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Update 2011: Forschungszwerg Deutschland Vernachlässigte Krankheiten: Forschungsförderung steigt, aber strukturelle Mängel bleiben Kenya 2007 © Brendan Bannon

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Update 2011:ForschungszwergDeutschland Vernachlässigte Krankheiten: Forschungsförderungsteigt, aber strukturelle Mängel bleiben

Kenya 2007 © Brendan Bannon

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Impressum

ÄRZTE OHNE GRENZEN e.V.Medikamentenkampagne Am Köllnischen Park 1 – 10179 Berlin Tel.: +49 (0)30 / 700 130 190Fax: +49 (0)30 / 700 130 340E-Mail: [email protected] Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de/medikamentenkampagne

Autoren: Marco Alves, Philipp Frisch, Oliver Moldenhauer Redaktion: Stefan Dold, Philipp Frisch, Kattrin Lempp, Oliver Moldenhauer Verantwortlich: Frank Dörner

Umschlagfotos: Brendan Bannon Layout & Grafiken: Ute Freitag – Büro für kleinteilige Lösungen

This work is licensed under the Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell 3.0 Deutschland License. To view a copy ofthis license, visit http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/de/ or send a letter to Creative Commons, 444 Castro Street,Suite 900, Mountain View, California, 94041, USA. Insbesondere die Fotos dürfen nur nach Absprache mit den Fotografen außer-halb des unveränderten Reports genutzt werden.

Titelbild: Monika Ringa* aus Kenia ist mit HIV infiziert und leidet gleichzeitig an multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB). Da die gängigen und über 40 Jahre alten TB-Medikamente bei MDR-TB nicht mehr wirken, muss Monika eine ca. zweijährige Therapie über sich ergehen lassen. Sie schluckt täglich 20 bis 30 Tabletten. Ihre Über-lebenschancen sind wegen der zusätzlichen HIV-Infektion dennoch gering. Diagnostiziert wurde die Krankheit mit einem Verfahren, dass Robert Koch vor über 150Jahren entdeckt hat. *Nachname geändert.

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2nnUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschland

Bundesministerium für Bildung und ForschungBundesministerium für GesundheitBundesministerium für Wirtschaft und TechnologieBundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und EntwicklungBruttonationaleinkommenBernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (Hamburg)Deutsche ForschungsgemeinschaftDepartment for International Development (United Kingdom)Drugs for Neglected Diseases initiativeEuropean and Developing Countries Clinical Trials PartnershipEvangelischer EntwicklungsdienstForschungszentrum BorstelDeutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit; bis 2010 GTZIntergovernmental Working Group on Public Health, Innovation and Intellectual PropertyMitglied des BundestagsMax-Planck-GesellschaftMax-Planck-Institut für InfektionsbiologieNon-Governmental Organization - Nicht-Regierungs-OrganisationOfficial Development Assistance (Offizielle Mittel der Entwicklungszusammenarbeit)Product Development Partnership (Produktentwicklungspartnerschaft)Treatment Action GroupTuberkuloseTropical Diseases ResearchUniversities Allied for Essential MedicinesVakzine Projekt Management GmbHWorld Health Organisation (Weltgesundheitsorganisation)

Abkürzungsverzeichnis

BMBFBMG BMWiBMZBNE BNIDFGDFIDDNDiEDCTPEEDFZBGIZIGWGMdBMPGMPIIBNGO ODA PDPTAGTB TDRUAEM VPMWHO

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … …2Abbildungsverzeichnis … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … …21 Einführung … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … …32 Ergebnisse

2.1 Forschungsförderung zu vernachlässigten Krankheiten 2008/09… … … … … … … … … … … …… … … … … … … …42.2 Forschungsförderung einzelner Institutionen… … … … … … … … … … … …… … … … … … … … … … … …8

3 Forderungen ÄRZTE OHNE GRENZEN … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … …10

Abbildung 1a: Forschungsmittel nach KrankheitAbbildung 1b: Forschungsmittel nach KrankheitAbbildung 2a: Forschungsmittel nach Geber (Bemerkung: MPG und DFG werden zu großen Teilen vom BMBF finanziert,

daher die Bezeichnung ‚BMBF direkt‘ bei den direkten Zahlungen des BMBF).Abbildung 2b: Forschungsmittel nach Geber (Bemerkung: MPG und DFG werden zu großen Teilen vom BMBF finanziert,

daher die Bezeichnung ‚BMBF direkt‘ bei den direkten Zahlungen des BMBF).Abbildung 3a: Forschungsmittel nach Empfänger Abbildung 3b: Forschungsmittel nach Empfänger Abbildung 4: Vergleich der Ausgaben für Tuberkuloseforschung 2009Abbildung 5: Forderungen im "Aufruf zum Handeln“

Abbildungsverzeichnis

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n3nUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschlandn

Bei ihrer Arbeit in den Projektländern sehen sich die Mitarbei-ter von ÄRZTE OHNE GRENZEN mit zahlreichen Schwierigkeitenkonfrontiert. Oft sind für die Krankheiten, die hauptsächlich in diesen ärmeren Ländern auftreten, keine hinreichendenBehandlungsmöglichkeiten vorhanden. Da die Erforschungdieser vernachlässigten Krankheiten einschließlich Malaria undTuberkulose häufig nicht profitabel ist, fehlen Medikamente,Impfstoffe und Diagnostika. So wirken beispielsweise von denzwischen 1974 und 2004 neu entwickelten 1.556 pharmazeu-tischen Wirkstoffen nur 21 gegen vernachlässigte Krankheiteneinschließlich TB und Malaria.1

Der Mangel an Interesse hat furchtbare Folgen. Jedes Jahr lei-den und sterben Millionen Menschen an eigentlich vermeid-baren Krankheiten. Allein Malaria und Tuberkulose fordertenim Jahr 2008 zusammen 2,3 Millionen Menschenleben, alsofast fünf Tote jede Minute, und es leiden insgesamt über eineMilliarde Menschen an vernachlässigten Tropenkrankheiten.2

Der Grund hierfür ist klar: Angesichts der mangelnden Kaufkraftder Menschen, die von diesen Krankheiten betroffen sind, gibtes keinen Anreiz für Pharmaunternehmen, in ihre Erforschungzu investieren um hohe Produktpreise zu erzielen. Daher be-darf es besonderer Anstrengungen der Politik, Finanzierungenund alternative Anreize zur Verfügung zu stellen. ÄRZTE OHNEGRENZEN setzt sich daher seit vielen Jahren für verstärkte An-strengungen bei der Erforschung dieser Krankheiten ein undfinanziert auch selbst Forschung und Entwicklung (F&E) aufdiesem Gebiet. Im Jahr 2008 gab ÄRZTE OHNE GRENZEN alsinternationales Netzwerk 5,53 Millionen Euro für die Förderungder Non-Profit-Organisation „Drugs for Neglected Diseasesinitiative“ (DNDi) aus. Für den Zeitraum 2004 - 2014 hat ÄRZTEOHNE GRENZEN insgesamt 42,6 Millionen Euro zugesagt bzw.schon gezahlt.

