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KEYNOTEENTWICKLUNG
von FRANK ASMUS
Dein Schlüssel zur perfekten Keynote!
2
Keynote und Theater
In der Schule habe ich ja mal Theater gespielt. Eine meiner schönsten Rollen
war die Irrenärztin aus den „Physikern“ von Friedrich Dürrenmatt (1921–
1990). Mein Gedanke, Psychiater zu werden, kam vielleicht auch aus dieser
jugendlichen Erfahrung. Zum Glück bin ich es nicht geworden! Ich habe moderiert,
dann Seminare gegeben, schließlich Keynotes. Und das ist es, wofür ich
brenne: Bühne, Bühne, Bühne!
Was Frank Asmus in diesem Kurs erzählt, berührt deswegen mein Herz. Es tut
gut, mal wieder die Wörter „Dramaturgie“ zu hören, „Dreiakter“, „Fünfakter“,
„Requisite“, „Probe“ und „Bühnenbild“. Das Theater ist eine ganz eigene Welt,
eine schöne Welt. Der Regisseur Frank Asmus zeigt, was Keynote-Speaking mit
Theater zu tun hat. Am Ende geht es um eine Show, die du selbst gestaltest.
Wenn du Speaker werden willst, kommst du um dieses Wissen nicht herum.
Versteh das Ganze als Show – zu der einiges Know-how nötig ist.
Dein Dr. Stefan Frädrich
Dr. Stefan Frädrich
Speaker, Trainer, Experte für Selbstmotivation
sowie Gründer der Greator GmbH (ehemals Gedankentanken)
VORWORT
3
Du bist Autor, Regisseur und Darsteller
Eine gute Keynote-Speech ist keine der üblichen Präsentationen, wie wir sie
aus Unternehmen kennen. Die sind meistens sterbenslangweilig.
Lass es mich so sagen: Eine gute Keynote-Speech ist wie ein Theaterstück.
Jemand steht auf einer Bühne und performt einen Inhalt, den er vorher geplant
hat. Dazu ist ein professioneller Aufbau nötig, eine Struktur. Dieser Jemand
erzählt also nicht irgendwas Beliebiges. Er liest nicht ab. Und er zelebriert auch
keine Powerpoint-Orgie voller kleinteiliger Tabellen und Grafiken. Sondern ein
guter Keynote-Speaker bringt prägnant höchst relevante Botschaften rüber
und trifft damit Herz und Verstand voll. Das funktioniert nur durchdacht.
Wenn du das Speaking wie ein Theaterstück siehst, dann haben wir es mit drei
entscheidenden Teilen zu tun: mit einer guten Dramaturgie, also einer klugen
Abfolge der einzelnen Inhalte, mit einer Inszenierung des Geschehens auf der
Bühne und schließlich mit deiner persönlichen Performance, also deinem
individuellen Auftritt.
Am Ende dieses Kurses wirst du wissen, wie Top-Speaker arbeiten. Und du wirst,
wenn du alle Übungen machst, eine Keynote-Speech haben. Dabei wünsche
ich dir viel Freude!
Dein Frank Asmus
Regisseur, Speaker und Top Executive Coach
4
DRAMATURGIE: DU ALS AUTOR
• Du bist der Autor deiner Speech
• Nutz die Dreigliederung!
• Klare Worte
• ARA am Anfang
• Der „Golden Circle of Communication“
• Essenz am Ende
• Die Szenen
• Dein Storytelling
• Das Zwischenspiel
• Prolog und Epilog
• Drei wichtige rhetorische Mittel
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47
INSZENIERUNG: DU ALS REGISSEUR
• Mit wem darfst du arbeiten?
• In welchem Raum spielt die Show?
• Mit welchem Bühnenbild arbeitest du?
• Mit welcher Choreografie arbeitest du?
• Welche Requisiten setzt du ein?
• Wie inszenierst du den Claim?
• Welche Musik setzt du ein?
• Welches Kostüm wählst du?
• Welche Überraschungen planst du ein?
PERSÖNLICHER AUFTRITT: DU ALS DARSTELLER
• Finde deinen eigenen Stil!
• Emotionalität schaffen
• Dynamische Körpersprache
• Sei sympathisch!
• Üben, üben, üben
• Was tun gegen Aufregung?
• Was tun bei Pannen?
• Zeig deine ganze Hingabe!
• Fazit
INHALT
1
2
3
5
Du bist der Autor deiner Speech
Du denkst, eine Rede zu halten, sei einfach? Das kann einem tatsächlich so
vorkommen, wenn man gute Redner auf der Bühne sieht. Allerdings ist einem
oft nicht klar, wie viel Arbeit dahintersteckt. Richtig gute Keynote-Speeches
laufen leichtfüßig ab wie ein guter Film – aber das so hinzubekommen, ist
eben nicht unbedingt so leicht.
Dabei solltest du dir übrigens nicht die Reden zum Maßstab nehmen, die du so
von Politikern kennst. Die meisten Politiker reden einfach drauf los oder lesen
Texte von Blättern ab. Ganz wenige lassen sich in Körpersprache und Stimme
schulen und meinen, das wär‘s dann. Aber das war es noch lange nicht. Eine
Keynote-Speech zu halten, ist ein äußert komplexes Handwerk, zu dem mehr
gehört als Bauchatmung.
Kurz: Einem professionellen Anspruch genügen die wenigsten der Reden, die
wir in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft so hören. Die meisten Reden sind
unklar und ermüdend.
Wenn du als Redner oder Rednerin stark wirken willst, ist zuallererst klare
Kommunikation wichtig. Du musst ganz klar wissen, …
• was du sagst – es geht also um klare Inhalte.
• was du nicht sagst – du grenzt also Irrelevantes ab.
• was du wie sagst – konkrete Formulierungen und Intonation zählen.
• was du wann sagst – du brauchst einen gut strukturierten Aufbau.
• was du wo sagst – du solltest die Bühne richtig nutzen.
Der Hamburger Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von
Thun (* 1944) hat mit dem „Hamburger Verständlichkeitskonzept“ vier
wesentliche „Verständlichmacher“ erarbeitet, von denen die Gliederung
womöglich der wichtigste ist. Daher geht es im ersten Kapitel dieses Kurses um
die Dramaturgie. Dramaturgie ist die Kunst, eine Abfolge von Gedanken zu
konstruieren, die schlüssig und spannend ist. Aber wie geht das?
DRAMATURGIE:DU ALS AUTOR
KAPITEL 1
1
Eine gute Gliederung ist das
Allerwichtigste.
Frank Asmus
6
Nutz die Dreigliederung!
Ein klassisches Konzept ist die Dreigliederung. „Aller guten Dinge sind drei“,
lautet die bekannte Redensart. Der Mensch kann sich auf Anhieb kaum mehr
merken als drei Aspekte. Eventuell kommt noch ein weiterer Punkt dazu – das
„one more thing“ („eine Sache noch“). Aber generell gilt die Dreigliederung.
Falls dein Altgriechisch inzwischen etwas eingerostet ist: die „Trias“.
Hier ein Beispiel: Ein Unternehmen bucht Frank Asmus,
um eine Vielzahl an Botschaften zu inszenieren. Das funktioniert nicht. Vorher
ist es wichtig, eine gute Gliederung zu bauen – in Gestalt einer Trias oder auch
einer Trias plus einem „one more thing“.
„One more thing“: Columbo dreht sich noch mal um
Erinnerst du dich an die TV-Serie „Columbo“? Der Schauspieler Peter Falk
(1927–2011) spielte über 69 Episoden hinweg den etwas zerstreut wirkenden
Inspektor Columbo, den kein Verbrecher so richtig für voll nimmt. Bei einem
Besuch Columbos fühlt sich der Verbrecher sicher, bis Columbo sich
verabschiedet. Der Verbrecher denkt, die Kuh sei vom Eis, doch an der Tür
dreht sich Columbo noch einmal um und fragt etwas ganz Fieses. Das ist
ein „one more thing“. Du sagst einfach sinngemäß: „Ach ja – eine kleine
Sache noch.“ Mit diesem Element kannst du eine Trias um ein Element
erweitern und so spannender machen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Columbo
Eine Gliederung zu bauen, bedeutet, Gedanken zu priorisieren. Das solltest du
tun, bevor du überlegst, wie du deine einzelnen Gedanken formulierst.
Die Trias
https://de.wikipedia.org/wiki/Triade_
(Philosophie)
Die vier Verständlichmacher (frei nach Schulz von Thun)
Einfachheit.
Du bringst das Wesentliche auf den Punkt und verwendest einfache Sätze.
Nichts an deiner Sprache ist unnötig kompliziert.
Gliederung/Ordnung.
Du weißt, welcher Aspekt wann kommt, und wie du deine Argumentation
aufbaust. Du weißt, wann du Pausen setzt.
Kürze/Prägnanz.
Du formulierst auf den Punkt und schweifst nicht ab. Du bringst keine
Nebensächlichkeiten, sondern verfolgst deinen Plan. Wenn du gesagt hast,
was zu sagen ist, schweigst du oder kommst zum nächsten Punkt.
