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KAYA YANARMADE IN GERMANY

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

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eISBN: 978-3-641-56048-5

3.AuflageOriginalausgabe 02/2011

Copyright © 2011 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

www.heyne.deMitarbeit: Paulus Vennebusch, Köln

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, MünchenFotos: Christian Sauter

Abbildung auf Seite 225: Marc Rehbeck für TV Digital/PETA

Illustrationen: Clyde & von Ameln (Digitale Maler & Lackierer), Köln

Cartoons: Zwen Keller, FrankfurtSatz: BuchHaus Robert Gigler

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Inhalt

Vorwort 8

Kapitel 1: Eltern 11»Isch schwöre: Isch werde erst konkret Papa, wenn es gibtkrass tiefergelegte Kinderwagen von BMW!«Hakan

Kapitel 2: Schule 27»Das ist kein epileptischer Anfall – ich tanze nur meinen Namen!«Ranjid an seinem ersten Schultag in der Waldorfschule

Kapitel 3: Sprache 47»Mein Alter redet nicht gern mit mir. Das letzte Wort, wasisch konkret von ihm gehört habe, war: ›Geh mir aus demWeg, du Arsch!‹«Hakan

Kapitel 4: Körper 61»Curioso: Die Deutschen werden immer älter – nur meineFreundinne werde immer jünger!«Francesco

Kapitel 5: Tiere 81»Du kommst hier ned rein!«Hakan zu einem Pudel, als er noch Türsteher bei »Metzgerei Werner«war

Kapitel 6: Autos 101»Isch bin noch nie geblitzt worden – mein Dreier BMW hatkonkret verspiegelte Frontscheibe, innen und außen!«Hakan

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Kapitel 7: Essen und Trinken 119»Woran erkennt man ein richtig scharfes Curryhuhn? Es legtdie Eier bereits gekocht!«Ranjid

Kapitel 8: Rausch 145»Isch bin konkret 100-Prozent-Typ: Isch rauche nicht – ischbrenne!«Hakan

Kapitel 9: Feste und Rituale 163»Wenn Sankt Martin ist, kriege ich immer Süßigkeiten – abernur wenn ich aufhöre zu singen!«Ranjid

Kapitel 10: Gesetze 193»Ich stand erst einmal vor einem Richter – und zwar in derKassenschlange beim letzten Bollywood-Film!«Ranjid

Kapitel 11: Natur 207»Natur ist gut – Silikon aber auch!«Francesco

Kapitel 12: Urlaub 231»Für mich eine Nacht mit unbekannte Signorina isse dieschönste Form von Fremde-Verkehr!«Francesco

Kapitel 13: Nightlife 243»Isse tanze so wie Ranjid Sex hat: sehr selten!«Francesco

Kapitel 14: Sex 271»Isse weiß genau, wann eine Signora eine Orgasmus hat – lei-der bin isse dann meistens schon wieder auf dem Weg nachHause ...!«Francesco

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Für Papa Yanar, der sich mit der Integration sehrschwertat, obwohl er sich so bemühte. Schau, Papa, eswar nicht alles für die Katz!

Für Mama Yanar, die sich gut integrierte, aber es trotz-dem schwer hatte ... mit ihren beiden Kindern ... einemKomiker und einem Mathematiker.

Für Bruder Yanar, der die Integration so schnell meister-te, dass er sich langweilte und seitdem auf IntegrationII wartet.

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Vorwort

Meine Eltern kommen aus der Türkei. Ich bin am 20.Mai 1973 in Frankfurt am Main zur Welt gekommen.Mitten in Deutschland. Ich bin zwar Türke, aber nichtnur. Mein Name ist türkisch, meine Eltern sind tür-kisch. Ich bin Turk-Germane, oder Deutsch-Türke, oderHesse-Türk. Ich weiß es nicht. Aber eins weiß ich ganzgenau: Ich bin

MADE IN GERMANY.

Ich bin in Deutschland aufgewachsen. Ich bin auf einedeutsche Schule gegangen, habe deutsche Freunde, eindeutsches Auto und einen deutschen Pass. Ich fühlemich als Deutscher. Aber meine Wurzeln sind türkisch.Darum fühle ich mich hin und wieder so, als säße ichzwischen den Stühlen statt mitten drauf.