Global betrachtet nimmt die öffentliche Hand ihre Aufgabe,die Forschungslücke bei vernachlässigten Krankheiten zuschließen, nicht ausreichend wahr. Nach wie vor werdendamit vielen Menschen (Lebens-) Chancen vorenthalten. Sowird im Bereich der Tuberkulose weltweit beispielsweise nurfür 617 Millionen US-Dollar pro Jahr geforscht - das sind nur 30Prozent der insgesamt benötigten 2 Milliarden US-Dollar.3

Zur Untersuchung des deutschen Beitrags hat ÄRZTE OHNEGRENZEN im Jahr 2008 als erste Organisation eine umfassende

1 Einführung

Studie zu den deutschen Forschungsinvestitionen für vernach-lässigte Krankheiten veröffentlicht. Die Studie „Forschungs-zwerg Deutschland“ kam zu einem eindeutig negativen Urteil:Deutschland tat zu wenig für die Erforschung vernachlässigterKrankheiten und wurde dem eigenen Anspruch als Forschungs-nation und „Land der Ideen“ bei weitem nicht gerecht. Zuwenig finanzielle Unterstützung für die einschlägigen For-schungsinstitute und ein peinliches Kompetenzwirrwarr zwi-schen den Ministerien bei der Finanzierung von PDPs sorgtendafür, dass Deutschland als Gebernation weit hinter seinenMöglichkeiten und seiner Verantwortung zurückgeblieben ist.

Das vorliegende Update geht nun der Frage nach, inwieweitsich diese Situation in den Jahren seit der Veröffentlichung desReports geändert hat. Dabei sollen insbesondere die folgen-den Fragen beantwortet werden:- Existieren nach wie vor strukturelle Probleme bei der For-

schungsförderung? - Hat sich der deutsche Beitrag in den Jahren 2008 und 2009

signifikant gegenüber 2007 erhöht? - Wie wird inzwischen mit PDPs umgegangen?

Der Report stellt damit eine Ergänzung zur gemeinsamen Bro-schüre „Forschung für vernachlässigte Krankheiten“ von ÄRZTEOHNE GRENZEN, der BUKO Pharma-Kampagne, dem Evange-lischen Entwicklungsdienst und Universities Allied for EssentialMedicines Germany4 dar, der ebenfalls 2011 veröffentlichtwurde.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

1 Chirac P, Torreele E. Global framework on essential health R&D. Lancet 2006.367:1560-1561.

2 Die Fall- und Opferzahlen in diesem Report sind die offiziellen Zahlen derWeltgesundheitsorganisation WHO. Diese sind im Internet unterhttp://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs104/en/index.html undhttp://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs094/en/index.html abrufbar. Es existiert eine große Bandbreite an verschiedenen Einschätzungen der Fall-zahlen bei verschiedenen Organisationen, Regierungen und Fachleuten.Leider sind diese Zahlen oft nicht sehr verlässlich. Da davon auszugehen ist,dass die Dunkelziffer enorm ist, können weder Entwicklungen im Auftretenvon Krankheiten noch Behandlungserfolge ausreichend präzise dokumentiertwerden.

3 Treatment Action Group (TAG): 2011 Report on Tuberculosis Research FundingTrends, 2005 - 2010. http://www.treatmentactiongroup.org/tb/publica-tions/2001/tbrd0509. http://www.treatmentactiongroup.org/tbrd2011. 617 Mio.US-Dollar beziehen sich auf 2010, 2009 waren es 619 Mio.

4 ÄRZTE OHNE GRENZEN, BUKO Pharma-Kampagne, EED, UAEM: Forschung fürvernachlässigte Krankheiten. Plädoyer für eine nachhaltige öffentlicheFörderung. Bielefeld 2011.

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4nnUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschland

0,0 Mio. €

5,0 Mio. €

10,0 Mio. €

15,0 Mio. €

2007 2008 2009

Forschungsmittel nach Krankheiten

Malaria

TB

unspezifische/mehrereKrankheiten

Leishmaniose

Trypanosomien

Schistosomiasis

Sonstige

7,5

1,00,6

0,2

8,6

3,1

0,60,2

9,0

10,1

2,3

1,00,6

0,20,60,4

2,5

9,5

0,8

11,6

0,0 Mio. €

5,0 Mio. €

10,0 Mio. €

15,0 Mio. €

20,0 Mio. €

25,0 Mio. €

30,0 Mio. €

2007 2008 2009

Forschungsmittel nach Krankheiten

Malaria

TB

Leishmaniose

unspezifische/mehrereKrankheiten

Trypanosomien

Schistosomiasis

Sonstige

Abbildung 1b: Forschungsmittel nach Krankheit

Die Steigerung der Mittel ist zunächst einmal durchaus erfreu-lich, jedoch belegen sie leider keinen Politikwechsel. Sie lie-gen lediglich im Rahmen der derzeitigen Wachstumsraten derForschungsausgaben in Deutschland. So zeigt die vorliegendeStudie, dass die direkten Ausgaben des BMBF für die Forschungzu vernachlässigten Krankheiten um 17 Prozent im Jahr ge-wachsen sind (von 3,8 Millionen Euro 2007 auf 5,1 MillionenEuro 2009), während gleichzeitig die Finanzierung des BMBF

In den Jahren 2008 und 2009 wurde mehr Geld als noch 2007in die Forschung investiert (s. Abb. 1, 2, 3). Der Gesamtbetragder Forschungsförderung zu vernachlässigten Krankheiten inDeutschland (institutionelle Förderung und Projektförderung)stieg von 20,7 Millionen Euro im Jahr 2007 um 12 Prozent auf23,2 Millionen Euro im Jahr 2008 und um weitere 14 Prozentauf 26,5 Millionen Euro im Jahr 2009 - im Durchschnitt also um13 Prozent pro Jahr.

