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keksmag #1 (march 2007)

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the first [ *] newsletter out of the box called keksmag ... this one is a draft ;)

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„Zum ersten Mal“, also

Ein Schuh, den man unendlich vielen Füßen anziehen kann, werdet Ihr Euch

denken. Und ja. Das dachten wir auch und wurden sogleich hinweggespült

von einer Flut gemischter Gefühle und Einfälle, die uns beim Gedanken an un-

ser aller erste Male ereilten.

Wer kennt sie nicht, diese aufregende Mélange aus Überraschtheit, Wagemut

und Erleichterung, die einem in den Kopf und ins Blut schießt. Der erste Zug an

einer Zigarette oder aus einem Kartenspiel, der erste Blick in den Spiegel, die

ersten Adrenalinstoßwellen bis hinauf in die Schläfen, nach dem ersten Blick-

kontakt, der länger als die erwartete Millisekunde dauerte.

All das sind erste Male, die gewürdigt werden sollten, deren Bedeutung je-

doch für uns durch ein anderes jungfräulich erfreuliches Ereignis weit über-

blendet wird:

Die Geburt des keksmag.

Verfolgt man den Moment seiner kreativen Empfängnis bis zur Quelle zurück,

so steht dort felsenfest und bereit, den Planeten zu erobern, die keksbox.

Junge Unternehmer, die sich Kekse nennen, und in einer Box arbeiten, er-

wecken vielleicht nicht sofort einen kompetenten und seriösen Eindruck. Nur

dass sich die keksbox in der Medien- und Werbehauptstadt Berlin befindet,

mag nach näherem Betrachten kaum jemanden verwundern.

Kekse? In Reihen? „Das gibt’s doch nur bei Leibniz!“, werdet Ihr vielleicht sogar

murmeln. Vollkommen richtig. Nur steht es mit der Stimmigkeit des „nur“ seit

der Geburtsstunde der keksbox nicht mehr ganz wie zuvor.

Die Räumlichkeiten auf über 1.000 qm dienen Einzelunternehmen und Gewer-

betreibenden aus der Musik-, Design-, Werbe- und IT-Branche als gewinn-

bringende Infrastruktur.

Ob ein Produkt mit Hilfe einer Internetseite, eines Soundlogos und eines Cor-

porate Designs repräsentiert werden soll oder eine Großveranstaltung Pla-

nung, Werbung und Künstler verlangt. Warum sich an unterschiedliche Agen-

turen wenden, wenn es wie hier alles aus einer Hand gibt?

Die unmittelbare und projektbezogene Zusammenarbeit von Werbe- und PR-

Profis, Veranstaltern, Designern, Webprogrammierern, Künstlern und Kompo-

nisten ermöglicht schnelle, effiziente und vor allem auf einander abgestimmte

Dienstleistungen im Sinne der Kunden und Partner. Die kekse arbeiten sowohl

räumlich als auch inhaltlich zusammen, bereichern ihre Mitstreiter und profitie-

ren selbst von der beschriebenen Struktur.

Inmitten des ganzen geschäftigen Trubels findet sich die Redaktion als eine

beobachtende, kommentierende Instanz, die im keksmag nach außen trägt,

was im Innern der keksbox ausgeheckt wird, und das zudem eine vielseitige

Mischung an Themen bereit hält. Das keksmag ist da und erwartet euch mit

Interviews der polnischen und mythologischen Art, turnte für Euch in den Rän-

gen wippender Konzertbesucher und spitzte die Ohrmuscheln in Sachen mu-

sikalischer Neuerscheinungen.

Na dann, Gurte umgelegt, krümelfeste Schutzkleidung an und viel Spaß beim

keksmag!

Euer M*-Team

Fakt 1:

Die keksbox ist (wider Erwarten) kein Behältnis für Süßigkeiten.

Fakt 2:

Die keksbox ist ein gemeinsames Projekt von verschiedenen jungen Ge-

werbetreibenden und Freiberuflern (= “Keksen“), die sich in den Bereichen

Marketing, Webdesign und Musik angesiedelt haben. Letzteres stellt den

Schwerpunkt dar.

Fakt 3:

Die keksbox befindet sich in Berlin-Karlshorst an der Straßenbahnlinie 21.

Fakt 4:

Die 1200m² beinhalten 24 Räume: natürlich die Büros der „Kekse“, außer-

dem Proberäume, Dunkelkammern, Film- und Fotostudio, zwei Tonstudios,

Lagerflächen,

Konferenzräume und einen pinken Flur. Toiletten gibt’s auch. Diese Räum-

lichkeiten werden zum Teil auch gern an Menschen vermietet, die sich kre-

ativ austoben möchten (z.B. die Dunkelkammer, die Proberäume). Stamm-

gäste in den Proberäumen sind bereits die Berliner Bands „Matroshka“ und

„Elikan Dew“.

Fakt 5:

Die keksbox gibt’s seit Sommer 06.

Fakt 6:

Die keksbox ist in verschiedene Bereiche gegliedert (die allerdings auch

kooperieren). Die Musikabteilung (Jakob, Jan, Robert, Rocco) bietet Dien-

ste wie Sound Design, Songwriting, Produktion, Recording und Bands. Der

Marketingbereich (Bastian, Jan, Xenia) kümmert sich um Musikmarketing,

Bandmanagement, Veranstaltungsorganisation und Full Service. Die De-

signabteilung (John, Irena) umschließt Grafik- und Webdesign. Der IT- und

Websupport- Bereich (Daniel, Dominik) deckt die Gestaltung und Admini-

stration von Internetseiten und Netzwerke ab.

Fakt 7:

Die vom hauseigenen Designer gestaltete Internetseite ist unter der Adres-

se

www.keksbox.com zu finden.

Fakt 8:

Die offizielle Abkürzung lautet KBX.

Fakt 9:

Freie Mitarbeiter und Praktikanten werden gern gesehen.

Fakt 10:

Style, Sympathie, Kompetenz.