Stimulanz.
Du arbeitest mit Hilfsmitteln, die deine Worte anschaulich machen – wie
Grafiken, Bilder und Metaphern. Du bindest dein Publikum ein und sprichst
die Menschen persönlich an.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Verständlichkeitskonzept
7
Klare Worte
Auch auf der sprachlichen Ebene brauchst du Struktur. Das gilt vor allem für
Sätze. Merk dir einfach: Eine klare Botschaft hat fünf oder weniger Wörter.
Das bedeutet nicht, dass du kein Satz länger sein darf – natürlich wechselst
du zwischen kurzen und längeren Sätze ab und erzeugst so Rhythmus. Aber
du brauchst deine wesentlichen Aussagen in höchster Prägnanz und Kürze.
Wenn du dich jetzt also beispielsweise für eine Trias entschieden hast, dann
braucht jeder der drei Teile eine knackige Überschrift, die auf den Punkt
bringt, worum es darin geht.
„Talking headlines“ und „Claim“
Die drei Botschaften deiner Trias nennt Frank Asmus die „talking headlines“.
Das heißt: Die Grundstruktur deines Vortrags besteht aus diesen drei
„sprechenden Schlagzeilen“. Sie transportieren deine „key messages“
(Schlüsselbotschaften). Unter diesen Überschriften formulierst du dann die
Kapitel jeweils aus.
Der gedankliche Bogen über diesen drei Kapiteln ist, gewissermaßen als
gemeinsames Dach, der „Claim“. Der Claim bringt die übergeordnete
Botschaft auf den Punkt, die „core message“ (Kernbotschaft). Sie bezieht sich
auf alle drei „talking headlines“ und bildet die gedankliche Ebene darüber.
Beispiel: Das iPhone
Steve Jobs‘ (1955–2011) Präsentation des ersten iPhones im Jahr 2007 basierte
auf einer Dreigliederung beziehungsweise drei klaren Botschaften. Die „talking
headlines“ beziehungsweise Schlüsselbotschaften waren:
1. „ein iPod mit Touch-Control“
2. „ein revolutionäres Telefon“
3. „ein mobiler Internet-Communicator“
Der Claim beziehungsweise die Kernbotschaft über
diesen drei Schlüsselbotschaften lautete:
„Apple erfindet das Telefon neu.“
Das bedeutet: Unter der Überschrift „ Apple erfindet das Telefon neu“ spricht
Steve Jobs der Reihe nach über die Schlüsselbotschaften „ein iPod mit
Touch-Control“, „ein revolutionäres Telefon“ und „ein mobiler Internet-
Communicator“.
Steve Jobs‘ legendäre Präsentation des iPhone
https://www.youtube.com/watch?v=9hUIxyE2Ns8&t=14s
8
Grafisch lässt sich diese Struktur so darstellen:
Der Claim über den sprechenden Schlagzeilen: Oben steht der Claim
als Kernbotschaft, und darunter stehen drei „talking headlines“ („TH“) als
Schlüsselbotschaften.
Bevor du also zu formulieren oder gar zu sprechen beginnst, brauchst du
drei Schlüsselbotschaften und eine übergeordnete Kernbotschaft. Vor
allem die Kernbotschaft willst du mit deinem Publikum teilen – dass sie
sich in den Köpfen der Menschen gut verankert, ist dein Ziel. Arbeite also
unbedingt an deiner Kernbotschaft. Sie muss sonnenklar sein. Dadurch
verstärkst du deine Wirkung enorm.
Claim
TH2TH1 TH3
Übung
Wie lautet deine Kernbotschaft?
Wie lautet deine TH1?
Wie lautet deine TH2?
Wie lautet deine TH3?
9
ARA am Anfang
Wenn du Kernbotschaft, TH1, TH2 und TH3 definiert hast, brauchen wir
einen Anfang und ein Ende – und schon hast du fünf Teile, wie sie auch
in der Dramatik bei Fünfaktern zu finden sind. Wir bauen jetzt deine
Keynote-Speech Stück für Stück zusammen.
ARA für den Anfang
Für den Anfang gilt das Prinzip „ARA“: Absicht, Relevanz, Agenda. Diese drei
Elemente kannst du am Anfang zusammen verwenden:
1. Die Absicht. Am Anfang formulierst du möglicherweise deine Absicht,
also dein Kommunikationsziel. Du notierst, was du mit dem Vortrag
bezweckst. Diesen Teil kannst du bringen, du musst aber nicht. Die
Absicht zu benennen, ist ein Nice-to-have.
2. Die Relevanz. Dann vermittelst du unbedingt die Relevanz deiner
Worte. Denn jetzt wollen die Menschen erfahren, warum du kompetent
bist für diesen Vortrag und was es ihnen bringt, dir zuzuhören.
Warum sprichst ausgerechnet du? Hier stellst du dich kurz dar und
beweist deine Kompetenz. Aber bitte nicht, indem du einen
Lebenslauf herunterspulst. Diesen Teil brauchst du unbedingt. Die
Relevanz klar-zumachen, ist ein Must-have.
3. Die Agenda. Danach verrätst du möglicherweise deine Agenda, also
den Ablauf. Die Agenda ist wieder ein Nice-to-have.
„ARA“ besteht also aus zwei Nice-to-haves und einem Must-have:
Absicht (Nice-to-have)
Relevanz (Must-have)
Agenda (Nice-to-have)
Warum ist die Relevanz das Wichtigste am Anfang? Weil du damit die
Aufmerksamkeit deines Publikums bekommst. Wichtig ist erst einmal
nicht die Absicht, die ja deine ist und die dein Publikum deswegen
möglicherweise zunächst nicht als relevant erkennt. Wichtig ist erst mal,
dass dein Publikum eine Aussicht darauf bekommt, dass ihm das Zuhören
etwas bringt und dass Hand und Fuß hat, was du sagst.
10
Übung
Bitte formulier jetzt Absicht, Relevanz
und Agenda. Auch wenn du Absicht und
Agenda später möglicherweise nicht im
Vortrag erwähnst, solltest du für dich
darüber Klarheit besitzen.
Wie formulierst du deine Absicht?
Wie formulierst du die Relevanz?
Wie formulierst du die Agenda?
11
Der „Golden Circle of Communication“
Wenn du dir einmal vergegenwärtigst, wie die meisten Unternehmen
kommunizieren und wie auch die meisten Vorträge beginnen, dann wirst
du sehen: Kaum jemand arbeitet mit Kern- und Schlüsselbotschaften
oder mit dem Prinzip ARA. Meistens steht die Sache am Anfang,
beispielsweise ein Produkt. Aus der Sicht des unbeteiligten Publikums ist das
möglicherweise nicht der Aspekt, der es fesselt. Daher sollte die Relevanz
vorne stehen, nicht die Sache.
Der „Golden Circle of Communication“ zeigt, wie du die Perspektive
wechseln und aus Sicht deines Publikums beginnen kannst. Der klassische
Weg führt von außen nach innen – das ist wenig spannend. Viele
Unternehmen beginnen mit dem „What“, dem Produkt. Dann kommen sie
zum „How“ und beschreiben, wie dieses Produkt gebaut ist und worin es
sich von anderen Produkten unterscheidet. Über das „Why“ sprechen viele
Unternehmen gar nicht. Und das ist schade, denn das „Why“, also das Motiv,
kann Menschen emotional stark berühren.
Besser ist es, im „Golden Circle of Communication“ von innen nach außen
zu gehen und einen Sog zu erzeugen: Du beginnst mit dem „Why“ – das
ist die Relevanz. Hier zeigst du, was der tiefere Sinn dessen ist, worüber du
sprichst. Nach dem Why kommst du zum „What“ – das ist deine Absicht.
Dann kommst du zum „How“, also zur Agenda. Das ARA-Prinzip lässt sich im
„Golden Circle of Communication“ also wunderbar darstellen.
WhatEinen Sog erzeugen
How
Why
Relevanz
Agenda
Absicht
12
Übung
Wie zeigst du zu Beginn deiner Keynote,
dass du sympathisch bist?
Wie machst du deine Kompetenz
glaubwürdig?
Mit welchem relevanten Aspekt
steigst du ein?
Der „Golden Circle of Communication“:
• Das „Why“, also der tiefere Sinn, entspricht
bei einer Keynote-Speech der Relevanz.
• Das „How“, also die Details zum Produkt, entsprechen
bei einer Keynote-Speech der Agenda.
• Das „What“, also das Produkt selbst, entspricht
bei einer Keynote-Speech der Absicht.
Drei Aufgaben zu Beginn
Am Anfang musst du unbedingt sehr
rasch drei Dinge bewirken:
• Die Leute müssen interessiert
sein, das heißt: Du musst
Relevanz liefern.
• Die Leute sollen dich mögen.
Das heißt: Du musst
sympathisch sein.
• Die Leute sollen dir vetrauen.
Das heißt: Du musst
kompetent sein
13
Essenz am Ende
Auch für das Ende gibt es ein Konzept. Achte mal darauf, wie die meisten
Redner ihre Vorträge abschließen: Viele bringen eine Zusammenfassung.