2 Ergebnisse2.1 Forschungsförderung zu vernachlässigten Krankheiten 2008/09

Abbildung 1a: Forschungsmittel nach Krankheit

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0,0 Mio. €

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2007 2008 2009

Forschungsmittel nach Gebern

BMG

Bundesländer direkt

DFG

BMBF direkt5,2 5,2

1,3

7,1

5,2 5,3 5,1

1,0

0,2

BMZ

MPG

BMWi

5,6

7,6

2,51,8

5,5

3,84,5

0,81,4 1,4

0,0 Mio. €

5,0 Mio. €

10,0 Mio. €

15,0 Mio. €

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30,0 Mio. €

2007 2008 2009

Forschungsmittel nach Gebern

BMBF direkt

BMZ

MPG

BMWi

Bundesländer direkt

BMG

DFG

Abbildung 2b: Forschungsmittel nach Geber (Bemerkung: MPG und DFG werden zu großen Teilen vom BMBF finanziert, daher dieBezeichnung ‚BMBF direkt‘ bei den direkten Zahlungen des BMBF).

im Förderbereich Gesundheit und Medizin um 18 Prozent proJahr zunahm.5 Wenn man die Gesamtausgaben von Bund undLand für Gesundheitsforschung betrachtet, ergibt sich eindeutlicher Zuwachs von immerhin 7 Prozent im Jahr.

Wichtiger noch als die Betrachtung des Wachstums ist derVergleich der Investitionen mit dem Bedarf. Die besten hierfürverfügbaren Daten gibt es bei der Tuberkuloseforschung.Abbildung 4 zeigt den deutschen Beitrag zur TB-Forschung imVergleich zu den Beiträgen der USA, Großbritanniens und derGates-Stiftung sowie zu zwei Abschätzungen eines fairendeutschen Anteils an den benötigten Investitionen. Um den

Vergleich nicht zu verzerren, werden Deutschland und Groß-britannien dabei ihren Beitragszahlungen entsprechendeAnteile der TB-Ausgaben der Europäischen Kommission zuge-rechnet.6 Auffällig ist die Diskrepanz zwischen dem deutschenAnteil, dem fairen Soll und dem Anteil der anderen Länder: dasWachstum des deutschen Beitrags von 2007 bis 2009 von 9,5Millionen Euro auf 14,6 Millionen ist erfreulich, bleibt aberdeutlich hinter dem britischen Wachstum (von 19,0 auf 33,2Millionen Euro) und dem Soll in Höhe von 62,8 Millionen Eurozurück.7 Das bedeutet, dass Deutschland derzeit trotz desZuwachses seinen Soll-Beitrag in der TB-Forschung zu höch-stens 23 Prozent erfüllt.

Abbildung 2a: Forschungsmittel nach Geber (Bemerkung: MPG und DFG werden zu großen Teilen vom BMBF finanziert, daher dieBezeichnung ‚BMBF direkt‘ bei den direkten Zahlungen des BMBF).

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6nnUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschland

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2007 2008 2009

Forschungsmittel nach Empfängern

MPI f. Infektionsbiologie

FZ Borstel

Bernhard-Nocht-Institut

DNDI

3,1

1,71,3

0,8

2,0

9,1

0,4 0,40,7

1,5

3,4

2,0

9,1

4,0

2,0

1,2 1,01,3

0,6 0,5

1,1

5,1

VPM

TDR

Uni Heidelberg

Uni Tübingen

Uni Gießen

Uni Würzburg

Andere1,0

0,81,0

0,5 0,5 0,4

3,6

1,0

9,7

0,0 Mio. €

5,0 Mio. €

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2007 2008 2009

Forschungsmittel nach Empfängern

MPI f. Infektionsbiologie

FZ Borstel

Bernhard-Nocht-Institut

DNDI

3,1

1,71,3

0,8

2,0

9,1

0,4 0,40,7

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9,1

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VPM

TDR

Uni Heidelberg

Uni Tübingen

Uni Gießen

Uni Würzburg

Andere1,0 0,8 1,0

0,5 0,5 0,4

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2007 2008 2009

Forschungsmittel nach Empfängern

MPI f. Infektionsbiologie

FZ Borstel

Bernhard-Nocht-Institut

Andere

Uni Tübingen

Uni Gießen

Uni Würzburg

Uni Heidelberg

TDR

VPM

DNDI

Abbildung 3b: Forschungsmittel nach Empfänger

Wenn die Bundesrepublik ihrer Verantwortung im Bereich dervernachlässigten Krankheiten tatsächlich gerecht werdenwollte, müsste hier also deutlich mehr Geld investiert wer-den und ein spürbarer Wechsel in der Prioritätensetzung fürForschung und Entwicklung stattfinden.

Ein positives Signal jenseits der rein finanziellen Betrachtungist das Ende der Unklarheit in der Kompetenzverteilung zwi-schen BMBF, BMZ und BMG um die Zuständigkeit für die Finan-zierung von Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs). AlsReaktion auf einen offenen Brief, den ÄRZTE OHNE GRENZENzusammen mit zahlreichen anderen NGOs am 7.5.2009 anBundeskanzlerin Angela Merkel geschrieben hatte, erklärte die

Bundesregierung, dass die Federführung in diesem Bereichbeim BMBF liege und beendete damit einen wenig rühmlichenKompetenzstreit zwischen den Ministerien, der lange Zeit einesinnvolle Förderung dieses Ansatzes verhindert hat.