10 FAKTEN ÜBER DIE KEKSBOX

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Mitte November, ein Dienstag Morgen, weit nach halb zehn, in Karlshorst. Wir haben ein zeitlich ge-

fühltes Frühstücksdate mit der polnischen Band Metaforus. Zwar ohne Knoppers, dafür jedoch mit

aufgeschlossenen, sich der Müdigkeit tapfer entgegenstellenden Gesichtern und tief ins Gesicht

gezogenen Mützen. Angesichts der teils berggipfelartigen Temperaturen in den Gemäuern der

keksbox kein unnützes Utensil. Bevor es aber ans Wortkettenstricken und Antworten auf Fragen

Finden geht, machen wir uns bekannt und verfallen in angenehmen Plauderton. Ob es nun die Art

von Sänger Seb ist, der sich auf dem Sofa dort in der Rolle eines ge- und befragten Rockmusikers

so wohl zu fühlen scheint, wie auf der Bühne, oder die blitzschnell hergestellte Interviewsituation,

unwillkürlich befällt mich ein flüchtiges Gefühl, mir sei hier die Groupierolle zugeteilt. Selbst das ko-

lossale goldene Mikrophon, das heroisch auf dem Tisch emporragt und unser Gespräch für später

festhalten soll, ignorieren die 3 Jungs, als stünde eine solche Gerätschaft sonst auch neben dem

Toaster auf ihrem Frühstückstisch.

Metaforus. Mir als angehender Literaturwissen-

schaftlerin fällt natürlich zunächst die gute alte

Metapher als rhetorische Figur ein und prompt

suche ich in Habitus und Wort das Bildliche, Zwei-

deutige zu erkennen. Da mir dies nicht auf An-

hieb gelingt, kommt mir Seb zur Hilfe und erklärt

uns auf die Frage, ob ihre Texte denn wahrlich so

metaphorisch seien:

Sebastian: Im Polnischen gibt es das Wort

„Meta“, das soviel bedeutet wie Zufluchtsort, Un-

terschlupf, Versteck. Und das ist auch eigentlich

schon die ganze Erklärung. Die Kombination mit

dem englischen Zusatz „for us“ erschien uns ein-

fach passend. Wenn man unseren Proberaum

dazu kennt, dann weiß man auch, was man sich

unter Zufluchtsort vorstellen kann. Ein kleines

Dorf, eine Garage, in der wir proben und in der

näheren Umgebung nichts außer Wald und ein

paar verstreuten Nachbarn. Wenn wir dort sind,

ist da nichts außer Stille und die Anwesenheit der

Natur, die wenn dann nur von uns und unserer

Musik durchbrochen wird.

Inspiriert Euch diese Atmosphäre auch

beim Texten?

Seb: Wenn ich einen Text zu einem Song schrei-

be, dann denke ich nicht angestrengt darüber

nach, sondern bringe ihn entweder mit einem

Mal zu Papier oder ich lasse es sein. Das bedeu-

tet nicht, dass unsere Texte eine mindere Rolle

spielen als unsere Musik, denn sie sind immer et-

was persönliches, das man dem Song verleiht.

Habt Ihr nie darüber nachgedacht auf Pol-

nisch anstatt auf Englisch zu singen?

Wir wollen uns nicht auf einen begrenzten Raum

festlegen. Und in Berlin zu spielen und dabei Pol-

nisch zu singen, macht für uns nicht so viel Sinn

als sich der Lingua Franca zu bedienen, die nun

mal jeder versteht. Nicht, dass wir Polnisch weni-

ger „cool“ fänden als die englische Sprache, aber

ein gewisser „flow“ liegt nun mal darin, an den

andere Sprachen schwer herankommen.

Ihr habt sowohl in Deutschland als auch in

Polen Bühnenerfahrung. Konntet ihr Unter-

schiede feststellen?

Sebastian: Unterschiede? Ja, sicher, wir haben

uns in Berlin am wohlsten gefühlt! (ein lautes Ge-

lächter macht die Runde) Nein, ganz ehrlich, für

uns macht es keinen großen Unterschied, wo wir

spielen. Wenn uns jemand in Moldawien sehen

will, dann spielen wir auch dort. Ob es rockt oder

nicht, hängt nicht vom Land ab, sondern von uns

und unserer Musik auf der Bühne.

Man ist beinahe versucht zu denken, dass

ihr bereits mit Gitarre oder Mikro in der

„Jakob hat einfach ei-

nen unglaublichen

Job geleistet.“

Hand geboren wurdet. Spielte Musik immer

schon eine große Rolle in Eurem Leben?

Also ... wurde definitiv mit einer Bassgitarre ge-

boren, seine Mutter muss schockiert gewesen

sein (lautes Gelächter). Nein. Vor vielen Jahren ,

als wir noch jung und schön waren, spielten wir

zusammen in einer Band, die sich der Funk-Mu-

sik verschrieben hatte. Nachdem sich die Band

auflöste, sagten wir uns, dass der Spaß, den wir

am Musik machen haben, zu groß ist, als damit

aufzuhören. Aus dieser Über

zeugung heraus ist dann Metaforus entstanden.

Im Grunde bewegen wir uns auch stets in einem

gleichen Kreislauf, der sich selbstverständlich um

Musik dreht. Wenn wir uns treffen, dann sollten

wir normalerweise auch mal etwas anderes tun,

als permanent über Musik zu reden, aber dazu

kommt es nie. Schalten wir zur Abwechslung den

Fernseher an, dann regen wir uns darüber auf,

dass dort zu wenig gute Musik läuft und so ist es

mit vielen Versuchen, anderen Themen den Vor-

tritt zu lassen.

Spielt Wodka eine besondere Rolle in Eu-

rem Schaffensprozess?

Nein, selbstverständlich nicht!(Gehüstel und Ge-

kicher) Wir mögen Wodka, wie es jeder tut. Guter

Wodka ist nun mal guter Wodka, so wie gutes

Bier gutes Bier ist. Aber wenn man einmal aus-

probiert hat, wie es ist, betrunken auf der Bühne

zu stehen, lässt man es genauso schnell wieder

sein. Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass es

wenig mit Respekt zu tun hat, wenn man einem

Publikum, das gekommen ist, um deine Musik zu

hören, betrunken gegenüber tritt.

Habt ihr besondere Gewohnheiten bevor

ihr auf die Bühne geht? (Sitzt Ihr in medita-

tiver Haltung schweigend zusammen oder

verschlingt den obligatorischen Hamburger

zur Stärkung, bevor es an die Energieaus-

schüttung geht?)

Nein, nicht wirklich. Wir brauchen lediglich 5 Mi-

nuten absoluter Ruhe, in denen wir uns konzen-

trieren, jeder für sich. Und bitte keine Yoga- oder

Teerituale! Uns reicht ein „Meta“, ein Raum nur für

uns, wo wir uns zurückziehen können. Mehr be-

darf es nicht. Woran ich stets versuche zu den-

ken, aber leider oft vergesse, ist „der Kopf“, ein

hölzerner Kopf, den ich mal als Kind geschnitzt

habe und ihn nun als Glücksbringer oder Fuß-

stütze mit mir rumtrage.