Gähnend langweilig! Schon wenn ein Redner eine Zusammenfassung
ankündigt, versetzen sich manche Menschen im Publikum auf ihren
Sesseln in Schlafstellung. Eine Zusammenfassung wirkt didaktisch –
deutlicher gesagt: oberlehrerhaft. Da fehlt oft nur noch, dass jemand sagt:
„Und die Moral von der Geschicht‘ …“. Will man das heute? Nein. Diese Zeiten
sind sicher vorbei.
Damit das Ende nicht zu didaktisch wirkt, solltest du von einer Zusammen-
fassung absehen. Stattdessen geht es eher um die Essenz, also um das
Wesentliche. Am Ende stellt sich dem Publikum nicht die Frage, was du
alles gesagt hast, sondern, was daraus folgt. Die Menschen wollen jetzt
die Bedeutung dessen erfahren, was du gesagt hast. Das geht ein wenig
in die Richtung des Claims, der Kernbotschaft, ist aber noch näher an den
Menschen im Publikum dran. Eine Essenz kann ein starker Impuls sein,
eventuell ein Call-to-action, mit dem du den Menschen sagst, was sie jetzt
tun sollen. Es kann auch der nächste Schritt sein, der aus deinen Worten
folgt. Welche Essenz auch immer du formulierst – sie sollte möglichst
konkret sein. Vor allem als Appell.
Du kannst auch vor die Essenz deine Mission setzen und dadurch deinem
Publikum begreiflich machen, weshalb du für das Thema brennst. Viele
Top-Speaker bringen ihre Mission vor der Essenz. Sie schauen noch einmal
von außen auf die Situation und sich selbst und vermitteln emotional und
sachlich einleuchtend, warum ausgerechnet sie es sind, die sich jetzt für
Umweltschutz einsetzen oder für Gerechtigkeit oder mehr Erdnussbutter
zum Frühstück. Dahinter steckt oft ein Erlebnis, das die Leute richtig packt,
wenn man es richtig erzählt.
14
Übung
Welche Essenz willst du bringen? Was ist
das Wesentliche?
Welchen starken Impuls hast du am Ende?
Welchen Appell?
Welche Mission erzählst du? Warum bist
du emotional so stark dabei?
15
Die Szenen
Du hast jetzt eine Kernbotschaft, drei Schlüsselbotschaften, einen Anfang
und ein Ende und vielleicht ein „one more thing“. Jetzt geht es um das Futter
in dieser Struktur. Aus Sicht eines Theatermenschen hast du drei Hauptakte.
Ein Akt besteht aus Szenen. Manchmal heißt der Akt auch „Aufzug“ – aber
nicht im Sinne des englischen „elevator“ wie im Hochhaus, sondern in dem
Sinne, dass der Vorhang aufgezogen wird.
Akte und Szenen kennst du sicher aus der Dramatik: Der berühmte Tod von
Romeo und Julia im gleichnamigen Schauspiel von William Shakespeare
(1564–1616) spielt im fünften Akt und dort in der dritten (und letzten)
Szene. Er denkt, sie sei tot, und vergiftet sich. Sie wacht auf, sieht ihn tot
und ersticht sich. Es ist typisch Shakespeare: Figuren handeln aufgrund von
Falschinformationen, und es hat tödliche Folgen.
Genauso spielerisch darfst du gerne denken, wenn du deinen Vortrag
planst. Welche Szenen spielen also in deinen Akten? Du brauchst jetzt
innerhalb jedes Akts eine Abfolge von Inhalten. Diese Inhalte können
unterschiedlichster Art sein. Am Ende sind es Beweise, mit denen du jeweils
deine „talking headline“ untermauerst. Beweise können zum Beispiel sein:
• Zahlen, Daten und Fakten, die dich kompetent wirken lassen. Vor
allem wenn du vor Fachpublikum sprichst und gleich zu Beginn deine
Kompetenz beweisen musst, eignen sich neue, starke Zahlen.
• Beispiele, vor allem in Form von Storys. Geschichten brauchst du
unbedingt, damit die Menschen deinen Gedanken folgen. Mit
Geschichten betrittst du die Vorstellungswelten deiner Zuschauer
und Zuhörer.
• Gags, die in aller Kürze auf den „Punkt“ bringen („Pointe“), wie sehr deine
These zutrifft. Im Grunde sind Gags aber Geschichten.
Die Struktur deines Vortrags sieht dann so aus:
ClaimRelevanz Essenz
TH1 TH2 TH3
Beweis Beweis Beweis
Beweis Beweis Beweis
Beweis Beweis Beweis
16
Die Dramaturgie: Dein Vortrag steht unter einem Claim – das ist die alles
entscheidende Kernbotschaft, die alles umfasst. Du beginnst mit der
Relevanz und gehst über zur ersten „talking headline“ – deiner ersten
Schlüsselbotschaft. Diese untermauerst du mit Beweisen in Gestalt von
Zahlen, Daten, Fakten und vor allem von Storys. Dann kommst du zur
zweiten „talking headline“, ebenfalls mit Beweisen untermauert, und
schließlich zur dritten „talking headline“. Am Ende folgt die Essenz – nicht
als Zusammenfassung, sondern eher als Conclusio, also als Folgerung oder
als folgender Schritt.
Die Heldenreise nach Christopher Vogler (* 1949)
1. Ausgangspunkt ist die gewohnte, langweilige
oder unzureichende Welt des Helden.
2. Der Held wird von einem Herold zum Abenteuer gerufen.
3. Diesem Ruf verweigert er sich zunächst.
4. Ein Mentor überredet ihn daraufhin, die Reise
anzutreten, und das Abenteuer beginnt.
5. Der Held überschreitet die erste Schwelle,
nach der es kein Zurück mehr gibt.
6. Der Held wird vor erste Bewährungsproben gestellt
und trifft dabei auf Verbündete und Feinde.
7. Nun dringt er bis zur tiefsten Höhle, zum gefährlichsten
Punkt, vor und trifft dabei auf den Gegner.
8. Hier findet die entscheidende Prüfung statt:
Konfrontation und Überwindung des Gegners.
9. Der Held kann nun den „Schatz“ oder „das Elixier“ (konkret: ein
Gegenstand oder abstrakt: besonderes, neues Wissen) rauben.
10. Er tritt den Rückweg an, während dessen es zu seiner
Auferstehung aus der Todesnähe kommt.
11. Der Feind ist besiegt, das Elixier befindet sich in der Hand des Helden.
Er ist durch das Abenteuer zu einer neuen Persönlichkeit gereift.
12. Das Ende der Reise: Der Rückkehrer wird
zu Hause mit Anerkennung belohnt.
Quelle: Wikipedia.https://de.wikipedia.org/wiki/Heldenreise
Wichtig: Es gibt keine Regel, wie
viele Szenen du einem Akt zuord-
nest, also wie viele Beweise eine
„talking headline“ braucht. Viele
Top-Speaker nehmen drei. Wichtig
ist in jedem Fall: Wenn du gesagt
hast, was zu sagen war, gehst du zum
nächsten Punkt über.
17
Übung
Welche Beweise bringst du für deine
Schlüsselbotschaften?
TH1:
TH2:
TH3:
18
Dein Storytelling
Damit die Menschen einer Geschichte folgen, brauchst du eine Situation.
Das klingt banal, hat aber Sinn: Eine Situation besteht aus einer Zeit, einem
Ort und aus Personen.
Schwach: Geschichte ohne Ort und Zeit
Ein Freund und ich gingen spazieren.
Mittel: Geschichte ohne Zeit
Ein Freund und ich gingen im Botanischen Garten spazieren.
Stark: Geschichte mit Ort und Zeit
Ein Freund und ich gingen im Botanischen Garten spazieren. Es war ein
warmer Juni-Abend in Berlin.
Natürlich kannst du Geschichten noch mit Atmosphäre anreichern:
Ein Freund und ich gingen im Botanischen Garten spazieren. Es war ein
warmer Juni-Abend in Berlin, die Linden dufteten intensiv.
Ohne Ort und Zeit wirken Geschichten fad und vage. Ort und Zeit machen das
Geschehen konkret. Weitere Attribute machen die Situation anschaulich –
wobei natürlich alles stimmen muss. Linden blühen im Juni, nicht im April.
Wenn du Situationen intensiv beschreibst, erzeugst du in den Köpfen deines
Publikums Großaufnahmen wie beim Film („Close-ups“). Das ist wichtig,
denn Großaufnahmen erzeugen Nähe.
Close-up-Momente erzeugen Fantasie.
Frank Asmus
19
Zeit Vor vierzehn Tagen ... Personen ... war ich ... Ort ... in Shanghai
in einem Hotel. In diesem Hotel war ich vor zehn Jahren schon
einmal. Konflikt Aber heute war etwas anders. Großaufnahme Ich
fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss. Unten angekommen, trat
ich vor die Türe. Vor zehn Jahren war da noch der Lärm der
Zweitaktmofas. Aber heute – Stille. Höhepunkt Wenn wir uns
über Elektromobilität unterhalten, müssen wir nach China
schauen. Learning
Der Höhepunkt
Eine gute Geschichte steuert auf einen Höhepunkt zu. Aus diesem
Höhepunkt leitest du möglicherweise ein Learning ab, also eine
Erkenntnis für dein Publikum. Auch Konflikte oder Brüche machen deine
Storys spannend. Ein Konflikt ist eine Auseinandersetzung mit
Schwierigkeiten auf dem Weg zur Lösung. Vor allem bei längeren
Geschichten sind Konflikte elementar.