Das BMBF veröffentlichte daraufhin Anfang des Jahres 2011 ein„Förderkonzept Vernachlässigte und armutsassoziierte Krankhei-ten“8, in dem die Ausschreibung eines Fördertopfes zur Finan-zierung von PDPs für die Jahre 2011 - 2014 angekündigt wird. NachAussage von MdB Annette Hübinger stellt die Bundesregierung 22 Millionen Euro für diese vier Jahre zur Verfügung. Trotz des vergleichsweise geringen Volumens ist der Fördertopf ein positi-ves Signal. Einerseits ist es die erste systematische Förderung von

Abbildung 3a: Forschungsmittel nach Empfänger

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n7nUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschlandn

0,0 Mio. €

20,0 Mio. €

40,0 Mio. €

60,0 Mio. €

80,0 Mio. €

100,0 Mio. €

200,0 Mio. €

10,1 Mio €Deutschland

Vergleich Forschungsmittel für TB

120,0 Mio. €

140,0 Mio. €

160,0 Mio. €

180,0 Mio. €

14,6 Mio €Deutschlandinklusive EU

33,2 Mio €UK TB

inklusive EU

62,8 Mio €fairer Anteil D

an notwendigerTB-Forschung

143 Mio €Alternativ-

Abschätzungfairer Anteil D

82,9 Mio €Gates Stiftung

181 Mio €USA

öffentlicheGelder

Produktentwicklungspartnerschaften und zweitens macht dasKonzept klar, dass die Leitlinien der geförderten PDPs so gestaltetsein müssen, dass der Zugang zu den entwickelten Medizin-produkten für Patienten in armen Ländern gesichert ist. So wirdlaut BMBF ein „möglichst niedriger Produktpreis in den Ziel-ländern“ angestrebt, der zum Beispiel durch „Konzepte desEquitable Licensing9“ sichergestellt werden kann.

Diese 22 Mio. Euro für den Zeitraum 2011 - 2014 (5,5 Millionenpro Jahr) würden den deutschen Beitrag zur Forschung an ver-nachlässigten Krankheiten um ca. 20 Prozent erhöhen. Das istzwar ein durchaus signifikanter Beitrag, der sich aber im Vergleich mit dem Beitrag der Niederlande (70 Millionen Euroüber 4 Jahre) oder von ÄRZTE OHNE GRENZEN zur PDP-Förderungimmer noch sehr gering ausnimmt.

Insgesamt ist ÄRZTE OHNE GRENZEN nach wie vor der Meinung,dass auch und gerade die Bundesrepublik Deutschland ihrer

wichtigen Verantwortung, diese lebensrettende Forschung undEntwicklung zu fördern, nicht ausreichend nachkommt. AlsNation mit einer der weltweit stärksten Volkswirtschaften, diesich selbst als hervorragenden Forschungs- und Entwicklungs-standort sieht, muss Deutschland seine Kapazitäten deutlichbesser nutzen, um weltweit für den Zugang zu lebenswichtigenMedikamenten und Impfstoffen zu sorgen.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Abbildung 4: Vergleich der Ausgaben für Tuberkuloseforschung 2009

5 http://www.datenportal.bmbf.de/portal/cchapters.html, Tabelle 1.1.6.6 Alle Daten stammen aus Treatment Action Group (TAG): 2011 Report

on Tuberculosis Research Funding Trends, 2005 - 2010. Der Euro wird mit1,38 US-Dollar bewertet.

7 Vergleiche: ÄRZTE OHNE GRENZEN - Forschungszwerg Deutschland 2008,erhältlich unter http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/informieren/medika-mentenkampagne/themen/forschung-und-entwicklung/index.html

8 Vgl. http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/_media/BMBF_A4_Foerderkonzept_barrierefrei.pdf

9 Zum Konzept der Equitable Licences (gerechte Lizenzen) s. Kasten zu med4allin dieser Broschüre oder www.med4all.de.

Fazit: Bei vernachlässigten Krankheiten ist die Wissenschaftsnation Deutschland nochimmer ein Forschungszwerg. Die Ausgaben steigen zwar, aber Deutschland ist nochimmer weit von einem Forschungs-Spitzenplatz entfernt.

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8nnUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschland

Im folgenden Abschnitt werden die Institutionen der For-schungsförderung zu vernachlässigten Krankheiten dargestellt,bei denen im Vergleich zum Jahr 2007 wichtige Änderungenstattgefunden haben. Eine vollständige Übersicht aller in die-sem Bereich tätigen Institutionen steht im „ForschungszwergDeutschland“ von 2008.10

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): erste positive Signale

Im Rahmen des Programms „Gesundheitsforschung: Forschungfür den Menschen“ soll seit April 2009 im Zuge der Projekt-förderung durch die Förderung von Nachwuchswissenschaft-lergruppen und die Gewährung von Mobilitätsstipendien derAuf- und Ausbau von Forschungskapazitäten für vernachlässig-te Krankheiten unterstützt werden. Dies soll in Kooperation mitPartnern in betroffenen Ländern „langfristig eine verstärkteBeteiligung der deutschen Wissenschaft bei der Erforschungund Bekämpfung dieser Krankheiten ermöglichen“11. Für denBetrachtungszeitraum dieses Reports hat die Förderung aller-dings noch keine Auswirkungen, da sie 2009 noch nicht ange-laufen ist. Allerdings wurden laut BMBF im ersten Teil eineszweistufigen Verfahrens bereits drei herausragende Nach-wuchswissenschaftler/innen für die Förderung ausgewählt.Insgesamt ist dies eine vielversprechende Entwicklung.

Darüber hinaus ist das BMBF seit 2003 Partner einer europäi-schen Initiative von 14 Staaten zu Erforschung und Behandlungvernachlässigter Krankheiten, der „European and DevelopingCountries Clinical Trials Partnership“ (EDCTP). Das EDCTP wird alsein wesentlicher Baustein der BMBF Förderstrategie im Bereichvernachlässigter und armutsassoziierter Erkrankungen genannt.Im Jahr 2008 war Deutschland an der Förderung von 8 Pro-jekten beteiligt.12 Die Fördersumme lag 2008 bei insgesamt395.000 Euro und war somit um 201.000 Euro13 geringer alsnoch 2007. Von diesem Betrag wurden 264.000 Euro in klini-sche Studien zu Malaria, 94.000 Euro in Projekte zu Tuber-kulose und der Rest in HIV/Aids-Projekte investiert.14 Im Jahr2009 lag der Beitrag zu EDCTP mit insgesamt 978.000 Eurodeutlich höher als noch im Vorjahr. Davon gingen 155.000 Euroin zwei TB-Projekte (wobei sich eines dieser Projekte gleichzei-tig auch mit HIV beschäftigt), 683.000 Euro in zwei Malaria-Projekte und 140.000 Euro in zwei klinische Studien zu HIV.EDCTP leistet damit einen wichtigen Beitrag, wenngleich dasProgramm noch sehr weit vom (selbst-)erklärten Ziel von 600Millionen Euro europäischer Gesamtausgaben entfernt ist.Dies gilt insbesondere für den Anteil, den eigentlich dieIndustrie aufbringen soll.