Seid Ihr immer noch Opfer gelegentlicher

Nervositätsanfälle, bevor es raus auf die

Bühne geht?

Wenn wir aufhören vor einem Gig nervös zu sein,

dann hören wir auch auf zu spielen.Die ersten

Minuten, die ersten Songs sind immer schwierig.

Zitternde Finger,...

Was nehmt ihr aus der Zeit in der Keksbox

mit?

Wir hoffen auf ein gutes Demotape und damit

verbunden viele zukünftige Konzerte, denn das

ist uns am wichtigsten. Wir haben an diesem Wo-

chenende, viele Denkanstöße bekommen und

Dinge gelernt, die man nicht mit Geld bezahlen

kann. Jakob hat einfach einen unglaublichen Job

geleistet und all unsere Vorstellungen umgesetzt,

aber gleichzeitig auch viele neue Ideen miteinge-

bracht.

[a.nah]

Auf Hebräisch bedeutet der Name Lilit (auch Lilith) die Nächtliche. Laut traditionellem Midrasch erschuf Gott Adam und Lilit aus dem selben Lehm, um Adam

eine Partnerin zu schenken. Gott holte Lilit vor der ersten Nacht noch zu sich und sagte ihr, sie solle Adam untertan sein, was bedeute, dass sie beim Ge-

schlechtsakt unten zu liegen habe. Dies wurde von Lilit nicht akzeptiert; sie stritt sich mit Adam und verschwand aus dem Paradies in die Wüste. Dort ver-

kehrte sie jeden Tag mit tausend Dämonen und brachte tausend Quälgeister pro Tag auf die Welt…

LILIT

vomParadiesauf dieBühne

Es gibt Männer, die sich von genau solchen

Frauen inspirieren lassen. Wir trafen uns mit Sän-

ger Harry und Bassist Corrado, um über Lilits

Musik, ihre Vorbilder und ihre derzeit laufenden

Aufnahmen in der keksbox zu plaudern.

In Rezensionen und Konzert-Reviews wird

euch gern der Emo-Stempel à la Jimmy Eat

World aufgedrückt. Könnt ihr mit diesem

Stempel leben?

H.: Jimmy Eat World ist einfach eine geile Band

und mich persönlich hat sie schon sehr beein-

flusst. Trotzdem ist dieser Emo-Stempel auch

ein Problem. Es gibt in diesem Bereich zwar so

viel Gutes, aber auch verdammt viel Schlechtes.

Zudem ist diese Emo-Schiene langsam ausge-

latscht. Doch andererseits hör ich diese Musik

einfach gern und kann in diesem Fall mit dem

Schubladendenken leben. Zurzeit höre ich so-

gar das aktuelle Jimmy Eat World-Album Futures

sehr oft. Das wird echt mit jedem Mal hören bes-

ser.

C.: Das sind immer die besten Platten. Die, die

sich entwickeln, die bei jedem Mal hören immer

geiler werden. Bloc Party zum Beispiel. Die Plat-

te ist so zeitlos, die hat vor einem Jahr schon so

reingehauen und ist immer noch der Hammer.

Sowohl Jimmy Eat World als auch Bloc

Party sind neben ihrer Musik auch für ihre

Texte, die Inhalte beliebt. Gibt es bei euch

bestimmte Themen, die ihr in euren Songs

behandelt?

H.: Ich versuche immer so metaphorisch wie

möglich zu texten und arbeite gern mit Gut und

Böse, Himmel und Hölle und anderen Extremen.

Aber letztlich kann man das auch wieder herun-

ter brechen auf diese ganz normalen zwischen-

menschlichen Dinge.

Damit werden die Texte natürlich auch autobio-

graphisch, das Leben ist auf jeden Fall eine der

wichtigsten Inspirationsquellen. Das Schöne,

wenn man so metaphorisch arbeitet, ist ja, dass

jeder für sich etwas Eigenes aus den Texten zie-

hen und in Bezug zu seinem eigenen Leben set-

zen kann.

Ist die Verarbeitung von Emotionen – text-

lich und musikalisch – auch der eigentliche

Anreiz für euch Musik zu machen?

H.: Auf jeden Fall, voll und ganz.

C.: Musik ein guter Weg, um Alltagsprobleme

loszuwerden. Aber dass wir Musik machen, ist

nicht aus diesem Hintergrund entstanden. In un-

seren Anfangsjahren waren einfach Spaß und

Leidenschaft die treibenden Kräfte, die aber

noch nichts mit der Verarbeitung von Alltagspro-

blemen zu tun hatten. Doch wenn man älter wird

und mehr mit seinen privaten und psychischen

Problemen zu kämpfen hat, ist die Musik schon

eine echte Hilfe.

Wie wichtig ist euch dabei, die Songs auch

live zu präsentieren?

C.: Verdammt wichtig. Wenn man beginnt, an

einem Song zu arbeiten, hat man von Anfang das

Ziel, damit auch raus zu gehen. Normalerweise

spielen wir deshalb um die 40 bis 60 Konzerte

im Jahr.

„Man merkt, dass es denen bei der ganzenSache nicht nur um

den finanziellen Hin-tergrund geht.“

H.: Wir haben in der Columbia-Halle gespielt! Im

Rahmen des Emergenza-Wettbewerbs haben

wir dort Rob (Robert Steiger, keksbox-Produzent;

die Red.) und seine Band Elikan Dew kennen ge-

lernt. Letztes Jahr haben wir mit Elikan Dew sogar

eine kleine Tour gespielt. Die war echt schön und

lustig und sogar erfolgreich, würde ich sagen.

Das ging von Hamburg bis runter nach Bayern.

… und ihr seid zurück nach Berlin gekom-

men. Wart ihr vor den Aufnahmen hier in der

keksbox schon mal in einem anderen Stu-

dio für eine vergleichbare Session?

C.: Im letzten Winter, nach der Tour mit Elikan

Dew, haben wir schon mal fünf Songs mit Rob

aufgenommen, die kann man sich auch auf der

Internetseite anhören.

Und damals waren wir so zufrieden, dass wir

schon länger geplant haben, etwas Größeres mit

ihm auf die Beine stellen.

Was nehmt ihr aus der Arbeit hier mit, was

ist das Besondere an der keksbox?