Elemente fürs Storytelling: Ort, Zeit und Personen beschreiben eine
Situation. Geh ins Detail, und du hast wie im Film eine Großaufnahme. Mach
es spannend durch einen Konflikt und steuere auf einen Höhepunkt zu,
der ein Learning transportiert.
Elemente fürs Storytelling:
GroßaufnahmeZeit
Learning
PersonenKonflikt
OrtHöhepunkt
20
Das Kontrastprinzip
Beim Storytelling kannst du auch das Kontrast- oder Kontextprinzip
verwenden. Die Bedeutung eines Produktes wird oft erst durch den
Kontext klar. Eine Wasserentsalzungsanlage für 20 US-Dollar erscheint uns
zunächst nicht relevant. Erfahren wir aber vorher den Kontext, wie viele
Meeresanrainer kein Trinkwasser haben, empfinden wir den Gedanken als
interessant. Martin Luther King (1929–1968) arbeitete in seiner Rede „I have
a dream“ ähnlich, indem er die Menschenrechtslage in den USA der 1960er
Jahre in Kontrast stellte zu seinem „Traum“. Aus dieser Diskrepanz entsteht
Spannung.
Die Fallhöhe
Dramaturgisch gesehen, ist das Kontrastprinzip verwandt mit der
sogenannten Fallhöhe: Widerfährt einem Bettler ein Unglück, ist das wenig
spannend, weil er ohnehin schon unten ist. Geschieht dieses Unglück
einem Mitglied der High-Society, empfinden wir den Absturz stärker. Das ist
zwar fies, aber der Mensch tickt so.
Übung
Welche Story(s) erzählst du?
21
Übung
Welche Zwischenspiele bringst du?
Das Zwischenspiel
In diese Dramaturgie kannst du jetzt noch „knee-plays“ einbauen –
Zwischenspiele, die die Elemente deiner Dramaturgie miteinander wie ein
Knie verbinden. Das können zum Beispiel sein:
• ein „big picture“ nach der Relevanz, bevor du zur ersten „talking
headline“ kommst. Hier öffnest du den ganz großen Kontext.
• deine Mission, bevor du zur Essenz kommst. Hier verstärkst du noch
einmal deine Wucht, indem du eine tief motivierte Haltung zeigst.
Philip Glass und die Knee Plays
Wenn du abgefahrene zeitgenössische Klassik liebst (ja, das gibt es),
dann hör dir mal die Stücke aus der Oper „Einstein on the Beach“ des
US-Komponisten Philip Glass (* 1937) an, zum Beispiel das Stück „Knee 5“.
Glass hat den Gedanken des „Knee Plays“ übertrieben, und im Text wird vor
allem gezählt. Sehr sophisticated!
22
Prolog und Epilog
Sogar die Begriffe „Prolog“ und „Epilog“ lassen sich vom Theater auf
Keynote-Speeches übertragen: Vor- und Nachspiel. Die wenigen Sekunden
vor deiner Speech, bevor du sprichst – das ist der Prolog. Hier geht es
ebenso um die Beziehungsebene wie beim Epilog, der kurzen Zeit, bevor
du von der Bühne gehst. Auch nach deiner Rede demonstrierst du
Sympathie und Kompetenz.
Drei wichtige rhetorische Mittel
„Der authentische Ausdruck ist wichtiger als das strategische
Wirk-bewusstsein“, heißt es in der Kommunikation. Das ist äußerst wichtig.
Wenn etwas strategisch wirkt, empfinden die Menschen es als gekünstelt,
bemüht, affektiert und damit als unauthentisch. Dass du authentisch wirkst,
ist aber nun einmal das Wesentliche. Wenn du nicht authentisch wirkst,
solltest du daran unbedingt arbeiten.
Vor diesem Hintergrund solltest du darauf achten, kein Rhetoriktheater
abzuliefern. Seien wir ehrlich: Wir haben jede Menge rhetorisch perfekte
Redner, die am Ende viel zu wenig Substanz vermitteln. Darum Vorsicht:
Wenn du dich in Körpersprache und Stimme perfekt ausbilden lässt, könnte
es sein, dass du am Ende wie eine Sprechpuppe wirkst. Das artet leicht
in eine Darstellungsform aus, die bösartige Profis gerne „Bauerntheater“
nennen.
Bauerntheater
Wir wollen der landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung nicht unrecht tun,
aber die Bauernschaft hat nun einmal leider den Begriff geprägt. An
sich war und ist „Bauerntheater“ eine wunderschöne ländliche und
kleinstädtische Theaterform, bei der oft regionale Komödien zu sehen
sind, meist nicht unbedingt von Stars gespielt, sondern von Laiengruppen.
Fies wird der Begriff „Bauerntheater“ dann, wenn er die Qualität von
Schauspielern charakterisiert. Kennst du die Durchsagen in Supermärkten,
in denen ganz normale Mitarbeiterinnen erst den Spargel anpreisen
und dann mit einem theatralischen Gestus den Claim des Supermarktes
aufsagen? „Kaufland! Gutes kann so billig sein.“ Wenn das niemand
Ausgebildetes intoniert, ist es Bauerntheater. Gemein, aber treffend.
23
Frank Asmus empfiehlt daher, dass du dich nur auf drei rhetorische Mittel
konzentrierst:
1. die Pause. Bevor du sprichst, mach drei Sekunden Pause. Das ist
schwer, aber schafft eine Verbindung zum Publikum. Außerdem
gliedert die Pause und schafft Betonung. Die Pause ist das wichtigste
rhetorische Mittel.
2. die Wiederholung. Menschen brauchen Wiederholungen, um sich
Dinge zu merken. Daher kannst du Wichtiges wiederholen.
3. die Frage. Fragen öffnen Menschen. Sie führen zum Problem oder zur
Lösung. Wichtig ist, dass du es nicht übertreibst. Dein Auftritt sollte
unbedingt stimmig bleiben.
Stimmigkeit
Noch wichtiger als Authentizität ist Stimmigkeit.
Stimmigkeit = Authentizität + Adressatenbezug + Situation
Es genügt nicht, authentisch zu sein. Wie du sprichst, muss nicht nur deiner
Persönlichkeit entsprechen, sondern du solltest auch gegenüber deinem
Publikum und gegenüber der Situation angemessen sein.
Übung
Denk an die Situation, in der du deine
Rede vortragen wirst. Was ist der
Situation gegenüber angemessen?
(Beispiel: Welcher Kleidungsstil, wie viel
Humor, joggst du auf die Bühne oder
läufst langsam, etc.)
24
Erzähl die Geschichte deines
Unter-nehmens als Heldenreise:
die Anfänge, die Professionalisierung,
der Erfolg.
Welche Fragen setzt du ein?
25
INSZENIERUNG:DU ALS REGISSEUR
KAPITEL 2
2Mit wem darfst du arbeiten?
Nachdem du die Dramaturgie deiner Keynote-Speech geplant hast, geht
es an die Inszenierung. Denn du bist nicht nur Autorin oder Autor deiner
Speech, sondern du führst auch die Regie. Das heißt: Du entscheidest, wie
der Darsteller später – der ebenfalls du bist – deinen in Kapitel 1 geplanten
Ablauf spielen soll.
Wenn ein Regisseur einen Inszenierungsauftrag übernimmt, was
interessiert ihn da zuerst? Ihn interessiert, mit welchen Schauspielern er
arbeiten wird. Bei Keynote-Speeches spielt diese Überlegung in der
Realität kaum eine Rolle, obwohl sie ziemlich wichtig ist.
Also überleg mal: Wer ist der Darsteller, die Darstellerin? Wie stehst du da,
wie siehst du aus, wie bewegst du dich, wie flexibel bist du im Agieren? Du
brauchst unbedingt eine Status-quo-Analyse. Welche Stärken und welche
Schwächen hast du? Sieht es gut aus, wenn du auf die Bühne joggst?
Stolperst du immer mal wieder? Bist du stressresistent und bleibst cool,
wenn etwas Unvorhergesehenes geschieht? Kommst du locker rüber oder
verkrampft?
Es gibt inszenatorische Verstärker,
aber das sind nur Verstärker. Was zählt,
sind deine Dramaturgie und deine
Performance.
Frank Asmus
Achtung, peinlich!
Angenommen, du würdest von dir
sagen, du könntest singen. Weil du
vielleicht im Kirchenchor singst. Dann
heißt das noch lange nicht, dass du
auch auf der Bühne singen solltest.
Das betrifft alles, was du so einiger-
maßen kannst, dass es für dich und
deine Freunde ausreicht. Auch dass
du zufällig Gitarre spielst, heißt nicht,
dass du das auf der Bühne tust, nur
weil es möglich ist. Bist du in diesen
Bereichen nicht wirklich top, wirkt es
oft rasch peinlich. Und wirklich: Das
ist schlimmer als Bauerntheater.