Außerdem wird sich das BMBF nun erstmals der Förderung vonPDPs widmen. Die für den Zeitraum 2011 - 2014 zugesagten22 Millionen Euro werden allerdings hier nicht berücksichtigt,da sie außerhalb des Untersuchungszeitraums dieses Reportsausgezahlt werden.

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): deutsche Forschung für Afrika

Im Vergleich zur Vorgängerstudie hat sich der von der DeutschenForschungsgemeinschaft bereitgestellte Beitrag zur Erforschungvernachlässigter Krankheiten deutlich erhöht. Von 4,5 MillionenEuro (2007) auf 7,1 Millionen Euro (2008) beziehungsweise 7,6Millionen Euro (2009). Doch dieser Anstieg beruht nur teilweiseauf einer tatrsächlichen Ausweitung der Förderung, zu großenTeilen ist er dagegen auf eine erweiterte Methodik der Daten-bankrecherche zurückzuführen. Die Suchparameter der Analysedes GEPRIS (Geförderte Projekte Informationssystem)15 wurdenim Vergleich zur Vorgängerstudie deutlich erweitert.

Im Jahr 2007 hat die DFG das Programm „Deutsch-Afrika-nische Kooperationsprojekte in der Infektiologie“ aufgesetzt.Es will Kooperationsprojekte deutscher und afrikanischerWissenschaftlerinnen und Wissenschaftler speziell zu ver-nachlässigten Krankheiten abseits der „Big 3“ HIV/Aids, TBund Malaria unterstützen. Eine erste Konferenz dazu fand imJuni 2010 in Berlin statt.16 Im Rahmen dieses Programms wur-den im Jahr 2009 insgesamt sechs Projekte mit einerGesamtsumme von ca. 460.000 Euro zu den KrankheitenOnchozerkose, Filariose, Schistosomiasis, Schlafkrankheit undTB gefördert.

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit(BMZ): Vorübergehendes Engagement

Im Jahr 2008 sagte das BMZ für die Jahre 2008 und 2009 eineZahlung von insgesamt einer Million Euro über die GTZ an dieProduktentwicklungspartnerschaft DNDi zu. Das Geld istzweckgebunden für die Unterstützung der Medikamentenent-wicklung, für die Optimierung von Leitstrukturen und für prä-klinische Projekte zur Chagas- und zur Schlafkrankheit. Dergrößte Anteil der im Jahr 2008 verwendeten 324.000 Euro flossin die präklinische Testphase des Wirkstoffs Fexinidazol zurTherapie der Schlafkrankheit.17 Dieses viel versprechende Pro-dukt ist seit September 2009 in der Prüfung der klinischenPhase I und der bisher einzige Kandidat in klinischen Studienfür ein neues Mittel gegen die Schlafkrankheit.18

2.2 Forschungsförderung einzelner Institutionen

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10 2008-report-forschungszwerg-deutschland.pdf11 http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/2137.php12 EDCTP Annual Report 2008. Seite 2213 EDCTP Annual Report 2008. Seite 1114 EDCTP Annual Report 2008. Seite 4515 http://gepris.dfg.de/gepris/OCTOPUS/16 http://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=6228:dfg-unterstuetzt-forschung-zu-vernachlaessigten-krankheiten&catid=62&Itemid=11717 DNDi Annual Report 2008 - 2009. Seite 5818 http://www.dndi.org/press-releases/2009/566-dndi-receives-15m-from-the-bill-and-melinda-gates-foundation.html19 Zitat aus einer E-Mail von Dr. Jens Mundhenke an ÄRZTE OHNE GRENZEN am 27.04.2010.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi):Zufällig Malaria

Der EXIST-Forschungstransfer ist ein 2006 aufgelegtes Förder-programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Techno-logie. Es unterstützt in zwei Förderphasen, die jeweils 18 Monatedauern, forschungsbasierte Gründungsvorhaben von Teams anHochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.Das Ziel ist, innovative und marktfähige Produkte zu entwickelnum damit die Basis für erfolgreiche Unternehmensgründungenzu schaffen. Die Universität Heidelberg konnte hier eine Projekt-förderung zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen Malaria ein-holen. Unsere Anfrage an das BMWi ergab, dass

„das Ziel des Vorhabens die Gründung des Unternehmens‚Malva‘ (ist), das einen Impfstoff gegen Malaria entwickelnund vermarkten wird.[...] Das Vorhaben wird an der Uni-versität Heidelberg (Abteilung für Infektiologie) derzeit inder ersten Förderphase mit 420.000 Euro gefördert und vor-aussichtlich in der zweiten Förderphase ab dem 1.10.2010einen Gründungszuschuss von 150.000 Euro erhalten. DieFörderung des o. g. Vorhabens begann am 1.1.2009 undendet mit Förderphase I am 30.9.2010. Die zweite Förder-phase wird voraussichtlich am 01.10.2010 beginnen und am31.3.2012 abgeschlossen sein“.19

Dieser auf den ersten Blick sehr positive Ansatz darf allerdingsnicht über die nach wie vor fehlende Förderstrategie im Be-reich der vernachlässigten Krankheiten hinwegtäuschen. Es isteher Zufall, dass sich mit dem Malaria-Projekt ein Vorhaben ausdiesem Bereich für das EXIST-Programm qualifiziert hat.

Vakzine Projekt Management GmbH (VPM):Vielversprechender TB-Impfstoff gefährdet.

Die aus öffentlichen Mitteln finanzierte VPM GmbH in Hannoverhat die Aufgabe, durch die Durchführung klinischer Studien

Impfstoffe aus der akademischen Forschung weiterzuent-wickeln.