H.: Wirklich sehr schön ist, dass wir hier auf je-

den Fall mit Menschen zusammenarbeiten und

weiterhin werden, bei denen wir das Gefühl ha-

ben, dass es ihnen aufrichtig wichtig ist, was wir

hier machen. Man merkt, dass es denen bei der

ganzen Sache nicht nur um den finanziellen Hin-

tergrund geht. Da die meisten Leute hier in der

keksbox selbst Musiker sind, spürt man das ehr-

liche Interesse daran, dass dieses Projekt auch

wirklich cool wird. Und da wird dann auch beson-

ders viel Zeit investiert.

Und Robert Steiger, euer persönlicher keks-

box-Produzent?

C.: Rob Steiger rockt halt.

H.: Wir sind alle sehr gespannt, was dann im

Sommer daraus wird, wie dieses Produkt dann

aussieht, sich anhört und sich anfühlt. Aber wir

haben da dank Rob ein ziemlich gutes Gefühl.

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Berliner auf Hochebenen

Elikan Dew ist eine Band aus 4 Berliner Jungs, zwischen 24 und 27 Jah-

ren alt. Sie machen Musik, die angenehm an Incubus oder Muse erinnert,

und „Meet On Plateau“ ist ihr sehr gelungenes Debutalbum. Begeistern wird

den Hörer als erstes die kraftvolle, angenehme Stimme von Sänger Henrik

(liebevoll “Ö” genannt), der auch die hohen Töne verdammt gut drauf hat

(erinnert an den Muse-Sänger), und natürlich auch Gitarre spielt. Dann fal-

len auch die gekonnt gespielten Instrumente auf, die von Robert (Bassist),

Torsten (Gitarre, Gesang) und Marco (Schlagzeug) bedient werden. Als die

Platte aufgenommen wurde, saß hinter den Drums allerdings noch Chris.

Zustande gekommen sind damals 13 Tracks, deren Titel auf nachdenkliche,

schwerwiegende Inhalte schließen lassen, beispielsweise „I’m A Lie“, „Here

And Far Away“ oder „Switch You Off“.

Akustisch reicht die Bandbreite von ruhig und gelassen („Where I Stand“) bis

laut und hart („Switch You Off“). Dieses Spektrum ist meist in einunddem-

selben Lied zu finden, die Songs sind selten von Anfang bis Ende gleich („I’m

A Lie“, „Take It Away“, „In It For The Best Thing“, ...), also auch nicht langweilig.

Gitarrenfans kommen definitiv auf ihre Kosten. Das muss auch den Austra-

liern von Powderfinger gefallen haben, denn mit denen waren die 4 Haupt-

stadtrocker schon auf Tour.

Sieht aus, als würde da noch ordentlich was gehen...

CD

Wie Matthew Miller zum Reggae kam:

Von Kalifornien über Israel in die Karibik

Wer an Kalifornien denkt, denkt wohl eher an Gangsta-Rap von Tupac und

republikanische Politik von Arnold Schwarzenegger, aber nicht an religiösen

Reggae, der dazu auch noch nicht von einem Rastafari, sondern von einem

Juden gemacht wird.

Doch genau das tut Matthew Miller a.k.a. Matisyahu (hebräisch für Matthew).

Und von dort stammt er.

Aufgewachsen ist er aber in New York, Brooklyn, Crown Heights, wo er im

Laufe seines Lebens Künstler wie Bob Marley (dessen Einfluss man durch-

aus heraushört), und später Sizzla für sich entdeckte. Doch auch die vom

Cousin mitgebrachten Platten aus der Karibik dürften einen großen Beitrag

zu Matisyahus musikalischer Orientierung geleistet haben.

Inzwischen ist er 26 Jahre alt, und hat seine dritte Platte veröffentlicht. Sie

heißt “Youth”, beinhaltet 13 Tracks und ihr Cover sieht aus, als würde man die

folgenden 47 Minuten über seine zahlreichen Sünden belehrt werden.

So klingt der Inhalt aber nicht, der klingt eher hoffnungsvoll, inspiriert, kämp-

ferisch und melodiös.

Auch der religiöse Aspekt wird einem nicht aufgezwungen, man soll nicht

missioniert werden.

Der US-Amerikaner ist einfach bemüht die Welt zu verbessern. Ab und zu

geht es sogar um solche „Banalitäten“ wie Frauen („Unique Is My Dove“).

Musikalisch mischt der Ehemann und Vater klassische Reggaesounds mit

Synthesizerklängen und rockigen Parts (z.B. im Titeltrack „Youth“, oder in

„Ancient Lullaby“).

Einzigartig ist allerdings, dass Matisyahu die Human Beatbox verwendet

(quasi als Kompensation der Tatsache, dass er nie ein Instrument gelernt

hat), das ist bei Reggaekünstlern selten, aber erfrischend.

In „Indestructible“ meint man sogar afrikanisch anmutende Gesänge im Hin-

tergrund zu hören. Das ist aber wahrscheinlich eher die hebräische Sprache,

die er neben der englischen und dem karibischen Patois auch verwendet.

Alles in allem ist er also ziemlich vielseitig, was die Platte spannend hält.

Für Freunde von Bob Marley oder Gentleman sehr zu empfehlen.

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CD

Wer Dredg jemals live erleben durfte, weiß mit welcher kaum vergleichbaren

Leidenschaft sie ihre Songs performen und sich Sänger Gavin Hayes ihnen

hingibt. Wie besessen zuckt und schwingt er über die Bühne. Und lässt kei-

ne Zweifel daran, dass er und die anderen Jungs es ernst meinen mit ihrer

Musik. Deshalb wundert es auch nicht, dass dieses Ereignis eigentlich erst

auf einer DVD erscheinen sollte, aus nicht bekannten Gründen wurde es

aber leider nur ein akustisches Vergnügen. Trost genug, denn auch ohne

visuelle Unterstützung gibt das Album „Live At The Fillmore“ sehr gut wieder,

was sie zu bieten haben, ohne dabei an irgendeiner Stelle überproduziert zu

wirken.

Es scheint eine Art Best Of zu sein, nur dass es nicht mit Charthits vollge-

stopft ist, sondern mit Songs, die den Facettenreichtum ihrer drei bisher er-

schienenen Alben präsentiert. Sowohl eingängige, rockige Stücke wie „The

Tanbark Is Hot Lava“, Instrumentals wie „Walk in The Park“ und „New Heart

Shadow“ als auch Experimentelles wie „Triangle“ und „Whoa Is Me“ wer-

den präsentiert. Natürlich sind auch Hymnen wie „Same Ol´ Road“ und „Bug

Eyes“ dabei, die auch als Singles dienten. Letzteres mehr erfolgreich, denn

mit diesem Song haben sie sich in die Ohren einer breiten Masse gespielt,

was von vielen „Underground-Alternativos“ sofort als kommerzieller Ausver-

kauf beschimpft wurde. Das ist aber Schwachsinn, denn warum sollte gute

Musik keinen Erfolg haben?