Übung
Was kannst du gut, was weniger gut?
26
In welchem Raum spielt die Show?
Die zweite Frage ist die Frage nach dem Raum. Wo findet die Show
statt? Bei Steve Jobs war die Bühne in aller Regel leer – später saß er im
Sessel oder auf einer Couch. Bei der Präsentation des iPad war die Couch
wichtig, weil sie dem Publikum zeigte, wofür das iPad dient. Sie war bewusst
eingesetzt und gehörte zum inszenierten Raum.
Der Techniker ist dein Freund
Auch das Licht und Ton solltest du prüfen. Stimmt alles? Sieht man dich
gut? Hört man dich gut? Gibt es Ecken, die du meiden solltest, weil es sonst
Rückkopplungen gibt? Willst du die Bühne gleichmäßig ausgeleuchtet
haben, oder wünschst du dir Schwerpunkte, beispielsweise mit Spots? Je
nach Raum gibt es wenige bis viele technische Möglichkeiten. Melde dich
beim Veranstalter oder bei der Technik, wenn dir etwas nicht passt – oder
besser: Stell dich mit den Technikern generell gut und betrachte sie als
wichtige Teammitglieder. Gute Techniker erfüllen dir manchmal Wünsche,
von denen du gar nicht dachtest, dass sie erfüllbar sind.
Mit welchem Bühnenbild arbeitest du?
Mit was für einem Bühnenbild willst du arbeiten? „Bühnenbild“ – das klingt
jetzt wirklich sehr nach Theater und Musical, aber dennoch: Nimm den
Gedanken ernst! Schon Powerpoint-Folien sind ein Bühnenbild. Die Frage
ist, wie du den Raum gestaltest, in dem du auftrittst.
Angenommen, die Rückwand ist grün, solltest du vielleicht überlegen, ob
dein grünes Sakko hier wirklich klug eingesetzt ist.
Bildschirmpräsentationen als Bühnenbild
In Vortragssälen sind Bildschirmpräsentationen oft so riesig, dass sie die
gesamte Bühne dominieren. Du solltest vorher prüfen, wo genau der
Beamer die Folien präsentiert und wie groß sie sind. Stehst du im Beamer-
Licht? Gar nicht gut! Also brauchst du einen Platz, an dem weder du die
Präsentation störst noch sie dich.
27
Faustregeln für
Bildschirmpräsentationen
• Nimm pro Argumentations-
mittel nur eine Folie.
• Wenn du Wörter oder Sätze
nutzt, dann musst du sie in dem
Moment aussprechen, in dem
sie auf der Wand erscheinen.
• Wenn du die Elemente deiner
Dramaturgie visuell unterstützen
willst, eignen sich auch Grafiken
und vor allem Fotos.
Und, ach übrigens: Nichts, was nicht nötig ist, solltest du einsetzen.
Anders gesagt: Auf der Bühne ist nur, was du unbedingt brauchst. Richtige
Qualitätskiller sind Folien, die einfach nur an die Wand gestrahlt sind, weil
sie eben an der Stelle der Präsentation auftauchen, an der du gerade bist
– während du aber über etwas anderes sprichst. Eine Folie ist immer ein
visueller Verstärker deiner Botschaft oder deines Arguments. Wenn du
etwas sagst, was nicht zur Folie passt, ergibt die Verstärkung Unfug.
Eine Powerpoint- oder auch Keynote-Folie ist dann gut, wenn sie dich
stärker macht. Das gelingt meist, indem wenig draufsteht. Am besten
verwendest du nur eine Folie für jeden Beweis.
Mach deine Fotos selbst!
Sei immer aufmerksam, wenn du unterwegs bist: Welche Situationen kannst
du fotografieren und später zur visuellen Unterstützung nutzen? Mach
deine Fotos dabei immer selbst – dann bist du der Fotograf, und sie gehören
dir. So sammelst du deine persönlichen Geschichten. Achte darauf, dass
du keine Menschen fotografierst, schon gar keine Kinder, keine
persönlichen oder gar privaten Räume und keine Kunstwerke. Wenn du
dich hier genauer informieren willst, solltest du dich mit Urheberrecht
befassen. Es gibt im Internet gute Videos dazu.
https://www.youtube.com/watch?v=O1K7ZaxSj9U
Erlaubt es die Größe der Bühne, kannst du mit Flipchart arbeiten – oder
auch mit mehreren Flipcharts. Dann kannst du zwischen verschiedenen
Aussagen buchstäblich hin- und herlaufen, während die Aussagen jeweils
stehen bleiben.
Übung
Was ist für dein Bühnenbild
unbedingt nötig?
28
Mit welcher Choreografie arbeitest du?
„Choreografie“ bedeutet natürlich nicht, dass du eine Operette oder ein
Musical inszenierst. Du musst keine Tanznummern einlegen. Und das
gilt natürlich auch dann, wenn du tanzen kannst – erinnere dich an die
Warnung mit der Peinlichkeit. Nein, es ist alles viel einfacher: Der Begriff
„Choreografie“ bezeichnet nur dein Verhältnis zum Raum. Von wo nach wo
bewegst du dich? In welchem Tempo?
Weil wir in Mitteleuropa und Nordamerika seit Jahrhunderten von links
nach rechts schreiben, erwarten wir den Anfang konventionell links. Unser
Gehirn passt sich tatsächlich der Leserichtung an. Und tatsächlich, es ist wie
verhext: Beim Theater kommt der Gute klassischerweise von links, der Böse
von rechts – er bildet so die Konfrontation. Kommt der Gute von rechts ins
Bild, dann kommt er nach Hause zurück. Wie zum Beispiel Peer Gynt aus
dem gleichnamigen Drama von Henrik Ibsen (1828–1906), der nach einem
Abenteurerleben zu seiner Solvejg zurückkehrt, die ein Leben lang auf ihn
gewartet hat und ihm alles verzeiht.
Kulturen, die von rechts nach links schreiben
Manche Kulturen schreiben von rechts nach links – zum Beispiel der
arabische Raum und Israel. Solltest du dort auftreten, informier dich vorher
über die Konventionen.
Das Gleiche gilt übrigens auch für Bewegungen auf Folien: Schau, dass sich
die Dinge von links nach rechts bewegen. Stimmt die Richtung nicht, geht
das vielen Zuschauern „gegen den Strich“.
Auf der Bühne gibt es dann für deine Choreografie drei Hauptpositionen:
• Wenn du auf dem Bühnenrand sitzt, erzeugt das eine leise Stimmung
der Nähe, und du wirkst sehr persönlich auf dein Publikum. Stell dir vor,
du erzählst ein Geschehen, das dich richtig getroffen hat. Du erzählst
es leise und nachdenklich und sitzt auf der Bühnenkante. Wow, was für
eine Wirkung! Das gibt Gänsehaut.
• Von der Bühne aus gesehen hinten, also weg vom Publikum Richtung
Wand – hier tritt deine Persönlichkeit in den Hintergrund. Folie oder
Flipchart werden wichtiger. Hier stehst du, wenn sich die Leute auf
deine Präsentation konzentrieren sollen. Hier ist der Ort für Beweise,
also für Fakten.
• In der Mitte der Bühne: Hier nimmst du den gesamten Raum ein, die
ganze Bühne gehört dir. Hier ist der Ort für deine Schlüsselbotschaften.
Und ach ja, eine kleine Sache noch („one more thing“): Im Publikum stellst
du eine Beziehung zu den Menschen im Publikum her.
Übung
Welche Inhalte deiner Rede sprichst du wo?
29
Achte auf Angemessenheit
Die Qualität deiner Keynote-Speech
hängt von deiner Dramaturgie und
deinem persönlichen Auftritt ab. Die
Inszenierung ist nur ein Verstärker. Ob
dein Auftritt gut wird oder nicht, hängt
nicht von technischen Special Effects
ab und auch nicht davon, wie viele
Flipcharts oder welche Soundeffekte
du verwendest. Achte daher immer
auf Angemessenheit: Die Technik soll
dich unterstützen. Sie ist niemals ein
Lückenfüller für inhaltliche Defizite.
Welche Requisiten setzt du ein?
Du musst nicht gleich mit einem Oldtimer auf die Bühne fahren, und du
brauchst auch keinen Hubschrauberflug wie in dem Musical „Miss Saigon“.
Angemessenheit ist wichtig. Also schau mal, welche Requisiten deine
Aussagen unterstützen, ohne zu viel Arbeit zu machen oder übertrieben zu
wirken.
Das Schöne an Requisiten ist: Sie bringen Realität ins Spiel. Hier ein Beispiel.
Ein Unternehmer nutzt einen dreibeinigen Schemel als Requisite. Dieser
dient als Verstärker für die Aussage, dass sein Unternehmen aus drei
Werken bestehe.
Da ein Schemel drei Beine braucht und mit zweien umkippt, ist er die
ideale Visualisierung für das Versprechen, ein Werk nicht zu schließen.