Das derzeit wichtigste Projekt der VPM ist eine gentechnischveränderte Variante des bekannten BCG-Impfstoffes gegenTuberkulose. Dieser Impfstoff mit dem Code-Namen VPM 1002wurde ursprünglich am Max-Planck-Institut für Infektions-biologie in Berlin mit dem Ziel entwickelt, die Schwächen desbestehenden Impfstoffes zu überwinden. Dies gilt insbeson-dere für eine längere Wirksamkeit und den Schutz auch fürErwachsene. Ein tatsächlich wirkungsvoller Impfstoff hätteein enormes Potenzial im Kampf gegen Tuberkulose. VPM 1002ist einer der aussichtsreichsten Impfstoffkandidaten. DasMPIIB hält ein Patent auf diesen Impfstoff und hat eine welt-weit exklusive Lizenz an die VPM ausgestellt. VPM wiederumhat den Impfstoff mit Fördermitteln des BMBF weiterent-wikelt.

VPM hat die klinische Studie Phase I bereits erfolgreich abge-schlossen und Phase IIa begonnen. Für die Phase IIb existiertjedoch eine Finanzierungslücke in Höhe von 6 bis 8,5 MillionenEuro. Davon werden ca. 2,5 Millionen Euro als Sicherheit fürlängerfristige Beobachtungen und besonders unerwartete Beob-achtungen zurückgelegt, die im Bedarfsfall abgerufen werdenkönnen.

Da aufgrund auslaufender Finanzierung der VPM durch dasBMBF jetzt die Gefahr besteht, dass dieses Projekt abgebro-chen wird, sollte die öffentliche Hand jetzt einspringen unddafür sorgen, dass der vielversprechende Impfstoff weiterentwickelt und getestet werden kann. Gleichzeitig muss überfaire Lizenzvereinbarungen sichergestellt werden, dass Pa-tienten in armen Ländern Zugang zu diesem Impfstoff habenund nicht durch hohe Monopolpreise ausgeschlossen wer-den. Was öffentlich finanziert wird, muss auch öffentlichzugänglich sein. Eine Regelung, vergleichbar mit der desBMBF-Förderkonzepts, fehlt hier bisher.

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10nnUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschland

Für ÄRZTE OHNE GRENZEN zeigen die vorliegenden Daten deut-lich, dass Deutschland seiner Verantwortung weiter nicht ge-recht wird. Wir halten z. B. bei der Tuberkulose eine Förderungfür angemessen, die mindestens um den Faktor fünf höher istals die bisherige. Dieses Ziel kann auf verschiedenen Wegenerreicht werden. Wichtig sind für uns vor allem drei Punkte:

1. Die öffentliche Forschungsförderung muss massiv zuneh-men. Der normale Antragsweg zum Beispiel im Rahmen derDFG hat bisher nicht zu ausreichenden Investitionen ge-führt. Deutschland muss deutlich mehr zweckgebundeneMittel zur Erforschung vernachlässigter Krankheiten zurVerfügung stellen.

2. Erhöhte Forschungsförderung muss Teil einer stärkerenBeteiligung der Bundesregierung an der Schaffung alterna-tiver Mechanismen zur Förderung von Forschung undEntwicklung sein, wie sie in den Beschlüssen der WHO-Strategie zu „Public Health, Innovation und IntellectualProperty“ oder in der Broschüre „Forschung für vernachläs-sigte Krankheiten“ von ÄRZTE OHNE GRENZEN, BUKO Pharma-Kampagne, EED und UAEM dargestellt werden.

3. Die Ergebnisse der Forschung müssen auch den Ärmstenzur Verfügung stehen. Auch die besten Ergebnisse nutzennichts, wenn sie nicht angewandt werden. Dies bedeutetfür ÄRZTE OHNE GRENZEN, dass es klare Regelungen gebenmuss, die niedrigste Preise in Entwicklungsländern ermög-lichen. Dies bedeutet auch, dass von vornherein sicherge-stellt sein muss, dass Patente für ärmere Länder nicht zueiner Erhöhung der Preise erheblich über die notwendigenProduktionskosten hinaus führen dürfen. Die Kosten fürForschung und Entwicklung müssen vom Produktpreis fürdie Entwicklungsländer abgekoppelt werden, wie dies auchvon der Weltgesundheitsversammlung und dem Förder-

ungspapier zu vernachlässigten Krankheiten des BMBFgefordert wird.20 Gerechte Lizenzen (Equitable Licenses)müssen bei allen öffentlich finanzierten Forschungs-programmen zum Standard werden.

In diesem Rahmen gibt es verschiedene Möglichkeiten, diedeutsche Forschungsförderung zu verbessern. ÄRZTE OHNE GREN-ZEN möchte folgende Vorschläge zur Diskussion stellen, wie dienötigen zusätzlichen Mittel sinnvoll eingesetzt werden könnten:

– Das BMBF könnte die für 2011 bis 2014 bereitgestellten Mittelvon 22 Millionen Euro spätestens in der nächsten Förde-rungsperiode deutlich aufstocken.

– Das BMBF könnte zusätzlich ein eigenes Forschungs-programm einrichten, das ausdrücklich der Erforschung vonTuberkulose, Malaria und vernachlässigten Tropenkrank-heiten gewidmet ist.

– Das BMG und die Bundesländer könnten die institutionelleFörderung für die Leibniz-Institute Bernhard-Nocht-Institutund Forschungszentrum Borstel erhöhen.

– Die Bundesländer und Universitäten könnten Lehrstühleeinrichten für TB, Malaria und vernachlässigte Tropenkrank-heiten.

– Die DFG könnte eigene Programme zur Erforschung vonTuberkulose, Malaria und vernachlässigten Tropenkrank-heiten auflegen. Dies wäre z.B. als DFG-Schwerpunkt-programm möglich. Ebenfalls sollte das erfolgreiche Afrika-Projekt verlängert werden.

– Die weitgehend in öffentlichem Besitz befindliche VakzineProjekt Management GmbH (VPM) sollte klare und verbind-

3 Forderungen ÄRZTE OHNE GRENZEN

Foto © Brendan Bannon

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n11nUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschlandn

liche Regelungen zum Umgang mit Patenten beschließen,die sicherstellen, dass Patente einer Generika-Produktionfür Entwicklungsländer nicht im Wege stehen.