Zwischen den bekannten Titeln stechen auch drei neue ins Auge. „Stone

By Stone“, ein übriggebliebener Song aus den „Catch Without Arms“-Ses-

sions, den sie häufig live spielen. Eine Weile geisterte er durchs Internet, bis

er schließlich bei iTunes landete, wo er mit ein paar anderen legal erwerblich

ist, der mir persönlich aber nicht besonders gefällt, und auch nicht auf das

Album gepasst hätte. „The Ornament“, der zuvor noch als eine Art Abspann

zum „Matroshka“-Song galt, hat live ein Eigenleben entwickelt. Versetzt mit

ein paar Vocals, schwimmt er tieftraurig vor sich hin und scheint wie der klei-

ne Bruder von „The Warbler“, der erste Song der CD. Denn auch er klingt

mehr wie ein Fragment. Scheint aber eine Art Intro zu sein, der die Span-

nung aufbaut, die sich dann bei „Bug Eyes“ entlädt.

„The Ornament“ bildet den Schluss der „Catch Without Arms“-Ära. Und von

da führt der Weg zurück. Über „The Canyon Behind Her“, den letzten Song

des „El Cielo“ Albums bis schließlich zu „Yatahaze“ und “90 Hr Sleep”, den

beiden letzten Stücken auf dem noch recht Hardcore-orientierten Debüt

„Leitmotiv“.

Und somit stehen wir sowohl am Anfang als auch am Ende. Repräsentiert

„Live At The Fillmore“ die Zusammenfassung einer Trilogie? Wird sich das

nächste Album in eine völlig andere Richtung entwickeln, neue Wege gehen,

die man zuvor von Dredg nicht gewohnt war? Es bleiben nur Vermutungen.

Sicher ist, dass Dredg ein weiteres Mal ihr Talent bewiesen haben, und dass

sie eine Band sind, die immer noch auf beiden Beinen stehen wird, wenn

Bands wie Billy Talent und Co. schon längst vergessen sind.

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DVD

...die Blondine muss erst nach dem Weg

fragen!

Kennt ihr den Witz in dem die Blondine erst nach

dem Weg fragen muss, um vom Hochhaus zu

springen? Es geht noch komplizierter...

Das aktuelle Werk des Autors von Klassikern wie

“High Fidelity” und “Fever Pitch” handelt von 4

gleichermaßen tragischen aber dennoch grund-

verschiedenen Einzelschicksalen, die auf kuriose

Weise zueinander finden; sie wollen zufälliger-

weise alle zum gleichen Zeitpunkt vom gleichen

Hochhaus springen. Der gemeinsame Nenner ist

also gefunden...

Man findet also örtlich zueinander, doch die

menschliche Zusammenkunft gestaltet sich auf-

grund der verschiedenen Geschichten und Cha-

raktere schwierig.

Jess (verzogene Tochter reicher Eltern, die ge-

gen alles und jeden rebelliert), JJ (nach England

gezogener, desillusionierter, amerikanischer

Hobbymusiker, der Pizzen ausliefert), Martin (auf-

grund von Skandalen junge Mädchen betreffend

der Presse ausgelieferter Ex-Frühstücksfernse-

hen-Moderator mit zerbrochenem Familienle-

ben) und Maureen (resignierte, allein erziehende

Mutter eines behinderten Jungen ohne jegliches

Privatleben), das sind die Protagonisten dieser

Geschichte.

Noch auf dem Dach schließen sie (mehr oder

weniger freiwillig) einen Pakt, der besagt, dass

sie sich gegenseitig helfen wollen, ihr Leben wie-

der in die richtigen Bahnen zu lenken.

Da sie jeweils sowieso nichts mehr zu verlieren

haben, stimmen sie anfangs distanziert und teil-

weise widerwillig zu und verbringen nun also ge-

zwungenermaßen Zeit miteinander.

Dieses Buch zeichnet sich aber trotz des trau-

rigen Themas durch Hornby’s typischen Humor

aus, und außerdem durch die rekordverdächtige

Anzahl der Verwendungen des Wortes “fuck” in

jeglichen Zusammenhängen und Situationen (in

der englischen Version jedenfalls).

Interessant ist außerdem die Erzählperspektive,

die von Kapitel zu Kapitel von Person zu Person

wechselt. Genialerweise bekommt Hornby das

Kunststück fertig, jedem Charakter seine eigene

Mundart zu verpassen.

Außerdem mag Johnny Depp das Buch ;)

“There’s nothing you can’t fuck up, if you try hard

enough” (JJ)

[etti]

BUCH

Kurt Vonnegut – Zeitleben

Manche Menschen behaupten, es gebe keine dummen Fragen, sondern

nur dumme Antworten. Das stimmt nicht. Es gibt Fragen, die so dumm sind,

dass man es nicht glauben möchte. Deswegen bestehen die zehn Gebote

aus Hauptsätzen.

Der amerikanische Romancier Kurt Vonnegut wurde nach einer Lesung aus

seinem Roman Zeitbeben aus dem Jahre 1998 mal gefragt, ob er dieses

Werk als autobiographisch bezeichnen würde. Wer das Vorwort dieses

Buches auch nur überflogen, geschweige denn zwei Stunden lang daraus

vorgelesen bekommen hat, ist nicht nur über die trübe Geistesverfassung

des Fragestellers hinreichend informiert, sondern bekommt auch eine prä-

zise Vorstellung von der Einsamkeit des Menschen. Diese Erkenntnis zieht

sich ebenso durch das Werk des bekennenden Atheisten Vonnegut wie

die Beschreibung der unheilvollen Konsequenzen, die sich aus ihr erge-

ben: „Seien wir zur Abwechslung einmal ehrlich: Für praktisch jeden Men-

schen kann das Ende der Welt gar nicht früh genug kommen.“ In seinem

bekanntesten Roman, Schlachthof 5, verarbeitete der 1922 geborene Kurt

Vonnegut seine Erlebnisse als Kriegsgefangener während der Bombardie-

rung Dresdens. Somit war er Zeuge dessen, was er gemeinhin als „zweiten

missglückten Selbstmordversuch der Zivilisation“ umschreibt, und er ist es

in seinen Büchern geblieben.