Und ein Schemel ist völlig einfach aufzutreiben und zu transportieren:
Das Verhältnis zwischen Notwendigkeit der Requisite und ihrem Aufwand
passt also.
Der Hubschrauber in „Miss Saigon“ (Stage Apollo Theater Stuttgart)
https://www.youtube.com/watch?v=iuiKC24kUsE
Übung
Welche Requisiten können deine
Aussagen unterstützen?
30
Wie inszenierst du den Claim?
Ganz wichtig ist die Frage: Wie inszenierst du den Claim? Also deine
Kernbotschaft?
Auf viele, die nicht in der Theaterwelt zu Hause sind, wirkt das Wort
„inszenieren“ sehr wuchtig. Sie denken gleich an einen Riesenaufwand –
eben an den Hubschrauber in „Miss Saigon“. Aber eine Inszenierung kann
auch ganz einfach sein. Ein wunderschönes Beispiel ist die Inszenierung
des MacBook Air im Jahr 2008 durch Steve Jobs: Er zog das MacBook Air
aus einem Briefumschlag heraus. Das war die perfekte Inszenierung des
Claims „das dünnste Notebook der Welt“, und das mit minimalistischen
Mitteln. Vielleicht siehst du, dass oft der geringe Einsatz von Material die
größte Wirkung erzeugt.
Fakt ist jedenfalls: Die meisten Speaker haben gar keinen Claim – und wenn
sie einen haben, inszenieren sie ihn nicht. Das muss anders werden! Und
darum wirst du deine Kernbotschaften ab heute inszenieren.
Übung
Wie inszenierst du deinen Claim,
deine Kernbotschaft?
31
Welche Musik setzt du ein?
Auch Musik gehört zu den Möglichkeiten bei einer Inszenierung. Aber
auch das muss gekonnt sein. Wie oft hat man in der Speaker-Szene schon
„Star-Wars“-Musik gehört, wenn der Speaker die Bühne betritt? Oder
sonstige monumentale Musik aus irgendwelchen Hollywood-Schinken?
Für musikalische Menschen ist so etwas oft der reine Horror, und du solltest
niemals die Menschen unterschätzen. In einem Publikum sitzen in aller
Regel einige musikalische Menschen. Wenn du die nicht verlieren willst,
zeig ein bisschen Stil und setz geschmackvolle Musik geschmackvoll ein.
Wenn du bei den Stichwörtern „Stil“ und „geschmackvoll“ jetzt denkst, das
müsse Klassik sein, weißt du, dass du unmusikalisch bist – sorry. Such dir in
diesem Fall bitte einen Profi, der dir hilft.
Ganz im Ernst: Wenn ein mittelmäßiger Speaker bei viel zu lauter
Monumentalmusik wie ein Boxer auf die Bühne stampft, beweist er damit
eigentlich nur die Abwesenheit jeglicher Ästhetik in seinem Denken. Es ist
Effekthascherei, was für sich alleine noch gar nicht so schlimm wäre. Nur:
Solche Speaker arbeiten so dermaßen offensichtlich in dem Bewusstsein,
mit billigsten Effekten Menschen für sich zu gewinnen, dass man sich als
Profi dafür unweigerlich fremdschämt.
Also, wenn du unmusikalisch bist oder von Musik keine Ahnung hast: Lass
dich von jemandem beraten, der sich auskennt. Du brauchst eine Musik, die
zu dir passt, zu deinen Botschaften und zur Situation.
Übrigens kannst du mit Filmmusik auch richtig Ärger bekommen, weil du
damit in aller Regel Urheberrechte verletzt. Darum brauchst du unbedingt
sogenannte GEMAfreie Musik. Die GEMA ist die Verwertungsgesellschaft
für Musikrechte in Deutschland, und die Leute dort haben bei allen
möglichen Veranstaltungen ein feines Ohr für die Musik, die da läuft. Wer
bei der GEMA arbeitet, ist übrigens in aller Regel nicht doof, und musikalisch
sind diese Leute meistens auch noch. Sie kennen somit sehr viele Lieder
– drum herum kommen ist somit nicht möglich.
GEMA-freie Musik
GEMA-freie Musik, die du bei deinen
Auftritten verwenden kannst, findest du
bei zahlreichen Anbietern im Internet.
Google einfach „gemafreie Musik“. Die
Bezahlmodelle sind vielseitig: Manch-
mal bezahlst du eine Flatrate für alles,
beispielsweise bei Audioblocks. Oder
du bezahlst pro Stück wie bei Sound-
taxi. Schau dich einfach mal um! Du
unterstützt damit übrigens eine ganze
Menge ziemlich cooler Künstler.
32
Übung
Welche Art von Musik passt zu
welchen Aussagen von dir?
Welche Stücke von welchem Musikanbi-
eter wirst du kaufen?
Wofür genau willst du sie einsetzen?
33
Welches Kostüm wählst du?
„Kostüm? Soll ich denn als Clown auftreten?“ Nein, natürlich nicht,
wenn es keinen Sinn hat. Aber du solltest auch deinen Anzug oder dein
Businesskostüm als „Kostüm“ im Bühnensinne verstehen – und auch deine
Jeans-Sakko-Kombi oder deine Turnschuhe oder Cowboystiefel. Ganz
egal, was du anziehst: Zieh es bewusst an. Mach dir klar, dass jeder Stil ein
Statement ist. Und zieh niemals irgendwas an. Hauptsache, du bist nicht
nackt. Alles muss durchdacht sein!
Es gibt Speaker, die mit ihrem Äußeren ein Markenzeichen transportieren –
berühmt ist Sascha Lobo (* 1970) mit seinem roten Irokesenschnitt. Der
Speaker Christian Bischoff (* 1976) trug lange Zeil lang ein rotes Stirnband.
Überleg dir gut, ob du dir diese Last zumuten willst, oder ob du nicht
einfach gemessen an deinem Typ und deiner Aussage passende Kleidung
trägst. Du solltest dich darin wohlfühlen, und zugleich sollte das Kostüm
eine Aussage transportieren.
Übung
Welches Kostüm oder welche Kostüme
passen zu dir und deiner Botschaft?
Die Kleidung ist das
Äußere deiner Marke.
Frank Asmus
34
Welche Überraschungen planst du ein?
Wir kommen zum letzten Punkt beim Thema Inszenierung: Zu den
Überraschungen. Überraschungen machen eine Rede so richtig lebendig!
Stell dir vor, etwas Unvorhergesehenes passiert, und du merkst erst
hinterher, dass es gewollt und geplant war – da kommt Leben in die Bude.
Und auch hier gilt: Überraschungen müssen nicht kompliziert sein. Die
wichtigste Überraschung ist Humor. Humor schafft Gemeinsamkeit und
Entlastung.
Die beste Stelle für Humor ist übrigens der Moment, nachdem du am
Anfang die Relevanz klargestellt hast. Beim Prolog hast du eine persönliche
Beziehung hergestellt – da passt Humor theoretisch auch, aber dann musst
du unbedingt zur Relevanz hin wieder ernst werden. Einfacher ist es daher,
eine Pointe nach der Relevanz zu bringen.
Sammle humorvolle Alltagssituationen!
Es geht nicht um Witze, sondern um humorvolle Alltagsepisoden. Witze
sind in aller Regel nicht lustig, jedenfalls nicht auf der Bühne – wenn sie
kein Selbstzweck sind wie beim „Witz vom Olli“.
Daher solltest du unbedingt witzige Situationen sammeln, damit du sie in
deine Keynote-Speech einbauen kannst.
Witz vom Olli:
https://www.youtube.com/channel/UCTM6a-7GjvDqEckSfEvg1Fw
Übung
Welche Überraschungen unterstützen
deinen Vortrag?
35
PERSÖNLICHERAUFTRITT: DU ALSDARSTELLER
KAPITEL 3
3Finde deinen eigenen Stil!
Nur weil die Branche derzeit einen bestimmten Speaker oder eine
bestimmte Speakerin feiert, musst du nicht genauso sein. Sicher gibt es
Vorbilder, von denen du lernen kannst. Aber du solltest unbedingt deinen
eigenen Stil finden. Damit sind nicht nur dein Outfit und deine Frisur
gemeint, sondern auch die Art, wie du dich gibst. Was für ein Typ bist du?
Der ruhigere? Der aktive? Der bedächtige?
Überleg dir das mal. Sei bitte ehrlich und schreib nicht auf, wie du gerne
wärst, sondern wie du bist. Natürlich kann man einen Stil wechseln, aber das
sollte sehr gut durchdacht sein, damit es nicht affig wirkt.
Es geht nicht nur darum, eine
interessante Geschichte zu erzählen.
Sondern es geht auch darum, die
Geschichte interessant zu erzählen.
Frank Asmus
Übung
Was für ein Typ bist du?
36
Emotionalität schaffen
Dass du nicht nur Fakten herunterleiern solltest, hatten wir ja schon.
Um Menschen zu berühren und zu etwas zu bewegen, ist unbedingt
Emotionalität nötig. Es geht um Gefühle! Und Gefühle erzeugst du am
besten, wenn du selbst welche hast und spürst, wenn du ihnen Raum lässt
und wenn du eine gute Verbindung zu deinem Inneren hast.