– Gleichzeitig müssen hier zusätzliche Mittel investiert wer-den, damit das aussichtsreiche Projekt eines neuen TB-Impfstoffs nicht vorzeitig eingestellt werden muss.

– Das European Molecular Biology Laboratory (EMBL) istebenso gefragt wie das Helmholtz-Zentrum für Infektions-forschung (HZI) in Braunschweig, sich der vernachlässigtenKrankheiten anzunehmen.

– Die Helmholtz-Gemeinschaft könnte ein spezielles Pro-gramm auflegen zur Förderung der Forschung zu Krank-heiten mit besonderer Bedeutung für ärmere Länder.

– Die Fraunhofer-Gesellschaft könnte insbesondere bei derwichtigen Frage neuer Diagnostik- Technologien eine wich-tige Rolle spielen.

– Die Max-Planck-Gesellschaft könnte sich stärker engagie-ren. Denkbar wäre die Einrichtung eines neuen Institutsoder die Berufung eines MPI-Direktors mit entsprechendemProfil.

Alternative Mechanismen der ForschungsförderungAlle bisher genannten Ansätze folgen traditionellen Mechanis-men der Forschungsförderung. Gerade im Rahmen der Diskus-sionen in der WHO werden auch darüber hinausgehendeAnsätze diskutiert. Von besonderem Interesse ist hierbei dieIdee von Forschungsprämien, die u.a. vom Nobelpreisträger

für Wirtschaftswissenschaften Joseph Stiglitz vertreten wird.Hierbei würde eine Firma oder Forschungseinrichtung, die einbestimmtes neues Medikament oder einen neuen Impfstoffentwickelt, hierfür einen substanziellen Geldpreis erhalten. ImGegenzug müsste sie die Erfindung zumindest für Entwick-lungsländer sofort frei verfügbar machen.

Auf Deutschland übertragen könnte das zum Beispiel heißen,dass die Bundesregierung einen Robert-Koch-Preis zur Tuber-kuloseforschung ausschreibt. Wer ein neues Medikament zurZulassungsreife bringt, das so gut ist wie z.B. Rifampicin, gleich-zeitig aber auch bei multiresistenten Tuberkulosestämmenwirkt, erhält von der Bundesregierung einen substanziellenGeldpreis. Ebenso dringend gebraucht werden neue, verbes-serte Diagnosemöglichkeiten für TB. Patentrechte zumindestfür die ärmeren Länder wären mit dem Geldpreis abgegolten,so dass sofort nach der Zulassung mit der Generikaproduktionbegonnen werden könnte. Der Vorteil eines solchen Preiseswäre u. a., dass nur im Erfolgsfalle gezahlt werden müsste.

Wichtig ist für uns auch, dass die erhöhte finanzielle Förderunggleichzeitig Teil einer expliziten, langfristigen politischenStrategie auf Grundlage der Beschlüsse innerhalb der Weltge-sundheitsorganisation (IGWG-Prozess) sein muss, die Innovationund den Zugang zu den Medikamenten sicherstellt. Auch indiesen WHO-Prozess sollte sich Deutschland stärker einbringenund die Etablierung alternativer Forschungsförderungsmecha-nismen – wie Forschungsprämien – aktiv unterstützen.

Letztendlich ist aus Sicht unserer Patienten entscheidend,sowohl Innovation als auch den Zugang zu lebensnotwendigenMedikamenten zu stärken.

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20 Resolution 60.30 der WHO-Vollversammlung 2007.

Foto © Michael Kottmeier/agenda Foto © Brendan Bannon

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12nnUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschland

Infokasten: Politische Initiativen aus der Zivilgesellschaft

Wie kann man sicherstellen, dass möglichst viele Menscheneinen Nutzen von öffentlich finanzierter Forschung haben?Dieser Frage widmet sich das Projekt med4all.

Bei der Forschung und Entwicklung neuer Impfstoffe undArzneimittel spielt die staatliche Finanzierung eine Schlüssel-rolle. Weltweit wird medizinische Forschung etwa zur Hälftemit öffentlichen Mitteln finanziert, besonders an Univer-sitäten und anderen öffentlichen Forschungseinrichtungen.Die Nutzung öffentlich finanzierter Forschungsergebnisse istdaher mit großer gesellschaftlicher Verantwortung ver-knüpft. Im Gegensatz dazu richtet das Bundesministeriumfür Bildung und Forschung mit seiner Verwertungsinitiativevon 2001 (jetzt unter dem Namen SIGNO beim Bundes-ministerium für Wirtschaft) die Forschung in Deutschlandeinseitig auf eine kommerzielle Verwertung aus.

Das Projekt med4all ist eine Kooperation der Charité Uni-versitätsmedizin Berlin, der Universität Oldenburg und derBUKO Pharma-Kampagne. Ziel ist eine Bestandsaufnahmeder deutschen Patentverwertung sowie die Entwicklung von

Werkzeugen, die eine Nutzung der Ergebnisse deutscherForschung für ärmere Länder ermöglichen.

Es zeigt sich, dass die Bedürfnisse ärmerer Länder in derdeutschen Patentverwertung bisher keine Rolle spielen. Ob-wohl viele Universitäten über Forschungsbereiche verfügen,die für arme Länder relevant sind, wurden bisher in der Arz-neimittelforschung keine Lizenzen an nicht-kommerzielleProduktentwicklungspartnerschaften vermittelt.

In Deutschland herrscht großer Nachholbedarf bei der An-wendung von modernen Lizenzmodellen, beispielsweiseden „Equitable licenses“, die Universitäten ein Mitsprache-recht an der Verwertung sichern und bereits in frühenEntwicklungsphasen eine zukünftige Versorgung armerLänder berücksichtigen. Entsprechende Vertragsbausteinewerden dem deutschen Technologietransfer von med4all zurVerfügung gestellt.

Kontakt: www.med4all.org [email protected]

Die Verantwortung öffentlicher Forschung:

Das Projekt med4all

Im April 2009 hat sich in Berlin eine bundesweite Stu-denteninitiative gegründet: Universities Allied for EssentialMedicines – UAEM Germany. Die Studierenden aus Berlin,München, Münster, Freiburg und Würzburg setzen sich dafürein, dass die Forschung ihrer jeweiligen Hochschule unterhumanen Gesichtspunkten angewendet wird. Statt alleRechte an Herstellung und Preisbestimmung an Pharma-unternehmen zu verkaufen, soll auch ärmeren Ländern einZugang zu dem erforschten Wissen ermöglicht werden.Außerdem fordern die Studenten mehr Forschung zu sogenannten vernachlässigten Krankheiten.

