn doch auch ein’ Erdensach’, Die ich vielleicht besorgen kann.“ Er dreht sich um und lacht mich an Und sagt: „Du purzelst jeden Tag Schön mit dem fünften Glockenschlag Nach Wien hinab, du leichter Wicht, Und holst den neuesten Kriegsbericht.“ Ich sag: „Krieg ich da Überzeit? – Es ist der Weg halt soviel weit!“ “Was?“ sagt er und kriegt mich zu fassen, “Willst du mich hier drauf warten lassen? Punkt Sieben bist du hier zur Stell’.“ Ich frag: „Wie komm ich z’ruck so schnell?“ Er sagt: „Da gehst du nur in Wien Nach meinem alten Hause hin, Schaust dir die Straßentafel an, Dann weißt du dich auf sichrer Bahn: Zwar eng, doch würdig zieht sich dorten

[125] Die Gasse von der Himmelpforten.“ Da schlag ich ein und er zahlt mir Beim Himmelswirt gleich Wurst und Bier. Und weiter war mir in dem Träumen: Vor Mittag müßt ich z’sammräumen. Da geht in dem Prinzen seinem Haus Ein Himmelsfenster nach Östreich hinaus, Durch das er immer ’runterspitzt Und öfter hell herunterblitzt. Das muß ich recht fein blinkblank putzen, Wenn es im Wetter tut verschmutzen, Mit Regen und Eis, mit Dunst und Kot, Da ist schon mächtig Reiben not. Doch wie ich’s hab ganz blank gerieben, Die Aussicht – ja, die ist zum lieben! “Herr Prinz,“ schrei ich, „von Eurem Haus, Da schaut das Östreich anders aus! Fein z’sammengwachsen, daß am End man sich’s net anders denken könnt!“ “Ja, Kasperl,“ sagt er, „übers Land Sieht man nicht gleich von jedem Stand. Und dieses Himmelsfensters Schein Es sollt auch Östreichs Spiegel sein. Tu es nur hell und blitzend putzen, Dann wirst du ganz soldatisch nutzen: Hier strahlt mein Blick durch Dunst und Rauch.“ Da sag ich: „Bitt schön, meiner auch!“ Er sagt: „Ja, du g’hörst auch hinein,

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Wir können gute Freunde sein!“ Ich spring und schrei: „Auf immerdar, Wir drei stehn fest! Hurra! ’s ist wahr!“ Und muß zum siebtenmal jetzt niesen, Diesmal auf weißen Marmorfliesen! Und jetzt mit dieser Nieserei War dieser schöne Traum vorbei! Nun wißt ihr, wie es mit mir steht, Mit was für Leut im Traum ich red.

[126] Mich plangts schon nach dem nächsten Traum, Ich halt die Augen offen kaum. Gschwind schlag ich meine Bettstatt auf Mit einem festen Schlafsack drauf. Er schleppt einen großen Kommißschnürschuh herein. Der ist bequem. Der Wiesner Peter Hat ja die reinen Ehbett-Treter. Ich hoff, ich träum heut wieder schön. Und ihr schaut, daß ihr könnet sehn Am hellsten Tag, im hellsten Wachen Die gleichen schönen, guten Sachen!

O Leser, der du bis zum Schluß Mit uns zwischen Hölle und Himmel fuhrst,

Dich grüßen Kaspar Astragalus Und Doktor Johannes Wurst.