Und jetzt kommen drei Zaubermittel, die dir dabei helfen können,
Emotionalität zu vermitteln:
1. Passion (Leidenschaft). Sei selbst überzeugt und begeistert von deiner
Botschaft. Du solltest brennen für das, was du sagst, damit die
Menschen diese Leidenschaft spüren. Auf der Bühne gibt es keine
Zweifel. Dort bist du eins mit deiner Botschaft.
2. Storytelling. Nur Geschichten brechen die Wand zwischen deinem
Publikum und dir nieder. Wie schon erwähnt, öffnen Geschichten
die Seele.
3. „Have a real conversation!“ Sprich ganz normal mit den Menschen.
Manche Redner verfallen in eine Art Präsentationston und wirken
dadurch künstlich und affektiert. Das solltest du nicht tun. Sprich
einfach so, wie du eben mit Menschen sprichst.
Üb immer wieder Passagen deines Vortrags so, wie du sie auch ohne
Bühnensituation präsentieren würdest.
Du präsentierst nichts.
Du sprichst mit den Leuten!
Frank Asmus
Übung
Was lässt dein Herz höherschlagen?
Wofür zeigst du Leidenschaft?
37
Dynamische Körpersprache
Im Grunde entfaltest du dich nur durch deine Worte und durch deine
Körpersprache. Darum sind das die beiden wichtigsten Punkte, auf die
du dich bei der Vorbereitung deiner Keynote-Speech als Performance
konzentrieren solltest.
Gestik
Nutz deine Hände für Gesten, die wie Illustratoren wirken. Aber bitte nicht
übertreiben! Du solltest nicht jedes Wort illustrieren. Sondern du solltest
gezielt und punktuell kleine Gesten einsetzen, die das Gesagte unterstützen.
Stand
Du musst nicht im stabilen Stand dastehen, also mit dem Körpergewicht
auf beiden Beinen. Wenn Menschen unsicher sind, führt der stabile Stand
zum Schwanken, und sie versteifen sich. Besser ist die Kombination
Stand-/Spielbein: Das Körpergewicht ruht auf dem Standbein, während
das Spielbein ausbalanciert.
Ein lockerer Stand mit Stand- und Spielbein sowie lockere Gesten – das
öffnet die Mimik.
Der deutsche Vertriebsstand
Der breite Stand auf beiden Beinen – der „deutsche Vertriebsstand“ – ist
kommunikativ sehr ungeschickt und wirkt auf viele Menschen äußerst
unangenehm. International wirkt er sehr „deutsch“.
Selbstberührung
Viele Top-Speaker berühren sich hin und wieder selbst – sie kratzen sich
am Kopf, nehmen die Hände zueinander. Redner wie Barack Obama (* 1961)
oder Steve Jobs machen hier meist Pausen. Die Geste zeigt: Wir finden
wieder zu uns selbst.
Mach nichts künstlich!
Lass deinem Körper freies Spiel.
Frank Asmus
38
Was passiert, wenn du nicht körpersprachlich frei bist?
• Deine Stimme wird monoton. Die Leute verstehen dich
nicht mehr richtig, weil der Inhalt auch im Klang liegt.
• Da dich die Menschen schlechter verstehen, wird es langweilig.
• Möglicherweise beginnst du mit dem Kopf
zu gestikulieren, der besser ruhig sein sollte.
• Wenn du die Hände in den Taschen hast, beginnen die Ellenbogen
zu gestikulieren, und du flatterst wie ein Hühnchen.
Die Orgasmuskurve
Frank Asmus war Assistent des Dramatikers und Regisseurs Heiner Müller
(1929–1995), der von 1990 bis 1993 der letzte Präsident der Ost-Berliner
Akademie der Künste war und in den 1990er Jahren das Berliner Ensemble
leitete. Von ihm hat Frank Asmus den Spruch: „Jedes Theaterstück hat eine
Orgasmuskurve.“ Damit meinte Müller einen Spannungsaufbau in Gestalt
einer Sinuskurve:
Die gleiche Kurve gilt für deine Keynote-Speech: Es wird laut, dann leiser
und steigt dann energetisch ganz nach oben.
I. Akt, II. Akt, III. Akt: Die Orgasmuskurve nach Heiner Müller
I II III
39
Übung
Welche Gesten unterstützen dich und
wirken zugleich nicht künstlich?
In welchen Haltungen fühlst
du dich sicher und wohl?
Wie baust du deinen Spannungsbogen
im Sinne der Heiner Müllerschen
„Orgasmuskurve“ auf?
40
Sei sympathisch!
Und jetzt – sei doch einfach mal sympathisch. Tja. Leicht gesagt! Wie soll
das gehen, einfach mal so sympathisch sein? Geht das? Kann man bewusst
sympathisch sein?
Viele Leute denken, es sei Zufall, ob sich zwei einander begegnende
Charaktere sympathisch finden. Tatsächlich aber hat Sympathie drei
Zutaten. Und die musst du einfach zusammenmischen. Sympathie besteht
aus drei Elementen:
• Du bist positiv gestimmt.
• Du zeigst einen wertschätzenden Umgang.
• Du demonstrierst Gemeinsamkeiten mit den Leuten und bist nahbar.
Sei das, mach das – und du wirkst sympathisch. Ach ja, und übrigens
(„one more thing“): Indem, du sympathisch wirkst, bist du sympathisch. So
einfach ist das. Klasse, oder?
Sympathie von Anfang an – ein Beispiel für deinen Auftritt
1. Du lächelst.
2. Du gehst auf die Bühne und machst eine Pause.
3. Du schaust dir das Publikum an. Schau nach links, nach rechts, fang alle
ein. Such dir ein freundliches Gesicht aus, dem du zuzwinkerst oder das
du kurz anlachst. Mach das, auch wenn das Publikum nichts tut und
nicht reagiert.
4. Jetzt stell zwei bis drei Fragen. Damit demonstrierst du Relevanz.
5. Arbeite mit Wiederholungen. Du kannst wiederholen: „Mein Ziel ist
heute …“ – sofern du deine Absicht benennst.
6. Dann stellst du dich selbst vor, weil die Leute jetzt die Kompetenz
prüfen wollen.
Vorsicht, es gibt Trends!
Der klassische Top-Speaker-Anfang
ist derzeit gut machbar. Aber Vorsicht,
es gibt Moden! Auch Dramaturgie
unterliegt Trends. Allein die Idee, die
Menschen dazu zu animieren, sich zu
melden, wenn sie dir zustimmen, ist in
vielen Situationen schon grenzwertig.
41
Üben, üben, üben!
Wenn deine Performance nicht wirklich sitzt, wirkt sie schlimmstenfalls
strategisch, und die Menschen distanzieren sich von dir. Darum ist das
Proben extrem wichtig. Steve Jobs hat wochenlang an seiner Dramaturgie
gearbeitet und mindestens zwei volle Tage geprobt. Das solltest du auch
tun.
Die Proben am Theater
Beim Theater gibt es verschiedene Arten von Proben. Das übertragen wir
auf deine Keynote-Speech-Proben:
Abschnittsproben: Hier probst du verschiedene Elemente deiner Show.
Durchläufe: Hier probst du deine Rede am Stück – nicht unbedingt im
finalen Kostüm und oft ohne Requisiten. Unterbrechungen sind erlaubt und
sinnvoll. Bei Durchläufen findest du Fehler und kannst sie beheben.
Hauptprobe 1: Hier spielst du einen Durchlauf mit Technik und Requisiten
und stoppst bei Fehlern. Du korrigierst und setzt kurz vor der Unter-
brechung noch einmal ein.
Hauptprobe 2: Hier spielst du einen Durchlauf mit dem Fokus auf
emotionale Wirkung. Es geht jetzt darum, das Publikum möglichst gut zu
erreichen. Bei Fehlern unterbrichst du nicht. Du ziehst es durch.
Generalprobe: Hier spielst du einen Durchlauf und schaust, dass alles
vollständig ist. Es gibt keine Unterbrechungen.
Auswendig lernen oder nicht?
Auch die Frage, ob du deinen Text auswendig lernst oder frei sprichst,
stellt sich. Das Problem beim Auswendiglernen: Auswendig Gelerntes
klingt oft unnatürlich. Gute Schauspieler besuchen die Journalistenschule
lange Jahre, damit ein auswendig gelernter Text wirkt, als entstehe er im
Augenblick.
Darum ist es das Beste, wenn du deinen Text nicht auswendig lernst,
sondern frei sprichst. So stellen sich bald deine Formulierungen ein, auf die
du dann immer wieder zurückgreifen kannst.
Wenn du allerdings wenig Erfahrung hast, könnte das Auswendiglernen
eine Krücke sein. Dann aber solltest du dir viel Zeit nehmen, um einen
auswendig gelernten Text zu proben.