Ich gebe zu: Zwischen den Stühlen zu sitzen istmanchmal gar nicht so schlecht. Sich in beiden Weltenzu bedienen, von zwei verschiedenen Kulturen beein-flusst zu sein, sowohl über die einen als auch über dieanderen sich lustig zu machen – das hat schon was!

Aus dieser für mich durchaus angenehmen Positionzwischen den Stühlen versuche ich in diesem Buch, ei-nen Blick auf mein Heimatland Deutschland zu werfen.Das heißt: Es ist nicht nur ein Blick – es sind mehrere ...und manchmal ist es sogar ein Silberblick.

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Manchmal sieht der Türke in mir etwas anderes alsder Deutsche. Manchmal ist der Blick des DeutschenKaya Yanar besonders interessant. Beide, der türkischeund der deutsche Kaya, schauen über den Tellerrandund beobachten, was außerhalb von Deutschland vorsich geht. Manche Blicke sind liebevoll, andere ... sagenwir mal: um Verständnis bemüht. Alle diese verschiede-nen Blicke sind meine Blicke.

Ich habe für dieses Buch völlig subjektiv Themenausgewählt, die mich interessieren und die ich mitDeutschland verbinde: entweder weil ich die geschilder-ten Situationen in Deutschland erlebt habe. Oder weilsie für mich typisch deutsch sind. Oder weil sie ein be-stimmtes Licht auf Deutschland werfen – im Guten wieim Schlechten.

Als Wanderer zwischen den Welten erzähle ich, wiees für mich war, mit türkischen Wurzeln in Deutschlandaufzuwachsen. So schildert Made in Germany nicht nurGeschichten über Deutschland, sondern auch meine ei-gene Geschichte: die Geschichte eines türkischen Jun-gen mit deutschem Pass, mit türkischen Eltern unddeutschen Nachbarn, mit türkischen Verwandten unddeutschen Freunden.

Neben all den subjektiven Erinnerungen und Eindrü-cken habe ich bei der Arbeit an diesem Buch viele Fak-ten gesammelt, die mich interessiert, erstaunt und be-lustigt haben. Diese Fakten habe ich in FACT BOXESverpackt und in die Kapitel eingestreut. Beim Zusam-mentragen der Fakten bin ich allerdings nicht wissen-schaftlich systematisch vorgegangen, denn ich wollte jaein unterhaltsames Buch schreiben und kein Lexikon.Nicht alle Fakten sind topaktuell, und nicht alle Faktenkonnte ich auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen.

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Viele der Informationen wurden im Lauf der Arbeit aufBierdeckeln festgehalten oder in Kladden geschmiert.Andere wurden mir von Freunden und Fans zugemailtoder erzählt. Einige habe ich im Internet gefunden,aber, Leute: Fragt mich bitte nicht, wo!

Natürlich kommen in diesem Buch auch meine aus-ländischen Freunde zu Wort: Hakan, Ranjid und Fran-cesco begleiten mich schon mein Leben lang. Wir ha-ben keine Geheimnisse voreinander und können unsblind aufeinander verlassen – und das, obwohl wir voll-kommen unterschiedlich sind. Wir haben viele der indiesem Buch versammelten Situationen gemeinsam er-lebt, und die spezielle Sichtweise von Hakan, Ranjidund Francesco beleuchtet immer wieder Details, diemir nie aufgefallen wären.

Ich möchte noch unbedingt einen weiteren deut-schen Freund erwähnen, der mich begleitet hat, undzwar bei der Produktion dieses Buches: Paulus Ven -ne-busch, mein Lieblings-Comedy-Autor! Zusammenschrieben wir schon etliche Was guckst Du?!-Folgen,und ich bin sehr froh und stolz, dass er die Zeit gefun-den hat, gemeinsam mit mir dieses Buch zu machen.Ohne ihn wäre das Buch erst 2111 erschienen – undnur halb so lustig. Mein lieber Paulus, besten Dank!

Im Januar 2011 Kaya Yanar

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Eltern

KAPITEL 1

11

„Isch schwöre: Isch werde

erst konkret Papa, wenn es

gibt krass tiefergelegte

Kinderwagen von BMW!”