In Zeitbeben montiert Vonnegut Fragmente eines früheren und – nach ei-

genen Angaben – missglückten Romanversuches mit Gedanken und Er-

eignissen eines Jahres. Den Rahmen der Handlung bildet die Beschreibung

eines kosmischen Unfalls, Zeitbeben genannt, in dessen Folge jede Per-

son gezwungen ist, die vorangegangenen zehn Jahre exakt noch einmal

zu erleben. Als nach Ende des Zeitbebens das Chaos des normalen Lebens

ausbricht, schlägt die große Stunde des alten Zausels Kilgore Trout, die Welt

wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Kilgore Trout taucht als Alter Ego

Vonneguts in mehreren seiner Bücher auf. Wann immer Vonnegut eine Idee

zu schräg oder eine Skizze zu waghalsig ist, wird sie „dem längst vergriffenen

Science-Fiction-Autor“ zugeschrieben, womit alle Beteiligten, einschließlich

des Lesers, prima leben können.

Soviel zum fiktiven Teil des Buches. Der große Rest ist Autobiographie und

eine grandiose Melange aus humanistischer Meditation, zerrupften Anek-

doten und dem Beweis, dass dreckige Witze nur sauber erzählt werden

müssen, damit sie ihre Wirkung entfalten. Zu Beginn des Buches heißt es:

„Alle Menschen, lebende und tote, sind reiner Zufall.“ Kurt Vonnegut setzt

ihnen in Zeitbeben ein liebevolles Denkmal und gibt Zeugnis von der Vergeb-

lichkeit menschlichen Handelns und der tragikkomischen Verpflichtung, die

man Leben nennt.

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LIVE

Nachdem uns Placebo Anfang 2006 noch mit einem ko-

stenlosen 02-Flash Konzert beglückten, um das erste

Mal ihre Songs vom neuen Album „Meds“ zu präsentie-

ren, die sich schon damals als außerordentlich live-taug-

lich erwiesen, kamen sie Mitte Dezember noch einmal

zurück nach Berlin, um mit uns ihr erfolgreiches Jahr ab-

zuschließen. Restlos ausverkauft. Trotz 43 Euro pro Kar-

te. Doch die Leute, die bereit dazu waren diesen Preis

zu zahlen, müssen gewusst haben, was sie an einem

Abend „mit den Damen und Herren“ von Placebo erwar-

tet. Und so stand schon am späten Nachmittag eine rie-

sige Menschenmenge vor der Treptow Arena, die nicht

nur aus schwarzgekleideten und geschminkten Kids

bestand, sondern auch aus Mitte-40-Normalo-Pärchen

und Typen in Anzug und Krawatte. Egal wie man aus-

sieht, nie fühlt man sich bei dem Placebo-Publikum allein.

Selbst die düstersten Gestalten strahlten übers bleiche

Gesicht und aus jeder Ecke hörte man Gelächter. Nach-

dem alle ihre Sachen an der Garderobe abgegeben hat-

ten, die Bar besuchten und einen kurzen Blick auf das

Merchandising warfen, um dort entweder festzustel-

len, dass die Artikel nicht in ihrer Preisklasse lagen, oder

gleich beschlossen, ein ganzes Dutzend für Freunde zu

kaufen, die an diesem Event nicht Teil haben konnten,

suchte sich jeder eine Stelle in der Halle und wartete ge-

spannt auf die Vorband. Ursprünglich wurde She Wants

Revenge als Support verkündet, was bei vielen Leuten,

die auf Dark-Electro-Pop mit einer Vorliebe für Joy Divisi-

on-Stimmen stehen, die Herzen schneller schlagen lies.

Doch es kam anders als gedacht.

Denn plötzlich stand da die Sängerin der Howling Bells

auf der Bühne und verzauberte mich vom ersten Ton an

mit ihrer Stimme. „Blessed Night“ klang wie etwas, das

man zwar noch nicht kannte, aber das Gefühl hatte, im-

mer darauf gewartet zu haben. Daran knüpfte der Song

„Setting Sun“. „We´ll rise and fall just like the setting sun.“

Der druckvolle Sound und die verträumten Gitarrenriffs

nahmen einen mit ohne lange anzuklopfen. Ungefähr

acht Songs spielte die charismatische Band und leider

brachte der Großteil des Publikums ihnen nicht den Re-

spekt entgegen, den sie verdient hatten. Doch ich dach-

te zum ersten Mal bei einer Vorband, dass sie ruhig noch

ein paar Stücke hätten spielen können. Und da verab-

schiedeten sie sich schon leise von der Bühne und über-

PLACEBO

all hörte ich die Leute einander fragen, welche Band da eben spielte. Ich war

noch völlig hin und weg als das Licht auch schon ein zweites Mal erlosch

und sich all die aufgebaute Spannung in einem lauten Jubel und Hände-in-

die-Luft-Reißen entlud. Einer nach dem anderen spazierte auf die Bühne,

schwang sich hinter sein Instrument und begann zu spielen. Brian Molko, der

inzwischen aussieht wie ein jüngerer Michael Stipe, bildete das Schlusslicht.

„One last thing before I shuffle off the planet I will be the one to make you

crawl...“

“Infrared” schießt dem Publikum entgegen. Ein Einstieg der uns darauf hin-

wies, dass es Zeit wird, die bekannten Sphären zu verlassen, um sich der

Musik völlig hinzugeben. Es folgten Songs vom neuen Album „Meds“, das

gleichnamige Titelstück, sowie „Because I Want You“, „Drag“ und „Space

Monkey“, das besonders durch seine düstere Lichtshow-Performance

überzeugt.

Brian Molkos Kunst liegt darin, die meisten Songs live stimmlich zu variieren

und damit aufzufrischen, ohne sie in irgendeiner Form zu verfremden. Er

gibt ihnen mehr Intensität, was den Zuschauer vor der Bühne mehr berührt

als den Zuhörer vor dem Radio.

„Soulmates“ und „I Know“ wirkten wie alte Fotos, die man sich anguckt, die

zurück denken lassen an vergangene Zeiten und Sehnsüchte neu beleben.

Gerade mit letzterem haben wahrscheinlich die wenigsten gerechnet, da

dieser Song aus ihrem Debütalbum stammt, aus dem sie in den letzten Jah-

ren so gut wie nie gespielt haben, was von vielen kritisiert wurde. Und gera-

de weil es keine der Singles war, sondern ein Diamant zwischen den großen

Hits wie „Nancy Boy“ jagte er mir eine Gänsehaut über den Rücken.