Der richtige Sparringspartner
Für deine Proben brauchst du einen Sparringspartner, der dich positiv
kritisiert und idealerweise nicht mit dir verwandt ist. Du brauchst auch
niemanden, der dich runterzieht. Ein guter Kritiker gibt dir ein Feedback
nach folgender Art:
42
• Was ist gelungen? Das stellt er dir dar.
• Welche Verbesserungsvorschläge hat er? Jetzt bekommst du Tipps,
was du besser machen könntest.
• Wie ist der Gesamteindruck bisher für dich? Das ist wichtig,
damit ihr nicht im Detail hängenbleibt.
Diese Struktur wirkt sich enorm positiv aus und ist Welten besser als ein
Herumreiten auf Details.
Übung
Wann probst du deine Auftritte?
Wo probst du?
Wie strukturierst du deine Proben?
Welche Menschen kommen als
Sparringspartner in Frage?
43
Fang schon mal an und trainier deinen Auftritt! Nimm dir eine Stunde Zeit,
such dir einen ungestörten großen Raum, stell dir eine Bühne vor und tritt
auf, tritt auf, tritt auf.
Die inwendige Probe
Frank Asmus empfiehlt ein Tool namens „inwendiges Arbeiten“ oder
„inwendige Probe“. Dabei probst du erst, ohne dich zu bewegen. Das Tool
besteht aus den folgenden Stufen:
1. Die mentale Stufe. Du gehst deinen Vortrag immer wieder schweigend
und mit geschlossenen Augen komplett durch. Damit verinnerlichst du
deine Keynote-Speech mental.
2. Die geistig-seelische Stufe. Du spielst inwendig. Du imaginierst also
deinen Auftritt. Dadurch aktivierst du deine Atmung. So öffnest du
deine emotionale Sphäre immer mehr.
3. Die geistig-seelisch-körperliche Stufe. Du stehst auf und performst
deine Keynote-Speech mit Körpersprache, aber ohne Worte. So ist
deine Wahrnehmung aufs Körperliche gerichtet, und du kommst in
einen Flow.
Parallel zu dieser Übung machst du natürlich auch deine normalen
Durchläufe.
Arbeit an der Stimme
Eine richtige Arbeit an der Stimme braucht viel Zeit. Du besuchst nicht
nur Kurse, sondern du musst auch kontinuierlich üben. Die Arbeit an der
Stimme dauert Jahre. Die beste Stimmarbeit ist Singen.
So machst du deine Stimme warm:
• seufzen, entspannen
• Lippen rollen, Das R rollen
• Laute wie „ba“ und „la“ trainieren, um das Zwerchfell einzubinden
• die Register-Übung machen: Mit dem Laut „wiju“ singst du eine Kurve
von unten nach oben und wieder herunter – wie eine Sinuskurve.
• Die Kehle weckst du auf, wenn du mit einem Korken zwischen den
Zähnen sprichst. Versuch dabei, möglichst deutlich zu artikulieren.
44
Was tun gegen Aufregung?
Nervosität vor einem Auftritt ist normal. Wenn wir Angst haben, holt
der Körper Luft, um zu kämpfen, zu erstarren oder wegzulaufen. Das
sind die drei Reaktionsmöglichkeiten, die wir seit der Steinzeit im Kopf
verankert haben.
Eine Bühnensituation ist im Grunde ein Kampf, auf den wir uns unbewusst
einstellen. Weil das Unterbewusstsein denkt, wir müssten kämpfen, holen
wir viel zu viel Luft. Diese Luft müssen wir erst einmal ausatmen – bis die
Lunge leer ist.
Ein effektives Mittel, um sich zu beruhigen, ist die Notfallatmung aus dem
Stressmanagement: In einer brenzligen Situation die Luft anhalten, so
lange es geht. Das kannst du für dich nutzen: Setz dich vor deinem Auftritt
irgendwo hin, schließ die Augen und halt immer wieder die Luft an. Du
wirst erstaunt sein, wie gut das klappt! Du hast ja durch das tiefe Einatmen
infolge der Aufregung für längere Zeit genug Sauerstoff im Blut.
Zwei weitere Tipps gegen Aufregung
• Meditation, wenn du viel Erfahrung damit hast und wenn die
Meditation für dich normal vor einem Auftritt ist.
• Sport am Morgen vor dem Auftritt.
45
Was tun bei Pannen?
Hast du im Theater schon mal eine Panne erlebt? Gute Schauspieler
lassen sich Pannen nicht anmerken. Die allermeisten Pannen bemerkt das
Publikum vermutlich gar nicht.
Und wenn doch? Dann sind Pannen eine gute Gelegenheit, noch
sympathischer rüberzukommen. Denn daran, wie du mit einer peinlichen
Situation umgehst, zeigst du deinen Charakter. Wenn dir eine Panne
geschieht, wirst du das Knistern im Raum wahrnehmen. Alle denken: Was
machst du jetzt? Wie wirst du reagieren?
Denk an das Beispiel mit dem „Tagesschau“-Sprecher, hinter dem plötzlich
jemand auftaucht, der putzt. Wie reagiert der Sprecher? Lacht er, hat er
sofort die Sympathie von Millionen von Menschen. Versucht er, die Situation
wegzudrücken, macht er sich unsympathisch. Vielleicht hast du aber auch
einen lockeren Spruch auf Lager, falls eine Panne passiert?
Übung
Welche Reaktionen hast du
für Pannen in petto?
46
Zeig deine ganze Hingabe!
Lass uns kurz vor Schluss noch einen ganz wichtigen Punkt ansprechen. Es
ist vielleicht der wichtigste.
Der Punkt ist: Es geht nicht um dich. Wenn du sprichst, geht es um die
anderen Menschen. Mit diesen Menschen willst du etwas teilen. Für
diese Menschen bist du da, nicht für dich selbst. Wenn du auf die Bühne
gehst, ist das ein sozialer Akt. Und das macht dich frei. Der Bedarf des
anderen befreit dich aus deiner Ich-Bezogenheit. Kannst du das nach-
vollziehen und spüren?
Übung
Setz dich hin, sammle dich und konzen-
trier dich. Denk an die Überlegung, dass
es nicht um dich geht. Du bist für die
anderen da! Bei allem, was du tust. Was
empfindest du?
47
Fazit
Die Forderungen an einen Redner in der griechischen Antike waren:
• „logos“, also das Rationale, Kausalität, Information („Logik“),
• „pathos“, also das Gefühl, die Leidenschaft („Passion“),
• „ethos“, also die Haltung, dein inneres Selbstverständnis über dein
Verhältnis zur Welt („Ethik“).
Logik, Passion und Ethik sind große Worte. Natürlich! Aber warum nicht? Es
geht darum, dass du für etwas stehst! Dass du Inhalte hast, Gefühle erzeugst
und Haltung zeigst. Wieder eine Trias übrigens.
Die römischen Rhetoriker haben diese Trias noch einmal abgewandelt.
Der Sinn der Rede nach deren wichtigsten Schulen war:
• informieren (wie im Fachvortrag),
• unterhalten (das geht in Richtung Speaking),
• bewegen (das sollte dein Ziel sein).
Was also sollen die Menschen nach deinem Vortrag anderes tun als davor?
Das ist die entscheidende Frage.
One more thing
Ach ja – eine kleine Sache noch („one more thing“): Die Bühne kann
etwas ganz Besonderes sein in deiner Entwicklung. Du wirst bei deinen
Proben viel über dich selbst erfahren. Du wirst dich immer weiter
entwickeln und von Mal zu Mal mehr „logos“, „pathos“ und „ethos“ vermitteln
können. Es ist ein Prozess, der nie endet. Selbst die berühmtesten
Schauspieler trainieren noch – wie Sportler. Und sie würdigen die Bühne
Tu das auch! Liebe die Bühne.
Love the stage … und dann wirst du es rocken! Viel Spaß dabei!
Übung
Wofür stehst du?
Was sollen die Menschen nach deinem Vortrag anders machen als vorher?Welches Verhalten willst du wie ändern?
48
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH
Du kennst nun alle Grundlagen für eine überzeugende Keynote. Aber wie wirst
du nun Speaker und kommst auf die Bühnen dieser Welt?
Gedankentanken ist die größte Bühnenmarke im deutschsprachigen
Raum. Seit 2012 stehen bekannte, internationale Top-Speaker auf der
Gedankentanken-Bühne: Von Tobias Beck, Laura Malina Seiler, Les Brown bis
hin zu Barack Obama. Mit der Expertise im Bereich Bühne und Speaking wollen
wir auch dich bühnenreif machen. Du möchtest auch auf Bühnen stehen und
andere mit deiner Geschichte bewegen? Dann bist du hier richtig!
In der exklusiven Online-Ausbildung THEKEY lernst du, wie auch du deinen
Traum, Speaker zu sein, erfüllen kannst. Wir zeigen dir, wie!
MEHR ERFAHREN
4949
Frank Asmus
Keynote-Entwicklung
Greator
Speaking
Redaktion
Thilo Baum, Gersfeld (Rhön)
Produktmanagement
Julia Müller, Köln
Marketing
Daniel Velkovski, Köln
Konzeption und Design
Natasha Cvetkovic, Hyoin Baek
Herausgeber
Greator GmbH, Köln
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