Hakan

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Eltern machen überall in der Welt merkwürdige Dinge:Eskimo-Väter geben ihren Neugeborenen rohes Fleischzu essen, in Afrika tragen Mütter ihren Nachwuchs solange auf dem Rücken, bis die Kleinen ihr Studium be-endet haben, und in den USA achten Daddy und Mumjeden Morgen penibel darauf, dass die Kindergartenta-sche komplett gepackt ist: Taschentücher, Apfel,Schusswaffe.

Deutsche Eltern schütteln über solche Bräuche zuRecht den Kopf, aber ich kann ihnen versichern: ImAusland versteht auch nicht jeder auf Anhieb, warumauf jedem zweiten deutschen Kombi „Laura an Bord”oder „Finn fährt mit” steht. Was wollen die Fahrzeug-halter damit sagen? „Es sind Kinder im Auto – alsofahrt bitte anderswo drauf?”

Deutschland gilt als sehr kinderfreundliches Land:Man bekommt Kindergeld, es gibt genügend Schulen,und Kampfhunden ist es verboten, in öffentliche Sand-kästen zu kacken. Drei von vielen guten Gründen, diemeine damals noch kinderlosen Eltern dazu bewogen,

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ihre Heimat zu verlassen und nach Deutschland auszu-wandern. Sie wollten Kinder haben, und sie wollten ih-ren Kindern ein gutes Leben ermöglichen. Darum pack-ten sie 1970 ihre Siebensachen und reisten vonAntakya/Arsch der Welt nach Frankfurt/Main.

Meine Eltern sind Türken. Als sie in Deutschland an-kamen, waren sie erst einmal schockiert. In Deutsch-land war alles anders als in ihrer Heimat: Es gab Kir-chen statt Moscheen, die Frauen trugen keineKopftücher, und ein Döner-Sandwich kostete zwanzig-mal so viel wie in der Türkei! Wer möchte freiwillig in soeinem Land leben?

Vieles war fremd, und doch blieben meine Eltern inDeutschland. Mit der Zeit gewöhnten sie sich an dieseltsamen Umstände, und sie waren fast zur Ruhe ge-kommen, als eines Tages das Leben von Edip und Besi-ma Yanar erneut komplett auf den Kopf gestellt wurde:Am 20. Mai 1973 erblickte ich das Licht der Welt. Undab diesem Moment war für meine Eltern nichts mehr,wie es vorher war!

Die Geburt war ziemlich traumatisch für mich. Ichkam schließlich aus einer komfortablen, behaglichenWelt, nämlich aus meiner Mutter! Die vergangenenneun Monate waren für mich wie ein traumhafter All-inclusive-Urlaub gewesen: Gleichbleibend hohe Tempe-raturen, ich hatte immer genug zu essen, und ich hingden ganzen Tag im Wasser rum – selbst der exklusivsteFerienclub nimmt sich dagegen wie Guantanamo aus!

Doch dann musste ich plötzlich auschecken: Eskühlte von einer Sekunde auf die andere empfindlich auf34 Grad ab, ich sah in gleißendes Licht, und ich blickteauf fremde, maskierte Menschen! Zur Begrüßung wur-de mir erst einmal kräftig auf den Hintern gehauen –

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willkommen in Deutschland! Aber bevor ich dem mas-kierten Prügelknaben seinen Klaps zurückgeben konnte,lernte ich meine Mutter kennen. Sie legte mein Gesichtauf ihre Brust, umschlang mich mit ihren Armen und lä-chelte verklärt. Ich wusste sofort: Falls es noch mehreresolcher weiblichen Wesen gibt, konnte diese Welt soschlecht nicht sein! Und tatsächlich durfte ich in denfolgenden 37 Jahren immer wieder feststellen: Die Weltist voll von solchen bezaubernden, weiblichen, verklärtlächelnden Wesen! Jedes Mal, wenn ich heute mein Ge-sicht an eine Frauenbrust schmiege, denke ich dankbarzurück an jenen 20. Mai 1973!

Mein Vater war übrigens bei der Geburt dabei. Füreinen türkischen Vater war das damals alles andere alsüblich. Aber er verhielt sich fantastisch und machte ge-nau das, was für jeden deutschen Vater im Kreißsaalselbstverständlich ist: Er übergab sich und fiel in Ohn-macht!