Nach „Song To Say Goodbye” und „Follow The Cops Back Home”, mit einer

wunderschönen Lichtshow, brachten sie “Every You, Every Me”, bei dem

es kein Halten mehr gab. Jeder kennt es, jeder liebt es. Sogar das Pärchen

neben mir, das die ganze Zeit nur passiv herum stand, schrie bei den ersten

Tönen auf und wippte vergnügt mit.

Es folgten „Special Needs“, „One Of A Kind“ und das herzzerreißende „Without

You I´m Nothing”, dass sich ohne David Bowie viel besser anhört. „Bionic“

LIVE

LIVE

brachte uns wieder zurück in die Anfänge und macht trotz der wenigen Vo-

cals immer wieder Spaß zu hören, schon allein weil er an manchen Stellen

so sehr an Sonic Youth erinnert. „Blind“, das mir bis zu diesem Zeitpunkt

nie besonders auffiel, wurde durch traurig schöne Zeilen wie „don´t go and

leave me. And please don´t drive me blind“, zu meinem emotionalsten Song

dieses Konzerts. Mit „Special K“ und „The Bitter End“ reihten sich wieder

die großen Hits aneinander, genauso wie das großartige Kate Bush Cover

„Running Up That Hill“, das ihnen definitiv besser bzw. individueller gelun-

gen ist als „Where Is My Mind“ von den Pixies, welches trotzdem von vielen

vermisst wurde. Und nachdem „Taste In Men“ nochmal kräftigt aufmischte,

verabschiedeten sie sich mit „Twenty Years“, das genauso wie „Running Up

That Hill“ zum Schluss alles aus ihren Instrumenten holte, und in einem sich

immer mehr steigernden, monströsen Sound verhedderte, der irgendwann

mit dem letzten Riff, den letzen Schlag auf den Drums beendet wurde.

Nach ein und einer dreiviertel Stunde, tauchte die Arena wieder aus dem

Soundteppich auf, das Licht ging an und man fühlte sich plötzlich so fallen

gelassen, trottete total fertig zur Garderobe, wo man nochmal eine halbe

Stunde eingequetscht zwischen all den verschwitzten Leuten stehen durf-

te, bis man es irgendwann schaffte seine Sachen zu greifen und so schnell

wie möglich die Halle verlies. Davor gab es nochmal Poster für die kleinere

Geldbörse, je weiter man lief desto kleiner wurden die Preise, aber mit ihnen

auch die Qualität.

Man fühlte sich wie auf den nach Hause Weg von einer unglaublich guten

Party, das Adrenalin pumpte noch durch die Blutbahnen und man möchte

am liebsten jedem der einem entgegen kommt erzählen wie genial es war.

Hoffen wir das Placebo weiterhin Spaß daran haben Musik zu machen und

live zu performen, denn ohne sie würde uns eine große Band und viele Songs

über Liebe, Verlust und Einsamkeit fehlen, die kaum eine andere Band so

gut auf den Punkt bringen kann.

[e.tic]

LIVE

Als erstes muss ich gestehen, dass ich bisher kaum auf Konzerten war, die

mitten in der Woche stattfanden. Und wenn, dann nur von ziemlich be-

kannten Bands, die in der Columbiahalle etc. auftraten. Also dachte ich mir,

dass ein Mittwochabendkonzert im Schokoladen sich ganz entspannt ge-

stalten dürfte. Falsch gedacht. Denn selbst eine halbe Stunde nach offizi-

ellem Einlass standen noch über 50 Leute draußen in der Kälte und warteten

darauf reingelassen zu werden. All die, die später kamen, mussten wieder

nach Hause geschickt werden, denn drinnen war es so voll, dass man kaum

Platz hatte sich zu bewegen.

Im Gegensatz zu mir kamen die meisten Leute wegen der schwedischen

Band Logh. Ich kam wegen Siva, deren zweite EP „Capturing Ghosts“ schon

damals mein Interesse weckte. Somit durfte ich einen Live-Auftritt nicht

verpassen. Zu meiner Freude spielten sie auch gleich als erstes. Den Song,

durch den ich sie kennen gelernt habe, „Gift Of Reading Palms“, umgibt eine

düstere Atmosphäre, die sich lockert und druckvoll nach vorne bewegt.

Frontsänger Andres bringt die nötige Vitalität, die ihren Songs inne wohnen,

auf der Bühne rüber ohne dabei groß auf Rockstar zu posen. Seine Stim-

me wirkt an keiner Stelle deplatziert, sondern harmonisiert so gut mit dem

Sound, dass eine andere Konstellation nicht denkbar wäre.

Es folgten eine Reihe unbekannter Songs, die uns wahrscheinlich schon ei-

LIVE

SIVA

nen Vorgeschmack auf das kommende Album geben sollten, das vorraus-

sichtlich Ende April erscheinen soll und den wunderbaren Namen „The Story

Is Complete, But I Think We‘ve Lost The Book“ trägt. Unter ihnen auch „Open“,

der zweite Song aus der „Capturing Ghosts“ EP, der mich live besonders

überraschte, da mir bisher auf der CD immer eine Art akustischer Ausbruch

am Ende des Liedes fehlte. Auf der Bühne ergänzten sie den Song jedoch

plötzlich mit einem Gänsehaut erzeugenden Elektro-Gitarrenschauer.

Und auch die Songs der letzten EP „Tour CD-R“ hinterließen einen positiven

Eindruck. Songs wie „Opinion Leader“, „This House Is Empty“ und „Seven

Demons“, präsentierten eine erkennbare Entwicklung. Die einzelnen Stücke

entfalten sich mehr, sind soundtechnisch verspielter und weiterhin durch-

setzt mit fragilen, poetischen Texten, bei denen es sich lohnt ganz genau

hinzuhören. Melancholisch, ohne an Halt zu verlieren. Wenn das kommende

Album nur halb soviel Leidenschaft und Energie besitzt wie die bisherigen

Werke, hat es sehr gute Chancen der Soundtrack für lange Sommernächte

zu werden.

Siva. Eine Band, die zeigt, dass mehr möglich ist, als all die jungen 08/15

Emobands, die sich alle gleich anhören. Siva sollte kein Geheimtipp sein,

sondern von all denen gekannt und geliebt werden, die auf Musik stehen,

die tief unter die Haut gehen, und Gefühle hervorholen und erklären kann,

wie es kein anderer vermag.