Weltweit gibt es UAEM bereits seit 2001. Hervorgegangen istdie Initiative aus einer Protestaktion in Yale, in der sichStudenten und Wissenschaftler der amerikanischen Univer-

sität dafür einsetzten, dass ein Wirkstoff für die AIDS-Therapie in Afrika als Generikum hergestellt werden durfte.Dies führte langfristig zu einer drastischen Preissenkung derHIV-Medikamente für Entwicklungsländer. Mit dem Verzichtdes Pharmaunternehmens Bristol-Myers Squibb auf seineExklusivlizenzen konnte UAEM den ersten großen Erfolgfeiern.

Auch in Deutschland hat UAEM bereits kleinere Erfolge zuverzeichnen. Die Studierenden konnten während der WorldHealth Summits 2009 und 2011 für ihr Anliegen werben undan der Charité in Berlin wurden die Ziele von UAEM imFakultätsrat diskutiert und gut geheißen.

Kontakt: www.uaem-germany.de

Medikamente ohne Grenzen - Studenten mobilisieren ihreUniversitäten

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n13nUpdate 2011: Forschungszwerg Deutschlandn

Ausdruck des wachsenden zivilgesellschaftlichen Drucks aufdie Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft ist auchein breites Bündnis von NGOs und Einzelpersonen, das am24.3.2010 einen „Aufruf zum Handeln“ (siehe: www.aufruf-zum-handeln.de) vorgestellt hat. Die Organisationen wollenso auf die Lücke aufmerksam machen, die bei der Forschung

und Entwicklung von Instrumenten gegen vernachlässigteKrankheiten klafft. Zu den Unterzeichnern gehören unteranderem ÄRZTE OHNE GRENZEN, die Stiftung Weltbevöl-kerung, der Evangelische Entwicklungsdienst und die BUKOPharma-Kampagne. Die vier großen Ziele und Forderungensind in Abbildung 5 graphisch veranschaulicht.

Das breite Bündnis: „Aufruf zum Handeln“

Neue Anreizmodelle: Prämien

• Forschungsprämien sind ein möglichesAlternativmodell für neue Forschungsanreize.

• Förderung von Pilotprojekten, z. B. TuberkuloseSchnelltest.

• Prämierte Projekte sollten als Allgemeingut zurVerfügung stehen.

Zugang als wichtige Rahmenbedingung

• Produkte müssen allen Menschen zugänglich sein.Deshalb sollte die Generika-Herstellung Prioritäthaben.

• Wichtige Modelle dafür sind nicht-exklusive Lizenzen,offene Lizenzen, Equitable Licensing, Open SourceModelle, Festsetzung von Maximalpreisen.

• Die bisherigen Vorgaben einer gewinnorientiertenPatentverwertung für öffentliche Forschung solltereformiert werden, um mehr nicht-kommerzielleProjekte zu ermöglichen und den Zugang auch fürarme Länder zu sichern.

Forschungslücke „vernachlässigte Armutskrankheiten“ schließen

Product Development Partnerships (PDPs) fördern

• PDPs als wichtiges Forschungsmodell für die nicht-kommerzielle Forschung müssen gefördert werden.

• Eine eigenständige Budgetlinie zur institutionellenFörderung von PDPs erhöht Transparenz undPlanungssicherheit.

• Die Förderung darf sich nicht auf deutscheForscher/innen oder Institutionen beschränken, daPDPs international agieren.

• Bei PDP-Forschung entstehende geistige Eigen-tumsrechte dürfen den Zugang zu den entwickeltenProdukten nicht behindern.

Forschung fördern

• Erhöhung der Forschungsmittel. • Schaffung eigener Budgetlinien mit zweckgebunde-

nen Mitteln. • Keine Vermischung mit „seltenen“ Krankheiten, die in

Industrieländern vorkommen. • Unterstützung klinischer Forschung. • Stärkere Unterstützung der Institute, die schon mehr

in diesem Bereich arbeiten. • Aufstockung von Programmen der DFG und der Ge-

meinschaften der außeruniversitären Forschungs-institute, bis hin zur Neugründung von Instituten.

Abbildung 5: Forderungen im "Aufruf zum Handeln“

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Spendenkonto: 97097 Bank für Sozialwirtschaft BLZ 370 205 00

Täglich erleben die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Ärzte ohne Grenzen in den Ländern, in denen sie krankenMenschen helfen, dass ihnen die notwendigen Instrumente zur Behandlung fehlen. Besonders schlimm ist die Situation beiden Krankheiten, die hauptsächlich in armen Ländern auftreten. Häufig stehen neue, wirksame Medikamente, Impfstoffeoder einfache Tests nicht zur Verfügung, und das, obwohl drei Millionen Menschen im Jahr an Tuberkulose, Malaria undvernachlässigten Tropenkrankheiten sterben. Gerade bei der Tuberkulose werden die gängigen, mehr als 40 Jahre altenMedikamente aufgrund von Resistenzen zunehmend unwirksam.

Der Grund für diese Lücke ist, dass diese vernachlässigten Krankheiten wesentlich weniger erforscht werden alsKrankheiten, bei denen sich hohe Medikamentenpreise erzielen lassen – Durch diese niedrigeren Preise gibt es für dieIndustrie keinen Anreiz, sich zu engagieren. ÄRZTE OHNE GRENZEN sieht die öffentliche Hand in der Pflicht, an diesenDefiziten zu arbeiten. Deutschland hat die finanziellen Mittel, das Know-How und die Infrastruktur, beim Kampf gegenTuberkulose, Malaria und vernachlässigte Tropenkrankheiten eine wichtige Rolle zu spielen. Für das Jahr 2007 kam Ärzteohne Grenzen zu dem Schluss, dass Deutschland hier seiner Verantwortung nicht gerecht wurde. Ziel dieses Updates ist eszu bewerten, was aus dem Forschungszwerg Deutschland geworden ist.

Kenya 2007 © Brendan Bannon