Ich war nicht das einzige Kind, das an diesem Tag injenem Krankenhaus geboren wurde: Im benachbartenKreißsaal kam mein Kumpel Hakan zur Welt. Er ist nurfünf Minuten jünger als ich. Hakans Geburt war aller-dings wesentlich komplizierter als meine. Die anwesen-den Ärzte, Schwestern und Hebammen werden diesenTag wohl nie vergessen, denn etwas so Ungewöhnlicheshatte bis dahin noch niemand erlebt: Als der Arzt mitder Geburtszange kam, soll eine hohe Stimme aus Ha-kans Mutter herausgerufen haben: „Isch komm her nedraus!”

Hakan und Kaya – zwei von vielen türkischen Kin-dern, die damals in Frankfurt das Licht der Welt er-blickten. Und wir sind froh, dass sich unsere Eltern fürklassische türkische Namen entschieden haben. Wenn

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sie nach den Modenamen 1973 gegangen wären, hätteich „Michael Yanar”, „Markus Yanar” oder „Thomas Ya-nar” geheißen – wenn nicht sogar „Nicole Yanar”!

Alle Eltern werden es bestätigen: Ein Kind verändert dasLeben komplett! Das galt vor allem für meinen Vater.Spätestens als mein Bruder und ich auf der Welt waren,kam er überhaupt nicht mehr mit! Er musste zwangs-läufig Kontakt zu anderen Eltern aufnehmen, und eswar für ihn eine verkehrte Welt, die er da kennenlernte –eine Welt, in der Väter die Kinder wickelten und die Müt-ter die Schnauzbärte trugen!

In dieser verdrehten Welt versuchte mein Vater, fürsich und seine Kinder etwas von dem zu bewahren, dasihm vertraut war, und das war seine Sprache: Er wolltemit uns Kindern zu Hause Türkisch sprechen. Das funk-tionierte nicht besonders gut, denn mein Türkisch warimmer schon schlecht. Lange Zeit dachte ich, „Ankara”wäre die Bezeichnung für eine regenfeste Outdoor-Ja-cke mit Kapuze!

Mein Vater schimpfte oft mit mir: „Kaya, die Türkeiist deine Heimat. Du bist Türke, du bist kein Deutscher!Sprich Türkisch!”

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„Ja, Papa!”„DAS HEISST: EVET, BABA!”„Okay, Papa.”„AAAAAAAAAH!”Wenn meine Mutter nicht dazwischengegangen wä-

re, hätte ich mir wahrscheinlich eine international ver-ständliche Ohrfeige eingefangen!

Obwohl mein Vater genau wusste, dass ich kaumTürkisch verstand, schimpfte er oft auf Türkisch mitmir: „Eschol eschek!”

Und ich stand nur da: „Hund? Katze? Maus? ….Mama, was sagt der? Kannst du das übersetzen?”

Meine Mama übersetzte es mir: „Kaya, er sagt, duseist der Sohn eines Esels!” Ich empfand das damalsschon als ungewöhnliche Beschimpfung – vor allemwenn sie aus dem Mund des Vaters vom Sohn einesEsels kommt!

Als mein Vater bemerkte, dass mein Türkisch selbstfür seine Beschimpfungen nicht reichte, probierte er esauf Deutsch – komischerweise war das für mich fast ge-nauso schwer zu verstehen!

Denn mein Vater war zwar ein studierter und gebil-deter Mann, aber mit der deutschen Sprache hat er sichimmer schwergetan. Und ich kann es verstehen: Wernicht mit der deutschen Sprache aufgewachsen ist,kann sie nur sehr schwer erlernen. Das ist nicht so ein-fach wie Englisch: Da hat man das Schwierigste hintersich, wenn man die Worte „Yes”, „No”, „Coke” und„Fuck” unfallfrei aufsagen kann! Zumindest bin ich alsSchüler mit diesem Vokabular ohne Probleme drei Wo-chen durch England gekommen.

Aber für Menschen, die nicht in Deutschland gebo-ren und aufgewachsen sind, ist die deutsche Sprache,

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wie mein Vater sagen würde: „Arsch!” Mein Vater konn-te so schlecht Deutsch sprechen, dass er mich nochnicht mal richtig auf Deutsch beleidigen konnte! Wenner es trotzdem versuchte, musste ich immer lachen –was ihn natürlich noch mehr verärgerte!