[e.tic]

LIVE

COOKIE

LICIO

US

„Ja klar, ich ruf dich an!“ Wer kennt ihn nicht, den all zu spontanen Ausspruch,

der weniger wiegt als ein mit heißer Luft gefüllter Ballon. Noch die im sel-

ben Moment zu reißen drohende Einkaufstüte in der Hand, hört man sich

wie im Traum immer und immer wieder den gleichen Königssatz aller Flos-

keln formulieren. Ob der Kassenzonenbereich im Supermarkt, eine sonst

menschenleere Nische in deinem Lieblingsspäti oder aber an der Straßen-

kreuzung vor deiner Haustür, an der du nur deswegen just in dem Moment

angelangt bist, weil eine nervige Telefonumfrage es tatsächlich geschafft

hat, dich länger als fünf Minuten vom Losgehen abzuhalten. Ja, an all diesen

Orten wiederfahren sie uns: spontane, zufällige Wiedersehensmomente,

die uns ein weiteres mal mit Menschen zusammenführen, mit denen wir aus

bestimmten Gründen sowieso keinen Kontakt mehr unterhalten oder aber

bei denen die Länge der gegenseitigen Funkstille ein klareres Statement ist

als jede ehrliche Beleidigung.

Und dennoch bringen wir nicht die nötige Courage auf, eine Begegnung wie

diese nach dem ersten Akt abzubrechen. Am Theater geht es doch auch.

Nur mit dem kleinen Unterschied, dass dem Leben kein Drehbuch voran-

geht, und jeder Schritt, jedes Wort einzig von uns entschieden wird. So auch,

die Lüge. Denn der Mensch ist kein von Grund auf ehrlich Geschöpf. Nein,

die Notlüge, die Bequemlichkeitsausrede, beides Gesellen, die wir gern an

unserer Seite wissen, um im brenzligen Augenblick mit ihnen durchs Hinter-

türchen zu verschwinden.

So lassen wir ihn also ziehen, den Satz voll falscher Versprechungen. Ganz

Mutige schicken ihm sogar noch ein gehauchtes „Irgendwann!“ hinterher

und obgleich es in ihnen danach schreit, es laut herauszubrüllen, um sich

nicht weiter damit zu belasten, erlaubt ihnen die Etikette lediglich den Pegel

halbierter Zimmerlautstärke. Der Nachsatz verbleibt ungehört.

Wozu nun all die Höflichkeit? Was treibt uns dazu, sich zu derartig leeren Be-

teuerungen hinreißen zu lassen? Sind wir nicht dazu konzipiert, stets das zu

sagen, was in uns als Urwahrheit getarnt schlummert? Wahrscheinlich nicht,

sonst wäre Pinocchio eine Phantasiefigur!

Vielleicht ist es der Networkinggedanke, der viele eher zu einer Überdosis an

Kontakten als zu einer moderaten Poesiealbum-Liga neigen lässt. In Zeiten

der Onlineverzeichnisse, in denen man fast jeden Mitmenschen suchen und

finden kann, haben wir uns womöglich unmerklich der Gewohnheit ergeben,

Kommunikation nur noch im selbstgesteuerten Takt zuzulassen. So unver-

bindlich und schnell ein Eintrag auf einer virtuellen Pinnwand ist, so weit ent-

fernt er sich jedoch auch vom klassischen Einander-Anrufen und spontanen

Eye-to-eye-Situationen. Schlendert ein solcher Pinnwandeintrag nun au-

ßerplanmäßig an unserem durchorganisierten Donnerstag Morgen auf der

Straße in uns hinein, so sind wir für einen Moment überfordert. Bis wir uns

gefangen haben, plaudern wir standardgerecht über dies und das, den al-

ten Abijahrgang und was Margarete eigentlich nach Würzburg verschlagen

hat. Moment, kennt mein Gegenüber Margarete überhaupt? Egal. Sie nickt.

Und hat ein Grinsen im Gesicht. Sieht aus, als hätte sie sich jenes gerade von

mir abgeguckt, so sehe ich nämlich immer aus, wenn ich vorgebe, interes-

siert zu sein.

Es scheint wohl niemanden zu geben, der diese Art von Begegnung für

besonders prickelnd und zeitlohnend erachtet. Weshalb nehmen wir dann

nicht einfach unseren ganzen Mut zusammen und ziehen beim nächsten

Mal einfach freundlich grüßend aneinander vorüber. Als Auto auf der Ge-

genfahrbahn kann man schließlich auch nicht einfach so anhalten und dem

Vorbeifahrenden Hallo! sagen, denn unterwegs ist man in eine ganz andere

Richtung.

[a.nah]

Kommt man am Frankfurter Tor vorbei, so kann man regelmäßig Musterbei-

spiele für Street Art bewundern, wie in ganz Friedrichshain. Doch am Frank-

furter Tor sind besondere Voraussetzungen gegeben. Es handelt sich um

eine riesige Kreuzung, die zudem über viele Verkehrsanbindungen, einen

McDonalds sowie einen Späti (oder auf Hochdeutsch: einen Spätverkauf)

verfügt, und somit einen regen Publikumsverkehr vorzuweisen hat. Anders

als viele kleine Nebenstraßen, die auch gern mit Street Art geschmückt wer-

den. Zusätzlich gibt es am U-Bahneingang so etwas wie einen Bilderrah-

men, der quasi danach schreit, gefüllt zu werden. Alles in allem hat man als

Street Art-Künstler also die perfekte Arena, eine kostenlose Open Air-Galerie

mit viel Publikum. (Es wird zwar nicht nur dieser Rahmen bestückt, auch die

restliche Umgebung wird gekonnt verziert, aber zwei meiner persönlichen

Lieblinge fanden sich nun mal in diesem Rahmen.) Diese Umstände wurden

unter anderem von den Machern folgender Werke genutzt:

Liebling Nummer 1 war ein kleiner Junge in schwarz-weiß, der ein anderes,

kleineres Kind auf dem Rücken trug. Dieses Bild erinnerte mich immer ir-

gendwie an den Vietnamkrieg. Es stand also für Nächstenliebe und Hilfsbe-

reitschaft in harten Zeiten. Und Nächstenliebe und Konsorten begrüße ich

prinzipiell.

Im Kontrast dazu war Liebling Nummer 2 eine bunte, frech grinsende - an

den Kater von „Alice im Wunderland“ erinnernde - Katze, die einen Farbtopf

auskippt, abgerundet von bunten Katzenpfoten und Farbspuren, die auch

über den Boden verteilt waren. Als Künstlerin bin ich natürlich nicht nur für

Nächstenliebe sondern auch für Farbe. Je mehr, desto besser. Somit schloss

ich die Mieze sofort ins Herz. Was lernen wir daraus? Die Welt braucht mehr

Hilfsbereitschaft und Farbe.

[etti]