Wenn ein Deutscher sein Gegenüber beleidigenmöchte, dann sagt er „Trottel”, „Depp” oder „Blöd-mann”. Mein Vater konnte das nicht. Wenn er mich be-leidigen wollte, sagte er: „Was gibt’s, du Arschkopf?”

„Arschkopf.” Großartig! Poesie pur! Und natürlichzum Schreien komisch! Am liebsten würde ich meinemVater für „Arschkopf” den deutschen Comedy-Preisverleihen! Wir zwei „Arschköpfe”, also mein Bruderund ich, haben meinen Vater oft extra geärgert, nur da-mit wir etwas zu lachen hatten: „Kommt heute was Lus-tiges im Fernsehen, Erkan?”

„Nö, Kaya.”„Okay, dann lass uns Papa ärgern!”Mein Vater war unglaublich streng – aber in Verbin-

dung mit „Arschkopf” wurde jede seiner Drohungenzur Lachnummer. Also haben wir ihn mit seinemschlechten Deutsch verarscht – das war unsere Rachefür seine Strenge: „Papa, darf ich ins Kino?”

„Ich geb dir gleich Kino!”„Danke, dass du mir gleich ein ganzes Kino gibst!”An einem anderen Tag probierte mein Bruder die

gleiche Masche – mit Erfolg: „Papa, kriege ich ein Fahr-rad?”

„Ich geb dir gleich Fahrrad!”„Das muss nicht gleich sein – das reicht auch Weih-

nachten!”Irgendwann hat mein Vater uns durchschaut, und er

hat mich schlimm zurückverarscht. Ich war sieben Jahre

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alt – ein Alter, in dem Kinder permanent Fragen stellen,die ihre Eltern nicht beantworten können: „Was sindWolken?”, „Kommen Tiere in den Himmel?”, „Warumgucken alle Leute ›Dallas‹?” oder „Wie viel wiegt Däne-mark?”

Und bei einer dieser Fragen hat er mich erwischt. Ichfragte ihn: „Papa, ich weiß, ich bin ein Junge, aber darfich auch mal mit Puppen spielen?” Und er antwortete:„Klar darfst du das! Aber erst, wenn du alt genug bist,um sie selber aufzublasen!” Seitdem lache ich nichtmehr, wenn mein Vater mich „Arschkopf” nennt!

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Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe meinenVater geliebt! Er war ein toller Papa, aber er war auchstreng – sehr streng. Türkische Väter sind strenger alsdeutsche Väter. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. EinLieblingsspruch meines Vaters war: „Ey, wenn du daskaputtmachst, mach ich dich kaputt!”

Dieser Ausspruch kommt definitiv autoritärer rüberals das deutsche Pendant: „Du, Moritz-Ansgar, das warjetzt zwar meine Lieblingstasse gewesen, die du da dei-ner Schwester an den Kopf geworfen hast, aberSchwamm drüber, du!” Bei dem Spruch „Wenn du das

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kaputtmachst, mach ich dich kaputt” macht man sichals Kind schon mal vor Angst in die Hose – und kriegtzusätzlich noch Ärger mit der Mama, die das Zeug wie-der rauswaschen muss!

Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an demich zum ersten Mal den Unterschied zwischen deut-schen und türkischen Vätern bewusst wahrnahm! Bisdahin hatte ich gedacht, dass alle Väter ihre Kinder„Arschkopf” nennen, ihren Kindern „Kino geben” undsich beim Scrabble freuen, wenn sie dreimal hinterei-nander das „Ü” ziehen. Aber dann stellte ich fest: Ande-re Väter sind anders als mein Papa!

Ich war ungefähr fünf Jahre alt und spielte mit mei-nen Kumpels Hakan, Ranjid und Francesco im Sandkas-ten. Alles war damals schon so wie heute: Francescobaggerte erfolglos die anderen Mütter an („Isse steheauf Signoras mit Erfahrung!”), Ranjid hing stundenlangauf der Wippe in der Luft, während auf der anderen Sei-te seine Kuh Benytha saß (die damals natürlich noch ein

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Kälbchen war), und auch Hakan war schon genauso wieheute, nur dass er mit dem Dreirad unterwegs war – undnicht mit dem Dreier! Hakan hatte einen Sandkuchengebacken. Gut, das ist nichts Ungewöhnliches, das ma-chen andere Kinder auch. Aber Hakan bestand darauf,dass man ihn auch probierte: „Guckt ihr hier – krasserSandkuchen. Ranjid, aufessen!”

Aber Ranjid stand der Sinn nicht nach Sandkuchen:„Nö, danke! Keinen Hunger ...”

„FRISS!”„Na gut!”Und Ranjid stopfte sich das Zeug in den Mund.

„Das hat gar nicht so schlecht geschmeckt”, erinnertsich Ranjid heute, „es fehlte nur ein bisschen Curry!”

Punkt sieben Uhr abends mussten alle Kinder zuHause sein, denn sieben Uhr war Abendessenszeit inDeutschland, egal, ob für Deutsche, Türken, Italieneroder Inder. Die Mütter hatten üppig gekocht (RanjidsMutter konnte ja nicht wissen, dass ihr Sohn schon dreiKilo Sand intus hatte), und warteten nun auf ihre Kinder.

Aber Kinder haben ein anderes Zeitgefühl. Für dieist sieben keine Uhrzeit, sondern eine Tätigkeit imSandkasten! Auf gut Deutsch (sorry, Papa, aber „aufgut Türkisch” wäre hier einfach falsch): Wir trödelten!

Um Viertel nach sieben kam die Vorhut: die Mütter!Arabische Mütter, spanische Mütter, italienische Müt-ter, deutsche Mütter, und natürlich die beste Mutterder Welt: meine Mutter! Sie setzten zu ihren typischenRufen an:

„Jürgen!”„Manfred!”„Conny!”„Svea!”

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„Ahmet!”„Annika!”„Aishe!“„Roberta!”„Philippa!”„Thomas!”„Kai-Uwe!”„Pedro!”„Steffi!”„Kaya!”„Erkan!”„Francesco!”„Ranjid!”

„Hakan! Du Arsch!”

Achtzehn Kinderköpfe schauten kurz hoch und sahenihre Mütter am Rand des Sandkastens stehen. Hakanwusste sofort, was zu tun war: „Konkret weiter-spielen!”

Und das taten wir. Um halb acht wurde es dannernst: Da kamen die Väter! Arabische Väter, spanischeVäter, italienische Väter, deutsche Väter – und natürlichder strengste Vater der Welt: mein Vater! Sie riefennicht – sie schauten nur durch ihre zu Sehschlitzen zu-sammengekniffenen Augen. Wie im Western! Siescharrten mit den Hufen und schwiegen. Eiskalt. Es tratTotenstille ein. Man hörte nur den Wind – und Beny-tha, die gerade einen riesigen Kuhfladen in den Sandsetzte. Dann begannen die Väter wie auf Kommandoloszubrüllen, und jedes Kind sprang panisch auf, pack-te wortlos sein Eimerchen und sein Schäufelchen undrannte angsterfüllt zu seinem Papa, der den Jungen so-fort am Handgelenk griff und Richtung Ausgang zerrte.

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Nur der deutsche Vater brüllte nicht. Und damit be-wies er mir, dass deutsche Väter anders sind als türki-sche. Denn der deutsche Vater stand ganz ruhig da undsagte: „Kai-Uwe kommst du mal her? Nein, ich rennedir nicht hinterher! Du kommst zu mir!”

Kai-Uwe kam tatsächlich angedackelt. Und dannfolgte der Satz, den ich bis an mein Lebensende nichtvergessen werde; ein Satz, wie er niemals über die Lip-pen eines türkischen Vaters kommen würde; ein typischdeutscher Satz: „Kai-Uwe, wir müssen reden!”

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Kai-Uwe war vier Jahre alt! Was sollte der reden?„Papa Hunga habe?” „Papa A-A macht?” „Nicht ohnemeinen Anwalt?” Wir anderen Kinder waren total ge-schockt – und unsere Väter auch!

„Die wollen was machen?”„Keine Ahnung, ich hab ‘reden’ verstanden! Aber

das kann ja nicht sein!”„Was ist das: ‘reden’? Ist das so was wie Folter?”„Na ja”, habe ich mir gedacht, „man kann ja mal

was Neues probieren”, und ich zog meinen Vater amÄrmel und sagte: „Papa, wir müssen reden!” Seine Ant-wort hätte ich mir auch denken können: „Ich geb dirgleich reden!”

Alles in allem war ich aber sehr zufrieden mit meinenEltern. Ich lebte gern mit ihnen zusammen. Mit beiden.Gleichzeitig. Das muss man den jungen Leuten heuteerklären: Früher kam es vor, dass Eltern zusammenleb-ten, in ein und demselben Haus! So wie es ursprüng-lich mal gedacht war.

Nicht umsonst gibt es vom Wort „Eltern” keinenSingular. Ich finde es wichtig, mit beiden Elternteilenaufzuwachsen. Ich kenne Menschen, die nur beim Vateraufwuchsen – denen fehlt was: Die wissen nicht, dassman Socken auch wechseln kann. Dafür kennen sie dieNamen sämtlicher Ersatztorhüter von Eintracht Braun-schweig seit 1966 auswendig und können zur Not miteiner Tiefkühlpizza und einem Kasten Bier vier Wochenlang überleben.

Und diejenigen Kumpels, die nur von ihrer Muttererzogen wurden, haben auch einen an der Waffel: Diekönnen zwar tolle Salatsoßen machen und Spannbett-laken falten, aber wenn sie eine Glühbirne auswechseln

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müssen, rufen sie vorsichtshalber erst mal beim Techni-schen Hilfswerk an.

Meine Eltern haben es verhältnismäßig richtig ge-macht. Sie haben sich zwar auch getrennt, aber erst, alsmein Bruder und ich die wichtigsten Lebensgrundlagenbereits begriffen hatten. Meine Eltern sind keine Aus-nahme. Scheidung ist bei Türken total in. Seit 2005 istlaut türkischem Familiengericht die Scheidungsrate um40 Prozent gestiegen. 40 Prozent! Davon können diemeisten DAX-Unternehmen nur träumen!

Ich habe aus der Geschichte meiner Eltern gelernt.Im Guten wie im Schlechten. Die guten Dinge will ichübernehmen, und die schlechten vermeiden.

Darum ist für mich Scheidung absolut kein Thema –zumindest solange ich noch ledig bin!

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„Das ist kein epileptischer

Anfall – ich tanze nur meinen

Namen!”

Ranjid an seinem ersten Schultag in der Waldorfschule

Schule

KAPITEL 2

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Schule ist ein bisschen wie Akne – jeder Jugendliche hatdamit zu tun, und jeder ist froh, wenn es endlich vorbeiist. Ich kenne Menschen, die sind so ungern zur Schulegegangen, dass für sie TV-Serien wie Unser Lehrer DoktorSpecht unter die Kategorie „Horrorfilm” fallen. Anderevergleichen Schule eher mit dem Gefangenenlager Gu-antanamo – nur, dass bei der Schule die UN leider nichtdie sofortige Schließung fordert! Aber die Szenen sindähnlich – sobald der Lehrer sagt: „Hefte raus! Vokabel-test!”, bricht der erste Schüler schreiend zusammen:„Nicht weitermachen! Ich gebe alles zu – ich bin die Ma-schine geflogen!”

Deutschland ist ein freies Land. Niemand wird ge-zwungen, am Nationalfeiertag bunte Troddeln schwen-kend über einen großen Platz zu marschieren. Niemandmuss angsterfüllt flüstern, wenn er Schlechtes über dieBundeskanzlerin sagt – mit Ausnahme von JoachimSauer, dem Ehemann der Bundeskanzlerin. Man kannsich den Fußballverein aussuchen, die Religion, ja sogardas Geschlecht. Aber man kann sich nicht alles aussu-chen: In Deutschland herrscht Schulpflicht! Ob manwill oder nicht – jeder muss zur Schule gehen. Und dasist auch gut so, denn wo sollte man mit den vielen un-gebildeten jungen Menschen hin? So viele CastingShows kann es gar nicht geben!

Also verbringen die jungen Deutschen den Großteilihrer Jugend in der Schule. Sie sollen dort fürs Lebenlernen. Und da muss ich meinem Kumpel Hakan Rechtgeben, der immer sagt:

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